HEINRICH HEINE IN WESTEUROPAISCHER BEURTEILUNG. SEINE KRITIKER IN FRANKREICH, ENGLAND UND HOLLAND P. KIEFT HEINRICH HEINE IN WESTEUROPAISCHER BEURTEILUNG. SEINE KRITIKER IN FRANKREICH, ENGLAND UND HOLLAND HEINRICH HEINE IN WESTEUROPAISCHER BEURTEILUNG. SEINE KRITIKER IN FRANKREICH, ENGLAND UND HOLLAND ACADEMISCH PROEFSCHRIFT TER VERKRIJGING VAN DEN GRAAD VAN DOCTOR IN DE LETTEREN EN WIJSBEGEERTE AAN DE UNIVERSITEIT VAN AMSTERDAM, OP GEZAG VAN DEN RECTOR MAGNIFICUS Mr. Dr. H. FRIJDA, HOOGLEERAAR IN DE FACULTEIT DER ECONOMISCHE WETENSCHAPPEN, IN HET OPENBAAR TE VERDEDIGEN IN DE AULA DER UNIVERSITEIT, OP 5 JULI 1938, DES NAMIDDAGS TE 4.30 W. J. THIEME & CIE — ZUTPHEN 1938 DOOR PIETER KIEFT GEBOREN TE DE RIJP Aan mijn Vrouw Bij het verschijnen van dit proefschrift is het mij een behoefte van mijn erkentelijkheid te getuigen jegens hen, die tot mijn wetenschappelijke vorming hebben bijgedragen. Groot zijn mijn verplichtingen jegens U, Hooggeleerde Scholte, Hooggeachte Promotor. Buiten mijn wil gelegen omstandigheden hebben mij belet het onderwijs aan de Universiteit in die omvang te volgen, als ik wel gewenst had. Dat het mij desondanks mocht gelukken de universitaire studie te voltooien, heb ik in de eerste plaats aan Uw leiding, Uw raad en hulp te danken. Grote bewondering heb ik voor Uw gaven als academisch docent. Uw welwillendheid, waarop ik zo talloze malen een beroep mocht doen, zal ik steeds in dankbare herinnering houden. Ook U, Hooggeleerde van Dam, betuig ik mijn oprechte erkentelijkheid voor Uw lessen en voor de aanwijzingen, die ik van U mocht ontvangen. Een woord van bijzondere dank richt ik tot U, Hooggeleerde Brugmans, voor Uw hulp bij een belangrijk onderdeel van mijn studie. Aan de nagedachtenis van Prof. Dr. F. W. Hudig, onder wiens leiding de studie der kunstgeschiedenis een bron van geestelijk en artistiek genot voor mij werd, breng ik een woord van eerbiedige hulde. Ik dank de ambtenaren en beambten van de Amsterdamse Universiteitsbibliotheek en verder allen, die mij op enigerlei wijze bij het samenstellen van dit proefschrift behulpzaam waren. EINLEITUNG Wir Menschen sind nicht im Besitze der Wahrheit, sondern nur des Strebens nach Wahrheit. Wir sind in erster Reihe nicht erkennende, sondern fühlende, wollende und kampfende Wesen. Wir sind samtlich persönlich, gruppenmassig oder generationsweise von einander verschieden. Hieraus erklart sich die Tatsache, dass keine Gestalt der Weltgeschichte so gross und erhaben ist, als dass sie nicht der Verschiedenheit der Meinungen unter Zeitgenossen, dem Wechsel in der Anschauung einander folgender Geschlechter zum Opfer gefallen ware. Dies gilt selbst von Persönlichkeiten, die sich ganz stark und rein, eindeutig und einheitlich einem grossen Ziele gewidmet haben. Um wieviel mehr aber gilt es von vieldeutigen, disharmonischen, widerspruchsvollen Naturen, von Menschen, deren Kompliziertheit sie schwer durchschauen lasst, Menschen, die sich fortwahrend zwischen Grossem und Kleinem, Hellem und Dunklem, Reinem und Unreinem bewegt haben. Für diesen letzteren Typus Mensch ist kaum ein Zweiter so kennzeichnend geworden wie Heinrich Heine. Von seinem er sten Auftreten an bis in unsere Tage hinein ist die Diskussion über ihn nicht zur Ruhe gekommen; und es bedeutet noch nicht irgendwie Stellung zu ergreifen, wenn man sagt, dass der Umfang des Heineschrifttums nicht allein durch den Wert dieses Mannes, sondern mindestens ebensosehr durch die schier unerschopfliche Problematik seiner Natur, und durch das fortwahrende Führen von Stoss und Gegenstoss seitens seiner Anhanger und Gegner bewirkt wird. Besonders der Umschwung von 1933 in Deutschland mit seiner entschiedenen Stellungnahme gegen Heine hat diesen wieder einmal in den Vordergrund des europaischen Interesses KIEFT, Dissertatie, gerückt. Es ist ja nur selbstverstandlich, dass sowohl dieWirkung als die Gegenwirkung, die Heine hervorgerufen hat, am nachhaltigsten in seinem Vaterlande gewesen ist. Doch zugleich ist sein Einfluss ausserhalb der deutschen Grenzen ausserordentlich gewesen, und namentlich in Westeuropa hat das seinen Niederschlag in zahllosen Heineausgaben und einem umfangreichen Schrifttum und in Kritik über ihn gefunden. Was dort über ihn gesagt worden ist, namentlich durch die Franzosen, diese Seelenkenner und Literaturfreunde par excellence, ist zuweilen dem Besten, was Heines Landsleute über ihn ausgesprochen haben, mindestens ebenbürtig. Über die Heinekritik in Westeuropa, oder vielmehr in einigen der westeuropaischen Lander, möchte dieses Buch berichten. Gewahlt wurden: Frankreich, das die interessanteste Heinekritik hervorgebracht hat; England, das hier gerade dadurch von Belang wird, dass man im allgemeinen wenig von der Reaktion dieses Weltvolkes auf Heines Erscheinung weiss; und schliesslich Holland, die Heimat des Verfassers, die ihrerseits gleichfalls Wesentliches zur Erhellung des Problems Heine beigesteuert hat. Im zusammenfassenden Schlussteil werden daneben schiesslich auch noch deutsche und national-jüdische Stimmen aus der jüngsten Gegenwart berücksichtigt, um das Heinebild der an dem Dichter unmittelbar beteiligten Gruppen in das Gesamtbild Heines, von Westeuropa aus gesehen, einzufügen. Selbstverstandlich wird bei all diesen Vólkern die Stellung zu dem Dichter stark durch die jeweilige Volksart mitbestimmt, und so wird dieser Überblick uns nicht nur etwas über Heine, sondern ebenso auch über die Geistigkeit der genannten Völker zu sagen haben. An erster Stelle soll hier versucht werden zu ermitteln, wie die drei Völker im Lauf der Zeit über Heine urteilten, was die verschiedenen Generationen in ihm erblickten, was er ihnen war. Hierbei sind uns das wertende Subjekt, die Kritikerschaft, und ihr Gegenstand, der Dichter, gleichermassen wichtig. Hinsichtlich der Beurteiler ist zu untersuchen, inwieweit sie sich in ihrer Heinebewertung selbst darstellen; hinsichtlich Heine selbst, wo Einstimmigkeit in der Bewertung herrscht, wo die Meinungen auseinandergehen, worum es bei dem Kampf um Heine geht. Wir hatten schon eingangs erwahnt, wie wenig der Mensch an sich zur Sachlichkeit v'orbestimmt ist. Wenn es nun gar um einen so problematischen Gegenstand wie Heinrich Heine geht, so werden wir gut daran tun, an die Kritik über ihn nicht mit der Erwartung heranzutreten, hier ein Gebaude sachlicher, festgegründeter Erkenntnis vorzufinden. Gerade hier werden wir sehen, wie Leidenschaft, Interesse und Vorurteil das Urteil, das günstige wie das ungünstige, mitbestimmen, wie starre Ideologie das lebendig-elastische Erfühlen des Gegenstandes erschwert, die Macht der Konvention imitatorische Urteile, also Scheinurteile zuwege bringt, die nationale und gesellschaftliche Umwelt des Kritikers ihren Anteil an der Kritik hat. Dennoch ist auf diesem Gebiete die vorliegende Arbeit auf Optimismus gegründet: sie rechnet in weitem Masse mit dem guten Willen des Menschen zur Wahrheit, mit seiner Fahigkeit, durch Schleier hindurch zur Wirklichkeit des Mitmenschen vorzudringen, und mit der dieser Wirldichkeit eingeborenen Möglichkeit hierzu. Insofern hoffen wir, indem wir an sich nur die Heinekritik in westeuropaischen Landern darstellen und untersuchen, dem Leser möge aus dem verwirrend vielstimmigen Chor der Stimmen über Heinrich Heine ein Beitrag zu seiner Erkenntnis vom Wesenskern des Dichters zuteil werden. DIE FRANZOSEN Allgemeines lm Mai 1831 überschritt Heinrich Heine den Rhein, für ihn wie für alle, die im Deutschland der Restaurationszeit im Lager der Opposition standen, der Jordan, der das geweihte Land der Freiheit von dem Lande der Philister trennte. Wenn auch sein Geist schon lange zuvor nach Westen ausgerichtet war, und der Dichter des Buches der Lieder in seinem Vaterland bereits Ruhm erworben hatte, im Lande jenseits des Rheines war er bisher ein Unbekannter. Nicht etwa, dass das damalige Frankreich deutscher Dichtung, und deutscher Kultur überhaupt, unzuganglich gewesen ware. Schon Jahre zuvor hatte unter dem Einfluss von Deutschlands Romantik und Klassik eine starke Annaherung des französischen Geistes an den deutschen eingesetzt. Die Wurzeln dieser Entwicklung reichen bis tief ins 18. Jahrhundert. In den ersten Jahrzehnten des neuen Jahrhunderts aber kommt sie aufs kraftigste zum Durchbruch. Das Deutschland, wie die Franzosen es aus dem Buche der Mme De Staël kennen gelernt hatten, das Land der Tugend, der Philosophie, der Wissenschaft, der Poesie wurde bald Gegenstand einer oft grenzenlosen Vergötterung. Besonders das zeitgenössische deutsche Schrifttum, das klassische wie das romantische, fand in Frankreich begeisterte Aufnahme. Goethes dramatische Werke, vor allem der erste Teil des Faust, Werther, Schillers Dramen, die Goetheschen und Schillerschen Balladen, Bürgers Lenore, Hoffmanns Erzahlungen, Uhlands Gedichte waren den Franzosen zur Lieblingslektüre geworden. Diese Entwicklung war dem Geiste der damals in Frankreich vorherrschenden Schule der Romantik gemass. Ihre Anfange lagen noch im vorhergehenden Jahrhundert. Zur Zeit von Heines Eintritt in die französische Kultursphare hatte sie gerade ihren Gipfelpunkt erreicht. Von Haus aus war sie kosmopolitisch eingestellt. Petit de Julleville bezeichnet die Rückkehr zur allgemeinen europaischen Tradition als ihren Ausgangspunkt. J) An erster Stelle aber war ihr Bliek auf Deutschland gerichtet. Schon vorher, weit mehr aber noch, nachdem 1830 die Revue des deux Mondes gegründet worden war, berichtete eine Anzahl französischer Gelehrten und Schriftsteller in einer Reihe gediegener und ausführlicher Schriften ihren Landsleuten über Deutschland, wie es in seinen verschiedenen geistigen Gestalten sich darbot. Viele von ihnen übersetzten die deutschen Klassiker und Romantiker und schufen damit die notwendigen Voraussetzungen zur Verbreitung deutscher Werke unter dem gebildeten französischen Publikum, dessen Deutschfreundlichkeit — was auch für die Führer der französischen Romantik gilt — niemals in Kenntnis der deutschen Sprache zum Ausdruck gekommen ist. Heines Werke waren in den wenigen Jahren zwischen ihrem Erscheinen und dem Eintreffen ihres Verfassers in Paris noch nicht übersetzt worden. In diesem Falie hiess das: die Franzosen, abgesehen von sehr wenigen Ausnahmen, kannten sie nicht und kannten auch Heine nicht. Bald sollte es anders werden. Bereits 1832 brachte die Revue des deux Mondes eine Übersetzung von Fragmenten aus den Reisebildern (Harzreise, Buch LeGrand, Bader von Lucca). Es bedeutete den Anfang einer langen Reihe französischer Heineübersetzungen, die, teils in den führenden Zeitschriften, teils in Buchform, den deutschen Schriftsteller den Franzosen nahe brachten; ihren Höhepunkt fand diese Reihe in der von 1855 an in siebzehn Banden, spater teilweise auch in Neuauflagen bei Calmann-Lévy veröffentlichten vollstandigen französischen Ausgabe von Heines Werken. Sie erregte in Frankreich ein Aufsehen, das Heine wie mit einem Zauberschlag in die Reihe der ersten französischen Schriftsteller erhob.2) Dass er in Frankreich Mode sei, steilte 1867 kein Geringerer als Sainte-Beuve fest.3) Edouard Schuré sprach von Heines staunenswertem Erfolg in Frankreich.4) Und Petit de Julleville schreibt: „Man hat ihn uns übersetzt.... Wir haben ihn uns sofort einverleibt und ihm einen Platz in der Nahe der Unsrigen eingeraumt." 5) Den veröffentlichten französischen Übersetzungen seiner Werke folgen, oft in direktem Zusammenhang mit ihnen, die Referate und Einleitungen, die Essays und Kritiken, die kleineren und grosseren biographischen Werke. Der Artikel eines Anonymus G.A.-D. in L'Europe littéraire vom 28. Juni 1833 und eine Rezension Sainte-Beuves in der Zeitung Le National vom 8. August 1833 beschaftigen sich beide mit dem eben erschienenen De la France und eröffnen damit die bis heute ununterbrochene Reihe dieser Schriften. Sie zerfallen in drei zeitlich getrennte Gruppen mit den Jahreszahlen 1860 und 1914 als ziemlich genauen trennenden Einschnitten, Gruppen, die ihrer Entstehung, mehr noch ihrem allgemeinen Charakter nach von einander verschieden sind. Zur ersten Gruppe gehören die noch bei Heines Lebzeiten oder kurz danach erschienenen Artikel. Ihre Verfasser sind Sainte-Beuve, Edgar Quinet, Philarète Chasles6), SaintRené Taillandier, Daniël Stern7), Gérard de Nerval, Armand de Pontmartin 8). Für diese Schriftsteller war Heinrich Heine zeitgenössische Realitat. Er lebte in ihrer Mitte und manche von ihnen standen mit ihm auch in persönlichem Verkehr. Gérard de Nerval und Philarète Chasles gehörten zu seinem Freundeskreis, eine Zeiüang auch Saint-René Taillandier. Mit Sainte-Beuve war er jedenfalls persönlich bekannt. Gérard de Nerval und Saint-René Taillandier übersetzten seine Werke. Ihre erste Absicht war, die Franzosen mit Heine bekannt zu machen. Der mehr referierende als kritische Charakter dieser Aufsatze wird zum Teil diesem Sachverhalt zuzuschreiben sein, teilweise auch dem Umstand, dass Heine noch keine abgeschlossene historische Erscheinung und daher zur zusammenfassenden kritischen Behandlung noch nicht reif war. Vor allem aber trug der jeder kritischen Betrachtung abgeneigte Charakter der Romantik dazu bei, deren Sphare samtliche zeitgenössische Heinebetrachter angehörten, und aus deren erstem Glaubenssatz, dem von der unumschrankten Souveranitat des Individuums, sich unschwer die Lehre von der Nichtberechtigung jeder Kritik herleiten liess.j Von der Heinekritik dieser Periode, wie überhaupt von der literarischen Kritik der Zeit, kann man sagen, dass sie sehr gut unterrichtet und selbst gelehrt, glanzvoll und geistreich war. So zeugen denn die hier erwahnten Aufsatze davon, dass die Verfasser um Heines Werke und nicht weniger um die deutSGhe Literatur überhaupt gründlich Bescheid wussten. Sie bekunden feinsten literarischen Geschmack, bekunden volles Verstandnis fïir Heines schillernde Dichterpersönlichkeit, verstehen es ihn scharf und geistvoll zu charakterisieren. Was hingegen dieser romantischen Kritik mangelt, das ist eine allgemeine Anschauung vom Menschen. Eine Heinebeurteilung, die ihren Gegenstand in seinem Verhaltnis zu den Faktoren von Zeit, Umwelt und Abkunft betrachtete und ihn zum Gegenstand eindringlicher psychologischer Analyse machte, lag ausserhalb des Gesichtskreises dieser romantischen Kritiker. Eine spatere Generation erst sollte sie bringen. Das Moment, dem vor 1860 eine Reihe von Heineschriften ihr Entstehen verdankte, war Heines Aktualitat als Deutsch schreibender, ins Pariser literarische Milieu aufgenommener Schriftsteller, dessen Werke in ununterbrochener Reihe in französischer Sprache erschienen, verstarkt durch den Resonanzboden einer weltbürgerlich, vor allem deutsch eingestellten vorherrschenden literarischen Schule. Letzteres war nach 1860 hinfallig geworden. Zwar waren noch wahrend der letzten Jahre des Zweiten Kaiserreichs, weit mehr aber nach 1870—'71 — die Psychologie des Besiegten legt die Erklarung nahe — deutsche Padagogik, deutsche wissenschaftliche Methoden, deutsche Philosophie, deutsche Geschichte, waren Nietzsche und Wagner den Franzosen Gegenstand eindringlichsten Studiums. Doch abgesehen vielleicht von Hauptmann und Sudermann, die Ende des Jahrhunderts zu nur allzurasch verblichener Bekanntheit in Paris gelangten, fanden die Vertreter deutscher Literatur in Frankreich keine Beachtung mehr. Bis auf einen : Heinrich Heine. „Seit 1850 hat die deutsche Poesie uns nichts geschenkt ausser Heine" stellt Petit de Julleville 1897 fest.9) Von dieser Bedeutung Heines fur Frankreich zeugt die Reihe Schriften, die sich ihn zum Gegenstand zuweilen ausführlicher, ofit eindringlicher und origineller Betrachtung wahlten. Namentlich in den beiden letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts erschienen sie in grosser Zahl.„Jeden Tag erscheint ein neues Werk über Heine" konstatierte 1886 Grand-Carteret. 10) Zum Entstehen vieler Heineschriften in dieser Periode trug auch bei, dass Heine einen zuweilen schwerwiegenden Einfluss auf bestimmte französische Schriftsteller, auf die „Parnassiens", die „Impressionnistes", die „Psychologues", die „Décadents" ausübte; u) dass er zu einer abgeschlossenen, geschichtlichen Einheit geworden war und damit die Fahigkeit erwarb, in Werken über grössere Zusammenhange behandelt zu werden. Auch wirkte dabei mit, dass er nach den Ereignissen von 1870—'71 durch sein die deutsch-französische Frage in so weitem Masse berücksichtigendes Buch De VAllemagne zu neuer Zeitgemassheit gelangt war und dass er im letzten Viertel des Jahrhunderts in Deutschland Gegenstand einer aufblühenden Heinerenaissance, jedoch auch der Mittelpunkt heftiger literarischen und politischen Kampfe wurde, deren Widerhall von jenseits des Rheines herüberwehte. Das sind alles manchmal einzeln, machmal auch vereint zur Geltung kommende Faktoren, die befruchtend wirkten auf das Entstehen einer Heinepublizistik, die, in ihrem Entstehen wie in ihrer Erscheinung komplex, eben durch diese Vielgestaltigkeit an erster Stelle von dem früheren Heineschrifttum verschieden war. Eine Einteilung dieser Schriften könnte etwa folgende Gruppen ergeben:12) a. Schriften, die das sozial-politisch-philosophische Element in Heines Werken zum Hauptmotiv haben: Caro, F. A. Lichtenberger, Lévy, Grand-Carteret, Lévy-Bruhl, H. Lichtenberger. b. Schriften, die an erster Stelle Heines künstlerisches Wesen betrachten wollen: Schuré, Montégut, Ducros, Hennequin, Legras. c. Schriften, in denen Heines Judentum der Hauptgegenstand ist: Valbert, Leroy-Beaulieu, Muret, Launay, Gauthiez. d. Schriften, die den Kampf um Heine zum Hauptinhalt haben: Rod, Kahn, Mazel. Noch in anderer Hinsicht ist die spatere Heineliteratur von der romantischen verschieden. Die Ursache hierzu liegt in dem allgemeinen Geist der Zeit, die vom Prestige der Wissenschaft beherrscht wurde. Dieses Prestige hatte einen tiefgehenden Einfluss auf die Literatur und erst recht auf ihre Kritik. Diese erhielt einen von der romantischen Kritik durchaus verschiedenen Charakter; sie wollte wissenschaftlich sein, wollte sich als Wissenschaft der Literatur darbieten. Auch das Heineschrifttum entspricht ganz dem wissenschaftlichen Zug dieser Epoche. Das gilt mehr oder weniger füir alle hier genannten Werke. Drei zeichnen sich vor allen anderen aus: die Heinestudie Hennequins, Legras' Heine poète, H. Lichtenbergers Heine penseur. Hennequins bereits 1884 in der Revue libérale erschienene, spater vom Verfasser in sein Buch Ecrivains francisés 13) aufgenommene Studie will den Eigencharakter jener Bücher untersuchen, die in Frankreich in die gangbare Literatur Aufnahme gefunden, die Entwicklung mancher französischen Schriftsteller beeinflusst und in Frankreich Nachahmung gefunden hatten.14) Sie will aus den literarischen Werken die geistige Veranlagung ihrer Verfasser ableiten. Diese asthetisch-psychologische Analyse von Heines Künstlerpersönlichkeit gehort zum Anregendsten und Besten, was in Frankreich über den Dichter geschrieben worden ist. Auch Legras gibt eine ausführliche, ebenso eindringliche wie feinfïihlige Analyse von Heines Lyrik und seiner künstlerischen Veranlagung. Henri Lichtenberger wiederum leistete fiir „Heine penseur", was Legras für „Heine poète" tat, indem er Wert und Wesen des gedanklichen Elements in Heines Werken einer ausführlichen Untersuchung unterzog. 15) In der einsichtsvollen Behandlung von Heines Verhaltnis zum Saint-Simonismus und in dem „L'ceuvre et la personnalité" schildernden Schlusskapitel liegt der Hauptwert dieses vorzüglichen Werkes. Reynaud lasst mit dem Weltkrieg einen Abschnitt von Frankreichs Geschichte beginnen, der seiner Ansicht nach von deutschem Kultureinfluss frei ist. Doch auch er stellt für Heinrich Heine das ungeschwachte Interesse der französischen Pubüzistik nach wie vor fest. Daneben lasst sich eine mehr synthetische Richtung im neueren Heineschrifttum erkennen, der es um Heine als Gesamterscheinung geht. Die einzige zusammenfassende französische Heinebiographie des vorigen Jahrhunderts, die von Ducros, schildert Heines Leben nur bis zum Jahre 1827. Kurz vor dem Weltkrieg erschienToPiNS nach Umfang wie Ansprüchen bescheidene Biographie.16) Ihr folgte Paul Gauthiez' etwas bedeutendere, zugleich bei ihrer antisemitischen Einstellung etwas einseitige Lebensbeschreibung.17) Die bedeutenderen zusammenfassenden Biographien erschienen erst in jüngster Zeit: 1930 Mauclairs gediegenes, den Dichter hoch einschatzendes, den politisierenden Journalisten und den Menschen Heine scharf ablehnendes, von antisemitischer Einstellung gleichfalls nicht ganz freies Buch;1S) 1934 das Werk von Antonina Vallentin, das freihch etwas zuviel Nebensachliches heranzieht, sich jedoch durch die treffliche historische Einbettung der Heinegestalt auszeichnet und, von Lichtenberger sichtlich beeinflusst, die Bedeutung Heines als eines sozialpolitischen Kampfers mit manchmal übertriebenem Nachdruck hervorhebt;19) schhesslich 1936 Végas Darstellung, die aus biographischem und autobiographischem Material Heines Lebens- und Gedankenwelt rekonstruiert.20) Die Vorliebe unserer Zeit für die Biographie als für die Entstehung dieser Werke mitbestimmenden Faktor auszuschalten ware unwissenschaftlich; einseitig aber ware es, nicht Heines allgemeine Beliebtheit in Frankreich als wesentliche Ursache ihres Entstehens anzuerkennen. Der Dichter In einem stimmen alle französischen Schriften über Heine überein: dass die grosse, vorherrschende Eigenschaft in seinem vielgestaltigen Wesen sein Dichtertum sei. Reprasentativ für die gesamte französische Heineliteratur sind in dieser Hinsicht die Worte Barbey d'aurevillys : „Der Dichter namlich ist die grosse Angelegenheit, die grosse Tatsache, mit der man sich befassen muss, wenn sich's um Heinrich Heine handelt, der in solchem Masse Dichter ist, dass er im Wirbel seines Schaffens und seines dichterischen Ausdrucks alles mit sich fortreisst." 21) So sagt auch Henri Lichtenberger, dass man bei der Beurteilung Heines nie ausser acht lassen soll, dass er an erster Stelle Dichter, danach erst Politiker war. Montegut schliesslich erkennt im Lyrischen das durchweg vorherrschende, nie loszulösende Element in Heines Gesamterscheinung; so wenig Herkules imstande gewesen sei, das Nessushemd abzulegen, ohne mit jedem Tuchfetzen einen Fetzen seines Fleisches herauszureissen, so wenig habe Heine sich dieses lyrischen Elements entledigen können.22) In den ersten Jahren von Heines Pariser Aufenthalt freilich sollten nur die wenigsten unter den Franzosen die Gelegenheit haben, zu solchen Ansichten über ihn zu gelangen. 1827 allerdings hatte Heine der Welt das Buch der Lieder geschenkt. Nach Paris j edoch kam 1831 nicht ein deutscher Lyriker, sondern ein wenn auch glanzender Tagesschriftsteller. Auf mehr als anderthalb Jahrzehnte hinaus sollte das französische Publikum nur diesen kennen lernen: 1832 erschienen in französischer Übersetzung die Reisebilder, 1833 Französische Zustande. Dasselbe Jahr brachte De Vétat actuel de la littérature en Allemagne (Die Romantische Schule). 1834 kamen De VAllemagne (Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland) und in neuer Übersetzung die Reisebilder an die französische Öffentlichkeit. Allenfalls waren noch die Übertragung der Florentinischen Nachte 1836 und des William Ratcliff 1840 zu erwahnen. 23) Der Dichter des Buches der Lieder aber war damals den Franzosen noch ein Unbekannter. Indessen wurde der Prosaschriftsteller Heine in Frankreich bis 1848 nur wenig geschatzt. Einige wenige in Frankreich allerdings, die deutsches Schrifttum in Urfassung zu verstehen vermochten, Manner aus dem Lager der Romantik, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, ihren Landsleuten deutsche Kulturwerte zu vermitteln, sie kannten Heine. Edgar Quinet, Philarète Chasles, Gérard de Nerval, Saint-René Taillandier wussten vom „poète d'amour", vom Dichter, der dem deutschen Volkslied seine feinsten Klange abgelauscht, und zum ersten Mal des Meeres Tosen und Rauschen in deutscher Sprache hatte erklingen lassen. Eine peinliche Enttauschung war es ihnen, dass dieser Dichter in Paris zum politisierenden Journalisten, zum geistreichen Chroniqueur allerdings, zugleich aber zum furchtbaren Polemiker wurde; dass er gerade in seinen Pariser Schriften deutsche Romantik und deutschen Idealismus und was sonst im Land der Dichter und der Denker ihnen heilig war, mit frevler Hand zertrümmerte. Sie versuchten den Dichter von seinen Abwegen abzubringen. Bereits 1835 beschwor ihn sein Freund Philarète Chasles, der Phanrasie, seiner tollen Königin, zu folgen; sie werde ihn zu Tiefen hinleiten, zu denen ihn niemals die Asthetik im Gelehrtengewande, nie der politische Ehrgeiz, nie sein Auftreten ftir die Sache des Volkes führen würden. 24) Damit sprach er aus, was all diese Romantiker empfanden. Eine Freude war es ihnen, als Heine endlich 1843 mit dem Atta Troll zur Poesie zurückkehrte. In Saint-René Taillandier weckte diese Rückkehr sofort Hoffnungen, die er verwirklicht sehen möchte.26) Dass vom Kreise dieser Romantiker die Initiative dazu ausging, in Frankreich den Dichter Heine einzuführen, ist nur selbstverstandlich. Das geschah, als 1848 Gérard de Nerval seine Übersetzung der Nordsee und des Intermezzo in der Revue des deux Mondes veröffentlichte.26) Bezeichnend für das, was der Name Heinrich Heine dem damaligen französischen Publikum bedeutete, sind die Worte, die de Nerval seinen Übersetzungen zum Geleit mitgab. Er erinnert an den Schriftsteller, der der Führer des Jungen Deutschlands gewesen sei und einen grossen Einfluss auf die Geister ausgeübt habe. Allerdings muss er gestehen, er hatte aus Heines Werken ein Bündel republikanischer Pfeile zusammenlesen können, denen nicht einmal das Beil des Liktors gefehlt hatte. Er zieht es aber vor, seinen Lesern einen einfachen Strauss von Blüten der Phantasie voll starker Düften und leuchtender Farben anzubieten. 27) Für Heine bedeutete de Nervals Übersetzung einen Umschwung in der Bewertung seitens des französischen Publikums, den Anfang seiner Beliebtheit und seines Ruhmes in Frankreich. Er, der bis dahin nur als Kritiker und Humorist bekannt war, wird berühmt als Dichter.28) Von Heines, des Lyrikers, hohem Ansehen in Frankreich zeugt fast ausnahmslos jede französische Arbeit über ihn, gleichviel ob aus alterer oder neuerer Zeit. Kleine Meisterwerke der Kunst, der Phantasie, der Ursprünglichkeit, so nennt Edgar Quinet Heines Gedichte.29) Bei F. A. Lichtenberger heisst es: „In diesen Gedichten hat das deutsche Lied seinen höchstvollendeten Ausdruck gefunden";30) bei Edouard Rod: „Die Meisterwerke, so bildgefüllt, so festumrissen, dass ein einmaliges Lesen genügt, um sie dem Gedachtnis einzupragen." 31) Der wunderbare Dichter der Liebe und der Natur, so wird Heine von demselben Schriftsteller genannt,32) der grösste deutsche Lyriker des 19. Jahrhunderts von Edouard Schuré. 33) Der leidenschaftlich katholisch gesinnte Journalist Louis Veuillot, sonst einer der scharfsten Kritiker Heines, bezeugt von ihm, er sei gross als lyrischer Dichter;34) und der klerikale Kritiker Armand de Pontmartin, der von Heines Werken spricht als von Büchern, die abstossend auf seine Gefühle und seinen Glauben wirkten,**) muss gestehen, er sei ein hervorragender Künstler und Dichter;36) der geistreiche Kritiker Barbey d'Aurevilly, obwohl gleichfalls ein katholischer Eiferer, nennt ihn einen idealen Dichter,37) den modernen Dichter par excellence38) und den grössten Dichter, den Europa seit Byrons Tod gesehen habe.39) Wo alles liebt, können diejenigen nicht hassen, die in Heines sonstigen Werken im wesentlichen einen Ausfluss jüdischen Geistes erblicken und mehr oder weniger antisemitisch angehaucht sind: Maurice Muret nennt ihn den grossen deutschen Lyriker,40) Gauthiez den ersten der lyrischen Dichter Deutschlands,41) Mauclair den grössten Lyriker der deutschen Sprache.42) Ausser diesen direkten Zeugnissen gibt es noch andere Anzeichen, die davon zeugen, wie sehr die Franzosen den Dichter Heine zu schatzen wussten: die vielen verschiedenen Übersetzungen seiner Gedichte an erster Stelle, sein Einfluss auf die französischen Lyriker an zweiter. In französischer Übersetzung erschien freilich Heines gesamte literarische Schöpfung, jedoch die Prosaschriften, selbst die in Frankreich meist gelesenen, De la France, De VAllemagne, Lutèce, in nur wenigen Bearbeitungen, die Gedichte hingegen, vor allem Intermezzo und Heimkehr, in zahllosen Ausgaben. 43) Unter den Schriften, die die französischen Übersetzungen von Heines Lyrik in grösserem Zusammenhang behandeln, sind besonders Edmond Dumérils beide Werke wichtig.44) Er betrachtet samtliche zwischen den Jahren 1785 und 1890 in französischer Übersetzung erschienene Lieds et ballades germaniques. Seine Ergebnisse beruhen also auf reichstem Vergleichungsmaterial. Er meint, Heine habe zu ebensoviel, vielleicht zu mehr Gedichtsammlungen angeregt, als alle übrigen deutschen Lyriker zusammen.45) Dumérils Untersuchung erstreckt sich, wie gesagt, bis zum Jahre 1890; doch ausdrücklich bemerkt er, dass Heine im zwanzigsten Jahrhundert nicht minder als im neunzehnten zur Nachdichtung reize, dass seit 1890 in jedem Jahrfünft irgendeine neue Intermezzooder Romanzero-übersetzung erschienen sei und Heine zum reichen Bestand an übersetzten Liedern weitaus das meiste beisteuere.4e) Mehr noch vielleicht als die unmittelbaren Zeugnisse beweisen diese zahlreichen Übertragungen, wie sehr die französischen Übersetzer, darunter die besten Lyriker Frankreichs wie z.B. Gérard de Nerval, Heine schatzten und welche Geistesverwandtschaft sie zum Verfasser des Intermezzo, der Heimkehr und des Romanzero hinzog. Am deutlichsten wird uns Heines dichterischer Einfluss in Frankreich, wenn wir diesen innerhalb der französischen Lyrik selbst erblicken. Dieser Einfluss macht sich bereits in der romantischen Epoche geltend, sowohl beim kongenialen Gérard de Nerval, der bei Heine seine Inspirationen schöpft,47) als bei Théophile Gautier, der in seiner Poesie, in seinem pointierten Esprit, in dem manchmal morbiden Hauch seiner Gedichte typisch Heineschen Einfluss verrat. 48) Noch starker als bei Heines Zeitgenossen wird sein Einfluss auf die spatere Richtung der Parnassiens. Zuerst bei ihrem Vorlaufer Théodore de Banville, 49) der Heine nachst Victor Hugo für den grössten Dichter des Jahrhunderts hielt50) und dessen Formenkultus sich von Heine herleitet. Danach bei Catulle Mendès, 51) der lyrische Gedichte schuf, die in ihrem Wohllaut, ihrer Einfachheit, ihrer schmerzlichen, gewagten oder boshaften Erotik ein Widerhall und eine Wiederholung Heinescher Klange sind.52) Schliesslich bei Fran^ois Coppée53) in seinen Zügen feiner Ironie, bei Léon Valade und Léon Dierx. Charles Baudelaire übernahm von Heine die gewagten Kontraste, die Vorliebe für das Krankhaft-traumhafte, die Abneigung gegen alles Gewöhnüche, erinnert auch an ihn in seiner, aus moralischer Geringschatzung und künstlerischer Begeisterung gemischten Stellung dem Weibe gegenüber. Ende des Jahrhunderts zeigen Jean Richepin, Maurice Bouchor, in dessen Poèmes de l'amour et de la mer Hennequin Heines Feinfühligkeit und Mutwilligkeit wiedererkennen will,54) ferner Marie Krysinska, Paul Verlaine, Gustave Kahn, Charles Gros, Adolphe Retté Spuren Heineschen Einflusses. Noch mehr Namen liessen sich nennen. Manchmal allerdings wird sich kaum entscheiden lassen, welche Übereinstimmungen auf direkten Einfluss und welche auf dichterische Seelenverwandtschaft zurückzuführen sind, ganz abgesehen davon, dass beides in einander übergeht, und der Vorganger im Nachfolger nur dasjenige weckt, was ohnehin bereits in ihm schlummert. Heines allgemeine Wirkung auf die verschiedensten Dichterschulen, auf Romantiker, Parnassiens, Dekadenten, Symbolisten, Impressionisten, allerhand Einspanner, auf fast alle Dichtergruppen, die es um die Jahrhundertwende in Frankreich gab, steht demnach über jeden Zweifel hin fest. Viele, darunter grundverschiedene Naturen sind bei Heine in die Schule gegangen. Hieran ersehen wir wiederum Heines Vielgestaltigkeit, die seine Erscheinung überhaupt kennzeichnet, doch auch im Einzelbereich seines Dichtertums eins der meist kennzeichnenden Elemente ist. Wenn Heine zeitweilig seinem Dichterberuf abtrünnig wurde und eine Zeitlang die Poesie ihm nur schone Nebenbeschaftigung war, so empfanden die Franzosen, und nicht am wenigsten die spateren Heineschriftsteller unter ihnen, dies als einen bedauerlichen Abfall. Mauclair spricht von der verhangnisvoUen Stunde, da die politische Leidenschaft sich dieses genialen Dichters bemachtigte.55) „Die verhangnisvolle Politik wird nun seine Poesie verderben", so drückt sich Gauthiez aus, als er von Heines politischer Schriftstellerei berichtet.56) Nur Heines Lyrik ist es, die ihm nach der immer wiederholten Aussage der Franzosen Ewigkeitswert und Ruhm verleiht. „Wo waren seine Prosaschriften, hatte er nicht seine Gedichte geschrieben, durch die sein Name erhalten blieb" fragt Gauthihz. 57) In gleichem Sinne aussert sich Henri Mazel, als er 1906, ein halbes Jahrhundert nach Heines Tod, die Bilanz von dessen Leben zieht: nicht die humoristischen und politischen Schriften, ebensowenig die Bücher, welche Franzosen und Deutsche einander naher bringen sollten, nicht einmal die Reisebilder, die die Begeisterung der Zeitgenossen erweckten, hatten Dauerwert; durch seine Lieder aber werde er bis in die fernsten Zeiten leben.5S) Der Spotter Es ist nur selbstverstandlich, dass auf die Franzosen, dieses Volk des Esprit, auch die stark ausgepragte humoristische Seite Heines nachhaltigen Eindruck machte, der freilich, wie wir noch sehen werden, keineswegs ungemischt war. Zwei Beispiele seien hier angeführt, die uns sofort in die Situation des Humoristen Heine zwischen seinen französischen Zeitgenossen mitten hineinführen. Im Jahre 1854 begann Augiers und Sandeaus berühmtes Lustspiel Le gendre de Monsieur Poirier, seinen Siegeslauf über die französischen Bretter. Mit zweimaliger Erwahnung des Namens des Urhebers war ein Heinescher Witz in die Handlung eingeflochten.59) Nun das zweite Beispiel: wie Philibert Audebrand in seinen Erinnerungen erzahlt, spazierte er eines schonen Tages als junger Schriftsteller mit Dr. Heller, einem Mitglied der Medizinischen Akademie, durch Paris. Als sie am bekannten Speisehaus Frascati vorüber kamen, sei Dr. Heller plötzlich stillgestanden und habe seinem Begleiter zugeraunt: „Einen Augenblick: ich möchte Ihnen den witzigsten Mann Europas zeigen." Dabei habe er auf Heinrich Heine gedeutet. Damit ist Heine in seinem Verhaltnis zum Pariser Publikum der Julimonarchie und des Zweiten Kaiserreichs gut gekennzeichnet. War es doch nur eine dünne Schicht von Dichtern und Schriftstellern, von literarischen Feinschmeckern und wissenschaftlichen Literaturbetrachtern, die in ihm den Lyri- ker verehrte. Doch in recht anderer Gestalt war er in Frankreich zu einem mehr handgreiflichen Ruhme gelangt: als der witzige Literat, der wirkliche oder angebliche Urheber unzahliger Bonmots und Bosheiten; als der Heine, der von Léon HalÉvy, dem Bruder des bekannten Komponisten erklarte, er sei so langweilig, als ob sein Bruder ihn komponiert hatte; als der Heine, der den danischen Dramatiker Adam Oehlenschlager, der sich gerade abgemüht hatte, ihm eins seiner Dramen auf Deutsch vorzutragen, aufs tiefste mit der Bemerkung enttauschte, nie habe er geahnt, dass er so gut Danisch verstehe. Dieser Heine war es, den das französische, mehr oder weniger gebildete grosse Publikum kannte, zeitweilig anschwarmte, manchmal aber auch fürchtete. Darf man Franz Grillparzers Worten Glauben beimessen, so habe der Baron Rothschild nie so grosse Angst gehabt, als wenn Heine sein Gast bei Tisch war; und Meyerbeer soll sich, zufolge Börne, in Heines Gegenwart stets betragen haben wie ein Hund in der Nahe eines Löwen. Dieser volkstümhche Ruhm lasst sich minder gut als Heines Bekanntheit auf anderen Gebieten aus direkten Zeugnissen belegen. Zum geringeren Teil anekdotische Züge, wie die vorhin zitierten,60) welche sich übrigens nach Belieben vermehren hessen,61) in grösserem Umfang aber die Aussagen derer, die aus persönlichen Kontakt mit dem Pariser Publikum ihre Schlüsse zu ziehen vermochten, liefern uns hierfür den Stoff. „Dieser Esprit, diese plötzhch aufzischenden, sprühenden, blitzenden, lebendigen Funken überraschten und bezauberten das Pariser Publikum," so heisst es bei der Grafin d'Agoult, alias Daniël Stern. 62) Nicht fïir Heines Spott, Schwermut und innere Kostbarkeit hatte dieses Publikum Verstandnis, wohl aber, fïir seinen anmutigen, feinen Geist, seine poetische Munterkeit, die ergötzhche Beweghchkeit seiner Seele.63) Nicht den Dichter Heine kannte die grosse Masse, sondern nur den Humoristen, den Urheber komischer und grausamer Witze.M) Diejenigen indessen, die geistig imstande waren, einen anderen Heine als diesen Liebling des Pariser Publikums zu KIEFT, Dissertatie. o würdigen, schatzten seinen Witz weniger. An erster Stelle gilt das für die zeitgenössischen romantischen Schriftsteller. Diesem Übermass an Witz konnten sie mit gutem Gewissen nicht ihren Beifall zollen. „Heine wird noch mehr unser französisches Niveau besitzen, wenn er ein wenig minder geistreich sein wird," urteilte Sainte-Beuve. 65) So empfand es auch SaintRené Taillandier ; aus Heines ersten Pariser Schriften hatte er mit Bedauern den Eindruck gewonnen, dass ihr Verfasser geistreicher als die Franzosen sein wolle; dass er eine Ehre darein setze, sie durch seinen Witz zu blenden und es darin Voltaire zuvorzutun.66) Nicht anders urteilt siebzig Jahre spater Gauthiez, wenn er das Übermass an Esprit oder besser die Manie, allzeit witzig sein zu wollen, ein für Heines eigentliches Genie verhangnisvolles Element nennt.C7) Ducros, der dem Wesen des Esprit tiefer als die Obengenannten auf den Grund geht, entdeckt bei Heine ein paar Stellen, die den Anforderungen an den Esprit genügten und die mit ihrer gelungenen, überraschenden Nebeneinanderstellung zweier sich scheinbar fernliegender Dinge ein geradezu voltairesches Geprage hatten.68) Fürs übrige stellt er Heines Versagen fest und behauptet, dass die anderen Züge von Heines Witz weder einen Gedanken noch ein Lachen aufkommen liessen, tadelt auch gleichfalls ein Zuviel an Witz. Im Gegensatz zu Ducros, der Heine geistig für Frankreich in Anspruch nimmt, betont er, welche Kluft Heines Witz von französischem Esprit trenne. Scharfer und polemischer hebt Mauclair das dem Franzosen Wesensfremde an Heines Witz hervor: jüdischer und deutscher Witz, nicht französischer Esprit aussere sich bei ihm. Möge er auch der geistreichste aller Deutschen sein, ein Chamfort, ein Banville seien etwas durchaus anderes. Sogar in Heines beschwingtesten Seiten will er Schmutzerei, Schwerfalligkeit und Taktlosigkeit verspüren, die der Bierhalle und dem Ghetto entstammten.69) Doch nur wenige Literaturkenner empfanden so, nicht die breite Masse der Franzosen. Diese hatten eine Schwache für Heine. Seine Werke lasen sie zwar kaum, sie begnügten sich damit, seine Bonmots zu wiederholen, fanden ihn im übrigen aber so anmutig und geistreich, dass sie ihn, wie die George Sand, ihren Vetter nennen mochten.70) Diesem Publikum kamen die für literarische Feinschmecker störenden Elemente in Heines Witz nicht zum Bewusstsein. „In Paris sind die flotten Plauderer stets willkommen; der Scherz stellt eine Macht dar," schrieb Philibert Audebrand mit Bezug auf Heine. 71) Dass dessen Witz ein französisches Publikum entzücken musste, kann denn auch bei der grossen Bedeutung, die im französischen Volksempfinden der Esprit immer hatte, nicht befremden. Nicht einmal da, wo einem feineren Empfïnden der Heinesche Witz dem Wesen dieses Esprit nicht immer völlig zu entsprechen schien. Der französische und der deutsche Volkscharakter trennen sich in der Würdigung des Esprit. Daher müssen Deutsche und Franzosen kraft ureigensten Wesens Heine in seinem Witz verschieden beurteilen. In wahrhaft klassischer Weise macht das Schuré deutlich, wenn er den Heineschen Witz auch nur in der Gestalt der Illusionszerstörung betrachtet. Die betreffende Stelle sei daher wörtlich angeführt: „Man hat Heinrich Heine seine Sonderhchkeiten dank seinem beissenden Witz verziehen. Widerfahrt es ihm zum Beispiel, dass er von einer Jugendliebe zu irgendeinem traumerischen, blonden Madchen erzahlt, so wird er so hübsch davon sprechen, dass du, zweiflerischer Franzose, im Begriffe bist, gerührt zu werden. Schon kommen dir die Tranen ins Auge, und du fürchtest deine Haltung als Weltmann zu verlieren. Aber da fliegt plötzlich ein Witz wie ein Pfeil daher, und die Madonna wird zum losen Ding, entzückt dich, und du rufst Beifall. Für die Deutschen ist es vollkommen entgegengesetzt. Sie wollen weinen, und sie werden zum Lachen gebracht; nun sind sie wütend."72) Grand-Carteret machte 1886 die Bemerkung, Heine habe es seinem Witz zu verdanken, dass er, im Gegensatz zu Börne, sich dauerhaften Ruhm in Frankreich erworben habe und dass jeden Tag eine neues Buch über ihn erscheine.73) Diese Worte enthalten nur eine bedingte Wahrheit. Zweierlei übersah Grand-Carteret : einmal, dass Heine als Menschentypus mehr als Börne das Interesse der Nachwelt fesseln musste; zum zweiten aber, dass Börne mit den politischen Schriften sein letztes Wort gesagt hatte, Heine aber gerade als Dichter im geistigen Frankreich sich einer weitverbreiteten Beliebtheit erfreute. Die Richtigkeit von Grand-Carterets Worten soweit es aber das grosse Publikum betrifft, kann sofort eingeraumt werden. Bei ihm erwarb sich ja Heine, was wohl am besten mit Mauclair als „une gloriole boulevardière"74) gekennzeichnet sein dürfte. Der Polemiker Es wird uns nicht wunder nehmen, wenn wir bemerken, dass die Franzosen Heine des öfteren, mit ihrem Voltaire verglichen haben. Haben doch die beiden Schriftsteller so viel miteinander gemein. Beide sind sie beissend witzige Satiriker einerseits, andrerseits aber und vor allem leidenschaftlich ernste Sozialkritiker. Voltaires Rolle für Frankreich ist die des Vernichters, dessen Schriften veralteten kirchlichen, politischen, sozialen Einrichtungen den Untergang bereiteten, dessen Spott und Kritik einer neuen Entwicklung Raum schuf. Zwischen Voltaire „homme d'esprit" und Heine, besonders aber zwischen Heine und Voltaire als Abbrecher alles Überlebten, werden immer wieder Parallelen gezogen. „Heine und Voltaire besitzen merkwürdige Ahnlichkeiten" schrieb Louis Veuillot. 75) Und Schuré meinte: „Er ist ein zweiter Voltaire." 76) Freilich hatten die Franzosen ursprünglich nicht mit einem so wilden Kampfer, wie Heine es war, gerechnet, und seine Heftigkeit erstaunte und entsetzte sie gleichermassen. Gleich in den ersten Jahren von Heines Pariser Aufenthalt blickten diejenigen unter den Franzosen, die ihn damals bei ihren Landsleuten einführen wollten, mit Erstaunen und mit Grauen auf seine Zerstörungsarbeit. Edgar Quinet, Philarète Chasles, Saint-René Taillandier, Gérard de Nerval, sie alle schwarmten in den zwanziger und dreissiger Jahren des Jahrhunderts für deutsche Klassik, deutsche Romantik und deutschen Idealismus und fühlten sich zur Vermittlung deutscher Kultur an ihre Landsleute berufen. Mit welchen Augen sie das Frankreich und das Deutschland der abgelaufenen Jahrzehnte be- trachteten, zeigen wohl am besten die Worte Ed. Quinets: „Wahrend Frankreich, dieser tüchtige Arbeiter, in Krieg und Frieden seiner harten Aufgabe genügte, ohne sich eine Stunde der Ruhe zu gönnen, wahrend es seine Erde aufwarf und umwühlte und seinen Lehm in seinem Blut und seinen Tranen knetete, hatte in Deutschland der Chor der Dichter niemals geschwiegen."77) Mit Bedauern mussten sie nun feststellen, wie ein anderes Deutschland heraufkam, wie sich dieses grosse Land der Treue und Liebe nun gleichfalls in ein Land des Zweifels und Zornes verwandelt hatte.78) Frankreich und England, waren diesen Weg schon langst gegangen, Deutschland war ihnen gefolgt, hatte nun auch den Punkt erreicht, an dem die übrige Welt es erwartete. Nun waren Frankreich, Deutschland und England, die drei Königinnen der modernen Welt, vom gleichen Thron der Religion ins gleiche Nichts, vom gleichen Glauben in den gleichen Zweifel, vom gleichen Himmel auf der gleichen Erde niedergestürzt.79) Voltaire in Frankreich, Byron in England, waren die Überwinder des Idealismus gewesen; in Deutschland übernahm jetzt Heinrich Heine diese Rolle: „Die Poesie erstieg die letzte Stufe des deutschen Idealismus und fing an zu verspotten, was sie einst geliebt, zu lieben, was sie einst gehasst hatte und mit Heinrich Heine als Derwisch oben auf dem Minarett, die letzte Stunde, die Mitternachtsstunde dieser tausendjahrigen Periode des deutschen Geistes zu verspotten."80) Nur bedauern kann Quinet diese Vernichtungsarbeit: er wirft Heine seine Grausamkeit vor und fleht ihn um Gnade an für das, was noch an Schönem und Gutem übriggeblieben sei.81) Wie Quinet, so sah auch Philarète Chasles Heines Stellung zu Deutschlands geistiger Entwicklung: „Der Geist Voltaires hatte zuerst den ganzen Süden Europas durchzogen, hatte danach in Byrons Donjuan Gestalt gewonnen um dann auf Heinrich Heine niederzufallen. Dieser gab als Erster in Deutschland das Rückzugssignal für den ehemals vorherrschenden Idealismus."82) Heine in der Rolle Voltaires ist auch ihm kein anziehendes Schauspiel: er rat unserem Dichter nicht der Schleppentrager jener kleinen Philosophen zu sein, die auf Voltaires Kosten lebten; diese Rolle möge in Deutsch- land etwas Neues sein, für Frankreich sei sie zu alt. 83) Den zwei bedeutsamsten Heineaufsatzen Saint-René Taillandiers liegen ahnliche Gedanken zugrunde: auch er sieht ein neues Deutschland, welches das Reich der Abstraktionen verlassen und in der Welt des Wirklichen festen Fuss gewinnen wolle. M) Auch für ihn ist Heine der schonungslose Zerstörer alter Werte, nach dessen Auftreten es der deutschen Dichtung nicht mehr möglich gewesen sei die Erhabenheit ihrer Anfange wiederzufinden; mit ihm sei sie ihrem Eden entflohen. M) Diesen Romantikern war es eine bittere Enttauschung zu sehen, wie die Güter, an die sie ihr Herz gehangt hatten: deutscher Idealismus, deutsche klassische und romantische Dichtung, Heines Angriffen zum Opfer fielen. Andere wieder, wie die glaubigen Christen, mussten, manche mit schmerzlichem Bedauern, manche auch mit zürnender Erbitterung, feststellen, wie Heine auf auch das, was ihnen heilig war, seine Pfeile richtete. Bereits Philarète Chasles steilte fest: „Heinrich Heine hat weder Goethe noch Schiller noch den lieben Gott verschont." 86) Scharfer aussert sich F. A. Lichtenberger, der Dekan der theologischen Fakultat von Paris: „Die Religion selbst ist der Gegenstand seines unaufhörlichen Spottes." 87) Armand de Pontmartin, ein strengglaubiger Katholik, der wie übrigens auch F. A. Lichtenberger, mit seiner Bewunderung für Heines Kunst nicht zurückhielt, doch zugleich gestehen musste, Heine habe keine Ehrfurcht vor den Dingen, die er selbst verehre,88) sah sich dadurch in den Konflikt verwickelt, entweder Heine jeden Esprit abzusprechen, um ein guter Christ zu bleiben, oder aber infolge der Neigung für Heine aufzuhören, an Gott zu glauben.89) Heines Angriffe auf die poütischen und sozialen Machte seiner Zeit bleiben wahrend der Julimonarchie und des Zweiten Kaiserreiches fast völlig unberücksichtigt. Nur eine vereinzelte Stimme, wie etwa die Daniël Sterns, spricht kurz davon, dass Heine sich unter die Fahnen der Opposition schare. 90) Nach 1870 aber, als nach dem Abblühen der Romantik die realistische Epoche eine mehr erschöpfende Heinebetrachtung gebracht hatte, und auch die politische und soziale Entwicklung mehr als früher dazu drangte, mehrten sich die Stimmen, die Heines politisch- und sozialkritische Arbeiten sachlich hervorhoben und, wie Hennequin, darauf hinwiesen, dass Heine die politischen und sozialen Machte angegriffen habe.91) Dass die Franzosen, und gar nach 1870, Heine seine Angriffe auf die Hohenzollern und die deutsche Reaktion gern verziehen, war kaum anders zu erwarten, Mit behaglichem Schmunzeln konstatierte G. Kahn, dass Heines Sarkasmen gegen die Hohenzollern ihm weder die Bewunderung der deutschen Regierungskreise eingetragen habe, noch die der Bourgeoisie, in der man so stolz auf ein Reserveleutnantspatent sei.92) Wenn Heine auf die Hohenzollern und die deutsche Reaktion einhieb, dann konnte jeder Franzose, gleichviel ob rot oder schwarz, dazu Beifall rufen. Wo er aber den sozialen Machten, die ja diesseits und jenseits des Rheines die gleichen waren, auf den Leib rückt, dort trennen sich Schwarz und Rot in ihrer Bewertung. Einen neuen Typus des sozialen Apostels, ein Mitglied jener Bande, zu der neben Heine selbst noch Börne, Lassalle, Marx und Spiessgesellen gehörten, so nennt ihn Gauthiez. 93) Die andere Seite vertritt Antonina Vallentin, wenn sie den Eindruck beschreibt, den 1844 die schlesische Weberrevolte auf Heine, Marx und andere Emigrierte in Paris machte: „Die Entrüstung, mit der die Emigrantenkreise diese Ereignisse verfolgten, erweckte lauten Widerhall bei Heine, dessen Empfindlichkeit für soziales Unrecht so gross ist. Diesem ungeschickten, aus dem Herzen des blutigen Ringens entstandenen Lied, verleiht er seine gewaltige Beschwörungskraft und fasst jene gestammelten Flüche in Worte von biblischer Grosse." 94) Dann wieder die anderen, die mit Mauclair in Heine den unfruchtbaren Opposanten erblicken, den Menschen der ewigen Verneinung und Zerstörung, der Opposition quandmême, zu dessen Zerstörungswerk keine eigenen Ideale die positive Komponente zu liefern vermogen: „Für keinen einzigen Gedanken hat er sich je begeistert; er hat Vaterland, Liebe, Kunst und Natur, seine Freunde und Nachsten und sich selbst verhöhnt.... keinen einzigen Altar hat er errichtet", schrieb die Grafin d'Agoult. 95) Wesentlich dieselbe Anschauung hat Armand de Pontmartin : „Wenn dieser schonungslose Spott all unsre Götter und all seine Götzen übereinander geworfen hat, was kann sich dann schliesslich anderes ergeben als eine Reihe von Nullen, deren Ziffern verschwunden sind." 96) Mit besonderer Scharfe heben selbstverstandlich die antisemitischen oder doch mindestens asemitischen unter Heines Beurteilern das Zersetzende in seiner Kritik hervor. „Dieser teuflische Mensch ist dem Wesen nach ein Verneiner, ein Zerstörer," urteilte Launay. 97) „Ein gescheiterter kleiner Jude, erwirbt er sich diesen moralischen Nihilismus, diese zersetzende Analyse, diese zerfressende Ironie," sagt Gauthiez und spricht weiter vom Zerstörungsgeist des Juden.9S) Diese Seite von Heines Wesen ist es auch, worin man, bei vielem Gemeinsamen, den grundlegendsten Unterschied zwischen ihm und Voltaire zu erblicken glaubt. „All die irreügiösen Spöttereien Voltaires verhindern nicht, dass es bei ihm ein Ganzes von positivem Glauben gibt, dem Glauben an Gott, dem Glauben an die sittliche Ordnung, die das Weltall erhalt. Eben dieser Halt fehlte Heinrich Heine." 99) So schrieb Saint-René Taillandier. Mit etwas anderen Worten, in denen jedoch derselbe Gedanke zum Ausdruck kommt, sagte es F. A. Lichtenberger. Etwas Bitteres, Zynisches, Boshaftes konstatierte er bei Heine. Es sei nicht der sprudelnde Scherz Voltaires, der den Vorurteilen und dem Aberglauben seiner Zeit auf den Leib gerückt sei; es sei gehassiger und widerlicher Spott, der alles angreife und nichts, weder einen Menschen noch sich selbst geschont habe. 10°) Wo vom Gesellschaftskritiker die Rede ist, fallt, beim Vergleich zwischen Heine und Voltaire, das Fazit, das die Franzosen ziehen, zu Heines Ungunsten aus. In einem anderen Punkt aber unterliegt Voltaire. Gérard de Nerval deutete es an als er schrieb: „Heinrich Heine ist ein malerischer und empfindsamer Voltaire, ein Skeptiker des 17. Jahrhunderts im blauen Licht eines deutschen Mondscheins." 101) Und Armand de Pontmartin erklarte von Heine, er sei etwas voltairescher als Voltaire, zudem aber ein Dichter, was Voltaire nie gewesen sei.102) Dies führt uns auf einen Punkt zurück, an dem wir bereits verweilten als wir feststellten, dass für die Franzosen das Wesentliche an Heine sein Dichtertum ist. Der Denker Wenn wir daran gehen im Lichte der französischen Kritik Heine als Denker zu betrachten, tun wir es mit dem Vorbehalt, dass man Heine an sich nicht im gebrauchlichen strengen Sinne des Wortes als Denker bezeichnen kann. Will mqri jedoch all seine umfangreiche Gedankenarbeit unter jenem Sammelwort zusammenfassen, dann muss man sich darüber klar sein, dass Heine als Denker in viele andere menschliche Typen hinüberspielt. Dies hat Henri Lichtenberger klar zum Ausdruck gebracht. Für ihn ist „Heine penseur" der Denker, der religiöse Polemiker, der politische Tribun, der demokratische und sozialistisch-angehauchte Journalist. 103) In diesem Sinne, wenn auch nicht mit völlig gleicher Einteilung, wollen wir hier an den Begriff „Heine als Denker" herantreten. Verhaltnismassig selten beschaftigen die romantischen Kritiker sich mit dem Heine dieser Gestalt. Zweierlei nur, was hierher gehort, kommt dann zur Sprache: Heine, der Polemiker und Heine in seinem Verhaltnis zu den zwei Grossmachten auf beiden Seiten des Rheines. Es bedarf keiner naheren Erklarung, dass der Polemiker, der Zerstörer und Überwinder des klassisch-romantischen Deutschland, die Generation, die an das Deutschland der Mme de Staël glaubte, geradezu zur Betrachtung herausfordern musste. Es war gleichfalls natürlich, wenn Heine in seiner Exponiertheit zwischen den Machten gleich von Beginn seines Pariser Aufenthalts an die Gedanken der Franzosen beschaftigte. Der geistreiche Deutsche, der in ihrer Mitte lebte, in ihrem Kulturleben zum mitbestimmenden Faktor wurde, in dessen Schriften das Verhaltnis Frankreich—Deutschland immer wieder behandelt wurde, und der es recht gut verstand sich als den Verbannten und in der Heimat Geachteten hinzustellen, war ein zu naheliegender und anregender Fall, als dass nicht die Franzosen dieser Zeit wiederholt davon gesprochen hatten. Im übrigen gibt es in dieser Zeit nur vereinzelte Ausserungen und am allerwenigsten systematische Betrachtungen, die sich dem Thema „Heine als Denker" zuwenden. Wo die romantischen Schriften überhaupt eine Ahnungvon dem politischsozial-philosophischen Gehalt von Heines Werken bekunden, wird der Mangel an Interesse deutlich. Mit wenigen ablehnenden Worten, die das gedankliche Element in Heines Werk als verhangnisvoll für seine Kunst beiseite schieben, gehen sie zur Betrachtung des Künstlers in Heine über. Von dieser Auffassung geht Chasles aus, wenn er bereits 1835 an den Freund eine Warnung richtete: Heine solle keine Systeme bauen, keine Revolution machen, solle seinem Hippogryphen freien Lauf lassen und sich dieDichterlaune zur einzigenFührerin wahlen.104) Erst die Jahrzehnte nach 1870 bringen eine Reihe Schriften, die, mit Henri Lichtenbergs 1905 erschienener, erschöpfender Darstellung als Höhepunkt, dem Denker Heine im vollen Umfang gerecht werden. Welche Umstande ist es nun zuzuschreiben, dass im Gegensatz zur früheren Zeit die Franzosen jetzt in geradezu überreicher Produktion auch von dieser Seite an Heine herantreten? Mit dem Hinweis auf den wissenschaftlicheren Charakter, der die Literaturbetrachtung der Zeit kennzeichnet und der zur scharferen Durchleuchtung des Gegenstandes drangt, wird sie nur zum Teil beantwortet. Eine erschöpfende Beantwortung bringt die Kenntnis der Hauptmotive, welche Entstehung und Ausarbeitung der wichtigsten dieser Arbeiten bedingen. Caros Artikel105), der Heine im Zusammenhang mit dem französisch-deutschen Fragenkomplex betrachtet, wurde unmittelbar durch die Katastrophe von 1870—'71 veranlasst. Lucien Lévy 106) rollt gleichfalls die französisch-deutsche Frage auf, daneben aber die Frage Monarchie-Republik, die soziale Frage, die Frage des Sozialismus, so wie sie sich um 1880 herum den Franzosen als Zeitprobleme darboten und wie sie in Heines Werken dargestellt worden waren. Ferner ist die deutschfranzösische Frage Ausgangspunkt bei Grand-Carteret. 107) Wesentlich anderes treibt Maurice Muret. 108) Den jüdischen Geist als ein der europaischen Kulturwelt artfremdes Element hinzustellen, dies ist die allgemeine Tendenz seines Buches. Die besondere Tendenz ist: im Falie Heine darzutun, dass der Dichter in der religiösen Frage, in den politisch-sozialen Problemen, im Kampf für die Ideale von 1789, wie in seinen saint-simonistischen Sympathien „den Geist seiner Rasse begrüsst".109) Ebenso ist die Judenfrage das Leitmotiv bei Robert Launay, der, selbst Antisemit reinster Observanz, sich emsig bestrebt darzutun, dass Heine ein Fremder in unserer Kultur sei.110) Mit der anti-Heine-Legende, die in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts in Deutschland reiche Blüten zu treiben angefangen hatte, begründet Henri Lichtenberger die Entstehung seines Buches Heine penseur. U1) Auch für Mauclairs Biographie ist der Kampf um Heine Ausgangspunt des Ganzen. 112) Was die neuesten Heineveröffentlichungen anbelangt, so liegt z.B. im Buche der Antonina Vallentin der Schwerpunkt der Darstellung in der Betrachtung von Heines Gedankenwelt in ihrem Verhaltnis zur modernen sozialen Entwicklung.113) Als Kernfragen der Werke, die sich mit dem Denker Heine in seinen verschiedenen Erscheinungsformen beschaftigen, ergeben sich somit: das Verhaltnis zwischen Frankreich und Deutschland, die moderne soziale Frage, die Demokratie, die Judenfrage, der Kampf um Heine, alles Probleme, die erst nach 1870 zu höchster Zeitgemassheit gelangten. Neben diesen Werken, die sich mehr mit Heine als geistiger Gesamterscheinung beschaftigen, stehen diejenigen, in denen bestimmte einzelne Seiten seiner geistigen Tatigkeit behandelt werden. Letztere bietet sich dem Beurteiler erstens als die des Journalisten, des Beobachters und Berichterstatters dar; ferner als die des Denkers, des schöpferischen Gestalters neuer Gedanken, des Sehers, der aus demGegebenen heraus der geschichtlichen Entwicklung ihren Zukunftslauf voraussagt; schliesslich als die des Tribunen, des Verfechters bestimmter Grundsatze. Das Gesamturteil der französischen Kritik, um es vorwegzunehmen, geht dahin, dass Heine weder zum Journalisten noch zum Denker, jedoch am wenigsten zum Tribunen Veranlagung besass. Was zunachst den Journalisten anbetrifft, so schrieb SaintRené Taillandier über Heine, einem Humoristen sei keine treue Wiedergabe der Geschehnisse und kein geklartes Urteil über die Dinge zuzumuten.114) Barbey d'Aurevilly wünschte Heine weder als Kritiker noch als Menschenbeurteiler gelten zu lassen.11S) Wo es sich darum handle, Frankreich und französische Werte zu beurteilen, sei Heine nicht weniger einfaltig als Goethe gewesen: nichts zeuge von so hartnackigen Vorurteilen, nichts sei so hervorragend töricht und einfaltig wie Heines Urteil über Louis Philippe, den Herzog von Orleans, Guizot und Thiers. 118) Einen mittelmassigen pohtischen Beobachter nennt ihn auch Henri Lichtenberger. 117) Gauthiez vergleicht den Geist des Journalisten Heine mit einem konvexen Spiegel, der die Wirklichkeit in fratzenhaft unkenntlicher Verzerrung zurückwirft.118) Mit frecher Unkenntnis, sagt Mauclair, habe Heine über alles Französische geurteilt und seine widerspruchsvollen, bitteren Urteile je nach dem Interesse des Tages gewechselt.119) Nicht besser als der Zeitungsschriftsteller kommt der Denker davon. In rechtzeitiger Erkenntnis von dessen Veranlagung hatte Chasles dem Freund geraten, keine Systeme zu errichten.120) Saint-René Taillandier meinte, dass Heine dort, wo er Parteiganger sei, mit getrübtem Bhck und starrem Hohn, als Skiave einer engen Weltanschauung die Welt betrachtet habe.121) Wo Saint-René Taillandier von De VAllemagne spricht, dem gedanklichen Hauptwerk Heines, sagt er abschliessend, es sei der Künstler, nicht der Theoretiker, der in diesen oberflachlichen Ausführungen zu Worte komme.122) Das pantheïstische Gedankengerüst desselben Werkes charakterisierte Lucien Lévy als etwas Erkünsteltes, etwas in historischer Hinsicht durchaus Falsches,123) wahrend Barbey d'Aurevilly von lügnerischer Schönheit spricht.124) Mauclair allerdings lobt in demselben Werke bewunderenswerte Seiten, einen glanzenden Stil, einen sprudelnden Bilderreichtum. 125) lm einzelnen muss er dem Werke eine Klarheit der Darstellung, die Humor nicht ausschliesst, nachrühmen.126) Sobald es sich aber ums Ganze, um die Synthese handelt, muss er Heines Versagen feststellen und spricht er von Heine als dem fliegenden Hollander der Gedanken.127) Hennequin konstatiert bei Heine Gleichgültigkeit gegen die Wahrheit im Gedanklichen. 128) Philosophie gab es nie bei ihm, urteilt Gauthiez. 129) Henri Lichtenberger weist in der Einleitung zu seinem Buche, mit Vorweg- nahme seiner Ergebnisse, darauf hin, dass nicht ein geschlossenes von einem festen Zentrum heraus beherrschtes Gedankensystem das Rückgrat von Heines philosophischen Betrachtungen sei.130) Besonders dort, wo die Franzosen den Volkstribunen in Heine untersuchen, fühlen sie sich schwer enttauscht. Von einem Tribunen erwarten sie das Bekenntnis zu bestimmten Grundsatzen und zu aufrichtig gehegten Idealen, die Charakterfestigkeit, welche Kraft zum Kampf für das aufgestellte Ideal verleiht. Einer Bewertung nach solchen Maszstaben jedoch vermag Heine nicht standzuhalten. Spottende Gleichgültigkeit stellt Saint-René Taillandier bei ihm fest und sagt, Heine habe gekampft ohne auf eine ernste Rolle Anspruch zu erheben. 131) Für keinen einzigen Gedanken habe er sich je begeistert, meint Daniël Stern 132) und einen geistvollen Menschen ohne festumrissene Überzeugungen nennt ihn Grand-Carteret. 133) Die Unstetigkeit im Gedanklichen erweckt bei Mauclair die Erinnerung an den ewigen Juden.134) Derselbe Biograph fragt sich, wie diesem verpariserten Deutschen, diesem Juden, Protestanten, Saint-Simonisten, Aristokraten und Kommunisten, der immer wieder verneine, was er anfangs behauptet habe, zu trauen sei.13S) In scharfer Weise rügt Louis Veuillot Heines Mangel an Aufrichtigkeit: er habe für die Verwirklichung der Demokratie, die Vernichtung der Knechtschaft, die Beseitigung des Elends gekampft, ohne jedoch ein Wort davon zu glauben und ohne auf die Annehmlichkeiten des Lebens und auf seine Pension zu verzichten.136) Nicht nur der ganzliche Mangel an bewusst vertretenen Grundsatzen machte Heine in den Augen der Franzosen zum Tribunat untauglich; es kam zur geistigen, die seelische Haltlosigkeit hinzu. Ebensowenig wie jene zum folgerichtigen Gedanken befahigte ihn diese nach ihrer Meinung zur logischen, zielbewussten Handlung. Henri Lichtenberger drückt dies folgendermassen aus: Heine habe weder die Seelenstarke noch die Selbstbeherrschung, weder den praktischen Sinn noch die Ausdauer, also keine von jenen Eigenschaften, die den Pohtiker ausmachten, besessen; die Befahigung zum Apostolat sei ihm völlig abgegangen.137) Und die Gesamtmeinung der Franzosen über Heine als Denker und Politiker fasst er in die Worte zusammen: „Heine ist weder ein Erneuerer noch ein ursprünglicher Geist in der Philosophie und Soziologie, weder ein Führer noch ein politischer Kopf." 138) Der Jude Die aus der Sphare 'der Romantik hervorgegangene Kritik lasst Heines Judentum völlig ausser Betracht. Erst in die Schriften nach 1870, besonders zwischen 1880 und dem Weltkrieg, wird dieses neue Element eingeführt. Dies brachte an erster Stelle der Charakter einer Literaturwissenschaft mit sich, welche die Methoden der exakten Wissenschaften auf ihre Gegenstande anzuwenden versuchte. Dass sie den Faktor der Rassenzugehörigkeit in ihre Betrachtungen hineinbezog, war logische Folge ihrer allgemeinen Einstellung. Hinzu kam, dass etwa in derselben Zeit, besonders seit Heinrich von Treitschkes Deutscher Geschichte im 19. Jahrhundert die Judenfeinde in Deutschland heftiger als je zuvor auf Heine losschlugen. Die grosse Mehrzahl der seither erschienenen französischen Schriften konnte nicht umhin, zu solchen antisemitischen Angriffen Stellung zu nehmen. In den meisten Fallen führte das zu dem Versuch, sich mit Heines Judentum auseinanderzusetzen. Des öfteren bemühte man sich dabei, Heine gegen seine deutschen Bedranger Schutz angedeihen zu lassen. Doch gab es auch, wie Mazel sagt, viele Franzosen, die in die deutsche antisemitische Melodie einstimmten. Heines französische Sympathien waren ihnen verdachtig; sie fragten sich, ob nicht in des Dichters Hass gegen die brandenburgische „geflügelte Rröte" und in seine Liebe zum napoleonischen Adler versteckte Rachegedanken aus dem Ghetto mit hineinspielten.139) Einen um so besseren Resonanzboden fanden die deutschen antisemitischen Klange, da sie gerade wahrend der Dezennien um die Jahrhundertwende herüberwehten, also zu einer Zeit, in der Frankreich eine Hochwelle des Antisemitismus erlebte. Bezeichnete doch damals Emile Zola diese Geistesund Gemütsverfassung als ein sehr grosses Übel, das bereits das ganze Volk durchseucht habe.140) Was jedoch die Franzosen über Heines Judentum schrieben, lasst sich nicht ohne weiteres auf die Frage, Antisemitismus oder nicht, zurückführen. Vielmehr zeigt sich hier eine reiche Verschiedenheit. Dass sich Heines Judentum von seinem Gesamtbild nicht loslösen lasst, wird von dem erwahnten Zeitpunkt an nirgends in Abrede gestellt. Mauclairs Wort: „Heinefrage und Judenfrage sind nicht zu trennen" 141) ist bezeichnend fïir diesen Teil des französischen Heineschrifttums. Darauf geht auch Henri Lichtenbergers Ausspruch hinaus, Heine sei durch feste Bande mit seiner Rasse verbunden,142) und LeroyBeaulieus Bemerkung, niemand der Heines jüdische Abstammung ausser Acht lasse, werde ihn verstehen.143) Solchen Urteilen über Heine liegt der allgemeinere Gedanke zugrunde, den Hennequin mit den Worten umschreibt, eine so zusammenhangende Rasse wie die jüdische müsse in der geistigen Verfassung ihrer Vertreter eine Reihe besonderer Gefühle und Gedanken zurückgelassen haben.144) Logische Konsequenz dieser Auffassung ist die Schlussfolgerung, dass im geistigen Schaffen jüdischer Schriftsteller solche Gefühle und Gedanken ihren Niederslag finden müssen. In einer langen Reihe von Arbeiten haben sich die Franzosen in manchmal gediegener, fast stets geistreicher Darlegung um diese Frage bemüht. Nun sind sie zwar überall einig in der Feststellung des jüdischen Elementes in abstrakto, doch in dessen konkreter Bestimmung herrscht bei ihnen Konfusion. Unter diesen Autoren ist diejenige Auffassung am meisten verbreitet, welche dem Judentum bei Heine keine andere Bedeutung zuerkennt als die einer Komponente unter mehreren anderen, mehr oder weniger gleichwertigen. Montégut, Legras, Gustave Kahn und Henri Lichtenberger lassen wohl am klarsten diese Auffassung durchblicken. Montégut besuchte 1855 Heine auf seinem Schmerzenslager, gerade zu der Zeit, da die Hand des „grossen Tierqualers im Himmel" so schwer auf ihm lastete. Als er einige Jahrzehnte spater über diesen Besuch berichtete, schilderte er den Dichter, wie er ihm in der Matratzengruft in dreierlei Gestalt erschienen sei: als Sterbender, als Jude und als Jüngüng. U5) In dieser Dreiheit erblickt er das Sinnbild der durch so grelle Gegensatze gekennzeichneten Heineschen Poesie, der der jüdische Einschlag eine Glut aus morgenlandischen Wüsten verleihe.146) Legras spricht in seiner Einleitung von den vielen gegensatzlichen Kraften, deren Ganzes Heines schriftstellerische Eigenart bestimme. Dazu rechnet er die jüdische Rasse. Darauf führt er die Überschwanglichkeit einer geschmeidigeren, zugleich aber fanatischeren Rasse als der unserigen zurück,147) erblickt aber darin zugleich die Ursache der inneren Unruhe, des Mangels an geistigem und seelischem Gleichgewicht, der Haltlosigkeit eines Nachkommen von Vorfahren, die im Verlauf der Jahrhunderte von einem Ort zum anderen wanderten, ein Gewerbe gegen das andere vertauschen mussten, denen niemals geistige und soziale Ruhe zuteil wurde.14S) Auch Gustave Kahn sieht orientalisches Blut, semitisches Erbe in Heines Werken sich aussern. Das Sprunghafte, der Mangel an innerem Zusammenhang im Gedanklichen, das Unvermögen zur Schöpfung grossangelegter, zusammenhangender, einheitlicher Werke, dies alles sei die Nachwirkung einer unruhevollen, gehetzten, jüdischen Vergangenheit.149) Wie die bereits Genannten betrachtet auch henrf'lichtenberger den jüdischen Faktor bei Heine als einen unter vielen, dessen Auswirkung er erblickt in seiner Sinnlichkeit, seinem bei Juden der Oberschicht haufigen abstrakten Rationalismus, in der bitteren, jüdischen Ironie, die das jahrhundertelange Leiden eines bedrückten Volkes rachen will.150) Bei aller Verschiedenheit im einzelnen haben all diese Schriftsteller etwas mit einander gemein. Sosehr sie namlich auch die Bedeutung von Heines jüdischer Abstammung für sein Schaffen und Auftreten betonen, so messen sie dieser Abstammung letztlich doch nur relative, nicht absolute Bedeutung bei. Trotz allem Gesagten besassen die Juden, und mit ihnen Heine ein derart kraftiges Assimilationsvermögen, dass der Zusammenhang mit einer fernen jüdischen Vergangenheit vor der Verbundenheit mit der jeweiligen politisch-raumlichen Heimat zurücktrete, und die rassische Herkunft allenfalls in Gestalt eines atavistischen Zuges hier und da durchblicke. Dieser Auffassung steht eine zweite gegenüber. Es ist die, die eine Emanzipation aus altjüdischer Bedingtheit und die Assimilation einer orientalischen Menschengruppe an abendlandische Verhaltnisse nicht anerkennt und im Judentum einen Bestandteil erblickt, der den Vólkern des Westens ewig artfremd bleibe. Ihr zufolge deckten sich sowohl Heines glanzende Begabung als seine zahlreichen Fehler vollkommen mit den Vorzügen und Fehlern des semitischen Volkscharakters überhaupt.151) Mit Mauclair vertreten diese Ansicht Valbert und Gauthiez. In radikaler Durchführung ihrer Gedanken lassen sie dies gelten für das Phanomen Heinrich Heine in seinen wichtigsten Erscheinungsformen: für den Dichter, für der Kampfer und schliesslich für den Menschen Heine. Ein solches Vorgehen verleiht ihren Betrachtungen haufig wohl die innere Glut einer festen, persönlichen Überzeugung, die glanzende Farbe einer lebhaften eigenen Vision. Manchmal dürfte sie aber auch in nicht ganz unbedenklicher Weise zur Überschreitung der Grenzen verführt haben, die einer wissenschaftlich begründeten Literatur- und Geschichtsbetrachtung auferlegt sind. Heines dichterische Bedeutung steht für diese Arbeiten ausser Frage. Ein grosser Dichter heisst er bei Valbert, 152) der ihm nachrühmt, er habe das Geheimnis des vollkommen Natürlichen gefunden, und seine Poesie sei voll erschütternder Schönheiten.153) Gauthiez bezeugt von ihm, er sei lyrischer Künstler durch seinen glühenden, machtigen Genius, welcher ihn zu einer einzigartigen Erscheinung in der deutschen Literatur gemacht habe.154) Den grössten Lyriker der deutschen Sprache nennt ihn Mauclair. 155) Letzterer dürfte hiermit aussprechen wollen, was er an anderer Stelle breiter ausführt und was für die Heineanschauung dieser Schriftstellergruppe wesentlich ist: die deutsche Sprache sei das aussere Gewand, unter welchem Heine, durch die Verhaltnisse gezwungen, das exotische Gerüst seiner Werke verhülle; dem Wesen nach sei er ein morgenlandischer, biblischer, asiatischer, nicht ein deutscher Dichter. Urverwandtschaft zwischen den Heineschen Gedichten und der Poesie des Omar Khayyam, des Firdusi, des Hoheliedes und der chinesischen Dichter erblickt Mauclair. 156) Gauthiez, der das Buch der Lieder für Heines Meister- KIEFT, Dissertatie. 3 werk und überhaupt für den Dichter für kennzeichnend halt,157) nennt diese Sammlung ein ur-jüdisches Werk mit unverwischbaren Rassenzügen.15S) Wie Mauclair und Gauthiez betrachtet auch Valbert Heine als exotisches Gewachs. Möge er auch bei Goethe und Schlegel in die Schule gegangen sein, seine Inspirationen habe er bei den grossen Unbekannten geschöpft, die den Prediger und die Sprüche Salomonis, das Hohelied, das Buch Hiob und jenes Meisterwerk verborgenen Spottes, das Buch Jonas, schufen.159) Wie die Lyrik betrachten die hier angeführten Arbeiten auch Heines gedankliche Werke als Ausfluss rein jüdischen Geistes. Lassen sie aber den Dichter unbedingt gelten, so verhalten sie sich gegenüber dem Denker völlig ablehnend. Gewisse Autoren erbücken einen bestimmten Zusammenhang zwischen Heines Judentum und der Tendenz seiner Werke. So weist Legras darauf hin, dass im Deutschland der Restauration, das ihm nur den Status eines Kaufmanns einzuraumen bereit war, der wissenschaftlich-gebildete Jude, ausgeschlossen von jeder, seiner Begabung entsprechenden Stellung, ausschliesslich angewiesen auf den Kaufmannsberuf, zwangslaufig in das Lager der Opposition hineingetrieben wurde.160) Auch Antonina Vallentin führt Heines revolutionare Einstellung auf das Verhalten der Gesellschaft zurück, die den Juden ablehnte. Die spatere, weniger antisemitisch eingestellte Pariser Umwelt habe ihn von seiner wilden Opposition abgebracht.161) Einer solchen Anschauung zufolge ware Heines Opposition eine Verteidigungsgebarde gegen die feindliche Aussenwelt. Auch Valbert erkennt diesen Faktor an: das Unglück, in einem Staat geboren zu sein, in dem die Juden als minderwertig betrachtet würden, habe Heine zu seinen ersten Kriegsrufen inspiriert, habe den Geist des Umsturzes, den Hass gegen die Frömmler, Heuchler und Deutschtümler in ihm erweckt und den Lyriker zum kampferischen politischen Dichter gemacht.162) Doch noch etwas anderes, Wichtigeres erblicken Valbert, Mauclair und Gauthiez als treibende Kraft hinter Heines gedanklich-schriftstellerischer Tatigkeit, etwas, das gleichfalls durch seine Abstammung bedingt sei. In seinen Gedichten sowohl als in seiner Prosa entdeckt Val- bert den gleichgültigen Kosmopolitismus eines Volkes, das, von jeder nationalen Verbundenheit losgelöst, nur dasjenige Land seine Heimat nennen konnte, wohin der Zufall seiner Wanderungen es führte.163) Gauthiez erblickt als einziges Motiv hierfür einen, dem Juden eingeborenen zersetzenden Geist. Heines Kosmopolitismus sieht er in unverbrüchlichem Zusammenhang mit dem Judentum.164) Er spricht vom moralischen Nihilismus, vom Zersetzungsgeist, von der beissenden Ironie des Juden, als er Heines erste politische Schriften vornimmt.165) Über die sozialpolitisch-philosophischen Schriften aus der Pariser Periode sagt er als abschliessendes Urteil, aus all dem spreche der Zersetzungsgeist des Juden.166) Ganz ahnlich denkt auch Mauclair. 167) Solche Ausserungen erwecken selbstverstandlich den Eindruck eines scharfen Antisemitismus. Dennoch kann man bei naherem Zusehen wenigstens Valbert nicht für einen radikalen Judengegner halten. Mauclair seinerseits sagt in seinem Vorwort, er sei nicht Philosemit, was man ihm ohne weiteres glauben kann, aber auch nicht Antisemit,168) was minder glaubhaft klingt, da sich seine Ansichten über die Fahigkeiten der Juden stark einer bestimmten modernen Rassenwissenschaft naheren.169) Radikaler geht Gauthiez vor. Mit Verdruss stellt er ein Zuviel an Juden in Frankreich fest. 17°) Und wenngleich Heine ihn noch nicht der Schlimmste dünkte aus einer Zeit, in der die Pariser Komponisten Meyerbeer, Offenbach und Halévy hiessen,171) so ist es doch an erster Stelle die jüdische Rasse, die ihn neben vielem anderen am Dichter anwidert. Diese Autoren betrachten eben die Juden als eine artfremde, der Assimilation an die westeuropaische Kultur unfahige Rasse, wie Gauthiez sich ausdriickt,172) als ein Volk von Nachahmern, das sich in allen Vaterlandern ansiedle, nachdem es das seinige verloren habe, wie Mauclair es sagt.173) Wenn also den Vertretern dieser Ansicht ein „juif poète" als ein „poète juif" erscheint, so ist das eine logische Folge ihrer Einstellung gegenüber der ganzen Judenfrage. Von einer anderen Stellungnahme zum Problem von Heines Judentum, und zwar die welche Robert Launays Aufsatz zum Ausdruck bringt, ware noch zu reden. Im allgemeinen gilt für ihn nicht weniger als für die anderen, dass seine Heinebewertung unmittelbarer Ausfluss seiner Anschauung vom Judenproblem überhaupt ist. Launay betrachtet die Juden nicht wie die vorhin angeführten Schriftsteller als eine, von jeder nationalen Bindung losgelöste, nur eines wurzellosen Kosmopolitismus fahige Rasse. Beifallig jedoch zitiert er das Wort, das Napoleon an den „Conseil d'Etat" richtete: „Quant aux Juifs, c'est une nation a part."174) Die geschichthche Entwicklung möge dazu geführt haben, dass sie über die ganze Welt zerstreut worden seien, dennoch hatten die Nachkommen Abrahams ihre nationale Vergangenheit in lebhafter Erinnerung, sie seien stolz auf ihre Geschichte, hatten ein festes Vertrauen auf ihre Zukunft und den ewigen Bestand ihres Volkes. Auch in der Zerstreuung bildeten sie ein zusammenhangendes Volk, eine Nation. Nationalheilige, Nationalhelden, eine eigene Sprache, eigene nationale Bestrebungen, das alles seien bindende Krafte, die die Angehörigen der jüdischen Rasse zur Nation vereinten.175) lm Rahmen dieser Auffassung betrachtet er auch Heine, der ihm zufolge gleichfalls die hier vorgeführte Anschauung von Israël gehabt haben soll.176) Von der europaischen Kulturgemeinschaft schliesst er ihn deshalb aus. Sowohl als Dichter wie als Denker erblickt er einzig und allein den Orientalen in ihm. „Infolge seiner Abstammung hat Heine nichts mit uns gemein" heisst es irgendwo.177) Und an anderer Stelle: „Er ist ein Fremdling in unserer Kultur." 17S) Beifallig führt er aus, was Heine seinem Freunde Moses Moser schrieb: „Ich bin ein jüdischer Dichter." Heines Kampf für die Ideale von 1789, seine zeitweiligen sozialistischen Sympathien, sein Napoleonkuit, es wird alles aus seinem Judentum hergeleitet. Insoweit deckt sich Launays Auffassung in der Hauptsache noch mit den Ansichten der vorhin zitierten Schriftsteller. In zwei wichtigen Punkten aber, und eben darin bekundet sich seine ganze Anschauung in der Judenfrage, geht er eigene Wege. Einmal dort, wo er als das Wesentliche in Heines Tatigkeit die Arbeit für die jüdisch-nationalen Interessen betrachtet. 179) Immer habe Heine seine Solidaritat mit der jüdischen Nation betatigt und nie habe er es unterlassen für sie zu arbeiten.180) Ein bedeutender Teil dessen, was er schrieb, habe bloss der Rechtfertigung oder dem Preise seines Volkes dienen sollen.181) Der Übertritt zum Christentum, die unaufhörlichen Konflikte mit seinen Glaubensgenossen, das habe alles nichts zu bedeuten gehabt, habe seinen Eifer für die grosse Sache der Nation nicht beeintrachtigt. Wo also andere einen vaterlandslosen Wühler, einen blossen Schadling am Körper der abendlandischen Kultur sehen, da erblickt Launay einen ziclbewussten, betont jüdisch-nationalen Patrioten. In unmittelbarem Zusammenhang hiermit steht Launays eigene Auffassung, wenn es sich um die Bewertung von Heines Dichtertum handelt. Welchen Rang die Franzosen diesem Element als Sondererscheinung innerhalb Heines vielgestaltigem Wesen zuerkennen, wurde bereits dargestellt.182) An dieser Stelle nun sei die einzige Ausnahme hiervon nachgetragen: zunachst macht Launay die trockene Bemerkung Heine habe „hübsche Gedichte" geschrieben, er sei „gewandt im Spiel der Silben und Empfindungen". Weiterhin behauptet er, die Dichtkunst sei für Heine nur eine schone Unterhaltung, vor allem sei er Kampfer gewesen.183) Auch hier ergibt sich also die Stellung eines Autors aus seiner Stellungnahme zur Judenfrage überhaupt als eine logische Folge. Die Musterung der französischen Betrachtungen über den Juden Heine ist hiermit beendet. Sie lehrte dreierlei. Erstens, dass mehr als irgendwo sonst in diesem Punkte Kontroversen vorliegen. Zweitens, dass diese Kontroversen sich nicht ohne weiteres auf die Frage ob wohl oder nicht Antisemitismus, herleiten lassen. Drittens, dass die jeweiligen diesbezüglichen Ansichten unmittelbar aus den Ansichten ihrer Vertreter von der Judenfrage in ihrem vollen Umfang hervorgehen. Der Einzelfall Heine wird zum Typus, der Kampf um den Juden Heine zum Kampf um das Judentum überhaupt. Der Deutsche in Frankreich Der Gedankengehalt von Heines Werken zeigt ihn uns unlöslich in die französisch-deutsche Frage in deren weitestem Sinne verwickelt. Trotzdem dürfte Heine schwerlich so oft, wie es tatsachlich der Fall ist, in seinem Verhaltnis zu den beiden Landern betrachtet worden sein, wenn nicht der Faktor der Übersiedlung hinzugekommen ware. Sie versetzte ihn in eine besonders exponierte Lage: er war ein berühmter Schriftsteller, und mochte es nun mehr oder weniger freiwillig geschehen sein, er hatte die deutsche Heimat verlassen und in Frankreich seinen Wohnsitz aufgeschlagen. Er verstand es, von sich reden zu machen; vor allem aber als deutscher Verbannter, als Franzosenfreund, als Zwischenglied zwischen beiden Vólkern zog er die Aufmerksamkeit der Franzosen auf sich. Als von einem solchen ist denn auch stets wieder in den französischen Schriften von ihm die Rede, und zwar um so mehr, als Heine nicht selten zu den französischen Publizisten gerechnet wurde. Manchmal erschienen seine Werke ja zuerst in französischer Sprache, so dass sich sogar die Anschauung verbreitete, der Heine nie entgegentrat, die französische Sprache sei ihm in Wort und Schrift so gelaufig wie die deutsche, er gehore also nicht weniger dem französischen als dem deutschen Schrifttum an.184) Erst Betz zerstörte endgültig diese Legende, indem er nachwies, wie mangelhaft Heine die französische Sprache gekonnt habe.18S) Bei solchem Tatbestand braucht es kein Erstaunen zu erregen, wenn alle französische Heineschriften des Dichters Verhaltnis zu den beiden Vólkern zur Sprache bringen. Auch hier erblicken wir wiederum die grösste Verschiedenheit der Auffassungen und Urteile, eine ganze Skala verschiedenster Schattierungen, und vielerlei Widersprüche der Autoren untereinander. Die Komplexheit dieses Stoffes wird noch dadurch vermehrt, dass die Frage nach Heines Judentum die nach seinem Verhaltnis zu Deutschland und Frankreich überschneidet. Die eine Richtung erblickt, wie bereits gesagt, im Judentum eine zusammenhaltende Nation, deren Mitglieder, unabhangig von der jeweiligen raumlich-politischen Wohnstatte, durch eigene nationale Kulturgüter, eigene, dem jeweiligen Gastvolke sogar feindliche nationale Ideale sowie durch eigene Machtbestrebungen miteinander verbunden seien. Den Anhangern einer solchen Anschauung wird die Frage nach Heines Verhaltnis zu seinem Geburtsland auf der einen, zur Adoptivheimat auf der anderen Seite in einem anderen Licht erscheinen als denen, die den Juden ein so kraftiges Assimilationsvermögen, ein derartig starkes Emanzipationsbedürfnis zuerkennen, dass sie die jüdisch-nationale Zusammengehörigkeit vor dem Gefühl der Schicksalsverbundenheit mit der raumlich-politischen Heimat zurücktreten lassen. Demnach haben wir es hier zu tun mit Heines Stellung zwischen den drei Machten: Deutschtum, Franzosentum und Judentum. Die Ausserungen der Franzosen über Heines Stellung zu diesen Machten beziehen sich wesentlich auf vier Hauptpunkte: einmal auf die nationalen Elemente in Heines Kunst; sodann auf seine nationale geistig-seelische Veranlagung; ferner auf seine vaterlandischen Gefühle, und schliesslich auf seine Vermittlertatigkeit zwischen den beiden Nachbarlandern. Wenn in Frankreich manchmal die Ansicht herrschte, Heine sei ebenso gut ein französischer wie ein deutscher Dichter, so beschrankte sich diese Meinung jedenfalls auf diejenigen Kreise des französischen Publikums, denen wissenschafthche Orientierung abging. In dem mehr wissenschaftlich eingestellten Schrifttum j edoch wird Heines Zugehörigkeit zur französischen Literatur durchweg geleugnet und wird seiner Kunst kein französischer Charakter zuerkannt. Sogar der Kritiker Sainte-Beuve und der Biograph Ducros, die im übrigen kraftiger als irgendwer Heines Verbundenheit mit französischem Wesen betonen, bezeichnen ihn als vollkommen deutschen Schriftsteller: Sainte-Beuve in seinem Artikel in Le National, wo er ausdrücklich darauf hinweist, Heine sei trotz einiger französischen Eigenschaften ein deutscher Dichter,186) und Ducros in seiner Einleitung, in der er die Ansicht ausspricht Heine sei, wie sehr er auch Paris und Frankreich geüebt haben möge, vor allem ein deutscher Dichter.187) Hennequin, in seiner scharfen Analyse von Heines Kunst, aussert sich in gleichem Sinne. Nach eingehender Musterung stellt er fest, dass Heine den Grundelementen seiner Kunst nach, zum deutschen Schrifttum gehore.188) Der Antisemit Gauthiez schliesst sich dieser Auffassung an: nur ein geborener Franzose könne ein französischer Schriftsteller sein; Heine, der in Frankreich stets ein Fremder bleiben werde, möge sich mit dem Titel von Deutschlands erstem Dichter begnügen.189) Einstimmigkeit herrscht insoweit als kein französischer Autor bereit ist Heine den Status eines französischen Dichters einzuraumen. Diese Einhelligkeit fehlt jedoch im Positiven, wenn es namlich darum geht, Heines Kunst nach ihrem Nationalcharakter zu bestimmen. Die oben angeführten Stimmen betonen ihren deutschen Charakter. Andere jedoch betrachten Heine, wie schon erwahnt, als einen morgenlandischen Dichter. Ein Valbert, ein Launay, der mit lebhafter Zustimmung Heines Bekenntnis aufgriff, er sei ein jüdischer Dichter;190) ein Mauclair, der Heines Seelenhaltung, seine Taten und Schöpfungen als typisch jüdische Erscheinungen betrachtete,191) sie alle kamen bereits in anderem Zusammenhang zu Worte. Grössere Verschiedenheit herrscht noch, wenn es sich im einzelnen um die Frage handelt, inwieweit Heines geistige und seelische Veranlagung französische, deutsche oder jüdische Züge aufweist. Ziemlich kraftig hebt Ducros Heines französische Eigenschaften hervor: Heine sei kein Deutscher gewesen, der sich langsam und mühevoll in Frankreich akklimatisiert habe; bereits bei der Übersiedlung sei er zur Halfte Franzose gewesen. 192) Französische Züge bei Heine erblickt er in seinem hinreissenden Schwung, seiner Gedankenklarheit, seiner lebhaften Polemik, dem Gedankenflug, all jenen Eigenschaften, die gerade seine Landsleute ihm zum Vorwurf machten.193) Auch Hennequin erblickt gewisse französische Züge.194) Heine habe der schwerfalligen deutschen Sprache französischen Geist eingehaucht, denselben, der aus den Werken eines Nerval, Musset und Théophile Gautier spreche.195) Dieser inneren Verwandtschaft, die Heine mit französischem Wesen verband, schreibt Hennequin auch den Beifall zu, der ihm in Frankreich gezollt wurde.196) Auf solche Verwandtschaft weist auch Daniël Stern hin: wenn nicht ein Bruder, so sei Heine doch mindestens ein Vetter einiger der seltensten französischen Geister.197) Manche erblicken in Heine eine Mischung französischer und deutscher Züge, wobei den Franzosen gerade das deutsche, den Deutschen das französische Element auffallen musste. Hierauf weist z.B. Philarète Chasles hin.198) Sein Zeitgenosse Gérard de Nerval aussert sich in gleichem Sinne. 199) Was Heine von deutschem Geist trennte und worin er französischem Wesen nahe stand, hebt Lucien Lévy hervor: von allen deutschen Geistern sei er der meist französische; all jene Vorzüge und Fehler, die gerade bei seinen Landsleuten kaum vorkamen, habe er besessen. 200) Andere wiederum wollen von französischen Elementen in Heines Wesen nichts wissen. Zu ihnen gehort Henri Mazel : weder Heines Geist noch seine Seele seien französisch gewesen.201) F. A. Lichtenberger hebt hervor, wie Heine stets nur von aussen her an französische Art herangetreten sei, die ihm, dem Deutschen, allzeit verborgen geblieben sei. Seinen Leichtsinn und sein Zweiflertum habe er bereits aus der Heimat mitgebracht; er sei ein Beispiel dafür, dass die Deutschen einzig und allein Leichtfertigkeit und Glanz, Esprit und Anmut der Franzosen, nicht aber ihren Ernst und Tiefsinn zu erkennen und zu würdigen vermochten. 202) Gleiches betont Gauthiez : niemals habe dieser Deutsche das wirkliche Paris kennen gelernt, das sich den Emigranten stets verschliesse. 203) Schwer wiegen muss es hier auch, wenn ein streng wissenschaftlicher Forscher wie Henri Lichtenberger, der wohl wie kein Zweiter sine ira et studio an Heine herantrat, zugleich ihm aber den Maszstab strengsten kritischen Urteils anlegte, betont, wie sehr Frankreich, französisches Leben und Wesen Heine fremd geblieben sei. Nur oberflachlich habe er Frankreich kennen gelernt, habe es auch viel weniger geschatzt, als man gewöhnlich annehme. Nur die Aussenseite und besonders die mondane Fassade des französischen Lebens habe er gesehen. Er sei nicht weiter als die meisten Deutschen zum Kern des französischen Volkscharakters vorgedrungen; immer habe er sich unter den Franzosen als Fremden gefühlt. 204) Selbstverstandlich bleibt auch hier Heines Judentum nicht ausser Betracht. Es kann dabei nicht wundernehmen, dass Launay, der Heines Poesie als Ausfluss rein jüdischen Geistes betrachtet, den Dichter vollig von der geistigen und seelischen Sphare Frankreichs ausschhesst. 205) Nicht weniger nachdrücklich hebt Mauclair das Wurzellose und Artfremde des heimatlosen, deklassierten Juden hervor. 206) Das dürfte genug der Zitate sein, um erkennen zu lassen, dass sich hinsichtlich Heines Psyche die Geister scheiden. Stockjude, Stockdeutscher, Gemisch von französischen und deutschen Eigenschaften, das sind die Extreme, zwischen denen die Kritik hin und her schwankt. Dass die Gesamtheit der Meinungen in ihrer Vielgestaltigkeit, vielleicht zwar nicht die reine geschichtliche Wahrheit enthalt, sie jedoch annaherungsweise wiedergibt, wurde bereits eingangs ausgesprochen. Insofern dürfte das Urteil Anatole Leroy-Beaulieus, als Synthese aller bisher aufgeführten Meinungen und als wahrscheinlichste Annaherung an die historische Wahrheit hier am Platze sein: „Heine ist weit mehr Deutscher, als die meisten Franzosen vermuten, womit jedoch nicht gesagt sein soll, dass er nichts Persönliches hatte.... So sehr er aber Deutscher ist, so besitzt er auch jüdische und französische Züge." 207) Eigentlich ist dies ja nur selbstverstandlich, wo Heine ein Sohn der deutschen Erde, der deutschen Schicksalsgemeinschaft und der deutschen Kultur war, ferner jüdisches und französisches Wesen durch gemeinsame mittelmeerische Rassenanteile mit einander verwandt sind, und schliesslich jeder führende Mensch zwar in besonders scharf umrissener Gestalt sein Volk und seine Rasse darstellt, zugleich aber Persönlichkeit ist, die aus ihren eigenen Gesetzen und nicht nur denen ihres Kollektivs, verstanden sein will. Das gleiche Bild in der Hauptsache, wenn auch mit scharferer Auspragung der Kontroversen, ergibt sich aus der Analyse des Heineschrifttums, wenn es sich um Heines vaterlandische Gesinnungen handelt. Manchen gilt er als französischer Patriot, zum mindesten jedenfalls als Vertreter vorwiegend französisch-patriotischer Gesixmung. An erster Stelle lasst Ducros' Biographie, übrigens im wesenüichen eine ununterbrochene scharfe Polemik gegen die damals in Deutschland weitverbreitete heinefeindliche Stimmung, manchmal auch gegen deutsches Wesen überhaupt, eine solche Auffassung immer wieder durchblicken : Frankreich sei seine eigentliche Heimat, weil dieses Land zuerst sein Herz schneller habe pochen lassen. 208) Gérard de Nerval bezeichnet Frankreich als des Dichters zweite Heimat, der er sich immer wieder zugewandt habe. 209) Topin spricht von seiner Liebe zu Frankreich, seiner Adoptivheimat.210) Sainte-Beuve nennt ihn einen von Frankreichs feurigsten Verbündeten.2U) Aufs kraftigste betont ein Aufsatz von Consult-Amiot Heines Franzosentrum: obgleich Deutscher von Geburt, der Rasse nach Jude und dem Bekenntnis nach Lutheraner, sei er vor allem Franzose und sogar „Gaulois".212) Sein Bekenntnis zu Frankreich könne schwerlich als Abtrünnigkeit von Deutschland aufgefasst werden; wohlbewusst habe er gewahlt vind nichts sei ehrenvoller für die Franzosen als dieser Vorzug.213) Ein leichtes ist es solchen Auffassungen andere entgegenzuhalten. Saint-René Taillandier, Caro, Lucien Lévy, Henri Lichtenberger, Henri Mazel, Gauthiez, sie alle vermogen bei Heine nur deutsche Sympathien zu erbhcken und glauben sogar zuweilen seine Gesinnimg als betont deutschnational ansprechen zu dürfen. Saint-René Taillandier nennt ihn einen Deutschen, der zwar unter Vergewaltigung der eigenen Natur die französischen Sympathien zu erwerben versuche, aber dennoch das Auge stets auf Deutschland gerichtet habe.214) Als einen Anhanger des rücksichtslosen, auf Hegel gestützten deutschen imperialistischen Traumes schildert ihn Caro; nicht Franzose, nicht einmal Kosmopolit, sondern ein patriotischer Deutscher sei Heine. 215) Für sein Geburtsland habe er immer eine geheime Vorliebe gehabt, meint Lévy. 216) Zu Deutschland habe er stets eine unvergleichlich innigere Liebe als zu Frankreich gehegt, urteilte Lichtenberger. 217) Auch Mazel ist davon überzeugt, dass er seine Zuneigung in weit reicherem Masse der deutschen als der französischen Erde geschenkt habe.218) Sein ganzes Leben lang sei er Deutscher geblieben;219) nur für die Deutschen habe er Sympathie empfunden, erklart Gauthiez. 220) Es kann nach allem Gesagten nicht wundernehmen, dass Heines Judentum hinsichtlich seiner Vaterlandsliebe bei man- chen Autoren auch andere als die soeben vorgeführten Ansichten erweckt. Robert Launay spricht Heine sowohl deutsches wie französisches Nationalgefühl ab; allerdings habe sich der Dichter geschmeichelt gefühlt, wenn man ihn für Frankreich in Anspruch genommen habe, doch infolge seiner Abstammung habe er nichts mit den Franzosen gemein gehabt. 221) Deutscher sei er nur nach dem Standesamtsregister gewesen, habe aber mit seinem Hohn eine solche Assimilation abgeleugnet. 222) Infolge Mauclair habe Heine vom Judentum dieselbe Anschauung wie dieser Schriftsteller selbst gehabt und in seinen Schriften habe er immer den Interessen und der Grosse der jüdischen Nation dienen wollen. 223) Nicht deutsche, nicht französische, auch nicht kosmopolitische Gefühle hatten also ihn bewegt; er sei jüdischer Patriot gewesen. Widerspruchsvoll sind Mauclairs Ausserungen, wenn er zur Frage nach Heines Patriotismus Stellung nimmt. Einmal ist er der entwurzelte, vaterlandslose Jude, der sowohl Deutschland als Frankreich nur geliebt habe, insoweit seinen persönlichen Interessen damit gedient gewesen sei. 224) Ein anderes Mal j edoch wird von Heines Liebe zu Deutschland gesprochen, wird der Kosmopolitismus als ein theoretischer, rein verstandesmassiger, seinen intimsten Gefühlen fremder Standpunkt betrachtet. 225) Wenn ein so scharfsinniger Beobachter, ein so ausgezeichneter Biograph wie Mauclair dergleichen Widersprüche nicht zu vermeiden wusste, so ist das nur eine Spiegelung der auch hier höchst komplexen Wirklichkeit in Heines Persönlichkeit selbst. Es steckte eben in ihm zugleich ein deutscher Patriot, ein Franzosenfreund, der wie Unzahlige aus allen Vólkern Frankreich als zweites Vaterland betrachtete, ein Jude und ein Kosmopolit. Dies alles tritt in seinen verschiedenen Schriften in den verschiedensten Dosierungen und Mengungen auf. Eine wirkliche Synthese daraus zu schaffen, ware ein künstliches Unterfangen von aussen her. Widerspruch und Vielfalt in Heine muss eben Widerspruch und Vielfalt bleiben. Auch er konnte wie der ihn hoch überragende Goethe sagen : „Ich bin ein Mensch mit seinem Widerspruch". \ Von seiner Vermittlertatigkeit zwischen den beiden Nachbarvölkern hatte Heine selbst bekanntlich keine geringe Meinung. In seinem Testament vom Jahre 1851 bezeichnet er sie als die grosse Sache seines Lebens. 226) Was sagen die Franzosen dazu? Wie zu vermuten ist, werden auch hier die Meinungen auseinandergehen. Für die, welche in Heine einen einseitigen deutschen oder französischen Nationalisten erblicken, kann von einer Vermittlerrolle Heines schwerlich die Rede sein. Noch mehr gilt dies für diejenigen, welchen er der artfremde Jude und Orientale war. Trotzdem hat es viele Franzosen gegeben, die sich zu dem Punkte: „Heine als Zwischenglied zwischen Frankreich und Deutschland" geaussert haben. Bald sind es dabei die kulturellen Gegensatze zwischen den beiden Vólkern, bald die politischen Konflikte, denen sie ihr Hauptinteresse zuwenden. Bereits aus dem Jahre 1843 stammt Saint-René Taillandiers Urteil. Eines seiner Lebensideale war der Austausch geistigen Besitztums zwischen Deutschen und Franzosen. Bei solchem Austausch Heine als Vermittler zu betrachten, war für SaintRené Taillandier ein Lieblingsgedanke. Bald jedoch steilte er fest, wie Heine in Frankreich alles deutsche idealistische Wesen von sich abstreifte und sich den unerfreulichsten Erscheinungsformen des Pariser Journalismus anglich. Mit Bedauern musste er deshalb aussprechen, Heine habe seines Vermittleramtes schlecht gewaltet. 227) Lucien Lévy führt aus, wie untauglich Heine zu solchem Amt gewesen sei. Verstand und Einsicht habe er allerdings gehabt; Massigung, Ausdauer, Geduld hatten ihm aber gefehlt. Vor allem ware ein Mann nötig gewesen, der sich, unbeeinflusst von persönlichen Rücksichten, rückhaltlos den pohtischen und kulturellen Idealen gewidmet hatte. 228) Auch andere sprechen Heine seines Charakters wegen die Befahigung zur Vermittlerrolle ab. Grand-Carteret rechnet den Mann des Esprit, den Schriftsteller ohne festumrissene Überzeugungen, den Dichter des Intermezzo nicht zu denen, die es sich, wie Börne, zur Aufgabe gemacht hatten, für die französisch-deutsche Verstandigung zu arbeiten. 229) Und Gauthiez meint, dass etwas ganz anderes als die impressionistische Philosophie und bunte Phantasie eines Heinrich Heine nötig gewesen ware, um den Franzosen deutsche Kulturwerte zu vermitteln. 230) Heine ware nicht Heine, und die Heinekritik müsste völlig den inneren Zusammenhang mit ihrem komplizierten Gegenstand verloren haben, wenn sich nicht andere Meinungen den vorigen entgegenstellen liessen. Louis Ducros aussert sein Erstaunen über Heines richtige Auffassung vom Vermittleramt, dessen er mit grösserem Sachverstandnis als Madame de Staël gewaltet habe.231) Henri Lichtenberger glaubt zwar den vorlaufigen Misserfolg von Heines Vermittlungsarbeit festzustellen, erkennt jedoch gleichfalls deren Wert und Zukunftsbedeutungen. 232) Henri Mazel schliesslich erklart, keiner habe zwischen 1830 und 1850 mehr als Heinrich Heine dafür geleistet, dass die beiden Lander sich kennen lernten. 233) Auch auf diesem Gebiet also sehen wir Heine als umstrittene Grosse, die Zeitgenossen und Nachfahren gleich leidenschaftiich beschaftigt. „Monsieur Enrienne", wie er öfters genannt und auch wohl geschrieben worden ist, wird noch lange die Gemüter in Frankreich zum Für und zum Wider erregen. DIE ENGLANDER Allgemeines „Dieses kurznasige, halbstirnige und hinterkopflose Volk, dieses auserwahlte Volk der Prosa, das in Indien und Italien ebenso prosaisch, kühl und berechnend bleibt, wie in Threadneedlestreet.... diese rothaarigen Barbaren, die blutiges Fleisch fressen.... diese erzprosaischen Geschöpfe,.... diese Götter der Langeweile, die in blanklackierten Wagen mit Extrapost durch alle Lander jagen und überall eine graue Staubwolke von Traurigkeit hinter sich lassen.... Ich kann sie nicht leiden. Sie sind erstens langweilig, und dann sind sie ungesellig, eigensüchtig, sie quaken wie die Frösche, sie sind geborene Feinde aller guten Musik, sie gehen in die Kirche mit vergoldeten Gebetbüchern und sie verachten uns Deutsche, weil wir Sauerkraut essen.... Dazu kommt ihre Neugier ohne Interesse, ihre geputzte Plumpheit, ihre freche Blödigkeit, ihr eckiger Egoismus und ihre öde Freude an allen melancholischen Gegenstanden. Die Englander — Gott verzeih mir die Sünde — sind mir in tiefster Seele zuwider, und manchmal betrachte ich sie nicht einmal als meine Mitmenschen...." Heines Verbindlichkeiten gegen die Englander auch nur halbwegs lückenlos wiederzugeben nahme zuviel Raum in Anspruch. Es möge deshalb sein Bewenden haben bei diesen aus Französische Zustande, Florentiniscfie Nachte, aus dem Börne-Buch und Lutezia zusammengetragenen Stichproben. Sie dürften wohl Heines eigene Behauptung hinlanglich belegen, er sei nicht ganz unparteiisch, wenn er von Englandern rede. 234) Sonst entspricht es ja Heines Art, dass sich aus seinen Schriften fast stets das Gegenteil dessen beweisen lasst, was er an einer anderen Stelle behauptet. In seiner Abneigung gegen alles Englische jedoch blieb er sich immer gleich; erst in seinen letzten Lebensjahren wurden die anti-englischen Ausfalle weniger haufig und weniger heftig.23S) Er hegte also einen aus tiefster Seele stammenden Britenhass, und William Stigand bezeichnet diesen Hass mit Recht als einen eigentümlichen Charakterzug des Dichters. 236) Merkwürdig und anerkennenswert ist es, wie die Englander Heine seine instinktive Befangenheit in anti-englischen Gefühlen nicht nachgetragen haben. Ihre Rache erschöpfte sich darin, dass Kingsley ihn einmal einen schlechten Menschen nannte und Carlyle ihn gelegenthch als einen gemeinen Kerl ablehnte. 237) Fürs übrige konnte Buchheim anlasslich Heines Zentenarfeier 1897 feststellen: „England hat seine Ausfalle langst gutmütig vergessen." 238) Hierin aussert sich weniger eine Gemütsverfassung wie die des Heiligen Sebastian, der geduldig die auf ihn gerichteten Pfeilschüsse ertragt, als vielmehr das englische Gefühl fiir Humor, den Heine so reichlich seinen Bissigkeiten beimengte. 239) Auch jetzt noch trifft zu, was Betz vor einigen Jahrzehnten schrieb : „Von allen englischen Heinebiographien und -studiën ist mir keine bekannt, aus der man ein unsympathisches Bild von dem Dichter gewinnt, keine, in die ein Groll ob Heines Übertreibungen hindurchgesickert ware." 240) Aber nicht nur Sympathie hegte England fiir Heine. Eine grosse Bewunderung fiir ihn und ein lebhaftes Verstandnis fiir seine Bedeutung überhaupt kamen hinzu. Zahllose Male wurde das ausgesprochen. Einer der merkwürdigsten Manner seines Jahrhunderts heisst er bei George Eliot ;241) der hervorragendste Schriftsteller seit der Revolution bei Sichel ; 242) der einzige deutsche Schriftsteller, dem nach dem Tode des alten Mannes in Weimar ein Platz unter den Weltklassikern sicher sei in der Quarterly Review; 243) der reprasentative deutsche Dichter nach Goethe bei Atkins. 244) Matthew Arnold nennt ihn die bedeutendste Gestalt der europaischen Dichtung des Vierteljahrhunderts nach Goethes Tod. 245) Grant spricht von der hohen Stelle, die Heine im europaischen Schrifttum einnehme, und betrachtet ihn als den einzigen deutschen Dichter, der seit Goethes Tod einen grossen, unmittelbaren Einfluss auf sie gehabt habe. 246) Und Buchheim meint: „Ohne seine Prosaschriften und seine Gedichte ware das nach-goethesche Schrifttum ein klagliches Nichts." 247) Seit Anfang der fünfziger Jahre wurde in England eine umfangreiche Heineliteratur veröffentlicht. Ihre Frequenzkurve gleicht der französischen, sofern wir die Aufsatze aus Heines Lebzeiten über ihn ausser Betracht lassen, übrigens auch der des weiter unten besprochenen hollandischen Heineschrifttums: ihren Gipfelpunkt erreichte sie zwischen den siebziger und neunziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts, ihren Tiefstand zu Anfang des zwanzigsten, um danach wahrend der letzten Jahrzehnte wieder anzusteigen. 248) Vieles allerdings erhebt sich nicht über das Niveau einer durchschnittlichen, etwas seichten „Magazine"-plauderei. In ihrer Gesamtheit geben solche Aufsatze jedoch einen bestimmten Maszstab für Heines Beliebtheit in England ab und haben daher, mehr ihrer Anzahl und ihrem Bestehen als ihrem Gehalt nach einen gewissen Wert für unsere Erkenntnis. Wichtiger natürlich sind eine Anzahl von Biographien, Essays und kritischen Schriften. An ihrer Spitze steht zeitlich George Eliots Essay German Wit: Heinrich Heine, der bereits 1856 in der Westminster Review erschien und spater in ihr Buch Essays and Leaves from a Note-book aufgenommen wurde. Diese Arbeit versucht in ihrem ersten Teil, dem Wesen von Witz und Humor und Heines Beziehungen dazu naher zu kommen, umreisst alsdann mit feinem Verstandnis das Wesen der Heineschen Dichtung und bespricht schliesslich in recht ausführlicher, gediegener Weise Leben und Verdienste des Dichters. Matthew Arnold schüdert und preist seinerseits im gleichen Jahre den geistbefreienden Heine, der die hergebrachten Gedankenformen und Vorurteile niedergerissen habe,2ia) und trat also von einer einzigen Seite an den Dichter heran, was eine gewisse Einseitigkeit seiner Ausführungen zur Folge hatte. 250) Das Jahr 1875 brachte William Stigands überaus breit ausgeführte Biographie, die sich auf Strodtmanns zuvor erschienenes Heinewerk stützte. Aus den achtziger Jahren stammt Charles Grants Aufsatz in der Contemporary Review, der Heine in seinen Haupterscheinungsformen beleuchtet, weiter Sichels Aufsatz der sich mit „Heine penseur" auseinandersetzt, sodann KIEFT, Dissertatie. 4 William Sharps Biographie, eine glanzende, wenn auch phantastische Improvisation. Dazu kam noch ein anonym erschienener Aufsatz in der Quarterly Review, veranlasst durch das damals neueste deutsche Heineschrifttum, der an erster Stelle Heine als den modernen Menschentypus, danach aber auch in anderen Gestalten schilderte. Die Jahrhundertfeier von Heines Geburtstag veranlasste Edward Dowden zu einem Rückblick; Heines Vielgestaltigkeit war zugleich Ausgangspunkt und Mittelpunkt seiner gehaltvollen Ausführungen.251) Nach einem Tiefstand im ersten Viertel des neuen Jahrhunderts, zeigt die jüngste Zeit wieder ein erhöhtes Interesse für den Dichter. In diesem Verlauf als Erscheinung überhaupt zeigt sich eine Ahnlichkeit mit den Verhaltnissen in Frankreich und Holland; wenn sich dieses neueste Interesse in der literarischen Form der Biographie bekundet, so ist, auch in diesem Punkt jedenfalls zwischen Frankreich und England, ein Parallelismus zu verzeichnen. So erschien 1929 H. Bearleins Heine: the strange guest, 252) ein Jahr darauf Atkins' Heine. Bereits die Verschiedenheit der Titel lasst eine wesensverschiedene Einstellung ihrer Verfasser vermuten, was der Inhalt der beiden Werke übrigens bestatigt. Dieses an erster Stelle wissenschaftlich, jenes vorwiegend künstlerisch geartet, dieses in streng logischem Aufbau und übersichtlicher Einteilung die Tatsachen vorführend, jenes in impressionistischem, manchmal filmischem Nacheinander eine Reihe von Bildern abrollend, vertreten sie zweierlei Arten der Biographik, steuern aber gerade deshalb zur Erfassung der Heinegestalt Züge bei, die einander erganzen. Die Schilderung von Heines Stellung in England ware unvollstandig, berücksichtigte sie nicht die von seinen Werken in englischer Sprache erschienenen Übersetzungen. Mehr als alle Biographien, Studiën, Essays sagen ja auch in England die erschienenen Übersetzungen aus über das Verhaltnis weiterer Kreise zu Heine, Kreise, die sich nicht um literarische Probleme kümmern, sich wohl aber fürs Schrifttum an sich interessieren. Es gelangte eine ungemein grosse Anzahl englischer Übersetzungen von Heineschen Werken an die Öffentlichkeit. 253) Doch nachdem bereits seit Anfang der 1830er Jahre eine lange Reihe von Übersetzungen poetischer Werke erschienen war, wurden bemerkenswerterweise erst 1879 die ersten Prosafragmente übertragen. Eine vollstandige englische Ausgabe erschien um die Jahrhundertwende. Das Buch der Lieder wurde zwischen 1856 und 1911 mindestens sechsmal vollstandig übertragen. Die Zahl all dieser Übersetzungen hat sich in neuester Zeit keineswegs verringert, doch zeigte sich an ihnen auch weiterhin, dass der Englander den Dichter Heine dem Prosaiker bei weitem vorzieht. Gehen wir nun zur Betrachtung der englischen Stellungnahme zu Heine über, so fallt uns dabei zunachst das Fehlen jeglicher Bekampfung Heines auf. Im Gegensatz zu Frankreich, wo seine weltanschaulichen und politischen Ausserungen, seine Gesellschaftskritik, seine Stellung zwischen den beiden Grossmachten und sein Judentum zu den scharfsten Meinungsverschiedenheiten Anlass gaben, zeigen die enghschen Arbeiten in ihrer Gesamtheit das Bild einer sachlichen, rein wissenschaftlich und künstlerisch interessierten Betrachtung. Mit Recht kann Atkins feststellen, dass die englische Heinekritik weder religiös noch politisch, noch mit Rücksicht auf Juden und Nichtjuden aus parteiischer Einseitigkeit heraus an ihren Gegenstand herantrete. 254) Das verhindert indessen nicht, dass auch die englische Kritik die übliche Vielfalt der Meinungen aufweist, wie sie sich aus dem vielgestaltigen Wesen ihres Gegenstandes ergibt. Dies führt auch hier wieder dazu, die verschiedenen Ausstrahlungen von Heines Erscheinung, in diesem Falie also vom englischen Volkscharakter her zurückgespiegelt, nacheinander zu betrachten. Atkins schrieb darüber das Folgende: „Wir interessieren uns in der Tat für den ironischen Philosophen und den Humoristen und fühlen uns im besondern zu seinem offenherzigen, nicht allzu schmeichelhaften Urteil über uns hingezogen. Der lyrische Dichter aber steht bei uns mehr im Vordergrund als bei den Deutschen, und im allgemeinen beschaftigen wir uns weniger mit dem Studium Heines als eines spezifisch-jüdischen Dichters oder kosmopolitischen Denkers oder liberalen Neugestalters." 255) In der Hauptsache, und vor allem jedenfalls dort, wo der Lyriker als Hauptgegenstand des englischen Interesses bezeichnet wird, pflichten wir diesen Worten bei. Heine der Dichter mag daher auch hier zuerst an die Reihe kommen. Der Dichter Als 1897 Buchheim in The Athenaeum Journal of English and Foreign Literature seinen Artikel Heine's Centenary veröffentlichte, schrieb er: „Nirgendwo sonst haben Heines Gedichte soviel Bewunderer gefunden wie in England." 256) Imponderabilien in Vergleiche hineinzubeziehen hat sein Bedenkliches und dürfte allzuleicht zu superlativistischen Aussprüchen verführen. Mildern wir deshalb Buchheims Behauptung herab auf die Formel: „Der Dichter Heine war in England ungemein beliebt." Wir stellen uns damit auf die feste Grundlage kontrollierbarer Tatsachen. Als solche sind an erster Stelle die englischen Übersetzungen Heinescher Gedichte zu betrachten. Es war bereits die Rede von ihnen. Sie liefern einen unleugbaren Beweis für Heines, des Dichters, Beliebtheit in England. Werden die Übersetzungen Heinescher Prosawerke ihnen gegenübergestellt, so zeigt sich daraus zur Genüge, dass George Eliot das allgemeine englische Empfinden zum Ausdruck brachte, da sie feststellte : „Heine ist dem Wesen nach ein lyrischer Dichter." 257) Sie fügte hinzu: „Ein unvergleichlicher lyrischer Dichter." 25S) Auch dieser Ausdruck darf als reprasentativ für die englischen Meinungen gelten. So begegnen wir denn auch stets wieder, sowohl in den alteren als in den neuesten Arbeiten, dem Ausspruch, dass in Heines Dichtertum sein Ewigkeitswert enthalten sei. Stigand erkennt Heines Bedeutung als Humorist und Kritiker an, erblickt seinen grossen Wert für die Menschheit jedoch in seinem Dichtertum. 259) Matthew Arnold prophezeit ihm als künftigen Grabschmuck eher den Lorbeer als das Schwert, im Gegensatz zu Heine selbst, der der umgekehrten Meinung zugetan war; 26°) Dowden schliesst sich diesem Spruch an.281) Heine als Gesamterscheinung sah Sharp als eine Wolke vorüberziehen, seine Lieder aber be- trachtete er als bleibende Sterne am Himmel der Dichtkunst. 262) Atkins, der zwar Heines anderen Seiten ihren Wert nicht absprechen will, sieht dennoch in seinen Liedern seinen Anspruch auf Unsterblichkeit begründet.26S) Eigenartig genug ist es, dass sich in England das Interesse für Heines Lyrik und ihre Wertschatzung in vielen Fallen einer von zwei recht verschiedenen Epochen innerhalb Heines lyrischer Werke zuwendet, und zwar unter Ausschluss der anderen. Für die meisten steht der Dichter des Buches der Lieder, besonders des Lyrischen Intermezzo, der romantische Schwarmer der Liebe, im Mittelpunkt der Verehrung. So nennt George Eliot das Buch der Lieder, neben den Reisebildern, nicht nur Heines beliebtestes Werk, sondern auch dasj enige Buch, durch das er sich seinen Titel als grösster unter den lebenden deutschen Dichtern erworben habe. 264) Der Aufsatz im Quarterly Review nennt diese Werke als diejenigen, welche Heine seinen Ruhm verliehen hatten, und deren Frische und Urspriinglichkeit er seitdem nie wieder erreicht habe. 265) Dabei wird ein scharfer Trennungsstrich zwischen dem frühen, romantischen Heine und dem Dichter spaterer Jahre gezogen, der zuviel seiner Spottlust gefrönt, und nicht wie der Dichter des Intermezzo und der Heimkehr sich die Herzen zu gewinnen gewusst habe. 266) Tieferes Verstandnis bekundet Grant, der damit die andere Partei unter den englischen Freunden von Heines Lyrik vertritt. In seinem wertvollen Aufsatz spricht er sein Erstaunen darüber aus, dass die unreifen, früheren Werke so viel besser bekannt würden als die spateren, dass der Verfasser des Romanzero immer wieder dem des Buches der Lieder nachgestellt werde. 267) Stimmen wie die Grants sind jedoch in England seiten. Wie mehr oder minder in der ganzen Welt, wie selbst in Heines Vaterland, solange er daselbst noch gelesen werden durfte, so ist Heine für die grosse Schar der Leser in England, nur dort viel ausschliesslicher, der Sanger des Buches der Lieder. 26S) Der Kampfer „Ich weiss wirklich nicht, ob ich es verdiene, dass man mir einst mit einem Lorbeerkranz den Sarg verziere. Ich habe nie grossen Wert gelegt auf Dichterruhm. Aber ein Schwert sollt ihr mir auf den Sarg legen, denn ich war ein braver Soldat im Befreiungskriege der Menschheit." Auf jedes Wort von Heine zu schwören ist gefahrlich, besonders dort, wo er von sich selbst spricht. Soweit es seinen Anspruch auf Dichterruhm betrifft, geht es auch aus diesem Ausspruch hervor. Wie steht es um seine andere Wirksamkeit, von der er hier spricht? Inwieweit erkennen ihm insbesondere die Englander den Namen eines braven Soldaten im Befreiungskriege der Menschheit zu? Wir haben weiter oben festgestellt, dass eine grosse Anzahl französischer Kritiker sich mit dieser Seite von Heines Tatigkeit auseinandergesetzt hatte und dabei in ihrer Mehrzahl zu einem recht ungünstigen Ergebnis gekommen war. Auch in den englischen Arbeiten über Heine ist wiederholt und ausführlich von Heine als Kampfer die Rede. Matthew Arnold, Charles grant, Walter S. Sichel, William Sharp, der erwahnte Aufsatz in der Quarterly Review, Edward Dowden, also fast ausnahmslos alle wichtigeren Autoren aus dem 19. Jahrhundert, besprechen Heine gründlich von dieser Seite. Ihnen folgen die modernen Heinebiographien von Atkins und Henry Baerlein, minder ausführlich jedoch mit mehr historischer Einstellung. Die aus diesem enghschen Schrifttum herauswachsende Heinegestalt nimmt sich ungleich günstiger aus als die im Lichte der französischen Kritik. Nicht dass man in England einen strammen, erprobten Parteiganger, einen zielbewussten Politiker, einen gesinnungstüchtigen Kampfer in Heine erblickt hatte. Seine direkte politische Tatigkeit schatzt Matthew Arnold gleich null. 289) Die Quarterly Review meint, er sei kein Führer gewesen, hatte es auch nicht sein können; 270) er sei ein universeller Frondeur, ein Zerstörer aus Instinkt gewesen.271) Grant halt Heines Charakter für zu impulsiv, zu phantastisch und dichterisch, als dass er ein zielbewusster Politiker hatte werden können. 272) Als untauglich für den regelmassigen Dienst wird Heine von Dowden bezeichnet. Das brauchte freilich Kriegstauglichkeit zum irregularen Dienst nicht auszuschliessen und so meinte Dowden es auch. Ein glanzender Führer im Guerillakrieg, so heisst es weiter bei ihm von Heine ; dieser sei bei allem Mangel an Disziplin, und obwohl er manchmal die Flinte auf den Nebenmann im Glied abgefeuert habe, ein braver Soldat im Kampf um die Freiheit gewesen, so wie sie in den Gedanken von 1789 verkörpert sei. 273) Als Guerillakrieger in einem Freiheitskrieg sah ihn auch Sharp : „Befreiung. Das war für Heine gleichlautend mit Vorwarts : sein Kriegsruf in all seinen glanzenden, wenn auch zusammenhangslosen Angriffen." 274) Auch Sichel rühmt ihm nach, er habe die Sache der Freiheit und der Befreiung allzeit hochgehalten. 275) „Sein Leben," so schrieb die Quarterly Review, „war ein Kampf und ein Marsch, ein Kampf für die neuen Gedanken, die dem Alten ein Ende zu machen suchen, ein Marsch von einem Gefecht zum anderen, von einem Leiden zum anderen." 276) Matthew Arnolds Essay behandelt Heine ausschliesslich als Kampfer, als den erfolgreichen Nachfolger Goethes, insofern sich letzterer den Befreier der Deutschen nennt. Heine habe nach Goethe diesen Kampf aufgenommen, habe nach ihm den Geist der neuen Zeit heraufgeführt, in einer Epoche, in der der neue Inhalt die alte Form nicht mehr vertragen und der neue Wein des 18. und 19. Jahrhunderts die Schlauche des elften und zwölften, allenfalls des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts gesprengt habe. 277) Grant hebt zunachst hervor, welch ungeheure zerstörende Kraft in Heines Schriften enthalten sei, lasst aber gleich die Bemerkung folgen, dass durch ihre Poesie die Laster und Torheiten der Zeit heil beleuchtet würden und ihnen daher ein positives, wertvolles Element innewohne. 278) Sichel schüdert, wie gerade der Charakter jener Zeit eine Gestalt wie die Heinrich Heines erheischt habe. Wo ein überlebtes Zeitalter in ein neues übergehe, da brauche sie ihren satirischen Dolmetscher. Hierzu nennt er die Namen eines Aristophanes, Juvenal, Sebastian Brandt und Rabelais, eines Cervantes und Voltaire. Eine ahnliche Aufgabe wie sie habe Heinrich Heine erfüllt. Wenn die Jahre 1830, 1840 und 1848 den noch uner- loschenen Kampf für soziale Gleichheit und politische Rechte eröffnet hatten, so sei dabei die jüdische Ironie, das Griechentum und die deutsche Poesie eines Heinrich Heine ein notwendiges Element gewesen. 279) Wenn die französische Kritik Heines Verneinungsgeist hervorhebt, so bildet die englische Kritik keinen Gegensatz dazu. Doch im Gegensatz zu den Franzosen erkennen die hier zu Wort kommenden Englander den positiven Wert der Verneinung, der Zerstörung, des Herabziehens an. Sie sind sich wohl bewusst, dass Heines des Gesellschaftskritikers Bedeutung eine zeitbedingte, vorübergehende ist, dass sein bleibender Wert anderswo hegt. Jedoch für sich selbst, für ihre Zeit, empfanden sie gerade den zeitlichen Gehalt als das wichtige Element im Werk des deutschen Schriftstellers. Als ihr aller Auffassung, zugleich als die Summe alles bisher Erwahnten, führen wir das Wort Matthew Arnolds an: „Die Nachwelt wird sein Grab gewiss eher mit dem Emblem des Lorbeers als mit dem des Schwertes schmücken. Für seine Zeitgenossen aber, für uns, für das Europa dieses Jahrhunderts, ist er vor allem um jener Ursache willen bedeutungsvoll, die er selbst mit den soeben erwahnten Worten bezeichnet. Er ist bedeutungsvoll weil er, wenn nicht an erster Stelle ein braver, so doch wohl ein glanzender, überaus wirksamer Soldat im Befreiungskriege der Menschheit war." 28°) Solchen Auffassungen verwandt ist diejenige, welche in Heines Werken vor allem den ausgepragt modernen Charakter erblickt und die Stimme aller Hoffnungen, Erwartungen und Sehnsuchte der Zeit aus ihnen heraushören will. Dieser Auffassung begegnen wir bei Matthew Arnold. Er spricht von Heines ausgesprochener Modernitat, die alle Dinge vom Standpunkt des 19. Jahrhunderts aus betrachte.2S1) William Sharp entnahm von Matthew Arnold diesen Gedanken und führte ihn weiter aus : Wegen seiner ausgesprochenen Modernheit sei er ganz besonders der Exponent des sehnsuchtsvollen Geistes des Jahrhunderts; dessen unbestimmtem Hass habe er eine Stimme verliehen, dessen unausgesprochenen Schmerz zum Ausdruck gebracht. Ein neues, ausdrücklich modernes Element zittre daher in der kraftigen Prosa seiner Sprüche und in dem Zauber seiner Lyrik. Deshalb habe er als der kennzeichnende Vertreter einer der geistig bewegtesten Perioden der Menschheitsgeschichte zu gelten. 282) Für die Verfasser der neueren Arbeiten war Heine nicht mehr erlebte Wirklichkeit. Dafür gestattet ihnen die zeiüiche Entfernung, sich von einer höheren Warte aus ihr Heinebild zu erschaffen. Doch haben sich dessen Züge in dieser historischen Perspektive nicht wesentlich verandert. Infolge Atkins sei Revolution für Heine etwas Negatives; er habe wenig für das zu bieten, was er niedergerissen; sem politisches Verhalten sei kritisch, nicht positiv. 283) Baerlein nennt ihn einen wilden Geissler. 284) Atkins vergleicht ihn mit Bernard Shaw : sowohl die Freude am „épater le bourgeois" als die Fahigkeit ernste, feierliche Gegner bis zur Raserei zu peitschen, hatten der Gesellschaftskritiker des neunzehnten und der des zwanzigsten Jahrhunderts mit einander gemein. 285) Weniger naheliegend, aber origineller ist es, wenn Baerlein Heine und Walther von der Vogelweide einander gegenüberstellt und sich an dem Punkt begegnen lasst, an dem der alte Dichter von sich selbst gestehen muss: „Ich waz so voller scheltens, daz min atem stanc." 286) Doch wie die Kritik des neunzehnten Jahrhunderts bezeugt auch die des zwanzigsten den hohen Wert von Heines Gesellschafts- und Sittenkritik. Hören wir zunachst Atkins : „Wenn Heine auch als politischer Denker nicht von grosser Bedeutung ist, seine Gedanken und seine Kritik auf sozialem Gebiet waren von höchstem Wert als Korrektiv zu aller Selbstgenügsamkeit und jeder Hinnahme der Dinge wie sie einmal sind." 287) Dem vielen, was Heine verspottete und zerstörte, stellt Baerlein das viele gegenüber, was er neu aufbaute, und den Wegen, die er untergrub, die vielen, für welche er die Richtlinien angab. Als einen Wegbereiter wünschte er ihn deshalb geehrt und gefürchtet zu sehen. 28S) Der Spotter Das Verhaltnis zwischen Heines Spöttertum und dem Humor der Englander hat ein deutscher Zeitgenosse Heines, Hermann i Marggraff, einmal so scharf formuliert, dass es hier im Wortlaut wiedergegeben sei. „Es liegt Heines Antipathie gegen die Englander wohl auch in seinem Blute, seiner Bildung und geistigen Richtung. Heine ist ein Mann des Esprit, versetzt mit nur zu vielem deutschen derbkörnigen Zynismus. Sein Humor hat gar nichts Englisches, beugt sich unbiindig in Worten und Anschauungen und respektiert nichts ausser seinem Gelüste, zügellos zu sein. Der englische Humor bewegt sich auch mit voller dreisten Freiheit, aber nur in gevvissen Grenzen, die er nie überschreitet, die er sich selbst zieht. Durch diese englische Respektmassigkeit fühlt sich Heine höchlich geniert." 288) Der Verfasser dieser Zeilen urteilt freilich von Heine aus. Heines Antipathie gegen die Englander ist ihm das Gegebene. Für hier ist das Verhaltnis nun umgekehrt: nicht die Frage, wie Heine über die Englander, sondern wie England über Heine urteilte, beschaftigt uns. Und dann müssen wir feststellen, dass Marggraff wohl schwerlich im Wessen von Heines Witz und Humor den Grund zu seiner Abneigung gegen die Briten erblickt hatte, hatte er vermuten können, dass die Englander gerade auch in diesem Witz und Humor einen hervorragenden Zug von Heines Genialitat erblicken würden. Hier trennen sie sich sowohl von den weiter unten zu besprechenden Hollandern als von den Franzosen: in hollandischer Beleuchtung tritt der Humorist hinter andere Wesensseiten des Schriftstellers zurück; 290) in Frankreich wussten die Kritiker und Literarhistoriker höchstens ein sehr bedingtes Lob für diesen Heine aufzubringen, und dort beschrankte sich der Ruhm des „homme d'esprit" raumlich im wesenthchen auf den Boulevard und zeitlich auf die Jahre, in denen „der geistreichste Franzose nach Voltaire" in Pariser Milieus glanzte, imd die darauf folgende Zeit des Zweiten Kaiserreichs, in dessen oberflachlichen, sprudelnden Charakter das Bild dieses Heine gut hineinpasste. Ganz anders die Englander, und zwar bis in die Gegenwart hinein. Atkins hebt in seiner Biographie gerade Heines blendenden Witz und glanzenden ironischen Humor hervor. 292) Ahnlich lautete das englische Urteil bereits im 19. Jahrhundert. Grant rühmte an Heines Werken den ausserst lebhaften Witz und einen Humor, wie ihn kein zweiter Schriftsteller des Jahrhunderts entfaltet habe. 293) Stigand zufolge hatten die Ausserungen und Meinungen des Humoristen nicht ihresgleichen in der Schrifttumsgeschichte. 294) Der besagte Aufsatz in der Quarterly Review spricht von Heines unendlichem Witz und Humor. 295) Matthew Arnold führt seinen Lesern einige Beispiele des Heineschen Witzes vor, die er als unübertrefflich kennzeichnet; 296) an anderer Stelle bezeichnet er die Verbindung des Witzes mit dem starken Pathos als Ursache von Heines grosser Wirkung. 297) Haufig drangt sich auch den Englandern ein Vergleich zwischen Heine und anderen Schriftstellern auf. So greift Stigand zustimmend die von Thiers gezogene Parallele zu Voltaire auf; in der Kraft und Gewandtheit im Gebrauch des Witzes stellt er Heine dem Franzosen vollkommen gleich. Auch erblickt er in Heines Humor Züge, die bald an Sterne, bald an Swift erinnerten; die fast einzigartige Art und Weise, wie der deutsche Jude Humor und Poesie zu verquicken wisse, gemahnt ihn an Aristophanes. 298) Die Quarterly Review verwirft den von Heine selbst gezogenen Vergleich mit Don Quichotte, erblickt aber statt dessen eine Ahnlichkeit unseres Dichters mit Cervantes, der „Spaniens Ritterschaft hinweglachte." 2") Der Vergleich mit Sterne lag den Englandern noch öfters nahe. George Eliot rühmte dem Humoristen Heine nach, er verwandie bleischwere Torheiten durch den Zauberstab seiner Phantasie in das Feingold der Kunst, breite sein sonniges Lacheln über menschliche Tranen aus und mache sie dadurch zu einem herrlichen Regenbogen vor dem bewolkten Hintergrunde des Lebens; 300) doch stellt sie ihn in der Kernhaftigkeit des Humors ihrem Landsmann nach, wenn sie auch hinsichtlich der dichterischen Empfindung und des Gedankenreichtums Heine vorzieht.301) Wenn auch eine so massgebende Autorin wie George Eliot Heines Bedeutung als Humorist nur bedingt würdigte, so tut das seiner Beliebtheit auf englischem Boden keinen Abtrag. Übrigens macht Eliot selbst einen scharfen Unterschied zwischen Witz und Humor bei Heine — wie uns scheint, durchaus mit Recht. Sie findet in Heine einen Esprit, der ihn vor den glanzendsten Franzosen auszeichne, 302) und an anderer Stelle meint sie, für Menschen mit Empfanglichkeit für die feine Würze des Stils gebe es kaum einen unwiderstehlicheren Witz als den Heineschen. 303) Die übrigen englischen Heinearbeiten unterscheiden im Gegensatz zu Eliot bei dem Dichter nicht zwischen Witz und Humor. Sie verwenden beide BegrifFe neben und gleichsam auch für einander. Wo sie vom Humoristen Heine sprechen, da erwahnen sie auch den witzigen Autor. Für ihr Empfinden lagen die BegrifFe nicht weit voneinander entfernt, deckten sich wohl zum Teil und vermischten sich. Wenn vom Humoristen und vom Mann von Witz die Rede war, so stand ihnen eine einzige Gestalt vor der Seele, der sie ihre Anerkennung zollten. Atkins dürfte so ziemlich den Gesamteindruck wiedergeben, den Heine in der geistig führenden Schicht Englands hinterlassen hat, wenn er im Schlusskapitel seines Buches das Fazit von Heines Leben und Werken zieht und in ihm einen der geistreichsten Schriftsteller Europas würdigt. 304) Wir sehen somit, wie die Briten, das Volk eines Shaw und eines Dickens, auf typisch britische Weise auf die Erscheinung Heines reagiert haben. Mit Grossmut, gelassener, phlegmatischer Gutmütigkeit und vor allem mit viel Gefühl für Humor haben sie Heine nicht allein seine bösen Angriffe gegen sie verziehen, sondern ihn auch gerade wegen seiner scharfsten AngriïfswafFe, des Heineschen Witzes, geschatzt. DIE HOLLANDER Allgemeines Wollen wir die allgemeine Wirkung Heines in Holland, gemessen an ausseren Tatsachen, untersuchen, so erhebt sich wohl als erste Frage die, ob und in welchem Umfang er denn gelesen wurde. Für das französische und englische Publikum sind es die Übersetzungen, die da einen Fingerzeig geben: mag auch manchmal die Freude an der künstlerischen Tat des Übersetzens ihre Entstehung veranlasst haben, an erster Stelle war doch wohl der Wunsch massgebend, den fremden Schriftsteller einem heimatlichen Leserkreis zu vermitteln. Müsste man nun die hollandischen Übertragungen Heines als Maszstab für seine Beliebtheit in Holland annehmen, so stünde es übel darum.30S) Wohl brachten die Studenten- und Musenalmanache in den vierziger Jahren vereinzelte Übersetzungen Heinescher Lieder. Dann erschienen 1852 zehn von de Genestet übertragene Gedichte im Amsterdamsche Studentenalmanak. Einige Jahre darauf veröffentlichte A. v. d. Hoop Jrs. zoon eine Auswahl Lieder aus den Jungen Leiden, dem Intermezzo, der Heimkehr, dem Neuen Frühling, der Harzreise, der Nordsee und der Nachlese. In den sechziger Jahren brachte J. M. E. Dercksen ein Dozijn Heiniaantjes, und Freda Niki (Versteckname für F. A. Kiehl) einige Teile aus dem Nordsee-Zyklus, 1872 Holda gleichfalls einiges aus diesem letzten Werk, fühlten ein C. P. Thiele, J. J. L. ten Kate, J. J. A. Gouverneur, C. Honigh und M. Coene sich bemüssigt gelegentlich an Heinescher Lyrik ihre Krafte zu versuchen. In jüngster Zeit schliesslich (1932) brachte die Zeitschrift Helikon einige von M. Nijhoff stammende Übersetzungen aus der Heimkehr. Heines Prosa ist in Holland mit einem 1839 in De Gids er- schienenen Kapitel aus dem Buch LeGrand vertreten, ferner mit einer //arera'se-Übersetzung von v. d. Hoop und einer von Aramaldi (Versteckname für Aart Admiraal), sowie einigem aus den Gedanken und Einfallen. In unserem Jahrhundert kam hierzu van Suchtelens Übersetzung des Buches LeGrand vom Jahre 19183M) und Joseph Gompers' Übertragung der Florentinischen Nachte von 1937.307) Ware Holland ausschliesslich auf Übersetzungen angewiesen gewesen, so waren ihm der Romanzero wie die Zeitgedichte, Atta Troll wie das Wintermarchen und auch die Lyrik aus Heines letzten Lebensjahren vorenthalten geblieben. Nicht einmal von dem vollstandigen Intermezzo hatte es Kenntnis nehmen können. Mit Ausnahme des Buches LeGrand, der Harzreise, und einiger unbedeutenderen Bruchstücke ware ihm die ganze Prosa fern geblieben. Dass das hollandische Schrifttum es bei jenen Versuchen hat bewenden lassen, kann im Hinblick auf deren Beschaffenheit nur erfreulich genannt werden. Die Leistungen de Genestets und Freda Nikis darf man wohl als leidlich bezeichnen, die von Nijhoff und Gompers, besonders aber die von van Suchtelen als hochwertig. Was jedoch den Rest betrifft, darf man wohl schweigen.30S) Nun sagt aber , abweichend von dem, was für Frankreich und England gilt, Zahl und Güte der Übersetzungen über Heines Beliebtheit in Holland nichts aus. Hier genügt bereits der blosse Hinweis auf die Mehrsprachigkeit des hollandischen gebildeten Leserkreises, der im Gegensatz zu den entsprechenden französischen und englischen Schichten einen deutschen Autor im Urtext bequem zu lesen vermag. Wie überflüssig Heineübersetzungen in Holland waren, geht deutlich daraus hervor, dass eine Anzahl hollandischer Verleger in der Zeit vor dem internationalen Autorenschutz, in der Veröffentlichung zahlreicher, vielbandiger deutscher Heineausgaben ein gewinnbringendes Geschaft erblickte. 309) Diese Ausgaben legen Zeugnis davon ab, dass wenigstens zeitweilig Heine in Holland ein vielgelesener Schriftsteller war, sodass der Nachdruck seiner Werke daselbst sich lohnte. Aber auch direkte Belege finden sich dafür leicht. Schon 1866 schrieb P. Bruyn: „Von allen europaischen Dichtern der letzten fünfundzwanzig Jahre ist Heine der gefeiertste, der volkstümlichste; das Buch der Lieder ist das Gesangbuch des jungen Holland; der Verfasser der Reisebilder und des Romanzero ist der frachtfreie Passagier in allen Eisenbahnwagen und auf allen Dampfern."310) Noch ein Jahrzehnt spater wurde in der Zeitschrift De Nederlandsche Spectator festgestellt, dass die Gedichte und Prosaschriften Heines, des grössten Schriftstellers des 19. Jahrhunderts, in Holland von Tausenden gelesen würden.311) Heine hat also keinen Grund, sich über Verkennung seitens des hollandischen Publikums zu beschweren. Heinelektüre und Heinebewunderung bildeten auch eine deutlich umrissene Periode im Studentenleben dieser Zeit.312) Anlasslich der damals gerade von Edouard Engel herausgegebenen Memoiren Heines bemerkte De Gids 1884, dass wenige Schriftsteller der jüngeren Literatur soviel gelesen würden wie Heine ; würden auch Goethe, Schiller, Molière, Shakespeare mehr genannt und angeführt, eines so ausgedehnten Leserkreises wie Heine könnten sie sich nicht rühmen.313) Und te Winkel schreibt: „Es gab eine Zeit, wo kein Schriftsteller, besonders in Studentenkreisen, jedoch auch ausserhalb derselben, in Holland so gierig verschlungen und bewundert wurde wie Heine." 314) Neben den Zeugnissen der Zeitgenossen und den Urteilen der Literarhistoriker gibt es noch andere Kennzeichen für die Bewunderung des hollandischen Publikums für den auslandischen Schriftsteller. Nicht zum wenigsten ware hier die Nachahmungswut zu erwahnen, welche ein Anzahl Reimtalente ergriff. Mooren ist solchen Erzeugnissen eines Heye, ten Kate, Dercksen, Honigh, Dorbeck, Boele van Hensbroek, Holda, J. C. de Vos, Welter, Piet Paaltjes, gründlich nachgegangen.315) Ihr Zeitgenosse Multatuli hat ihre Bedeutung kurz und kernig für die Nachwelt so zusammengefasst: „Seit zwanzig Jahren wird der Markt überschwemmt mit „Heineschen" Gedichten, „Heineschen" Auffassungen, Sinnsprüchen und Gedankenwendungen, denen nichts weiter als Ursprünglichleit fehlt." 316) Minder aktiv, jedoch nicht minder nachdrücklich ausserte sich die Heineverehrung des mehr oberflachlich literarisch interessierten grossen Publikums. Sie bekundete sich in einer lebhaften literarischen, biographischen und anekdotischen Teilnahme für alles, was mit Heine in irgendeinem Zusammenhange stand. Immer wieder bringen die Zeitschriften aus der zweiten Halfte des Jahrhunderts Mitteilungen und Ankündigungen über Neuerscheinungen, Nachrichten und Gerüchte über die Memoiren, den dichterischen Nachlass und die Briefe. Im Ausland herausgekommene Heinebiographien, wie Strodtmanns Heinrich Heines Leben und Werke, Karpeles' Heinrich Heine, spater ins Hollandische übertragen, Stigands englische Heinebiographie ziehen mittels Ankündigungen und Besprechungen das Interesse auf sich. Gleiches gilt für die anekdotische Heineliteratur. Von A. Meissners Erinnerungen an Heinrich Heine erschienen in Holland zwei deutsche Ausgaben, eine in Rotterdam, die andere in Amsterdam;317) gleichfalls in Amsterdam erschien F. Steinmanns Der Froschmausekrieg zvider Heinrich Heines Dichtungen;318) in hollandischer Übersetzung erschienen der Roman der Katharina Dietz : Heinrich Heine's erste Liebe, 319) und das Buch von Marie EmbdenHeine, Prinzessin della Rocca: Erinnerungen an Heinrich Heine. 320) Das lebhafteste Interesse zeigt sich auch für all dasjenige im Leben des Dichters, was bereits in dem Titel von A. Isings Buch Heinrich Heine in huiscostuum hinreichend zum Ausdruck kommt. Man gewinnt selbst den Eindruck, dass ein Teil des hollandischen Publikums der fünfziger bis siebziger Jahre Heines Gestalt zum Anlass nahm, seinem Sensationsund Adorationsbedürfnis zu frönen: das Verhaltnis dieses Publikums zu Heine kommt dem der heutigen Öffentlichkeit zu einem modischen Fümstar recht nahe. Doch selbstverstandlich traten zugleich die bedeutendsten Vertreter des zeitgenössischen hollandischen Schrifttums an Heine heran. Bei ihnen lasst sich ausnahmslos gründliche Bekanntschaft mit Heine, stets grosse Verehrung für ihn, nicht selten Anlehung an ihn und Ausdruck einer geistigen Verwandtschaft feststellen. Zu ihnen gehören zuerst Potgieter, Pierson und Busken Huet. 321) Multatuli liebte, wie er sagte, Heine so sehr, dass er froh darüber sei, dass sie sich nie begegnet waren. 322) Dass er in spateren Jahren gestand, seine Neigung für Heine sei viel geringer geworden, 323) ist bei einem vvandelbaren Geist wie Multatuli nicht zu verwunderen. Von Vosmaer sagt Kloos, alles, was er schrieb, kame im wesentlichen von Heine, Multatuli und etwas griechischer Literatur her. 324) Auch Jacques Perk ware hier noch zu erwahnen, der die Form des Sonetts an Heine studierte. Wie er sagte, sei Heine einer der wenigen, bei denen er Trost suche, wenn er sich am Spiel mit Klang, Wort und Gedanken laben wolle.32S) So war denn Hollands kulturelles Leben in jener Epoche eng mit Heine verbunden. Davon zeugt auch die hollandische Heinekritik und das sonstige Schrifttum iiber den Dichter, besonders aus der Zeit, in welcher Heine für Holland der beliebteste und einflussreichste auslandische Schriftsteller war, also aus der Zeit von etwa 1850 bis 1885. Dann wurde es, wie in anderen Landern auch, um die Jahrhundertwende herum etwas still um ihn. Jedoch in den letzten Jahrzehnten erschien eine inhaltlich wie zahlenmassig beachtiiche Reihe von Heinebetrachtungen. Dies is bemerkenswert in einer Zeit, in der Heine zwar stets noch viele Bewunderer zahlt, jedoch seine Beliebtheit verglichen mit einst, in weitem Masse zurückgegangen ist. Das niederlandische Heineschrifttum zerfallt demnach in zwei zeitlich und dadurch auch charakterlich recht verschiedene Abschnitte. Zum Teil kann man dies einfach aus der Verschiedenheit der niederlandischen Literaturbetrachtung vor und nach 1880 deuten. Im besonderen aber hat es mit dem Wechsel in Heines Stellung in Holland zu tun. Das altere Schrifttum, soweit es sich nicht auf blossen Bericht beschrankte, war subjektiv, es war persönlich an Heines Erscheinung beteiligt; empfand ihn als greifbar nah, fühlte sich in irgendeinem Für oder Wider zur Stellungnahme veranlasst. Demgegenüber wollen die neueren Heinearbeiten objektiv sein, sei es, dass sie künstlerisch-intuitiv, sei es, dass sie wissenschaftlich-methodisch zur Gestalt und ihrem Kern vorzudringen versuchen. Was wir bisher vernahmen, zeigte uns bereits Hollands Urteil über Heine in allgemeinen Umrissen. Gehen wir aber nun daran, dieses Urteil im eigentlichen und strengeren Sinne, namlich unter der Form der literarischen Kritik, zu betrachten. KIEFT, Dissertatie. 5 l Wie erblickte diese den Dichter, wie bewertete sie ihn, welche Gestalt gewann er in ihrer Beleuchtung? Zwar hat auch in Holland die grosse Komplexheit von Heines Wesen eine kaum übersehbare Fülle verschiedenartigster Eindrücke und Meinungen hervorgerufen. Doch glauben wir, nach Ausschaltung des Unwesenthchen Heine in dreierlei Gestalt aus dem Gesamt der hollandischen Kritik hervortreten zu sehen. Der Vertreter des Zeitgeistes 1862 betonte die Zeitschrift De Kunstkronijk, Heine sei nicht ausschliesslich als Kampfer zu betrachten. 326) Bringen wir diese scheinbar unauffallige Stelle in Zusammenhang mit anderen Stimmen der Zeit über Heine, so leuchtet sie mitten ins allgemeine Heineempfinden jener Epoche hinein. Wohl wurde auch damals schon dem romantischen Dichter von vielen überschwangliches Lob zuteil, aber doch war Heine dieser Generation nicht an erster Stelle der Lyriker. Dies wird uns aus der Fülle der Ausserungen ohne weiteres deutlich. Vor allem gilt Heine namlich dieser Zeit als Streiter für alles, was sie als die grossen Gegenstande der Menschheit betrachtete. Die Kunstkronijk schildert ihn als einen Kampfer für Recht und Freiheit und für das rein Menschliche, als den Gegner jedes Zwanges, jedes Vorurteils, jeder Heuchelei. 327) Das ist auch Nijhoffs Auffassung, wenn er Heine als den Verfechter der Freiheit, der hohen Menschheitsinteressen darstellt. 328) Busken Huet betrachtet ihn als den Befreier, der ein in der Furcht der deutschen Philosophen erzogenes und dadurch im Wahn einer eingebildeten Allwissenheit eingeduseltes Geschlecht aus dem Traum wachgerüttelt und ihm damit grosse Dienste erwiesen habe.32B) Gelegentlich wird auch wohl an erster Stelle das Negative, Niederreissende in Heines Wirkung hervorgehoben, so von Bruijn, der das 19. Jahrhundert vor allem als eine Zeit der Auflösung und Verneinung auffasst und Heine als den Sanger dieser Zersetzungsperiode; 330) doch gleichzeitig wird, ohne dass ein solches Zersetzungswerk Heines geleugnet wird, darauf hingewiesen, wieviel Angriffspunkte die Gesellschaft biete.331) Noch sprechender als diese Ausserungen sind andere, welche bekunden, wie sehr man Heine als Element der eigenen Kulturperiode, der eigenen Entwicklung und des eigenen Kampfes, ja manchmal selbst der eigenen nationalen Verhaltnisse empfand. Heine, sagt z.B. Bijvanck, ist überaus modern; weder die französischen noch deutschen heutigen Dichter betraten bereits das poetische Gebiet, das er übersah. 332) Noch scharfer spricht diese Überzeugung von Heines modernem Charakter aus einem Aufsatz von Vosmaer. „Heine", heisst es hier, „erlebte sechsundfiinfzig Jahre unseres Jahrhunderts; aber auch die übrigen vierundvierzig hat sein vorwartsblickender Geist erfüllt; er wirkte in der ersten Halfte des Jahrhunderts, seine Wirkung aber offenbart sich vor allem in der zweiten." Und weiter: „Heine ist die Widerspiegelung unseres religiösen Zweifels und unserer poetischen Religion, unserer Poesie und unserer Liebe." 333) Bereits einige Jahrzehnte früher empfand Bruijn Ahnliches, als er Heines Lied, die Widerspiegelung aller HofFnungen, Seufzer und Zweifel des Jahrhunderts nannte. 334) Der Skeptiker Busken Huet sah in Heine den dichterischen Zweifel seiner Zeit in Person auftreten33S) und fühlte sich mit seinen Zeitgenossen durch Heine von den Schreckbildern der Metaphysik erlöst. 336) Nijhoff hielt den beschrankten Philistern, deren er auch im damaligen Holland eine stattliche Schar erblickte und die in ihrem Dünkel die Weltratsel gelost zu haben meinten, den Spiegel Heinescher Gesellschafts- und Sittenkritik vor; je mehr sie darin sich selbst erkennen würden, um so eher glaubte er das Herannahen neuer, besserer Zustande in der Gesellschaft und das Verschwinden des herrschenden Pharisaertums erwarten zu dürfen. 337) Für sie alle, Bruijn und Bijvanck, Huet und Nijhoff gilt Vosmaers Wort: „Heine ist ein Faktor in unserer Kulturentwicklung und man hat sich mit ihm auseinanderzusetzen." 338) Gleiches galt für die damaligen religiösen Richtungen. Die Zeitschrift Los en Vast, Vertreterin des Modernismus in der Theologie, steilte 1866 fest, dass die Auffassung vom Christentum die Heinrich Heine seinerzeit für eigene Rechnung ausgegeben habe, stets mehr in den Vordergrund trete. Ein Pierson und Huet seien in ihren religiösen Auffassungen eines Sinnes mit Heine und dieser habe insofern recht, als der stets mehr aufkommende Materialismus der Zeit dem kranklichen, unpraktischen Christentum zuzuschreiben sei. 339) Wenige Jahre spater wieder zitiert die gleiche Zeitschrift zustimmend Heinesche Aussprüche aus Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland über die ungeheuern Opfer, die der Versuch zur Verwirklichung des Christentums die Menschheit gekostet habe. „Es liegt Wahrheit in Heines Worten," heisst es dort weiter, „wenn er feststellt, dass die Menschheit praktisch geworden ist, dass sie jetzt dem irdischen Nützlichkeitssystem huldigt." Indessen begleitete diese Richtung Heine nur zur Halfte, da sie an die Stelle von dessen Maszstab flachen Erfahrungswissens die tiefere Erfahrung höherer Sehnsüchte, Nöte und Bedürfnisse treten lassen wollte. 340) So ausserte sich das Verhaltnis des theologischen Modernismus zu Heine als Zustimmung im Negativen, Ablehnung im Positiven. Rückhaltlos aber bekannte sich die Zeitschrift De Dageraad zu ihm. Als ihren Zweck nannte sie die Verbreitung der Wahrheit und der Aufklarung im Sinne der vernünftigen Religion und Sittenlehre.M1) Ihr Jahrgang 1865 brachte einen begeisterten Aufsatz über Heine, in dem es u.a. heisst: „Bei Heine findet sich eine Gottesleugnung, die das Herz erhebt: es ist die Verneinung des kirchlich-dogmatischen Gottes Für die Geistlichkeit ist er der leibhaftige Teufel, wahrend es sich immer mehr herausstellen wird, dass er erstens Weltbürger ist und deshalb auch hier im gastfreundlichen Holland kein Fremdling sein darf, zum anderen aber, dass er der Prophet der Zukunft ist." 342) Heines Geist soll auch Holland zum Weltbürgertum vorbereiten und sich über das Land ergiessen, das einen dauerhaften Ersatz für den kalten Supernaturalismus so nötig habe. 343) Ins Lager der Dageraadmanner gehorte auch der schon erwahnte Aramaldi. Er übersetzte die Harzreise für ihre Zeitschrift. In der Einleitung verstieg er sich zu folgendem Ausruf an seine Leser: „So wie die Christen den Namen Jesu verehren, so wir den dieses grossen deutschen Liederdichters.... Sobald ihr Heine lest, lasst ihr allmahlich euere Litaneien fahren, wendet ihr euch allmahlich einem höheren Wesen als der Kirche zu." 344) Bisher war hier eine Reihe der verschiedensten Geister zu Worte gekommen, die j edoch dar in übereinstimmten, dass sie samtlich Representanten der fortschrittlichen Strömungen der Zeit sind, sei es dass sie gemassigt oder radikal, mehr politisch, religiös oder humanistisch eingestellt waren. Ihnen gegenüber standen die Vertreter der Gegenströmung, all diejenigen, welche die neueste Entwicklung im Vaterland mit Schrecken und Besorgnis ansahen und in Da Costas Gefolge entschieden den Geist des Jahrhunderts in seinen verschiedensten Offenbarungen bekampften. Nun nahmen die Vertreter jenes Zeitgeistes Heine für ihre Grundsatze, Ideale und Erwartungen in Anspruch, verehrten und bewunderten ihn und schwarmten ihn an. Es war also nur selbstverstandlich, dass diejenigen, die von den entgegengesetzten Voraussetzungen her an Heine herantraten, die Konservativen, die Orthodoxen, die Anhanger des Althergebrachten ihn ablehnten. Nicht weniger selbstverstandlich war, dass dabei am lautesten die Stimmen derer klangen, die mehr oder weniger als Vertreter des „Reveil", des eigentlichen Nahrbodens der anti-fortschrittlichen Krafte gelten können. An ihrer Spitze stand Da Costa. Als er im Revolutionsjahr 1848 Umschau in Europa hielt und mit feurigen Bannflüchen um sich warf, bekam auch Heine seinen Teil. 345) C. P. Tiele, der im gleichen Lager stand, steilte wie spater auch Busken Huet, in einem Aufsatz Heine und Da Costa, den deutschen und den hollandischen Juden, einander gegenüber und dabei kam Heine selbstverstandlich schlecht weg. Tiele warf dabei Heine einen glühenden Hass gegen das Christentum vor, Mangel an jeder Überzeugung, an Glauben und Liebe. Von allen Dingen spreche er nur mit einem Mephisto-Lacheln, verbreite wie kein Zweiter Matenalismus, Unsauberkeit, Weichlichkeit und Unwahrhaftigkeit in der Welt, und zwar gerade durch seine genialen Gedichte. 346) Aus gleicher Sphare stammt ein Nachruf in der Zeitschrift De Tijdspiegel, der dem Verstorbenen seine Spottlust und seinen Unglauben vorwirft. 347) Besonders sind es Heines Pantheismus und die von ihm gepredigte „Emanzipation des Fleisches", die im Lager der Orthodoxie lebhaftem Widerspruch begegnen. J. A. Bientjes spricht von Heines „Schlaraffenlandmoral", und macht sich über die göttlichen Gedanken des Erlösers Heinrich Heine lustig. 348) Er verwirft dessen Grundsatze, die nicht wie die christlichen dem Lauf der Jahrhunderte standhielten, und stellt ihnen als Ideal die christliche Religion gegenüber. 349) Der von Strodtmann herausgegebene Nachlass veranlasste die konservativen Vaderlandsche Letteroefeningen dazu, Heine Spott mit dem Heiligen, Geringschatzung der Rehgion,3S0) falsche Vernunft, Gotteslasterung und Verletzung des Anstandes vorzuwerfen. M1) Mit der Erwahnung dieser Ausserungen gelangen wir von dem Gebiet der Rehgion auf das der allgemeinen Moral. In deren Bereich finden wir Bemerkungen wie die des Tijdspiegel, etwas mehr Ehrfurcht und Dankbarkeit hatten Heine nicht geschadet. 352) Kneppelhout schrieb in einem Briefe, er habe selbst den verderblichen Einfluss Heines erfahren; deshalb warne er davor, dessen Bücher noch zur Hand zu nehmen, sie seien die Pest für jedermann, nahmen einem den Glauben an alle Dinge und erweckten die Überzeugung, dass alles, Eltern, Vaterlandshebe, Gemürsleben, Kunst, nicht der Mühe wert sei.353) Kneppelhout richtete diesen Brief an seinen jungen Freund, den frühverstorbenen Maler Bilders. Er beweist, dass auch der Kampf der Generationen in den Streit um Heine hineinspielte, wobei der Dichter den Alten als der verderbüche, den Jungen als der segensreiche Vertreter des Neuen erschien. Wir sehen somit, dass Holland in der Zeit von etwa 1850 bis 1885 auf das intensivste von der weltanschauhchen Seite her an Heine herantrat. In dem damaligen Urteil über den deutschen Schriftsteller aussert sich die Stellungnahme zur grossen Streitfrage der Zeit, dem Kampf zwischen Orthodoxie, Modernismus und Atheismus, zwischen Konvention und Auflehnung, zwischen dem Konservatismus und dem ungestüm vordringenden Geiste der Erneuung. Dass an dem Ringen einer Generation die Gestalt Heinrich Heines derart beteiligt war, ist eine Erscheinung, die weder in Frankreich noch in England zu beobachten ist. In ihr findet der oben erwahnte subjektive Charakter des damaligen hollandischen Heineschrifttums seine Erklarung. Man könnte sich nun die Frage stellen, ob Heine denn auch tatsachlich im Kampf der Geister zu jener Zeit ein treibendes Element von entscheidender Bedeutung gewesen ist, oder ob sich dieser Kampf letzten Endes auch ohne Heine auf ahnlichen Bahnen mit gleichem Ergebnis abgespielt hatte. Indessen erscheint uns diese Frage als nicht besonders wichtig, übrigens auch gar nicht zu entscheiden, denn ein Mann des Geistes, sei er Dichter, Prophet oder sonst etwas, ist kein Alexander oder Napoleon, dessen Taten, Einflüsse und Entscheidungen, eindeutig und unverrückbar in die Weltgeschichte eingegraben sind. Die Wirkung der nur geistigen Menschen ist wie ein Strom, der sich im Meer der Menschheit verhert, ohne dass wir hinterher genau sagen könnten, welcher Art und wie gross sein verandernder Einfluss gewesen ist. Darum können wir auch im vorliegenden Falie über Heine nur sagen, dass seine Gestalt seinen hollandischen Zeitgenossen und der ihr folgenden Generation Ausdruck und Faust im Kampfe um die entscheidenden Fragen der Epoche gewesen ist. Der Dichter Was Heine in seiner Eigenschaft als Dichter anbetrifft, so stand er in Holland durchweg in höchstem Ansehen. Sowohl aus alterer wie aus neuerer Zeit besitzen wir dafür Belege in reicher Zahl. An erster Stelle stehen hier die indirekten Zeugnisse, z.B. die eindringliche Art und Weise, wie sich das hollandische gebildete Publikum, besonders viele hollandische Kulturtrager innerhalb eines bestimmten Zeitabschnitts mit Heine beschaftigten. Gewiss bekundete sich darin an erster Stelle das Interesse für denjenigen Heine, den wir auf den vorigen Seiten zu schildern suchten; dass aber darin auch ein gutes Stück Bewunderung für den Dichter steckte, darf von vornherein als sicher gelten, findet übrigens auch seine Bestatigung in den direkten Zeugnissen. „Er war eines der glanzendsten Lichter am Himmel von Deutschlands Literatur", heisst es von ihm bei Bakhuizen van den Brink, 354) Bereits wenige Monate zuvor hatte der gleiche Kritiker in einem kurzen Nachruf Heines Tod als einen schweren Schlag für das Schrifttum im allgemeinen, für das deutsche Schrifttum im besondern bezeichnet. 355) Nun kam er ausführlicher auf ihn zurück in einem Aufsatz, in dem er vor allem seine Bewunderung für Heine als Meister der Form Ausdruck verlieh. 358) Den grössten Dichter unserer Tage nennt ihn Lodewijk Mulder in der Zeitschrift De Neder landsche Spectator. 3W) P. Bruijn spricht von der Unsterblichkeit seines Dichternamens 358) und nennt ihn als Lyriker den nachsten Erben Goethes. 358) Den Zauber seiner unsterblichen Lieder, die alle bisherige deutsche Lyrik übertrafen und eine unerschöpfliche Quelle dichterischen Trostes spendeten, rülimt Nijhoff. 360) Busken Huet sagt von ihm: „Es war ein Dichter echten Schlages, der sowohl die reinste Empfindung und die fröhlichsten Stimmungen als auch die ursprünglichsten und erhabensten Gedanken in Worten ausdrückte, deren gepflegte Anmut nur ihrer Einfachheit gleichkommt."361) Nicht anders lauten die Stimmen aus spaterer Zeit, da sich mit dem Auftreten der „Tachtigers" Hollands Schrifttum und Kritik wieder auf den Höhestand des Auslandes erhoben hatten. Heines geniales Können bezeugt auch Bijvanck. 362) Kloos, der wohl wie kein Zweiter als reprasentativ für die Kritik seiner Epoche gelten darf, rühmt die schonen, tiefergreifenden Gedichte, 383) deren Verfasser er den Rang eines bleibenden Welttalents zuerkennt. 364) Van Suchtelen, der Vertreter einer die „Tachtigers" ablösenden Richtung, bewimdert „die furstlichen Balladen der Nordsee, jenes wunderbar hinreissenden Zyklus" und „die süssen oder herben Liebeslieder."36S) Doch nicht stets wurde in Holland der gleiche Dichter Heine geliebt, bewundert und zum Gegenstand der Beurteüung gemacht. Die verschiedenartige literarische Einstellung der Generationen und verschiedenartige Literaturbetrachtung sah Heine in zweierlei Gestalt, und zwar wurde er vor etwa 1880 in wesentlich anderer Beleuchtung gesehen als danach. Betrachten wir zunachst des Dichters Gestalt, so wie sie der Generation zwischen 1850 und 1880 erschien. Wie schon erwahnt, war dies eine Zeit, in der die Heinebewunderung 73 besonders dem Studentenleben ihren Stempel aufdrückte. Wie P. Bruijn 1866 bemerkte, war Heine damals von allen europaischen Dichtern der letzten fünfundzwanzig Jahre der gefeiertste, volkstümlichste und das Buch der Lieder das Gesangbuch des jungen Hollands. 366) Die Jugend war, nach te Winkels Wort, durch die Klange von Heines hinreissender Lyrik berauscht. 367) Bereits aus diesen Ausserungen ist unschwer darauf zu schliessen, was Heine dieser Generation und namentlich der Jugend war: der romantische Dichter der Liebe, der Schwarmer mit seinen süss dahinfliessenden, empfindsamen Liedern, der Dichter des Buches der Lieder, eben der frühe Heine. Dieser gab einer Generation, der die zeitgenössische heimatüche Lyrik mit ihrer hausbackenen Trockenheit herzhch wenig zu bieten hatte, in ihrer romantischen Schwarmerei die dichterische Erfüllung. Heines Macht über diese Generation wird uns nicht zum wenigsten durch die scharfen Ausserungen derer deutlich, die aus irgendwelchen Gründen der Heineschwarmerei ihrer Zeit entgegentraten. Rief doch S. Gorter mit Bezug auf Heine aus, um ein Dichter zu sein und die göttliche Gabe zu ehren, sei mehr nötig als in wohltönenden, schön dahinfliessenden, gutgereimten Strophen gewissen, vor allem nicht gar zu bestimmten Gefühlen ein wenig Luft (jedoch kein Licht) zu verschaffen. 368) Bientjes verschrie Heine als einen Gaukler mit Worten, Phrasen, poetischen Zeilen und Bildern, der wie so viele gar laut über seinen Liebeskummer geschrieen habe. 369) Ein zweites noch umfassenderes Zeugnis über den hollandischen Heineaspekt jener Jahre stellen die bereits früher erwahnten Heineübersetzungen dar, 370) die sich auch nur der romantischen Seite von des Dichters Schaffen 'zuwandten. Die meisten der übersetzten Gedichte stammen namlich aus dem Buch der Lieder und den Neuen Gedichten, besonders aus dem Lyrischen Intermezzo, der Heimkehr und dem Neuen Frühling, also aus Heines Frühzeit. In diesen Werken des romantischen Traumers und Schwarmers gaben die Übersetzer die dahinfliessenden Melodien der Liebe in allen ihren Phasen.371) Die Zeit nach 1880 wertet den Dichter anders. Negativ wird dies deutlich, wenn Heine seit etwa 1880 in stets geringerem Masse der volkstümliche, vielgelesene und zur Nachahmung reizende Dichter ist. Ein natürliches Abflauen im Interesse des Publikums, ein unvermeidliches Verschwinden aus der Sphare der Zeitgemassheit aussert sich darin. Jedoch zugleich ist auf der positiven Seite eine andere, wesentlichere Erfassung von Werk und Person des Dichters zu verzeichnen. Das brachte Rloos zum Ausdruck in dem Aufsatz, den er seiner Auswahl Heinescher Gedichte 372) voranschickte. Die Gedichte, für die ein früheres Geschlecht geschwarmt habe, die schonen bunten Seifenblasen, die der Dichter in seiner Jugend geblasen habe, als er geistig noch ein Knabe gewesen sei, 373) die Verse, die nur eine anziehende Lektüre für emanzipierte junge Madchen und lustige Studenten bildeten, 374) lehnt er ab. Nicht den popularen Verseschmied, sondern den grossen, starken, wahrhaften Dichter, der Heine sein Leben lang gewesen sei, will er seine Leser kennen lernen lassen. Aus dem Buch der Lieder bringt er nur wenig. Um so reicher sind derRomanzero und die Lyrik aus den letzten Jahren vertreten, jene erschütternd schonen Gedichte, aus denen der wirkliche, der unsterbliche Heine spreche. 376) Diese veranderte, tiefere Erfassung Heines stellt nicht etwas Vereinzeltes dar. Sie weist darauf hin, wie sich in Holland die Poesie inzwischen weiter entwickelt hatte, wie die Dichtung dieser Zeit gereift war. Mit dem niederlandischen Gesamtschrifttum war aber auch die literarische Kritik auf einen unvergleichlich höheren Stand gelangt. Einer ihrer ausgepragtesten Vertreter war eben Willem Kloos, dessen oben ausgefiihrte Anschauung über Heine reprasentativ für das Heinebild dieser Epoche überhaupt ist. Zusammenfassend können wir sagen, dass im Nebeneinander wie auch im Nacheinander der Heinekritik in Holland, gerade so wie in anderen Landern, eine Vielgestaltigkeit der Aspekte des Dichters zu Tage tritt, deren Grundlage wir überall in der widerspruchsreichen Vielgestaltigkeit Heinrich Heines selbst zu suchen haben. Der moderne Mensch „Ist Heine noch zeitgemass?" fragte 1918 van Suchtelen, 377) und dieser Frage liess er selbst eine entschieden bejahende Antwort folgen: „Ich bleibe bei meiner Überzeugung, dass Heines Geist, wie sehr auch sein Werk aus der literarischen Mode geraten sein mag, im tieferen Untergrunde der Kultur nicht weniger tatig weiterlebt als vor einem halben Jahrhundert." 378) Auch von anderer Seite wird der überzeitliche, auch für unsere Zeit bedeutungsvolle Charakter von Heines Werken festgestellt. So rechnet ihn ein Aufsatz im Nieuwe Gids zu denjenigen Gestalten des Weltschrifttums, die derart die Zeit beherrschen, dass immer wieder Bücher über sie erscheinen können. Ein universeller Schriftsteller heisst er im gleichen Artikel. 379) Und Fischer schrieb: „Die Erlebnisse seiner Poesie haben einen überpersönlichen, einen welthistorischen Wert." 38°) Wenn demnach Heine auch unserer Zeit etwas zu sagen hat, so erblickt auch sie ihn teilweise von den gleichen Gesichtspunkten her wie bereits die vorgegangene Generation. Wenn er als Bekampfer aller Auswüchse und Krebsschaden des alten deutsch-chauvinistischen Geistes, ein anderes Mal als der brave Soldat im Freiheitskriege der Menschheit, 382) als der furchtlose Vorfechter für Geistesfreiheit dargestellt wird, 383) so schliesst sich das alles an die frühere Anschauungsweise an und mag daher hier unberücksichtigt bleiben. Daneben aber wachst von den verschiedensten Seiten des hollandischen Heineschrifttums her ein tatsachlich neues Heinebild empor, das zugleich feiner gemeisselt und scharfer umrissen ist, zugleich gründlicher und organischer. Man sucht Heines wirkliche Stellung zu den Machten, Ideen und Problemen seiner Zeit und der unsrigen zu ermitteln, man bemüht sich aufs ernstlichste um eine wirkliche Erfassung seiner reich gegliederten, wenn auch widerspruchsvollen Weltanschauung. So wird u.a. nachgewiesen, dass Heine der Idee des Bonapartismus dialektisch gegenüberstand, und damit werden auffallende Widersprüche in seinen Schriften anders als bisher beleuchtet. 384) Eine neue Heinekonzeption tritt uns aus Ras' Dissertation entgegen. Indem der Autor Ludwig Börne als wirksame Gegenfigur Heine gegenüberstellt, schildert er uns letzteren als den Schriftsteller, dessen sozialpolitische Erkenntnis unendljch weiter reiche, als die des anfanglichen blossen Mitkampfers und den nur eine falsche Auffassung als zu einer Partei gehorig betrachten könne. 386) Heine stehe auf einer höheren Warte als auf den Zinnen der damaligen liberalen Partei, er kritisiere die bestehende Gesellschaft schlechtweg; die Politik sei ihm nur ein Mittel, nicht das Ziel selbst, ihm, der die Menschheitsfragen in einem Umfang überbhcke, der den der rein politischen Befreiung weit übertrefFe. Heines Weltanschauung enthalte weltreformatorische Gedanken grossen Stils, er sei ein Seher, in dessen grossartiger Konzeption der Zukunft das eigene reiche Wesen sich widerspiegle. Er wünsche den Sieg einer neuen Religion, des pantheistischen Soziahsmus und sei dieser Überzeugung immer treu geblieben. 387) Hier ist somit neues Material zu einem Heinebilde beigebracht. Als reiner Parteikampfer wird der Dichter hier nicht mehr aufgefasst, wohl freilich als der Vertreter und Verfechter einer bestimmten Idee, namlich des pantheistischen Soziahsmus. Eine solche Gleichsetzung Heinescher Gedanken mit bestimmten, politischen, sozialen oder weltanschaulichen Grundsatzen wird in vielen anderen neueren Heinearbeiten nachdrücklich abgelehnt. „Das Leben war ihm zu weit, zu bunt, zu komisch, zu tragisch, zu tief, als dass es in eine Formel, in eine feste Gruppe von Empfindungen und Handlungen eingesperrt werden könnte," heisst es z.B. 388) „Das Leben des Dichters ist Selbstzweck. Man soll es nicht zum Mittel in einem Kampf auf anderem Niveau herabwürdigen. Heines Leben war erschütternd und betrübend" wird anderswo gesagt.389) Solche Worte leiten zu dem hinüber, was als wesentliches Kennzeichen der neuesten Heinebetrachtung anzusehen ist: die Psychologie der anziehenden Persönlichkeit Heines, der Versuch, ihr Wesen zu bestimmen. So glaubt etwa ein Verfasser, den wirklichen Wert Heines in seiner Persönlichkeit zu erblicken, welche die Dinge in so besonderer Weise widerspiegle. 39°) Bestimmter sagt es Van Suchtelen: infolge seiner subjektiven Gebrochenheit, die sich in inneren Widersprüchen und ausseren Gegensatzlichkeiten bekunde, sei Heines bewegtes Gemüts- und Gedankenleben so erschütternd schön. 39°) In dem „verworrenen" Buch LeGrand habe Heine die seltsam schone Kompliziertheit seiner Persönlichkeit am reichsten offenbart. 392) Und der Nieuwe Gids halt Heines Werke für so anziehend und prophezeit ihnen Unverganglichkeit, weil man in ihnen den Menschen, den Hebenden, leidenden, spöttischen, hassenden, reflektierenden, spontanen, den vielfaltigen schlechtweg interessanten Menschen fühle. 393) Ein Element der modernen Heinevision ist damit berührt: das Bild der ergreifenden, erschütternden, interessanten, und reizvollen Persönlichkeit. Ein zweites Element tritt hinzu, wenn Kloos in Heine den modernen Menschen mit seinem Unglauben und seinem Spott erblickt. 394) Daneben sieht ihn van Suchtelen als den Menschen mit der zerrissenen Seele, dessen tiefstes Gefühl und scharfster Verstand immer wieder mit einander zusammenstossen oder so scheinen. Er erblickt in ihm den Unglücklichen, Einsamen, vom einseitigen Menschen als zwitterhaft verschrieenen, als den werdenden Menschen, den Vorschatten des wahrhaft vollkommenen doppelseitigen Zukunftsmenschen. 395) Gerade in jener widerspruchsvollen Wesensbeschaffenheit erbhckt ein Autor den Grund, um dessen willen sich die vielen Zerrissenen zu Heine hingezogen fuhlen. 396) „Heine," so heisst es in einer anderen Schrift, „ist einer der Anführer jener Schar, die, indem sie die Arbeit des 18. Jahrhunderts fortsetzen, das Leben der Persönlichkeit zur vollen Entfaltung brachten, so dass es dem Menschen genügt. Die Empfindingen und Gedanken des heutigen Geistesmenschen im engern Sinn, des Allempfindenden, Allverstehenden, dessen, der alles bezweifelt und alles erhofFt, sie sind in jener Arbeit gestaltet worden." 397) An wiederum anderer Stelle wird er als der zur Disharmonie vorbestimmte, erste betont moderne Mensch bezeichnet. Ihn völlig zu verstehen, ihm nachzufühlen sei deshalb erst das zweifelhafte Vorrecht unsrer kompasslosen Tage, erst sie hatten das grelle Licht hervorgebracht, in dem man diese problematische Erscheinung in ihrer wirklichen Gestalt erblicken könne; seit 1914 erst seien wir „heinereif" geworden." 398) Zur Anschauung der farbigen, interessanten Persönlichkeit tritt damit als Erganzung der Aspekt der zerrissenen, steuerlosen. Dies, zusammen mit den übrigen hier erwahnten Zügen, liefert das Bild des modernen Menschen, der in der wogenden, widerspruchsvollen und unausgeglichenen Gestalt Heines, des Verzweifelten und Hoffenden, des Gefahrdeten und Wagenden, sich selbst erkennt. Wiederum sehen wir, wie Heine bei allen Vólkern an den rein menschlichen Dingen rührt, wenn wir erblicken, wie auch Holland sich mit Heine in dem weiten Bezirk der europaischen und menschheitlichen Problematik begegnet. ZUSAMMENFASSUNG Wir versuchten, die verschiedenen Aspekte Heinrich Heines zu schildern, wie sie sich wahrend eines Jahrhunderts aus der Kritik der Generationen dreier Völker herauskristallisierten. Dabei wurde diese Darstellung dem vielgestaltigen Wesen unseres Dichters sicherhch nur zum Teil gerecht. War doch von vornherein die Möglichkeit ausgeschlossen, all das, was drei Lander an Heinebeurteilung wahrend eines Jahrhunderts hervorbrachten, vollstandig wiederzugeben. Daher ergab sich als günstigste Lösung der Versuch, unter Weglassung des Unwesentiichen, manchmal auch unter Verzicht auf Bedeutsames, die entscheidenden Züge in kraftiger, zuweilen einseitiger Beleuchtung hervortreten zu lassen. Hierbei ergab sich eine solche Fülle von Stoff aus den drei hier behandelten Landern, dass sie zu einer abschliessenden Zusammenfassung anregt, ja eine solche selbst fordert. So wollen wir denn zusammenfassend zunachst die Kritik über Heine betrachten, sodann Inhalt und Wesen des Kampfes um Heine, und schliesslich das Bild des Dichters, das uns aus all dem emporsteigt. Bedingtheit der Urteilsbildung Mit einem sehr bezeichnenden Zitat aus Atkins' Heinebuch mogen wir hier beginnen. „Die Deutschen haben ihren eigenen Shakespeare, und die Gestalt, in der sie ihn erblicken, ist in mancher Hinsicht von unserer Anschauungsweise verschieden. Auf gleiche Weise können wir unseren eigenen Heine beanspruchen."3") In diesen Worten kommt deutlich der Gedanke der Abhangigkeit der Heinebewertung vom nationalen Entstehungsmilieu zum Ausdruck, ein Gedanke, auf den wir bereits hingewiesen hatten. In weiterem Sinne hiesse das, dass die Gesamtheit der biologischen und sozialen Faktoren die geistigen Ausserungen beeinflussen, das Individuum in diesen Ausserungen daher seine Bedingtheit zum Ausdruck bringt und jede Darstellung daher mehr oder weniger Selbstdarstellung ist. Wie besonders Kritik auf solche Weise bedingt ist, wird gerade am Heineproblem deutlich. Was in dieser Richtung fiir England gilt, lasst sich auch von Frankreich und Holland sagen, zunachst einmal, soweit es sich um Umfang und Bedeutung der jeweiligen Kritik handelt. Die französische Heinekritik ist qualitativ wie quantitativ der der beiden anderen Lander überlegen. Dass sich darin u.a. des Dichters enge Verbundenheit mit Frankreich ausspricht, ist klar. Heines langjahriger dortiger Aufenthalt, seine Mitarbeit an französischen Zeitschriften, seine enge Fühlung mit zahlreichen führenden Persönhchkeiten Frankreichs, schliesslich der Einfluss, den er bis über die Jahrhundertwende hinaus auf die französische Lyrik ausübte, seine Stellungnahme zur französisch-deutschen Frage: das alles sind Umstande, die dort eine ganz besonders gründliche und vielseitige Beschaftigung mit Heines Gestalt herausforderten und begünstigten. Neben dieser allgemeinen Situation gibt es noch Sonderfaktoren, die sich in der französischen Heinekritik auswirken und dazu beitragen, ihr typisch französische Züge zu verleihen. Zunachst der Antisemitismus. Im Gegensatz zu England und Holland, die bis auf wenige begrenzte Ansatze in jüngster Zeit davon frei waren, hat diese Erscheinung jedenfalls wahrend eines bestimmten Zeitabschnitts in Frankreich eine Rolle gespielt. U.a. aussert sich dies in ausgesprochen antisemitischen Schriften über Heine, daneben aber auch in einem allgemeinen Interesse fiir „Heine juif" mit wechselnder Bewertung des Dichters im französischen Heineschrifttum. Auf eine ganz andere Beziehung zwisghen Frankreich und Heine verweist ein Werk wie Henri Lichtenbergers Heine Penseur. Wenn dies Buch, das sich besonders eindringlich mit Heines Verhaltnis zum Saint-Simonismus befasst, gerade in Frankreich das Licht erblickte, so erinnert uns das an das spezifisch-französische Geprage dieser sozial-reügiösen Strömung, der Heine zeitweise anhing. Mit England hat es eine andere Bewandtnis. Heines Berührung mit den Briten erschöpft sich in den Liebenswürdigkeiten, die er ihnen sagte. Insoweit die Englander stets wieder mit verzeihendem Humor davon sprechen, würde an und für sich nur ein sympathischer Zug ihres Volkscharakters in ihrer Heinebeurteilung ans Licht treten. Doch das ist es nicht allein; England Hebte Heine, verehrte ihn, war aber sonst unbeteiligt, empfand nicht das Bedürfnis nach tieferer Auseinandersetzung. Der sachliche, kampflose und insofern im Vergleich zur französischen weniger eindringliche und schöpferische Charakter der englischen Kritik kommt darin zum Ausdruck. So wenig wie England trat Holland mit Heine in engere persönliche Fühlung. Indessen zeigt die hollandische Heinekritik wahrend eines bestimmten Zeitabschnitts einen deuthch national bestimmten Charakter. In dem lebhaften Interesse für das Weltanschauliche, besonders das Theologische und Ethische, daneben auch das Politische, in den Debatten hierüber, lasst sich ohne weiteres die etwas schwerfallige hollandische Volksart wiedererkennen, die gar zu gern theologisiert, moralisiert und politisiert. Eine Kritik auf solcher Grundlage musste einen etwas unbestimmten Charakter von innerer Gegensatzlichkeit erhalten; Heines Gestalt selbst wurde dabei manchmal weniger deutlich. Neben dem Langsschnitt der nationalen Charaktere haben wir es jedoch auch mit dem Querschnitt zu tun, in dem die verschiedenen Generationen vor uns erscheinen. So sehen wir etwa die französischen Kritiker von 1830 bis 1845 Heine als Zerstörer des deutschen Idealismus und der deutschen Romantik ablehnen und deshalb in ihm nur das negative Element, das Ebenbüd Voltaires, erblicken. Sie sprechen damit das Empfinden der östlich ausgerichteten, an das Deutschland der Madame de Staël glaubenden französischen Romantik aus. Wie sehr für die letzten Dezennien des neunzehnten Jahrhunderts des Entsprechende güt, wurde bereits erwahnt.400) Wenn sich schliesslich eine Generation, die um die Jahrhundertwende herum Zeuge der Dreyfus-affaire war, mehr als je mit dem jüdischen Element in Heine beschaftigte, ist das abermals eine parallele Erscheinung. Auch wenn in Holland KIEFT, Dissertatie. 6 l bis etwa 1885 der romantische Heine verehrt wurde, danach aber die Bewegung der „Tachtigers" das Bild eines recht anderen Dichters hervorrief, so steilten sich darin zwei verschiedenartig eingestellte Generationen von Kritikern dar. Die politisch-weltanschaulichen Streitigkeiten der Generationen von 1850—'85 über Heine tragen gleichfalls ihr zeitüches Geprage. Und wenn sich in jüngster Zeit in Frankreich und England die Heinebetrachtung vor allem in Form der Biographie aussert, so ist auch dies der Spiegel einer generationsmassig bedingten Einstellung, mit besonderem Interesse am Individuum. Zwischen diesen Erscheinungen und den neueren hollandischen Schriften, die, wenn auch nicht in biographischer Form, gleichfalls vor allem den wesentlichen Einzelmenschen darstellen, lassen sich unschwer Faden ziehen. Wir haben also verschiedentlich festgestellt, dass der Kritiker haufig das Geprage seiner nationalen und zeitlichen Umwelt tragt, dass Nationen und Generationen in ihrer Heinedarstellung bis zu einem gewissen Masse sich selbst darstellen. Einschrankend müssen wir freilich sagen, dass alle nationale Kritik aus zahllosen Einzelkritiken zusammengesetzt ist, die auf ebenso zahllosen Kritikerindividualitaten beruhen. Nur von einer Seite her kann man all diese letzten als Spielarten ihrer nationalen Gesamtart werten; von der anderen Seite her gesehen, sind sie letztlich nicht erklarbare, nicht auflösbare und nicht einzuordnende Naturerscheinungen, wie eben jede menschliche Individualitat. Eine andere Einschrankung der Bedeutung von Nation und Generation für die Urteilsbildung, auch im Falie Heines, kommt von der genau entgegengesetzten Seite her. Steekt doch in der westeuropaischen Kultur des letzten Jahrhunderts soviel Gemeinsames und enthalt doch Heines Erscheinung soviel Allmenschliches, dass ein guter Teil der kritischen Stimmen durch die Generationen hindurch und über die nationalen Grenzen hinweg auf gemeinsamer Grundlage ruht. Der Kampf um Heine Wenn Heine in einer Weise umkampft wurde und noch heute umkampft wird, die weit über dasjenige Mass an Polemik hinausgeht, die um andere Dichter ausgefochten worden ist, so hat das verschiedene tiefliegende Gründe. Zunachst ist deren einer die Tatsache, dass Heine niemals, und gerade der Nachwelt minder und minder, ausschliesslich Dichter, Künstler war, sondern zugleich Politiker, Gesellschaftskritiker, Moralist und, wenn auch unzünftiger, Philosoph, und all das auf der Linie einer Tendenz, die oft auch solche abstiess, welche den Dichter in Heine hochschatzten. Hierzu kommt noch die komplizierte, widerspruchsreiche Struktur von Heines Gedankenwelt, die die Geister im Kampf um ihn noch mehr zu Verteidigung oder Angriff ermuntert. Schliesslich ist als wichtigster Faktor noch Heines jüdische Abkunft zu nennen, ganz gleich, in welchem Masse sie ein objektiv vorhandenes oder subjektiv geglaubtes Element in Heines Person und Schaffen darstellt. Sprechen wir zuerst davon. „Wir stehen hier vor dem wichtigsten, vorlaufig noch fast ungelösten Problem der Heineforschung; es ist die Bedeutung seiner jüdischen Abkunft für seine Persönlichkeit und für sein Schaffen. Wer die Frage zu lösen sucht, muss sich bewusst sein, dass er es keiner Partei recht machen kann." 401) Seitdem Walzel vor einem guten Vierteljahrhundert diesen Satz schrieb, haben ihm inzwischen eingetretene weltgeschichtliche Ereignisse eine ganz andere Akzentuierung, ein weit scharferes Relief gegeben. Gerade deshalb können wir den heutigen Meinungskampf um Heine, den Juden, nur begreifen, wenn wir vom Kampf um den Juden im modernen Abendland überhaupt ausgehen. Das Bild, das man sich vom Juden macht, ist neben nationalen derartig von internationalen Strömungen bestimmt, dass wir zum Schluss unserer Untersuchung ausser den drei behandelten Vólkern Westeuropas noch andere Stimmen hören wollen. Die naturgemass Nachsten, sich hierzu zu aussern, sind einerseits die Deutschen, andrerseits die Nationaljuden, bei welch letzteren wir selbstverstandlich in Betracht ziehen müssen, dass sie nur für sich sprechen, nicht für die Gesamtheit der Abendlander jüdischer Abkunft. Hinsichtlich der Bedeutung der Rasse für das Schaffen geistiger Werte lassen sich heute drei Hauptansichten unter- scheiden.40-) Eine von ihnen ist die, welche das Rassenelement als völlig belanglos für die geistige Zeugung ausschaltet. Dem selbstherrlichen Geiste und der bestimmenden Umwelt gegenüber betxachtet sie den biologischen Faktor als unwesentliche Grosse. Daher lasst sie auch in ihrer Beurteilung Heines das jüdische Element unberücksichtigt. Ihr gegenüber steht diejenige Ansicht, welche Wert und Bedeutung des Menschen allein in seiner rassischen Substanz erblickt. Im heutigen Deutschland hat sich diese Anschauung zum Rassenmythus gesteigert, der die Gesamtheit der Rassen hiërarchisch ordnet, also höher- und minderwertige Rassen unterscheidet und dabei alle kulturschaffenden Krafte für eine nordische Rasse in Anspruch nimmt. Die Juden betrachtet sie als eine unschöpferische und zersetzende Rasse. 403) Von jüdischer Kunst wird geurteilt: „Jüdische ,Kunst' wird niemals persönlicher, aber auch niemals wirklich sachlicher Stil sein, sondern bloss technische Geschicklichkeit und subjektive, auf ausserliche Wirkung ausgehende Mache verraten; meistens mit grobsinnlichen Einschlagen verbunden, wenn nicht ganz und gar auf Unsittlichkeit eingestellt. Jüdische Kunst ist auch fast die einzige, die sich an den Trieb wendet. Sie weckt also weder asthetische Selbstvergessenheit, noch wendet sie sich an den Willen, sondern bloss (im besten Fall) an das technische Urteil oder an subjektive Gefühlserregung. Man sehe sich darauf die jüdischen Künstler an. Angefangen von den bald in Furcht klappernden, bald „in Angst jauchzenden", bald rachegierig schnaubenden Psalmgesangen, über den stöhnenden Gebirol, den lüsternen David ben Selomo bis zum niedertrachtigen Heinrich Heine." 404) Auch wenn Alfred Rosenberg, der Urheber dieser Satze, von dem angeblichen Weltherrschaftstraum der Juden, und von der ihnen zugeschriebenen Wühl- und Zersetzungsarbeit spricht, gipfeln seine Worte in dem Namen Heinrich Heine : „Das jüdische Schmarotzertum als eine zusammengeballte Grosse leitet sich her vom jüdischen Mythos, der vom Gott Jahwe den Gerechten zugesagten Weltherrschaft. Der Charakter der Juden in ihrer zwischenhandlerischen Tatigkeit und Zersetzung fremder Typen ist sich stets gleich geblieben, von Joseph in Agypten bis Rothschild und Rathenau, von Philo über David ben Selomo bis Heine." 405) Für die Glaubigen dieses Rassenmythus liegt die Judenfrage und damit die Heinefrage sehr einfach. Hinsichtlich der deutschen Juden überhaupt heisst die Lösung Rückwerfung ins Ghetto und indirekte Vertreibung; hinsichthch des Schriftstellers Heine ist das Ergebnis dies, dass er aus dem deutschen Schrifttum ausgemerzt und zum alten Eisen geworfen wird. Eine dritte Ansicht in der Rassenfrage vertritt der Zionist Max Brod. Er verbreitet sich darüber zunachst in seiner Heinebiographie,40e) danach in grösserem Zusammenhang in seinem Buche Rassentheorie und Judentum. Ein Stück Weges geht er mit den deutschen Rassentheoretikern zusammen. Er übernimmt Günthers Theorie von der jüdischen Mischrasse, betont aber den, übrigens auch von Günther anerkannten, konstanten Faktor in ihr: „.... auch Günther gibt zu, dass die Juden, wiewohl aus ursprünglich verschiedenen Rassen zusammengesetzt, diese besondere Mischung seit Jahrhunderten konstant erhalten haben. Ob man nun annimmt, dass seit Esra und Nehemia diese Konstanz der Rassenmischung im wesentlichen erhalten geblieben ist oder ob man, wie Günther, die Konstanz erst vom Jahre 1000 n. Chr. an datiert: eine langandauernde, durch eine besondere Ausleserichtung verstarkte Konstanz ist festzustellen." 407) Daneben beruht Brods Heineanschauung auf einem vermittelnden Standpunkt, dem zufolge er sowohl das rassenmassig Bedingte als auch das allen Menschen Gemeinsame anerkennt. Die Verschiedenartigkeit der menschlichen Rassen beziehe sich nach ihm nicht auf die höchsten Daseinswerte wie Wahrheit, Sittlichkeit, Erkenntnis, Ideenschau. Damit halt er den Gedanken der Einheit des Menschengeschlechts, also den der Humanitat, für gegeben. In bezug auf Eigenschaften zweiten Ranges aber, wie Temperament, kriegerische oder friedliche Gesinnung, Ordnungsliebe, technische oder mystischkontemplative Begabung, Natursinn, Musikalitat glaubt er an eine Verschiedenheit der Rassen. 40S) Wer solchen Ansichten huldigt, wird in Heines Judentum einen Faktor anerkennen, der für sein literarisches Schaffen bedeutsam ist. Max Brod geht denn auch hierbei von der Ansicht aus, dass das Volksmassige, Rassenhafte zwar viel, aber nicht alles bedeutet, und versucht so, einen objektiven Überblick über Heines Stellung in Deutschtum und deutschem Schrifttum zu gewinnen. 409) Das Ergebnis hiervon fasst er in einer Anzahl Thesen zusammen. Von einem deutschen Dichter bleibt dabei recht wenig übrig. Heine habe zwar deutsch sein wollen, sei auch, zumindest in einer gewissen Bewusstseinslage, fest davon überzeugt gewesen, deutsch zu sein. Dies Wollen stelle jedoch nur eine Entwicklungsphase in der jüdischen Geschichte dar, gehore organisch in die Entwicklungslinie des Judentums, sei charakteristisch für eine bestimmte historische Situation des europaischen Judentums; für die deutsche Kunst und Kultur sei es nur eine, wenn auch bedeutsame und bereichernde Randerscheinung. Die richtige Haltung des jüdischen Dichters deutscher Zunge zur deutschen Kultur sei die der „Distanzliebe", sie sei die einzig mögliche Haltung des Diasporajuden; Distanz halten aber könne nur, wer selbst auf seinem Platze stehe. Distanzliebe verlange ein Gleichgewicht der Krafte; nur der könne aber dieses Gleichgewicht wahren, der der lockenden Welt der fremden nationalen Kultur sein eigenes sicheres jüdisches Ich entgegensetzen könne. Von solchem Gleichgewicht habe die Zeit Heines nichts ahnen können, da die soeben emanzipierte Judenheit des deutschen Kulturkreises nicht fahig gewesen sei, sofort auch den zweiten entgegengesetzten Schritt der Selbstbesinnung zu tun. Heine selbst stelle den für seine Zeit optimalen Fall jüdischen Volksinstinkts dar, überrage dabei weitaus seine Generation.410) Heine sei daher ein jüdischer Künstler, der in nichtjüdischem Material geschaffen habe. 4U) Soweit Brod, der bis zu einem gewissen Grade damit Heine charakterisiert, mehr aber noch sich selbst und seinesgleichen, die von der antisemitischen Welle künstlich auf ihr Judentum zurückgedrangten Abendlander jüdischer Herkunft, die Nationaljuden. Die Anschauungen, die hier angeführt wurden, betrachten Heine im Zusammenhang der Judenfrage, die Judenfrage wieder im grosseren Zusammenhang der Rassenfrage. Wieder anders sieht das Buch des Grafen Coudenhove-Kalergi 412) die Judenfrage. Eine jüdische Rasse leugnet er. Die Menschen jüdischen Glaubens gehörten sehr verschiedenen Rassen an; zwischen den chinesischen, indischen, abessinischen und europaischen Juden gebe es keine Rassengemeinschaft.413) Bilden sie eine Nation? „Wird Nation als Kulturgemeinschaft definiert, so gehören die französischen Juden der französischen, die deutschen Juden der deutschen Nation an. Wird Nation als Blutsgemeinschaft definiert, so bilden die Juden Europas eine einzige Nation. In diesem Falie bildet aber auch der europaische Hochadel eine Nation, da er unter sich blutsverwandt ist und Ehen/ mit den bürgerlichen Standen vermieden hat. Für Westjudentum und Hochadel ist darum die Definition „europaische Kaste" zutreffender als der Begriff Nation."414) Vor dieser Anschauung kann eine Ansicht, die Heine von seiner jüdischen Abkunft her als Kampfer für jüdische Weltherrschaft oder wurzellosen Kosmopohten deutet, nicht bestehen. Wenn Coudenhove-Kalergi die europaischen Juden als Blutsgemeinschaft gelten lassen will, so würde dies freilich die Annahme gestatten, dass sich im europaischen Judentum arteigene Züge regen, die auch in den Werken des jüdischen Schriftstellers sichtbar werden. Coudenhove-Kalergi selbst aussert sich nicht dazu, doch beruht auf dieser Auffassung die Meinung so vieler französischer und durchweg aller hollandischen und englischen einschlagigen Autoren, wonach der jüdische Einschlag in der Eigenart des jüdischen Schriftstellers eine blosse Komponente darstellt. Wie schwer es ist, die von dieser Komponente herstammenden Züge, das jüdische Geistesgeprage, zu bestimmen, lehren ja die französischen Arbeiten. Nun hatten wir noch von einer letzten Anschauung vom Judentum zu sprechen. Es dürfte die meist verbreitete und volkstümlichste sein.415) Sie beruht nicht auf einer theoretisch aufgestellten Rassenlehre; vielmehr handelt es sich bei ihr um eine instinktmassige, manchmal kaum bewusste Befangenheit in antijüdischen Gefühlen. Der Untergrund dieses popularen Antisemitismus liegt nicht etwa in der bewussten Anschauung, dass die Juden schlechter waren als die anderen, sondern stammt psychologisch von der Tatsache her, dass sie eine I Minderheit sind. Liegt es doch tief im Charakter einer jeden Menschengruppe, eine andersartige Minderheit um dies Anderssein zu verfolgen.416) Geht es um einen jüdischen Dichter, so führt diese Einstellung nicht gerade stets zu einer vollkommenen Ablehnung, wohl aber zu einem überwach kritischen Verhalten ihm gegenüber. Kommt noch hinzu, dass sich der jüdische Künstler so viele Blossen gibt wie Heine, dann sind die Voraussetzungen zur Entstehung einer feindlichen Legende vollends gegeben. Neben der Beurteilung vom jeweiligen Standpunkt zur Rassen- oder Judenfrage gibt es nun aber auch noch eine Art, den individuellen Juden Heine zu sehen.417) Es ist ein Problem für sich, inwieweit dieser Einzelmensch voraussetzbare jüdische Eigenschaften besass. War er Stockjude? Oder hat Henri Lichtenberger recht, wenn er ihn einen stark eingedeutschten Semiten nennt?418) Den Weg zur wissenschaftlichen Lösung wurde von Oskar Walzel vorgezeichnet: „Der nachstliegende, strengwissenschafthche Weg, das eigentünüich Stammhafte von Heines Gesamterscheinung herauszurechnen, ware wohl, wenn die Züge der jüdischen Dichtung vor Heine, die bei ihm wiederkehren, zusammengetragen würden. Leider ist dies bisher noch nicht geschehen, und nur ein guter Kenner der jüdischen Literatur könnte die Aufgabe lösen."419) Vielleicht ist diese Aufgabe nicht einmal ganz so schwer, wie Walzel annimmt. Das Schrifttum des Talmuds, das ja in Übersetzung vorliegt, das des Ghettos und der jüdischen Exilswelt hat mit Heines Ideenwelt und Kunst nichts zu tun. Nie wird man dort etwa die Stimmung der Lorelei oder der Zwei Grenadiere wiederfinden. Dies und tausend andere Dinge bei Heine stammen aus abendlandischem und deutschem Geist. Die bei ihm vorkommenden jüdisch-biblischen Motive haben nichts mit der tausendjahrigen jüdischen Tradition zu tun, die ja bei Heine, bis auf ein paar sentimentale Jugenderinnerungen, vollkommen abgerissen ist. Diese Motive sind ebenso modern wie abendlandisch, entstammen sie doch deutlich — siehe etwa Belsazar — dem Vorbilde eines anderen, des Nichtjuden Byron mit seinen Hebraischen Melodien. Dann Goethe und Platen mit ihren Nachdichtungen morgenlandischer Poesie, vor Heine Herder mit seinen biblischen Übertragungen, nach Heine der deutsche Edelmann Börries von Münchhausen mit seinen jüdischen Liedern. Wohl ist an unbewusst Jüdischem in Heine zu vermerken die scharfe Intellektualitat, die Begabung für Ironie, auch eine gewisse Sentimentalitat und Geschmacklosigkeit mancher modernen Assimilationsjuden. An Bewusstem steht bei ihm, neben einer grossen, unzerstörbaren Liebe zum Deutschtum, eine gewisse Liebe zum Judentum, aber es ist schwer zu entscheiden, inwieweit sie wirklich Liebe oder nur Trotz und Protest gegen Judenfeindschaft ist. Rechnen wir, angeregt durch Walzels Vorschlag zur Feststellung des Jüdischen und Nicht jüdischen in Heine mittels Feststellung und Vergleich des Jüdischen in der Welt überhaupt, als Beispiel Heines früher besprochene Stellung zu den Englandern. Wir erinnern uns, was er ihnen vorwarf: Langeweile, Prosa, interesselose Neugier, usw., und welch ein farbiges, in seiner Art genaues Bild seine Antipathie von dem Englander entwirft. Nun fragen wir uns: ist dies Urteil über die Englander jüdisch, d.h. konnte es ebenso gut von einem jemenitischen, syrischen, marokkanischen oder chinesischen Juden gefühlt werden, von einem hollandischen Juden, von einem englischen Juden? Eine solche Frage gehort zu denjenigen, auf die keine Antwort möglich ist, namlich weil sie diese schon in sich selbst enthalten. Ein orientalischer Jude erblickte damals den Englander seelisch überhaupt nicht aus dieser Nahe, ein hollandischer Jude wird kaum jemals, sei es vom Judentum aus oder von Holland aus, ein solches Urteil fallen, ein engüscher Jude, und fühlte er selbst eine grosse Distanz zum nichtjüdischen Englander, würde nie zu diesem radikal antienglischen Urteil kommen, das aus einer deutlichen Ferne des Standpunkts, einer deutlichen Unbestimmtheit des antipathischen Kontaktes heraus geschrieben ist. Dieses Urteil über die Englander ist eben ein typisch europaisch-festlandisches, im besonderen Sinne ein mitteleuropaisches und ein deutsches Urteil. Die grössere Farbigkeit, Vielfalt, das starkere Künstlertum, die starke Gruppengebundenheit Mitteleuropas und Deutschlands gegenüber dem kühleren, eintönigeren, mehr unkünstlerischen und mehr individualistischen England spricht aus Heines Werturteil mit seiner Klage über Monotonie und Egoismus der Englander. Diese deutsche, gegenüber England mehr östliche Stimmung kann möglicherweise, muss aber nicht notwendigerweise verstarkt sein durch Heines jüdisches, noch mehr östliches Blut, aber ein wesentlicher Faktor — wir sahen es weiter oben — ist es nicht. Wir erkennen : Heines Werturteil über die Englander ist ein deutsches Urteil, ist das Urteil eines Deutschen. Nun ist in dem Streit, der um Heines Person entbrannt ist, die Judenfrage nur ein Element unter vielen. Auch als denkender und handelnder Mensch schlechtweg unter Absehung von allen Fragen nach der Herkunft, ist Heine fortwahrend Zielpunkt für AngrifF und Kritik gewesen. Grillparzer richtete zu Heines Zeit an die Dichter die Warnung, ihre Kunst nicht als Kampfmittel zu gebrauchen, aber eine solche Lehre war nichts für Heine. War ihm doch nach eigenem Zeugnis die Kunst eine Zeidang nicht mehr als eine schone Nebenbeschaftigung. Wahrend seiner gesamten schriftstellerischen Laufbahn hat er den Kampf um die Tagesfragen in sein Werk einbezogen. Seine Schriften haben ja nicht nur einen politischen Gehalt, auch die meisten anderen Fragen der Zeit fanden in ihnen ihren Niederschlag. Dazu kam, dass Heine in jeder dieser Fragen unverzüglich und nachdrücklich Partei ergriff. Damit war er an diesen Fragen stets direkt beteüigt und wurde selbst Gegenstand und haufig genug Zielpunkt im poütischen, sozialen und weltanschaulichen Kampf. Schwerlich würden jedoch Heines Gedanken bis in die jüngste Zeit hinein zu so vielen und so heftigen Kontroversen geführt haben, bezögen sie sich nicht auf Fragen, die das ganze neunzehnte und bisherige zwanzigste Jahrhundert entscheidend beherrscht haben. Zunachst gehort, wie schon früher bemerkt, der Kampf um die Gedanken von 1789 dazu. Dieser war keineswegs auf das Deutschland der Restaurationszeit beschrankt. Die Ereignisse des Jahres 1848, der weitere Kampf gegen den Absolutismus, der Umsturz von 1918, der den endgültigen Sieg jener Gedanken auch den Deutschen zu bringen schien, der Umbruch vom Jahre 1933, der die Entwicklung von mehr als einem Jahrhundert revidieren will, das alles sind Abschnitte im Kampf für und gegen die Verwirklichung der französischen Revolutionsgedanken. Daran beteiligte sich Heine intensiv und wurde so Gegenstand, vielleicht sogar ein Höhepunkt in einem Kampf zwischen einer Bewegung und ihrer Reaktion, der das heutige Europa in zwei feindliche Lager zu spalten droht. Nicht anders liegen die Verhaltnisse auf dem Gebiete der sozialen Frage. Das Geschlecht, dem Heine angehörte, war vorwiegend politisch eingestellt. Heine jedoch, wie er auch sonst als Denker dastehen moge, erkannte überraschend früh die Bedeutung der sozialen Frage.420) Er nahm entschieden Stellung zu ihr und wurde dadurch auch in den Kampf um diese Frage hineingezogen, die weit über seine eigene Zeit hinausreichte. Doch noch auf einem dritten Gebiete tobt der Streit um Heine, namlich dort, wo dieser ein Führer zu neuen Formen des religiösen und sittlichen Lebens sein will. Hierin erblickt der eine einen systemlosen Nihilismus, ein anderer betrachtet des Dichters Haltung als Kampf für einen pantheistischen Sozialismus, einen Kampf, der sein ganzes Leben durchzieht. Ein Dritter wirft ihm die Verkündigung einer Schlaraffenmoral vor, ein Vierter sieht in ihm den Anbeter unserer lieben Frau der Venus von Milo, ein Fünfter wiederum den Bekampfer von Stumpfheit und Schwere, satter Tugend und zahlungsfahiger Moral. So bietet die Auslegung Heines, seine daran geknüpfte Bewertung und der Streit um beides ein wirres, buntes Bild, und noch ist ein Ende des Streites nicht abzusehen — heute minder denn je. Noch umstrittener vielleicht ist Heine in seinem Verhaltnis zu Deutschland und Frankreich. Auch hier geriet er in einen Konflikt, der seine eigene Zeit weit überdauern sollte. Das Verhaltnis zwischen Deutschtum und Franzosentum hatte seit den französischen Revolutionsjahren ein wesentlich anderes Geprage als in den vorangegangenen Jahrhunderten erhalten. Die Hauptkulturströmung, die in früheren Jahrhunderten hauptsachlich von Westen nach Osten gerichtet war, nahm nun zum Teil einen umgekehrten Verlauf. Dazu kam eine Kontroverse auf politisch-weltanschaulichem Gebiet. Trotz napoleonischem Despotismus, trotz Wiederauferstehung der Bourbonen war Frankreich der Errungenschaften der grossen Revolution nicht verlustig gegangen. Damit war der Grund zu einem standigen latenten Konflikt zwischen einem grossen, jedenfalls dem vorherrschenden Teil des Deutschtums und Frankreich gegeben. Frankreich war und blieb in Deutschland die Verkörperung der Schreckenslehre von der Volkssouveranitat. Als solches war und blieb es bis zum heutigen Tag ein Gegenstand des Hasses. In erster Linie standen dabei die Machttrager in den beiden deutschen Groszstaaten Österreich und Preussen. Anfanglich hatte Österreichs Staatskanzler Metternich die Leitung in diesem Kampf gegen die französischen Lehren und ihre Wirkung auf Deutschland. Doch auf die Dauer löste das erstarkende Preussen den altersschwachen Kaiserstaat ab und übernahm selbst die Führung im Kampf gegen die französischen Lehrsatze. Auf diese Weise entstand ein offener politisch-weltanschaulicher Gegensatz zwischen Frankreich und Preussen. Parallel hierzu trieb die historische Entwicklung auch auf anderem Gebiete einem Konflikt zwischen den beiden Vólkern zu. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation war den Stürmen der napoleonischen Ara erlegen. Dass es 1815 in der klaglichen Gestalt des Deutschen Bundes eine Art Wiedergeburt erlebte, hatte für das deutsche Einheitsideal nur sehr bedingten Wert. Von ganz anderer Seite her verwirklichte sich dies: ein neues deutsches Reich kristallisierte sich allmahlich um das aufstrebende Preussen herum. Diese neue deutsche Grossmacht unter preus'sischer Vorherrschaft stiess auf ihrem Vormarsch alsbald auf französische Machtinteressen. So war auch von dieser Seite her die Voraussetzung zu einem deutschfranzösischen Konflikt geschaffen, der über 1870—'71 und Revanchismus zum Weltkrieg führte und stets noch nicht seinen Abschluss erreicht haben dürfte. All diese Elemente, die dem Verhaltnis der beiden Machte seit der französischen Revolution ein neues Geprage auf- drücken, die von Ost nach West gerichtete allgemeine Kulturströmung an erster, der weltanschaulich-politische Konflikt an zweiter, der machtpolitische Konflikt zwischen Frankreich und Preussen-Deutschland an dritter Stelle, all das begegnet sich in Heinrich Heines Erscheinung. Das kulturelle Element aussert sich zunachst in der Art des Empfangs, den man Heine bei seiner Ankunft in Frankreich bereitet. Sie ist nicht zuletzt der Ausrichtung der damaügen literarischen Welt Frankreichs nach Osten zuzuschreiben. Wie sich Heine weiterhin als Vermittler zwischen dem Kulturgut beider Völker fühlte, wurde bereits gesagt. Handgreiflicher jedoch gewann das politisch-weltanschauliche Element in Heine Gestalt. Er war, konnte wenigstens eine Zeitlang dafür gelten, Exponent und Verfechter des vormarzlichen LiberaHsmus. Diese deutsche liberale Opposition fusste auf den Gedanken von 1789, die sie, wenn auch im allzu heiteren Glanz der Entfernung, im Nachbarland verwirklicht sah. Sie war deshalb franzosenfreundlich, holte sich ihre geistigen Waffen und Ziele im Kampf gegen die deutsche Reaktion von jenseits des Rheines. Dass Heine nicht nur Liberaler, dass er auch Sohn des Rheinlandes und Jude war und von da her zum begeisterten Verkünder der stets mehr aufblühenden Napoleonlegende wurde, betonte noch seine Stellung zwischen den Machten. Besonders wirksam wurde Heine als geistiger Exponent des französisch-deutschen Verhaltnisses auf dem Gebiete der Machtpolitik. Die Übersiedlung nach Paris schuf dazu die wesentliche Voraussetzung. Sie erweckte in Heine den Beruf, zwang ihn wohl auch aus materiellen Rücksichten, in seinen Korrespondenzen und Schriften stets aufs neue den deutschfranzösischen Fragenkomplex überhaupt, die deutsch-französische Machtfrage im besondern zu behandeln. Heines exponierte Lage in allerhand Fragen, den politischen und sozialen, den weltanschaulichen und künstlerischen, ferner seine Stellung zwischen den Machten verführte seine Kritiker öfters dazu, dies alles in ihrer Beurteilung zu vermengen. Zu einer rein sachlichen Betrachtung von Heines Werk konnte dies naturgemass nicht führen. Stets musste alsdann des Kritikers eigener Standpunkt von massgebender Bedeutung werden. Sicherlich machte Heine es seinen Beurteilern nicht gerade leicht. Saint-René Taillandier spricht einmal von dem ungreifbaren Heinrich Heine, 421) und an anderer Stelle meint er, jener habe seine Freude daran, die Kritik auf Irrwege zu ■■-fübreji. 422) Philarète Chasles schreibt von Heine, bei dessen antithetischer Gedankenwelt sei es ein leichtes, darüber tonende Phrasen zu aussern. 423) Und Mauclair aussert sich ausführlich darüber, wie sehr Heines Werke infolge der ihnen innewohnenden Widersprüche stets für den einen wie für den anderen Standpunkt in Anspruch genommen werden könnten. 424) Demnach geht auch aus Heine selbst die Heinepolemik samt ihrer Ausdehnung und Heftigkeit hervor. Wie wir bereits sahen, machten gewisse französische Forscher Ende des neunzehnten und Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts Heine und sein Werk zum Gegenstand streng wissenschaftlicher Analyse. Deren allgemeiner Charakter wurde von der historisch-positivistischen Methode der Zeit bestimmt. Aus geschichtlichen, psychologischen, physiologischen und anderen Faktoren versuchten sie Heine in seinen charakteristischen Zügen zu erklaren. Zu ihnen gehort Henri Lichtenberger. Er kennzeichnet Heines Denken als wesentlich impressionistisch. Es beruhe nicht auf sogenannt ewigen und unveranderlichen Grundsatzen, werde nicht von einem festen Willenszentrum her beherrscht, sondern sei die launenhafte Widerspiegelung des Lebens von einer reizbaren Dichterseele aus. Synthetische, zusammenhangende Ansichten, festumrissene Ideale, treu befolgte Grundsatze dürfe man infolgedessen bei Heine nicht suchen. Vielmehr handle es sich bei ihm um eine endlose Reihe unsteter Eindrücke, die sich fortwahrend anderten und einander sehr oft widersprachen, aber dennoch durchaus aufrichtig seien, weil sie jede für sich die genaue Wiedergabe eines vorübergehenden Seelenzustandes darstellten.42S) Jenen impressionistischen Charakter der Heineschen Philosophie führt Lichtenberger auf eine bestimmte physio-psycho- logische Veranlagung des Dichters zurück. Andere wiederum haben die widerspruchsvolle Zeit, in der Heine lebte, und die gegensatzreichen Krafte seiner Umwelt, wieder andere die dialektische Denkart des Dichters dafür verantwortlich gemacht, die angeblich von Hegel beeinflusst sei. Besonders jene impressionistische Struktur der Hèineschen Gedankenwelt hat ihren Niederschlag in der Heinekritik gefunden. Wer Heines Gedanken in ihrer Gesamtheit überblickt und ein einheitliches, zusammenfassendes Urteil über sie erstrebt, wird statt einer abgerundeten Schöpfung nur lose, widerspruchsvolle Bruchstücke entdecken und daher Heine als Denker ablehnen. Wer aber die Einzelbestandteile jener angehauften Masse von Impressionen, einen jeden für sich, betrachtet, wird im widerspruchsvollen Ganzen manchem reinen, in sich vollendeten Gedanken begegnen. Nicht selten wird er überraschend richtige Voraussagen, zukunftsschwere Gedanken, einen klaren politischen Bliek feststellen können. Demnach wird für das Urteil über Heine als Denker entscheidend sein, ob sich der Betrachter dem Ganzen oder der Einzelheit zuwendet. Schlagend belegt Henri Lichtenberger diese Auffassung. Sein abschliessendes, Heine als Denker völlig ablehnendes Gesamturteil wurde bereits erwahnt. 426) In einem wichtigen Einzelpunkt jedoch gesteht er Heine eine bedeutende historische Hellsichtigkeit zu : bereits seit 1833 habeer die Bedeutung der sozialen Frage erkannt; bereits gegen 1842, als die sozialistische Propaganda in Deutschland noch unbedeutend gewesen sei, habe er seine Landsleute vor dem drohenden Fortschritt des Sozialismus gewarnt und sei insofern seiner Zeit weit voraus gewesen. 427) Gerade dies Für-und-wider bei einem sonst so sachlichen Beurteüer wie Henri Lichtenberger weist uns darauf hin, in welchem besonderen Masse, weit mehr als sonst im Schrifttum, Heines Bewertung abhangig ist von dem, was man in ihm sucht. Eine wirkliche einheitliche Stellung zu dem so uneinheitlichen Dichter kann wohl nur der so oder so Verblendete finden. Der sachliche Beurteiler hingegen wird Heine hinnehmen, wie er ist: widerspruchsvoll und doch fruchtbar. Heine Will man zur Wesensgestalt eines fiihrenden Menschen vordringen, so muss zur Biographik Phanographik hinzutreten, d.h. neben der Entwicklung seines unmittelbaren Lebens ist auch die Entwicklung von dessen Niederschlag auf die Aussenwelt, in Gestalt ihrer ausseren Erscheinungen, zu betrachten. 428) Auf dem letzteren Gebiete haben wir uns hier bewegt, denn indem wir die Kritik an Heine in verschiedenen Landern untersuchten, traten uns die Formen entgegen, unter denen er den einzelnen Vólkern und Menschen erschien. Und so wie uns aus der Beurteilung Heines seine Erscheinungsformen in ihrem Neben- und Nacheinander auftauchen, so erhebt sich wiederum aus der Abfolge jener Erscheinungsformen des Dichters Wesensbild vor uns. Aus Heines allgemeiner Wirkung im Ausland lassen sich die verschiedensten Schlüsse ziehen. Einmal der Schluss auf eine Figur von Bedeutung: eine Gestalt von kleineren Ausmassen hatte nicht ausserhalb ihres Sprachgebietes ein Jahrhundert lang in so hohem Masse das Interesse erregt; sodann auf eine vielgestaltige Erscheinung: eine einheitlichere Gestalt hatte eine weniger zersplitterte Kritik hervorgerufen; schliesslich auf eine problematische Natur: eine weniger fragwürdige Erscheinung hatte in geringerem Masse zur Ablehnung gereizt. Jene Bedeutung Heines ist nach dem Gesamturteil der Franzosen, Englander und Hollander in drei Erscheinungsarten enthalten: in der Gestalt des Kampfers, des Dichters und des reizvollen Menschen. Auf die Gestalt des Kampfers Heine wurde hier an den verschiedensten Stellen eingegangen. Bald, und zwar besonders bei den Franzosen, wurde in ihm der Zerstörer gesehen, bald, und zwar vorwiegend bei den Englandern, der Wegbereiter, der brave Soldat im Befreiungskriege der Menschheit, der Fackeltrager, der seiner Zeit voranleuchtete. Die eine Auffassung schliesst die andere nicht aus. Ist doch die historische Entwicklung ein Prozess des Werdens und Vergehens und die Zerstörung des Veralteten eine Notwendigkeit wie der Aufbau des Neuen. Heine bezeichnete sich ja selbst einmal als Schwert und Flamme. Das Schwert, es schlagt nieder, aber eröffnet den Weg zur Freiheit; die Flamme, sie verzehrt, aber erhellt; die Selbstkennzeichnung stimmt mit dem Empfinden des Auslandes überein. Aus der internationalen Kritik wird deutlich, dass Heines wichtigste Bedeutung auf seinem Dichtertum beruht. Für das heutige Deutschland trifft das freüich nicht zu. Wohl glaubte Atkins noch 1929 Heines Dichterruhm sowohl innerhalb als ausserhalb Deutschlands gesichert. 429) Als jedoch am 10. Mai 1933 auf den öffentlichen Platzen Deutschlands die missliebigen Bücher verbrannt wurden, da musste auch der ganze Heine herhalten. Nennt man die schlechtesten Namen, so wird im Dritten Reich auch der des Verfassers des Buches der Lieder und des Romanzero genannt. Im Ausland liegen die Verhaltnisse anders: sowohl in Frankreich als in Holland und England erwarb sich Heine eine Beliebtheit wie kaum je ein zweiter Dichter deutscher Zunge vor oder nach ihm. Darin finden wir auch die Antwort auf die früher beriihrte Frage, ob Heines, des Dichters, grossem Ansehen in Frankreich etwa ein spezifisch französischer Charakter seiner Werke zugrunde liege. Nein, die Ursache dieser Hochschatzung liegt vielmehr in dem allgemein menschlichen Gehalt seiner Kunst als in ihrem nationalen Geprage. Das entsprache einer Auffassung Hennequins, der auf die Frage eingeht, weshalb Heine neben manchen anderen auslandischen Schriftstellern, eine so starke Wirkung in Frankreich gehabt hat. Er beantwortet sie dahin, dass zwischen den Geistern Wahlverwandtschaften bestünden, die kraftiger seien als die Bande von Blut, Boden, Sprache, Geschichte und gemeinsamen Sitten, und dass eben Schriftsteller wie Heine die Trager einer solchen Menschlichkeit seien. 430) Willem Kloos deckte eine zweite Ursache von Heines allgemeiner Beliebtheit auf: „Heines Kunst kann jeden Geschmack befriedigen: den für das Frohe, Flatterhafte und Leichte wie den für das Düstere, Absonderliche, In-sichgekehrte; den für das anscheinend Grundlos-tiefe wie den für das Ruhig-beschauliche; den für das mondane und Leichtsinnige wie den für die reinste Geistigkeit; den für das seich- KIEFT, Dissertatie. 7 teste Ausserlich-angenehme, wie den für das Innerlichste, kaum in Worten Fassbare. Sie ist sowohl eine Kunst, in der ein jeder etwas finden kann, was ihn anzieht, anreizt, fesselt und ergreift, als eine, die den einen durch Arger beunruhigt, den andern, Freigesinnteren erstaunt lacheln und einen Dritten überrascht mit der Zunge schnalzen lasst. Heine ist ein Dichter für alle Menschen: ein jeder findet etwas in ihm, was ihn anzieht oder abstösst." 431) Kloos erkannte damit die Vielgestaltigkiet als eine der wesentlichen Ursachen für des Dichters Beliebtheit und Bedeutung. Das Vielgestaltige dürfte zugleich einer der Gründe von Heines Beliebtheit und Bedeutung überhaupt, auch ausserhalb seiner Kunst, sein. Mag der Mitmensch den Kampfer Heine schatzen, mag er den Dichter bewundern und lieben, vor allem fesselt ihn der ganze Heine, jene seltsame Gestalt in ihrer unendlichen Verschiedenheit und wechselreichen Beweghchkeit. Besonders die neueren Heineschriften arbeiteten diese Figur heraus. Dass aber auch die alteste Kritikergeneration Verstandnis für sie besass, zeigen die Worte von Heines Freund Philarète Chasles, deren Feinheit eine Übersetzung bloss schaden könnte. Sie seien in der Sprache desjenigen Volkes angefuhrt, dem die Welt mit die schönsten und gediegensten Werke über Heine verdankt: ,, J'aime Henri Heine comme j'aime ces journées oü la bonne vieille marchande, en protégeant son éventaire contre les bourrasques intermittentes, s'écrie que le diable bat sa femme. II ne fait ni beau, ni laid; ni froid, ni chaud; ni jour, ni nuit; c'est une obscurité lumineuse, c'est un orage dans le beau temps; un soufflé de printemps dans 1'hiver; la bise sous le soleil. Mon cher Allemand, tu es né un de ces jours dont je parle. Je vois d'ici ta maison maternelle; j'entends les vitres de la fenêtre craquer sous le vent impétueux; la lumière rapide et incertaine tremblote sur les panneaux de la boiserie noire.... Sans doute un volume écorné de Voltaire se trouvait sur le lit de 1'accouchée, et le chirurgien était quelque Francais de 1'école de Lamettrie, qui ne savait pas deux mots d'Allemand. La devait éclore cette cervelle étrange, si allemande pour les Fra^ais, si fran9aise pour les Allemands; avec son éclat qui rayonne comme 1'ébène et sa mélancolie qui nous fait sourire, et sa gaité qui nous fait peine, et ses mille injures folies adressées a Dieu, au talent et au génie; avec ces contrastes irritants de 1'homme du rêve qui voudrait être homme d'esprit, du poète qui voudrait être athée, du philantrope qui voudrait haïr le Christ, de 1'idéaliste qui voudrait adorer la matière. Heine devait naïtre dans le carrefour auquel aboutissent 1'Allemagne et la France, la critique et la création, la foi et le néant, la poésie et le corps, la révolution et le passé." 432) Heinrich Heine: ein Heissumkampfter, und doch ein Dichter von Weltruf; ein schonungsloser Vernichter, doch dabei ein Wegbereiter; ein unsteter, schwankender Charakter, doch reizvoller Spiegel seiner Zeit; ein laienhafter Philosoph, doch ein loderndes Flammenzeichen in der Welt der Gedanken; eine Erscheinung mit tausend Faden an ihre Zeit gebunden, j edoch voll moderner Züge; ein Wesen, das sich zahllose Blossen gab, und doch ergreift und anzieht; und vor allem und über allem: ein ursprünglicher, ein einmahger Mensch. ANMERKUNGEN 1. Histoire de la Langne et de la Littérature franfaise des origines a 1900. Publiée sous la direction de L. Petit de Julleville. Paris 1897. 2. Vgl. Adolf Strodtmann : Heinrich Heines Leben und Werke. 3. Auflage. Hamburg 1884. Bd. II, S.395. 3. Vgl. Louis P. Betz : Heine in Frankreich. Zürich 1895. S. 153. 4. Edouard Schuré : Histoire du Lied. Paris 1868. S. 367. 5. Petit de Julleville, Bd. VIII, S. 685. 6. Die in der Revue de Paris, Abl. Marz 1835 zuerst erschienene Studie zitiert nach der Buchausgabe 1861. 7. Pseudonym der Grafin d'Agoult, gèb. Beethmann, der bekannten Freundin Liszts. 8. Die 1855 zuerst erschienene Studie zitiert nach der Buchausgabe 1862. 9. Petit de Julleville, Bd. VIII, S. 685. 10. J. Grand-Carteret : La France jugée par L'Allemagne. Paris 1886. S. 263. 11. Vgl. Betz, S. 326 ff. 12. Vollstandige Angabe der Werke in der Bibliographie. 13. E. Hennequin : Ecrivains francisés. Paris 1889. 14. Das., S. 245. 15. Henri Lichtenberger : Henri Heine penseur. Paris 1905. 16. A. Topin : Heine. Paris 1911. 17. Paul Gauthiez: Henri Heine. Paris 1913. 18. Camille Mauclair : La vie humiliée de Henri Heine. Paris 1930. 19. Antonina Vallentin : Henri Heine. Paris 1934. 20. Véga (Pseudonym der Mme de Visme de Wegmann) : Henri Heine peint par lui-même et par les autres. Paris 1936. 21. J. Barbey d'Aurevilly: Les Poètes. Paris 1889. 22. Emile Montégut : Esquisses littérair es. Henri Heine. Revue des deux Mondes, 15 Mai 1884, S. 261. 23. Für die vollstandige Angabe dieser Übersetzungen vgl. Betz, S. 446 ff. 24. Philarète Chasles : Poètes allemands. Henri Heine. Revue de Paris, Marz 1835. Angeführt nach der Buchausgabe 1861. Vgl. daselbst S. 280. 25. Saint-René Taillandier : De l'état actuel de la poésie en Allemagne. Revue des deux Mondes, 1 November 1843. (Weiterhin angeführt als Saint-René Taillandier I). 26. Revue des deux Mondes vom 15. Juli und 15. September 1848. 27. Das., S. 170. 28. Vgl. Emma Schill : Les traductions francaises de l'Intermezzo de Henri Heine. Paris 1928. Ferner: L. Reynaud : L'influence allemande en France au XVIIIe et XlXe siècle. Paris 1922. S. 205. 29. Edgar Quinet : Poètes allemands. Revue des deux Mondes, 15 Februar 1834, S. 364. 30. F. A. Lichtenberger : Histoire des idéés religieuses en Allemagne depuis le milieu du XVIIIe siècle jusqu'a nos jours. Paris 1873. S. 382. 31. Edouard Rod : Henri Heine. Cosmopolis, Bd. VIII, 1897, S. 739. 32. Das. 33. Schuré: S. 368. Vgl. ferner u.a. Mazel, S. 484; Hennequin, S. 251; Legras, S. 380; Vallentin, S. 52; Véga, S. 382. 34. Louis Veuillot: Les odeurs de Paris. Paris 1867. S. 321. 35. Armand de Pontmartin : Henri Heine (Dernières causeries littérair es). Paris 1862. S. 367. 36. Das., S. 381. 37. Barbey d'Aurevilly, S. 120. 38. Das., S. 117. 39. Das., S. 122. 40. Maurice Muret : L'esprit juif. Essai de psychologie ethnique. Paris 1901. S. 93. 41. Gauthiez, S. 225. 42. Mauclair, S. 17. 43. Bis zum Erscheinen von Betz' Buch 1895 erschienen von Französische Zustande zwei Übersetzungen (1833, 1857) mit zwei Neuauflagen (1863, 1884), von Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland drei Übersetzungen (1834, 1835, 1855) mit zwei Neuauflagen (1863, 1872), von Lutezia eine Übersetzung (1885) mit vier Neuauflagen (1857, 1861, 1863, 1892). Vg. Betz, S. 446 ff. Vom Intermezzo erschienen bis zum gleichen Jahre acht vollstandige und fünf teilweise Übersetzungen. Vgl. Schill, S. 153 ff. 44. Edmond Duméril : Le Lied allemand et ses traductions poétiques en France. Paris 1933. Angeführt als Duméril I. Edmond Duméril : Lieds et ballades germaniques traduits en vers frangais. Paris 1934. Angeführt als Duméril II. 45. Duméril II, S. 233: „Pendant la seconde moitié du XlXe siècle Henri Heine a joui en France d'une popularité sans égale: ses ballades, ses lieds — surtout ceux de 1'Intermezzo — ont toujours séduit et tentent encore aujourd'hui nos traducteurs poètes. Heine a fait naitre autant et peut-être plus de recueils poétiques que tous les autres lyriques allemands réunis." 46. Das., S. 264. 47. Vgl. Betz, S. 303 ff. 48. Vgl. Duméril I, S. 214 f. 49. Vgl. Betz, S. 328 ff. 50. Vgl. Théodore de Banville : Mes souvenirs. Paris 1882. S. 439. 51. Vgl. Betz, S. 338 ff. 52. Vgl. Hennequin, S. 291. 53. Vgl. Betz, S. 346 f. 54. Hennequin, S. 293. 55. Mauclair, S. 127. 56. Gauthiez, S. 121. 57. Das., S. 116. 58. Henri Mazel : Henri Heine. Mercure de France, Januar-Februar 1906, S. 484. 59. Vgl. Betz, S. 417. 60. Wir entnahmen sie aus: Lewis Browne : That Man Heine. New York 1929. S. 218 f. 61. Vgl. z.B.: Marie Louise Pailleron: Frangois Buloz et ses amis. La vie littéraire sous Louis-Philippe. Paris 1919. S. 328—334. 62. Daniël Stern: Profession de foipolitique de deux poètes: M. M. F. Freiligrath et Henri Heine. Revue des deux Mondes, 1 Dezember 1884, S. 478. 63. Vgl. Hennequin, S. 294. 64. Vgl. Mauclair, S. 223. 65. Vgl. Betz, S. 151. 66. Saint-René Taillandier I, S. 185: „M. Heine avait beaucoup de finesse sans doute: mais quand je lis ses écrits les plus récents, il me semble qu'il s'était dit, en arrivant en France: „J'aurai plus d'esprit qu'ils n'en ont tous. Je vais les éblouir, les étourdir. Ma plume sera plus acérée que celle de Voltaire"." 67. Gauthiez, S. 152. 68. Louis Ducros: Henri Heine et son temps. (1799—1827) Paris 1861. S. 309. 69. Mauclair, S. 173. 70. Vgl. Jules Legras : Henri Heine poète. Paris 1897. S. 379. 71. Philibert Audebrand : Petits mémoires du 19me siècle. Henri Heine. Paris 1892. S. 14. 72. Schuré, S. 366. 73. Grand-Carteret, S. 263, Fussnote I. 74. Mauclair, S. 223. 75. Veuillot, S. 232. 76. Schuré, S. 306. 77. Quinet, S. 355. 78. Das. 79. Das., S. 356. 80. Das., S. 364. 81. Das., S. 365. 82. Chasles, S. 272. 83. Das., S. 280. 84. Saint-René Taillandier: Henri Heine, sa vie et ses écrits. Revue des deux Mondes, 1 April 1852. (Weiterhin angeführt als Saint-René Taillandier II) S. 90. 85. Saint-René Taillandier I, S. 184. 86. Chasles, S. 272. 87. F. A. Lichtenberger, S. 383. 88. de Pontmartin, S. 370. 89. Das., S. 367. 90. Stern, S. 477. 91. Hennequin, S. 75. 92. G. Kahn : La statue de Henri Heine. Nouvelle Revue, Bd. 13, 1901 S. 302. 93. Gauthiez, S. 129. 94. Vallentin, S. 264. Anspielung auf Heines Weberlied. 95 Stern, S. 478. 96. de Pontmartin, S. 375. Vgl. noch: Mauclair, S. 214: „Décidément un homme d'opposition a n'importe quoi, opposant pour le stérile plaisir de s'opposer" und S. 218: „La position prise par Heine, et qui le fait traiter de jongleur de plaisantin on de vendu, rappelle celle de ces burlesques politiciens de village, qui a 1'écart de toutes opinions, forment le contre-part, dont tout le programme consiste a refuser les programmes des autres." 97. Robert Launay : Henri Heine et son „Nationalisme". Mercure de France, 1 Aug. 1912. S. 49 und 159. 98. Gauthiez, S. 49 und 159. 310. P. Bruijn : Heinrich Heine. Vaderlandsche Letteroefeningen voor 1866, Bd. II, S. 432 f. 311. De Nederlandsche Spectator, 1876, S. 317. 312. J. A. Bientjes : De godsdienst der vreugde naar de voorspellingen van den profeet Heinrich Heine. De Banier, Nr. 12, 1 December 1879, S. 73. 313. De Gids, 1884, III, S. 168. 314. te Winkel, S. 220. 315. Vgl. Mooren, S. 64 ff. und passim. 316. Multatuli : Anmerkung von 1876 zu Idee 1731. 317. A. Meissner : Erinnerungen an Heinrich Heine. Amsterdam 1856. Rotterdam 1860. 318. Amsterdam 1861. 319. Katherina Dietz : Heinrich Heine's eerste Liefde, vertaald door C. P. J. van Vlierden. Amsterdam o.J. 320. Marie Embden-Heine : Herinneringen uit het intieme leven van Heinrich Heine. Uit het Italiaansch door H. J. Wansink. 321. Vgl. Mooren. S. 88 ff. und 27. 322. Idee 359. 323. Anmerkung zu Idee 359. 324. willem Kloos : Vosmaer en de moderne Hollandsche Literatuur. Nieuwe Gids 1891, II, S. 293. 325. Brief an Vosmaer. Zitiert in Jacques Perk, Gedichten, twaalfde uitgave, bezorgd door Willem Kloos. Amsterdam 1914. S. 190 f. 326. De Kunstkronijk, 1863, S. 81: „Maar Heine is niet uitsluitend te beschouwen als strijder. Voor hij strijder was, was hij zanger en, gelijk hij zelf zegt, hij volgde hierin het voorbeeld van Apollo, die ook de gouden lier verwisselde met de krachtige boog en de doodende pijlen." 327. De Kunstkronijk, 1863, S. 81. 328. D. C. Nijhoff : Beroemde Schryvers. Utrecht 1877. S. 2. 329. Cd. Busken Huet : Litterarische fantasien en kritieken. Haarlem 1912. Bd. III, S. 119: Heinrich Heine heeft aan de kinderen der 19e eeuw groote diensten bewezen. Een geslacht, opgevoed in de vreeze der Duitsche filosofen, ingedommeld in den waan, dat de sleutel der kennis te Berlijn gevonden was, trotsch op het bezit eener denkbeeldige alwetendheid, is door zijn toedoen te goeder ure uit dien droom ontwaakt. Al had hij niets anders gedaan dan met krachtige hand die stelsels aangrijpen en den volke de keerzijde van dat kunstig weefsel toonen, dan zou hij nog geprezen moeten worden als een der weldoeners van zijn tijd." 330. Bruijn, S. 568. 331. De Kunstkronijk, 1863, S. 81. 332. W. G. C. Bijvanck in einer Besprechung von Proelsz' Heine-Biographie. De Nederlandsche Spectator, 1886, S. 127 ff. Weiterhin angeführt als Bijvanck I. 333. C. Vosmaer : Vogels van diverse pluimage, Geëtste bladen. 3. Auflage. Leiden o. J. S. 85. 334. Bruijn, S. 484. 335. Busken Huet, Bd. VIII, S. 15. 336. Das., Bd. III, S. 120. 337. Nijhoff, S. 23. 338. C. Vosmaer : Vlugmaren I. 7. 339. Vgl. Mooren, S. 26. 340. Vgl. Das., S. 27. 341. Im Untertitel: „Tijdschrift toegewijd aan de verspreiding van waarheid en verlichting in den geest van den redelijken godsdienst en zedeleer." 342. De Dageraad, Bd. 19, S. 295 'f. 343. Das., S. 300 f.: „Kom dan, kom nu, geest van Heine. Rijs op uit het rijk der schimmen en wil Nederland ook voorbereiden tot het wereldburgerschap. Stort uw beek van vuur uit over dit land, dat zelf bekent zoo groote behoefte te hebben aan een duurzaam surrogaat voor het koude supernaturalisme." 344. Vgl. Mooren, S. 40. 345. Vgl. Da Costa : Wachter, wat is er van den nacht? Kompleete Dichtwerken III, S. 163: . Heine uit de eigen menging van Fransch en Duitsch vergif op heel den Duitschen Bond vuurschichten slingrend als uit Voltaires mond." 346. C. P. Tiele : Heine-Da Costa. De Nederlandsche Spectator, 1851, S. 115. 347. Vgl. De Tijdspiegel, Bd. I, 1856, S. 117: Heinrich Heine en Augustin Thierry. 348. Bientjes, S. 73: „Het is belangwekkend op te merken, welke grootspraak en Luilekkerlandsmoraal zich sympathie en enthusiasmus kan verwerven. . . . De godsdienst der vreugde — ziedaar een goddelijk denkbeeld van den verlosser Heinrich Heine. Het leven een voortdurende, een permanente boerenkermis." 349. Das., S. 93. 350. Vaderlandsche Letteroefeningen 1870, I, S. 311. 351. Das., S. 302. 352. De Tijdspiegel, 1876, II, S. 209. 353. Vgl. Mooren, S. 20. 354. R. C. Bakhuizen van den Brink : Heinrich Heine. Algemeene Konsten Letterbode, 1856, S. 97. 355. Das., S. 57. 356. Das., S. 97. 357. De Nederlandsche Spectator, 1861, S. 1. 358. Bruijn, S. 447. 359. Das., S. 484. 360. Nijhoff, S. 19 : . die onsterfelijke liederen, die al wat de Duitsche lyriek heeft voortgebracht, overtreffen. Ieder mensch zal in eigen levens- en wereldsmart niet ophouden om lafenis te zoeken bij die onuitputbare bron van dichterlijke vertroosting." 361. Busken Huet, Bd. III. S. 120. 362. W. G. C. Bijvanck: Poëzie en Leven in de 19de eeuw. Haarlem 1889. S. 38. Weiterhin angeführt als Bijvanck II. 363. Willem Kloos : Heinrich Heine als dichter. Bloemlezing met inleiding door —. Amsterdam 1906. S. 1. 364. Das., S. 17. 365. v. Suchtelen, S. 6. 366. Bruijn, S. 432. 367. Vgl. te Winkel, S. 220. 368. S. Gorter : Letterkundige Studiën. Amsterdam 1884. S. 184. Vgl. Mooren, S. 38. 369. Bientjes, S. 89. 370. Vgl. S. 61 f. und Mooren S. 61. 371. Vgl. Mooren, S. 62. 372. Kloos, S. I ff. 373. Das., S. 63. 374. Das., S. 51. 375. Das.: Om een beeld van den waarachtigen, van den heelen Heine te geven, en hem te laten zien, niet alleen gelijk hij als populaire verzenmaker, maar ook zooals hij als groote, sterke waarachtige dichter, door alle levenstijden heen, is geweest. 376. Das., S. 7. 377. v. Suchtelen, S. 5. 378. Das. 379. Een Heine-Monument. De Nieuwe Gids, MCMXXXV, S. 206. 380. F. H. Fischer: Heinrich Heine, de dichter van weemoed en spot. Groot Nederland, 1930, S. 654. 381. Léon Polak: Heine's verhouding tot het Jodendom. Amsterdam 1923. S. 1. 382. Léon Polak: Heinrich Heines Buch LeGrand. Neophilologus, 7de Jaargang, S. 261. 383. v. Suchtelen, S. 9. 384. D. van Eek : Napoleon im Spiegel der Goetheschen und der Heineschen Dichtung. (Diss. Amsterdam). Amsterdam 1933. S. 98 ff. 385. G. Ras : Börne und Heine als politische Schriftsteller. (Diss. Amsterdam). Groningen, Den Haag, 1926. 386. Das., S. 174. 387. Vgl. Ras, passim. 388. Bijvanck II, S. 39. 389. H. van Loon : Heinrich Heine en Frankrijk. De Nieuwe Gids, 1935, I, S. 15. 390. Fischer, S. 655: „Het kan dus niet als denker zijn, dat hij zijn collega's overtreft; het moet zijn persoonlijkheid wezen, die de dingen bijzonder en op een juist toen beteekenisvolle wijze weerspiegelt." 391. v. Suchtelen, S. 29: „Heine is niet zooals Goethe of Dante een waarlijk wijs dichter geworden. Hij bleef een verscheurde ziel; geen eenzijdig gevoelsfantast, nog minder een dor rationalist, maar een scherpzinnig en intellectueel-eerlijk zoeker en beschouwer van het eigen zelf, die zijn innerlijke tegenstrijdigheden en zijn uiterlijke tegensprakigheden kende, dieper dan menig schijnbaar evenwichtig en daardoor zelfgenoegzaam mensch. Maar juist deze subjectieve gebrokenheid maakt zijn bewogen gevoels- en gedachtenleven zoo ontroerend schoon." 392. Das., S. 31. 393. De Nieuwe Gids, MCMXXXV, S. 208. 394. Kloos, S. 4. 395. van Suchtelen, S. 22 f.: „Bij de meeste synthetische naturen echter blijft de synthese steeds nog maar onvolkomen; zij blijven — als Heine — verscheurde zielen, wier diepst gevoel en scherpst vernuft telkens met elkaar in strijd komen of schijnen te komen. Zij zijn grooter en in wezen gaver zielen dan de eenzijdigen. Maar ongelukkiger, eenzamer. Ze zijn dubbelslachtig, maar de eenzijdige noemt ze halfslachtig, vleesch noch visch. Ach, zij zijn mensch, mensch-in-wording, voorschaduwen van den waarlijk gaven, completen, tweezijdigen toekomstmensch." 396. J. L. A. Lohrmann : Heine's Buch der Lieder. Eigen Haard, 1920, S. 654. 397. Fischer, S. 656. 398. Léon Polak: Heine's verhouding tot het Jodendom, S. 1. 399. Atkins, S. VII. 400. Vgl. S. 26 f. 401. Walzel, Heine-Ausgabe, Einleitung, S. XXXII. 402. Vgl. Max Brod : Rassentheorie und Judentum. Wien und Jeruzalem 1936. Weiterhin angeführt als Brod (Rassenfrage). S. 33 ff. und passim. 403. Wenn überhaupt eine Rasse. Vgl. Dieter Gerhart : Kurzer Abriss der Rassenkunde. München 1934, S. 5: „Eine eigentliche Rasse bilden die Juden nicht. Eine vorderasiatische und eine orientalische Rasse vereinigten sich zu einem Mischvolk semitischer Sprache, das dann auf seinen Wanderungen durch ganz Europa überall noch Blut von seinen Wirtsvölkern aufgenommen hat. Seit dem frühen Mittelalter aber bis in die Zeit vor hundert Jahren hat es sich von andern Rassen streng abgeschlossen. Dadurch ist ein Mischvolk entstanden, das in mancher Hinsicht unveranderlich erscheint wie eine wirkliche Rasse, gewissermassen eine Rasse zweiten Grades." 404. Alfred Rosenberg : Der Mythus des 20. Jahrhunderts. 62.—66. Auflage. München 1935. S. 364. 405. Rosenberg, S. 459 ff. 406. Max Brod : Heinrich Heine. Amsterdam 1934. Weiterhin angeführt als Brod (Heine). 407. Brod (Rassenfrage) S. 54. 408. Vgl. Brod (Heine) S. 303 ff. 409. Das., S. 315. 410. Das., S. 315 ff. 411. Das., S. 323 f. 412. R. N. Coudenhove-Kalergi : Judenhass von heute. Wien-Zürich 1935. 413. Das., S. 49. 414. Das., S. 51. 415. Das., S. 68: „Die Judenfrage muss von der Tatsache ausgehen, dass heute die überwaltigende Mehrheit der nichtjüdischen Europaer mehr oder weniger antisemitisch eingestellt ist." 416. Das., S. 73: „Die blosse Tatsache, dass die Juden oft einen fremden Typus verkörpern, wird von vielen Nicht-juden als Provokation empfunden. Denn jedes Anders-sein ist eine Kritik am So-sein." 417. Vgl. Leroy-Beaulieu, S. 773: „Prenons garde de confondre le Juif et la race juive, 1'originalité et les facultés individuelles." 418. H. Lichtenberger, S. 223. 419. Walzel, Heine-Ausgabe, Einleitung S. XXXIII. 420. Vgl. H. Lichtenberger, S. 236 f. und Ras S. 175. 421. Saint-René Taillandier II, S. 93. 422. Saint-René Taillandier II, S. 144. 423. Chasles, S. 280. 119 424. Mauclair, S. VI f.: „Heine semble avoir pris plaisir a dérouter tout jugement logique. ... II avait a un dégré incroyable la contradiction innée. Superficiellement, pour donner tour a tour gain de cause a ceux, qui le méprisent et a ceux qui 1'exaltent, il suffit d'ouvrir son oeuvre a diverses pages, on trouvera toujours 1'une pour démentir I'autre." 425. H. Lichtenberger, S. 7: „La „philosophie" de Heine est donc essentiellement impressionniste. Elle n'a pas ses origines dans les principes „éternels" et „immuables" de la raison, ni dans les décisions fermes et constantes d'une volonté clairement consciente d'elle-même et orientée une fois pour toutes vers un but fixe et nettement per?u. Elle est le reflet capricieux et changeant de la vie, avec son éternelle mobilité, dans une ame de poète mobile et variable elle-même, impressionnable a 1'excès, peut-être troublée dès le début par un élément morbide qu'elle apportait avec elle de naissance. Ne cherchons donc pas chez Heine une vaste synthese, une image d'ensemble de 1'univers bien coherente dans toutes ses parties, un idéal clairement défini et poursuivi systématiquement, des principes de conduite nettement arrêtés et fidèlement suivis en toute circonstance. Attendons-nous plutót a constater chez lui une multitude d'impressions instables, que se modifient sans cesse, qui se contredisent souvent les unes les autres, mais qui n'en sont pas moins toutes sincères, étant chacune 1'expression exacte, fidéle, originale d'un état d'ame transitoire". 426. Vgl. S. 30. 427. H. Lichtenberger, S. 236 f. 428. Vgl. Julian Hirsch : Die Genesis des Ruhmes. Ein Beitrag zur Methodenlehre der Geschichte. Leipzig 1914. S. 277 ff. 429. Atkins. S. 260. 430. Hennequin, S. III f.: „Ainsi il y aurait, entre les esprits, des liens électifs plus libres et plus vivaces que cette longue communauté du sang, du sol, de 1'idiome, de 1'histoire, des moeurs qui parait former et départager les peuples; ceux-ci ne seraient pas divisés par d'irréductibles particularités comme 1'école historique moderne s'est appliquée a le faire admettre; la France, 1'Allemagne plus encore, dont la littérature est grecque et cosmopolite, aurait conservé intacte une sorte d'humanité générale et large, toute a tous, sensible a 1'ensemble des manifestations spirituelles de 1'espèce." 431. Kloos, S. 72. 432. Chasles, S. 278 f. SCHRIFTTUMSUBERSICHT Allgemeines Schrifttum Betz, L. P.: Heine in Frankreich. Zürich 1895. Betz, L. P.: Studiën zur vergleichenden Literatur-Geschichte der neuen Zeit. Frankfurt a. Main 1902. Brod, M.: Heinrich Heine. Amsterdam 1934. Brod, M.: Rassentheorie und Judentum. Wien und Jerusalem 1936. Butler, E. M.: The Saint-Simonian Religion in Germany. Cambridge 1926. Coudenhove-Kalergi, R. N. Graf : Judenhass von heute. Wien-Zürich 1935. Courthope, W. J.: A History of English poetry. London 1910. Duméril, E.: Le Lied allemand et ses traductions poétiques en France. Paris 1930. Duméril, E.: Lieds et ballades germaniques traduits en vers frangais. Essai de bibliographie critique. Paris 1934. Ermatinger, E.: Das dichterische Kunstwerk. Grundbegriffe der Urteilsbildung in der Literaturgeschichte. Leipzig—Berlin 1921. Gerhart, D.: Kurzer Abriss der Rassenkunde. 41 45 Auflage. München 1934. Hirsch, J.: Die Genesis des Rhumes. Ein Beitrag zur Methodenlehre der Geschichte. Leipzig 1914. Kalff, G.: Geschiedenis der Nederlandsche Letterkunde. Groningen 1912. LÉVY-Bruhl, L.: L'Allemagne depuis Leibniz. Essai sur le développement de la conscience nationale en Allemagne 1700—1848. Paris 1890. Mooren, R.: Heinrich Heine's Wirkung in Holland. (Diss. Bonn) Krefeld 1930. Mornet, D.: Histoire de la littérature et de la pensée frangaises contemporaines. Paris 1927. Petit de Julleville, L.: Histoire de la Langue et de la Littérature frangaise des origines a 1900. Paris 1897. Reynaud, L.: L'influence allemande en France au XVlil e et au XlXe siècle. Paris 1922. Rosenberg, A.: Der Mythus des 20. Jahrhunderts. 62—66. Auflage. München 1935. Saintsbury, G.: A History of English Prosody. London 1923. Strodtmann, A.: Heinrich Heines Leben und Werke. 3. Auflage. Hamburg 1884. Walzel, O.: Heinrich Heines samtliche Werke. Herausgegeben von —. Leipzig 1911. te Winkel, J.: De ontwikkelingsgang van de Nederlandsche Letterkunde. 2. Auflage, Haarlem 1927. Zola, E.: La vérité en marche. Paris 1901. Französisches Schrifttum Audebrand, Ph. : Petits mémoires du 19me siècle. Paris 1892. de Banville, Th. : Mes souvenirs. Paris 1882. Barbey d'Aurevilly, J.: Les Oeuvres et les Hommes. (Les Poètes) Paris 1889. Caro, E.: Les deux Allemagne — Mme de Staël et Henri Heine. Revue des deux Mondes, 1 November 1871. Chasles, Ph. : Etudes sur l'Allemagne au 19me siècle. Paris 1861. Consult-Amiot, C. G.: Henri Heine et la Guerre actuelle. Revue Hebdomadaire, Vol. VI. Paris 1916. Drumond, Ed. : La France juive. Essai d'histoire contemporaine. Paris 1886. Ducros, L.: Henri Heine et son temps. (1799—1827) Paris 1886. Gauthiez, P.: Henri Heine. Paris 1913. Grand-Carteret, J.: La France jugée par l'Allemagne. Paris 1886. Hennequin, E.: Ecrivains francisés. Paris 1889. Kahn, G.: La statue de Henri Heine. Nouvelle Revue, Bd. 13, 1901. Launay, R.: Henri Heine et son „Nationalisme". Mercure de France, 1 August 1912. Legras, J.: Henri Heine poète. Paris 1897. Leroy-Beaulieu, A.: Les Juifs et l'antisémitisme. — Le génie juif et l'esprit juif. Revue des deux Mondes, 15 Dezember 1892. Lévy, L.: Henri Heine et la politique contemporaine. Nouvelle Revue, Juli 1881. Lichtenberger, F. A.: Histoire des idéés religieuses en Allemagne. Paris 1873. Lichtenberger, H.: Henri Heine penseur. Paris 1905. Mauclair, C.: La vie humiliée de Henri Heine. Paris 1930. Mazel, H.: Henri Heine. Mercure de France, Bd. 59, 1906. de Mirecourt, E.: Henri Heine. Paris 1856. Montégut, E.: Henri Heine. Revue des deux Mondes, 15 Mai 1884. Muret, M.: L'esprit juif. Paris 1901. de Nerval, G.: Les poésies de Henri Heine. Revue des deux Mondes, 16 Juli und 15 September 1848. Pailleron, M. L.: Frangois Buloz et ses amis, La vie littéraire sous LouisPhilippe. Paris 1919. de Pontmartin, A.: Henri Heine. Paris 1862. Quinet, E.: Poètes Allemands. 1. Henri Heine. Revue des deux Mondes, 15 Februari 1834. Rod, E.: Henri Heine. Cosmopolis 8, 1897. Saint-René Taillandier : De l'état actuel de la Poésie en Allemagne. Revue des deux Mondes, 1 November 1843. Saint-René Taillandier : Henri Heine, sa vie et ses écrits. Revue des deux Mondes, 1 April 1852. Saint-René Taillandier: Ecrivains et poètes modernes. Paris 1861. Schill, E.: Les traductions frangaises de 1'Intermezzo de Henri Heine. Paris 1928. Schuré, E.: Histoire du Lied. Paris 1868. Stern, D.: Profession de foi politique de deux poètes: M. M. Freiligrath et Henri Heine. Revue des deux Mondes, 1 Dezember 1884. Topin, A.: Heine (1797—1856). Paris 1911. Valbert, G. (Versteckname für Victor Cherbuliiez) : Henri Heine et ses derniers biographes allemands. Revue des deux Mondes, 1 April 1886. Vallentin, A.: Henri Heine. Paris 1934. Véga (Versteckname für H. de Visme de Wegmann) : Henri Heine peint par lui-même et par les autres. Paris 1936. Veuillot, L.: Les odeurs de Paris. Paris 1866. Englisches Schrifttum Arnold, M.: Essays in Criticism. London 1865. Atkins, H. G.: Heine. London 1929. Baerlein, H.: Heine, the strange guest. London 1928. Buchheim : Heine's Centenary. The Athenaeum Journal of English and Foreign Literature, Dezember 1897. Dowden, E.: Henri Heine: A Centenary Retrospect. Cosmopolis, Dezember 1897. Eliot, G.: Wit and Writings of Heinrich Heine. Westminster Review, Bd. 9, 1856. Eliot, G.: Essays and Leaves from a Note-Book. London 1884. Foreign Quarterly Review, Bd. X, 1832: Börne and Heine. Grant, C.: Heinrich Heine. Contemporary Review, Bd. 26, 1880. Quarterly Review, Oktober 1889: (Besprechung einiger deutschen Heineschriften). Sichel, W. S.: The letters of Heinrich Heine. The nineteenth Century, Nr. 89, 1884. Sharp, W.: Life of Heinrich Heine. London 1888. Stigand, W.: The Life, Works and Opinions of Heinrich Heine. London 1875. Hollandisches Schrifttum Bakhuizen van den Brink, R. C.: Heinrich Heine. Algemeen Konst- en Letterbode, 1856. Bientjes, J. A.: De godsdienst der vreugde naar de voorspellingen van den profeet Heinrich Heine. De Banier, Nr. 12, 1879. Bruijn, P.: Heinrich Heine. Vaderlandsche Letteroefeningen voor 1866, Bd. II. Busken Huet, Cd. : Litterarische fantasien en kritieken. Haarlem 1912. Bijvanck, W. G. C.: (Besprechung von Proelsz' Heine-Biographie) De Nederlandsche Spectator, 1886. Bijvanck, W. G. C.: Poëzie en Leven in de 19de eeuw. Haarlem 1889. Dageraad Bd. 19: Heinrich Heine. v. Eek, D.: Napoleon im Spiegel der Goetheschen und der Heineschen Dichtung. (Diss. Amsterdam) Amsterdam 1933. Fischer, F. H.: Heinrich Heine, de dichter van weemoed en spot. GrootNederland 1930. Gorter, S.: Letterkundige Studiën. Amsterdam 1884. Kleerekooper, A. B.: Over Heinrich Heine. De Socialistische Gids, Bd. 18, Jaargang 1933. Rloos, W.: Heinrich Heine als dichter. Bloemlezing met inleiding door —. Amsterdam 1906. Lohrmann, J. L. A.: Heine's Buch der Lieder. Eigen Haard, 1920. v. Loon, H.: Heinrich Heine en Frankrijk. De Nieuwe Gids, 1935 I. M(eermans?) : Heinrich Heine over romantiek, materialisme en spiritualisme in de Kunst. De Kunstkronijk, 1862. M(ulder) L.: (Besprechung der Nachtrage zu Heines Werken.) De Nederlandsche Spectator, 1860. Nieuwe Gids, 1935: Een Heine-Monument. Nijhoff, D. C.: Beroemde Schrijvers. Utrecht 1877. Polak, L.: Heinrich Heines Buch LeGrand. Neophilologus, 7. Jahrgang. Polak, L.: Heine's verhouding tot het Jodendom. Amsterdam 1923. v. Poppel, G.: Over Heine. De Dietsche Waranda en Het Belfort, 1903, I und II. Ras, G.: Börne und Heine als politische Schriftsteller. (Diss. Amsterdam) Groningen, Den Haag 1926. Stempels, G. J. D. C.: Heine als Filosoof. De Gids, 1922. v. Suchtelen, N.: Heinrich Heine: Ideeën. Het boek LeGrand. Vertaald en ingeleid door —. Amsterdam 1918. Tiele, C. P.: Heine-Da Costa. De Nederlandsche Spectator, 1861. Tijdspiegel 1856, Bd. I: Heinrich Heine en Augustin Thierry. Vosmaer, C.: Vogels van diverse pluimage. 3. Auflage. Leiden o.J. Waisviss, E.: Heine's verhouding tot het socialisme. De socialistische Gids, 1925. INHALT Seite EINLEITUNG 1 DIE FRANZOSEN 4 Allgemeines 4 Der Dichter 10 Der Spotter 16 Der Polemiker 20 Der Denker 25 Der Jude 30 Der Deutsche in Frankreich 37 DIE ENGLANDER 47 Allgemeines 47 Der Dichter 52 Der Kampfer 54 Der Spotter 57 DIE HOLLANDER 61 Allgemeines 61 Der Vertreter des Zeitgeistes 66 Der Dichter 71 Der moderne Mensch 75 Seite ZUSAMMENFASSUNG 79 Bedingtheit der Urteilsbildung 79 Der Kampf um Heine 82 Heine 95 ANMERKUNGEN 101 SCHRIFTTUMSÜBERSICHT 120 STELLINGEN i Het werk van Heine kan alleen tegenover de achtergrond der gehele Westeuropese cultuur juist beoordeeld worden. II Heine en Multatuli vertonen als mens, als kunstenaar, als denker en in hun maatschappelijke betekenis een sterke overeenkomst. III De opvatting, dat ndl. fraai aan het fri. is ontleend, wordt — ook al kent het westerl. gesproken Fries dit woord niet — ten zeerste versterkt door het in het Saterlands voorkomende froi. IV Het is niet zo zeker als v. d. Molen (S. J. v. d. Molen, Oanteikeningen by it Fryske boerehüs, blz. 15 vv.) aanneemt, dat riik in riikkiste rook betekent. V De behandeling van Gottfried 6870 vv. door Piquet (L'originalité de Gottfried de Strasbourg dans son poème de Tristan et Isolde, Lille 1905) is onjuist, voor zover Gottfried's polemiek beschouwd wordt als alleen tegen Thomas gericht te zijn (t.a.p. blz. 9 en 156) en onvolledig in haar bewijsvoering ten aanzien van Gottfried's oorspronkelijkheid, (t.a.p. blz. 187) VI Bij het onderzoek naar de oudste redactie van de sage van „Robert de Duivel" mag de Middelnederduitse bewerking daarvan in „De vorlorne sone" niet buiten beschouwing worden gelaten. VII Er ligt een zekere tegenstelling in de tekening van Egmont's karakter (Goethe's Egmont) vóór de derde akte en daarna. VIII Het is niet juist, wanneer v. Eek in zijn Erlauterungen bij Goethe's Egmont ter verklaring van de zin „Mutter, lass die Zeit kommen wie den Tod", (Meulenhoff-editie, 4. Auflage, blz. 50) zegt: die Zeit.... den Tod: Nominativ-Accusativ. IX De handelspolitiek van de Directeuren van de Levantse Handel, die de vrije handel voorstonden, heeft bewezen het moederland meer voordeel te brengen dan het exclusieve monopoliesysteem van de Engelse Turkey Company en de Franse Chambres du Commerce. 99. Saint-rené Taillandier II, S. 151 f. 100. F. A. Lichtenberger, S. 383. 101. de Nerval, S. 17. 102. de Pontmartin, S. 367. 103. Vgl. H. Lichtenberger, S. 2. 104. Chasles, S. 280. 105. E. Caro : Les deux Allemagnes. Mme de Staël et Henri Heine. Revue des deux Mondes, 1 November 1871. 106. Lucien Lévy : Henri Heine et la politique contemporaine. Nouvelle Revue, Juli 1881. 107. Grand-Carteret : La France jugée par l'Allemagne. Paris 1886. 108. Vgl. Muret, passim. 109. Das., S. 129. 110. Vgl. Launay, S. 471. 111. Vgl. H. Lichtenberger, S. 1 f. 112. Vgl. Mauclair, Avant-propos, S. I—XI. 113. Vgl. Vallentin, passim. 114. Saint-René Taillandier II, S. 117 f. 115. Barbey d'Aurevilly, S. 121. 116. Das., S. 120 f. 117. H. Lichtenberger, S. 228. 118. Gauthiez, S. 104 f. 119. Mauclair, S. 185 f.: „Quand on examine de prés les opinions de Heine sur ce Paris oü il fait florès, on fait bien de ce rappeler son culte pour Napoléon et des pages francophiles du Tambour LeGrand: elles dissimulent la vérité sur 1'incompréhension souvent aggravée d'insolence que le „prussien libéré" montrait a notre égard. Tous ses jugements contradictoires sont aigres, et il est triste de dire qu'il les cache ou les dément selon 1'intérét du jour a 1'égard des politiciens comme des écrivains." 120. Chasles, S. 280. 121. Saint-René Taillandier II, S. 119. 122. Das. 123. Lévy, S. 372. 124. Barbey d'Aurevilly, S. 121. 125. Mauclair, S. 152. 126. Das. 127. Das., S. 153. 128. Hennequin, S. 79. 129. Gauthiez, S. 105. 130. H. Lichtenberger, S. 7: „Ne cherchons pas chez Heine une vaste synthèse, une image d'ensemble de 1'univers bien cohérente dans toutes ses parties." 131. Saint-René Taillandier I, S. 184. 132. Stern, S. 478. 133. Grand-Carteret, S. 263. Vgl. noch: Barbey d'Aurevilly, S. 117: „ . . . absence de conviction, tout caprice." Hennequin, S. 85: „Heine varia ses croyances sans cesse et sans grand sérieux." Gauthiez, S. 169: ,, . . . un écrivain qui avoue des opinions, non des convictions." 134. Vgl. Mauclair, S. 164. 135. Das., S. 160 f.: „Comment se fier a eet Allemand parisianisé, juif, protestant, saint-simonien, aristocrate, communiste, qui désavouait toujours ce qu'il avan?ait, poète admirable qui jouait a 1'agiteur, au tribun, et n'arrivait a être ni littérateur ni homme politique, malgré une loquacité fiévreuse et des dons éblouissants." 136. Veuillot, S. 242. 137. H. Lichtenberger, S. 230. Vgl. noch: Lévy, S. 361: „II aurait fallu un homme tout entier au service des idéés, et insensible a la considération des personnes. Or Heine était précisément le contraire." Mauclair, S. 127: „Anticipons d'un mot: Heine n'avait, ni ne pouvait avoir, la culture, la méthode, les dons spéciaux d'un politique, d'un tribun. II ne fut jamais qu'un tirailleur isolé: petit röle, qui absorba le temps nécessaire a des taches immortelles." 138. H. Lichtenberger, S. 246: „Heine n'est point un novateur ni un génie original en philosophie, non plus qu'en sociologie, il n'est point un meneur d'hommes ni un esprit politique." 139. Mazel, S. 483. 140. Emile Zola : La vérité en marche. Paris 1901. S. 31. 141. Mauclair, S. V. 142. H. Lichtenberger, S. 222. 143. Anatole Leroy-Beaulieu : Les juifs et l'antisémitisme. Le génie juif et l'esprit juif. Revue des deux Mondes, Bd. 114, S. 774: „II a eu beau se faire baptiser, il garde la marqué d'origine. Vous ne le comprendrez point si vous oubliez qu'il est né juif." Vgl. noch: Gauthiez, S. 95: „II était toujours de sa race." Mazel, S. 494: „Heine était juif jusqu'aux moelies, jusqu'au fin fond de sa substance grise." Launay, S. 462: „Rien de ce qui est juif ne lui est étranger." s 144. Hennequin, S. 87. 145. Montégut, S. 245. 146. Das., S. 246. 147. Legras, S. VIII—XXIV. 148. Das., S. 387. 149. Kahn, S. 304: „Heine ne mettait pas en oeuvre avec autant de persévérance et d'apparat qu' Hugo ou Wagner. II avait retenu de son sang oriental, de son sang et de son hérédité sémite le culte du livre, du mince cahier, de la Bible courte qui permet de transporter dans les migrations du peuple 1'essence de ses rêves, de ses croyances, de son autonomie et de ses chimères." 150. H. Lichtenberger, S. 222 f. 151. Vgl. Mauclair, S. VI. 152. G. Valbert (Versteckname für Victor Cherbuliez) : Henri Heine et ses derniers biographes allemands. Revue des deux Mondes, 1 April 1886. S. 694. 153. Das., S. 695. 154. Gauthiez, S. 56. 155. Mauclair, S. 17. 156. Das., S. 51 f. 157. Gauthiez, S. 105. 158. Das., S. 115. 159. Valbert, S. 695. 160. Legras, S. IX. 161. Vallentin, S. 124. 162. Valbert, S. 688. 163. Das., S. 694. 164. Gauthiez, S. 58. 165. Das., S. 49. 166. Das., S. 159. 167. Mauclair, S. 171: „Heine était infiniment plus Juif qu'Allemand, et cosmopolite en vrai représentant d'une race immiscible." Das., S. 33: „Le désenchantement par la critique est un des traits de sa race errante, déracinée, incapable de s'incorporer absolument a aucune des patries qui 1'accueillent." 168. Das., S. VI. 169. Vgl. das., S. 183. 170. Gauthiez, S. 161. 171. Das., S. 227. 172. Das., S. 195. 173. Mauclair, S. 183. 174. Launay, S. 461, Anmerkung 2. 175. Das., S. 461. 176. Das. 177. Das., S. 450. 178. Das., S. 471. 179. Das., S. 461 ff. 180. Das., S. 462. 181. Das., S. 463. 182. Vgl. S. 10 ff. 183. Launay, S. 477. 184. Merkwürdig ist in diesem Zusammenhang, dass in Petit de Jullevilles grossangelegter französischer Literaturgeschichte neben Victor Hugo, Alfred de Vigny, Lamartine, Stendhal, Musset und Delavigne, Heinrich Heine als einer der „auteurs critiques" der französischen romantischen Schule genannt und behandelt wird. Vgl. das., Bd. VII, S. 654. 185. Vgl. Betz, S. 165 ff. 186. Das., S. 152. 187. Ducros, S. VIII. 188. Hennequin, S. 64. 189. Gauthiez, S. 62. 190. Launay, S. 460: „Allemand chez les Francais, Francais chez les Allemands, il était plus vrai dans 1'intimité. „Je suis un poète juif", écrit-il a son ami Mosès Moser (mai 1823), „nous sommes entre nous." 191. Mauclair, S. VI. 192. Ducros, S. VIII. 193. Das., S. 44. 194. Hennequin, S. 64. 195. Das., S. 65. 196. Das., S. 66: „. . . .la ressemblance est évidente, et 1'accueil même que Heine a re?u de nos lettrés, 1'admiration qu'il s'est facilement acquise, 1'estime oü on le tient dans de graves revues et de légers journaux, montrent assez comme on 1'a vite reconnu pour un des nötres." 197. Stern, S. 479. 198. Vgl. Chasles, S. 297. 199. Vgl. de Nerval, S. 172. 200. Lévy, S. 356. 201. Mazel, S. 494. 202. F. A. Lichtenberger, S. 383. 203. Gauthiez, S. 147: „ . . . .eet AUemand du Nord n'a jamais pénétré le vrai Paris qui Dieu merci, se ferme aux réfugiés." 204. H. Lichtenberger, S. 225. 205. Launay, S. 471. 206. Mauclair, S. 249. 207. Leroy-Beaulieu, S. 775. 208. Ducros, S. 44. 209. de Nerval, S. 187: „II avait compris que de la France devait jailler encore une fois la lumière promise au monde et il se tournait invariablement vers cette seconde patrie." 210. Topin, S. 6. 211. Sainte-Beuve, S. 1. 212. C. G. Consult-Amiot : Henri Heine et la Guerre actuelle. Revue Hebdomadaire, Vol. VI. Paris 1916. S. 215. 213. Das., S. 216. 214. Saint-René Taillandier II, S. 126. 215. Vgl. Caro, S. 17: (Die Deutschen wollen) „un grand empire germanique, auprès duquel le droit national des autres peuples, le droit humain n'existe pas... , N'allez supposer que Henri Heine répudie quelque chose de cette doctrine hégelienne et nationale. On a pu s'y tromper, on a pu croire a certains accents qu'il était cosmopolite; on a même dit qu'il était Francais de nature et de cceur: c'est une compléte erreur . . . . le coeur est resté allemand." 216. Lévy. S. 364. 217. Lichtenberger, S. 225. 218. Mazel, S. 494. 219. Gauthiez, S. 10. 220. Das., S. 155. 221. Launay, S. 450. 222. Das., S. 454. 223. Das., S. 461 f.: „Henri Heine a cette conception d'Israel. ... II pratique la solidarité comme on sait le faire dans la grande familie et ne négligé pas de servir 1'utilité commune, de travailler a la grandeur de la nation." 224. Vgl. Mauclair, S. 299: „II n'aima dans 1'Allemagne que ses goüts personnels, dans la France que les vaines satisfactions de 1'accueil aimable. C'est un déraciné, un vrai Juif immiscible . . . 225. Vgl. das., S. 224: „Ce Juif aimait 1'Allemagne. II était antipatriote et internationaliste théoriquement: 1'homme avait une patrie, dont Paris ne le consolait pas." 226. Vgl. H. Lichtenberger, S. 228. 227. Saint-René Taillandier I, S. 186. 228. Lévy, S. 361: „Pour dissiper les malentendus, pour faire comprendre a 1'Allemagne le véritable esprit de la France, et comment on pouvait s'estimer et s'aimer d'un cöté du Rhin a 1'autre, il aurait fallu, avec 1'intelligence et la justesse d'esprit de Heine, un caractère froid, modéré, persévérant, et surtout une grande patience; il aurait fallu un homme tout entier au service des idéés, et insensible a la considération des personnes. Or, Heine était précisément le contraire." 229. Grand-Carteret, S. 260. 230. Gauthiez, S. 142. 231. Ducros, S. 273. 232. H. Lichtenberger, S. 228: „II travaillait, lui, a une alliance spirituelle et matérielle entre la France et rAllemagne. II répudiait la lutte fratricide des peuples pour la puissance politique; il était „pacifiste" et „bon Européen". . . . L'événement a donné tort a ses prophéties humanitaires. . . . Mais son rêve ne s'est pas éteint avec lui." 233. Mazel, S. 494. 234. Heinrich Heines samtliche Werke hrsg. von Oskar Walzel. Leipzig 1911. Bd. 9, S. 250. 235. Vgl. William Stigand : The life, works and opinions of Heinrich Heine. London 1875. S. VI. 236. Das. 237. Vgl. Walter S. Sichel : The letters of Heinrich Heine. The nineteenth Century, July 1884, S. 119. 238. Buchheim : Heine's Centenary. The Athenaeum Journal of English and Foreign Literature, 1897, S. 885. 239. Vgl. Stigand, S. VI f.: „However, as most of Heine's anti-Anglican tirades are replete with his own peculiar spirit of humour, an English reader who can thoroughly appreciate this will be as much amused at their perusal as good-humoured Englishman would be in looking at caricatures of their own countrymen from the pencil of Cham or on the boards of the Palais Royal, but need not, however, omit to observe whatever truth there may be, even in caricature." 240. Louis P. Betz : Studiën zur vergleichenden Literatur-Geschichte der neuen Zeit. Frankfurt am Main 1902. S. 317. 241. George Eliot : German Wit: Heinrich Heine, Westminster Review 1856. Angeführt nach der Buchausgabe: Essays and Leaves from a Note-book. London 1884. S. 79. 242. Sichel, S. 118. 243. Quarterly Review, Nr. 338, Oktober 1889, S. 423. 244. H. G. Atkins : Heine. London 1929. S. 252. 245. Matthew Arnold : Heinrich Heine in Essays in Criticism. London 1865. S. 271. 246. Charles Grant : Heinrich Heine. The Contemporary Review, Bd. XXXVIII, 1880, S. 376. 247. Buchheim, S. 855. 248. Eine ausführliche, auch die Übersetzungen und Vertonungen Heinescher Lieder berücksichtigende Bibliographie bei William Sharp : Life of Heinrich Heine. London 1888. Ein Erganzung dazu bildet Atkins' Bibliographie. 249. Vgl. Sharp, S. 201his (scil. M. A.'s) able, though occasionnally inaccurate and inadequate essay on the poet." 250. Vgl. Atkins, S. 253: „Matthew Arnold presents a one-side view of him from a political and social aspect, using him largely as a whip to lash his hated Philistines." 251. Edward Dowden : Heinrich Heine: A centenary Retrospect. Cosmopolis Bd. VIII, 1897, S. 645 ff. 252. Henry Baerlein : Heine: The strange guest. London 1928. 253. Vollstandige Angabe bei Sharp und Atkins. 254. Atkins, S. VII: „We in England are not divided as critics into Gentiles and Jews, into religious and political camps." 255. Das. 256. Buchheim, S. 855. 257. Eliot, S. 113. 258. Das., S. 79. 259. Stigand, S. VII. 260. Arnold, S. 223. 261. Dowden, S. 656. 262. Sharp, S. 210. 263. Atkins, S. 260. 264. Eliot, S. 93: „During the next few years, Heine produced the most popular of all his works — those which have won him his place as the greatest of living German poets and humorists. Between 1826 and 1829, appeared the four volumes of the Reisebilder (Pictures of Travel), and the Buch der Lieder (Book of Songs) — a volume of lyrics, of which it is hard to say whether their greatest charm is the lightness and finish or their simple, pure sensibility." 265. Quarterly Review, S. 414. 266. Das., S. 420. 267. Grant, S. 373: „It is at least remarkable that they so often betray a marked preference for the poet's immature work, for the Book of Songs and the Reisebilder rather than for Romancero and the Gods in Exile. There is something irritating in hearing a great poet constantly praised, not only for what is in truth weakest in his work, but for what he himself distinctly recognized as being so, and this is what Heine's oldest and most patiënt students have not unfrequently to hear." 268. Vgl. Atkins, S. 253: „In England Heine's popularity is great, but it is based namly upon his early poetry." Vgl. das., S. 91: „This Heine of the Buch der Lieder is in the main the English Heine." 269. Arnold, S. 244. 270. Quarterly Review, S. 401. 271. Das., S. 428 : „He was a universal frondeur, who could never be resigned, and who by instinct was a destroyer of what had been built up." 272. Grant, S. 378. 273. Dowden, S. 650 f. 274. Sharp, S. 206. 275. Sichel, S. 133. 276. Quarterly Review, S. 401. 277. Arnold, S. 227 f. 278. Grant, S. 377. 279. Sichel, S. 118. 280. Arnold, S. 224. 281. Das., S. 252. 282. Sharp, S. 202 f. 283. Aticins, S. 256. 284. Baerlein, S. 302. 285. Atkins, S. 258. 286. Baerlein, S. 302. 287. Atkins, S. 259. 288. Baerlein, S. 303. 289. Hermann Marggraff in Blatter für litterarische Unterhahung, Nr. 50, 1854. 290. Vgl. S. 66 ff. 291. Vgl. S. 16 ff. 292. Atkins, S. 258. 293. Grant, S. 376. 294. Stigand, S. X. 295. Quarterly Review, S. 401. 296. Vgl. Arnold, S. 253. 297. Das., S. 238. 298. Stigand, S. X. 299. Quarterly Review, S. 417. 300. Eliot, S. 79. 301. Das., S. 118: „The comparison with Sterne is inevitable here (scil. in den Reisebildern); but Heine does not suffer from it, for if he falls below Sterne in raciness of humour, he is far above him in poetic sensibility and in reach and varity of Üiought." 302. Eliot, S. 79. 303. Das., S. 120. 304. Atkins, S. 260. 305. Eine bis zum Jahre 1930 vollstandige Übersicht niederlandischer Heine-Übersetzungen bei Richard Mooren : Heinrich Heines Wirkung in Holland. (Diss. Bonn) Krefeld 1930. S. 61. Das ausführliche Tatsachenmaterial dieser Schrift ist an manchen Stellen hier verwertet worden. 306. Nico van Suchtelen : Heinrich Heine: Ideeen. Het boek LeGrand, Vertaald en ingeleid door —. Amsterdam 1918. 2. Auflage 1937. 307. Joseph Gompers : Heinrich Heine: Florentijnsche Nachten. Vertaling van —. Maastricht 1937. 308. Vgl. J. te Winkel : De ontwikkelingsgang der Nederlandsche Letterkunde. 2. Auflage Haarlem, 1927. Bd. VII, S. 221. 309. Es erschienen von Heine u.a.: 1. Sammtliche Werke. 17 Thle. NeueFolge, 3 Thle. (15 Bde.) Amsterdam 1855—1860. 2. Sammtliche Werke. 17 Thle. (5 Bde.) Rotterdam 1860. 3. Werke. 8 Thle. Amsterdam 1868—1870. 4. Dichtungen. 2 Thle. (1 Bd.) Amsterdam 1861. (Nachtrage zu Heines Werken). 5. Sammtliche Gedichte. 2 Thle. (1 Bd.) Amsterdam 1869. 6. Auswahl aus Heines Gedichten. Deventer 1876. 7. Reisebilder. Amsterdam 1868. 8. Reisebilder. Rotterdam 1873. 9. Französische Zustande. 2 Thle. Amsterdam 1870. 10. Novellistische und englische Fragmente nebst Shakespearës Madchen und Frauen. Amsterdam 1868. 11. Vermischte Schriften und Uber Ludwig Börne. Amsterdam 1869. Anderen Charakter hat die in der Reihe Magnorum ingeniorum monumenta erschienene bibliophile Ausgabe: Heinrich Heine: Ideen. Das Buch LeGrand. Amsterdam 1930. KIEFT, Dissertatie. 8 X De pogingen van Engeland, Frankrijk en de Nederlanden om het handelsverkeer naar Indië langs Caïro en Suez te leiden moesten mislukken, zolang de Turken gezag konden uitoefenen in de landen om de Rode Zee. XI Doordat Albrecht Dürer bij de tekeningen voor zijn xylographisch werk, voornamelijk in de kruisarceringen, niet ten volle rekening hield met de techniek van het houtsnijden, bevat dit werk veelal een aan het wezensverschil tussen tekentechniek en houtsnijtechniek toe te schrijven onzuiver element. XII De bepaling, dat het onderwijs in de laagste drie klassen der hogere burgerscholen A en B gelijk moet zijn (Wet van den 24sten April 1937 tot wijziging en aanvulling der middelbaaronderwijswet artikel IV, vierde lid) bewijst, dat de wetgever er naar streeft de H.B.S. A gelijkwaardig aan de H.B.S. B te doen zijn. Dit is zeer toe te juichen.