1^!' li«8 CatsIlAS XI088 Liblioxr. Der Mohr oder das Haus Holstein-Gottorp in Schweden. Erster Aand. Aus d e m S ch w e d i s ch e ». Berlin F. H. M or i n. Der Mohr. i zur Unterschrift vorgclegt hatte, standen die Neichsrathe Höpken, Ekeblad und Carl Friedrich Scheffer, alsdann folgtcn dcr Reichsrath Rudenskold und dcr Hofkanzler Dal in, von dcncn der letzterc zugleich der crste Seeretair der Akademie wurde. Jhr Mitzvergnügen über Tessin verblendete sie dergestalt, dasi sie bei dieser Gelegenheit einen Mann überging, dessen schriftstellerische Verdienste nicht nnr in Schweden, sondern auch im Auslande allgemein Anerkennung gcfundcn hatten. Durch die Gründung dcr Akademie dcr schonen Wissenschaften Hat sich die Schwcster Friedrichs des GroHen unstreitig cin bleibenderes Denkmal geschaffen, als ihre einzige Mitbewerberin auf dem schwedischen Thron, Gustav Adolph's Tochter, durch die Stiftung des Amara nth en-Ord en s. Der Stistnngstag des erwahnten Jnstituts war einer der glanzendsten, und die einige Monate spater erfolgende Geburt einer Tochter einer dcr scligstcn Tage der Königin. Dieses glückliche Ereignisi gab Veranlassung zu einer neuen Stiftung und Feier dersclbcn. Der Freimaurer-Orden errichtete sein Waisenhaus, und mit einer sinnrcichcn Hindeutung auf dic neugeborne Prinzessin wurde auf Veranlassung dicfer Barmherzigkeits-Anstalt eine Schaumünze gcpragt, die den Mvfcs darstclltc, wie er von Pharao'S Tochter gercttct ward, mit der Umschrift Von dem Augenblick an, wo dcr Senat, hauptsachlich auf TcssinS Anstisten, dcm Königc die bekannte Königsverstcherung abgezwungcn, war leicht cinzufchcn, datz cin Brnck zwischcn beiden, oder vielmehr zwischen dem Senat und dcm Hose, bcvorstand, wclcher lchtere alle seine Eindrücke von der Königin empfing. Es kam noch ein anderer Umstand hinzu, der die Spaltung unvermeidlich machte, und den Ausbruch bcschleumgte, — dies war die Erziehung des Kronprinzen. Wie bereits erwahnt, wollte dcr Gouverneur crst den Menschen bilden, erft Pslichten einpragen, bevor cr das jugendliche Gcmüth mit dcn Vortrittsrechten scincr hohen Geburt bekannt machte. Die Königin hingegen legte nur Werth aus dicse letztere; sie wollte, dasi der Prinz vor allcn Dingcn lerncn sollte, sich mit Würde, Ungezwungenheit undAnmuth zubenehmen; cr sollte uncrschütterlich inseincn Vorsatzen, unvcrbrüchlich in scinem Worte sein, und dcm Willen scincr Eltcrn blindlings gehorchen. Wurde ihm nur bcsondcrs dicscr Gehorsam eingepragt, so schmeichelte sich Louise Ulrike mit der sesten Hoffnung, wahrend ihrer ganzen Lebenszeit unumschrankt zu regieren, selbst wenn ihr Gcmahl srühcr stcrbcn sollte als sie, was um so leichter stattfinden konnte, da er alter war. Ein sonderbarer Widerspruch zeigte sich jedoch in der Masse von Vorschristen, welche die Königin, von den Verordnungcn des Senats abweichend, in Bczug auf die Erziehung des Kronprinzen erliH, und die sammtlich darauf berechnet waren, dcn Thronfolgcr auf cine schwindelnde Höhc zu stcllcu, zu wclchcr die Blicke des Volkes sich nur mit einer ehrsurchtsvolleu Schcu erheben sollten. Louise Ulrike besahl namlich, daH, wahrend dasKönigskind schon in seinem zartesten Alter an Handküssc, tiefe Verbeugungen und Unterthanigkeits - Beweise von allen, die sich ihm nahten, gewöhnt wurde, Badin das Recht haben sollte, den Prinzen wie seines Glcichen zu behandeln und nut ihm umzngehen, wie es ihm bcliebte, handgreisliche Misthandlungen allcin ausgenommen. Die Königin fand etwas Pikantes in dieser Gleichstellung des Thronerben, vor welchem alle Welt auf den Knien lag, init Bad in, der fo ungebandigt und unbeachtet wie in seiner afrikanischen Wüste umhertobte; wohingegen T effin diese Anordnnng nicht nur höchst unpassend, sondern die Vertranlichkeit zwischen eincm rohen, leidenschastlichen Mohren, den man absichtlich ohne alle Begriffe von Recht und Schicklichkeit lietz, und eincm Prinzen, der einst an der Spitze eines gebildeten Volkcs stehen und ihm mit gutem Beispiel vorleuchten sollte, auch schadlich fand. Es lag hierbei im Plane der Königin, durch Badins Frechheit den Lehren der Achtung vor den Staatsbeamten im Allgemeinen und vor dem Senat im Besondern, die der Gouverneur sich bemühte, feinem Zöglinge beiznbringen, entgegen zu wirken. Da der Graf das Fruchtlose seiner Bemühungen begriff, wenn die Eltern der Erziehung des Prinzen entgegenarbeiteten, so sann Tessin auf ein Wittel, welches se ine Ansichten dem Prinzen angenehm machen und stetS vergegenwartigen, so wie ihm als Erzieher eine kraftige Stütze in der öffentlichen Meinung gewahren möchte. Er kam endlich darauf, seine Grundsatze in Briesen an seinen königlichen Zögling zusammenzustellen, und in ihnen entwickelte er seine edle Denkweise und sein grotzes Genie auf die unwiderstehlichste und glanzendste Weise. Louife Ulrike befast felbst zu viel Geist, um diese Aussatze des Gouverueurs nicht zu schatzen und sogar Bergnügen daran zu sinden, zumal da sie dieselben, aus dem politischen Gesichtspunkt betrachtet, sür ganz unschul- 2 dia hielt, indcm sie darin nur Mittbeilungen crblickte, die sich nicht übcr den Kronprmzen und seine Eltern hmaus erstrecken sollten. ^ ^er ticfsinniye Staatsman» verband Mch ganz andere Absichtcn damit. Nachdem seine Briefe zu solchcm Umfange angewachsen, daH sie so z,emkch Alles entbic^ten was er dcm Gemüthe seines Zogluigs nnzupflanzcn wünsckte, übcrgab er die ganze Sanunlung d.cier .wscitze untcr dcm bcrühmt gewordenen Tüel: êvcsc c>neS alten Mannes an cincn jungen Furitcndem Druck und der Oeffentlichkcit. Tieser, ohre Wissen und EinwMgung der koingl'. chen Eltern unternommene Schritt war wcü cutiernt, rcn Beisall zu haben. Sie fanden sich sowohl dadu.ch beleidigt, datz Tessin r°r der Veranstaltung kes uicht ihre ErlaubniH eingeholt, als auch dadurck, dah er in Bczug auf die Lchrcn, welche er dcm Kronprmzcn bcigcbracht, an die offcntlichc Mcinung appcll.rl hattc. L ouise Ulrike fandsick in ihrem Gefuhl, w chren Zlanen, in ihrer Eitelkeit als Mutter nnd Komgm rcrletzt, und wcnn die Königin beleidigt wurde, so mufte der Kon.a sich fiets als Racher vder Versohner ze.gen, l- nachdem ihr Vortheil oder ihre Laune es erwschten. Etc beeilte sich bei dieser Gelegenheit dcm Komgc .hren Zorn einzmmpfen, - si° ermahnte ihm zum Sturm und forderte den sanften Mann auf, die Stirn m Falten zu legen und s° sch-rfe Worte zu gebraucheu, datz d.c ganz. Welt mit Furcht und Zittern vernehmen mochte, e r mü kein Anderer sei der gekrönte, unumschrankte Herrscher. Mit einem Benehmen und mit AuSdrücken, d:e ma> wohl eincm Karl V, eincm Ludwig XIV, ciucm Fricdrich II. und eincm Karl XII, abcr kcincm Adolph Fricdrich vcrzcihcn kvnnte, trat dieser bald darauf im Scnate mit einer langen Klageschrist aus, in welchcr er den Grafen Tessin des Mangels an Hochachtung vor der Majestcit, — der Kranknng seiner Rechte als Vater der Schonungslosigkcit gegen die Königin, so wie des Vcrbrcchcns bcschuldigte, in voxlicgendcr Angelcgcnhcit ohne die Zustimmung des Reichsrathes gchandelt zu haben, und aus Untcrsuchung gegen ihn antrug. — Der Senat mehr verwundert und bekiimmert über die Vorstellung des Anklagenden, als über des Angeklagten vermeintliches Verbrechen, suchte — vbwohl vergebens — den König dahin zu vermogen, die mitzliche Klage sallen zu lassen. Adolph Fricdrich wufte jedoch waS ihm im Schlafzimmer dcvorstand, wcnn er die Bcfehle seiner Gemahlin nicht pünktlich aussührte; dcHhalb blieb er bei dieser Gelcgcnheit unbeweglich, denn sich selbst überlassen würde er nie daran gedacht haben, dieser Sache im Senat auch nur zu erwahnen. Jetzt erhob sich der Graf Tessin mit einer mannlichen, tiesdurchdachten, hinreiftnden Vertheidigung. Er widerlegte jeden Punkt der Anklage des Königs. Nachdem cr indes? seine Rede geendet, sügte er mit stolzem Selbstgesühl und vielcr Würde hinzu, dasi, obgleich er nach seinem besten Wissen und Gewissen alles gethan, waS er vermocht und sur recht gehalten, um, wie es sich gehore, zum Besten des Vaterlandes, des Thronerben und seiner hohen Eltern dem wichtigen Vertrauen zu entsprechen, welches man ihm gescheukt, indem man ihm die Er- 2* „ Jch bin ganz und gar zu Jhrem Dienst.« '/Jch hatte gcstern Abend eben ein langes Gesprach gehabt, womit Jhre Majestaten mich in dem Zimmcr beehrten, wo König Sigismund zu Pferde die ganze Wand einnimmt, als ich in dem Ausgang der groHcn Gallen'e auf den naseweisen Negerknaben der Königin stietz, der, wie der Herr Graf wissen, alles thun und sagen kann, was ihm beliebt, und der eben so nnverschamt gegen die Herren Reichsrathe, als trotzig gegen unS schlichte Laiidleute ist. Diesmal sah der Schelm noch verschlagener aus als gewöhnlich. Er betrachtete mich mit seinen scharsen Nugen auf ganz besondre Weise, und schien etwas auf dem Herzen zu haben. Als ich ihn mit einem -/guteu Abend!" begrützte, nahm er eine ganz sonderbare Miene an und erwiederte: „Es kommt darauf an, Vater Olof, ob der Abend gut oder schlecht wird. Man spricht so eben von Euch und Euren Frennden in einem andern Zimmer des Schlosses, und es klingt beinah so, als ob Euer letztes Stüudlein geschlagen hatte." Jch glaubte, Badin hielte mich nach seiner gewöhnlichen Art zum Besten, und wollte eben, ohne ihm zu antworten, weiter gehen, als er sich mit unrnhigen Blicken nach allen Seiten umsah und mir ins Ohr flüsterte: "Jhr selbst, Vater Olof, so wie enre Freunde," (der Herr Graf verzeihen, wenn ich die Worte des Knaken wiederhole, denn j'ust so, EureFreunde, sagte er,) "Fersen, Tessin, Benzelius, Kjerrman, habt daS Licht des TageS zum letztenmal gesehen, wcnn Jhr mir nicht solgt.// "Wclch ein unverschcimter Schlingcl.' welche alberne dcnn als Dichter Ehre machte. Er ist eS, von wclchen Franzön sang: »EH' Dir noch des Siulnnes Kranze winklen »Warst du, es nicht ahnciid, scho» Pect>» und ferncr: «Allc Kiinst' und Wissciisciiaflcn brcile» »Ucber Schwedcn ihrcn hcllcn Glanz: «Gnstav anf dein Tluon, Creutz ibm znr Scilcn, «Flcchttn sclbst dc» schonsie» Licdcrkranz.« Sechstes Kapitel. ver Sprecher des Bauernstandes war nicht der Einzige, dcr das Hoffest vor scincm SchluH verlieH. Brahe und Hord hatten sich früh?eitig zurückgezogcn, um ,'n der Wohnung des lctztcrcn den Plan zur Verschwörung und die Fvlgen derselben noch naher zu überlegen. Vorsichtiger als Brahe, wollte Hord die Mine nicht eher anzünden, als bis alle Triebfedern, die man zum Gelingen des Unternehmens in Bewcgung gesetzt hatte, in Ordnung und Bereitschast waren, unterdesi Brahe, verblendet dnrch den früheren Glanz seiner Familie und durch die Aussicht, der Günstling eines unumschrankten Monarchen zu werden, daö Spiel der Verschworenen bereits für gewonnen hielt. Der Laufer Ernst fand stch nach einer Stunde ein und erzahlte, er sei jetzt mit der Znstimmung des HofmarfchallS Horn im Begriff, zu Meister Anders zu gehen, um diejenigen, welche er bereits aufgewiegelt, noch mehr anzufeuern und sie anfzufordern, das unsinnige Gerücht zu verbreiten, die Stande und der Senat beabsïchtigten, den König um's Leben zu bringen. Mahrend dcr Gahrung, welche dies Gerücht hervorbringen mutzte, sollte ein Auflauf veranstaltet werden, und unter dem Rufe: „Es lebe dcr allem regierende König!" wollte man die bedcutenderen Senatoren und Mitglieder der ReickSstande verhaften oder niedermachen, wenn sie sich zur Wchre setzten. Ernst war bereits ganzlich verblendet durch die Ehre, so unvermuthet ein wichtig» Mann geworden zu sein, das Vertrauen der Königin zu besitzen, in wichtige Staatsgeheimnisse eingeweiht und wie durch einen Zauberschlag aus der groten Menge der Dienerschaft unter die vornchmen 5^,crrn des Hoses versetzt worden zu sein. Er behauptete jetzt dummdreist, es werde AlleS gut gehen, und der rechte Augenblick zum Handeln sei gekommen. Lergebens ermahnte ihn Hord, sich bis auf weiteren Besehl ruhig zu verhaken. Ernst war sogar nahe daran, sich beleidigt zu sühlen, datz man sich noch erlaubte, ihn wie einen untergeordneten Aerbündeten zu behandeln, und dah man seine Vorschlage und Ansichten nicht gehorig berücksichtige. Weniger aus Ueberzeugung von der Richtigkeit der Vorsicht, mit welcher Hord zu Werke ging, als um den Schein zu vermeiden, sich nicht von dem Lauser Ernst leiten zu lassen, dessen Eiser sur die unmiitelbare Aussührung des Staatsstreiches Brahe theilte, war er jetzt dasür, denAusbruch der Verschworung von dieser bis auf die solgende Nacht zu verschieben, und dah sich Ernst, der Berabrednng gemaH, zu Meister Anders begeben sollte, um seine Mitverschwornen zu ermuntern und sie auszusordern, sich sur die solgende Nacht bereit zu halten. Hord sah ein, dast es vergebene Mühe war, den Fortgang der Sache langer auszuhalten, und stimmteBrahes Ansicht bei. Ernst wurde daher nach dcm Wirths- house entlassen, wo sich dasjenige zutrug, was uns O lof Hokansson in seiner Unterhaltung mit dem Grasen Fersen bereits mitgetheilt. Kaum war der Oberst Brahe mit Hord wieder allein, als dicser die Bedenklichkeit und das Wagnih einer so halsbrechenden Unternehmung schilderte, wenn man sich namlich beikommcn liche, eher loszuschlagen, als bis Alles zur Ausführung gehorig vorbereitet. „Und was kann denn wohl im schlimmsten Fall passiren?„ sragte Brahe mit einem spöttischen und verachtlichen Blick. „Nichts weiter, als daH dicjenigen, welcbe ohne Kops handel», einen Kops kürzer werden,» antwortete Hord kalt. „Das ware schade um unsern armen Ernst und seine Freunde!" „Und um uns beide ebenfalls," meinte Hord. „O!" rief Brahe, — "wir beide haben nicht viel zu befürchten. Jhre Majestaten würden nicht zulassen, da^ man uns ein Haar krnmmte; der König liebt uns ja mit der Zartlichkeit eineö Vaters." „Ja, — und dennoch sind wir nur sicher, wenn unser Unternehmen glückt, was sehr unsicher ist. Die ganze Sache wird mit viel zu groher Eile betrieben; wan Hat viel zu viel Leute ins Geheimnitz gezogen, und die getroffenen Maahregeln sind keineswegs ausreichend. ES ware ein nnerhörtes Glück, wenn die Lerschwörnng biü zu ihrem Ausbruch geheim bliebe; und bekommen Senat und Stande einen Wink davon, so sind wir verloren. Vor allen Dingen spielcn die Hauvtpersonen ein so gewagtes Spiel, datz, wenn sie es verlieren, wahrscheinlich das Schicksal Carl Stuart's ihrer wartet. Die Stande sind in ihrer Rache wahreTiger. Nach der Unterhaltung, die ich hcut Abend mit unserm allergnadigsten Königspaare gehabt, bin ich überzengt, man wird uns sammtlich aufopfern, um sich selbst vom Verderben zu rettcn. Die Königin pries mit Wohlredenheit die l^hre und das Glück der Unterthanen, die ihr Blut für ihr angestammtcs Köniashaus vergieren können. Daraus sehe ich, was die Glocke geschlagen Hat; denn wenn dies ihre Ansicht ist, so must es auchdie seinige sein: das wissen wir ja seit dem Hochzeitstage." „Und dennoch hast Du Dich in unsere Verschwörung eingelassen!" bemerkte Brahe. „Ja, ich habe es gethan, weil mein Hast gegen die Tyrannei der Stande und die Regierung des Volkes starter ist, als jegliches andere Gcsnhl in meiner Brnst. In Bend er focht mein seliger Vater an der Seite desHeldenkönigs. Für einen solchen König sein Leben zu lassen ist eine Frcude; und nnr seinethalben liebe ich die unnmschrankte königliche Gewalt. Gegen Carl XII. wagte kein Rcichstagsschwatzer zu mucken, das war ein ganz ander Ding als ein Weiberregiment und eine Pantosselregiernng. Aber selbst eine solche ist besser denn als lebendig von den Standen verspeist zu werden, die nichts anders sind als eine Menge kleiner Tyrannen. Ich habe geschworen, den Schimps zu rachen, den sie meinem Namen zufügten, als sie meinen seligen Vater aus dem Senat vertrieben; und dieser Beweggrund ist es, der star- vergnügt sein und abwarten, was Ernst für Nachrichten von seinen Freunden bringt." Der Oberst Hord, der scharfsinnigste von allen Verschworenen, sah leicht ein, datz man sich eben so wenig aus die Versprechungen des königlichen Paares, so wie aus die Werkzeuge verlassen konnte, zu dencn man bei der Aussührung des Unternehmens seine Zuflucht genommen. Er würde sich auch gern zurückgezogen haben, wenn er nicht gesunden hatte, dast er bereits zu weit gegangen, um seine Rettung in etwas Anderem zu suchen, als in dem Umsturz der Vcrsassung, in sosern er nicht als Verrather austreten wollte. Er dachte indesi zu edel, um aus so niedrige Weise sein Leben von den Machthabenden zu erkausen. Die Zuversicht der Königin behagte ihm eben so wenig als deö Königs Schwache. Brahe's ausgeblasenes Wesen versprach eben so wenig Ersolg, als Horn's kriechende Unterthanigkeit. Hord suchte daher den AuSbruch so lange wie möglich hinauszuschieben, theils um eine gunstigere Gelegercheit abzuwarten, theils um noch mehr und zuverlüssigere Verbündete anzuwerben; und als ein langerer Ausschub unmöglich und der Ersolg ihm mehr als zweiselhast erschien, tras er heimlich für den schlimmsten Fall die nöthigen Mcchregeln zu seiner Rettung durch die Flucht. Brahe's unüberlegtes und dünkelhastes Anerbieten dem HoHen Paare seine Rolle einzustudiren, wurde von Hord mit Vergnügen angenommen. Die beiden Obersten warteten nur noch die Rückkunst des Lausers ab, um die letzte Hand an'ö Werk zu legen. Achtes Kapitel. neun Uhr des Morgens sasten Adolph Friedrich und Louise Ulrike in einem inneren Gemach der Königin, an einem runden Tisch von duftendem Cedernholz, dessen kunstreich gearbeiteter Fust einen Adler mit ausgebreiteten Flügeln darstellte, der in seinen Fangen einen Blitz hielt. Auf dem Tische stand ein Kaffee-Service von achtem chinesischem Porzellan, so sein und durchsichtig, daH man einen Brief durch dasselbe lesen konnte. Jedes einzelne Stück dieses Services trug die doppelte Namenschiffre des Königspaares: I''." und II." mit der königl. Krone darüber. Der aromatische Duft des Mockakaffecs stieg angenehm und starkend aus der Kanne und den gesüllten Tassen auf. Der König trug einen Schlafrock von geblümtem Seidenzeuge, und die Königin ein Morgenkleid von einfachem, weiszem Mousselin. Wahrend das hohe Paar das Frühstück einnahm, wurden die königlichen Kinder hereingeführt, um den kö° niglichen Eltern ihren Morgengrufz zu bringen. Zartlich und schmeichelnd hingen sich die Kinder an den Hals ihreö Vaters, küHten mit scheuer Verehrung die Hand der Muiter, und wurdeu crst munter und lustig, als der Ne» gerknabe Bad in hinzukam, dessen Muthwille niemalS durch die Auwesenheit der Majestaten gestort ward. Als die Königin ihre kleine dreijahrige Tochter auf den Schoost nahm, trat ihr jüngster, nur drei Jahre alterer Bruder zu ihr, streichelte und liebkoste die kleine Schwester, deren unschuldiger, klarer Blick sich in »cn grosten schonen, wilden blauen Augen des Bruders wiederspiegelte, wahrend die königliche Mutter mit innerer Freude die eingeborne Liebe der Kinder betrachtete. Friedrich Adolphs und Sophie Albertinens gegcnseitige Zuneigung und Ergebung begann schon in der Kinderstube und dauerte bis zum Grabe. Diese Familienscene, welche die Einbildungskraft des LeserS gewist mit reicheren Farben rührender Zartlichkeit und naturgetreuer Wahrheit ausmalt, als hier geschehen konnte, ward plötzlich durch die Anmeldung des Hofmarschalls Horn und des Obersten Brahe unterbrochen, die in tiefster Unterthanigkeit Einlast begehrten, da es eine Sache betrafe, die keinen Aufschub duldete, und Ihren Majestaten bereits bekannt sei. Die Kinder wurden fortgeschickt. Horn und Brahe traten ein. Alles war nach ihrer Veranstaltung zum Ausbruch der Verschwörung in der nachsten Nacht vorbereitet, aber das Fener der Verschwornen hatte unterdest einen solchen Grad erreicht, dast Ernst so eben dem Hofmarschall gemeldet, er würde seine Genossen wohl nicht bis zur verabredeten Stunde zügeln können, denn man fei entschlossen, noch am Ta ge, ja vielleicht schon in wenig en Stunden loszuschlagen. Horn bat daher in den unterthanigsten Ansdrücken, das königliche Paar möchte sich je cher je lieber dem Volke zeigen, um den Eifer der Gutgesinnten zu beleden und ihreu Muth anzufeuern. „Wir sind Euch sur Eure Nachrichten verdunden, Herr Hofmarschall; Euern Nath ader könnt Jhr für Euch dehaltcn, und ivs für jetzt sowohl, als für die Zuêunft," autzerte die Königin, und wendete sich an Brahe. „Welche Nachrichten dringen Sie uus, Herr Graf?" "Dieselden, wie der Baron H orn, und ich vereinige mich mit ihm, Seine Madefiat den König zu defchwören, zu Pferde zu fteigen und zuerst die Truppen anzureden, deren Zusammentreten ich veranlassen werde, und alsdann znm Volke, das sich durch unfere Veranstaltung versammelt Hat, und dessen Hausen durch die Neugierde schon ziemlich angewachseu sein werden." Es entstand eine kurze Pause. Der König schicn bekümmert und unentfchloffen, die Königin war nachdenkend, Horn üder den Verweis niedergeschlagen, Brahe aufgedlasen durch seine vermeinte politische Wichtigkeit und vergnügt in der Uederzeugung, eine Stufe iu der königlichen Gunst mehr erstiegen zu haden. ,/Jch will die Entwickelung der Sache adwarten," nahm. Adolph Friedrich daS Wort, ,/devor ich mich dem versammelten Volke zeige. Ein üdereilter Schritt in einer so kitziichen Angelegenheit würde nur Unheil stiften. Wenn mir nun etwas znstietze, meine Freunde, wer follte Euch alsdann den Nücken frei halten? Bei dem Aufstande dcr Dalekarlier vor dreizehn Jahren wurde der ReichSrath Adlerfelt auf osfener Stra§e erschossen und . . „DaS Beispiel ist eben nicht glücklich gewahlt, mein Gemahl," fiel die Königin ihm schnell in die Rede; »das war ein Unterthan, der von einem andern Unterthan ermordet wurde. Ew. Majestat sind der Gesalbte des Herrn, durch das Band der Religion mit dem Throne verdunden, und die Religion ist die einzigc Macht, der niemand in diesem Lande zu trotzen wagt." „Auf jeden Fall" fiel der König voller Sanftmuth ein, und ohne weiter auf die Anmerkung der Königin zu achten, — /,würde meine Gegenwart bei einem Tumult unpasseud sein, wenn sie nicht bezweckt, den Auflauf zu stillen und das Blutvergichen zu vermeiden. Wenn meine und der gnten Sache Feinde, anstatt meiner Ausforderung zu gehorchen, Widerstand leisteten, fo ware ich in die Nothwendigkeit versetzt, selbst Gewaltthaten und BlntvergiHen anzuordnen. Siegend oder überwunden würde ich daher stets mein Gewissen mit Blut beflecken, mit dem Blute meiner eigenen Nnterthanen, meiner Kinder, — und mein Name würde in der Geschichte einen Platz neben Schwedens, ja vielleicht neben Frankreichs Carl IX bekommen. Alles wohl überlegt, bleibe ich daher ruhig im SchloH, bis die Vorsehung nach ihrem allweisen Rathschlust über den Ausgang unferer wohlgemeinten Plane entschieden." Vergebens strengte Brahe seinen geringen Verstand an, um den König zu überreden, in dem entscheidenden Augenblick öffentlich auszutreten; — vergebenS bekampfte Horn seinen eigenen selavischen Hosmanns- sinn, und, i'etzt ahnend, dah sein Kopf auf dem Spiele stand, wenn das königliche Paar sich zurückzog, welchen Fall er sich bisher nie gedacht, unterstützte er Vrahe, zum erstenmal taub gegen die Wünsche der Königin; — vergebens autzerte sich zuletzt Louise Ulrike selbst für die Meinung der beiden Verschwornen, theilS durch die Bitten derselben, tbeils durch den lebhaften Wunsch dazu bewogen, dah das Unternehmen mit Erfolg gekrent werden möchte, und theils aus geheimer Schaam iiber den Schatten von Feigheit, Harte und Undankbarkeit, den der Umstand, sich bei einer halsbrechenden Gelegenheit nicht persönlich zeigen zu wollen, ganz natnrlich auf den König werfen mutzte. Nichts war jedoch im Stande, den König von seiner Ansicht abzubringen; — er war also nur bebarrlich in seiner Unthatigkeit. Die Königin ereiserte sich über das Benehmen ihres Gemahls dergestalt, dah sie sich in Gegenwart von Hor» und Brahe zu der AeHerung hinreiHen lieh: „Wenn ich an seiner Stelle ein Mann ware!/, Der, welcher ein Mann war, und aus welchen sich dieser Ausrus bezog, benahm sich dagegen wie ein Weib, wenn man bedenkt, dasi die Verschwörnng auf sein Anrathen und zu seinem Vortheil angestiftet worden; — er benahm sich hingegen wie ein edler Mensch, wenn man seinen Worten glanben dars, dah er mit seinem Benehmen nur beabsichtigte, Bürgerblut zu schonen. Mehr als alles Andere verdrotz die Königin, datz zwei Unterthanen, dasi ihr eigener Hosmarschall, der gewohnt war, ihren Willen für allmachtig zu halten, Zeugen ihren vergcbenen Bemühung gewefen, den König Friedrich und Louise Ulrike, die ihnen srenndlich zusprachen, bald wieder beruhigt. Für den Hosmarsckall Horn reichte das Anhören dieser trdstlichen Versicherungen aus dcm Munde des Herrscherpaares vollkommen hin, ihm seine gewöhnliche Fassuug wiederzugeben, und er fügte sich aus Gehorsam in alle Anordnuugen und in sein Geschick. Er hatte ja den uuschatzbaren Trost, sich wcihrend der verhangniHvollsten Augcnblicke im Schlosse an der Seite seines Königs aushalten zu konnen. Es ware in seinen Augen ein Majestatsverbrechen gewesen, die Zuverlassigkeit der Versprechunzen seines hohen Herrn zn bezweiseln. Auch aus den Obersten Brahe wirkten dieselben wie ein heilender Balsam; und wenn er sich seines Stammbanmes und seiner Familienoerbindungen erinnerte> so glaubte er mit seinem gcwöhnlichcn Scharssinn, das Gelinqcn der Vcrschwornng werde ihn aus den Eipsel des Glücks und der Ehre bringen, im Fall des NichtgelingenS müsse /edoch cher ganz Schweden untergehen beror man ihm, ciuem Brahe, ein Haar krümmen wi'rde. Die beiden Verschworncn traten ab, und bald darans trennten sich Konig und Konigin, um sich ankleiden zu lassen. Als die Konigin ron der Toilette in das Sprackzimmer zurückkam, stürztc ihr das Hossranlein Düben, bleich, zitterud und mit vcrweinten Augen entgegen. ,/Was istDir, meine gute Düben?" sragte Louise Ulrike mit ciuem durchdringcnden, sorschendcn und misivcrgnügten Blick. "Jst irgcud ein Unzliick geschehen, vder sonst etwas los?" „O, meine gnadigste Konigin!" rief Fraulein Düben, indem sic der Königin zu Fichen fiel, cine ihrer Hande ergriff und sie heftig an ihre Lippen drückte. ,/Schcnken Ener Majestat einer Dienerin Gehör, die Euer Majestat Alles zu danken Hat, die Euer Majestat mehr liebt und verehrt, als irgend etwas andereö auf Erden, und vor Verzweiflnng sterben würde, wenn Euer Majcstcit und Dcro hohcr Gcmahl einem groten Unglück blosgcstellt würden. ..." „Was willst Du eigentlich? — Was meinst Du? — sage es schnell und ohne Umschwcis!" siel die Konigin ihr ungednldig in die Rede, und gab ihr einen Wink aufzustehen. "Eine ungewöknliche Bcwcgnng hcrrscht im Schlosse, und meine Kammerjungscr, die in der ^>tadt war, vcr-sichcrt mir, dasi sich auch übcr dicse cine gewisse Umuhe verbrcite. Man spricht von nichts Anderm als vcm Umsturz der Regierung, von Gcwaltstrcichcn und von den Bcschlcn, die Euer Majestat e>theilt, den Senat und die Stande fesizunchmcu und umzubringcn. Die Gahrung und der Schreck wachsen mit jedcm Augeublick, und man sagt, es wcrde nnr noch ein Signal von Euer Majestat erwartet, um das Blutbad zu beginnen. "Kindcreien! Und wer untersteht sich, derglcichen abgeschmackte Gcrüchte in Umlaus zu bringen?" "Euer Majestat eigener Lauser, Ernst, soll einer von den cisrigsten sein, die den Pobel auswiegeln, und man behauptct, ihn sagcn gehort zn haben, er handle auf hoheren Befehl." „Wenn der dummc und unverschamte Lauser auf irgend eine verletzende Weise den Namen seines Beherrschers mit den Unternebmnngen des Volks zusammenstellt, so wird er dafür ohne Barmherzigkeit bestraft werden, — darauf kannst Du Dich verlassen, meine liebe Düben. Wenn das Volk der Meuge kleiner Tyrannen überdrüssig ist, die sich Senat und Stande uennen, so ware es in der Tbat nicht zu verwundern; und Sie, Fraulein Düben, thun am beften, ein für allemal ihr Ohr der Politik zu verschliepcn, und nicht von Dingen zu reden, die sie nicht verstehen." „Aber. . -/Aber?// »Aber, allergnadigste Königin, die Launen deS Volks sind sehr veranterlich. Es könnten sich andere Aufwiegler sindei:, die seiner Wurh cine entgegengesctztc Richtung gciben. Moge der Himmel die kostbaren Tage Euer Majestat beschützen, und wenn es von Euer Majestat abhangt, mit cinigen beruhigenden Worten den Ausrubr zu stillen und grötzerem Unglück vorzubeugen, so bikte ich instandigst, di.'se Worte auszusvrechen. " Fraulein Düben warf sich bei diesen Worten abermals der Königin zu Fuhen. "Stehn Sie auf, Fraulein Düben, ich befehle es, -- und mischen Sie sich nicht in Sachen, die Sie nicht verstehen, — ich verbiete es Jbnen," sagte Louise Ulrike mit jenem unbeweglichen Stolz, der keine Einwendung duldete. Fraulein Düben gehorchte daher sogleich dem Befebl. Sie wagte kein Wort mehr zu sagen, suchte ihre Thranen zu unterdrücken und ihre Seuszer zurückzuhalten, welche die Angst ihrer beklcmmlen Brust abprehte. Die Königin that, als bemerkte sie ihre Anwesenheit nicht weiter. In demselben Augenblick kam der König zurück. Fraulein Dub en batte sich nicht geirrt. Bis zn den koniglichen Gemachern drangen die Stimmen von Leuten, die in den Gangen des Schlosses hin und her liefen, laut mit einander sprachen, Thüren lebhaft öffneten und heftig zuwarfen^ u. s. w. Sah man aus dein Fenster, so zeigte sich auf dem Platze vor dem Schlosse ein tumultuarisches Gewimmel; man sah alles durcheinander reiten, fahren und gehen; Truppenabtheilungen zogen vorüber, Plakate wurden angefchlagen, das Bolk steckte gruppenweis die Kopfe zufammen, oder wogte iu dichten Schaaren hin und her. Das königliche Paar schien sich in der grohten Unruhe zu besinden und mit brennendem Verlangen Nachrichten über den Berlauf der Sache entgegen zu sehen. Bad in stürzte keuchend herein. ,/Jch habe Euer Majestat etwas Neues zu berichten. So eben ist man im Begriff, hier im êchloH ei-nen schonen Vogel eixzufangen, einen Papagei mit bunten Federn auf dem Kopf und einer Ebenholzstange mil silbernem Knopf in den Klaucn — " „Narrifcher Knabe, heut will ich nichts von Deinen dummen Scherzen wissen,/, unterbrach ihn die Konigin. „Meine Majestat kann thun, wie ihr beliebt," fuhr Bad in in demselben Tone fort, — „der Vogel wird aber auf jeden Fall bald im Bauer sein.,/ //Sckweig' den Augenl'lick, Du Schlingel, oder ich schicke nach Ernst mit der Ruthe." ,/Nach Ernfl, — hahahaha! Er Hat mir die Ruthe zum letzten Male gegeben, — hahahaha! Wir wollen sehen, ob er setzt sein eigenes Fell schützen kann, denn er ist eben der schone Vogel, der bunte Papagei. Zwei Soldaten hatten ihn beim Kragen als ich die Treppe herautkam, und sie schüttelten ihn so, dah die Federn der Lausermütze umberflogen./< Das Königspaar hatte sich noch nicht von dieser überraschenden und betrübenden, obschon sicher unvollstandigen und vielleicht ganz unrichtigen Nachricht erholt, als der dienstthuende Kammerherr eintrat, und, nachdem er sich tics verneigt, dem Konige einen Brief mir dem Siegel des geheimen Ausschusses überrcicbte. Adolph Friedrich erbrach ihn hastig, wechselte mehrmals die Farbe wahrend er ihn las, stiesz einen tiesen Scufzer aus, und gab den Brief der Königin. Das Schreiden enthielt die Meldung vom geheimen Ausschuf, das' ein hochverratherischer Anschlag gegen die Sicherheit des Staates, die Regiemng und das Leben der Mitbürger durch die Gnade der Vorsehung und guter Menschen Wachsamkeit glücklich entdeckt worden, und daH, da sich unter den angeklagten Verbrechern der Hos-marschall Horn und der Lauser Ernst besanden, der geheime AusschuH den König um ErlaubniH bitte, die genannten Hochverrather in seinem Schlosse sestnehmen zu dürsen. „Noth Hat kein Gebot!" ries die Königin nachdem gen, deren Ernst und Werth Piper aus dem gehörigen Gesichtspunkte betrachtete. Unrnhig forschte er danach, ol> sich Papiere oder sonstige Sachen in dem Verwahrsam Brahe's befande», die man als Beweise wider ihn hatte gebrauchen können, und er beschwor ihn, wenn dies der Fall ware, sie schleunigst zu vernichten. Brahe theilte ihm mit, er habe in seinem Keller etwa tausend Patronen liegen, die zur Verschwörung angefertigt worden. Sic befcinden sich in Kisten, deren Jnhalt nur seinem Kammerdiener bekannt. Dieser wutzte um die obwaltenden Verhaltnisse und hatte Befehl, sie in den Clara-See zu versenken für den Fall, daH die Verschwörung entdeckt und der Auslaus gestillt würde, bevor die Patronen von den Truppen oder von dem Volke verbraucht waren, welches man auszuwiegelu beabsichtigte. Wahrend Gras Brahe mit seinem Schwiegervater noch hin und hersprach, klopste es an die Thür, und ein Bedienter übergab dem Grasen Brahe ein mit Bleistist geschriebenes und mit Mundlack versiegeltes Billet, welches nur die Worte enthielt: „Wir sind verrathen — ich reise — fliehe—eile, sonst wird es zu spat!" vieu!" rief Brahe, -/das ist Hord's Hand. Der schöne Plan geht also in Rauch aus! —> Fliehen?... Ja, das mag sich für einen Hord passen,— aber für einen Brahe — nicht.... Ich werde es daher auch nicht thun. Mein Namedie Versprechungen des Königs... vielleicht nur eine Untersuchung pro kormg... und im schlimmsten Fall einige Wochen Stubeuarrest in 4* meinem eigenen Hause, das wird alles sein! — S-tvre Hieu! — das ist langweilig... nngerecht..- gransam... es wird jedvch dnrch des Königs Gnade und kunstige Belohnungen aufgewogen>< Piper, der ihm wahrend des Selbstgespraches das Billet aus der Hand genommen und es durchflogen hatte, bestürmte seinen Schwiegersohn aus's Neue zu entfliehen, wie Hord bereits gethan und auch ihm gerathen. Vergebens. — Brahe blieb so sest bei seinem Vorsatz, daH man Achtung vor seiner Seelenstarke batte haben mussen, wenn man nicht gewuht, datz seine Hartnackigkeit sich von dem Vertrauen aus seine hohe Geburt und die koniglichen Bersprechungen herschrieb. Man ries jedoch den Kammerdiener herein und befahl ihm, in der solgenden Nacht, wenn alles ruhig ware, die erwahnten Kisten durch eine Hinterthür des Hauses an den Clara-See zu schaffen, und sie vhne Gerausch zu versenken. Wahrend Brahe dies mit seinem Kammerdiener abmachte, begab sich der Graf Piper in das Zimmer seiner Tochter, um sie auf die unglückliche Katastrvphe vorzubereiten. Der Kelch war bitter, von der Hand des Waters gereicht, wnrde er zwar mit BetrübniH, aber doch mit Ergebenheit geleert. Piper ermahnte seine Tochter, den letzten Versuch zu mackien, ihren Gemahl dahin zu vermogen, sein Leben durch die Flucht zu retten. Vater und Tochter kehrten nach Brahe's Zimmer zurück. Qhne dah wir ihn weiter beschreiben, kanu der Leser sich den betrübten Auftritt, der jetzt zwischen Piper, seiner Tochter und seinem Schwiegersohn stattsand, leicht selbst vorstellen. Thranen, Bitten, Umarmuugen, Ansbrüche von Furcht und Schmerz, Trostgründe, Hoffnungen, gegenseitiges Mutheinsprechen, — alles dies wogte bunt durcheinander. „Das Schlimmste was mich treffen kann," autzerte Brahe, „ist ein unangenehmer Prozesi, und wShrend seiner Dauer Hausarrest, dessen Unbehaglichkeit Deine Gegenwart, meine geliebte Christine, mir weniger sühlbar machen wird." Und hieraus solgten neue Bestünnungen des von Brahe gesahten Vorsatzes durch seine Frau und seinen Schwiegervater. Schon sing derselbe an, vor so vielen Vernunstgründen und Bitten zu schwanken, schon besann er sich, welchen Schritt er zunachst zu thuu hatte, wenn er sich sur die Flucht entschied, — schon ging ihm in seinem schwachen FassnngSvermögen ein Licht aus, dah vielleicht das edle Blut, welches der Tyrann Christ ian vergichen lieh, von der Menge verhafter Tyrannen, die sich Stande nannten, eben so wenig geschont werden möchte, — schon sing er an, die Zuverlassigleit und Krast der königlichen Worte zu bezweiseln, schon sprach er mit seinem Schwiegervater und seiner Frau iiber den Ort, den er aussuchen und den Weg, den er einschlagen könnte: als pldtzlich aller Unentschlossenheit durch das Austreten einer vier ten Person ein Ende gemacht wurde^ Es war der Besehlshaber einer Patrouille, den der geheime Ausschuh beauftragt hatte, den Obersten Brahe zu verhasten und in's Gesangnih abzusühren. Veracktung alles Günnlingswesens dennock so unglücklich war, sich auf die scklüvsrige Bahn der Hofgunst zu stellen, weil er Gottes leitende Hand vergay und sich darauf verliest, dah, ehe Böses geschah, er wohl noch Zeit baben würde, zurückzutreten. Sollte Dein König Dich in einer Sache um Rath fragen, so verweise ihn in Unterthanigkeit an den, der von AmtSwegen mit der Sache zu thun Hat. Ungefragt wirf Dich nie zum Ratbgeber auf. Du wirst vielleicht glauben, es sei die Pflicht jcdes Unterthanen, seinem Könige einen guten Rath zu geben: wird aber etwaS Gefetzwidriges von Dir verlangt, so bedenke, was das Gesetz sagt und lah' Dich nicht darauf ein. Geschieht es noch einmal, so svrich Deine Meinung offen aus. Sollte die Eitelkeit Dich verleiten, Staatsvienste zu nehmen und Du würdest selbst Senator, so gieb niemals einen andern Rath im Kabinette, als einen solchen, der im Rathsprotokoll ohne Scheu stehen kanu." So war der Brahe'sche Uebermuth plötzlich von seiner Hohe gefunken, und Demuth, Schmerz und Reue an seine Stelle getreten. Der stolze Hofmann war mit einemmal ein reuiger Sünder, der Apostel der unumschrankten Eewalt ein gesetzliebender Republikaner geworden. Die Hoffnung auf Milderung des Urtheils spielte keine geringe Rolle bei dem Nieverschreiben dieser Gedanken. Brahe vermuthete, eö würde die Machthaber zur Milde stimmen, wenn er seinem Sohne Grundsatze dieser Art einzupflanzen suchte, die zugleich einen Wink von der ihrc Wortc, doch must bemerkt werden, das? die Zuschauer keineswegs absichtlich dcn ihnen gestattctcn Raum übcrschrittcn, und daH die Soldaten mit Nachsicht und Höflichkeit diejenigen bchandcllcn, welche dmch das Andrangen dcr Masse gegen ihren Willen bis in die Chaine hineingeworsen wurden. „Du kannst Dich darauf verlassen, dah wir nicht ein Bischen sehen werden, wenn die Sache lvsgeht," ausierte zu ihrer Nachbarin gewendet, mit gellender Stimme eine lange, magere Frauensperson mit spitzer Nase und scharfen Backenknochen, kleinen blitzenden Augen, granem Haar, welches sie sorgsaltig unter einem bunten Tuche zu verbergen gesucht, und einer Gesichtsfarbe, dic weit brauner war als der schlcchte Kaffee, dcn eine umsichtige Hokerin in einer nahegelegenen Bude zum Dreier die Tasse verkaufte. „Wenn das hicr noch lange dauert, so geh' ich nach Hause," antwortete die Nachbarin, cin vierkantiges untcrschtcs Frauenzimmer von etwa fünf und vierzig Jahren, mit vollen, rothcn Backen, über welche helle Schweitztropfen auf einen Hals und Busen ranncn, von dcnen der Leser gut thun wird, fo schleunig wie möglich seine Blicke abzuwenden. Sie reckte sich vergebens, um etwas mehr zu sehn, als die Kehrscitcn der vor ihr Stehenden, und fluchte mituntcr rccht nachdrücklich, sowohl übcr die unverschamte Neugierde derjcnigcn, dic ihr die Aussicht benahmen, als über manchen Tritt und Stotz, dcnen sic von allcn Scitcn her ausgesetzt war. Wer nicht Zeit zu wartcn Hat, dcr sollte doch ruhiH seiner Wege gehcn, — und wcr von dcr Hinrichtung nichts abbekommt, sollte sich freuen, datz ihm die Puffe und Stohe wenigstens nicht entgehn," licH sich eine tiefe Batzstimme vernehmen. „Nun hör' doch einer,„ — rief die lange magere Frau, >— „ als wenn die Stralen und Platze nicht für Alle waren!" Die Basistimme wendcte sich zu ihrcm Nachbar, einem Mann in blauem Frack und gclben Nankinghosen, der mit dem rechten Auge durch cin kleines Fern-rohr say: „Mit ErlanbniH, mein lieber Herr, — Sie sebcn wahrscheinlich mehr ais wir Andern... Haken Sie doch die Güte, uns zu sagen, was die viele Bedienten in Livrêe mit den langen Florstreifen an den Hüten bedeuten." „Das sind die Leute vom Grasen Brahe, die einen Sarg tragen, den sie vor dem Schaffot niedersetzen," war die Antwort. „Ach den Tausend, — dann ist die Hinrichtung als» wohl schon vorbei? — " „Gott bewahre! die Familie des Grafen Hat nur die Erlaubnitz bckommen, die Leiche abzuholen und sie im Brahe'schen Erbbegrabnitz beizusetzen. Sie haben daher den Sarg gebracht und stellen jetzt alles zur Aufnahme des Leichnams in Ordnung." „Der arme liebe Graf," seufzte die Untersetzte. „Ist der arme Graf schon da?" sragte die Dürre. „Noch nicht, — aber da Hat sich was zu armen: wie man's treibt, so geht'ö," — antwortete die Batzstimme. „Ja, ja, das ist ganz richtig,/, ficl die Magere ein. „Wcnn unser Einer ein Verbrechcn begeht, so must der Kopf herunter, und es kraht weder Huhn noch Hahn danach; das ist so gewist, wie beim Becker die Semmel." „Man sieht doch, daH Recht und Gesetz sur Alle sind,„ meinte die Basistimme." Gott segne die Stande, daH sie ohne Ansehen der Person handeln!" „Amen!/, tönte es im Chor rings umher. „Aber„ >— fiel ein anstandig geklcideter Mann ein, der sich bisher nicht in's Gesprach gcmischt hatte, — „man sagt der König habe sie begnadigen wollen, und namentlich die Königin habe ihrem Hofmarschall und ihrcm Lciufer Schutz versprochen, der Senat und der geheime Auöschnst hatten es jedoch nicht zugegeben..." „Wie recht und billig ist,„ ricf die BaMmme. „Den Lauser hinrichten zu lassen, nachdem er von der Konigin abgcschickt worden, möchte wohl aus gewisse Weise Sünde sein; was aber die andern betrifft, so geschicht ihnen ganz recht! Sic hatten bcsscr bcdcnkcn sollen, was sie thaten; und wenn der Streich ihnen gelnn-geu ware, so hatten sie Senat und Stande «ingebracht. .." „Und die Bank geplündert..." „Und die Stadt angezündet... „ „Und das ganze Mannergeschlecht ausgerottet... „ Diese letzte Beschuldigung wirkte ganz verschieden aus die beiden Franenzimmer, deren Bekanntschaft der Leser bereits gemacht. Die Magere, welche bereits über die Epoche der Leidenschasten hinanS war, nahm die Sache zicmlich kalt, wahrend die Untersctzte, die hier im Gedrange einige handgreifliche Andeutungen bekommen hatte, dast noch nicht alle Hoffnung für sie verloren, den gröstten Abscheu über die Ausrottung des für sie uncntbehrlichen Gefchlechtes an den Tag legte und in die Worte ausbrach: „Herr Jefus, welch' abscheuliche Verbrecher!" Der Himmel weist, wie lange das Gesprach auf dieft Weise noch fortgedauert und mit welchen Missethaten man die Delinquenten noch belastet hatte, wenn nicht der Herr mit den Nankinghosen, der fein Fernglas nur dann unv wann vom Auge nahm, um es mit scinem Schnuvftuch abzuwifchen, plötzlich gerufen hatte: „Still, ihr Freunde! dort kommen sie mit dem Ersten. Das ist wohl Brahe? Ja, richtig; aber mein Gott wie Hat er sich verandert! wie niedergeschlagen und abgetakelt er jetzt auSsieht! Der Hochnmth ist ihm gewist zur Holle vorausgereist." Alle Ohren spitzen sich, alle Augen wurden aufgerissen, jeder Mund schwieg, und man machte sich so lang als man irgend konnte. Kurz vorher ware es kaum möglich gewesen, einen Pistolenschust in dem lauten Gerausch zu horen, — jetzt hatte man daS Gummen einer Mücke vernommcn. Die Untersetzte litt auf alle mögliche Weise. Sie schwitzte — wurde auf Hacken und Hühneraugen getreten,Seiten, in den Rücken, gegen den Magen und gegen die Brust gestosten, — sie verlor das Halstuch im Gedrange, — die Schürze wurde ihr zerrissen: und dennoch sah sie nichts anderes als die Bayonnettfpitzen und die Rücken dccjenigen, dcnen daö Geschick eineu langeren blutet, Die Umgebuug der Königin bebte jetzt nicht nur vor ihrer Ungnade, fondern auch vor dem Glück des königlichcn Vertrauens, welcheö kürzlich so vielen treuen Anhcingeru und Dienern des Hauses das Leben gekostet. Die königlichen Personen und die diensthabenden Herren und Damen sielen sich gegenseitig zur Last. Nur unter vier Augen, oder umgebeu von seinen Kindern und dem Negerknaben legte das königliche Paar den Zwang ab. Fraulein von Knesebeck war die Einzige, der die Königin ihr Herz öffnete; und Fraulein von Knesebeck durfte auch ganz allein als Nichtschwedin die damals höchst gesahrliche Vertraulichkeit der Königin annehmen. An den Tagen, wo der König den Sitzungc?: des RathS beigewohnt, stattete er nach seiner Rückkuuft in Drottningholm der Königin stets einen genauen Bericht von Allem ab, was sich zugetrageu. Die hohen Gatten ahnten wohl, datz ihnen ein Sturm bevorstand, doch wustten sie durchaus nicht, wann und wie er sie treffen würde. Endlich brach das Ungewitter los. Eines schönen TageS brachte der König ein ihm von den Standen zugegangenes Schreiben mit, in welchem mit grellen Farben die Ungelegenheiten geschildert waren, die daraus entstehen, wenn sich Regenten in Staatsangelegenheiten von ihren Gemahlinnen bestimmen laffen und ihnen einen ungehörigen EinfluH sowohl auf ihr öffentliches, als auf ihr Privatleben geftatten. Nach diesen Anspielungen ging das Schreiden direkt auf Louife Ulrike über, und zahlte verschiedene UnregelmaHigkeiten auf, die ihr Benehmen herbeigeführt. Der Brief fchlotz mit der Ermahnung an den Konig, von jetzt an Herr in seinem eigenen Hause zu sein, und mit der Erklarung, dah die Stande die Einmischung der Königin in die Staatsgeschafte weder gut heiden, noch dulden könnten. Freilich waren diesc Eröffnungen sehr bitter, — freilick brach der Zorn der Königin gegen die Schweden in so heftigen Drohungen hervor, dast der srommgesinnte Kbnig im Herzen Gott dankte, dast auster ihm niemand zugegen war als Fraulein Knesebeck und der Mohr, beide eben so wohl Auslander wie das Königspaar: ^— aber nichts desto weniger fiel dein hohen Paar doch 'ein Stein vom Herzen, denn man bildete fich ein, jener donnernde Brief enthalte ein für allemal das letzte Wort und die letzte Kraftausterung, deren die Stande in Bezug auf das miMückte Unternehmen fahig waren. „Das war es also meine Herren!" rief Louise Ulrike — ,/cine lange Reihe von Unverschamtheiten, die zu seiner Zeit schon zurückgezahlt werden sollen! Also das erlaubt man sich gegen unö! — Jch habe es Dir ja immer gesagt, mein Gemahl, diese Grohsprecher würden niemals etwaö Schlimmeres gegen die Schwester Friedrichs des Grost en und die nahe Anverwandte der Kaiserin von Rustland zu unternehmeu wagen. Aber keiner von uns Beiden ware dieser hohen Verwantschaften würdig, wenn wir die frechen Beleidigungen dieser Vermessenen so ruhig hinnahmen. Jetzt ist der Augenblick gekommen diese guten Herren zu zerschmettern, noch ehe sie Zeit haben, sich zu besinnen. Du mustt auf der Stelle eiue Zurechtweisung in das Rathöprotokoll geben, damit sic sehen, wen sie beleidigt haben.— WaS? Du runzelst die Stirn? ... Keine Einwendungen, — will ich hossen.... Eben das wird sie versteinern, wenn Du, nachdem sie sich einbilden, dasj wir über die so eben siattgehabten Ereignisse noch bestürzt sind, stolz und unbeweglich als ihr Herr und König austrittst, und ihre ver-brechcrische Frechhnt mit demselben majestatischen Ernst bestrafst, als ware die Staatsumwalzung gelungen." Der ruheliebende Adolph Friedrich lebteineinem bestandigen Meinungskriege, und fühlte sich, obgleich er König war, fortwahrend in seinen Absichten durchkreuzt, bald durch die machtigen Stande, bald durch dasAnsehen des Senats. Und wenn er sich einmal glücklich mit ihnen aus dem Spiele gezogen, oder wenn er nach verdriehlichen Senatssitzungen in seinem Schlaszimmer Ruhe suchte, so stietz er dort auf die Vorwürse und Ausreizungen seiner Gemahlin, — und der Waffenstillstand, den er ost mit groster Schwierigkeit von den Standen erlangt, wurde von ihr verspottet. Adolph Friedrich sich selbst überlassen, würde bei dieser Gelegenheit die fteilich sehr zornigen Ermahnungen der Stande in dem erwahnten Schreiben ruhig hingenommen haben, und damit hatte die Sache alsdann ihr Ende erreicht; die Königin jedoch, welche voraussetzte, dast die Stande gegenwartig ihre Galle vollstandig geleert, überredete den König, der stets damit endete, ihr den Willen zu thun, sich aufs hohe Pserd zu setzen und harte Worte mit harten Worten zu vergelten. Er trat daher im Senat mit einer langen und bittern Beschwerde gegen das ihm zugegangene Schreiben auf, und der Senat liest diese Beschwerde mit groster BekiimmermH dem Protokoll einverleiben. Nachdem der König sich durch diese Handlung aus einige Augcnblicke den Hausfrieden erkauft, athmete er etwas freier. Die Königin triumphirte, — vielleicht etmas zu früh. Dreizehntes Kapitcl. (^hina bei Drottningholm ist eine Schöpfung Louise Ulrikens. Es ist die Verkörperung und der bildliche Abdruck ihres Charakters und ihrer Launen. Es liegt, wenn man will, etwas Steises, etwas Trockenes, etwas Scharfes, etwas den Athem Hemmendes und die Sinne zum Ernst Stimmendes in dieser Duodezausgabe des groten himmlischen Reiches, aber es überrascht, es fesselt die Einbildung, es macht Eindruck; es ist groHar-tig kleinlich, es ist vollstandig als Bruchstück, es ist eine versteinerte Wciberlaune; es ist wenigstens aus einem GuH und consequent durchgeführt. Obgleich China jetzt schon in einem sechzigjahrigen Wittwenstande lebt, Hat es sich jedoch durch alle Stürme der Zeit und der Staatsumwalzungen hindurch unverletzt erhalten; aber ein Ausdruck von Oede und Leere herrscht in seinen Raumen; sie trauern um die Fee, welche durch einen Wink mit ihrem Zauberstabe die User vom Hoangho an die User des Malarsee's versetzte. Tritt über die Schwelle: der FuHboden, den Du berührst, — der Stuhl, aus welchen Du Dich setzest, daS Porzellain, dessen Feinheit und Farbe Du rühmst, — die Tapeten, die Du betrachtest, — das Dach, welches sich über Dir wdlbt, — die lackirten Tischchen, Consolcn und Zierrathcn: alles ist aus dcm Lande des Confueius. Wohin Du Dich wendest, triffst Du Uebereinstimmung, Styl, System, Eiuheit, Einsörmigkeit, ja Einheit, wie in der Staatskunst eines asiatischen Selbstherrschers, — Einsörmigkeit, wie in dem Privatleben eines Mandarin. Warum setzte das Geschick Louise Ulrike aus einen Thron, der in der That nichts gewahrt, als die Herrschaft über Vergnügungen, Etiquette, Festlickkcitcn, Toilette, UmgangSton u. s. w., >— sie, welche Lust und Krast besatz, einen ganzen Welttheil zu regieren. Jch will, dachte sic, diesen sreiheitstrunkenen Schwedcn wcnigstcns einen schwachen Schimmer von der Physiognomie desjenigen RcicheS geben, wo die Macht des Monarchen eben so uneingeschrankt ist, als sein Wille. Sie wollte... und das L,ustschlosi China erhob sich. Hier trank die stolze Königin an der Seite ihres Gcmahls, umgcben von ihren Kindern und dem Negerknaben, dem Plagegeist des Hoses, dem Hofnarren des Herrscherpaares und dem Spielkameraden der Prinzen eineS Abends den Thee. Der Dust des chinesischen Getranks stieg balsamisch empor, und Geruch und Geschmack sühlten sich aus gleiche Weise besriedigt. In diesem Zufluchtsort war Louise Ulrike gewohnlich bei guter Laune. China war ihr Werk. Hier sührte sie eine unbestrittene, ungetheilte Herrschaft; hier brannte ihr Genie nicht in verheerenden Blitzstrahlen, sondern leuchtete und warmte wie eine milde Sonne. Hier lictz sie sich sogar so weit herab, Weib und Mutter zu sein, lachte mit ihren Kindern, und trieb Scherz mit Personen ihres Geschlechts. Nabte sich jedoch ein Staatsmann, ein Gelehrter, ein Künstler, dann: lebt wohl, meine Kinder! Entschuldigen Sic meine Damen! Der Adlerblick weitz nichts mehr von Eurer Gegenwart. Es ist jetzt die Sache Adolph Friedrich's, die Spielc sortzusetzen, Euch mit dem Vorzeigen und Schenken der gedrechselten Sachen zu unterhalten, deren Ansertigung seinen liebsten Zeitvertrcib bildete und ihm einst die beiJende Antwort des Hosmarschalls Hamilton zuzog, als der König ihm eine Dose schenkte, welche er selbst grdrechselt hatte: „Jch bin Ew. Majestat sehr verbunden; doch würde ich es weit lieber sehen, wenn Ew. Majestat nicht ein Drechsler, sondern ein Goldschmied waren." Ueber Literatur und Wissenschaften vergiet Louise Ulrike alles Andere. Sie handelt mit Schesser, Höpken und Rudenschöld StaatSsachen ab; sie vertieft sich mit Linnê in Flora's Blumengesilde; sie spricht von Wappenlehre mit Tilas; sie solgt Klingenstjerna in seinen Berechnungen; sie sorscht mit Bot in und Lagerbring in den Büchern der Geschichte; sie geht mit Jhre und Sotberg bis aus die Wurzelu der Sprachen zurück; sie ersorscht das Jnnere der Erde mit Bergman; sie latzt ihrem Gelachter freien Laus bei Dalin's gereimten Gelegenheitsgedichten, und sindet Vergnügeu an Löfvenskjöld's Versen. Es gab sogar eine Zeit, w» sie mit Tessin dachte, ja mein Leser, „dachte," insofern Voltaire nicht nur ein Witzwort gemacht Hat, als er schrieb: "wenn man die Briese der Kaiserin von Ru hland (Eatharina II.), des Königs von Preuhen nes, da er es hier im Schootze seiner Familie eben so behaglich fand; die Königin stimmte für Drottningholm, da sie nicht gesonnen war, Personen in ihr Heiligthum eindringen zu lassen, die sie nicht leiden konnte. Wenn die hohen Gatten getheiiter Meinung waren, so machte sich zulctzt immer die der Königin geltend. Sie kehrten daher nach dein Schlosi zurück. Unterwegs ausierte die Königin ihre Frende darüber, daH das kühne Austreten des Königs im Senat einc so gnte Wirknng hervorgebracht, welches daraus hervorginge, datz die einslnHreichsten Mitglieder des Reichstages, die seit der nnglücklichen Verschwörnng nicht mehr daran gedacht, ihre Auswartung bei Hose zu machen, sich jetzt wieder einstellten, in der Absicht, wie sie vermuthete, sich die Gunst ihres Herrscherpaares wieder zu erwerben. Es komme jetzt daraus an, mcinte die Königin, sich nicht ^u eisiig zu zeigen, die Herren wieder zu Gnaden anzunehmen, sondern sie eine gehorige Zcit warteu zu lassen, ehe man ihnen den Vortritt gewahre. So geschal) es auch. Die Reichstagsmitglieder, die bald deö Wartens überdriissig wurden, lieden endlich durch den Kammerherrn melden, sie kamen von Seiten des Senats, und zwar mit einem sehr wichtigen Austrage. Diese Meldung beschleunigte ihren Empsang. Die Abgesandten waren der Gras Fersen, der Propst Palmarus, der Burgemeister Aulevill und Olos Hokansson. Ihr niedergeschlagenes Aussehen bestarkte die Königin in der Vermuthung, sie seien gekommen um sich aus gewisse Weise zu entschuldigen, dah sie jedoch sürchteten, eben nicht gnadig ausgenommen zu werden. Der Irrtbum wurde ihr indest bald genommen. Fcr^cn zeigte ein Protokoll des geheimen Zlusschusses vor, in welchem den Abgeordneten der Anftrag ertheilt war, der Königin die Kronjnwelen abznsordern, von denen sie, eingegangenen Nachrick'ten zustlge, einen Theil verkauft und einen andern Theil in Schweden sowohl wie im Anslande versetzt hciben sollte. Es ist unmöglick, Adolph Friedrich's Verlegenheit und die Wuth der Königin über diesen Schritt des Senats zu sckildern. Die Ansbriiche dieser Wuth sind weltbekannt; sie haben ein Blatt in der Geschichte. Die Königin ergoh sich in den bittersten Norwnrfen und Drohnngen gegen die Schweden im Allgemcinen, und gegen den geheimen Anêschns?, den Senat und die Stande im Beionderen. Sie l'creute, ibr glnckliches Naterland verlassen zu haben, um nnter Unruhe, Knmmer, Beleidigungen und Widerwartigkeiten aller Art die kalte Lust des NordenS zu athmen, die schwedische Dornenkrone zu tragen und sich von aufsatzigen Unterthanen miszhandeln zu lassen. Der Gras Fersen, welcher das Wort fiihrte, vertheidigte die Stande mit Ernst, aber mit Rnhe gegen die Beschuldigungen der Königin. Er zeigte, dah der Schritt, wozu man sich gegenwartig genöthigt gesehen, durch die Königin selbst veranla^t worden, indem die Untersuckung der Hochverratherei ergeben, datz man die Verschworenen mit Geld erkauft uud besoldet habe, welches die Königin grö^tentheils durch das Verkaufen von Juwelen und edlen Steinen herbeigeschafft, die nicht ihr, sondern der Krone gehörten. Ihre Majestaten sollten darin viel- mehr cincn Beweiö von Nachsicht uno den LLunsch dcs Senates erblicken, mcintc er, dein kdniglichen Hause grotere Unannehmlichkcitcn zu ersparcn, indcm der Senat sich auf eine Maastregel beschrcinkc, die nur bezwecke, ferneren verderbiichcn Ansck)lagen gegen den Staat vorzubeugen, und sic sollten es dein geheimen Ausschusse Dank wissen, dah er sich mit der Bestrafung der verl'recherischen Werkzeuge begnügt, ohne die Anstister des Hochverrathes, die man durch Verhör sehr wohl kennen gelernt, zur Untersuchung zu ziehen. Fersen deutete endlich an, datz eine billige Berücksichtigung der unterthauigen Norstellung dcs Senates, der König moge seinem hohen Bcrufc ohne fremdeEinmischnng nachkommen, ihm die Unannehmlichkeit des gegenwartigen AugeublickS crspart habeu würde; und er —Fersen — sehe sogar voraus, dah, wenn dicse Warnung seruer unberücksichtigt blcibe; man leicht zu noch strengeren MaHregeln schreiten dürste, ohne datz er sich erlaubeu wolle, iu diesem Augeublick anzudeuteu, welches das letzte Mittel sei, und wohin die Sorge sur die Aufrechthaltung der Staatsversassung und des bcschworenen Grundgesetzes die Stande noch führen dürste. Diese Eröffnuugen, anstatt die Königin zur Besinnung zu bringeu, reizten sie nur uock) mehr aus. Die verstohlenen, verlegenen unv bittenden Blicke und Winke des Königs vermochten nicht, den Ausbruch ihres ZorueS zu hemmen. Und so war es nur der König, welcher durch diese, gegen seine Gemahliu gerichtete Ma§regel litt, und der über ihren Zorn erschrack; dcnn die Abge- sandten der Stande fürchtetcn sich keineswegs, als Louise Ulrike mit der Ungnade ihreö köuiglichen Bruders drohte. Die Kommission entfernte sich, nachdem sic sich ihres Auftrages entledigt. Aus der Spannung, ia welcher beide Partheien sich trennten, war leicht zu entnehnehmen, daH man auf der einen Seite die Bemühungen nicht einstellen würde, die königliche Gewalt auszudehnen, auf der andern aber die nicht, sie in den gesetzmaHigen Schranken zu erhalten, damit die unglücklichen Zeiten Carl'S Xll. nicht wiederkehrten. Seit dem Augenblick des Einforderns der Kronjnwelen nahm die üble Laune der Königin mit jedem Tage zu. Die Hofleute wurden gcmihhandelt, bald dafür, daH sie in der Vertheidigung der Rechte der Königin zu lau uud in ihrem HaH gegen die siegende Reichstagsparthei nicht schars genug waren; bald darüber, dah sie sich eine Aeuherung über Dinge erlaubten, deren Besprechung nur ihr, der Königin, zustande. Der König, der auf der einen Seite durch die Verwünschungen seiner Gemahlin über seine Unentschlossenheit und ihre Aufreizuug zu KraftauHerungen, von der andern Seite durch dcs Senats, des geheimen Auèschusses und der Stande Mitztrauen, Warnungen vor dem Uebertreten dcs Grundgesetzes und Erinnerungen an die Königsversicherung und den Königseid gedrangt wurde, war nichts weniger als glücklich unter der Bürde semes Purpurs und im Glanze der Majestat. Nur die Liebkosungen ihrer beiden jüngsten Kinder vermochten zuweilen den Sinn der Königin etwas zu mildern, wohingegen eine höhnische Freude aus ihren Augen leuchtete, wenn irgend eincr dcr ihr unangenehmen Manner und einfluhreichen Senatsmitglieder in der Gegenwart des ganzen Hofes von Bad in mit Unverschamtheit und Schimpfwortern übcrhaust wnrde. Jhre beiden attesten Söhne nannte die Konigin von jetzt an ,/Jhre Racher;" sic ermahnte den Kronprinzen Gustav, dereinst ein wirklicher und nicht ein Scheinkönig zu werden, welcher Ermahnung dcr Knabe mchr Ausmerksamkeit schenkte, als man wünschen und von einem Kinde seines Alters erwarten konnte; und sie auherte zuCarl, dcr weder seines alteren BruderS Geist, noch seines jüngern Bruders Herzlichkcit bcsa^: ,/Du Carl, wirst Deinem Bruder Gustav in seincm grohen Untcrnehmcn, seine Mutter zu rachen, bci-stchen." Dicse Worte bcgriff zwar der achtjabrige Prinz noch nicht; aber das Geschick zeichnete sic auf und die Zukunft gab ihncn Bcdeutung. Es verdient noch angeführt zu werden, datz die beiden attesten KönigSkinder mchr ihrer Mutter glichen, und daher mehr Kops hatten, — wohingegen den beiden jüngsten, die mchr ihrcm Vater glichen, mchr Herz zu Theil geworden eigenen Gouverneurs, war einer der Eifrigsten, die sur deu Krieg stimmten./, „Die Uudankbaren, — das sollen sie schon noch bereuen!„ — rief die Königin. „Ich werde meinen Bruder von /edem ihrer Schrikte unterrichten. Sie wollen Krieg? — Wohlan! sie sollen ihn haben; aber ohne Siege, dafür stehe ich ihnen." Und sie hielt Wort. Die KriegSerklarung gegen Preusien blieb jedoch nicht die einzige Aufforderung welche Louise Ulrike bekam, ihr Benehmen zu andern. Es stand ihr noch eine ganz andere und persönliche Unannehmlichkeit bevor. Die Rollen der Gekrönten und der Handküssenden schienen jctzt vertauscht. Es erregte grosies Aufsehen auf Drottningholm, als eines Tages der Erzbischos, begleitet von vier Geistlichen, im Schlosse erschien, und in einer wichtigen Angelegenheit Vortritt bei Ihrer Majestat der Königin verlangte. „Was mogen die würdigen Vater von mir wollen?// rief die Königin überrascht und verwundert, als die geistlichen Herren ihr gemeldet wurden. „Bilden sie sich vielleicht ein, ich beabsichtige wie CatharinaJagellonica, die katholische Religion wieder einzuführen; oder fürchten sie vielleicht, ich wolle meine Krone, meinen Gemahl und mcine Kinder verlassen, um in Rom wie Christine den Pantoffel deö Papstes zu kussen? Ich bm in der That sattelsester in meinem protestantischen Glauben, als sie vielleicht denken, und habe nicht das geringste Verlangen mich in die Gewalt deS heiliaen Va- 6' ters zu gebcn. Auf jeden Fall werde ich mich wvhl mit christlicher Geduld wappnen und den geistlichen Herren den Vortritt bewilligen mussen." Kein Stand vermag in einem Staate mehr Einflust auf den Thron zu üben, als der geistliche wenn er will, und wenn er mit Ernst und Einigkeit handelt. In der Haltung der schwedischen Geistlichkeit damaliger Zeit lag autzerdem noch etwas ganz besonders Ehrfurchtgebietendes. Einfach und frei von jeglichem Prunk war ihre Kleidnng, — warm, kraftig, würdig und patriotisch ihre Sprache, rein und einfach ihre Sitten. «ie kannte die Wichtigkeit ihres Beruf's, die Ausdehnung ihrer Rechte und die Höhe ihres Standpunktes im Staate, cine Höhe, von welcher sie in demselben Verhaltnitz herabstieg, in welchem es dem Königthume gelang, sie für sich zu gewinnen und mit auHeren Gnadenzeichen zu überhaufen. Kein Wunder daher, daH Louise Uirike dem Priesterstands die Leetion zu gute hielt, der sie bestimmt mit Zorn entgegen getreten ware, wenn irgend ein anderer Stand sie ihr hatte ertheilen wollen, ^cin bunder, dasi ihr fehr viel daran gelegen war, die Geistlichen durch nichts verletzt zu sehen, weshalb sie fvgar Badin verbot, sich diesmal zu zeigen, damit keiner durch feine plumpen Spa^e erzürnt würde. Diese kleine Fürsorge vermochte jedoch nicht den Kelch an ihr vorüber zu füh. ren, der ihr bei dieser Gelegenheit durch den Priesterstand gereicht wurde, und dessen bittern Jnhalt sie bis auf die Neige leeren mu^te. Die Abgefaudten betamen Vortritt und waren: der Erzbischof Heinrich Benzelius, der das Wort führte, — dr'e Bischöfe Troilius und Beronius, so wie dcr Professor Mennander, welche alle drei nacheinander dem Erzbischof Benzelius in der höchsten geistlichen Würde solgten, — und derPropst Palmarus. Sic überreichten der Königin daS unvergehliche Schreiden der Priesterstands vom 3. August welches von san?mtlichen Reichstagsnutgliedern des Priesterstandes, vom Sprccher an bis zum geringsten Geistlichen hinab unterzeichnet war. In diesem >var wit den lebhastesten und treffendsten Farben die Bemühung dcr Königin ausgemalt, die StaatSverfassung zu stürzen und die Macht des Königs zu erweitern, — (die Vorstellung gründete sich auf die Aussagen Brahe's und Horns, welche sie kurz vor ihrer Abführung nach dem Richtplatze zu Protokoll gegeben hatten); es enthielt alle ihre Plane zur Hervorbringung von Spaltungen in dem Senat und den Standen, — zur Veranstaltung von Volksauflciufen, — zur Aufwiegelung der Studenten in Upsala, — zur Versiihrung der stockholmer Garnison und tausend andere, sic blosistellende Dinge. "Dieser Art,// — hietz es in dem erwahnten Schreiben, — sind die betrübenden Angaben, welche die Hochverrather zu Protokoll geliefert, als sie im Begriff standen, vor den Richterstuhl deö Allwissenden zu treten. Der Priesterstand darf vermuthen, dasi Ew. Majestat selbst bei reiferer Ueberlegung und ruhigerer Sinnesstimniung bcreits Abscheu vor diesem Unternchmen hegen werden. Die KenntnH der Krankheit mu§ vorangehen, bevor dienliche Mittel gegeu dieselde angewendet wcrdcn konnen. Ew. Majestat werden daber gestattcn, daH wir mit dcr Freimüthigkeit und Ausrichtigkcit, wie es den Dienern des Herrn gezicmt, die Quellen ausdckkcn, aus denen der Umstand sich herleitet, da^ Ew. Majestat Herz sich von Gesetz und Volk abgewendet. Die menschliche Natur ist durch die Sucht gesallen, nach cigenem Gntdünken zu thnn und za lassen; dies ist eine Versnchung, der hohe Personen am meisten ausgesetzt sind, und der sie auch am hausigsten erliegen. Bei Ew. Majestat ist noch hinzugekommen, daH Hochdieselben losen Personen und üblen Rathgebern Jhr Vertrauen geschenkt, die es dazu benutzt haben, Senat und Stande zu verschwarzen. Aber dcr Priesterstand ist mit grotzem Bedanern genöthigt, noch wciter zu gehen. In den oben erwahnten Aussagen der Hochverrather kommen Angaben vor, welche beweisen, da§ Ew. Majestat, als sie damit umgingen, die bcschworne Rcgiernngssorm zu andern, die Pflichten bei Seite sctzten, wclche Ew. Majcstat gegcn Gott, Seine Majestat den König, gegen sich selbst und gegen das Rcich habcn. Gott vcrlangt die Ersüllung scincr Gebote, und er will, dah jcdcr in seinen Gerechtsamen gelassen und geschützt werde. Wer dagegen handelt, bricht die Gesetze Gottes und des Staates, so wie alle durch bindende Eide cingegangene Verpflichtnngen, was Gott in dcr heiligen Schrift schwer zu rcichcn droht. ZDbglcich Andcrc ausgcrcizt wordcn sind, so sallt doch die Sünde aus das Haupt dcr Anstifter zurück, und das Blut der kürzlich Hingerichteten schreit Rache über diejenigen, welche die Ursach ihres Todes sind. Dcr Höchste Hat Ew. Königlichc Majcstat mit viclcn hcrrlichen Ei- gcnschciften gesegnet. Moge er alles so leiten, dasi echte Gottesfurcht und Liebe zum Vaterlande, die hervorstechendste unter ihnen sei! Dcr Herr, der Ew. Majestüt mit hohem Verstande und vielen Kenntnissen ausgestattet, moge Ew. Majestat die Einsicht verleihen, datz Gottesfurcht die einzige Weisheit, und das Böse fliehen dcr beste Verstand ist u. f. w." In dicsem Gcist und Styl war das ganze Schreibcn abgefatzt. Zum erstcnmal in ihrem Leben beherrschte Louise Ulrike ihren Zorn; sie hörte die Abgeordneten des Priestcrstandcs mit schcinbarcr Ruhe an, bebandelte sie würdig, ja sogar mit Artigkeit, und versprach dem Pricstcrstande eine schriftliche Antwort, von der sie hoffte, datz die ehrwiirdigen Bater damit zufrieden fein würden; auch empfahl sie beim Abschiednehmen sich, ihrcn Geinahl und ihrc Kinder dcr Frcundschaft und Fürbittc des Pri«sterstandes. Nachdem die erftc Hitze bei Louise Ulrike vorüber war, überdachte sie die Stellung, in welcher sie sich gcgcnwcittig befand, und beschlosi nachzugeben. Mehr Geist als sie, Hat nicmals eine königlichc Pcrson in Schweden (Gustav II!. nicht einmal ausgcnommcn) wcdcr vor noch uach ihr gehabtz und es konnte vaher nicht fchlcn, da^, als ihr Unwillc sich gelcgt, sie gleich die richtige Art und Wcisc herausfand, sich in die fchwierigen Umstande zu schicken. Sic hattc auf das Gclingcn der Verschwornng gehofft, und dicse war im eigenen Blut dcr Verschwörer crtrankt wordcn. Sic hattc geglaubt, dcr Name ihrcs groten Bruders würde den cinen Theil ihrer Untcrthancn hinreihen und dcn andern erschreckcn; aber die Drohungen hatten zur Nache ausgereizt, anstatt Furcht einzuflösien. Für den Augenblick war an Trvtz nicht weiter zu deuken; man muhte sick auf Verstellung lcgcn und die herrschsücktigen Plane einstweilen ruben laffen. In einem Gesprach unter vier Augen mit ihrem Gemahl gab sie wie gewöbnlich ibren Gesühlen und Gedanken freien Laus. Hieranf setzte sie sich nieder, um folgende Antwort an den Priesterstand auszusetzen, die eins der merkwürdigsten Doeumente in der Eeschichte bildet: „Jch kann nicht anders, als den Eiser des Herrn ErzbischoseS und des würdigen Priesterstankes zu Gotles Ehre, so wie die reifiich erwogenen Vorstellungen, die Mein und deS Reicheö Heil betreffen, mit besonderem Woblgefallen ausnebmen. Jch werde in dieser Beziebung auch keine Mübe sparen, und hoffe mit Gottes Hülse unv durch seinen Beistand mein Ziel zu erreichen; wobei ich zu gleicher Zeit eine besondere Abneigung gegeu all' der-gleichen kürzlich durch Gottes Gnade entteckte schadliche Anschlage zu erkennen gebe. Louise Ulrike.» Welcher Rückbalt in diesen Verpflichtungen! Welche Zweideutigkeit in diesen Bekenntnissen! Fünfzehntes Kapitel. Aus einer schmalen Landzunge am südlichen User des Wettersees, umgeben von dunklen Tanncn, von frischgrüncm Laubholz und von unzahligen freundlichen Landhausern, liegt eine kleine Stadt, deren Sauberkeit anf Wohlstand, nicht aus Neichthum, deutet, und deren romantische Lage und entzückende, an die Schweiz erinnernde Umgebungen die Anfmerksamkcit des Reisenden fesseln und auch die des Lesers aus sich ziehen würden, wenn wir im Stande waren, anf einige Augenblicke unsere Feder mit der des Verfassers der „Blume von Kinnekulle,/, oder mit der der Versasserin der ,/Ruinen am Br ahehaus" zu vertauschen. Dicse kleine Stadt heitzt Jönköping. Obgleich es ringS um dieselbe keinen Punkt giebt, der nicht die reizendste Aussicht gewahrte, so ist doch diejenige, welche man von den herrlichen Höhen im Osten und Norden der Stadt geniest, und zwar besonders von der Stelle aus, wo der Weg von Stockholm sich theilt, um nach Eksjö und Grenna zu führen, noch mehr aber die vom Dunkeberg aus, an dessen steilen Abhangen die halsbrechende Stratze von Westgothland hinführt, allen andern Aussichten vorzuziehn. nahmcn die Mittheilungen der beiden Freunde eine ganz andere Farbe an. /,Nun," ^ begann Curt, "Du reisest also wirklich zum ReichStag?" „Ja," versetzte Pechlin trocken. „Trotz dem Du für denselben keine Stimmenmehrheit erhalten?" „Dummes Zeug! In Staatssachen habe ich immer nur das vorgesteckte Ziel vor Augen. Diesmal fehlte mir eine Stimme; um so mehr kanu ich hossen, das nachstemal einige mehr zu bekommen." „Dieser Reichstag ist gerade der, welchen zu besuchen ich am wenigsten versucht sein würde." ,/Warum daS, Bruder Curt?" ,/Kannst Du stagen? Krochen nicht die Stande schon das letzte Mal zu Kreuz und baten die Königin um die Vermittelung eines Friedens mit ihrem Bruder, nachdem wir durch Verratherei um unsere Siege gebracht worden, uns lacherlich vor der Welt gemacht und Geld und Blut umsonst verschwendet hatten. Und als wir den abscheulichen Frieden betamen, den Preuhe» vielleicht mehr bedurfte als wir, wie wurde sie da gepriesen!... Ich kann ohne Verdrufi nicht daran denken.... Durch die Vermahlung des Kronprinzen mit Danemarks KdnigStochter bekommt die Hofparthei jetzt autzerdem noch mehr Oberwasser." „Das wird sich finden! Ich habe meine eigenen Gedanken über die Sache. Die Kronvrinzessin soll schön und hochmüthig sein. Es wird daher auf jeden Fall zwischen ihr und der Schwiegermutter ein gespanntes VerhaltniH cintretcn, und dabei ist immer etwas zu gewinnen, wenn man die Sache richtig ansangt." "Nur nicht srüher, als bis der Vermahlungsrausch ausgeschlasen ist. Bei unsern lieben Landsleuten ist das Entzückungsfieber sehr stark, obgleich schnell vorübergehend. Der Kronprinz ist in die herrschsüchtigen Plane seiner Mutter eingeweiht. Sie machen mit dem schwachen Könige was ihnen beliebt, und sie werden nicht unterlassen, den Freudenrausch der Vermahlungsseierlichkeiten zu ihrem Vortheil zu benutzen.,, "Ich möchte das an Ort und Stelle mit eigenen Augen sehen. Diesmal gehe ich vielleicht nur hin, um Beobachtungen anzustellen; man handelt spater mit um so gröherer Sicherheit. Ich möckte wohl Sinklaire's unüberlegte Ausbrüche über die schone Braut hdren, und sehen, welchen Eindruck dieS aus die Schwiegermutter hervorbringt, die seit lange ein Auge aus ihn geworsen. Gelingt es, sie eisersüchtig zu machen, so ist die Hosparthei bald gesprengt, denn Sinklaire ist ihr hauptsachlichstes Werkzeug! „So lange die „Mützen" das Uebergewicht haben, kann Sinklaire nie aus einen grünen Zweig kommen." "So lange ist er aber gerade am gesahrlichsten. Wenn seine eigene Parthei, die „Hüte," Wind in den Segeln hatte, würde man kaum merken, datz er zu ihnen gehort. Der Hof bedürste seiner alsdann nicht, und er ist nicht einer von denjenigen, deren Flügel stark genug sind, um auf eigene Hand fliegen zu können. >/ ,/Und Du solltest zum ReichStage gehen, um einen Sinklaire zu studiren, um die Wirkungen der schonen Augen eines Frauenzimmers zu erforschen und den Faden zu einigen elenden Hofkabalen aufzusuchen? Es fehlte nur noch, daH Du Dich auch mit dem Hofnarren Bad in in Verbindung setztest." „Wenn dadurch etwas auSzurichten ware, — warum nicht? Deine Hitze leitet Dich zuweilen irre, Bruder Curt; Du musit durch meine Ruhe abgekühlt werden, wie Gnstav Adolph durch Orenstjerna's." „Aha, — Du willst mich durch Schmeichelei bestechen! Jetzt geht mir ein Licht auf. Sicher haft Du einen Wunsch, den ich Dir erfüllen soll. Was ist Deine Absicht, Pechlin; was verlangst Du von mir?" „Ich wollte Dir vorschlagen, mir Gesellschast zu leisten." „Wo denn? Anten in Deinem Garten?" „Nein, — oben in Stockholm." „Du scherzest!" „Es ist mein vollkommener Ernst. Ich bin ganz Deiner Ansicht, dah sich für den Staat wenig ausrichten laft, che der Vermahlungsrausch vorüber. Unterdch Hat man um so mehr Zeit, seine Privat-Angelegenheiten auf den Fust zu bringen, auf welchem sie stehen mussen. Dir, Bruder Curt, ist bisher noch nicht Gerechtigkeit widerfahren. Jetzt ist der Augenblick gekommen, Deine Verdienste geltend zu machen. Wir haben Freunde, fowohl gemeinschaftliche als jeder für sich. Jhre vereinte Wirksamkeit kann nicht verfehlen zum Ziele zu führen, da jetzt die Hüte, dieft Rankemacher, aus dem Felde geschlagen sind, uud das auf lange Zeit, wie ich hoffe. Wettersee nicht so genau wissen. Folge mir nach Stockholm, und wir werden bald dahinter kommen, ob die Münze vollwichtig ist" ,/Jch werde mir die Sache überlegen." Der Adjutant trat Mt ein, um dem Generale einige Eachen zur Unterschrifr vorzulegen, und das Gesprach ging anf Gegenstande ohne Bedeutung über. Acht Tage spater hielt Pechlin's Reisewagen in Jönköving vor dem Hause,- welches Curt bewohnte. Der General war nicht erft ausgestiegen; bald darauf satz Curt an der Seite seines Freundes, und der Wagen rollte zum Ostthore hinaus der Hauhtstadt zu. Sechszehntes Kapitel. ^aS Beilager dcs schwedischen Kronprinzen Gustav aus dem Hause Holstein-Gottorp, mit der danischen Kronprinzessin Sophie Magdalene wurde durch eine lange Rcihe von Festen und Lustbarkeiten gefeiert. Bald war es ein prachtiges Banket, bald eine Jlluminativn der Residenz oder der Parkanlagen der Lustsck)lösser, bald ein Ball, eine Maskerade, ein Concert, eine grotzc GalaOper, bald eine Cour bei den Neuvermahltcn oder ihren Aitcrn. Alles war Freude und Fröhlichkcit. Der Hof jubilirte beim Donner der Kanonen, — das Volk ergotz sich in Segnungen und satztc neue Hoffnungen. Nicmandes Freude war jedoch so herzlich und ungetrübt als die des guten Konigs; sie spiegelte sich deutlich in den Blicken, mit welcheu er seine schone Schwiegertochter betrachtete, und sie fühlte, daH sie in ihm einen zweiten Vater an der Stelle desjcnigcn gesunden hatte, den sie jüngst verlor. In dem Charakter der Königin war jedoch nichts von Zartlichkeit auszusindcn. Die Vermahlung ihres altesten Sohncs mit der Königstochtcr dcs Nachbarstaates war ihr aus politischcn Gründen zwar angenehm, doch konute und wollte sic nicht vergessen, dast sie selbst als Mutter, Konigiu und Genie die Erste im Reiche war. Mit grötzter Strenge musterte sic das Aussehen, das Benebmen und die intclleetuellen Eigenschaften der Kronprinzessin, fand zu wenig Leben in dem Ersten, zu viel Schüchternheit in dem Andern und zu wenig Hervorstechendes in dem Letztgenannten. Sie zeigte ihrer Schwiegertochter recht deutlich ihre Unzusriedenheit, und diese wurde dadurch in der Gegenwart ihrer Schwiegermutter nur noch besangener und zurückhaltender. Der Kronprinz überschüttete seine junge Gemablin mir Verbindlichkeiten, aber die echte Liebe ergictzt sich nicht in zierlichen Phrasen, begleitet von theatralischen Geberden. Ter Ehestand war für den zwanzigjahrigen Gustav noch etwas zu Neues, zu Fremdes. Noch Iüngling, mit allen poetischen Tborheiten seines Alters, war er schon Ehemann, mit der ganzen Prosa dieses Verhaltnisses. Armer Gustav! Die Prüfung ware wohl selbst für einen Jüngling aus dem grotzen Haufen fchwierig gewesen, und Du standest bereits mit einem FuH auf dem Thrvne! Viellcicht war es die Pslicht, welche die Liebe, dieses Götterkind der Phantasie, welches nur Freiheit, Wechsel und Hindernissen lebt, tödtete. AuHerdem war die Konigin so wenig zurückhaltend mit ihren Anmerkungen über den Anstand und das Benebmen der jungen Fürstin, und der Sohn, bisher daran gewohnt, nur durch die Augen seiner Mutter zu sehen, konnte nicht leugnen, daH eine und die andere jener Anmerkungen richtig war. Anders stand es mit dem auf den Kronprinz folgcnden, zwei Jahr jüngeren Bruder. Für ihn war die schone Schwagerin cin Tegenstand der lebhastesten Verehrung. Er nahm es nicht so genau mit dem Geiste, obgleich man, ohne ungerecht zu sein, der Kronprinzessin keineswegs einen gesunden Verstand und ein feines Urthcil absprechen kann, — und sic hatte kein Recht auf seine Liebe. Sie war, mit einem Wort, nicht seine Frau. Ein Vers von Destouches in seinem „?dii«!joi>ko lu-tl'iè" fand hier seine vollkommene Anwendung: „0uiz mms vs poiiit, Monsieur, v'sst Is kruit dsksncku. Lt voils Mstsment os ciui nous affrisncks. I'armi viu^t Iions rs^outs^ Is plus grossiers visncks Yus I'ou nis 6elsn6rsit eonstammsnt 6s xoütsr Ssrait Is ssul moros»» qui pourrsit me tsntsr." Die beiden andern Königskinder waren noch viel zu jung. um das zu verstehen, was um sie «her vorging. ^riedrich Adolph und Sophie Albertine waren Engel geworden, wenn das Geschick sie unter andern Verhaltnissen hatte geboren werden lassen. Das Halbgeschost im westlichen Flügel des Stockholmer Schlosses scheint von je her der Wohnort der kömglichen Günstlinge gewesen zu sein. Beylon, der Effent non svouê wahrend der Regierung Adolph Friedrich's und zu Ansange der von Gustav lil., mufte sich mit einigen Zimmern in jenem Halbgeschotz begnngen, bis Gustav ihm das kleine, nette LandhauS bei Ulriködahl schenkte, welches nach seinem Besitzer benannt, und in spateren Zeiten als Sommerresidenz des russischen Gesandten, Generals Such telen, berühmt wurde. 7 Beylon war ein anHerst kluger und aufgeklarter Mann, ein mehr als gewöhnlich belesener Vorleser. Seine ausgczeichnetesten Eigenschaften waren Zuverlassigkeit, Vorsichtigkeit und Verschwiegenheit, welcher Art die Ge- « heimnisse auch sein mochten, die man ihm anvertraut. Er war der Vertraute sammtlicher Mitglieder des königlichen Hauses, ohne dem Einen mitzutheilen, was er vom Andern wutzte. Sein Charakter, seine Ansichten und Gewohnheiten glichen sehr denen seines Zeitgenossen Stru en- ^ see, dessen trügerisches Glück ebenfalls damit begann, > dah er die Stelle eineö Vorlesers erhielt. Aber der » Vorleser Beylon hatte die heilsame Klugheit, me etwas ! t Anderes als Vorleser scheinen zu wollen, wohingegcn der Arzt und Vorleser Struenfe e die gesahrliche Ei- ! telkeit besaH, sich als regierender Günstling und allmachttger z Minister zu brüsten. Daher standen aber auch an dem Sterbebette des schwedischen Vorlesers trauernde Senatoren, wahrend der Scharfrichter die verstümmelten Glie- -! der der danischen Ereellenz aus's Rad flocht. Beide waren Manner von ausgezeichneter Bildung und aufgeklarter Denkungsart, — beide den Freuden der Tafel ergeben. Es waren die Folgen der Wllerei, welche Beylon ! in ein frühes Grab legten. Nach einem auSgesucht seinen Diner, welches Bey- » lon in seinen Zimmern einigen Freunden der Stockhol- ! mer Kaufmannschast gegeben, einem Diner, bei welchem man auch nicht verabsciumt hatte, der Flasche gehörig « zuzusprechen, lag der Wirth, nachdem seine Gaste sich entfernt, auf dem weichen Sopha und blatterte zur Ver- !> dauung in Rousseau's, seines Landsmann's, „Emil." Ein wollüstiger Mittagsschlummer war auf seine Augenlider gesunken und hatte ihm bereits das herrliche Erziehungssystem jeneS berühmten Philosophen auü der Hand genommen, als Beylon durch ein leises Klopfen au der Thür aufgeschreckt wurde. Mit einem Sprunge stand er auf den Beinen, rieb sich den Schlaf aus den Augen, und eilte nach der Thür, um sie zu offuen; denn die Art und Weise des Klopfens schien ihm bekannt. Er hatte sich nicht getauscht; — es war der König, welcher eintrat, so freundlich und ungekünstelt, wie er stets war, wenn er unter erprobten Dienern, die er zu seinen Freunden zahlte, die Bürde der Etikette abwarf, oder wenn Lonise Ulrike es zuwcilen für gut fand, ihren majestatischen Stolz gegen die Liebenswürdigkeit ihres glanzenden VerstandeS zu vertauschen. //Die Königin wird Dich jetzt doch wohl nicht rufen lassen, lieber Beylon?" fragte der König, indem er sich auf das Sopha setzte, vor welchem der Vorleser stehen blieb. "Nein, Jhre Majestat. Jhre Majestat die Königin befiehlt heut meine unterthanigste Aufwartung nicht vor der gewöhnlichen Zeit." -/Gut. Jch wollte Dich um etwas fragen, — doch muh die Sache ganzlich unter uns bleiben, verstehst Du? // //Ew. Majestat haben zu befehlen und können sich aus meinen unverbrüchlichen Gehorsam verlassen." "Jst ê Königin mit ihrer Schwiegertochter zusrieden? — Jst Gustav mit seiner Frau glücklich?" //Ohne gegen die Wahrheit zu verstoken," versetzte 7* Beylon nachdenklich und mit Ernst, „glaube ich ans ' beide Fragen mit Ja antworten zu können. Bei den l hohen Vollkommenheiten, die Jhre Majestat besitzt, ist « eS sast unmöglich, nicht wenigstens einige davon bei « Andern zu vermissen, die Königin vergleiche sich mit wem sie wolle. Wenn nun Jhre Majestat — (von lauter Personen umgeben, die sie ihres hohen Vertrauens würdig befunden) — ein wenig Ungeduld autzert, so dürfte > dies wohl nur aus Rechnung ihrer müttcrlichcn Zartlich- ^ keit zu setzen sein; und da Jhre Königliche Hoheit anszer ° ihrer seltenen Schönheit eine Menge liebcnSwürdiger Ei- » genschasten besitzt, die Aller Herzen gewinnen, wèlche die Gnade geniehen, sich ihrer hohen Person zu nahen, so l kann man sur ausgemacht annehmen, dasi die Prinzessin sich nach und nach bei Ihrer Majestat in dieselbe Gunst setzen wird, in welcher sie beim ganzen schwedischen und l. danischen Volke steht, da der tagliche Umgang mit Ihrer > Majestat, der Anblick ihres Benehmens und das Anhö- ^ ren der Lebensregeln, welche die Königin nicht müde ji wird in ihrer grosien Weisheit zu ertheilen, unsehlbar die Vollkommenheiten zur Reise bringen werden, die sich « bei Ihrer Königlichen Hoheit vielleicht noch nicht voll-> standig entsalteten. Dcch der Kronprinz glücklich ist, und l> seine Gemahlin verehrt, so viel sich dies in seinem Alter thun laht, kann nicht bestritten werden. Die Prinzessin scheint auch über die ausgesuchte Ausmerksamkcit ihres Gemahls ganz entzückt zu sein. Je mehr Me König- tz lichen Hoheiten einander kennen und verDhen lernen ! werden, desto lebhaster wird natürlich auch die gegenseitl ge Zuneigung hervortreten. Es ware sogar nicht zu ir verwundern, wmn Seine Königliche Hohcit in einem?lltcr von zwanzig Jahren sich in dcm ernsten Verhaltnih noch nicht recht hcimisch sühlte, in welches Andere erst mit oder nach dcm drcisiigsten Jahre trcten./> Der Konig hörte Beylon mit gespannter Ausmerksamkeit an, und sein Blick leuchtcte. "Du hast inich wirklich beruhigt, liebcr Beylon, ich liebe meine Schwiegertochter so herzlich, sie ist eine so liebenswürdige, vortreffliche Frau, dast es mir sehr nahe gehen würde, wenn sich ein nnsrenndliches Verhciltnisi zwischen ihr, der Königin und meinem Sohn ausbilden sollte. Meine gute Sophie verdient glücklich zu werden, und wenn sie es nicht wird, wenn Gustav es nicht mit ihr wird, so ist es gewist nicht ihr Fehler." Adolph Friedrich entfernte sich bald daranf, und Beylon nahm, mit dcm „Emil" in der Hand, seinen Platz aus dcm Sopha wicder cin. Das Geschick hatte jcdoch beschlossen, die stillen Betrachtungen des Vorlescrs > heut durchaus zu untcrbrechen. Prinz Carl trat mit vielem Gerausch ein, und wars sich achtlos in eine Sophaecke. Wcitzt Du, Beylon, mcine Schwagerin ist gött- > lich!" ,/Das sindet ganz Schweden." /^Welch' kleine Füstchen, was sur weiche Hande, welch' ein schnecweisier Hals, was sur Augen, welch" schönes Gesicht, welch' üppige und dabei schlanke Gcstalt! ^Du solltest sie tanzen sehn, Beylon! — Welche Würde und Anmuth in ihren Bcwegungen! Mein Gott, wie einnehmend ist sie!" „Das ist alles sehr wahr, doch ist es noch lange nicht das Bewundernngswürdigste an nnsercr verehrten Kronprinzessin. Hoheit erwahnen ja nichts von ihrer stets gleichmastigen Laune, von ihrem höchst angebauten Verstand, von ihrem vortrefflichen Herzen..." „Ich weist, ich wcist! Aber das ist anch ganz etwas Anderes. Ich wollte Dich um etwas bitten, Beylon; Du weistt ja alles, was auf uns nur irgend Bezug Hat," «Hoheit wissen schon, dast ich gern gesallig bin, wo ich nur irgend kann.„ „Hier kannst Du'S gewist, mein lieber Beylon. Sage mir daher, ob Du glaubst, dast Gust-av und Sophie einander wirklich gut sind." „Davon bin ich vollkommen überzeugt!" rief Beylon mit Ernst und Nachdruck. „Aber wie könncn Ew. i Königliche Hohcit nach der Beschrcibung, die Sie so ebcn > von der Kronprinzessin gemacht, eine so höchst sonderbare Frage thun?" „Ich glaube die Liebe wird weder auf der einen, noch auf der andern Seite besonders stark sein, — und ich würde gar nichts dagegen haben, wcnn sie fande, dast ich sie mehr liebte als Gustav." „Ich verstehe Sie nicht, mein Prinz, und mag Sie auch nicht verstehen. Ich bin eben so sehr davon über- i! zcugt, dast Jhre Königliche Hoheit sür die Geschwister Z» ihres Gemahls die warmste Freundschast hegt, so wie davon, dast der Kronprinz den ersten, ja den einzigen Platz in ihrem Herzen einnimmt, so wie sie in dcm scinigen." «Das hatte ich mir allein sagen können; — dazn bedurste ich keines Beylon." „Und ich glanbe, Sie batten am besten gctban, mein Prinz, mich nicht nach Dingen zu fragen, die Sie schon vorher wuften. Erlauben Sie mir dagegen zu fragen, obe Sie vielleicht eine Aeu^erung von Ihrer Königliche» Hoheit gehört, welche Sie veranlassen konnte, mir so gewagte Fragen vorzulegen." «Ich habe durchaus nicht Lust, Deine Fragen zu beantworten. Ich kam her, um mir Deinen Rath auszubitten; da Du ihn mir aber verweigerst..." «Das thne ich auf keinen Fall," fiel Beylon ihm in die Rede, «wenn Sie nichts Unmögliches verlangen. Der beste Dienst, den ich Jhnen erweisen kann, mein Prinz, ist der, keinem Menschen etwas von dem mitzutheilen, was bier zwischen uns vorgefallen; und der beste Rath, den ich Jhnen zu gebeu im Stande bin, ist der, da§ Sie Ihr Herz von jener Richtung ablenken mögen." Der junge Herzog von Södermanland — (wir nennen ihn so, obgleich er damals diesen Titel noch nicht sührte) ^— fühlte sich beleidigt, bereute jedoch weniger sein Benehmen, als sein übel angebrachtes Vertrauen. Wahrend er mit ziemlich übler Laune darüber nachdachte, was er nun beginnen sollte, nachdem er sein GehcimniH einem Manne verrathen, der keinesweges ausgelegt schien, seine Plane zu begunstigen, traten ganz unvermuthet sein altester und sein jüngster Bruder ein. Die Blicke, welche Gustav und Carl wechselten, enthielten nichts von brüderlicher Liebe; mit seiner gewöhnlichen Verstellungskunst reichte Gustav jedoch seinem Bruder Carl lachelnd die Hand, welche von ibm mehr geklemmt, als gedriickt wurde. „Ich wollte so eben nach Dir schickcn, lieber Benton, sagte der Kronprinz; — da kam aber Friedrich, der Dich besuchen wollte, und ich beschloh daher, ihm Gesellschaft zu leisten. Ich wollte Dich bitten, mir eine Sache bei der Königin, meiner Frau Mutter, auêzuwirken." ,/Ew. Königl. Hoheit dürsen Jhrcm unterthanigen und gehorsamen Tiener nur befehlen." Meine Gemahlin und ich, wir beabsichtigen am Geburtstage der Königin ein kleines Stück auszusühren und sie damit zu überraschen; zum Einstudiren der Rollen haben wir aber Zeit nöthiz, und wir mussen mit denjcnigen vom Hofe allein sein, denen wir die Rollen übertragen haben. Meine Frau Mutter würde vielleicht Verdacht schöpfen, wenn sie unsere Zimmer stark erleuchtct sahe und viel Leute bei uns aus- und eingehen hörte, ohne zu wissen, was wir vorhaben. Du mutzt sie aus irgend eine geschickte Weise zufrieden stellen und sic bci guter Laune zu erhalten suchen, sonst wird unsere Freude zu Wasser.', "Ew. Königl. Hoheit können aus meinen unterthanigen Eiser rechnen." „Und ich, sagte Prinz Friedrich," komme ebensalls mit einer Bitte, mein lieber Beylon. Mein Vater aicherte gestern, es ware an der Zeit, dah ich jetzt abermals vor einer Kommission der Stande eraminirt würde. Habe doch die einzige Güte, den Papa aus andere Gedanken zu bringen. Ich habe ja erst kürzlich Bcrhör gchabt, und die Stande sehen so ernsthaft auS, dasi es mir anHerst schwcr wird, in ihrer Gegenwart nicht alles, was ich gelernt, zn vergessen." „Ich werde Jhren Wnnsch Seiner Majestat vertragen, und hoffe von einem so gütigen Vater, daH er ihn gewiH ersüllen wird," antwortete Beylon. Gnstav und Friedrich entsernten sich, zufrieden mit dem von Beylon erhaltenen Versprechen, und Carl sühlte sich wenigstens glücklich, dasi Beylon gegen den Kronprinzen so gethan hatte, als ware nichts vorgesallen. Als der Vorleser sich wieder allein sah, dachte er über die beste Art und Weise nach, wie die Austrage des Kronprinzen und des Herzogs von Östergöthland am besten auszusühren waren. Beylon's Ueberlegungen wurden durch einen neuen Besuch gestort. Es war Bad in, welcher dem Vorleser den Besehl der Königin überbrachte, sich sogleich bei ihr einzusinden. „Unsre Majestat ist bei übler Laune," sagte der Mohr. „Sie hatte zuerst etwas mit der Grasin Stromberg und dann mit der Reichsrathin Hjarne zu sprechen. Keine von beiden war auszusinden, und sie ersuhr spater von einer Kammersrau, sie waren bei der Kronprinzessin, die allen Leuten der Königin den Eintritt in ihre Gemacher untersagt. „Bin ich nicht mehr Königin in Schweden?" ries Ihre Majestat vor Zorn glühend, woraus sie sich zu mir mit dem Besehl wendete, sogleich Herrn Beylon zu holen. Ich habe nicht verabsaumen wollen, Jhnen zu sagen, um was es sich handelt, damit Sie darauf bedacht sein könnten, wie sich die Sache am besten in Ordnung bringen liesze." »-Jch danke," antwortete Beplon trocken. Er und der Mohr begaben sich zur Königin. Siebzehntes Kapitel. ^Io wenig Gerausch Sophie Magdalene auch selbst von sich machte, so waren doch die Veranderungen höchst bedeutend, welche ihre Ausnahme in die schwedische Königssamilie erzeugte. Die Königin fand ein grausameS Vergnügen daran, ihre geistige Ueberlegenheit zu zeigen und sie so ost wie möglich zu beschamen; auch fragte siewenig danach, ob viele oder wenige Zeugen zugegen waren, wenn sie die Geduld ihrer Schwiegertochter auf die Probe stellte^ Dieft Geduld hatte jedoch ihre Grenzen, — und wenn die Kronprinzefsin theils aus Gewohnheit zu gehorchen, die ihr durch eine strenge und herrschsüchtige Stiefmutter, die Königin Juliane (die Verfolgerin Struensee's und der unglücklichen Caroline Mathilde), — anerzogen worden, — theils auS schuldiger Ehrsurcht vor der Königin ihrer Schwiegermutter, die Launen und Beleidigungeu ohne offenes Murren ertrug: so l'ildete sich dennoch der Saame der Unzusriedenheit in der Brust der Kronprinzessin aus. Dieser geheime Verdrutz schlug um so tieser Wurzel, als die Königin durch ihr Benehmen aujzerdem auch noch eine schwache Seite ihrer Schwiegertochter verletzte, die des hohen Begriffes namlich, welchen sie von ihrer Geburt hatte. Da ihr Haus (das oldenburgische) bereits im Jahre 1448 die KönigSkrone erwarb, — das ihrer Schwiegermuttcr (das brandenburgische) aber erft im Jahre 1701,— und das ihrcs Gcmahls (das holstein-gottorpsche) das Diadem erst mit der Thronbesteigung ihres Schwiegervaters, Adolph Friedrichs, im Jahre 1751 erhielt: so glaubte Sophie Magdalene, ihr gebühre der Vortritt vor ihrer Schwiegermuttcr. Der Bruch, welcher zwischen zwei Menschen von soichem Charakter, solchem Geist und solcher Herrschlust, wie Gustav und Louise Ulrike sie befasten, unvermeidlich war, trat bald nach der Vermahlung des Kronprinzen ein. Spater wurde das gute Vernehmen zwischen Mutter und Sohn nnr dem Geruchte nach wieder hergestellt, so ost sie namlich einander be^ursten, um ihre gemeinschastlichen Feinde, die Stande deS Rciches, den Senat und die Volksmacht, zu unterdrücken. Der Kronprinz sühlte sich höchlichst belcidigt durch das Benehmen der Königin gegen seine Gemahlin. Er nahm sie in Gegenwart und in Abwesenheit der Königin in Schutz. Dies erbitterte die Mutter gegen Beide Hattcn Louise Ulrike und Gustav nicht so sehr viel Beschastigung im Schooste der schönen Literatur, der Wissenschaften und Kiinste, fo wie in der Ilnordnung der verschicdenartigsten Festlichkeiten gesunden, so würde schon jetzt die Uneinigkeit zwischen Beiten ausgebrochen scin, welche sich zwölf Jahre fpater zeigte, und die sich kaum am Sterbebette der Mutter wiever auszleichen lietz. Wahrend der Wintermonate war am Hofe des Kronprinzen wöchentlich einmal,/Cercle" mit Musik, Tanz, oder Schauspiel. Jeden Tag vor der Mahlzeit brachte der Kronprinz einige Stunden in dem Zimmer seiner Gemahlin zu, wo er sich mit dem Zeichnen von Landschaften oder andern Tegenstanden beschastigte, wahrend er mit der Kronprinzessin und ihrer Nmgebung sprach oder scherzte; >—zuweilen las er auch dramatische Sachen von Corneille, Raeine, Voltaire u. s. w., oder lietz sie vorlesen. Zuweilen waren alle Mitglieder des königlichen Hauses an dem j'ungen Hofe versammelt, wo der gute König sehr gern ein taglicher Gast gewesen ware, wenn er nicht gefürchtet hatte, den Neid und Unwillen der Königin dadurch nur noch zu steigern. Man muH jedoch nicht glauben, dasi der alte Hof wahrend der 'Zeit öde und freudlos war. Jm Gegentheil, Louise Ulrike bot ihre ganze Ersindungskrast aus, um durch bestandig abwechfelnde Lustbarkeiten ihren Hof glanzender, ansgezeichneter und gcsuchter zu machen, als den der Neuvermahlten. Bald gab sie eine Maskerade; bald einen Ball in Trachten aus verschiedenen Epochen der Geschichte; bald veranstaltete sie einen kleinen Markt mit Buden in den Zimmern des Schlosfes, und der ganze Hof fpielte alsdann wie die Kinder mit Spielsachen, alte Hosmanner ritten aus Steckenpserden, i'unge Hofdamen bliefen hölzerne Trompeten u. f. w.; bald war es eine Hochzcit, welche mit allem Pompe am Hofe gefeiert wurde; ja, wenn auch irgend gemand aus den höhern Kreisen seine Hochzcit im eigenen Hause seierte, wurde dies nicht seltcn als Veranlafsung zu einem Hofvergnügen benutzt. Als der Graf Meyerfelt sich mit der Nichte des Grafen Tessin, dem schonen Fraulein Louise Wrede Sparre — besnngen in Kellgren's "Taufe der Grazien// — einer der drei Grazien vermahlte, deren Schönheit sowohl die Epoche Louise Ulriken's, als die Gustav III. verherrlichte, hatten sich Adolph Friedrich und Louise Ulrike im tiefsten Incognito, ohne Begleitung, in cinem Wagen ohne königliche Abzeichen, und ohne andre Bedienung als einen Kutscher und Lakai, in die Wohnung der Neuvermahlten begeben, bevor diese aus dem Hause der Braut zurückgekehrt waren. Das königliche Paar wurde von der Kammerjnngfer nicht xrkannt, die auf ihre junge Frau wartete, und sie wollte bei der Ankunft der Fremden, die sie für Freunde ihrer Herrschaft hielt, durchaus die Lichte am Kronleuchter anstecken. Der König lehnte dies ab, doch wollte die Kammerjungfer durchaus nicht nachgeben, und machte zuletzt die unhöflichsten Einwendungen, so dast dem König uichtS übrig blicb, als das Licht auszublafen. Er lies; hierauf ein einziges Talglicht auf einen kleinen Tisch in der Schlaskammer setzen, besahl der Kammcrjungfer, das Zimmer zu verlassen und verbot ihr, das junge Ehepaar bei seiner Rückkunft von der Anwesenheit der Fremden in Kenntnih zu setzen. Man denke sich Meyerselt's und seiner Gemahlin sreudige Ueberraschung, alö sie beim Eintritt in ihr Schlasgemach den König und die Königin hinter den Bettgardienen versteckt sanden. Die Hochzeit wurde nun von Neuem geseiert, und zwar auf eine höchst muntere Weise; das edle Traubenblut flosi dabei biS zum nachsten Morgen, und Adolph Friedrich selbst qing den Zechern mit gutem Beispiel voran. Schlittcnpartien wurden in der Rcgel von beiden Höfcn gemeinschastlich untcrnommen. Dieser Zeitvcrtrcib ist beincch das einzige Vergnügen, was der Norden ausschliehlich anznbieten Hat; und Louise und Gustav wetteiferten mit einander, dieselben durch Auswahl der Gesellschast, Pracht der Schlitten, der Decken, des Zaumzeuges und der Vorreiter, durch die schönsten Pfer^>e, die leckersten Erfrischnngen und die heiterste Geselligkeit zu Anfang und zu Ende dieser Fahrten so angenehm wie mbglich zu machen. Das in der Carlbergsallee gelegene Lorentsberg bildete damals sehr hausig daS Ziel der Lustpartien der hohen Herrschaften, welche daselbst tanzten, und Punsch und Glühwein tranken. Schwedische und sranzdsische Schauspiele wurden in dem sogcnannten „Ballhanse" ausgesührt, von welchem sich, nachdem Gustav es abtragen und an seiner Stelle seiner Lieblingögöttin Thalia einen schonen Tempel errichten lietz, kaum der Name erhalten. Aber weder das Ballhaus, noch die darin aufgcsührten Schauspiele verdienen Erwahnung, wenn man durch die Anführung dersclben nicht bezweckt, den Werth und das Verdienst von dem noch mehr hervorzuheben, was Gnstav spater in dieser Beziehung that, um den Geschmack seiner Landsleute zu bilden und zu veredeln. Die Sommermonate verlegten den Schauplatz der Vergnügungen und zogen eine strengere Scheivewand zwischen beiden Hösen. Der alte lietz sich in Svartsjb nieder, dessen ernste etwas düstere, aber nichts desto weniger schone Natur durch die Belustigungen und das Gelachter eines zahlreichen Kreises belebt wurde. Die Con- zerte, welche im Winter die Ku nst im Stockholmer Tchlotz hervor brachte, scheukte im Park ron Svartsjo die Natur; sie schien die Nachtigallen nur aus dem ein;igen Zweck so hoch nach dem Norden binaus gesckickt ;u haben, damit sie den Triumvh der genialen Konigin verberrlichten; denn sie kehrten trauernd und klagend nach dem Süden zurück, als sie der sterbenden Konigin das Grablied gesnngen. Das SchloH Svartsjö ist gegenwcirtig zur Halfte Ruine; Arel Orenstjerna's mit Mooö belanfene schone Statue von weitzem Mormor bewacht den verwilderten Park, seit Louise Ulrikens Herrscherblick erlosch und die melodische» Gesange ihrer Nachtigallen ver-hallten. Drottningholm theilte mitSvartsjö die Gunst des alten Hoses. Wie hatte Louise Ulrike wohl ihre Schöpsung, ihr liebes China, seinem Geschick überlassen köunen! Tie Ereignisse des Jahres 1756 waren sast vergessen, die Thranen langst getrocknet, die Senszer eingestellt, welche das vergosscne Blut den Anverwandten der Hochverrather abgepretzt, — ja, Brahe's Wittwe lachelte sogar schon einer neuen Verbindung entgegen, die sie spater mit dem Reichsrath Ulrich Schesser einging, und die Stande hielten es nicht mebr sür nöthig, in denKirchen noch serner das I's veum anstimmen zu lassen, welches mehrere Jahre binter einander aus Veranlassung der glücklich vorübergegangenen Gesahr gesungen woreen. Nach dem durch die Konigin zu Stande gebrachte» Frieden mit Preupen, und nach der Lermahlung des Krsnprinzen mit der danischen Prinzcssin, dachte man nicht mehr an die Demüthigungen, dcncn der Hof in Folge der Braheschen Verschwörung ausgesctzt gewcscn. Man fürchtete nicht mehr, sich bei Hofe zu zeigen, im Gegentheil, man wetteiserte mit einander (wie immer, wenn sich etwas Autzergewohnliches zugetragen), sich im Glanze der Krone zu sonnen; und wenn man an einem der geladenen Gaste eine gewisse Vorsicht bemerkte, so war die Veranlassung dazu in dem seinen Blicke zu suchen, der den Hoflenten eigen ist, und mit welchem sie schon lange voranS jede Veranderung zu erspahen wissen, die bevorstehen dürfte. Die Eristenz eines jungen Hoses an der Seite eines alten gibt stetS Veranlassung, an den Untergang der alten und den Aufgang der neuen Sonne zu denken. Die Vorsichtigen verschmahen indeh nicht, die letzten Strahlen der untcrgchenden auszusangen; sie sorgen nur dafür, sich nicht zu lange beim Anschaucn der Abendröthe zu verwcilen, svndern wahlen in der Regel nur einen Standpunkt, von welchem aus es ihnen möglich wird, auch zugleich die ersten Strahlen des anbrechenden Tages auszusangen. Zuweilen wurde ein kurzer Besuch aus Roscrsberg gemacht. Dies Lustschlosi war von Erland Br oman, dem Giinstlinge König Fricdrichs, erbaut, von den Standen angekaust und dem Grotz-Admirale, dem spateren Herzoge von Södermanland, mit dessen Aufführung und Fortschritten die Stande sehr zusrieden waren, verehrt worden. Jene Prüsungen dcncn sich die königlichen Kinder vor den Abgcordncten der Stande hausig unterziehen mutzten, hatten also auch ihren materi ellen Zêutzen. Der junge Hof theilte seinen Sommeraufenthalt zwischen Carlberg und Ekolsund- Dcm ausgewahlten Kreise, der sich hier versammelte, war ein für allemal angcdeutet worden, die steife Etikette in der Hauptstadt zurückzulassen, und nach dcm LustschloH nur ein angenehmes, sreies, mnnteres und gebildetes Wesen mitzubringen. ,/Hier" >— pflegte Gustav zu sagen — ,/habe ich nur ein en Befehl zu geben, den namlich, da§ unsere Gaste sich ihrer Freiheit in vollcm Majze bedienen mogen, — und nur eine Bitte zu thun, die namlich, datz die Herrschasten vergessen mögen, wer ihre Wirthsleute sind. Nur in dem Schlosi zu Stockholm moge man eingedenk sein, dast wir die Fürsten dieses Landes sind, und dort werden wir uns schon für das Eingebützte schadlos zu halten wissen." In den schattige» Alleen des Schlosses Carlberg wanderte der junge Hof, das liebenswürdige Fürstcnpaar an seiner Spitze, in ungezwungener Fröhlichkcit umher; und Sophie Magdalene, deren Schweigsamkcit zu Stockholm ost einen Gegenstand des Spottes ihrer Cchwiegermutter bildete, gab ihrer Zunge hier freien Lauf, und gestattete sich manchen feincn Scherz, dessen Widerhall zuweilen bis zu den Ohren der Königiu drang, und ihren Beifall gewann. Bon Carlberg wurden Ausflüge gemacht, bald nach dem einladenden Solna-Walde mit feiner kleinen, romantifchen Dorfkirche, wo es dem Lebenden unter den zahlreichen Denkmalern der Hingeschiedenen fo wohl gefallt, und wo man durch die landliche Einfachheit der Gegend die Nahe einer groten Hauptstadt vollstandig vergiet; — bald nach dcm ncttcn Ulricksdal, wo Gustav nicht felten für fcine junge Gemahlin irgend eine Ueberrafchuug bereit hielt, die gewöhnlich in der Aufführung eines Stückes anf dem Theater deS Schlos» scs bestand; — bald nach dcm reizenden Haga-Park, dcm fchönsten Punkt in Stockholm's schoner Umgegend, der von Gustav angekanft und vcrschoncrt, mit fcincn italienischen Landhausern ein unvergangliches Denkmal seines guten Geschmacks bildet. In diesem Park, der alsdann illuminirt und mit Feuerbecken erleuchtet wurde, gab er seiner Gemahlin hcrrliche Feste, die zu gleicher Zeit auch Feste für die Bewohner Stockholm's waren. Das junge Fürstenpaar wandelte alsdann Arm in Arm in dcm Gangen das strahlenden Parks umher, und ward von dcm tauscndstimmigcn Freudengeschrei der Zuschauer begrüfjt. Der Aufenthalt des jungen Hoscs zu Ekolsund fand gegenwartig feine Veranlassung in Hoffnungen, welche erst nach elf Jahren in diesem namlich en Lnstschlosse verwirklicht, die unglückliche Veranlassung zu so vielen betrübten Umwalzungen sowohl in Schweden, als in dem Schicksal des holstein-gottorpschen Hauses wurden. Aber Gustav der Kronprinz und Gustav der König waren zwei ganz verschiedene Personen. Keine Hoffnung war so kühn, da^ man nicht glaubte, er würde im Stande sein sie zu ersüllen, — es gab keine Freude und kein Entzücken in irgend einer Volksklasse, zu denen er nicht die Veranlassung gewefen ware; und so erging es ihm von dem Augenblick seiner Gcburt an bis zu der Stunde, wo er die versührerische Macht in Handen bekam. Ja, sogar die ungehörige und verderbliche Einmischung des Kronprinzen in Regierungsgeschaste und in die Ranke, den kdniglichen Willen geltcnd zu machen, setzte man ganzlich anf das Sündenregister seiner Muiter, und drückte in Betracht seiner übrigen glanzenden Eigenschaften die Augen zu. Nur die Klügeren, — und deren Anzahl ist stets sehr geringe, — sahen die Frucht voraus, die solcher Blüthe folgen mufite, und beurtheilten den Krvnprinzen richtig. Der Befitz der königlichen Macht berauschte ihn, und er führte im Glanze seiner Krone eigentiich nur ein verbales Leben, in welchem wenige Lichtpunkte auö einem finstern Chaos leuchten, welches fich noch weit mehr bei der Nachwelt geltend machen würde, wenn nicht die GraMchkeit seines srühen Todes ihr Urtheil einigermaszcn milderte. Der Kronprinz verband mit seinem langeren Ausenthalt zu Ekolsund, sern von dem Gerausche der Hauptstadt und den Zerstreuungen des Hoses, und nur von einer geringen Anzahl dienstthuender Herren und Damen umgeben, die Absicht, dafi seine Gemahlin fich daran gewöhnen sollte, den Hof ganzlich zu entbehren und fich nur mit ihm zu begnügen, wie er seinerseits denn auch nur sür sie lebte. Derjenige, welcher hier Zeuge war von Gustavs zartlicher Aufmerksamkeit sur seine Gemahlin, von den Liebkosungen, mit denen sie sich gegenseitig überhauften, und von den sast kindischen Scherzen, die man nur an Verliebten begreift und entschuldigt, würde unmöglich die spater eintretenden Zustande geahnt haben, zu denen diese Flitterwochen nichts als die Einleitung büdeten. Auch hier überraschte Gustav seine Ge- mahlin mit Festcn vom ausgesuchtesten Gcschmack und von bezaubernder Lebendigkeit. Man kann sich nichts Blendenderes vorstellen, als die bildliche Darstellung des Parnasses in dem ausgedehnten Park von Ekolsund, der mit Lampen, Fackeln und brennenden Theerfassern erleuchtet war, und wo die Blicke überall auf die Namenschiffre der Kronprinzessin in Brillantseuer trafen. Aber niemand war auch so eingenommen und so dankbar für Gustav's Bemühungen, als die Kronprinzessin; und nachdem ihr hauSliches Gliick bereits durch wunderliche Zufalle erschüttert worden, — nachdem Gnstav, sich in politischen und moralischen Ausschweifungen verirrend, seine Gemahlin schon langst vernachlafiigte, — und nachdem das abscheulichste Verbrechen sic vor der Zeit von dem Thron entsernte, den sie mit Gustav getheilt, war es weit mehr dieser als jener, was ihr sehlte, und der gesürchtete König mit seinen glanzenden Eigenschaften und seinen tiesen Schatten stand noch eben so gelief, eben so angebetetvor Sophie Magdalenen's hinsterbenden Sinnen, als sie im Jahre1813 zu Ulriksdal ihren Geist auShauchte, wie im Jahre 17L6, wo sie an seinem Arm zum erstenmal die herrlichen Umgebungen jenes Lustschlosses in Augenschein nahm. Achtzehntes Kapêtel. Die Maskeraden im Ballhause wurden haufig von den Prinzen besucht, und Bad in versaumte keine einzige. Diescr war jetzt ein ganz Anderer als in jener Zeit, wo der Leser seine erste Bekanntschaft machte. Seit die Königin ihre Ansichten hinsichtlich seiner Erziehung geandert, feit seine Unarten bestraft, sein Uebermuth gezügêward; seit, mit einem Wort, Louise Ulrike kein Vergnügen mehr an dem rücksichtslosen Betragen ihres asrikanischen Hofnarren sand, und ihre Gunst dem ausgezeichneten Verstande ihres Lorlesers znwendxte, — würde der sonst so verzogene Mohr vielleicht ganz bei ihr in Vergessenheit gerathen sein, wenn ihm nicht die alte Erlaubnitz geblieben ware, zu jeder Zeit unangemeldet bei allen Mitgliedern des Königlichen Hauses erscheinen zu dürfen. Da er sich jetzt nun rücksichtsvoll und hdslich wie jeder Andere betrug, und nnr mit den Untergebenen sein freies, ungezwungenes Wesen beibehielt, so durste er auch fortfahren, die Herrschaften ganz vertraulich „meine Majestat und meine Hoheit" zu nennen, was die Prinzen, die er fvnst nur nnt Spottnamen anredete, ihm gern gestatteten. Nur die Kronprinzessin hielt den Mohren in gemessener Entfer» nung. Sic hatte zwar persönlich nichts gegcn ihn, da er nicmalS den Respckt gegcn sie vcrlctzt; doch war sie natürlich nicht daran gewöynt, Iemand nngcmeldet bei sich erscheinen zu sehen, und der Kronprinz, der im ersten Jahre seiner Ehe jeden Wunsch seiner Gemahlin zu erfüllen strebte, hatte es Badin streng verboten, ungemeldet vor ihr zu erscheinen; so blieben die Eemcicher Sophia Magdalenens die einzigen im Schlosse, deren Psorten sich ihm nicht nnbedingt offncten. Badin war cin groHer Verehrer des schönen Ge-schlechts. Mit seinem südlichen Blut und seinen zwei und zwanzig Jahren war ihm dies wohl zu vcrzeihen. Wenn die Maskeraden in unserm Norden anch niemals recht heimisch sein und immer noch etwas von der Steifheit und Ka!te unsereS Naturells an sich tragen werden, so haben sie doch noch genug von ihrem südlichen Ursprunge beibehalten, um eine groszere Vertraulichkeit, eine lebhastere Stimmung, eine dreistere Begegnung zwischen beiden Geschlechtern hcrbciznsühren, als dieS in den gewöhnlichen Gcsellschastskreisen möglich ist. Maskeraden waren daher Badin's eigentliches Element, und er betrat die schmntzigen Dielen des Ballhauses mit viel grösterem Vergnügen, als jemals die glatten Parquets und kostbaren Teppiche des königiichen Schlofses. Die Maske einer Bet tl erin, so krüppelhaft und mi^gestaltet als die Einbildungskrast sie nnr zu schaffen vermochte, zog seine Anfmerksamkeit anf sich. Es fchien ihm ein ausfallender Widerspruch statt zu finden zwischen der haHlichen Maske und dem kleinen, zierlichen FuH, — zwischen der Krücke und der wcitzen vollen Hand, die sie hielt, dem Bcttelsack und dem nicht natürlich gebeugten Rücken, aus welchcm cr hing, — zwischcn dem groben Rock und dcm zartcn Wuchs, der ^— vielleicht mit Absicht — nicht ganz verborgen war. Badin merkte diese Absicht und eilte, seine Neugierde zu besriedigen. "Guten Abend, schone Maske!" flüsterte er. "Ein unpassender Scherz, mein Herr, mit einer arttien, alten, hastlichen Fran," war die Antwort. Die Stimme klang, trotz der Maske, weich und lieblich, und steigerte BadinS Neugier bis zur Sehnsucht. „Erlaube mir, ein wenig Deine Bürde zu tragen; der Sack ist offenbar zu schwer für Dich. Gieb mir die Krücke und nimm dagegen meinen Arm." "Die Krücke ist zuverlassiger." „Traust Du mir nicht?" „Dir so wenig als einem Anderen." ,/Und warum nicht?" „Weil ihr mit Alter und Elend nur Spott treibt." „Du nimmst Deine Nolle zu ernst. "Alter und Elend" passen nicht gut zu Tanzmusik." „Doch, doch! Eben so gut wie ein Rabe zu Kanarienvögeln." Badin stutzte. War dies eine Hindeutung aus seine Farbe, oder lag hinter dcm Gleichnisi keine Absicht? "Kennst Du mich?" „Gieb mir Deine Hand.» Badin reichte sie hin. Die Maske zeichnete ein groheS N hinein. "Nein, meine Schönste!" "Ja, mcin Herr!" Sie waren in diesem Augenblick bis zur Thüre gekommen, die zu den Damenzimmern führte. „Mcin Name fangt mit keinem N an." "Aber ein Narr fangt damit an." Wahrend die Maske diese Worte sprach, hatte sie bereits die Thüre geöffnet, in der sich ein Gewimmel wciblichcr Masken zcigte, und sic wars dieselde nach dem letzten Wort hinter sich zu. Erzürnt und verlegen blieb Badin an der Thüre stehen, und betrachtete eine Zeitlang mit grotzcr Aufmerksamkcit jede Maske, die heraustrat. Bald aber sand er diese Aufgabe ziemlich langwcilig und mischte sich von Neuem unter die Tanzenden. Sein Kennerblick entdeckte bald eine junge Bauerin, deren seiner Wuchs, die leichte, ungezwungene Haltung, der kleine zicrliche Futz, so wie die Anmuth ihrer Bewegungen, sie vortheilhaft unter den andern Tanzerinnen auszeichnete. Die kleine Maske, welche ihr Gesicht bedcckte, konnte nicht ganz den blendenden Teint verbergen, den man überdies aus den glanzenden lichtblonden Locken, die in berechneter Unordnung ihren weitzen Hals umflofsen, errathen konnte. Badin bat sie um einen Walzer. Sie neigte gewahrend das Köpschen und reichte ihm die Hand. Er began» ein Gesprach, doch antwortete sie nur mit einem Zeichen, datz sie stumm sei. Badin walzte vortrefflich und führte seine Dame mit eleganter Sicherheit. Sie schwebten wie ein Zcphir ö dahin. Ein Gemurmel des Beifalls flog durch die zuschauende Menge, und aller Augen richteten sich auf das leichtfühige Paar. Als der Tanz zu Ende war, suchte Badin von Neuem seine schöne Nèaske zum Sprechen zu bewegen. Mein sie schüttelte fortwahrend den Kops. „Welch' ein ungereimter Eigensinn. Die Launen Deines Gefchlechtes, holde Maske, sind mir zwar hinlanglich bekannt, allein diese geht zu weit. Weift Du, daH eine langere Weigernng mich verleiten wird, weniger vortheilhaft von Dir zu denken?" Das Gedrange der Masken um sie her ward jctzt unertraglich. Das Bauernmadchen stellte sich anf die Fuhspitzen und fchien mit gespannter Aufmerksamkeit nach einem Gegenstande zu spahen. Badin folgte ihrer Bewegung, und wendete sich ebenfalls nach der Seite, wobin ihre Blicke sich richteten. In demselben Augenblick hörte er wieder dicht an seinem Ohr das Wort „Narr." Es war der liebliche Klang derselben Stimme, die ihn schon sur die alte Bettlerin gewann; aber diese war sowohl verschwunden, als auch das Bauerwadchen, da xr sich rasch wieder umsah. Badin ward ganz mitzgelaunt und sand sein LieblingSvergnügen zum crstenmal langweilig. Er, der so vst Spott mit Andern trieb, sand es ganz unertraglich, jctzt ein Tegenstand des Hohnes geworden zu sein. „Konnte ich doch nur herausbekommen" — dachte er — „wer sich hier erlaubt, solchen Scherz mit mir zu treiben und weshalb?" Allein es gelang ihm nicht, der Sache auf die Spur zu kommen. Immer uüchterner fchien ihm der Ball, immer langweiliger /ede Viertelsiunde, und er würde ohne Frage sich bald zurückgezogen haben, wenn nicht die Hoffnung, irgendwo die Bettlerin oder die Bauerin wieder zu entdecken, ihn unwillkürlich in den überfüllten Salen sestgehalten hatte. Der Ball ging bereits zu Ende, als Badin in ein Seitenzimmer trat, um einige Erfrischungen einzunehmen. Eine gcdrangte Menge von MaSken hatte sich um die Büffets versammelt. Als er ein Glas Pnnsch forderte, siand er dicht neben einem Turken, dessen schlanker, zarter Wuchs das Jünglingsalter verrieth. ,/Besehle» Sie auch Punsch?" fragte ihn der Kellner. „Zwei Glaser Limonade," antwortete der Tnrke mit so zarter, gedampster Stimme, datz der Kellner genöthigt war, noch einmal zu fragen. Die Antwort des Turken war jetzt deutlicher, allein die Stimme klang merklich verstellt, er gab dcm Kellner ein Zeichen, die Limonade in eine andere Ecke des Zimmers zu bringen, wohin er selbst mit raschen Schritten enteilte. Badin fühlte sich durch die Erscheinung unwiderstehlich angezogen. In dem Klange der Stimme, in der Haltung des Körpers lag etwas, das ihn sowohl an die Bettlerin als an das Bauermadchen erinnerte. Er lic§ den Turken nicht mehr aus den Augen und sah, wie er bei einer Dame stehen blieb, die zwar völlig wie jenes Bauermadchen gekleidet, an Wuchs aber offenbar gröher und starker war. Als die beiden MaSken die Limonade empsingen, sahen sie sich sorgfaltig um, und wandten sich dann verstohlen ab, um beim Trinken die Masken ein wenig zu heben. Es entging ihnen nicht, daH Badin 8 * sich ihnen forschend Inahte, und sie eilten, ihre Glaser fort zu stellen und ihre Masken wieder in Ordnung zu bringen. Als sie eben im Begriff waren zu gehen, hatte Badin sie erreicht, und wendete sich mit der Frage an den Türken: „ob er nicht eine Schwester auf dem Balle habe?" Der Türke nickte und zeigte auf die Maske neben sich. „Der Herr Bruder sind wohl auch ftumm?" fragte Badin mit spottendem Ton. „Das kann man eine narrische Frage nennen," stel die DamenmaSke ein. Diese Antwort frappirte Badin, das Wort „narrisch" bestatigte den Argwohn, den er bereits auf die Masken geworfen, und er sagte: „Verzeihnng, schöne Masken, wenn ich durchaus von Euch Ausschluh über eine Bettlerin verlange, die offenbar zu Eurer Verwandtschaft zu gehören scheint." „Sehr verbnnden für Eure Artigkeit!" antwortete die Dame lachend. „Ganz so zart und reizend,» fuhr Badin fort, „wie die Maske von der hier die Rede ist..." „Seid fo gut, und reicht Euer Signalement wo anders ein. Wir, mein Herr, haben nichts mit einander zu schaffen." „Du treibst Deine Graufamkeit zu weit!" „Und der Herr feine Zudringlichkeit." „Und dennoch, schone Masken, biet' ich Euch meinen Arm an, um Euch nach Hause zu führen." „Das werden wir zu umgehen wissen!" antwortete die Maske mit Ungeduld. Der Türke blickte ein wenig angstlich umher, und sah in demselben Augcnblick, wie dcr Oberst, Baron Sinklaire, ein Kammerherr des Kronprinzen, scine Maske abnahm, um zu trinken. Augenblicklich eilte er auf ihn zu und flüsterte dem Obersten etwas ins Ohr, wvrauf beide zu dem Platz zurückkehrten, wo Badin und die andere Maske standen. „Kennst Du mich, Maske?" fragte Sinklaire den Mohrcn, der bei dem Anblick eines, in der Gunst der Königin, so wie des Kronprinzen so hoch gestellten Herrn zurücktrat und sich schweigend verneigte. ,/Jch bin der Oberst Baron Sinklaire, Kavalier deö Kronprinzen, und verbiete Dir im Namen Seiner Königl. Hoheit, diese Masken weiter zu verfolgen. Ich hoffe, nicht erst nöthig zu haben, den wachthabenden Offizier herbeirufen zu mussen, um Dich zum Gehorsam zu zwingen." Badin verneigte sich schweigend. Die beiden Masken drückten dem Baron ibren Dank aus und verschwanden uuter der Menge. Badin hielt es sur das Beste, die Gesellschaft zu verlassen, da sie für ihn den Hauptreiz verloren hatte. Seine Neugier war indetz jetzt, wo ein so bedeutungsvoller Name, als dcr deö Baron Sinklaire sich zum Schutz der beiden Masken aufgeworfen, auf's Höchste gesteigert. Es war augenscheinlich, dast sie in Beziehung zum Hose standen. Er durchlief in Gedanken daS ganze Hofpersonal, kam aber seinem Ziel nicht naher. ,/Wenn es nur nicht gerade dieser von den Herren des Hoses gewesen ware," dachte er bei sich, "so würde ich mich nicht mn sein Verbot gekümmert und ihm getrotzt haben, — aber Sinklaire!...... nein, nein! das Klügste was ich thun konnte, war, se ine Geduld nicht auf die Probe zu stellen." Ncuuzehntes Kapitel. Tage nach der Maskerade scifzen an einem Fenster deS inneren SchloHhoses die Kammerfran dcr Königin, Jenny " ^ und die Kammersrau dcr Kronprinzessin, O li via Ramstrom. Sie waren in eincm lebhaften Gesprach nber die Begebenheitcn der vcrflossencn Nacht begrissen, denn beide hatten den Maskcnball besucht, und tauschten ihre Beobachtungen und Erlebnifse gegcn einander auS. -/Nichts Hat mich mchr gefrent, liebste Olivia, als dah wir endlich Gelcgeiihcit fanden, den garstigen Gesellen zu argern und zu foppen, der die ganze Diencrschaft des Schloffes tyrannisirt, feit eö ihm nicht mehr gcstattet ist, sich an die Noruehmen zu machen." '/Das höre ich sowohl von Dir, als von allen Andcrn, beste Jenny, und mutz es daher wohl glauben; allein ich gestche aufrichtig, so lange ich hier bin, habe ich noch nichts von den bösen Streichcn erdu'.det, von denen ihr so viel zu erzahien witzt." „Das konimt daher, weil Deine Prinzessin den verwöhntcn Hcrrn in gebührlicher Entfernung zu haltcn weip, und er daher auch nicht wagt, sein Spicl mit ihrcr Tienerschaft zu trciben." „Er mag nun sein wie er will, abcr so viel ist sichcr, datz er ganz himmlisch walzt, und... " „Und das ist grade Deine schwache Scite! Ja, ja, mit den Masken vor dem Gesicht, wart Jhr nicht übel anzusehen; es ging wie dcr Wind; aber denke selbst, wenn Jhr so auf einem gewohnlichen Balle zusammen gewalzt hattct, würde das schwarze Ungethüm gegen Deine milchweitze Haut nicht surchtbar ausgcschen haben?" „Das mag sein; aber Du muHt zugeben, Jenny, dast er sich seines Wuchses nicht zu schamen Hat." Und das halt in Deinen Augen für manche Sunde schadlos." „Das grade nicht, allein ich denke...." „DaH Du mit dem Pavian zu glimpslich verfahrst, liebste Olivia! Du bist noch nicht recht warm hier bci uns geworden; warst Du so lange hier als wir Andern, (und ich habe auch nur noch die letzten Zeiten erlebt) und hattest Dn so viel Aerger ersahren wie wir, so würdest Du gewist anders denken, und ihm den kleinen Veldrust von ganzem Herzen gönnen. Es war in der That eine Schande, was die ganze Dienerschaft, im Scherz und Ernst, sich von ihm gesallen lassen mustte." „Das mag sein, liebe Jenny; allein mich Hat er niemals beleidigt oder geargert, und deshalb war es sehr unrecht von mir, ihn zuerst zu beleidigen. Ich hoffe, er wird es nie erfahren, wer ihn einenNarren genannt; aber ich bereue meinen Uebermuth aufrichtig; und sollte er mir jemalS einen unangenehmen Streich spielcn, wie Du meiust, dast er es mit Jcdem thut, so werde ich cs als eine verdiente Strafe betrachten." "O Du weichherziges Affchen! Bedenke, wie nake wir daran waren, von ihm entdeckt zu werden, wenn sich Baron Sinklaire nicht in der Nahe besand. Der schwarze Bösewicht ware sonst im Stande gewesen, uns die Masken bei Seite zu schieben, und uns auf der Stelle mit seinen Kussen zu strasen." "Wie, vor aller Augen?" "Vor aller Augen. — Vielleicht scheint es Dir, da^ es in der Einsamkeit nichts geschadet hatte?" "Gott behiite, datz will ich nicht sagen, aber..." "Du wirst ja ganz roth! Der Walzer und der schone Wuchs liegen Dir noch im Kops. Wenn Jhr Euch noch einmal en m-isque begegnet, so ist es nicht unmöglich, dasi Du die Stammmutter eines ganzen Geschlechtes schwedischer Mulatten wirst.... Nun, nun! sieh' nur nicht so böse aus! ich meine eS in allen Ekren. Erst der Segen der Kirche und dann der Segen Gottes mit einem gchörigen Hausen braungelber Mulattenjungen." "Latz Deinen unzeitigen Scherz, Jenny, sonst ist es mit unserer Freunvschast vorbei." "Du wirst böse, Olivia, o weh, o weh! das ware l'a noch schöner. Ein Madchen wird niemalS böse, wenn man sie mit Iemand neckt, der ihr gleichgültig ist. Mich z. B. könnte man zur Anbeterin des ganzen Mohrengeschlechtes erklaren, und ich würde nichtö daraus erwivern, als ein unaushaltsames Gelachter." "Nun, so will ich cs eben so machen; aber Du 3 »» muht mir vcrsprcchcn, nicht wieder solche Dinge z« reden, noch jemals aus unseren Maskenscherz, oder den r schwarzen Tegenstand unseres GespracheS zurückzukom- z, men." i Beide Madchen lachten jetzt so laut, datz man es bis anf den'SchloHhof hinab hörte. s> In demselben Angenblick ging dieser schwarze Gegenstand ihres Gesprachs gerade an ihrem Fenster vor- l über. Das lante Lachen zog Badin's Blicke anf die ^ beiden Madchen, die sich entdeckt sahen und hastig vom Fenster zurücktraten. Seine Augen halten ihm jedoch ? bereits gesagt, daH die Lachenden verdienten, naher in Augenschein genommen zu werden. Durch seine Seele fuhr eine Ahnung, die sich weder beschreiben noch erkla- ^ ren laft, die aber Ieder, der eine lebhaste Einbildungs- l krast und zartliche Gesühle hegt, ersahren Hat, wenn man sich in der Nahe eines geliebten Gegenstandes besand ! und jenes wnnderbare Schwellen des Herzens sühlt, das ^ nnS srüher als die übrigen Sinne von der Stimmung nnserer Seele in KenntniH se^t. Tntschlu^ und Ühat 5 sind bei den Frauen eins, sagt der Dichter. So ist es auch bei einem Südlander. Badin's erster Gedanke , war, sich Licht in dieser FinsterniH zu verschaffen, und in wenigen Minuten stand er vor der Thür des Zimmers der Kammersrauen. Die Verwirrung der beiden Madchen, als B adi n ohne Umstande eintrat, war unbeschreib- t lich. Jenny ^ ^ ^ und der Mohr sahen sich nicht zum ! . erstenmal, und doch war ihre gegenseitige Begrüswng . ziemlich kalt; OliviaRamström's seineS, lilienweihes, x griechisch gebildetes Gesicht dagegen überzog sich mit der , holvesten Rosenröthe, als Badin, ohnc es selbst zu wissen, ihr eine viel tiefere Verbeugung machte, als er zu thun pflegte, und seine natürliche Dreistigkeit sich fast in Verlegenheit verwandelte. Auch ihm stieg dis Blut in's Gesicht, allein die Farbe deS Mohren verrath nicht seines HerzenS GeheimniH. Jenny fastte sich zuerst und suchte, so gut sie konnte, etwas von der Strenge ihrer Königin anzunehmen, als sie mit vieler Würde fragte: „Was suchen Sie hier, mein Herr, und womit tonnen wir Jhnen dienen?// //Gewist, meine schonen Damen, habe ich nicht weniger gefunden, als was ich erwartete, — und wenn von Dienst die Rede ist, und Sie besehlen den meinigen, fo wird Ihr treuster Sklave jederzeit bereit sein.// //Wir sind nicht an die Bedienung von Negersklaven gewöhnt,// erwiderte Jenny, senkte jedoch die Stimme und schwieg erschrocken, als sie den wilden Blitzen des Zorns in Bad in's Augen begegnete. Er batte noch mcht Zeit gehabt, seinem Grimme Worte zu geben, als Olivia schon den unbesonnenen Ausdruck ihrer Freundin mit einem tadelnden Blick strafte und sehr ernsthaft sagte: //Du vergistt Dich, beste Jenny!// Bei dem Klange dieser Stimme schwand der Zorn des Mohren, und ein plotzlickes Vicht ging ihm anf. Es war dieselde Silberstimme, die ihn, trotz ihres Spottes, anf dem Maskenballe bezaubert. //Jetzt// — wandte er sich an Jenny, //habe ich wirklich gefunden, was ich suchte; und nun, meine Damen, konnen Sie mir einen Dienst erweisen; wenn >-ne mir Aufschlufi über zwei Masken geben, die mich auf dem Maskenballe so lebhaft interessirten. Die beiden Madchen wechselten verlegene Blicke. ,'Warum sehen Sic fo be^türzt ausV Ter ,/Rabe" wird den „Kanarienvogeln" kein Leides anthun; aber eine kleine Erklarung sind Sie mir wirklich schuldig, und ich ware in der That ein /,Narr,« wenn ich diese Gelegenheit entschlüpsen lieste, ohne das DerhaltniH festzustellen, in welchem wir kunstig zu einander stehen werden." Jenny schwieg, und Olivia nahm jetzt das Wort. vSie haben ein gegründetes Recht, auf uns bose zu sein. Wir trieben einen unpasseuden Scherz zu weit, und sind Jhnen eine auftichtige Abbitte schuldig. Wenn wir dies hiermit von ganzem Herzen thun, so ist es alles, was Sie von uns fordern und was wir Jhnen gewahren kömien. Sind Sie mit dieser Erklarung zusneden?" „Aus Jhrem Munde ist es hinlanglich sur mich, und Jhretwegen will ich alles Andere vergessen," antwortete Badin mit einem scharsen Seitenblick auf — diese war zwar zusrieden, so leichten Kauss davon zu kommen, tadelte jedoch Olivia im Herzen, dem Mohren so unbedingt sein Recht eingeraumt und ihm ohne Riickhalt AusschluH gegeben zu haben. Durch diese Versohnung war nun auch zugleich die t Bekanntfchast des Negers mit Olivia angeknüpst. I Jenny und Badin kannten sich bereits von früher; « obgleich indeH die Versöhnung jctzt geschlosien war, so fand zwischen beiden doch mehr Artigkeit als Herzlichreit statt. Das Sprüchwort Hat Recht, wenn es sagt, es bedürfe bei allen Dingen nnr deS ersten Schrittes. Der Uebergang von Bekanntschaft zu Umgang, von Umgang zu Vertraulichkeit, von Vertranlichkeit zu noch zartlicheren Gefühlen, ist so natürlich nnd unmerklich, datz man selbst nicht weih, wie und was mit uns geschieht. Der sonst so heftige, leichtsinnige, unbestandige und vergnügungssüchtige Neger ward jetzt nach und nach — wenigstens in der glühendsten Zeit seiner Liebe — still, unterwürsig, ernst, dein hauslichen Glück und den hauslichen Frenden ergeben. Er athmete nur in Olivia's Nahe, sah den Himmel nur in ihren Augen, kannte keine lieblichere Musik als deu Klang ihrer Silberstimme, kannte keine sützere Lust als die, mit sehnsüchtigen Blikken in ihren holden Zügen zu schmelgen, und fand alles Uebrige leer, hohl, unertraglich und langweilig. Seine Hingebung mihsiel ihr nicht, — welche unter Even's Tschtern nimmt es auch übel, wenn man sich ihr vollig ergiebt, sich ihrem Wunsch und Willen ganz unterwirft? — bald gefiel ihr sogar seine Ausdauer; seine glühenden Blicke sanden nach und nach den Weg zu ihrem Herzen; endlich fand sie so viel Geschmack an seinen Huldigungen als er daran, sie ihr darzubringeu. Ia, die glanzende Schwarze seineS Gesichtes, die ihr Anfangs so abscheulich vorkam, und ihr, so wie ihrer Freundin zum Ziel des Spottes dicnte, hörte vollig auf, ihr unangenehm zu sein. — Sie bemerkte sic zuletzt gar . nicht mehr, und wie im Allgemeinen jede Unregelmahigkeit bei einem gclicbtcn Gegenstande für das liebende Auge eine schone Eigenthümlichkeit wird, — so lange namlich die Bezanberung dauert, denn iiber diese hinaus geht das kritische Urtheil nicht, — so fand auch Olivia eine schone Uebereinstimmung zwischen der schwarzen Hant und den blitzenden Angen, und war überzeugt, da§ Zahne nnr so perlenweih aussehen konnten, wenn sie aus dieser schwarzen Nacht hervorlcuchteten. Kein Liebeshandel kann an einem Hose verborgen bleiben. Tausend spahende Augen lauschen hintcr den kostbaren Verhangen des sürstlichen Gemaches; sie dringen in das Zimmer der Hosdamen, und bekümmern sich um die Jntriguen jeder naseweisen Kammersrau. An einem Hose ist eine Liebesgeschichte ein wichtiges und hochwillkommenes Thema des Gespraches; es wird zart und pantomimisch behandelt, wenn es der „ Allergnadigsten" gilt; lebhaft und flüsternd, wenn die „Gnadigen" die Zielscheibe des Spottes sind; aber laut und mit Hohn wird das Herz der armen Kammersrau heimgesucht, wenn sein gewöhnliches Eis vor den Blicken der Liebe schmilzt. Es lastt sich daher leicht denken, welchen reichhaltigen Gegenstand des Gespraches ein so ungleiches Paar wie Olivia und Badin lieserte. Sogar die Kronprinzessin lieh diesen Liebesberichten ihr Ohr, denn es war siets eine schwache Seite Sophie Magdal en en's, gern Geschichten zu horen, die man in weniger hohen LebenSkreisen mit dem Namen von Klatschereien bezeichnet. Die Prinzen sanden die Vereinigung von Tag und Nacht — wie sie es nannten -- hbchst ergotzlick; die Königin sogar, als diese Sache ihr Ohr errcichtc, schickte nach der Kammerfrau ihrer Schwiegertochter, um den Geschmack ihres Mohren kennen zu lernen. Als sie das blode Madchen genau vom Kopf bis zu den Fützen betrachtet, und durch ihren bekenden Spott bald roth, bald blah gemacht hatte, entlich sie sie mit der Bemerkung, daH sic für einen Mohren zu weih und für einen Baren zu zart sei. Dies trng sich eines Morgens im Ankleidezimmer der Königin zu, wo Jenny dem ganzen Hergang mit heimlicher Schadenfreude beiwohnte. Bei ihrer eigenen Fürstin stiegen dagegen Olivia's Aktien taglich höher; denn feit sie eine so empsindliche Stelle an ihrer Kammerfrau entdeckt, war es Sophie Magdalenen's grötztes Vergnügen, sie auf ihre eigene Weise zu necken, die jedoch weit entfernt von dem beiHenden Scherz der Konigin war. DaS Madchen überlieh sich mit verschamter Unterwürsigkeit dem harmlosen Spott der Kronprinzessin, und so entstand nach und nach ein Verhaltnih, das Olivia bald als einen entschiedenen Günstling ihrer hohen Herrin erkennen lieh. So zufallig ist oft die erste Quelle nachmaligen wichtigen Einflusses, und von so unbedeutenden Anlassen schreibt sich zuweilen das Vertrauen her. Zwauzigstes Kapitel. l768. ^wöls Jahre waren seit der Entdeckung und Bestrasung der Braheschen Hochverratherei verstrichen. Das königliche Paar hatte sich von dem Schrcck und dem Schmcrz über die Gefahren erholt, denen es sich durch ihre Plane zur AnSdehnung seiner Gewalt blo^gestellt. Die Konigin wutzte nichts mehr von dem Aerger, den sie damals erlebt, aber auch nichts mehr von dcm schristlichen Versprechen, welches sie dem Priesterstande zu jener Zeit gegeben. Ihre Herrschsucht regte sich auf's Neue und zeigte sich im HaH gegen den Senat, wenn dieser wah-rend der Abwesenheit der Stande die Gesetze handhabte; im HaH gegen die Stande, wenn diese, wahrend sie versammclt waren, selbst das Scepter führtcn; im HaH gegen die Hüte, wenn sie die Oberhand hatten, und im HaH gegen die Mützen, wenn die'se regierten. Louise Ulriken's Herrschlust schonte nicht einwal ihr eigenes Blut. Der Kronprinz verlor ihr Wohlwollen, sobald er sein eigner Herr wurde. Sein Eintritt in den Senat, nachdem er mündig geworden, erregte schon ihren Neid; mehr noch wurde dieser aber geweckt, a!S er sich nach seiner Vermahlung ganzlich ihrer Ober- herrschaft cntzog; und als cr sich sogar beikommen licsi, die Kronprinzessin gcgcn den bittern Tadel ihiA Schwiegermutter zu vertbcidigen, brach ihr Zorn gcgcn dcn Sohn los; ja, die Feindschast wurde vollstandig, als cr sich in Staatsangclegenhciten heransnahm, cinc von der ihrigen abwcichcndc Mcinung zu haben und sich sogar nicht cinmal scheute, scinc Ansicht mit überzeugender Warme zu vertheidigen. Dcnnoch war ein grotzer Theil der Eigenschaften dcr Königin auf Gustav übcrgcgangcn. In scincr Liebe zur unumschranktcn Gewalt, zu dcn Wissenscbasten und Kunsten, zu Pracht und Lustbarkeitcn, znm autzcrn Glanz dcr Majcstat, glich er vollkommcn seiner Muiter; in dcr List, in dcr Vcrschlagcnhcit, dcr politischen Unzuvcrlassigkeit und der ganzlichen Vorurthcilsfreiheit in geistlichen Dingen, war cr das Ebenbild seincS Onkels, Friedrichs des GroHen; im Ucbcrflutz an Gcist und Gcschmack, und in ciner gcwisscn Art von Harthcrzigkcit glich cr Beiden. Er vcrcinigtc mit einer gewissen Kargheit scincs Onkels auf der einen Seite, die Verschwendungssucht scincr Muttcr auf dcr andcrn. Dcr böse Gcist der Herrschlust, der Muttcr und Sohn von einander trennte, wenn einer von ihnen der Macht am nachsten stand, vereiute sie wieder, wenn es darauf an-kam, sie einem Drit ten aus den Handen zu rcitzcn. Dics war gerade der Fall zu der Zeit, in welcher wir nns gegenwartig befinden. Die Mützen waren mehrere Jahre hinter einander die Meister in der Leitung der Staatsgeschafte gewesen, und ihre Anhanger im Senatc (denn dicscr betrachtete sich nur alö Bevvllmach- tigtcn dcr Standc) — überstimmtcn dcn König bei jeder Sache rè Wichtigkeit. Dies würde nun zwar auch stattgesunden habcn, wenn die Hüte das Uebergewicht gehakt hatten; diese waren aber doch wenigstens sreigebig und lebenssroh, sanden Geschmack an Answand, Uep-> pigkeit, glanzenden Vergniigungen, am Schimnier derEhre, und legten Werth auf Ansehen, — wo hingegen Sparsamkeit die Losnng der Mntzen bildete, und ihre ganzen Bestrebungen nnr dahin gcrichtet waren, Lmus und Vergnügungssucht zu unterdrücken, und nur das Nützliche und Nothwendige zu besördern. Louise Uirike schloH sich daher weit lieber den Hüten an; und selbst wenn sie aus politischen Gründen den Mützen schmcichcltc, blicb sie im Herzen doch stets ihre geschworene Feindin. Je nnbcngsamcr der König den Senat sand, desto zuvorkommcnder bewies die Königin sich gcgen den jnngen Hos. Sie rühmte laut und eifrig Alles, was dcr Kronprinz vornahm, und begegnete sogar seiner Gcmahlin nnt müttcrlichcr Frcnndlichkcit, um ihrcn Sohn anch durch sic für ihre Plane zu gewinnen. Dies gelang ihr auch vollstandig. Wenn es galt, die königiichen Lortrittsrechte zu vertheivigen, so bedurfte es niemals einer besondern Aufforderung, um dcn ehrgierigen Krvnprinzen in Thatigkeit zu setzen. Die Wiederspanstigkcit des Senats brachte das Königspaar und dcn Krvnprinzen aus den Gedanken, einen Neichstag zusammen zu ruscn. Bci ciiiem solchen hatte man stcts die Hoffnnng für sich, dnrch irgend cincn Wcchsci in dcr Nolkostimmung die Entsernung ciniger lastigcu Rathsherren zu bcwirêcn, und ganz bcsoudcrs wüuschte man dies von Kalling, dessen Widerspruchsgeist in demselben Verhaltnitz zu wachsen schien, als man sich bemühte, ihn zu unterdrücken. Der Antrag des Königs, die Stande znsammenzurusen, wnrde vom Senate verworsen, da er einen auIerordentlichen Rcichêtag für unnöthig hielt und dem Lande keinc auherordentlichen Kosten verursachen wollte. Auf diesen Abschlag des Senats folgte cine Berathung zwischen dem Königspaar und dem Krvnprinzen in Beylon's Zimmer und in seiner Gegenwart. Bei ihm war es, wo man heimlich die Kctten schmiedete, mit denen man die Macht des Volkes sesseln wollte. Beylon, vorsichtig, anspruchslvs, und verschlossener als ein versiegelter Brief, wenn es auf Heimlichkeit ankam, — obgleich er in feinem taglichen Umgange unter Freunden munter, gesprachig und ungekünstelt war, — Beylon empfing unbemerkt und gleichsam zusallig in feincm Zimmer bald einen fremden Gesandten, bald ein cinflntzreiches Standcmitglied, deren Aufwartung in den königlichen Gemachern Aufsehen erregt und Veranlassung zu Rcdercien gegeben haben würde. Bei Beylon sanden sie sich in ihrer bürgerlichen Kleitung ein, ohne recht von jemand bemerkt zu werden. Die hohen Personen, welche ctwas mit ihnen zu berathen hatten, besuchten ihn alsdann ohne Begleilung und zu Zeiten, wo man ihre Abwesenheit bei Hose nicht bemerkte. ,/Giebt es denn kein Mittel, diesen trotzigen Senat zu unterdrücken!" nes die Konigin unwillig, nachdem Adolph Friedrich ihr berichtet, was sich im Senat zugetragen. „Die Gesetzc dcö Neichs sprechen mir keine Autoris tcit über die Stimmcnmehrheit im Senatc zu," antwortcte dcr König gelasscn. ,/Aber dann ist man ja nicht König!" siel der Kronprinz ein. „Dann thate man ja besser, den nichtssagenden Titel eines Monarchen ganzlich abzulegen." ,/Eine tiefe Wahrheit, dcn Keim zu dcr Halfte enthaltcnd, die gesncht wird, möchte in dem verborgen liegen, was Ew. Majcstat und Seine Königl. Hohcit so eben ausgcsprochen," anHerte Beylon, „denn wenn die Gesetze des Landes dem Könige nicht gestatten, etwas gegen die Stimmcnmehrheit des Senates zu beschliHen, so verwehrcn sie dem Senatc nicht mindcr, ohne Zustimmung des Königs zu regieren." „Und welchen Schlnsi zichcn Sie darans?" siel die Königin ihm in die Rede. „Die Erklarung, allergnadigste Königin, daH der König, wenn dcr Senat sortfahrt, die Einberufung dcr Stande zu vcrwcigcrn, dcn Sccptcr nicderlegen wcrdc, dürftc den Senat auf jeden Fall zwingen, sich dem Willen Seiner Majestat zu fügen, da im entgegengesetztm Falle die Unmöglichkeit zu regieren eintrate, und alsdann die Stande durchaus einberufen werden muiten." „Die Sache latzt sich hören und verdient naher betrachtet zu werden," sagte die Königin. ,/Wenn sie mich nun aber beim Wort nahmen?" wendete dcr König mit einem Seuszer ein. "Doch, gleichviel,... ich verlöre alsdann weiter nichts, als cine Dornenkrone." „Bevor jedoch ein so wichtigcr Schritt gethan würde," hob Beylon wieder an, mühte man natürlich alle Falle wohl überlegen, die eintreten könnten, wenn Ew. Konigl. Majcstat dcr Rcgierung die Stütze ihreS hohen Namens entziehen. Jch will mich nicht verdrieten, alle Chanecn vorauszusagcn; es scheint mir jedoch unzwcifclhast, dast sich z. B. alle Beamten für Ew. Majestat erklaren und ihre Thatigkeit einstcllen würden, wcnn der Senat sich unterstande, die seinige sortzusetzcn; und vothwendigcrwcisc würde cr dadurch in ein solches Gedrange gerathen, daH cr in die Einberusung der Stande willigen müszte." „Ganz recht!" rief der Kronprinz mit vor Freude strahlenden Augen, wahrend er in die Hande klatschte und sich auf seinem Absatz umdrehte." Was die Beamten anbelangt, so kann ich für ihren gutcn Geist cinstehcn. Scitdem ich in jeder Wochc cinige ihrer Büreau's besuche, ihren Sitzungen vom Anfange bis'-zu Ende beiwohne, und regelmatig zwei von ihnen in meinem Wagen mit nach Haufe nehmc, sie an meinem Tifchc csscn lasse, und mich wahrend der Mahlzeit mit ihnen über alleVerhaltnifse unterhalte, die sich auf ihre Stellung beziehen: fo habc ich die gutcn Herren ganzlich in meiner Gewalt.» „Du fcheinst zu vergessen, mcin Sohn,„ untcrbrach ihn die Königin mit strengcm Ton und Blick," datz ich es gewesen, die zu diesem klngen Benehmen gerathen." „Ew. Majestat kommen meinem Gedachtnisz, wenn es mich einmal verlaft, stets mit auhcrst müttcrlicher Freundlichkeit zu Hülse," versetzte der Kronprinz, indem er die Farbe wcchselte. „Kcinc Zwistigkcitcn, meine Geliebten," bemerkte dcr Kdnig mit freundlicher Milde." Wir strebcn ja alle nach dcmselbcn Ziel und bcdürsen der Einigkeit in Wort und That, um es zu erreichen. — Was denkst Du von Gustav's Plan, Beplon?" '/Meine unterthanige Ansicht siimmt so vollêommen mit dcr Seiner Königl. Hohcit überein, datz ich den Erfolg für unzwciselhast halte, wenn Jhre Königl. Maje-staken sich entschlichen könnten, noch einen oder den andern bohcn Beamten durch freundlichen Zuspruch zu gewinnen. " „Gut, — das latzt sich horen!" riefen der König, die Königin und der Kronprinz wie aus einem Mnnde; denn Beylon hatte eS verstanden, dcr Eigenliebe aller zu schmeicheln und aller Wünsche zu vereinigen. Man beschloh, seincn Rath zu besolgen, und schritt ohne Zeitverlust zur Aussührung desselben. Die Königin war gegen diejenigen, wclche sich ihr nahten, niemals so znvorkommend gewesen als jetzt. Sie suchte durch ihr Benehmen die Hüte zu gewinnen, wahrend sie die Miltzen dadurch entwaffnen wollte. Nie hatte Fersen zuvor so freundliche Worte von der stolzen Königin ersahren. NicmalS hatte sie sich mit so vieler Thei'nahmc nach dem Gcsundheitszustande von irgend jemand erkundigt als jetzt nach dem des Oberstatthalters Lantingshausen (des Schwagers von Fersen), der aus dcm Sterbebette lag. Nie war seit dem Bruche mit Tessin die schone Stiestochter seiner Schwester, Charlotte Sparre, die wahrend seiner diplomatischen sendungen so viel Aussehen an sremden Höfen gemacht und gegenwürtig mit Ferscn'S Bruder vcrmahlt war, von Louise Ulrike mit soviel Gunst und Frcundschast überhaust worden als jctzt. Niemals hatte die Königin sich über die Anmuth srgcnd einer Dame so weitlauftig ausgelasscn, als über die der jungcn, unstreitig höchst entzückenden Grafin Meyerselt, die gegenwartige Heldin aller Hoffeste. — Es verstand sich dahcr auch ganz von selbst, da§ ihr Gemahl, das einflusireiche Standemitglied der Hutpartei, Graf Meyerselt, dieser überflictzenden Gnade ebenfalls theilhaftig wurde, ja dasi diese sich sogar bis aus ihre Eltern, den Grafcn Wrede Sparre, (Prasidenten im Kriegscollegio), und aus seine Fr au erstreckte. Der Wunsch der Königin ihre Mincraliensammlung geordnet zu habcn, gab die Veranlassung zu einer intimcn Unterhaltung mit dem Baron Lilljcnberg, Prasidenten des Berg- und Hutten-Collegiums. Hermansson, der Prcisidcnt des Kammcr-Collegiums, hatte in jener Zeit, wo er noch Staatssccretair war, den Frie-> den zwischen Schweden und Preufien unterzeichnet, und die Königin erinnerte sich jetzt dieses glücklichen Friedcnsschlusses aus cine so schmeichelhaste Weise, daH man ein sehr kaltes Herz hatte haben mussen, um nicht ganzlich davon eingenommen zu werden. Die Prasidcnten des Kammergerichts und des Staats-Comptoir's, der Graf Cronstedt und der Baron Löwen, vermochten ebenfalls der ungewohnlichen Gunst nicht zu widerstehen, womit sie ganz unvermuthet überschüttet wurden. Nur bei dem Prasidenten des Hosgerichts, bei Fredeustjerna, und dem des Kammer-Collegiums, bei Oelreich, wurde es dcr stolzen Königin aujzerst sauer, den richtigen Ton zu sindcn und ihre Blicke sagten etwaS ganz Audres als ihre Worte. s Dcr russischc Gesandte, Graf O sterman, dcr crste, > dcr die geheimen Umcrhandlungcn in Beylon's Zim- , mcrn ersuhr, bcobachtcte mit gcspanntcr Aufmcrksamkcit i das vcraudcrte Benehmen des Hoses, und versuchte den j Vorleser auszuforschen. Der Gesandte machte ihm mehrere j Besuche, übcrhaufte ihn mit Artigkeiten, wiederholte seine j Freundschaftsversicherungen, sprach von der Erkenntlichkeit ^ seiner Kaiserin und spiegelte ihm Geschenke, Orden und 5 Pensionen vor. Dcr Schwcizcr hcuchclte cinc vollstandige , Unkundigkeit dessen, waS der Gesandte zu wissen verlangte— , xine Unkundigkeit, von welcher der Gras O sterman sehr gut wu^te, da^ sie nichts als eine 8i^t war, um ihn hiuters Licht zu sühren. Es verletzte die Eigenliebe des vornehmen Diplomaten im höchsten Grade, daH seine Bemühuugen an der Schlauheit eines simplcn Vorlescrs schcitcrtcn; dah er sich vergebens herabgelassen, aus einem vertraulicheu Fuhe mit ihm umzngehen und seine Frcundschast zu suchcn; ja, datz der Vorleser sich sogar hcrausnahm, ihn an der Nase herumzusühren. O sterman wurde döse, was man ihm nicht verdenken kann, al^er er übereilte sich auch, was sich an einem Diplomaten nie entschuldigen latzt. Er brach mit dem verschwiegeneu Diener des Königs, und suchte dadurch die Demüthigung zu rachen, welche er erduldet zu haben glaubte. Der Graf sprach jctzt mit Verachtuug von einem Manne, dem er bisher geschmeichelt, und begegnetc ihm mit hochmüthigcr z Kaltc, wcnn er ihn zusallig in den Gcmachcrn des Schlosses oder sonstwo antras. . Das veranderte Benehmen des rnssischen Gesandten gegen den einflusireicheu Vorleser entging dem Haupte der Gcgcn-Partci dnrchaus nicht, und der Posten, den er aufgab, blieb kaum einen Augcnblick unbesetzt. Die franzosischcn Gesandten, der Baron Bretenil und die Grafcn Lascy und Modène, eilten mit ihrer einschmeichelnden Freuudschast und mit ihren lockendeu Versprechungen herbei, und umspannen damit Bcylo n und seine hohen Verbündeten. Sic waven allcn willkommen. Der Hof fatztc neuen Muth, man begnügte sich nicht mehr mit der Erzielung cines Reichstages, um Lust zu bekommen, sondern dachte schon wieder an eine Staatsumwalzung, um die unumschrankte Gewalt zu erlangen. Die Sachen gestaltetcn sich jedoch endlich so, daH man zum ursprünglichen Plane, zur Einberufuug der Stande uamlich, zurückkehren mutzte. Der Hos hatte zwei neue Bekenner seiner Ansichten an den geiftreichcn Gebrüdern Schesfer gewonnen, die beide Gesandte in Versailles gewesen waren. Carl Friedrich wollte sich an den jetzt regierenden Mützen rachen, weil sie ihn anS dem Senat vertrieben hatten, — wahrend Ulrich Senator werden und daher die gegenwartigen Reichsrathe zum Abzug zwingen wollte. Hierin konnten die beiden Brüder aus den Beisall und die Mitwirkung ihrer eigenen Partei, der Hüte, rechuen; sie erhoben /edoch ihre Blicke noch höher. Einmal im Besitz eines Platzes im Senate, wollten sie denselben auch von dem Einfluh und Wankelmuth der Stande unabhangig machen. Daher waren sic sur eine Erweiterung der Konigsmacht, obschou sie von einer Unumschrankt- 9 heit derselben nichts wissen wollten, Natürlich wurden sie vom Hose mit offenen Armen empsangen; da der letzterc Theil ihres Planes jcdvch mit den Vortheilen und Ansichten ihrer politischcn Frcunde nicht übereinstimmte, wagten sie nicht offen mit dem KönigSpaare zu unterhandeln, sondern nahmen ebensalls ihre Zuflucht zu Bcylon's Kabinet, dem Mittelpunkte aller Jntriguen damaliger Zeit. Fersen, das 5^aupt derjenigen politischcn Partei, zu deren Fahne die Gebrüder S ch effer geschworen hatten, war gleichwohl ein Gcgenstand ihrer heimlichen Befürchtungen. Sie besorgten ^— und das nicht ohne Grund — er möchte seinen ganzen Einflusi aufbieten, um ihrer Absicht, der Krone eine grotere Gcwalt in die Haude zu spielen, entgegen zu arbeiten. Seine patriotische Unbeweglichkeit gegen Brahe und seine Mitschuldigeu gab zwar zuweilen dem Krastigsten, Verschlagensten und Dreistesten unter den Hüten, dem Prasidenten des Berg und Hütten-CollegiumS, Grafen Friedrich Gyllenborg, cinem Manne nach, der seine Partei leitete, ohne jemals das Wort aus dem Ritterhause zu nehmen; aber Fersen's Denkweise war aus jeden Fall hinreichend bekannt, um die Besorgnisse der Gebrüder Schesfer zu rechtsertigen. Sie warnten daher die Königin, sich ihm aus keinen Fall anznvertrauen, obgleich sie ihr gnadiges Benehmen gegen einen sv gefahrlichen Führer des Volkes billigten. Die grotze Rolle, welche Louise Ulrike wie ge-> wöhnlich bei dergleichen Unternehmungen auch hier spielen wollte, machte den eiteln Kronprinzen mitzvergnügt. Er hatte die Absicht, zu zeigen, dah er es gewesen, der die Bcamten gewonnen, — er wollte für ein unentbehrliches Triebrad bei allen diesen Jntriguen gelten, — und nun trat sie (die Königin) plötzlich hervor, um allen Beifall für sich allein in Ansprnch zu nehmen. Der Neid loderte in seinem Herzen auf, und nahm die Maske der Vorsicht an. Er schloH sich eines Tages mit Beylon ein, und machte hier in einem vertraulichen Gesprache seinem Herzen Luft. »Jch glaube, lieber Beylon, die Königin, meine Frau Mutter nimmt die Sache etwas zu leicht, und geht zu offeu zu Werke. Jch verspreche mir nichts Gutes davon. Aicherdem ist mir noch eine andere Bedenklichlichkeit aufgestoHen. Wenn der Plan mitzglückte, — wenn zuerst der Senat und alsdann die Stande den Konig, meinen Herrn Vater, wirklich beim Wort ncihmen, wie Seine Majestat neulich selbst zu bedenken gab?...// "In diesem Fall, gnadigster Herr, werden Ew. Königl. Hoheit einige Jahre früher und noch bei Lebzeiten Jhres Herrn VaterS König von-Schwedenz denn die Stande des Reiches werden die von ihnen beschworene und von den auSlandifchen Machten bekraftigte Erbverei ni gun g nicht anzntasten wagens, "So... also glaubst Du?... Ja, ja, — Auf jeden Fall kenne ich als erster Unterthan, als erstgeborner Sohn und als erster Staatsburger meine Pflicht, allen übrigen Unterthanen mit dem Beispiele des Gehorsams gegen das gekrente Hanpt und meine Eltern voranzugehen. Diese sollen ihre Hosfnung nicht vergebens auf mich gesetzt haben. 9" Undnunsing Gustav an, mit allem Eifer dasjenige auSzuführen, wozu er sich in Bezug aus die Beamten verpslicktet hatte. An den Tagen, wo er den Senat nicht besuckte, in welchem er stets aus allen Krasten die Ansichten seincS Vaters unterstützte, wohnte der Kronprinz den Versammlungen der Beamten bei, hörte die Vortrage über die verschiedenartigsten Geschafte mit an, sprach lange und vertraulich mit den Mitgliedern der Collegicn, nahm regelmatig einige von ihnen in seinem Wagen mit zu Tische u. s. w. Diese Einschmeichelungen wu.den auch aus den Senat ausgedehnt. Ganz besonders hatte der ausgezeichnete Bürgermeister Sebaldt sich der besondern Gnade des Kronprinzen zn rühmen; und da Sebaldt nicht nur im Jahre 1765 der Sprecher des Bürgerstandes war, sondern es auch 1771 blieb, welcher Reichstag im Jahre 1772 mit der StaatSumwcilzung schlos;, so M sich daraus entnehmen, da^ der Saame des Kronprinzen nicht auf ein steiniges Land siel. Gustav gewann sich aller Herzen, und wutzte die Hoffnungen deS ganzen Landes auf sich zu leuken. Er wurde der Abgott der Beamten. Man hörte aus ihrem Munde nichts Andres als seinen Ruhm. DieS kam sehr bald der Königin zu Ohren. Sie sing an es zu bereuen, ibn in ihre Plane eingewcibt und ein Benehmen veranlaft zu haben, welches ihm die so beneidete nnd gesahrliche Gunst des Volkes erwarb. „Wissen Sie, lieber Beylon," sagte sie eines Tages zum Vorleser, als sie sich mit ihm unter vier Augen besand, — »Gustav ist auHerst egoistisch und ehrsüchtig. Unsere vielen Ersolge verwohnen und berauschen ihn. Bedenken Sie, wenn wir uns in unserm eigenen Garn fingen, — wenn Senat und Stande die Schlanheit hatten die Abdankung meines Gemahls anzunehmen und den beim Volke so gut angeschriebenen Kronprinzen zum Könige auszurusen!" '/Das bezweifle ich, allergnadigste Königin; aus jeden Fall ist seine königliche Hoheit indcsi viel zu scharssichtig, um sich jetzt schon die Krast zuzutrauen, die schwere Regierungsbürde allein tragen zu können. Ich nniHte mich sehr irren, wenn der Prinz nicht scin ganzes Vertrauen auf Ew. Majestat setzte, und hoffte, datz Ew. Majestat mütterliche Güte ihm mit Jhrem hohen Rathe beistehen würde." -/Meinen Sie?... Nun ja, — Gustav must doch auf jeden Fall einmal König werden! Einige Jahre srüher oder spater kann dabei ganz gleichgültig sein. Mein Gemahl wird mit jedem Tage nachgiebiger gegen den Senat, der seinen Sourerainitatsrechten immer mehr Abbruch zu thun sucht ... und in meinem Herzen uehmen natürlich mein Gemahl nnd mein Sohn dieselde Stelle ein." Gin und zwanzigstes Kapitel. 1769. ^An der kleinen, dcm Leser bcrcits bekanntcn Stadt Jonköving sa^ Cnrt in seincm Arbeitszimmer und studirte, uachdem er seine Berussgeschafte geendet, seinen Lieblingsschriftfleller Taeitus. Seine Frau, die im Nebenzimmer mit dcm Ordnen des Theetisches beschaftigt war, ermahnte ihre beiden Kinder, sich ruhig zn verhalten, damit sie den Vater nicht storten. Die elfjahrige Tochter gehorchte willig und stellte sich ans Fenster, um auf die Stratze hinauSzusehen; ihr ein Jahr alterer Bruder, ein Wildfang in des Wortes vollstandigster Bedeutuug, dessen sprühende Lebendigkeit und hübscheö Auösehen die sonst vernünstige Mutter ein wenig zu nachsichtig gegen ihn machte, kam diesem Befehle jedoch nicht eher nack, als bis des Vaters ernste Stimme Ruhe gebot. Als Madame Curt ihrem Manue so eben Thee eingegossen, ries das Madchen am Fenster: „Mama! es halt ein Reisewagen vor unserer Thür, und ein Herr steigt aus!" Der Knabe, welcher bei diesem Zurns ebenfalls ans Fenster lief, fügte hinzu: "Ja, Mama, — es ist der General! Er sieht herauf und winkt uns zu. Sichcr kommt cr, um den Papa zu bcsuchen." Cnrt hörte die Nnterhaltung seiner Kinder, legte sein Buch aus der Hand und ging in das autzere Zimmer, welches knrz darauf durch eine andere ThürvonPechlin betreten wnrde. "Vou ganzem Herzen willkommen, mein General!" — rief die Frau vom Hause mit vieler Frcuudlichkeit, >— «doch müssen Sie entschuldigen, wenn ich so aufrichtig bin hinznznfngen, da^ sie mir noch willkommener waren, wenn Sic Jhre liebenswürdige Gemahlin mitgebracht hatten." "Mcine Frau weitz Jhre Güte zu schatzcn, fühlt sich höchlichst dadurch geschmeichelt und schickt Jhnen tausend herzliche Grütze, meine Gnadige," antwortete Pechlin verbi-idlich, indem cr ihr die Hand kühte. Hierauf umarmten sich die deiden Freunde, der General kützte dem kleinen Madchen die Stirn, und streichelte dem Knaben die Wangen. Nach den Begrüszungen wnrde Thee getrunken, und man sprach über scherzhafte und gleichgültige Gegenstande. Alsdann nahm die Frau vom Hause ihre beiden Kinder bei der Hand und entfernte sich. Curt gab Besehl, niemand in sein Zimmer zu lassen und datz man sagen solle, cr sci ausgcgangen, wenn jemand nach ihm fragte. Der Wagen des Generals war unterdeh in die Remise geschoben worden. "Deine Rückkunft vom Reichstage, noch ehe er geschlosseu ist, verspricht mir nichts Gntes, lieber Pechlin. Jst es der Hof, der jetzt regiert, oder sind es die Hüte?" > „Sie rcgieren beide gemeinschaftlich bis auf Weitercs. Glücklichcrweise giebt es kcinen ewigen Friedcn, also auch nicht zwischen diesen, und wir werden spatcr schon einmal wieder mit ihnen zu thun bekommen.» „Als Fersen Landmarschall wurde, sah ich gleich, was die Glocke geschlagen hatte. Er und seine Freunde erschöpften ihre Freiheitsliebe in dem Prozeh, welcher dem Brahe und seinen Mitschuldigen gewacht wurde. Die damalige Krastauhernng der Hüte must vielleicht sogar schon auf die Rechnung Gyllenborg's, des schlauen und entschlossenen Greiscs im Berg- und Hütten-Collcginm, gesctzt werden, die Dienste, welche diesc Partei nach Gyllenborg's Tode der Freiheit und dem Staate noch geleistet, sind leicht gezahlt." „Und jetzt, wo sie das Verfahren des Hoses und der Leamten' gntgehei^en, austatt es nachdrücklich zu rügen und zu bestrafen, und uachdcm sic die selbststandigen Senatoren entfernt, anstatt ihnen Ehrensaulen zu errichten, Hat sic der Verfassuug eiue Wunde beigebracht, die wir auHerst sorgsaltig pflegen mussen, wenn sie nicht todtlich werden soll." „Du muft mir die ganze Geschichte im Zusammenhange erzahlen. Ich habe nur eine ganz undentliche Anschanung vvn der Sache; denn die Geruchte kreuzen und widersprechen einander, und die eigentlichen Ursachen zu den stattgehabten Vorgangen lassen sich nur durch cin forschendes Auge an Ort und Stelle ausfinden." „Wenn ich mir nicht vor cinigen Jahren die Verbindnng mit dem Mohren verschasst hatte, der sich in allen Winkeln des SchlvsseS umhertreibt, so würde ich > jetzt nur im Stande sein, Dir die Autzenfeite von dem Vorgefallenen anzuführen. Jener Neger ist namlich ein passiomrter Verehrer von schonen Soubretten und halb und halb mit der Kammersrau der Kronprinzessin verlokt; doch genügt dies seinem heitzen Blut und heftigen Leidenschaften keineswegs. Der Besitz von elf Angebeteten würde ihn nicht verhindern, noch einer zwolft en seine Huldigungen anzutragen. Ich habe mich danach cingcrichtet. Meine Frau Hat sich eine Kammerjungfer angeschafft, die so schön wie Aurora Königsmark und so listig wie Sigbritt ist. Von meiner Frau mit gehorige» Jnstruetionen auSgerüstet, — dennDu weitzt, datz sie eben nicht auf den Kopf gefallen ist, ^—Hat das Madchen den fchwarzen Junker in ihren Netzen gefangen, und pretzt jetzt Nachrichten aus ihm heraus, wie Wasser aus einem Schwamm." ,/Sind diefe Nachrichten aber auch zuverlassig?" „Zuweileu. Man vergleicht seine Angaben mit den Berichten, die uns von andern Sciten des grotzen Welttheaters zu gehen. Alsdann sondert man das Gold von den Schlacken, und sindet taglich eine neue Bekraftigung des Sprichwortes: kleine Wunden und arme Freunde darf man nicht verachten." ,/Ganz recht; doch kann Badin unmöglich Dein einziger Kanal zum Schlofse sein!" „Er ist vielleicht nicht der hundertste ...; aber auf die Kanale wird es Dir wohl bei diefer Gelegenheit nicht ankommen; Du willst ja von den Ereignissen in KenntniH gefetzt sein." „Das will ich auch, >— und ich wünsche nur, daH Du endlich zur Sache kommen möchtest." 9 „Wir haben an dcm Vorleser Johann Franz Beylon cine neue Auflage von Erland Broman erhaltcn. Er ist gegenwartig dem Hofe Alles in Allcm, so wie Broman es früher dem Vorganger des Konigs war. In Beylon's Zimmer wurde die Throncntsagungsposse eingeübt, obgleich ich noch nicht im Stande bin, Dir mit GewiHeit zu sagen, vb der erste AnstoH da^u von ihm, der Königin, oder dcm Kronprinzen, diescm angehendcn Augustus, kam, von wclchem man schon behanptet, der Apsel sei nicht weit vom Stamme gefallen. Sicher ist, dasi der Kom'g wie gewöhnlich gegen seinen Willen vorgeschoben wurde, uud seine zweideutige Nolle spielen muhte. Die Senatoren benahmen sich wie Manner. Weder des Konigs donnernde Protokolle, noch des Kronprinzen Wortgeprange, welches man Wohlredenheit nennt, noch die Jntriguen der Königin waren im Stande etwas auszurichten; und als der König endlich erklarte, den Scepter niederlegen zu wollen, bis die Stande des Reichs in dieser Sache den AuSschlag gegcben, und der Kronprinz den Namensstempel des Konigs zurücksordcrte und den scrneren Gebrauch des Namens seines Vaters in Staatsgeschasten untersagte, antwortete der alte Kalling mit echtrömischer Kaltblütigkcit, „ob der König lebe oder sterbe, den Berathnngen des Senates beiwohne oder nicht, so gebe es in Stockholm doch stets eine gültige Regierung, der das Land zu gehorchen habe; und es könne also im schwedischen Rciche keinen Augenblick an der Handhabung des Rcchtes und GesetzeS fehlen." „Das war eine Antwort, wie sie sich für einen schwedischen Senator schickt. „Und die mehr wiegt als ein ganzer Sack voll klingender Phrasen. Aber was helfen Vernunft und Gesetz gegen Leidenschaften und Ranke. Der König that ganz ernsthaft mit seiner Abdankung, und der Kronprinz fuhr zu allen Beamten umher, machte sie mit dem Vorsatz seines Vaters bekannt, und verbot ihnen, sich in AmtSgeschaften serner des Namens seines Vaters zu bedienen; dabei sügte er hinzu, dah die Ursach aller dieser Verwirrungen keine andere sei als die Verweigerung der Einberusung der Stande von Seiten des Senats. Sicher hatte man sich schon vorher über alle Puukte gehörig verabredet; und sammtliche Beamten erklarten nun plötzlich, unter so bewandten Umstanden nicht weiter thatig sein zu können, und die Geschafte nicht eher wieder ausnehmen zu wollen, als bis der König das Scepter wieder ergriffen, oder ein Reichstag einberufen worden." "Welch blindes und strafwürdiges Benehmen!" "Es wurde im Gegentheil mit Lob und Dankbezeigungen aufgenommen. Dieser pflichtvergessene Schritt der Beamten zwang den Senat, den Reichstag einzuberusen. Damit war die Abdankungsfaree beendet; der König nahm auf die gewöhnliche Weise seinen Thron wieder e«, und die Beamten besuchten die Büreau's wieder. Der arme Senat wurde das Opfer seiner Standhaftigkeit. Die Hüte bekamen, durch die Jntnguen des Hofes unterstützt, wieder Lust, wurden die Meister deS Neichstages, und gaben ihre Gewalt durch zwei Handlungen zu erkennen, die ihnen zur ewigen Schmach ge- . reichen. Sie setzten namlich den ganzen Senat ab, die beiden Speichellecker Wallvik und Hjarne ausgenommen, und dankten öffentlich >— dem Konige sür die fingirte Thronentsagung, — dem Kronprinzen dafür, dah er sich in Sachen gemischt, die ihn nichts angingcn, — den Beamten endlich für ihre verbrecherische Entschlossenheit bei der Einstellung ihrer AmtSverrichtungen.,, ,/Es ist vorbei mit unS! Wie will nnsere Verfassung sich noch halten, wenn diejenigen, welche ihre Rechte beschützen sollen, sie den Launen des herrschsüchtigen Hoses opfern! Und was wird der junge Fürst dereinst als Kdnig thun, wenn er sich schon jetzt so versafsungswidrig benimmt!,/ ,/Jch halte die Anfführung des ThronfolgerS für eben so verfassungswidrig als Du, mein lieber Curt," sagte Pechlin lachelnd, „obgleich er Dir für diesmal ei«en Dienst damit geleistet. » ,,Mir?„ "Dir, Bruder Curt! Nachdem man sich des alten Senates entledigt, hatte es grohe Schwierigkeiteu, unter den Hüten selbst Leute zu finden, die an seine Stelle treten konnten. Der Kronprinz strich, wahrscheinlich in der Absicht, sich die Gunst des VolkeS zu verschaffen, als ein Hamburger Bürger verkleidet zu Fuh in den Gassen von Norrkoping umher, und bat Stockenström, Hermansson, Beckfriis und Schwerin, so wie mehrere Andere, den Talar nicht auszuschlagen. Ganz besonders bearbeitete er den alten Stockenström in dieser Beziehung, denn es hielt sehr schwer, ehe man ihn dahin vermogen konnte, den sichern Platz eines Justizkanzlers, als welcher er sich einen geachteten Namen verschafft hatte, mit dem in unsern Tagen sehr unsichern Platz eines Senators zu vertauschen." „Das ist gut und recht, und ich freue mich stets ausrichtig, wenn tüchtige und redliche Leute ans Ruder kommen, mogen sie nun zur einen oder zur andern politischen Partei gehvren. Mehr noch freut mich dies natürlich von Personen, die ich selbst kenne; aber es handelt sich dabei doch immer um den Vortheil des Staateö, und ich kann nicht recht einsehen, was mein eigener damit zu schaffen Hat." "Das kann ich Dir glücklicherweise recht deutlich machen, wenn Du es zu wissen verlangst," sagte Pechlin, indem er eine Bnestasche hervorzog und aus ihr ein zusammengelegtes Papier nahm. //Beckfriis, der schon seit langer Zeit weih, was Du werth bist, Hat nichts Angelegentlicheres zu thun Lehabt, als bei seinem Eintntt in den Senat sogleich Deine Rechte geltend zu machen, und hier haft Du die Versügung des SenateS, nach welcher er Dich dem Konige zur Erhebung in den Adelstand vorschlagt." "Ja!" ries Curt, indem er überrascht den Inhakt des Papiers durchlies, — „das ist doch einmal ein Erinnerungszeichen von einem zuverlassigen Gönner! Die Sache macht mir ohne Scherz nur darum Vergnügen, weil die Welt nun einmal so beschaffen ist, wie sie ist, und weil der Adelsbrief für jetzt das einzige Mittel ist, eine öffentliche Wirksamkeit hvberer Art und einen Platz im Ritterhause zu erlangen; eben so ausrichtig gestehe ich jedoch, daH ich weit lieber in cinem Lande und in ei- ner Zeit leben mochte, wo man dergleichen Zufalligkeiten nicht bcdarf./, ,/Und darum, Bruder Curt, gratulire ich Dir weniger als uns, Deinen politischen Frennden und dem > allgemeinen Besten, für welches Du von jetzt an ein gewichtiges Wort mitsprechen kannst. Ich sagte Dir ja > schon vor ein paar Jahren, daH der Kdnig Dir nicht abgeneigt sei. Ich hatte das aus guter Hand. Für'6 allgemeine Beste ist es jedoch wichtiger, daH Du einige der neuen Senatoren aus Deine Seite bekommst. DaS würde unsxrer Partei höchst dienlich sein. Wenn der Kronprinz wühte, wie wenig Du der Ausdehnung seiner Gewalt und der seiner Mutter gewogen bist, so würde er sich gewih nicht so viel Mühe gegeben haben, den alten Beckfriis, der sich so sehr für Deine Adelserhebung interessirt, in den Senat zu bekommen. Nun dies einmal gefchehen ist, mag er immerhin erfahren, was ihm für die Zukunft doch nicht verborgen bleiben kann; denn wenn der König > Deinen Adelsbrief erst unterschrieben Hat, so kann Gu- r stav es nicht wieder ungeschehen machen." »Abcr sage mir, Pech lin, warum haft Du den i ReichStag vor seiner Beendigung verlassen?" "Weil unter den gegenwartigen Umstanden für uns > nichts dort auszurichten ist; — im entgegengefetzten Fall ware ich wohl noch geblieben, und hatte Dich auch nicht l eher zufrieden gelassen, als bis Du uns wie gewohnlich i Deinen kraftigen Beistand gefchenkt. Seitdem der alte ! Hütc so übermachtig, dast man nur ihren Triumph vermehrte, wenn man gegen den Strom zu schwimmcn versnchte. Es ist für >ctzt am allerbesten, sie erft austobcn zu lassen; desto eher werden sie ihre Kraste erfchöpfen,— desto eher werden die Gegenparteien sich wieder sassen und das Blatt must sich alsdann wenden. Das Einzige, was wir gegenwartig zu thun haben, ist, darauf zu sehen, da^ der Hof diese neuen Verhaltnisse nicht benutzt, ein für allemal fowohl feine Widersacher, als feine Verbündeten zu unterdrücken und auf diese Weife die von ihm so heih ersehnte Gemalt zu erringen./, "Hast Du viellcicht besondere Veranlassung zu einer solchen Furcht." ,/Es sehlt mir eigentlich nicht daran. Ich weih aus guter Hand, dasi der französifche Gcfandte fehr oft mit der Königin und dem Kronprinzen geheime Zufammenkünfte in Beylon's Zimmer Hat; datz der Vorlefer, der mit den angefehensten Handels^ausern der Hauptstadt in Verbindung stekt, gegenwartig starke Snmmen aufnimmt, die er auf der einen Seite für sich felbst nicht gcbrauchen kann, und die ihm auf der andern anch Niemand auf eigene Rechnung borgen würde; dah Beylon der Kanal ist, dessen der König sich bedient, wenn er sich in Geldverlegenheit befindet; da§ der preuhifche Gefandte auf Befehl feines Königs und Herrn die Königin gewarnt Hat, sich in Regierungsangelegenhciten zu mifchen und einer Erweiterung der königlichen Macht nachzustreben, wobei er sie an die unangenehmen Folgen der Borfalle des Jahres 1756 erinnert. Diese Ermahnungen Hat die Königin so übel aufgenommen, daH sie ihren Bruder ersucht Hat, in Abrede zu stellen, dem Gesandten derartige Jnstruktionen ertheilt zu haben und ihn demge-maH vom schwedischen Hofe abzuberufen." ,/Dies alles klingt aufzerst bedenklich; in diesem Falle wird die Königin doch mindestens nicht auf die Unterstützung ihres Bruders rechnen und sich auf ihn berufen können. Seine Warnungen deuten an, daH die-ser scharfblickende Staatsman» sich von den Unternehmungen uns'res Hofes nichts Gutes verspricht, und das ist immer, wie der Franzose sagt: -iu«!»nt AgKnv!" ,/O ja. Unterdeh thut der Hof alles, was er vermag, um seine Feinde zu versöhnen und neue Anhanger zu werken; sogar der alte Tessi n ist wieder zu Gnaden aufgenommen." ,/Wirklich?" „Und zwar durch die Vermittelung des Kronprinzen. Ein Verlangen vorschützend, seinen früheren Gouverneur einmal wiederzusehen, nahm er auf der Reise zum Reichstage seinen Weg über Oker'o, dem Gute des Alten, blieb einen Tag bei ihm, und nahm das frühere Haupt der Hutpartei ganzlich für sich ein. Auf der Rückreise von Norrköping sprachen selbst der König und die Königin einen Tag bei Tessin ein, und dieser steht nun wieder auf demfelben AuHe mit dem Königspaare, wie vor Adolph Friedrichs Thronbesteigung. Es wird sogar behauptet, die Königin habe mit dem alten Grasen über den Tod seiner Gemahlin geweint, die an der Wassersucht gestorben." ,/Dicse Nachricht ersreut mich autzerordentlich, — nicht auS pvlitischen Gründen, denn Tessiu's Staats- ansichten waren selten die weinigen, und er ist gegenwartig in seinem vier und siebzigsten Jahre zu alt und Hat zu lange fern von allen StaatSgeschasten ^elebt, um weder für die ei»e, noch für die andere Seite kraftig mitwirken zu können, — sondern aus rein menschlichen Gründen. Tessin Hat seine kraftigsten Tage und sein bedeutendes Vermogen dem allgemeinen Besten geopfert, ohne von den Standen und vom Hose etwas Andres als Undank zu arnten. Er und seine verstorbene Frau haben dem schwedischen Namen im Auolande Ehre gemacht, und sind in ihrem eigenen Vaterlande zurückgesetzt worden. Er war unser berühmtester Diplomat, der die wichtigsten Sendungen nach Wien, Paris, Kopenhagen und Berlin gehabt, — der an dem letztgenannten iDrte deu Heirathsesntraet zwischen unserm gegenwartigen Könige und unserer Königin abgeschlossen, dem man aber, trotz seines bekannten und billigen Wunsches, die Vermahlungsnnterhandlungen zwischen unserm Kronprinzen und seiner Gemahlin nicht anvertraute, obgleich Gustav sein Zöglmg gewesen und Tessin schon in der Kindheit des jetzigen Paares für seine dereinstige Vermahlung stimmte. Bei der Thronbesteigung des Königs leistete Tessin trotz seiner engen Verbindung mit demselben durch seine patriotischen Gesinnungen der Sache der Freiheit einen grotzen Dienst, und alle Parteien mussen ihm dies daher hoch anrechnen. „Wenn der Graf zehn Jahre jünger ware, so würde ich manches gegen Deine gesühlvolle AeuHerung einzuwenden haben und Dich z. B. sragen, Bruder Curt, vb Du nicht findest, datz die Stande sich gegen Tessin ziemlich dankbar benommen, indem sie ihm das schone Lackö auf Lebenszeit verliehen; jetzt bin ich jcdoch ganz Deiner Meinung und denke auch, daH nichts darauf an-kommt, auf welcher Seite der Graf auch stehe. Jch erwahnte seiner nur, um Dich mit dem Barometerstande bei Hofe bekanut zu machen. Etwas wichtiger ist, datz ein neuer Stern im Begriff steht, am Horizont des Reichstages emporzusteigen, und dasi er sich mehr zu un serm Sonnensystem, als zu dem des Hofes und der Hüte hingezogen sühlt." „Und der ist?" Der Direetor Clas de Frietzcky. Es fcheint mir, als liche sich aus dem Menschen etwas machen. Die Hüte singen sogleich an, ihm zu schmeicheln, er wendete ihnen jcdoch kalt den Nücken und naherte sich den Mützen. Jch will nur wünschen, datz auch dicse nicht allzu viel Gewalt über ihn gewinnen; denn Du weitzt, ich halte von den Hüten durchaus nichts, und von den Mützen nur grade so viel, als recht ist." „Jch kenne Deine Menschenliebe," bemerkte Curt scherzend. „Man muH die Menschen nehmen, wie sie sind. Ein Staatsman» dars kein Utopiker sein. Das lernte ich schon von meinem seligen Vater, den man als Regierungskanzler und geheimen Rath in Holstein sür einen sehr klugeu Minister hielt. Jch glaube auch, datz ein Staat weit besser durch einen vernünftigen Kvnig, als durch einen romischen Consul oder dergl. regiert wird." „Jch bin der Meinung, daH die Staatsversassungen unferer Zcit durchaus kcinc Vergleichung mit dcr Regierungsform Rvm's vor der Kaiferzeit zulasscn." '/Jch will mich nicht weiter in einen unnothigeu Streit über diese Sache einlassen; wir haben gegcnwartig wichtigere Dinge zu thun. Wir mussen Freund und Feind beobachten, wenn unsere Freiheit nicht untergehen soll, wie früher in Dcinem geliebten Rom. Der setzige Reichstag ist so gut wie verloren; auf dem nach sten must man versuchen, den Ranken dcr Hofpartei die Spitze zu bieten. Jch hoffe, datz Du alsdann schon introducirt scin wirst, damit wir auf derselben Stelle Schutter an Schutter für die gute Sache kcimpfen kennen. Wenn Du mir das Vergnügen machen willst, mich morgen in Granbeck zu besuchcn, so könncn wir uns ferner über die Wege besprechen, wclche wir zunachst einzuschlagen haben." Die Unterhaltung ging jctzt auf glcichgüttigere Gegenstande über, und bald daraus nahm der General Abschied und fuhr nach Hause. Zwei und zwanzigfieS Kapitel. 1770. ^liele Umstande trafen zusammen, um den Winter des Jahres 1770 zu cincm der srohlichsten und glanzendsten für den Hos wahrend der Regierung Adolph Friedrichs zu machen. Seit mehreren Jahren hatte das königliche Haus nicht so viel Wind in den Segeln gehabt, wie aus dem kürzlich beendeten Reichstage, und die Hospartei traumte von nichts Anderm, als von neuen Ervberungen auf Kosten der Staatsversassung, wobei sie ihre Hoffnung theils auf den erworbcnen EinfluH bei den Standen, theils auf die Versprechungen des ftanzösischen Gesandten, theils endlich aus die Volksgunst und das Einschmeichelungstalent des Kronprinzen baute. Es war auch nicht mehr die vier und zwanzigjahrige stolze Schönheit, die Kronprinzessin Sophie Magdalene allein, welche bei den Hoffesten alle Huldigungen auf sich zog, fondern sie theilte diefelben jetzt mit ihrer jüngeren Sckwagerin, der netten, einnehmenden, siebenzehnjahrigen Prinzessin Sophie Albertine. Heiterer, ungekünstelter und ungezwungener in ihrer Art zu sein als die Kronprinzessin, lockte das leidenschaftliche Feuer ihrer schonen Augen Schaaren von Anbetern herbei, wahrend die kalten Biicke ter Kronprmzefsin einen Jcdcn erinnerten, sich in gcmesscncr Entfernung zu halten. Der Unterschied des Ranges zwischen den Mitgliedern deS königlichcn Hauses und den Unterthanen, die den Hof besuchten, konnte jedoch den kleinen, mit Pscil und Bogen verschenen Gott nicht hinder», seinen Scherz mit diesen Verhaltnissen zu treiben, und mit demselben Pseil das Herz eines Unterthan und einer Fürstin zu verletzen. DieSmal schien die Liebe sich autzerdem vorgenommen zu haben, die Folgen der Vorurtheile wieder gut zu machen, und einen Mann dcm Purpur nahe zu führen, der unter andern Verhaltnissen ihn vielleicht schon in der Wiege getragen hatte. Friedrich Wilhelm von Hessenstein, Graf in Schweden und im heiligen römischen Reich, spater sogar Fürst in beiden Landern, lietz in den Eigenschaften, die an einem Hose Beifall und Neïd erregen, Aufsehen machen und Erfolge sichern, alle seine Mitbewerber weit hinter sich zurück. Die Schmach, womit die öffentliche Stimme eine uneheliche Herkunft brandmarkt, verwandelt sich in Auszeichnung, wenn die verbotene Frucht aus den Zweigen eines königlichen Stammes wuchs; und autzerdem hatte Friedrich I. aus dcm Hause Hessen - Cassel seine Kinder mit der Reichsgrasin Taube, von denen keins leben geblieben war, als der in Rede stehende Graf von Hessenstein, mit so grosien Reichthümern bedacht, daH der Graf in diefer Beziehung besser gestellt war, als die Prinzen des regierenden Haufes Holstein- Gottorp; ja besser sogar als selbst der König. Die Pracht, welche Hessenstein in seiner Wohnung, seinen Mobeln, seiner Kleidnng, in derAnzahl seiner Bedienten, Pserde und Wagen entsaltete, — die Leckerheit seineö Tisches, die Ueppigkeit seiner ausgesuchten Vergnügungen und die Freigebigkeit, die ihn veranlaHte, bei jeder Gelegenheit mit Gold um sich zu wersen, zeichneten ihn vor allen, selbst den reichsten und altesten Edellcuten deS Landes aus, wahrend sein ganz besonders schönes AHere, sein einnehmendes und verbindliches Wesen, seine vornehme und ungezwungene Haltung und sein seiner Umgangston ihn zum Gesuchtesten und Gefeiertesten der groszen Welt machten, wo sein Geschmack den Ton angab und sein Urtheil als Gesetz galt. Es war daher nicht zu verwundern, datz die schonen Töchter der vor-nehmsten Geschlechter ihre Netze auswarsen, um den sürstlichen Schmctterling zu sangen; ohne sich jedoch bei einer lange zu verweilen, flatterte er von Blume zu Blume, brachte allen die artigsten Huldigungen und gab ihnen die prachtigsten Feste, — weihte sich zedoch sogleich einem andern Gegenstande, sobald er merkte, das? eine junge Dame im Begriff stand, die Sachc ernst zu nehmen. Unter den Müttern, die aus diese Weise ihre kebsten Hoffnungen vernichtet sahen, kann die Grasin Wrede Spar re genannt werden, deren schone Tochter Louise, — eine von den drei Grazien zu Gustav's Zeit, — den Grasen Meyerselt mit ihrer Hand beglückte, nachdem Hessenstein so gethan, als verstande er daS ganz besonders zuvorkommende Benehmen keincSwegs, wowit die kluge Matter und die verführerische Tochter ihn überhauften. Nimmt man nun hinzu, dast Hefsenstein lebhaft in seinen Aeusterungen, berechnet und kiihn in seinem Benehmen, liebenswürdig flatterhaft in seinen Neignngen und hock)st edelmüthig bei allen Gelegenhciten war, so wird man leicht einsehen, dast dieser unachte Köniassohn als ein hbchst gefahrlicher Feind des schonen Gefchlechts bctrachtet wurde, sur welches cben nichtS verführerifcher ist, als grade ein solcher Nuf, da eine jede der Evatochter sich die Fahigkeit zutraut, den Flatterhaften zn fangen und zu fesseln, und allen danach gelüstet, sich einen derartigen Triumph zu bereiten. Der Graf Hessenstein nahte sich der Prinzessin auf eine ganz andere und noch viel ansgesuchtere Weise, als er gegen die übrigen Töchter des Landes beobachtet hatte. Es war eine Mischung von Ehrerbietung, Sehusucht und Vertraulichkeit, mit einem Worte, eine Liebe, wie wir sie in den Zeiten deS Nitterthums siuden, und deren Beschreibung noch heut zu Tage manches Frauenherz lebhaster schlagen laHt. Gewohnt, nur auf steife Ehrfurchtsbezeigungen zu tressen, wohin sie ihre Augen über den Kreis ihrer Verwandten hinaus anch wendete, und bei diesen nur jene gleichgültige Vertraulichkeit zu sinden, die gewohniich zwischen nahen Angehorigen herrscht, machte Hessenstein's ritterliche Vereinignng von Ehrfurcht und Zuversicht nur einen um so vortheilhasteren und tieferen Eindruck auf das von Natur leicht bewegte Herz der Prinzessin Sophie Albertine. Der Futz der Gleichheit, auf welchem er mit ihr, mit ihren Brüdern, ganz befonderS Carl undFriedrich, umging, trug nicht wenig dazu bei, die Liebenden einander zu nahern. DaS ganze regicrende Haus erkannte den Grafen Hefsenstein für seinen Nerwandten an, und nannte ihn auch so. Den König ergotzte er durch die Erzahlung der Jagdgcschichten und Liebcsabenteuer seines Laters, des Vorgangers von Adolph Friedrich. Der Herrschsucht der Königin schmeichelte er mit Vorspiegelnngen einer ausgedehnteren Gewalt, und gab sich bereitwillig ihren Planen znr Erreichung dieses ersehnten Zieles hin. Dem Kronprinzen beschrieb er die Schauspiele und Kunstsachen, die er wahrend seiner langen Reisen im AuSlande gesehen, sowie auch den Glanz öffentlicher Aufzüge, und ermahnte ihn, sich, wenn er cinst regieren würde, durch die Verfeinerung der Sitten und des Geschmackes der Schweden einen unsterblichen Namen zu machen. Dem Herzoge Carl, dem es stets an Gelv und an Credit fehlte, da er niemals daran dachte, seine Schulden wieder zu bezahlen, stand Hessenstein's Kasse fortwahrend offen, und er hatte eine zu fürstliche ! Gesinnung, um sich ganz genau der Höhe der Summen, ! oder deS Termines ihrer Rückzahlung zu erinnern. Dem ! jüngsten Prinzen, dem Vertranten der Prinzessin, gab Hessenstein bestandig neue Veranlassungen, die eine > oder die andere seiner liebenswürdigen Eigenschaften zu z rühmen. Es hatte eines weniger jugendlichen und min- j der warmen Herzens bedurft, als das der Prinzessin Sophie Albertine, um einem solchen Manne zu wioerstehen. Und sic vermochte dies auch nicht. Die Liebe, welche nur lebt und genieHt, aber nie berechnet und voraussieht, sahte mit jedem Tage tiefere Wurzel in ihrem Herzen. Eine neue Welt hatte sich mit dieser Leidenschast vor ihren Angen geöffnet. Sie liebte mit der ganzen Jnnigkeit ihrer Seele, mit dem ganzen Feuer der ersten Liebe. Aber sie hatte sich selbst noch nicht Rechenschast von ihrem nenen Seelenzustande abgelegt. Sie hatte ihrem Gesühl noch keinen Namen gegeben. Sie wustte selbst nicht, welche unwiderstehliche Gewalt sie zu Hessenstein hinzog. Der Adlerblick der Mutter entdeckte ihr das GeheimniH nnd nannte ihr Gcfühl Liebe, bevor Sophie Albertine dies bezaubernde Wort selbst über ihre Lippen kommen lietz. Die sonst so stolze Königin hegte eine gro^e Schwachheit sur ihre beiden jüngsten Kinder und ganz besonders für das jüngste, ihre einzige Tochter. Als die Mutter sich überzeugt hatte, daH die Neigung der Prinzessin für Hessenstein eine ernste war, fing sie an, sich die Sache von allen Seiten zu überlegen, ohne indetz jcmand ein Wort davon zu sagen. Für eine Königstochter und zukünftige Schwester eines Königs schien zwar die Verbindung mit dem Grasen wenig glanzend zu sein, ja, sie war sogar kaum passend mit eines KönigS natürlichem Sohne, der im allerbesten Fall vielleicht einmal die sürstliche Würde als einen Gnadenbeweis von irgend einem regierenden Haupte erhalten konnte; aber das Beispiel der Anerkennung solcher Kinder von Ludwig XIV. und ihre Vermahlung mit legitimen Prinzen und Prmzessinnen von königlichem Geblüt, hatte in dieser Beziehung bereits eine Menge Bedenklichkeiten aus dem Wege geraumt, und auHerdem war Hessenstein noch so reich, dasi menige echte Fürsten sich mit ihm messen konnten. Einer 10 . schwedischen Prinzessin blieb überdies keine andere Wahl ^ übricz, als entweder unvermahlt zu bleiben, oder irgend ^ einen kleinen, reichen Fürsten zu heirathen, dem es anf ^ eine Mitgift weiter nicht ankam; denn in dieser Bezie- z hung war Sophie Albertine besonders stiesmütterlich >. bedacht, indem weder ihre hohen Eltern reich waren, § noch die Stande aufgelegt schienen, ihr auf Staatsun- , kosten eine bedentende AuSsteuer zu geben. Alles wohl i überlegt, hielt LouiseUlrike dcmnach dasür, datzHessensteins Hand keineswegs zu verschmahen sei, und « zwar um so weniger, als es ihr mit seinem Reichthum i. und der Fürsprache ihres Bruders, des Königs von Preuhen, nicht entgehen konnte, ihm cin Fürstenthum zu verschaffen. Als die Königin ihrem Gemahl diese zarte Angelegenheit mittheilte, tras sie auf einen eben so unerwarteten als unbesiegbaren Widerstand. AdolphFriedrich , wnrde höchst unzehalten über die ernsthaste Richtung, 5 welche das Verhciltnih zwischen Sophie Albertine und l, Hessenstein gcnommen. AlleS kam zusammen, um ihn gegen diese Parthie einzunehmen. Sicher hatte das Geschick das holsteinsche Haus dazu erkoren, in der ersten Halste des achtzehnten Jahrhunderts eine Pflanzschule für die Throne Europa's zu bilden, ganz in der Art, wie dies im neunzehntcn Jahrhundert mit dem eoburgschen der Fall ist, — und Rusland holte sich aus jenem Hause seinen Peter lil., den Grohvater der Kaiser Alerander und Nieolaus, so wie Schweven seinen Adolph 1 Friedrich, den Grotzvater Gustav IV. Adolph's; ^ aber Peter und Adolph Friedrich wurden nichts desto weniger als die Ersten ihres Geschlechts betrachtet, welche die Königskrone getragen, da die aristokratischen Begriffe jener Zeit die Vermahlungen nicht in Rechnung brachten, durch welche das holstein'sche Hauö manche Königin und manchen Thronsolger in europaische Neiche geschickt. Die übrigen Monarchen Europa's sahen bereits mit einer Art von Mitleiden auf Adolph Friedrich's Purpur, den die Stande immer mehr und mehr beschnitten. Er fürchtete den bosen Zungen zu viel Gelegenheit zum Spott zu geben, wenn er in seiner fchon bedenklichen Lage eine so wenig glanzende Verbindung zwischen seiner einzigen Tochter und einem königlichen Bastard von nur graflichem Range gestattete. Gegen das sürstliche Haus, dem Hessenstein durch seine Geburt angehörte, hegte Adolph Friedrich auherdem noch einen geheimen, aber unbezwinglichen Widerwillen, seitdem es sich mit ihm um den schwedischen Thron beworben und die beiden Hciuser sich gegenseitig herabzusetzen und zu schaden gesucht. Zwischen ihm und seinem Vorganger, Hessen stein's Vater, hatte stets ein gespanntes und unsreundlichcö Verhaltnisz stattgesnnden, obgleich man bemüht gewesen war, dies unter der Maske von gegenseitiger Hochachtung und Ergebenheit zu verbergen. Es ware ihm daher nicht einmal angenehm gewesen, sein Blut mit dem des ihm feindlichen Hauses zu vermischen, selbst wenn ein echter Abkömmling deS Hauses Hessen-Ca ssel um die Hand seiner Tochter angehalten hatte. Auherdem sah Adolph Friedrich noch den 10* unangenehmsten und erniedrigendstcn Debatten über diese ^ Verbindung im Senate fowohl, als von Seiten der > Stande entgegen. Von diesen irgend eine Mitgift zu einer so wenig ehrenvollen Verbindung zu erlangen, ^ würde sruchtlos gewesen sein, und die eignen Mittel des . Königspaares reichten nicht hin, um alle bei solcher Gelegenheit vorkommenden Kosten zu bestreiten. Hessen- 5 stein's einschmeichelndes Wesen hatte zwar des Königs Abneigung gegen seine Person besiegt, ja, Adolph ^ Friedrich horte ihn im Gegentheil, wie bereits erwahnt, s, recht gern seine Geschichtchen erzcihlen und nannte ihn j seinen „Vetter," wie es bei königlichen Bastarden üb- ^ lich ist, aber das war auch alles, und er konnte sich , unmöglich dazu verstehen, dem Grafen Hessenstein den ^ zartlicheren Namen eines Sohnes zu geben. Anstatt den Muth über die Hindernisse zu vertieren, ^ auf welche Louise Ulrike in dieser Angelegenheit stich, : fühlte sie sich uur noch mehr angetrieben, ihren Willen ^ trotz aller Schwierigkeiten durchzusetzen. Die Mutterliebe ^ und die Begierde, ihren Zweck zu erreichen, strebten hier j. nach einem gemeinsamen Ziele. Fast eben so viel wie ^ an der Zustimmuug des Königs, war an der des Kronprinzen gelegen, da in Ennangelung derselben leicht ein Bruch in der königlichen Familie entstehen konnte, der sich vielleicht auch dem Staate mittheilte, und dann Umwcilzungen der gesahrlichsten Art sürchten lich; wogegen, wenn Gustav die Partie billigte, eine Chanee mehr gegen den König gewonnen ward, um ihn zur i Nachgiebigkeit zu vermögen. Die Königin fühlte sich daher veranlatzt, die Meinung ihres Sohnes über diese zarte Frage mit grotzer Vorsicht anszuforschen; doch erhielt sie nichts zur Antwort als cin beleidigendes Hohngelachter und die bestimmte Erklarung, die Tochter des regierenden Königs von Schweden und die Schwester seines Nachfolgers müsse entweder ein gekröntes Haupt heirathen, oder unvermahlt bleiben. Zu einer andern Zeit würde diese Verschiedenheit der Ansichten zwischen Mntter und Sohn die Veranlassung zu offenen Mitzhelligkeiten geworden sein; für jetzt hatten das KönigSpaar und der Kronprinz jedoch so wick)tige und so durchgreifende politische Plane vor, deren Gelingen von einem gemeinschaftlichen Zusammenwirken abhing und ihnen allen gleich sehr am Herzen lag, daH die Königin dieömal gegen ihre Gewohnheit ihren Verdrufi unterdrückte, und selbst das Gesprach mit ihrem Sohne über die beabsichtigte Verbindnng der Prinzessin auf andere Gegenstcinde lenkte, bei sich selbst beschlietzend, cine schicklichere Gelegenheit abzuwarten, um ihren Willen dennoch durchznsetzen; denn Louise Ulrike war kein Gemüth, welches eher einen Vorsatz ausgab, als bis alle möglichen Mittel angewendet, und das Aeutzerste gewagt worden, um sich geltend zu machen. Die Jntrigue der beiden Liebeuden ging indH ihren ruhigen Gang und wnrde von der Mutter gehegt und beschützt. Wenn der letztere Umstand auch das Aufsehen, welches dies Verhaltnih am Hose machte, nicht minderte, so bekam die Sache doch dadurch wenigstens einen Anstrich von Unschuld und Schicklichkeit, der dem Giste der bösen Zungen alle schadliche Wirkung raubte. Man flüsterte sich nur seine Verwunderung über das Benehmen der sonst so stolzen Königin in dicscr Sache zu; man , scherztc heimlich über des Königs gewöhnliche Blindheit, da man glaubte, er wisse nichto von dem, was sich vor seinen Augen zutrug; man wunderte sich darüber, wie die Eitelkeit des Kronprinzen im Stande war, zu dulden, dah der natürlichc Königssohn es wagte, seine Blicke so j hoch zu erheben, und man erwartete irgend eine über- . raschende Losnng dieses Rathsels. Aber weder der König noch der Kronprinz erliehen ein Verbot, oder erklar- ten sich durch irgend einen Ausbruch übler Laune gegen die Fortsetzung des vertrauiichen Verhciltnisses zwischen Sophie Albertine und Hessenstein. Sie hatten verschiedene Grimde ihn nicht zu beleioigen, und beide ! , waren der sehr richtigen Meinung, je weniger man durch Widerstand das Feuer anblase, desto schncller werde es veriöschen. Alles ging daher seinen migestörten, gewöhn- ^ lichen Gang; man wnrde balv müoe, sich immer nur mit » diesem einen Gegenstande zu beschastigen; man gewöhnte ^ sich nach und nach daran, das verliebte Paar zu sehen, ^ ohne weitere Anmerkungen darüber zu machen; und nnr!l» die Kronprinzessin setzte in ihren Gesprachen unter vier ^ Augen mit ihrer vertrauten Kammersrau Olivia Ram- x strom ihre Unterhaltungen über dies Vcrhaltnitz fort, genan danach sorschend, was alle Volksklassen zu einem i s^ Licbeshandel sagten, der ihr eben recht war, da sich das » : Haus Holstein - Gottorp herausnahm, vornehmer ! sein zu wollen, als das oldenburgsche. Die Berliebten bilden ein eigenes, unruhigcs Geschlecht. Mit den Bernhrungspunktcn, die ihnen ossen stehen, sind sic autzerst selten oder sast nie zufrieden. Sie snchen in der Regel nach Mitteln und Wegen, ausierdem noch heimlich mit einander zu verkehren und zu korrespondiren, und gerade das Heimliche, das Schwierige dieser Mittheilungen ist es eben, was die Verlieb» ten veranlatzt, zu ihnen ihre Zuflucht zu nehmen. Der ungehinderte Zutritt, den Bad in überall und zu Allen im Schlosse hatte, veranlatzte Hessenstein, sich dieses Kanals zu bedienen, um seiner geliebten Prinzessin den schriftlichen Ausdruck seiner Verehrung und Liebe in der Zeit zukommen zu lassen, wo er nicht persönlich seine Answartnng machen konnte. Bad in war eben so bereitwillig, diese kleinen Anftrage auszurichten, als Hessenstein sreigebig, seinen Eiser und seine Verschwiegenheit zu belohnen. Uebrigens war der Abstich zwischen dem schwarzen Boten und den zarren Liebesbriefchen auf Seidenpapier, die er zu iiberbringen hatte, ziemlich grell. In den vier Ecken der Billcts prangten gewdhnlich Sinnbilder der Zartlichkeit: ein Bogen, ein Köcher mit Pseilen, ein brennendes oder ein dnrchbohrtes Herz, ein Altar mit einer Opserslamme, zwei Tauben, die sich schnabelten u. s. w. Ein Gewinde von Rosen und Vergi^meinnicht uinschlotz in der Regel den ganzen Brief, und auf dem Siegel war bald die Ewigkeit durch eine Schlange dargestellt, die sich in den Schwanz beifit, bald fand sich ein schmachtendes Motto auf demselben, als z. B.: „LIIs geule öans I'univers" bald irgend eme schmeichelhaste Hindeutung auf die Anfangsbuchstaben des Namens der Prinzessin u. s. w. Drei und zwanzigstes Kapitel. A^'ahrend in den königlichen Gemachern auf dicse Weise die Liebe florirte, wnrde in Beylons Zimmern die Politik mit autzerordentlichem Nachdruck betrieben. Der klnge Schweizer sah ein, daH des KönigS Unschlüssigkeit und der Königin Uebereilungen dem politischen Rufe Beider einen solchen Schlag versetzt hatten, daH man wenig auf ihre Hülfe zur VergröHerung der königlichen Gewalt rechnen durfte, so lange es sich darum handelte, dieselbe fo übel augeschriebenen Handen anznvertrauen. Beylon hatte daher keine Mühe gespart, den Kronprinzen in das vortheilhasteste Licht zu setzen, damit man kein Bedenken tragen möchte, seinethalben wenigstens eine Umwalzung zum Vortheil des Königthums zu unterstützen. Beylon stellte in den lebhaftesten Farben des Thronfolgers Lebendigkeit, angenehmen geselligen Ton und die Leichtigkeit, sich mit Würde und Anmuth auszudrncken, als Kennzeichen eines Geistes erster Klasse mit den besten Anlagen zu einem Staatsrnanne dar. Dies pragte er nicht nur allen Schweden ein, die ihm nahe kamen, sondern ganz besonders den stemden Gesandten und Aus-landern, so dasi man bereits zu Versailles, London, Schönbrunn, Potsdam, Petersburg und Christiansborg 10"» von Gustav wie von eincm neuen Wasa sprach, wahrend er in Stockholm noch gar kcine Veranlassung dazu gegeben. Das Herrscherpaar wufte nur all zu gut, ja, der von sich höchlichst eingenommene Kronprinz konnte es sich sogar nicht verhehlen, dcch Beylon's Rathschlage es hauptscichlich gewesen, denen die königliche Sache diejenigen Vortheile verdankte, welche sie auf dem vergangenen Reichstage gewonnen hatte, obgleich der Vorleser so klug war, sich dies nicmals merken zu lassen. ES war daher ganz natürlich, dast man sich in der noch viel wichtigeren Frage einer Staatsumwalzung an ihn wendete und sich ganzlich auf ihn verliest. Eben so verschlagen als anspruchslos, wufte er seine Meinung so darzustellen, als ware sie durch eine der hohen Personen hervorgerusen worden, mit denen er gerade berathschlagte; und da er auf diefe Weife ihrer Eigenliebe schmeichelte, gewann er stets ihre Zustimmung. Zum Erreichen deS beabsichtigten Zweckes bedurste es diesmal eines krastigen Beistandes von Seiten Frankreichs. Es mufte sich sür den letzten entscheidenden Kampf zu Gunsten des Königthums nicht allein zu Geldopfern entschlieftn, sondern auch seinen zahlreichen Anhangern unter den Reichstagsmitgliedern ausgeben, sür die Sache des Königs zu stimmen. In den Berathungen bei Beylon einigte man sich über die Ansicht, eS ware am besten und sogar nothwendig, dah bei einer so schwierigen und wichtigen Angelegenheit die Hauptpersonen und Hauptinteressenten persönlich mit einander unterhandelten. Der Kronprinz sollte daher unter irgend einem Borwande nach Paris reisen, und die Sache mit Lndwig XV. und dem Premier-Minister abmachen. Aber das KönigSpaar sah ein, was der Kronprinz selbst trotz seiner groHen Eigenliebe nicht leugnen konnte, daH eigentlich Beylon der rechte Mann zu diesen schwierigen Unterhandlungen war. Er sollte daher unter dem Verwande einer Erhoiungsreise sich nach Frankreich begeben, und dort die Sache betreiben; nach seiner Rückkunst aber sollte der Kronprinz selbst nach Paris gehen, um die letzte Hand anS Werk zu legen, oder vielmehr um sich das Ansehen zu geben, als hatte er allein das bewirkt, was Beylon bereits vor ihm ausgerichtet. Wenn Beylon'S Unterhandlnngen mi^glückten, so ersparte der Kronprinz sich aus diese Weise auch die Unannehmlichkeit einer abschlaglichen Antwort; denn alsdann brauchte Gustav nicht erst die Reise zu unternehmen. Man verband auch noch einen andern Zweck mit dieser Matzregel. Dem Prinzm Carl war namlich von den Arzten eine Reisc ins Auslaud verordnet worden, und das KönigSpaar trug dem Vorleser jetzt aus, den hitzigen und nnersahrenen Jüngling heimlich zu beobachten, und wenn es nöthig ware, mit Rath und Th at zu unterstntzen. Die bescheidene Stellung, welche Beylon m Schweden einnahm, und die ihn in den Stand setzte, viel zu wirken, ohne Aufsehen und Neid zu erregen, machte ihn zwar sur seine Sendung nach Versailles ebensalls ge-schickt, aber man besürchtete, da^ der Titel eines Borlesers in den Ohren des regierenden sranzösischen Ministers, des Herzogs von Choiscul, z» unbedeutend klingen und eine unmittelbare Bcrührung Beylon's mit dem Könige Ludwig XV. vcrhindcrn möchte, zumal da diesem ganz und gar in Wellust versunkcnen Monarchen nichts mehr heilig war, als nur die Etikette. Die Verleihung eines Titels konnte die Sache nicht andern, denn nach den Begriffen der damaligen Zeit war ein solcher nicht im Stande, einem Unadligen an dem stolzeu sranzdsischen Hofe gro^es Ansehen zu verschaffen; aus der andern Seite war es auch noch ganz ungewitz, ob der Senat, wenn der König einen Titel fnr Beylon verlangte, diesen bewilligen würde; und schlug er ihn ab, so stand es mit dieser Angelegenheit noch schlimmer als vorher. Der Kronprinz, der stets Rath wnhte, schlug einen Ausweg vor, welcher den Beisall seiner hohen Eltern sand, und von ihnen mit vielem Eiser ergriffen wurde. Der König, dem das Recht zustand, allein über die Orden des Reiches zu versügen, ernannte Beylon zum Ritter des Nordsterns. Dies war in jener Zeit eine groste AuSzeichnnng, deren Bedeutung man sogar im AuSlande zu schatzen wutzte. Linn^, Dalin, Jonas, Alströmer und andern Manner von Rus hatten diesen Orden und autzerdem sctzte Adolph Friedrich in einem eigenhandige» Schreiden dem Könige von Frankreich die Bedeutung desselben noch ganz besonders aus einander. Von dem Augenblick an, wo Beylon den Nordsternorden erhielt, hörte er von selbst aus, Vorleser zu sein und so titu^irt zu werden. Er wurde von jetzt an in Schrift und Rede ,/Ritter Beylon" genannt. „Ritter Beylon" richtete die ihm ausgetragene Sendung zur vollstandigsten Zusricdenheit und znm groHen Vortheil seiner hohen Gönner aus. Frankreich versprach alles, was er verlangte: bedeutende Subsidien und donnernde diplomatische Vorstellungen. Aber der Schweizer, ohne in des Wortes eigent!icher Bedeutung eigennützig zu sein, war doch stets berechnet und vorsichtig; und hielt es daher sur gerathen, bei dicser Gelegenheit auch an sich zu denken. So schmeichelhast seine Stel^ lung am schwedischen Hose in vieler Beziehung auch war, so inufte er sie doch dasür einigermatzen unsicher balten. Sie hing ganz von den Launen der Herrscherin, und von einer nicht vorauszusehenden Zusalligkeit ab, wenn der wetterwendische Kronprinz zur Regierung kam, — so wie auch von der Gesinnung der Volkssührer, wenn die stande ganzlich die Obergewalt bekamen und der Hos im Kampse gegen die Stande des Landes unterlag. Au^erdem war das Königspaar nicht in der Lage, so viel Geld herzugeben, als der Feinschmeckcr Beylon sur sich und seine Freunde bednrste. Das KönigShaus war nicht geizig, aber es gebrach ihm an Veimogen, und die Stande hatten eben erft eine bedeutende Summe bewilligt, mit welcher des Königs Schulden bezahlt werden sollten. Beylon, der überdies sreiwillig in Schweden lebte, welches Land nicht sein Vaterland war, und es also verlassen konnte, sobald es ihm beliebte, trng daher um so wcniger Bedenken, bei einer sremden Macht seine eigenen Jntessen mit denen des schwedischen Königshauses Hand in Hand gehen zu lassen. Er war des «prichwortes eingedenk, daH man das Eisen schmieden müsse, wenn es warm ist. Sein Auftrag hattc ihm namlich sowohl persönlichen Zutritt zu Ludwig XV., als auch zu dessen erstem Minister und Günstling, dem Herzoge von Choiseul, verschasst, und es war ihm gelungen sich beider Gunst zu erwerben. Da sic ihm nun zu verstehen gaben, dcch sie ihm ein kleines Zeichen dieser Gunst zu geben wünschten, und da Beylon das Nützliche dem Glanzenden stets vorzog, bat er sich eine lebenslangliche Pension aus, und erhielt eine solche nicht nur vom sranzösi» schen Hofe, sondern durch dessen Vermittelung auch eine von dem ihm verwandten spanischen. Beim Abschiede überreichte ihm der Herzog autzerdem noch eine goldene SchnupftabackSdose mit seinem BildniH in Alabaster. Der Schweizer kehrte hierauf nach dem Norden zuruck, und hatte kaum Zeit gehabt, seine hohen Gönner von dem Ersolge seiner Mission in Kenntnitz zu setzen, als die Zeitung von einer grotzen Veranderung am sranzösischen Hofe eintras, — die namlich von der Ungnade deS Herzogs von Choiseul, seiner Verweisung nach Chanteloup, so wie die Besörderung des Herzogs von Aiguillon an seiner Stelle zum Premier-Minister. Die Reise des Kronprinzen, wclche ansanglich nur deS Scheines und der Ehre wegen unternommen werden sollte, wurde jetzt zum dringenden Bcdürsnitz; denn es handelte sich nun darum, die Bestatigung der zwischen Beylon und dem gestürzten Minister verabredeten Matzregeln zu erlangen. Sicher hatte Ludwig XV. Kenntnist davon gehabt, und sic auch alle gutgehechen, doch konnte man sich natürlich aus cinen Koniz nicht verlassen, der immer nur durch die Augen seiner Günstlinge und Maitressen sah. Sobald Beylon daher dcm Kronprinzen eine Uebersicht der Verhaltnisse gegeben, wie sie standen, als er den sranzosischen Hof verlietz, schickte Gustav sich zur Abrcise an. So verschlossen dieser junge Fürst unter der Maske der Osfenheit auch war, so konnte man aus seinem Wesen einige Tage vor seiner Abreise jedoch dentlich entnehmen, da§ etwas Ungewöhnliches in seinem Jnnern verging, und dast mancherlei Gedanken und Leidenschasten, die ihn nicht einig mit sich selbst werden lieden, sich in lhm bekampsten. Er war gegen seine Gewohnheit zerstreut und zuweilen in tiefe Gedanken versenkt, aus denen er emporsuhr, wenn ihn Iemand in seinen Grübeleien störte. Seine Blicke waren scheu und unruhig, besonders wenn sie im Vorbeigehen aus seinen Vater sie» len; /a, es halte zmveilen den Anschein, als thate er sich Gewalt an, um Seuszer zu unterdrücken, die sich auS seiner Brust hervordrangten. In seinem Benehmen gegen seine Schwester und ihren Nnbeter konnte man zwar keine auAere Veranderung bemerken, doch wars er zuweilen, wenn er sich unbeobachtet glaubte, stolze und hohnende Blicke aus sie. Das Abschiedssest, welches die hohen Eltern dcm Kronprinzen vor seiner Abreise gaben, war mehr glanzend, als herzlich, mehr gerauschvoll als angenehm. Man hatte es eine psychologische Maskerade nennen können. Mutter und Sohn schienen sich zu bemühen, gegenseitig ihre geheimsten Gedanken auszusorschen; Bruder und Schwester spracheu laut von den Schmerzen der Tren- nung; abcr die Blicke, welche die Prinzessin und Hesselist ei n wechselten, sprachen von einem Argus wenig er, wahrend der Kronprinz ste mit Ausmcrksamkeit betrachtete, die abcr von Zartlichkcit dnrchaus nichts an sich hatte. Der König benutzte jede Gelegenheit, sich noch einmal mit dem geliebten Sohne vertraulich zu unterhalten, dessen bevorstehende Reise in einer sehr miftichen Angelegenheit sein Vaterherz mit Wehmuth ersüllte, — wogegen der Sohn diesen Ergüssen eines weichcn Gemnths sorgfaltig auszuweichen suchte, und in seinem ganzen Benehmen mebr eine Huldigung des Monarchen als cin warmes kindliches Gesühl zeigte. Bei dieser Gelegenheit wars der versammelte Hof auch vielleicht znm erstenmal einen tiesen Blick in das wirkliche Verhaltnitz zwischen dcm Thronsolger und seiner Gcmahlin, und fand nichtS als Kalte und Gleichgültigkeit^ Gustav's Cinbiidungskraft war viel zu sehr mit den Traumen von tausend neuen Tegenstanden und abwechselnden Zerstreuungen in Versailles und Paris beschastigt, als daH er bei der Trennung von seiner Gcmahlin irgend einen Schmerz empfinden konnte. Sie hingegen sühlte sich dmch die lebhaste Frende, die er über seine Abreise auHerte, und die gro§e Glei6)gültigkcit verlctzt, mit welcher er sich aus langere Zeit von ihr trennte. Ansierdem war ihr Loos durchaus nicht bcncidenöwerth, denn sie blieb bei einer >schwicgermutter zurück, die keine Gelegenheit verabsaumte, ihrer Schwicger- tochter wehe zu thun. Die stemden Gesandten, mit AuSnahme des sranzosischen, der mit den Planen deS Konigshauscs vertraut war, beobachteten alle diese Vorgange nut ausmerksamen Blicken, und meldcten sie mit Hinzufügung eigcncr Vermuthungen ihren Höfcn. Die Senatoren betrachteten cinander mit grosien Augen, und obgleich sie nach dem letzten ReichStage sammtlich zu den Freunden des Hofes gezahlt wurden, begriffen sie doch für den Augenblick weder, auf welchem Fusie sie selbst und die Sachen gegenwartig standen, noch die sonderbare Verstimmung, welche rings um sie her zu herrschen schien. Natürlich hatte man die Partcihaupter, die nicht zum Senate gehdrten, bei dem Hoffeste nicht vergessen, wo sie mehr bemerkten, als bemerkt wurden, und es entging ihren geübten Blicken nicht, dasi der Hof ctwaö verbatte und die Staatsmanner daher auf ihrer Hut sein müsiten. Beylon wich von feiner gewdhnlichen Weise sich zu benehmen nicht ab; er hielt sich stets fern von den königlichen Personen, um trotz seines nahen Verhaltinsses zu ihnen nicht aufgeblasen und anmatzend zu erscheinen. Dies hinderte zcdoch die Mitglieder des königlichen Hauses nicht, wenn sie zufallig mit Beylon zusammentrafen, ihm öffentlich zu zeigen, wie sehr sie ihn schatzten. Nur der Kronprinz benahm sich an diesem Abend anders als gewöhnlich gegen ihn. Wenn er Beylon begegnete, nickte er ihm nur kalt und fremd zu, ohne wie sonft cin freundliches vertrauliches, Wort mit ihm zu wechseln. Gustav, dessen grenzenlost Eigenliebe sich verletzt gefühlt, wenn jemand geahnt hatte, dah er sich vor seiner Reise nach Frankreich von demjenigen Nath erholt, der so eben von dort zurückgekehrt, glaubte das eigentlichc Vcrhaltnisi der Sache durch sein stolzes Benehmen gcgcn Beylon verbergen zu mussen. Dieser kannte jedoch seinen gnadigen Herrn zn wohl, um sich » darüber zu beunruhigen, ja er misibilligte eS sogar nicht einmal, da es ihm sortwahrend nur daraus ankam, die Aufmerksamkeit von seiner Person abzuleiten. Ihm ging das Sein stets über das Scheinen. Dagegen bewies Gustav seinem srüheren Gouverneur, dem Reichsrath Carl Schesser, und dessen Brndcr, dem Reichsrath Ulrich Schesser, eine gröHere Aufmerksamkeit und Vertraulichkeit, als irgend einem cer Anwesenden. Dies sand man auch ganz in der Ordnung, da die Gebrüder Schesser lange Zeit als schwedische Gesandten am sranzosischen Hose residirt hatten, und man nahm es im Gegentheil sur einen grotzen Beweis von richtigem Urtheilsvermogen an, datz der Kronprinz sich an diese beiden Manner wendete, um das zu ersahren, was er über Frankreich zu wissen wünschte. Einige Tage spater reiste der Kronprinz ab. Gustav that alles Mögliche, um beim Abschicde von seinen Eltern, seiner Gemahlin und seinen Geschwistern gerührt zu scheinen, aber es gelang ihm nur, anstatt betrübt, belastigt ausznsehen. Niemand war tieser erschüttert als der zartliche Nater. Er schien zu sühlen, datz cr sich sur die Ewigkeit von seinem Sohne trennte. Sein durch Kummer gesurchtes Gesicht stand mit seinen nicht zu HoHen Jahren in keinem richtigen Verhaltnitz. Seelenleiden mancherlei Art hatten ihn vor der Zeit alt gemacht. Weinend drückte er den geliebten Sohn mehrmals an seine Brust und kühte ihn; und als dieser im Bcgriff stand, sich zu entsernen, ries ihn Adolph Friedrich nochmals zurück, und uniarmte ihn auss Neue. Endlich lieh er ihn von sich, hob seinc Augen und Hande zum Himmel, und sprach mit inniger gerührter Stimmc cin vciterlichcs: „Gott segne und behüte Dich, Gustav!" woraus der König sich in sein Arbeitszimmer versügte, welches die Aussicht in den Schlosihos hatte, wcihrend der Kronprinz die grofie Treppe hinab eilte und in den Reisewagen stieg. Als dieser über den Schlotzhof rollte, öffnete der König sein Fenster, wehte mit einem weitzen Tuche, rief: „Leb wohl, Gustav!" und trocknete sich die Thranen ab, die ihm über die Wangen liefeu. Der Kronprinz sah zuin Könige hinaus, erhob sich im Wagen, machte eine theatralische Geberde und führte sein Schnupstuch an die trocknen Augen. Der Wagen flog zum Schlo^portal hinaus, an der Wache vorüber, die das Gewehr prasentirte; die Trommel wurde gerührt, die Falne gesenkt, und uuter dem Hurrahgeschrei des versainmelten Bolkes, welches dem Kronprinzen eine glückliche Reise nachries, suhr derselbe zur Stadt hinaus, und sah dieselde nicht eher wieder, als bis es seine Hauptstadt war. Aber — horen wir den Leser sagen — es ist eine bekannte Sache, dasz der Kronprinz damals nicht allein reiste, sondern daH sein süngster Bruder, der Priuz Friedrich Adolph, sich in seiner Gesellschast besand; und warnm Hat man ihm nicht ebensalls seinen gehörigen Platz in dieser Erzahlung angewiesen? Wir antworten daraus, dah mir uns, um nicht zu weitlausig zu werden, daraus beschranken miisscn, nur diejcnigen Personen in uns're Zeitbilder auszunehmen, die in der Epoche, welche wir uns darzustcllen bcmühen, cine Hauptrvlle spielten. Prinz Friedrich hatte bei dieser Neise keine andere Absicht als sich zu amüsiren, und durch seine Vergniigun- , gen gleichsam einen Vorhang zu bilden, hinter welchem sein altester Bruder um so ungestorter seinen politischen Zwecken nachstreben konnte. Er sührte seine Rolle mit dem ganzen Eiser eines zwanzigjahrigen, lebenssrischen Königssohnes durch, und trug aus dem Felde des Bergnügens eine Menge Triumphe davon, die man in Men Jahren höher achtet als politische Heldenthaten. Wir können dem Leser jedoch versichern, das? wir den liebenswürdigen jnngen Prinzen aus keinen Fall vergessen werden, wenn er aushören wird sur diese Blatter ein dors «Z'oouvre zu sein. Vier und zwanzigftes Kapitel. êm Courier, der m den ersten Tagen deS Monats Februar aus Paris mit Depeschen vom Kronprinzen für den König, die Königin, die Kronprinzessin und die Prinzessin Sophie Albertine in Stockholm anlangte, brachte für den Grafen Carl Scheffer folgenden Brief mit: Versaillcs den I3len Jannar 1771. Hochgeborner Herr Graf und Reichsrath! Alles das Schönc, was Sie, Jhr Bruder und der verftorbene Graf Tes fin mir von diesem brillanten Hof, dieser königlichen Residenz und dem groficn Paris erzahlten, habe ich vollkommen bestatigt gesunden. Es übertrifft alles, was man sich nur irgend vorstellen kann, und kommt mir selbst hier noch wie Zanberei vor. In Frankreich lohnt es sich wahrhastig der Mühe, König zu sein. Die Bourbon's sind in jeder Beziehung zu beneiden. Seine Majestat Ludwig XV. versteht eS aber auch ganz vortrefflich, alle königlichen Prarogative und seinen hohen ' Rang geltend zu machen. Seinc Minister stimmcn niemals gegen ihn, was bei uns zu Hausc so oft vorkommt. Sie wagen nie eine andere Meinung zu auHern, wenn der König, ihr Herr, scincn Willen zu erkennen gegeben. Aus diese Weise kommen Krast und ensemble in die Rcgierung. Von Einwcndungcn wciH man hicr zu Lande « nichts. Diese werden sogleich mit der Ba stille beantwortet, odcr mit der Ordre, aus langere oder kürzere, oder aus unbcstimmte Zeit eine ErholungSreise zu ma- k chen, die weit davon entsernt ist, eine VergnügungSreise zu sein, da der Verbannte sich stets hundert oder noch mehr Meilcn von den Annehmlichkeiteu deS Hoses und der Hauptstadt entsernen nmH. Ja, sogar das Parlament (welches unsern Reichstagen entspricht, obglcich es > hier mehr decent und weniger tnmultuarisch zugeht), wird ohne Erbarmen nach irgend ciner kleinen Provinzialstadt weit von Paris verwiesen, wenn es sich untersteht, gegen l. den König zu mauquircn. Die Bastille und Verbannungs- i besehle, wenn sie geschickt angewcndet werden, vereinsa- i, chen die RegierungSweise ungemein, und geben den Af- ^ fairen ungemein raschen Fortgana. Hier kann ein könig- » licher Minister memals von dem ^esnstrv erreicht werden, ^ den Parteien als Opser zu sallen, wie es Jhnen bei uns ! ergangen, mein Herr Gras. Alle befinden sich wohl bei dieser RegierungSweise, dicjcnigen natürlich ausgenommen, t welche im Zügel gehalten werden mussen und Strase »> meritiren. In meinen Negotiationen habe ich weit über mcine « temerarsten Hoffnungen rcussirt. Frankreich Hat sich wil- lig erklart, von dcn zwols Millionen, die es Schweden feit dcm siebenjahrigen Kriege schuldig ist, von jetzt an jahrlich anderthalb Millionen zu bezahlen, und ich soll bci mcincr Riickreise schon die Halste dicscr Sumine niitbekommen. Austerdem habe ich uns jahrliche Subsidie» bei diesem Hofe ausbeduugen. Sie werden aus alter Freundschast für mich diese unerwarteten Erfolge gewist ganzlich meinen diplomatische!? Talenten zuschreiben; seien sie jedoch versichert, dast ich mir in dieser glorieusen Affaire keine grosseren Verdienste zulege, als ich in der That in Anspruch nehmen dars. Ich habe das königlicheHanö für unsre Interessen gewonnen, und daS war doch die Hauptsache; denn mit dcn Ministern habe ich grötztentheils nnr unsern estimablen Grafen Creutz eonferiren lassen, wohl verstanden, nach meinen vorher ertheilten Jnstruetionen. Die Minister sind denn auch jetzt ziemlich saeil geworden, obgleich sie Dissieultaten und sanre Gesichter machten, ehe sie wussten, dast Creutz einen höhern Appui hatte. Sonst habe ich ganz und gar keine Ursach, mich über sie zu beklagen. Der Premier - Minister, der Due d'Aiguillon, beweist mir dieselbe «vumi«5>oiz und wie dem Dauphin und dcm Könige. Creutz Hat mir gesagt, dasi der frühere Minister, der Due de Choiseul, der disgraeiirt und eri.'irt worden, noch mehr u«-,Ke iti-e«t>s en titre, der aimablen Grasin Du Barry, nicht die gehorige Attention zu erweisen, und daher kann man sich nicht wundern, dast sie ihn stürzte. Wissen sie, Herr Neichsrath, diese kleine Grafin ist charmant, schön wie eine Venns, schalkhaft wie eine soubi-etle, und mit ei-nem «dnnlion wie eine dsecksnle. Der König ist ganz envksillö von ihr; sie nnterhalt ihn Tag und Nacht, und ist solglich allmachtig. Eine mnitresse en litrv vermehrt in der That dcn Glanz eines Hofes, und bringt eine angenehme Abwechselung hinein. Die Anfrechthaltung der Majestat erfordert eine strenge Etiquette, die natürlich nur in den Staatsapartements und in Gegenwart der Königin und der Prinzessinnen eristirt. Sonst herrscht ein angenehmer Umgangston, ohne Ansehen des Ranges und der Person, ganz liesonders in den petits «pnrlsmens, wo uns personno ! ,!e vonti!inl.-e die Honneurs macht. Ludwig XV. ist ein groster Kenner der Rcprascutation und der Etikette. Er verstöstt niemals gegen die geringste Form, wenn er sich als Monarch zeigt. Es ist wahr, dast er sich in i seinen inenus schadlos halt; aber auch diesen Contrast sinde ich echt royal. Um die Scrupel der Pe- « danten must man sich nicht kümmern, denn Könige befin- « den sich in eincm ganz eigenen Fallz und die kleinen j Berstöste, weZche sie sich gegen die Moral erlauben, schadm nicht so schr als die ihrer Unterthanen. Wenn der ^ Hof in Schweden dereinst nach dem sranzdsischen or- « ganisirt ist, so wird dies den Sachen eine ganz andere Tournure geben. In Frankreich ist der König Alles. s, Sogar die Konigin und die übrigen Mitglieder der i königlichen Familie haben keinen andern Einslnst, als den, ! f welchen er ihnen zufalliz gewahrt. Das ist eine sublime , Idee und ein nützlicher Spiegel sur die Unterthanen. Darum versteht man hier auch überall zu gehorchen und die Gewohnheit des Monarchen zu appreeiiren. Jch lebe in Versailles wie im Schooste meiner eigenen Familie. Der König liebt mich wie ein Vater, und ich adorire,'hn wie ein Sohn. Mit dein Dauphin habe ich eine ewige und innige Liaison geschlossen. Das wird, wenn wir einmal auf den Thron gelangen, unsern beiden Nationen zum Vortheil gereichen. Der Dauphin ist durch und durch ein guter Prinz, vielleicht etwaS zu gut, — und er Hat das gesundeste Urtheil. Jch sollte cS cigentlich nicht sagen, denn man könnte es mir leicht alö itwnur pro,u «z auslegen, aber er versichert allen unumwunden, er halte mich für ein Genie. Der Schüler giebt Jhnen, meinem srühern Herrn Gouverneur, seinen Dank zu erkennen; denn Jhnen kommt gewist ein groster Theil von dem Verdienst zu, dast ich mich mit avantage in der Welt zu comportiren weist. Alle Prinzen und Prinzessinnen von Geblüt behandeln mich mit den ausgesuchtesten vK-x-ds, grade so, als wenn ich dazu bestimmt ware, dereinst ihr Souverain zn sein. Nur zwischen der Dauphine und mir sindet sich keine Sympathie. Sie ist zu sehr Österreicherin und zu kokett, (et mèms xlus), — zu wenig Französin und Fürstin. Jede Art von Etikette ist ihr z. B. unangenehm. Sie mokirt sich Imutkment über des Königs anerkannte Maitressen, und scheint gewisse trivialere Kapaeitaten am schonen Geschlecht höher zu achten, als körperliche Reize. Austerdem erlaubt sie sich sehr inoanvensblo bsiiina»o über den kleinen unschuldigen Zeitvertreib deö Königs in dem sogenannten . 11 p»ro -mx eerk; was sich memand herauSnehmeu mu^, am allerwemgsten ein Mitglied des königlichen Hauses, welches den übrigen Unterthanen mit dem gnten Beispiel der Delicatesse, des Gehorsams und des Respekts voraugehen soll, — und noch weniger für eine Prinzessin, die dergleichen Dinge ignoriren mutz. Das erfordert au^erdem auch die bien^ê-ines von Damen, die selbst eben keine Vestalinnen sind. Mar ie Anto niette sollte sich erinnern, datz sie einer Maitresse seiner Majestat Lud> wigs XV. das Glück verdankt, einmal auf den Thron von Frankreich zu kommen. Jhre Mutter, die Kaiserin Maria Theresia, bewirkte diese Verbindung ihrer Tochter mit dem Dauphin durch die berühmte Marquise de Pompadour, die von ihrer kaiserlichen Majestat ganz samiliareousine" genannt wurde. Daher sollte die junge Erzherzogin doch wohl ein wenig saeiler gegen die Maitresse des Königs, die charmante Grasin du Barry, sein, die der Madame de Pompadour in der Gunst solgte. ^ propos 6s Al-trqui«e! (um deren persönliche eo»n»i8s»nLe ich Sie, mein bester Herr Gras, beneide), sie war eS ja wohl und ihr protê^ê, der Minister Due de Choiseul, welcher die Jesuiten aus Frankreich vertrieben? Jch habe, wie sie wissen, Herr Reichsrath, durchaus keine Praventionen und bin ganz und gar nicht bigott; dennoch kommt mir, aus politischem Gesichtspunkt betrachtet, die Aushebung dieses Ordens wie ein übereilter Schritt vor. Es giebt für den Thron kcine ! zuverlassigere Schutzwache, als diese katholischen Geistlichen. ^ Sie nehmen bei jcder Gelegenheit die Partie der Kdnige i » und des monarchischen Prineips, und richten dieAuftrage der Regenten mit eincm admirablen Takt, mit ssvoir 5-ui-v und aus. Mein edler Stammvater, der erste König aus dem Hause Wasa, schaffte den katholischen Glauben wahrscheinlich aus sinanziellen Rücksichten ab. Der Clerus besatz in jener Zeit ein bedeutendes Vermogen, dessen er viellcicht für fein Reich bedurfte. Darum wurde er mit seinen Unterthanen protestantisch und verschaffte sich auf diese Weise die nöthigen Ressoureen. Jetzt stehen die Sachen ganz anders, und wenn wir nicht bereits gute Lutheraner waren, so würde ich mich sicher mehr als einmal besinnen, ehe ich den römischen Glauben abschwore. Die katholische Priesterschaft beweist mir hier eben fo viel Respect, wie den Prinzeu ihrer eigenen Religion, — ja sogar mehr als die Priesterschaft in unserm eigenen Lande. In Frankreich sind die Priester im Allgemeinen auch mehr komme» K»iIique kéten man mir überall giebt. Jch bin eben so entziickt über diese superben Attentionen, als revnnn-iiüs-int dafür. Man erinnert sich Jhrer noch schr wohl, und das kann mich nur freuen, da es stets zu Jhrer Avantage geschieht. Sic haben viele Freunde hier zu Lande, — so wie auch der Reichsrath Tessin und scine Frau, an die man noch mit rexret in den Hoszirkeln denkt. Der Tod des Grasen im vergangenen Winter und der seiner Frau vor einigen Jahren, brachten in Versailles und Paris eine wirkliche Trauer hervor. Jch habe auch einigen Sitzungen der sranzosischen Academie beigewohnt. Das ist ein Jnstitut, woran es uns in Schweden noch sehlt, und man must spater daraus bedacht sein, es bei uns ebensalls einzusühren; denn die von der Königin meiner Frau Mutter gestistete Academie der schbnen Wissenschaften ist mit der sranzösischen nicht zu vergleichen. Auher dem Lustre, den eine solche Einrichtung hervorbringt, und dem Relief, wclchen es den Genies giebt, die sonst uuberühmt blieben, Hat ein solches Jnstitut auch noch den Nutzen, dah es dem Monarchen eine Menge Genies und Talcnte zur Versügung stellt. l.s Kr-nul Komme Richelieu wu^te, was er that, als er die Academie stistete. Die pariscr Theater besinden sich im besten Zustande. Es ist ein wahrer Charme, hier ein Stück ausführen zu sehcn. Die O per Hat mir ganz besonders gesallcn. Wie weit stehen wir Nordlander hinter den Fortschritten der übrigen Nationen Europa's noch zurück! Wir wollen spater i'edoch schon versuchen, sie einznholen. Was nun die Stadt Paris selbst anbetrisst, so ist Stockholm, wenn ich das SchloH und einige andere Gebciude ausnehme, dagegen nnr ein ganz miserables Nest. Auch diesem Mangel mutz spater abgeholfen werden; denn wenn ich leben bleibe und einmal zur Regierung komme, so soll meine groHte Ambition darin bestehen, mem Land und meine Unterthanen bis zur Stuse der französischen Bildung empor zu heben. Die Aetivitat der Polizei Hat mich hier frappirt. Stockholm bedars eines Polizeiministers. Ich kann nicht begreisen, wie man sich ohne ein solches Jnstitut bisher in seiner Haut sicher sühlen konnte. Vielleicht habe ick) Sie, Herr Gras und ReichSrath, schon etwas zu lange mit meiner Person und mit dem Lande ocmpirt, in wclchem ich mich gegenwartig aushalte. Bevor ich schlicHe, mussen Sie mir jedoch noch einige Fragen in Bezug aus unser liebes Waterland gestattcn. Der Zustand Jhrer eigenen Gesundheit und der Jhres BruderS interessirt mich im höchsten Grade. ^ ist es ibm schon gelungen, die von iym geliebte schöne Wittwe zu trosten? Wenn er die Grasin Brahe in eine Grasin Schesser verwandelt, so kann man weuigstens sagen, dasi sie mit hundert Prozent zurückerhalt, was sie durch deu Tod ihres ersten Gemahls, der vor vierzehn Jahren seinen Kops lassen mufte, verlor. Wie steht es in Fersen's Hütel? Ist der Graf Ar el noch einer von den Unsrigen, — oder Hat er das Project auf dem nachsten Reichstage auf eigene Hand zu operiren? Sind seine Nichten, Ulla und Au guste, noch immer so hübsch und vielversprechend? Hat der grobe Hamilton nicht wieder einen schlechten WiH gemacht? Die indecente und sogar unehrerbietige b-iilin-iK'e, welche er sich gegen den König, meinen Herrn Vater, erlaubte, als ihm Seine Majesteit vor einigen Jahren ein Geschenk mit einer Dose machte, die der Konig selbst gedrechselt hatte, können Sie, wenn die Gelegenheit es mit sich bringt, dnrch die Nachricht eorrigiren, daH der Dauphin sich mit Schlosserarbeiten abgiebt, worüber sich zu sormalisiren keinem Menschen in ganz Frankreich einsallt; — und die Drechselbank möchte sich mit der rov-»itê wohl eben so gut vertragen als die Schlosserwerkstatte. Was Hat der Bar Pechlin wohl gegenwartig vor? Er ist einer von denjenigen Lenten, dessen bloder Namen mir, ich wei^ nicht weshalb, einen Schauer verursacht. So lange dergleichen Menschen noch cinigen Einflu^ haben, kann tie ro^iiutê in Schweden niema s aus den guH kommen, der ihr von Gottes und Rechts wegen gebührt. Darüber sind wir hoffentlich beide einig. Ich boffe, dasi die Galanterie wie gewohnlich in allen Ecken und Winkeln unserer alten Hauptstadt florirt. Sie warden mir einen Gesallcn thun, wenn Sie mir in diesem Kenrs einige Notizen zukommen liesien. Ich entschuldige es im Voraus, wenn sie etwaö seandaleuse aussallen sollten. /Xilieu, mem bestcr Graf! Sein Sie versichert, das; ich mir ein Vergniigen darcius mache, stets mit vcritablcr Freundschaft und estimv zu verblciben Jhr wohlaffcctionirtcr Gusta v." Fünf und zwanzigstes Kapitel. ,/^ünmel, welche Ueberraschung!" — rief die Kammcrsrau Olivia Ramström, als Badin cines Tagcs plötzlich bei ihr eintrat; — ,/Sie sind jetzt anderweitig so dringend beschastigt, dah es in der That ein Wnnder ist, wenn Sie Jhrer armen Dienerin einmal wieder einen Augenblick schenken." "Glücklicherweise ist Dein Himmelsblick sanster als Deine Rede, meine geliebte Olivia!" antwortete der Mohr, indem er ihr mit so zartlicher Hestigkeit die Hand Wte, daH die Wolken von der Stirn des Madchens schwanden. — "Herz und Gedanken sind unablassig bei Dir gewesen; aber die tausendsachen Anstrage und Besehle der Königin haben mir nicht eine einzige Stunde Zeit gelassen." „Thun Sie nnr nicht so scheinheilig, mem schoner Herr! Es giebt besser unterrichtete Leute, die Sie ost in ein gewisses Haus dort drüben am Strome haben hineingehen sehen. Ich wette, es giebt dort einen Magnet, der stark anzieht." "Was die Leute doch sprechen! Ich begreise eben so wenig, welch ein Haus als was sür einen Magnet Du meinen kannst?" "Mem Gott, wie wenig der Herr mit einemmale weih und begreift!" saus dem Fcnster zeigend) Sehen Sie nicht dort das Pechlinsche Hans?" "Aha! Ja so das Pechlinsche Haus! Nun begreife ich, was die dummen Kopse und die bosen Zungen meinen. Ich bin einigemale in Anstragen der Konigin dort gewesen, und daraus Hat man, wie ich sehe, gleich Geschichten zu machen beliebt." "Nun, daS nenne ich gute Miene zum bosen Spiel machen! Es ist ein Glück für Sie, mein Herr, dafi Sie nicht roth werden konnen. Wem wollen Sie wohl einbildcn, dasi die Konigin etwas mit dem General Pechlin vorhaben könnte?// "Sie sischt /a immer im Trüben, und ist sowohl gegen ihre F ein de als gegen ihre Frennd herablassend und freundlich. Das Unglaubliche ist in Bezug auf sie immer das Glaubliche. Sinklaire, der sonst so sehr in Gunst stand, ist kaum Reichsrath geworden, so wird er angesahren wie jeder Andere. Vielleicht denkt sie jetzt Pcchlin zu sangen...." "Wie Herr Bad in mich zu sangen denkt. Wenn Du uur ein ganz klein wenig ausrichtig sein könntest, so würde ich Dir vielleicht verzcihen, viellcicht...." "Wohlan, so will ich ganz ausrichtig sein! Ich liebe Dich mehr als jemals, und habe Dich nie reizender gesehen als in diesem Augenblick. Jck bereue von Grund der Seele, Dich nicht langst nach Afrika cntsiihrt zu haten, wo wir unS doch wenigstens gratis warmen und von unserer Liebe leben könnten, ohne uns um unsern Haushalt zu kümmern; denn das siehst Du ein, mein 11 sühes Herz, da^ man in diesem kalten Barenlande nicht vom Mondschcin leben kann. Oder meinst Du, meinc holde O li via?" ,,Jch meine, dasi eê nun genug des Scherzcs ist, und daH wir nun vernünftig sprechen wollen. Für diesmal also — d. h. zum letzten Mal, — verzeihe ich Dir. (Jhm die Hand reichend) Bist Du nun zufneden?" „Mehr als ich mit Worten ausdrücken kann.// Dieser gegenseitigen Erklarung solgte eine zartliche Umarmung. Olivia entzog sich seinen Kussen und sagte schalkhaft: "Diesmal bist Du leichten Kaufes davou gekommen. Es ware auch sicher nicht geschehen, wenn ich Dich nicht um einen kleinen Dienst zu bitten hatte. // ,/O Weiberlist, — Weiberlist und Eigennutz! So laH horen: was wünschest Du?" //Erzahle mir einige Neuigkeiten vder Geschick)tchen- // „Und von wem?" ,/Von wem Du willst; nur recht viele und recht amusante; denn je mehr und je amusanter, desto besser. Meine gnadige Prinzessin leidet durch die Abwesenheit Sr. Königlichen Hoheit die erbarmlichste Langeweile. Jhre Schwiegermutter ist gegen sie nicht liebenswürdiger als gegen alle Uebrigen; ihre Schwagerin girrt mit dein Reichsgrasen, und der Schwiegervater, der seine Schwie-gertochter wirklich un^eschreiblich liebt, wagt kcinen sreundlichen Blick, wenn seine theure Gemahlin bei übler Laune ist. Das einzige Nergnügen der Kronprinzessin besteht daher darin, kleine Neuigkeiten und Histörchen von ihren Lenten zu horen; und deshalb möchte ich mich gern durch etwas Nenes bei ihr in Gunst setzen." "DaS ist ein Verlangen, mein süsies Herz, dem ich unmöglich genügen kann. Ich weisi in der That qanz und gar nichts, was der Ausmerksamkeit Deiuer Hoheit werth ware. Was sich in den höheren Spharen zutragt, weitz sie besser als ich, und nach den Zustanden der niederen LebenSkreise sragt sie nichts." "O! Da irrst Du Dich sehr. Grade solche Kleinigkeiten machen ihr das gröHeste Vergnügen. Ob irgend eine Grasin ihrem Herrn Gemahl einen Streich gespielt, und das Psand ihrer Liebe mehr dem Jager hinten aus dem Wagen, als dem Herrn in demselben gleicht; — ob eine Bürgersrau, um die Vornehme zu spielen, ihre Hand von Küche und Speisekammer zurückzieht, und die Speise mitleidslos verbrennen laHt, wahrend sie mit goldner Lorgnette, die ihren Augen mehr schadet als hilst, am Fenster sitzt; — ob irgend eine Predigersrau ihre Weihnachtskuchen aus der Festrede ihres Mannes gebakken; — vb irgend ein Frciulein beim Walzen hingesallen und ein sckmutziges Strumpsband gezeigt, das sie mitten aus die Wade gebunden und dieselde dadurch ganz gegen die Absicht der Natur in zwei gleiche Theile getheilt, wodurch sich nicht nur ihr Mangel an Sauberkeit, sondern auch an Schönheitssinn kund gethan; — ob ein anderes Fraulein, der vielen Körbe müde, die sie rechts und links ausgetheilt, nun endlich den Ersten, Besten als Ehegemahl festgehalten; — ob ein naseweises Kammermadchen, die ein wunderliches Geschick zur hochgebornen Grasin gemacht, nun von nichts als vom Hose und ihren vornehmen Verbindungen spricht; ob cin unadliger ^iarr gro^e Summen fortwirft, um mit vornehmen Herren Brüderschaft zu trinkcn: — und tausrnd Sachen dieser Art werde ich mit Dankbarkeit von Dir entgegen nehmen, um mciner Fürstin manche langsam dahin schleichende Stunde zu verkürzen." „Ach so! nun verstehe ich: Du verlangst nichts mehr und nichts weniger als Klatschereien. Deine Hoheit Hat also eine kleine Schwache dasür? So ists mit allen tugendhaften Damen. Nun, für diesen Fall kannst Du anf mich rechnen! Nicht dcch ich mich eigentlich mit solchen Dingen besasse; allein um Dir einen Dienst zu leisten, thue ich alles. Aber womit soll ich ansangen?.... Las; sehen!.... Nun, etwa mit dem neuen kvniglichen Koch? ^ Gut. — In der Kiiche der Majestaten ist jetzt ein Koch, der in diesen Tagen von Frankreich ange-kommen ist; eine ganz besondere Sorte von emem Koch! Er sieht gelehrt und ticfsinnig aus. Nun, nun! Die Wissenschaft der Kasserollen mag so ties sein, wie jede andere. Er ist dabei ein eisriger Katholik, macht das Zcichen deS Krenzes über jeden Eierkuchen, und betet seinen Rosenkranz bei jedem Vraten, den er an den Spictz steckt. Was nun Deiner Hoheit gewiH Vergnngen machen wird, ist, zu erfahren, das; dieser Küchenregent den Kronprinzen bereits in Paris sah und sprach, ganz von ihm hingerissen ist, und nichts so eisrig wnnscht, als die Stnnde zu erleben, wo er ihm als Koniz die Kapaune bereiten darf." ,/Tausend Dank, mem geliebter Badin! Das ist ja eine sehr angenehme Nenigkeit. Gewch werde ich nun ihre „beste Ramstrdm" sein, und Dn kannst darauf rechnen, da^ ich nach der nachsten Ankleidestunde nicht mit leeren Handen davon gehen werde." „Das ist schön! allein mich dunkt, es ware dabei ganz in der Ordnuug, daH auch ich nicht unbelohnt bliebe, da ich Dich mit meinem Kalbe pflügen lasse." „Ich bin wirklich neugierig, zu hören, welche Belohnung Du verlangst.// „Diese zum Beispiel!" rief der Mohr, indem er Olivia in seine Arme schlosz und ihren Mund mit feurigen Kussen bedeckte. „Solche Freiheiten verbitte ich mir in Zukunst,« sagte O li via, indem sie ihm einen leisen Schlag auf die Wange gab; „Du haft bereits einen KuH bekommen, und mehr ist eine kleine Neuigkeit nicht werth. Oder darf ich die andern vielleicht als eine Pranumeration betrachten." „Wie Dir beliebt. Der Name ist mir gleich, wenn ich nur die Sache bekomme." „Wir können nicht genau angeben, vb es bei diesen Kussen blieb, oder ob der PranumerationSpreis noch erhöht ward; so viel ist gewitz, datz ihr fernereö Gesprach nichts enthielt, was Erwahnung verdiente. Jndch war die Fastnacht herangekommen. Am Montag hatte der Hof eine Schlittenfahrt dnrch den Thier» garten gewacht, die mit einem Ball in Ulriksdahl schlotz: alles, um die Prinzessin Sophie Albertine zu amüsiren, welche der Augapsel ihrer Mutter war. Der König hatte jetzt sein sechzigstes Jahr zurückgelegt, und liebte die Nachtwachen nicht mehr. Kurz nach Mitter- nacht suhr er daher nach Stockholm zmück; die Kömgm blieb mit den beiden Pnnzessinnen bis zum Morgen auf dem Ball. Natürlich sühlten sich die hohen Damen am andern Tag nicht ganz wohl, waren schlafrig und unaufgerciumt; wogegcn der König wahrend des ganzen Vormittags an Leib und Seele sich auAerst wohl besand. Da er bemerkte, datz dies mit der Königin nicht der Fall war, so schlug er ihr vor, ganz ruhig im Negligé auf ihrem Sopha zu bleiben und daselbst auch ihr Diner einzunehmen; er wollte dann semerseits allein in seinem Zimmer speisen. „Diese Junggefellen-Manier" ^—- sagte der fromme, gütige und wohlmeinende Monarch lachelnd — „liebe ich sonst ganz und gar nicht; allein da Du nicht ganz munter bist, meine geliebte Ulrike, so will ich es heute einmal versuchen, und hoffe, das es das letzte Mal sein wird. Ueberdies liebst Du mein Leibgericht, die hei hen Wecken, nicht. So ist es denn am allerbesten, dast ich Dich mit dem Anblick derselben nicht inkommodire. Der neue sranzösische Koch versteht sie ganz vortrefflich zu bereiken, und er soll heute seine erste Probe ablegen." Die Königin sügte sich diesem Vorschlag ohne Schwierigkeit, und der König verlies; sie, in der doppetten Absicht, ihre Ruhe nicht zu storen, und sich selbst auf seiner Drechselbank noch eine heilsame Bewegung zu gönnen. Mit verdoppelter Ehlust setzte sich Adolph Friedrich zu seinem Lieblingsgericht nieder, das er mit wahrem Heihhunger verzehrte. Nach der Mahlzeit legte er sich auf sein Ruhebett und schlief fest ein. Auch die Königin hatte gespeist, und genoH eben eines angenehmen Schlummers, nachdem sie ihrer Kammerfrau Jenny befohlen, sie vor der Theezeit nicht zu wecken. Aber lange vor dieser Stunde trat Jenny bleich, zitternd und verstört in das Schlafgemach der Königin, und weckte dieselde mit einer Heftigkeit, die nichtö von der Ehrfurcht zeigte, womit diese Fürstin bedient zu werden pflegte. Jm ersten Augenblick erfuhr auch die Kammerfrau dnrch Wovt und Biick eine harte Zurechtweisnng; allein sie entschuldigte sich bald mit der Nachricht von der plvtz'.ichen und hestigen Erkrankung des Königs. Die Königin eilte autzer sich zu ihremGemahl, und fand ihn in hestigen Krampfen mit dem Tode ringend. Das ganze Schloh war in Bewegung. Aerzte und Laquaie.i drangten sich durch einander. Die Hofwagen donnerten dnrch die Schlotzportale. Boten eilten durch alle Strasten der Residenz. Ein Reichsrath nach dem aidern eilte nach dem koniglichen Schlosse; das Hofgesinde stürzte durch Treppen und Gallcriecn. In Zeit von einer Stunde befand sich ganz Stockholm in der nngeduldigsten Spannung. Fragen, Verwunderung und Klagen tönten durch einander. Die Sale und Vorgemacher wimmelten von Menschen aus allen Standen. Man drangte sich, um die Bulletins zu erhaschen, welche der dienstthuende Kammerherr alle halben Stunden vertheilte, die aber immer schlimmer und schlimmer lauteten. Die Betrübnist darüber war eben so allgemein als herzlich, denn man wustte, dasi Adolph Friedrich eiu wohlwollender Mensch war, ein Monarch, der es mit seinem Volk gut und herzlich meinte, und der den Einflüssen seiner Gemahliu und des Kronprinzen, die nach der un- umschrankten Macht strebten, nur nicht Widerstand genug entgegen setzte. Es war im Schlofse cin Geschwirr, ein Gewimmel, cm Drangen, und es herrschte cine Rücksichtslosigkeit, wie die königlichen Gcmacher nur in so auHerordentlichen Fallen zu sehen bekommen. Ieder, der aus den innern Gemachern trat, ward von Theilnehmenven nmringt und mit Fragen bestürmt. Nur mit Mnhe konnte man so viel Platz gewinnen, um den Oberhofprediger vr. Rossn, im priesterlichen Ornat und mit dem Sakrament in den Handen, zu dem sterbenden Monarchen zu führen. Dieser Anblick hob alle Zweifel und löschte den letzten Funken von Hoffnung aus, den die Bulletins noch «brig gelasten. Die Verwirrung, der Larm, die Unruhe wuchsen mit jeder Minute. Plötzlich bffnete sich die Thür; der Mohr, mit dem Schnupftuch vor den Augen eilte durch die Menge und ries mit gebrochener Stimme: "Es ist vorbei.... der König ist todt! Wahrend der Zeit lag der katholische Koch, ein verkleideter Jesuit, vor einem kleinen Kruzifir in der Kuchenstube auf den Knieen, und murmelte sein „Ave Maria." » Sechs und zwanzigstes Kapitel. zu, Badin!" fagte Gustav (der auf einem Lehnstuhl am Schrcibtische sah), wahrend er die Feder aus der Hand legte und Goldsand streute auf einen ebm fertig geschriebenen Bogen der schonen und nut Recht allgemein gelobten Personalien über Adolph Friedrich, deren Niederschreibung eine der ersten Beschastigungen seines Sohnes und Nachfolgers ausmachte, nachdem derselbe aus Frankreich in sein Waterland — sein gegenwartiges Reich — znrückgekehrt war. „Du sollst mir ganz genau alles erzahlen, was sich wahrend meiner Abwesenheit sowohl hier im Schlosse zu Stockholm, als in den Lustschlössern zugetragen Hat. Jch will Alles wissen, verstehst Du? — verspreche Dir aber, dasi Niemand wieder erfahren foll, was Du mir erzahlt hast. Verschweige nichts; denn von Deiner Aufrichtigkeit, die zu eontrolliren es mir spater nicht an Gelegenheit fehlen wird, hangt die Gnade al>, welche Du zukünftig von mir, Deinem Herrn und Konig, zu erwarten hast." Diese ernsten Worte und der Herrscherblick, womit sie begleitet wurden, machten Eindruck auf den Mohren. Der Negerjüngling sah sogleich ein, datz von der früheren Gleichheit zwischen ihm und dem sonstigen Krvnprin- zen nicht metzr die Rede sein konnte, und dah ein neues Verhaltnitz eingetreten war, welches Unterthanigkeit und Gehorsam erheischte, wenn er seinen Platz in der Gnade des juugen Königs behaupten wollte. Seine Stelluug zu erkeunen und zu beurtheilen, sich dariu zu sinden und ihre Lortheile und Nachtheile schnell zu überschauen, siel dem lebendigen Südlander nicht schwer. ,/Majestat können auf mich rechnen,// antwortete daher Badin, und blieb vor dem Schreibtische, dem Köuige gegenüber, stehen; — ,/Majestat dürsen nur so gnadig sein, meinem GedachtniH durch einige Fragen zu Hülfe zu kommen, wenn mir zmveilen Stoff und Zusammenhang ausgehen sollten." Und jetzt stattete der Mohr dem Könige einen Bericht über alles ab, was sich am Hofe und in den Gemachern der Mitglieder der königlichen Familie feit Gu stavs Abreise zugetragen hatte. Seine eigenen Liebesabenteuer verschwieg Badin jedoch vorsichtig, — wohl nicht aus Furcht, dah der König irgend einen oder den andern kleinen VerstoH der Kammerfrau der Königin zegen den von Olivia Ramström geschworenen Eid der Verschwiegenheit übel aufnehmen würde, — denn die echte Treue war es eigentlich nicht, was Gustav besonders schatzte, — sondern nur deHalb, weil Badin nicht wagte, den König merken zu lassen, daH er mit dem ihm verhatzten Pechlinschen Hause in Verbindung stand. Demjenigen Theil des Berichtes, der sich auf seine Mutter, die verwittwete Königin, auf die Prinzessin, seine Schwester, und auf ihr Berhaltnih zu Hessenstein be- zog, scheukte der König cine ganz besondere Ausmerksamkeit, und er runzelte mehr als einmal die Stirn dabei. Ein verachtliches Lacheln krauselte seine Oberlippe, als Badin ihnen erzahlte, datz die Königin, seine Gemahlin, Vergnügen an dem Geschway ihrer Kammerfrauen finde. Als der Mohr jedoch im Verlaus seiner Erzahlunz aus die Geruchte kam, die sich in Bezug aus den katholischen Koch und den Tod Adolph Friedrichs verbreitet hatten, siel Gustav dem Mohren mit den Worten in die Rede: „So elendes GeschwaH mit anzuhören, schickt sich nicht fiir mich!" Bei der ausführlichen Beschreibung, die Badin von Adolph Friedrichs letzten Augeublickeu lieserte, zeigte sich der neue König ansierst ausgeregt, gab dem Mohren einen Wink, zu schweigeu, bedeckte sich das Gesicht mit dem Schnupstuch, und — weinte. DieSmal waren es jedoch keine verstellteu, sondern wirkliche Thrancn, uud Badin war nicht wenig erstauut über diese Gesühlsauswallung bei einem sonst so kaltherzigen Fürsten. Nachdem der Mohr sich entsernt hatte, meldete der diensthabende Kammerherr den Ritter Beylon. Der Konig empsing ihn mit grotzer Gewogenheit, und eroffnete ihm, daH er von x'etzt an dasselbe Recht wie Badin haben sollte, das namlich, zu jeder Zeit unangemeldet dei ihm eintreten zu dürsen. Der Schweizer erging sich in unterthanigen Danksagungen; er sah dabei jedoch etwas betrübt aus, und es war nicht schwer zu sinden, dah er etwaS aus dem Herzeu hatte, womit er nicht recht wagte, dem Könige zu kommen. Gustav bemerkte dies und hob daher selbst an: „Ich kcnne Dich seit langer Zeit, lieber Beylou, und weiH, dah Deine Aufwartungen immer noch ctwas bedeuten, als eine gewöhnliche Ehrenbezeuguug. Deine Miene verrath mir dies austerdem noch. Was Du mir vorzutragen hast, scheint nichts angenehmes zu sein; wahrend meiner kurzen Regierung habe ich jedoch schon so viel Unannehmlichkeiten erlebt, die mit dem höchst betrübten und all zu srühen Hintritt meines unvergchlichen, hochstseligen Herrn Laters begannen, das? ich aus alles gefaht bin, uud Du daher ohne Umschweife reden kanust.„ '/Mein Austrag, allergnadigster Herr und König, besteht darin, Ew. Majestat unterthanigst zu bitten, Jhre Majestat, die verwittwete Konigin mit einem Besuch in ihrem Tchlaszimmer beehren zu wollen." Die meisten Menschen haben eine eigenthümliche Art und Weise, ihr MiHvergnügen auszudrücken. Wenn Gustav lil. aufgebracht war, sagte er gewöhnlich zu dem, mit welchem er svrach: „Was soll das heiHen, mein Herr?/< Man wustte alsdaun, waS die Glocke geschlagen hatte. Auch jetzt sagte er zu Beylon: „Was soll das heihen, mein Herr?" Hat meine Frau Mutter plötzlich alle Etiquette vergessen? — Oder weih sie nicht, dah ich jetzt König bin, — dah ich es bin, der Audienzen bewilligt, und dah man nach mir nicht beliebig schicken kann? Hat sie vergessen, datz sie nicht mehr aus dem Throne sitzt, und dast die verwittwete Konigin dem re gierend en Könige und seiner Gemahlin allemal nachsteht?" „Wenn Jhre Majestat nur einen einzigen Augen- blick die Rechte Ew. Majestat verkannt hatte, so würde ich nicht gcwagt haben, diesen Auftrag zu übernehmen; aber die verwittwete Konigin, deren Gesundheit durch die verschiedenartigsten Gemüthsbewegungen, durch Kummer über den Tod ihres Gcmahls, dann durch Entzücken über die hohen Eigenschaften ihres Sohnes, erschüttert worden und der auherdem Ew. Majestat kindliche Ergebenheit und ausgesuchtes Zartgesühl noch bekannt sind, vermuthete, dah Ew. Majestat es nicht ungnadig ausnehmen würden, weun Allerhöchstdero Frau Mutter sich eine vertrauliche Unterredung in ihrem Krankenzimmer ausbate, wo dieS unbemerkter und ungestörter geschehen kann, als in den Gemachern Ew. Majestat, in welchen Hochdieselben stets von Zuschauern umlagert sind.,, „Ich nehme sur gewih an, datz Du weiht, was meine Frau Mutter, die verwittwete Konigin, von mir verlangt.,, „Vielleicht Hat Jhre Majestat in der Unterhaltung, deren ich so eben gewürdigt worden, Einiges davon berührt. Die schone Wohnung im Schlosse, die Jhre Majestat nun schon über siebzehn Jahre inne hat...„ „Kann sie unmöglich langer l>ehalten!„ siel der Köihm in die Rede. „Sie gebührt dem regierenden Könige !und seiner Gemahlin. Raumte die verwittwete Königin sic nicht, so könnte dies nur dazu beitragen, die Begrisfe >über Rang und Vortritt in der königlichen Familie zu verwirren.,, „Jhre Majestat verlaht sich ganzlich aus Ew. Majestat Weiöheit und Edelmuth, wohl wissend, dasi, was .>., der Wittwe v Adolph Friedrich's und dcr Schwester Friedrich's t des Einzigen übcreinstimniend sein wird." „Ja, davon kann mcine Frau Muiter vollkommen t überzeugt sein. Hat sïe viellcicht schon irgend einen d Wunsch über die Wahl ihres künftigen Wohnortes ge- I- ausiert? Sie mützte natürlich, wie es sich für mich und h sie fchickt, eine Sommer- und eine Winter - Residenz r haben." „Ich glaube, Jhre Majestat Hat sich mit der Idee t eines UmzugS noch gar nicht vcrtraut gewacht; doch ver- si muthe ich in Bezug auf die Winter-Residenz, ein beson- derer Palast würde Jhrer Majestat angenehmer sein, als i eine geringere Wohnung im königlichen Schlosse." Z „Da haben wir wieder einmal einen von ihren ge- ir wöhnlichen Einfallen! Das wird sicher ein recht artiges Sümmchen kosten; — aber gleichviel! Sie ist ein ge- ^ krönteS Haupt und mcine Mutter. Das Geld wird sich » fmdcn, und ich verstche mich daher dazu, in diescm Punkte » ihren Wünschen entgegen zu kommen. Hat sie vielleicht I! etwas in Bezug auf ihren künftigen Sommeraufent- halt geauhert?" l „Die Erinnerung an die seligen Tage, welche Jhre Majestat mit vem hochstseligen König, mit Ew. Maje- si stat und Dero hohcn Geschwistcrn in dem von ihr selbst > geschaffenen China verlebte..." j li „Unmöglich!" siel ihm der König anfgebracht in die i Rede, — "das geht nicht an! Ich kann ihr das umnög- », !ich bewilligen! Drottningholm mutz ich ganz und >h gar für mich haben. Für eine verwittwctc Königin ist i . cs viel zu grofi, und da^ wir Beide dasselbe LustschloH bewohnen, schickt sich nicht. Drei gekrönte Hciupter unter demselben Dache, — ungcrechnet mcine Schwester, die Prinzessin, von der meine Mutter sich nicht trennen will, und vielleicht auch noch meine Herren Brüder anf langere Zcit zum Besuch! Das ware in der That zu kleinlich. Es ist eigentlich für den Winter im stockholmer Schlotz schon zu viel, und ich werde spater darauf bedacht sein, uns in der Stadt ebenfalls mehr Raum zu verschaffen; aber auf dem Lustschlosse, wohin man seinen ganzen Kreis einladet, möchte es für die ganze königliche Familie doch zu eng werden, Nein, von Drottningholm kann ich unmöglich abstehen. Ich hatte die Idee, meinem Bruder, dem Herzoge von Soedermanland, Schlo^ Rosersberg abzukaufen und es der verwittweten Konigin anzubieten. Sollte ihr indeH Svartsjö, oder auch Ulriksdahl besser gesallen, so mag auch das sein. Diese Dinge sind es also, über welche Jhre Majestat, mcine Frau Mutter, mit mir eine Nnterredung zu haben wünscht?" "Vielleicht mochte diese sich auch auf die Angelegenheiten Jhrer königl. Hoheit, der Prinzessin, beziehen." "Wie^, sragte der König, indem er die Farbe wechselte, sich in die Lippen bitz und B eylon mit eincm mitzvergnügten, forschenden Blick ansah, — ?/auf die Angelegenheiten meiner Schwester?—Ich will doch hossen, datz die alte Heirathsgeschichte nicht langer im Kopse meiner Mutter spukt! — Was soll das heisien, mein Herr?" — //Die Frage ist so wichtig und so delikat, allergna- digster Herr und König, dah ich gewisi nicht so dreist sein würde, mich nach eincm Vertrauen zu drangen, welches weder Jhre Majestat noch Jhre kdnigl. Hoheit mir zu schenken für schicklich erachten mochten. Ich würde daher nichts lieber thun, als jcgliche Berührung dieses Gegenstandes zu vermeiden; dennoch kann ich mir einen Fall vorstellen, wo das, was unter gewöhnlichen Umstanden nicht denkbar ware, ausnahmsweise zu gestatten nothig und löblich sein würde." Gustav's Augen schossen Blitze und er stampste heftig mit dem FuH, wahrend er den Schweizer ansuhr: „Du fprichst in Rathseln; — wehe Euch, wenn ich sie richtig deute! Die Auslösung mag aussallen, wie sic wolle, so kann der König von Schweden niemalö einen Bastard als seinen Schwager anerkennen." „Je öfter ich die Gnade geniete," versetzte Bey» lon mit erheuchelter Verwunderung, „mich Ew. Königl. Majestat zu nahen, und je mehr ich Dero hohe Eigenschaften überdenke, je grö§er finde ich die Uehnlichkeit zwischen Ew. Majestat und einem andern, zu seiner Zeit groeten Regenten. Ew. Majestat edle Hitze in dem gegenwartigen Fall gleicht derjenigen, die Carl der Grotze zeigte, als er die heimliche Ehe seiner Tochter mit seinem Seerctair entdeckte. Eginhard stand aber auch weit unter dem Range der Kaiserstochter, zu welcher er gewagt hatte, seine Augen emporzuheben. Der Edelmuth Carl's des Groten wird noch von der spatesten Nachwelt gepriesen und Gustav der GroHe..." „Wird niemals in eine unpassende Vermahlung willigen," stel der Konig ihm schnell in die Rede. „Carl dcr Groste regierte im achten Jahchundert, — ich aber lebe im achtzehnten. Was vor tausend Jahren anging, schickt sich gegenwartig nicht mehr. Doch ich will hossen, dast ich an diese Angelegenheit nicht weiter zu denken haben werde." Und inden, erBeylon scharf sirilte, sügte er hinzu: "Man Hat doch wohl in meiner Abwesenheit nicht die Kühnheit gehabt, mit Planen einer hcimlichen Verlobung umzugehen? Ans jeden Fall ware eine solche nngul tig, da sie der Einwilligung des Staatsoberhauptes entbehrt." »Jch wünschte bei Gott und bei dcr unterthanigen Ehrerbietung, die ich vor der geheiligten Person Ew. Majestat und vor dem ganzen königlichen Hause hege, dast ich im Stande ware, in dieser delikaten Angelegenheit ctwas Anderes als Nermuthungen auszusprechen. Es ware strafbar, meinem Könige und Herren falsche Nachrichten nberbringen zu wollen, und es ware unverzeihlich, den Mittheilungen Jhrer Majestat vorzugreifen; so viel scheint mir indest gewist, dast Jhre Majestat sich nicht eine Untcrhaltung ansbitten würde, wenn sie nicht l gesonnen ware, Ew. Majestat unter vier Augen alle Ausschlüsse zu geben, welche Hochdieselben zu verlangen l geruhen mochten." Der Konig, der wahrend dieser ganzen Unterhaltung sitzen geblieben war, schob jetzt den Sessel vom Schreibtisch zurück, stand auf, und ging, mit der Hand aus der >Stirn, einigemal hastig im Zimmer auf und ab; dann ^blieb er bei Beylon stehen, und sagte ernst und abgeimessen zu ihm: „Sage der verwittweten Königin, meiner Frau Mut- 12 ter, dast ich ihr die geheime Unterredung in ihrcm Zimmer bewillige, — sage ihr, dast ich in einer Stunde bei ihr sein werde, und gieb ihr meinen Wunsch kund, dast sie die Güte haben moge, ihrer Dienerschaft anzubefehlen, die Nebenzimmer von dem^enigen nicht zu betreten, wo mcine Frau Muttcr sich aushalt, und alle stemden Personen abzuweisen, denn ich sehe Austritten und Wvrten entgegen, die kein Dritter sehen noch hören dars." „Ew. Majestat hoher Wille und Besehl sollen pünktlich ausgerichtet werden," antwortete Beylon, indem er sich tics verneigte und ging. Gustav setzte sich wieder an den Schreibtisch, nm an den Personalien seines Vaters weiter zu arbeiten; aber die Gedanken verirrten sich sortwahrend zu der bevorstehenden Untcrhaltung mit seiner Muttcr. Der König mustte sich daher dicse Arbeit sur heute aus dem Sinn schlagen. Er sühlte, dast sein Blut sich in einer seltsamen Gahrung besand, und klingelte. Dem eintretenden Kammcrdiener ries Gustav entgegen: „Seltcrwasser und Champagner!" Diese Mischung bildete stctS sein Lieblingsgctrank. Man brachte ihm zwci Krpstallslaschen, welche diese Flnssigkeiten in gleichcr Menge enthiclten. Nachdem der König seinen Durst gelöscht, gab er dem Kammcrdiener eincn Wink, sich zu entsernen. Nebcn dcn Matcrialicn zuAdolphFricdrich's Pcrsonalicn lag auf dem ArbcitStische des Konigs Voltaire'ö „Pueelle", eine Prachtausgabe mit feinen Kupserstichen saubcr in Sasfian gebunden, mit einem vergoldeten Schnitt und der königlichen Krone über Gustav's Namenschiffre auf dem Rücken. Dieses obseöne, bittersaty- rische Gedicht bildete grösttentheils die Zuflucht des Königs, wenn er sich bei übler Laune befand, und sich zerstreucn wollte. Sekten verfehlte diese Leetüre ihren Zweck, obgleich sic sich so hausig wiederholte, dasi Gustav sast die ganze Jungfrau von Orleans auswendig wuIte. Als eine Stunde verstoffen war, und noch eine Viertelstunde dazn, — denn Gustav hielt es für der Etikette gemast, sogar die Königinnen anf sich warten zu lassen, begab er sich nach den Zimmern seiner Mutter. Die Einzelnheiten dieser Unterhaltung können wir nnserm Lescr nicht mittheilen, denn sie geschah unter vier Augen, und die anstostenden Zimmer waren, wie bereits geineldet, auf ausdrücklichen Besehl des Königs und der verwittweten Königin geraumt worden. Am Schlutz derselben kam jedoch Badin, den Louise Ulrike vergessen batte in den Besehl mit einzuschlictzen, und den daher auch niemand zurückhiclt. Er blieb jedoch von selbst in dem Nebenzimmer stehen, denn cr hörte, daH die hohen Personen im Schlaszimmer der verwittweten Königin laut, heftig und in höchst ungewohnlichen Ausdrücken mit einander sprachen, und cr wollte aus keinen Fall Zeuge dieses Wortwecksels sein. Bevor er sich indetz zurückzog, wurde sein Ohr durch folgende Worte erreicht, mit denen die Unterredung schloh! "Fallt Dir denn die Schwestcr eines Deiner berühmtesten Vorgangcr, namlich Marie Euphrosine nicht cin? Sie war ja mit Magnus Gabriel de la Gardie vermahlt, ohne dah Carl X. Gustav Bedenken trug, diesen seinen Schwager anzuerkennen, 12^' obschon Gustav Adolph'S königlicheS Blut nur verstohlen in seinen Adern fioh, und de laGardie auch nurs/in schwedischer Graf war, der erft in demselben Jahre, wo er sich mit der Prinzessin vermcihlte, Senator wurde. Hesfensteins konigliche Abkunft ist dagegen allgemein anerkannt, und cr würde autzerdem noch durch die Vermittelung des Bruders seiner Gemahlin, oder deS Bruders seiner Schwiegermutter sehr leicht ein Fnrst werden, wozu es ihm auch an Reichthum keines- wegcs mangelt." „Ew. Majestat haben memen unwlderruflchen Ent- schlutz gehdrt," antwortete die Stimme deS Königs. "Jch wcrde cin Auge zudrücken, — das ist allcS, was sich mit wciner kdniglichen Würde vertragt." Unmittelbar nachher ricf die verwittwete Kömgm: „Undankbarer Sohn! Unnatürlicher Bruder!" In dem namlichen Augcnblick ergriff der König d.e Klinke der Thür, an welcher Badin stand, und diescr entfloh, so schnell er vermochte, um nicht als Lauscher er- tavvt zu werden. Einige Tage spater wurden mit den Erben des Reichsrathes Freiherrn Hamilton Unterhandlungen iiber den Ankaus von Fr cd riks hof angeknüpft, welchcs Schloh zum Winteraufenthalt für die verwittwete Komain in Stand gesetzt werden sollte, und der König zelgte dem Senate an, dah die verwittwete Königin, seine Frau Mutter, und die Prinzessin, seine Schwester, um chre Gesundheit zu pflegen und sich von Wsm Kummer über den beklagenswerthen Hintntt deS hochstsclugen Konigs zu erholen, eine Reist zu ihren Anverwandten nach Preutzen unternehmen würdcn, zu welchem Besuche Friedrich der Grotze Jhre Majestat und Jhre Konigliche Hoheit durch seinen Gesandten am schwedischen Hofe habe auffordern lassen. Sieben und zwanzigstes Kapitel. 1772. ^ie Zeit der Freiheit nahte sich indH mit Riesenschritten ihrem Ende. Um die Verfassung aufrecht zu crhalten und sie heilsam für das Volk zu machen, hatte es entweder der vereinigten Bemühung des Königtyums und der Volksmacht, oder wenigstens einer unerschütterlichen Einigkeit dieser letztern bedurst. Statt dessen bildete jcdoch Adolph Friedrich's zwanzigjahrige Regierung eine Kette vou heimlichen Anschlagen und Versuchcn des Hofes, Uneinigkeit bei den Standen und Misztranen bei dem Volke gegen deren patriotische Bemühungen zu erregen; wahrend die Stande ihre Zeit und Kraste damit vergeudeten, sich, Partei gegen Partei, und Jndividuum gegen Jndividuum, anzufeinden, und in ihren gegenseitigen Rechten zu kranken. so lange Adolph Friedrich auf dem Thron safi, war in Betracht seiner friedlichen Gesinnung und seines Wankelmuthes die Eefahr nicht grotz. Hierzu kam noch, daH er der schwedischcn Sprache keineswegs machtig genug war, um durch seine Reden vor dem Senat, den Standen, oder dem versammelten Volk Eindruck machen zu können. Die Thronbesteiguug Gustavs III. veranderte /edoch den Stand der Dinge ganzlich, und die Gefahr einer StaatSnmwalznng wurde immer drohender. Er befast Entschloffenheit, Festigkeit und Ausdauer. Er sprach mit Leichtigkeit, Feuer und Anmuth, und das Schwedische war seine Muttersprache. Er hatte es sich von seinen? ersten Austreten an zur besondern Ausgabe gemacht, sich sowohl beim Volke, als bei jedem Einzelnen einzuschmeicheln, und sein Benehmen war eben so verbindlich als elegant. Seine und des Königthums Anhanger tauten stets groste Hosfnungen auf ihn; cr war sast von seiner Geburt an der Abgott des Volks. Frankreich bot ihm in Folge genommener Abrede und gemeinschafclicher Vortheile halber eine hiilsreiche Hand; — Preusien und Danemark waren durch die Bande des Blutes mit seinen Planen verknüpst. Sein grosies Selbstvertrauen und seine >m höchsten Grade ansgebildete Verstellnngskunst kamen ihm bei allen Unternehmmigcn hochlichst zu Statten, und sein erfinderischer Kops hatte bei jeder Gelegenheit ncue und überraschende Auswege in Bcreitschast. Dahin gehörten seine geheimen Wanderungen durch alle Theile der ^tadt und seine Unterhaltungen mit allen Volksklassen, wodurch er sich die Gunst derselben zu erwerben wustte. Dahin gehorte» anch seine öffentlichen Ermahnungen zur Einigkeit an die Mitglieder der Reichsstande, wahrend er heimlich das Feuer der Zwietracht mit allen ihm zu Gebote stehenden Nêitteln nahrte. Dahin gehorte sein rastloser Eiser, alles mit eigenen Augen zn sehen, — sich davon zu überzeugen, ob den vorhandenen Dienstregeln gehorig nachgekommen würde, — ob man die Taren nicht überhob und kcine Art von Bedrückung oder Betrug übte; — ja, er licsz sogar von unbekannter Hand Brot kansen und es im Schlosse wiegen, um zu sehen, vb es anch das vorgeschriebene Gewicht enthalte. Dahin gehörten endlich auch die den Landeshauptleuten heimlich ertheilten Besehle, die Vertheilung des Getreides, welches die Stande den Gemeinden, die dnrch Misternten mit Hungersnoth bedroht waren, bewilligt, so lange wie möglich hinaus zu schieben, oder ganzlich zu verabsaumen. Und indem er ans diese Weise die Frucht der Sorgsalt der Stande vernichtete, lie§ er dnrch geheime Agenten das Volk noch gegen seine Nertrcter auswiegeln, und es ans die Sorglosigkeit derselben aufmerksam machen. So standen die Sachen aus dem gegenwartigen Reichstage. Die Mützen, welche schon zu A^sange desselben, im vergangenen Jahre daS Uebergewicht bekommen, und deren erster Sieg darin bestanden hatte, den Grasen Fersen aus dem Landmarschallsamte zu verdrangen, vervollstandigten ihren Sieg dadurch, daH sïe diejenigen Senatoren der Hutpartei aus dem Senate entsernten, welche dnrch den vorigen Reichstag, den man m Folge der berüchtigten Thronentsagung zusammenbernsen, in den Senat gelangt waren. Wenn die Mützen sich mit diesen Triumphen, welche die Gegenpartei sur eine natürliche Folgc des Uebergewichts ih- rer Feinde hielten, begnügt hattcn, würde Gnstav bei der Dnrchführnng seiner Planc kein so leichtes Spici gehabt haben. Aber die Mützen wolltcn ihren Sieg noch weiter verfolgen, und der geringe Grad von politischer Berech nung, den sie dabei an den Tag legten, beschlennigte nnr ihren und der Staatsversassung gemeinsamen Fall. Sic beschlossen namlich, eine Untersuchung einzuleiten, die eben so gerecht als staatsklug gewesen ware, wenn man sie aus dem vorigen Reichstage unternommen hcitte, die jetzt aber das Gegentheil war, nachdem man die Massregeln der vorigen Stande in Folge der von Adolph Friedrich vorgegebenen Thronentsagung gut geheimen und anerkannt batte. Das Publikum erschrak, als es die Unsicherheit bemerkte, in welche alle Verhaltnisse dnrch die beabsichtigte Untersuchung geriethen, wenn das keine Gültigkeit mehr haben sollte, was aus einem srühern Reichstage beschlossen worden, und wenn es dnrch die Gegenpartei aus dem nachsolgenden immer wieder ansgehoben werven konnte. Die Hüte, deren Freisprechung dadnrch klar am Tage lag, datz die vorigen Stande in Uebereinstimmung mit ihnen gehandelt hatten, waren natürlich verloren, wenn ihre Todseinde sie jetzt vor den Richterstuhl zogen. Zu ihrer grossen Bestürznng erhielten sie von ihrem bisherigen treuen Vnndesgenvssen, dem sranzösischen Gesandten, keine andere Antwort als diejenige, sich unbedingt in die Arme des RFnigs zu wersen, da der König von Frankreich nnr mit Gustav lil. zu schaffen haben wolle. Der französische Gesandte, Gras de Lergennes, tchstete sic 12»» jedoch mit der Versichernng, daH der Kdnig von Schwe- l den dem sranzosischen Hose im Voraus das Versprechen l habe geben mussen, die Hute gunstig anszunehmen, ohne i ihnen auch nur im Geringsten das nachzntragen, was sie d früher gegen ihn verschuldet haben möchten. c So wie es gegenwartig zwischen den beiden Haupt- parteien aus dem Reichstage stand, war an eine Aussöh- t nung gar nicht mehr zu denken, obglcich nur eine solch^ r retten und in den Stand sctzen konnte, die Macht der y Krone in Schranken zu halten. Die Mützen verliepen sl sich blindlings aus ihre eigene Starke, trotz dem ClaS si de Frietzcky, der Edelste unter ihnen, sie ermahnte, die >i Freisprechung der Hüte von Seiten der vorigen Stande nicht mit Fusten zu treten, und dadurch dem öffentlichen < Vertranen den Todesstoss zu geben und allen Leidenschas- >i ten Thür und Thor zu öffnen; — trotz dem er sie aus- sorderte, mit vereinter Krast gegen die Eingriffe der Zl Krone auszutreten. Die Hüte, welche ihren Untergang h sür unvermeidlich hielten, wenn die Mützen die Sache zi biS auss AeuHerste trieben, — denen ansterdem noch i! heimlich durch Gustav und Vergennes geschmeichelt ê wurde, >— und die in der Besolgung des Rathes des sranzosischen Gesandten ihre eigene Rettung erblickten, a wahlten von zwei Uebeln dasjenige, das sie sür den Au- m genblick sür das kleinste hielten, namlich die Erwcite-- ti rnng der Gewalt des Königs, von der sie hofften, sie i! wieder beschranken zu können, wenn es ihnen dereinst be- si lieben würde. Fersen, das Haupt der Hitte, der ge-, i.! gen die Mützen einen todtlichen HaH hegte, wahrend er z? den Kdnig weder liebte, noch sich von ihm bethoren liest, konnte sich nicht entschliesten Gustav III. mit etwas Anderem zu dienen, als mit seiner Unthatigkeit. Als die Sachen daher aus cine solche Spitze getrieben waren, das? ein entscheidender Schlag aus einer oder der andern Seite unvermeidlich schien, verlieH er den Reichstag. Vor seiner Abreise von Stockholm autzerte Fersen gegen jeden, der es hören wollte, das Benehmen der Stande sei cben so unklug als ungerecht und landesverratherisch, — cr wasche in Bezug aus die Folgen seine Hande in Ukschuld, >— und wolle nicht eher wieder Theil an den össentlichen Geschafte» nehmen, bis der Stand der Angelegenheiten sich ganzlich geandert habe. Durch seine Abreise gab Fersen die Sache der Stande dem Könige und seinen Planen gegenüber aus, was die Gegner des Grasen Feigheit und Verratherei, seine Freunde aber eine staatskluge Finte nannten, — Alle hielten jedoch dasür, daH seine Gegenwart allein hinreichend gewesen ware, den Umsturz der Versassung zu verhindern. Beide, der Hut Fersen sowohl, als die Mütze Frietzcky, hatten sich durch die persönlichen Eigenschaften des Königs nicht im geringsten blenden lassen, — beide waren gleich weit davon entfernt, zu glauben, daH die Freiheit unterliegen werde, und beide miHbilligten die Ausschweifungen der siegenden Partei, deren verderbliche Folgen sie voraussahen; Frietzcky hatte jedoch sür seine Person nichts von diesen AuSschweisungen zu sürchten und konnte daher bis zum letzten Augenblick aus seinem Posten aushalten, wogegen Fersen, wenu sie weiter um sich griffen, unsehl- bar ihr Opser werden muhte. Deshalb zog er sich noch bei guter Zeit zurück. Die Parteien der Mützen und Hute waren jedoch nicht die einzigen, in welche der Reichstag sich thcilte. An Umfang ihnen nichts nachgebend, kam zuvörderst die sogenannte Hospartei. Sie war von den übrigen verachtet, und bestand grötztentheilS aus Ueberlausern von den beiden and ern, aus Glücksrittern, denen die nöthigen Eigenschaften sehlten, sich aus irgend eine vortheilhafte Weise geltend zu machen, und die also nur von der Gunst und Gnade des alleinherrschenden Konigs etwas erwarten konnten, — so wie auch aus Gustav's schwarmerischen Bewunderern und personlichen Anhangern, die ihn wie cinen Gott verehrten. Dieser Phalanr war in politischer Beziehung sur Gustav III. das, was in kriegerischer die Trabanten sur Carl XII.z und er hatte im Jahre 1772 eben sowohl sein Bendcr als im Jahre 1789, aber Ersolg und Ehre standen im umgekehrten VerhaltniH. Eine vierte Partei war die Pechlins, — minder zahlreich als die andern, das ist wahr, aber dest» verschlagener und thatiger. Sie bestand aus einem Nebenzweige der Mützen, und datirte ihre Entstehung von dem Reichstage des Jahres 17K0, wo sich um den General mehrere Reichstagsdeputirte sammelten, unter andern der Oberst Gyllensvan, der Assessor Linderstedt, der Kapitain Hammarhjelm, u. s. w, Curt, Pechlins rechte Hand, der die Partei durch seine Feder unterstützte, war bei allen ihren Unternehmungen die Seele derselben. Je mehr sein EinfluH jedoch bekannt wurde, je mehr zog Curt sich daS Mitztrauen dcs Königs zu. Dcr Adelsbrief, welchcr, vom Senate langst ausgcfcrtigt, immer noch beim Könige zur Unterschrift vorlag, wurde ungeachtet der Erinnerungen des Reichsraths Beckfriis nicht unterzeichnet. Der Grund dieses Verfahrens war ein Gehcimni^ für alle diejenigen, welche nicht in Gustavs Seele lescn konnten. Er hatte sich persönlich überzeugt, datz Curt der dem Könige eigenen Zauberkraft widerstaud, mit welchcr er sonst so viele Eroberungen machte, — und da Curt also unerschütterlich in seinen politischen Grundsatzen war, hütetc der König sich wohl, die Anhangcr der damaligen Regierungswcise auf dem Ritterhause durch Curts Crhebung in den Adelstand auch nur um eine einzige Stimme zu vermehreu. Wir sagten, der König habe sich persönlich von Curts Ansichten überzeugt. Dies war bei einer Privataudienz geschehen, welche Curt aus Anrathen des Senators Beckfriis nachgesucht und erhalten hatte. Gustav entwickclte dabei alle Kraste der Verfiihrung, die ihm nur irgend zu Gebote standen; er zeigte sich gnadig und herablassend; gab vor, Curts Geschicklichkeit, Geist und Verstand zu kennen, versicherte ihn seiner besondern Gewogenhcit, und versprach ihm goldene Berge. Vcrgcbens! Curts Freiheitssinn blieb unerschütterlich, und seine Antwort athmete eine Liebe zur einmal bcstehenden Grundverfassung, und eine Selbststandigkeit, die seinem Herzen Chre machten, sein Glück jedvch zerstörten. Die Bemühungen des Königs brachten jedoch einen solchen Eindruck auf ihu hervor, daH Curt wahrend seines übrigen Lebens den König für den liebenswürdigsten und gefahrlichsten Bersucher hielt, der jemals gegen das Grundgesetz aufgetreten und zum Abfall von demselben aufgefordert. Acht und zwanzigstes Kapitel. „I^un, was denkst Du von unserm Augustulus, — was denkt er wohl von Dir, — und wie steht es mit Deiner Angelegenheit?,, fragte Pech lin, als Curt vom Schlosse nach dem Hause des Generals znrückkehrte, welches beide bewohnten, so lange Curt, obgleich er nicht Reichstagsmitglied war, sich in der Hauptstadt aushielt, um seinen Freunden wahrend der Versammlung der Stande mit seinem Rath und seiner Feder beizustehen. „Seine Atmosphare ist mit susten, aber betanbenden Düsten angesüllt," antwortete Curt. „Der König ist ein gefahrlicher Mensch, und wenn ich mich nicht sehr irre, so ist das Unglück nahe vor der Thür.„ „Ja, ja! Der Apsel fallt nicht weit vom Stamm. Die allergnadigste Mama ist in ihrem attesten Sohne wiedergeboren; aber wie Hat er Dich ausgenommen? Du scheinst mehr bestürzt als entzückt zu sein?,, „Er überhauste mich mit allgemeinen Ausdrücken der Gnade, doch war es mir ganz unmöglich, einen bestimmten Bescheid oder irgend eine Phrase auS ihm herauSzubekommen, die einem Versprechen ahnlich gesehn. Er.lieh eine groste Zusriedenheit mit der gegenwartigen Regierungsweise durchblicken, vermdge welchcr er für seine Handlungen nicht verantwortlich sci; er beklagte jedoch m e i n e t h a l b e n und a n d e r e r verdienstvollen Leute wegen, datz es ihm an hinreichendem Einflutz gebreche, uns auf eine Weise nnterstützen zu können, wie er es wünsche, und bei einem ausgedehnteren Wirkungskreise auch thun würde. Er seufzte über die für das Reich so nachtheilige Uneinigkeit unter den Standen, welche ab-zustellen er keine Mühe spare, anstatt sich derselben — wie mancher andere Fürst thun würde — zu bedienen, um dabei im Trüben zu fischen. Er sagte, er halte seine eigene Ehre und die der Stcinde für unzertrennlich, und sein einziger Ehrgeiz sei, als Vermittler die Ruhe und das gute Vernehmen zwischen allen Klassen seiner schwedischen Landsleute wieder herzustellen. Er meinte, ihm für sein Theil gehe nichts über interessante Studiën und einen lebensfrohen Umgang, — und nachdem er noch einen einzigen Versuch gemacht, alles wieder in Ordnung zu bringen, (was bald geschehen solle), beabfichtige er, wenn auch dieser mitzglücke, sich aus dem Getreibe des Reichstages nach irgend einem Lustschlosse zurückzuziehen, und sich ganzlich den schonen Künsten und Wissenschaften zu widmen." „Und daran würde unfer allergnadigster König am besten thun." „Ohne Zweifel. Aber wenn er das, was er fagte, auch wirklich thun wollte, so würde er es nicht zu jemand gesagt haben, den er so wenig kennt, wie mich." „Richtig, Brnder Curt! Jch erkenne daran die Scharse Deines Urtheils. Wir wollen es jedoch.aus jeden Fall so einzurichten suchcn, das? seine Worte zur Wahrheit werden, sic mögen nnn gemeint sein, wie sic wollen." "Es ware vielleicht am allerbesten, mein lieber Pechlin, auf Frietzcky's Rath zu horen und etwas hinzugeben, um nicht alles zu verlieren. Uebrigens mussen wir dnrchaus die Augen ossen halten, denn wir haben mit keinem gewohnlichen Gegner zu thun. Er scheint mir sowohl im Gut en wie im Bdsen weitcr gehn zu können, als irgend ein Anderer, je nachdem es die Umstande ersordern. Jch wiederhole es, man darf ihn nicht aus ven Augen lassen. Jch erinnere mich noch lebhaft dessen, was Du mir vor einigen Jahren in Jonköping von seinen und seiner Mutter Jntriguen bei Gelegenheit der ThronentsagungSposse erzahltest; und nachdem ich ihn jetzt selbst von Angesicht zu Angesicht gesehen, haben sich meine Befürchtungen noch verdopt pelt." "Beruhige Dich! Der im Pechlinschen Wappen aufrecht stehende Ldwe ist geschmcidiger und anfmcrksamer alS die schwerfalligen von Bronze, die a» dcm Portale seines Schlosses stehn. Aber ich koinme auf meine erste Frage zurück: auf welchem Fusie stcht Deine An-gelegenheit?" "Auf demselben, wie die Angclegenheiten des Staates in dicsein Augenblick, — das will sagen, sie ist so ziemlich hossnungslos. Schmeichelworte, unbestimmte Vor^spiegelungen, Gewogenheit, namlich mit der Zunge, —denn was in der Tiese des königlichen Herzens wohnt, ist Gott allein bekannt, >— kurz — Worte, nichts als Worte, die ein kluger Mann zu einem Ohr herein und l zum andern hinansgehen laht, habe ich bekommen." ,/Und was denkst Du nunmehr zu thun?" ,/Jch gedenke alles dem Geschick zu überlassen. Was meine eigenen Angelcgenhciten aubetrifft, so thue ich wei-- i ter keinen Schritt mehr in der Sache- Mein Selbstge» fühl sagt mir, daH ich deren schon zu viel gethan." r ,/Sicher verbindet der Konig mit seinem Benehmeu gegen Dich gewisse Absichten. Glücklicherweise ist der !. Reichsrath Beckfriis schon zu weit gezangen, als dast ki seine Ehre ihm gestattete, die Sache aufzugeben; — er s. wird auf jeden Fall versuchen, seinen gnadigen Herrn dahin zu vermogen, den Willen seineö hochseligen Va- : ters auszuführen. Wenn Du nicht so verdammt stolz, r sondern ein wenig geschmeidiger warest, ^— ich sage es Dir grade herauS, — so würde die Sache leichter und schneller gehen." « ,/Meinetwegen mag sie ganz und gar stehen blei- l ben! — Aber nun zu etwas Anderem. Ich habe in dem t Audienzzimmer deS Königs eine sonderbare Begcgnuug i: gehabt. Unter denen, die auf Vortritt warteten, sah ich einen gewissen Toll, der srüher Jurist werden wollte, , dann Unterosfizier war, und jetzt, Gott weiH seit wie langer Zeit, Förster ist. Er schien keinesweges über l sein Zusammentreffen mit mir ersreut, und das wundert I mich auch in der That nicht. Ich war zusallig gegen- ! wartig, als man ihn oor dem Antritt seiner Militair- 5 earriere zur Fortsetzung ver juristischen sür unwürdig « crklarte. Für dieft taugt er auch auf keinen Fall, das r kann ich bezeugen. Weitzt Du vielleicht, vb cr sich zum Soldaten eignete?" '/Ungefahr eben so wie zum Richter." "Dah er sich auf die Jagd legte, ist also ein wahreS Glück." //Für das Wild, ja! denn aller Wahrfcheinlichkeit nach Hat es nichts von ihm zu befürchten." //Vortrefflich! Der edle Gönner versncht sich in allen Branchen und patzt sur keine. Wahrscheinlich wünscht er jetzt abermals umzusatteln; aber ich möchte nur wissen, was cr eigentlich beim Konig will.« '/Ich ebenfalls. Du kannst nur glauben, seine Auwesenheit bei Hofe Hat wichtige Grimde, — und ich mützte mich sehr irren, wenn der junge Mann nicht zu ganz andern Dingen geeignet ware, als zu denen, mit welchen er sich bis jetzt befatzte. Wenn er nicht eineu angecrbten Hatz gegen die Stande des Reiches hegte, so hatte ich ihn wohl für uns einfangen könncn, ehe dies dem Könige gelang, obglcich cr eigentlich kcin schwedischer Edelmann ist." -/Was ist denn die Veranlassung zu jenem angcerbten Hah gcgcn die Stande, dessen Du envahntest?/, '/Sein leiblicher Onkel, der Baron Johann Gyllenstjerna, welcher auf dem Reichstage des Jahres 174l Sccrctair dcs gcheimen Auöschusses war, licfz sich zum Spion vom rnssischen Gesandten gebrauchen, benahm sich jcdoch so cinfaltig, datz er entdeckt wurde, den Adel verlor, und Gott weih was sonst noch alles. Ich sah ihn mit eigenen Augen barfuH im Halseifen auf dem Schaffot stehen. Spater zog er sich nach RuHland zu- > rück und starb daselbst vor einigen Jahren." ,/Bci solchen Vorsallen ist es kein Wuudcr, wcnn Toll mehr ein Freund des Königs als des Volkes ist. ^ Hier meldete ein Bedienter, daH angerichtet sei, und ^ die beiden Frennde verfügten sich nach demjcnigen Flügel ^ des Hotels, den die Baronin Pech lin bewohnte. Am solgenden Morgen überreichte ein Hoslakai dem Kammerdiencr des Generals eine gedrnckte Karte, durch l. welche der Konig alle Mitglieder des Reichstags sür den è heutigen Abend zur Cour in der groten Gallerie einlud. > Obgleich Gustav und Pechlin nichtö weniger als Frennde waren, wollte es doch keiner von ihnen an den gewöhnlichen HöflichkeitSbczeigungen fehlen lassen; auch benutzten beide jede Gelegenheit, sich einander zu beobachten, und ihre gegenseitigen Plane und Absichten aus- > zuforschen. Der General fehlte daher auch nicht bei der ' Cour. Er traf hier mit Freund und Feind, mit Hüten, Mützen, Frennden des Hofes und eignen Anhangern zusammen. Der König that sein Möglichstes, um ! zu verblenden und zu entzücken, und seine Brüder sparten weder Handedrücken, Lacheln, nock) Schmeichelworte, um in Gustav's Geist und zu seinem Vortheil zu wir- ? ken. Ein ungeübter Beobachter, der nach dem auhern i Schein genrtheilt hatte, würde geglaubt haben, dieHüte >' und die Ho spart ei seien nahe daran, in Ungnade zu ! sallen, denn diese wurden am wenigsten vom König und ü seinen Brüdern bemerkt und ausgezeichnet, wahreud Nud- beck, Frietzky, Pechlin, Gyllensvan u. s. w, von den hohen Herrschaften mit der ausgesuchtesten Artigkeit behandelt wnrden. Die Nnterhaltung drehte sich natürlich um den' Rcichstag. Die gewöhnlichen Ermahnungen zur Einigkeit wurden landesvaterlicherweise in vollem Maste ausgetheilt. D?r König austerte groste Bekümmernist über den langsamen Gang der ReichStaggeschafte und das unvatriotische Benehmen vieler Mitglieder der Stande. Pechlin versuchte die Verhaltnisse auseinander zu setzen und die Standemitglieder zu entschuldigen. Es wurde sowohl vcn Seiten des Königs als von der Pechlin's mit vieler Rücksicht und Höflichkeit gesprochen. Zufallig stand jedoch der Herzog von Soedermanland in der Nahe, und hörte die Nnterhaltung. War auch sein Blut nicht heister als das seines altern BruderS, so hatte er doch wenigstens einen ungeduldigereu Charakter, und es fehlte ihm an Gustav^s Vermögen, sich zu beherrschen, wenn es dessen bedurfte. Carl vergast daher in diesem Augenblick die Anforderungen der Schicklichkeit, die Gegenwart deö Königs, und seine Absicht, allen Parteiw zu schmeicheln, und mischte sich unausgefordert mit der unüberlegten Bemerkung ins Gesprach: "Ja, — man mag zur Entschuldigung des lahmen Fortgangeo der Angelegenheiten anführen, was man will, so mussen Sie doch zugeben, Herr General, dast die Besiechmig der Parteien durch das Ausland, die ganz offen betrieben wird, eine wahre Schande sur den Reichstag ist." Der König wurde böse über diesen uuzeitigen Aus- fall seines Bruders, und che es ihm noch gelingen konnte, dcm Gesprach eine andere Richtung zu geben, (was er für nöthig hielt, um die Ausmerksamkeit des Generals von der übereilten Aeustcrung des Herzogs abzulenken), nahm sener den ihm hingeworsenen Handschuh auf, wendete sich 'zu dcm Herzoge, und austerte mit seiner gewöhnlichen Kalte und Bestimmtheit: „Mein gnadiger Herr, — wenn man von dergleichen Sachen reden will, must man es mit Neberlegung thun. Sind denn diese Dingerchen hier etwas Anderes als ein Bestechungsmittel?" Bei dicseu Worten ergriff cr einen von des Prinzen Orden, die derselbe anf der Brust trug, und zupfte einige Mal nachdrücklich daran. Carl wechselte die Farbe und schwieg. Der König, obgleich austerst verletzt, that so, als hatte er nichtS gesehn, und nahm die Nnterhaltung da wieder auf, wo der Herzog sie unterbrochen hatte. Nach einem Weilchen entferute sich der König von Pechlin mit einer gnadigen Verbeugung vor seiner Frau. Da der Herzog Miene machte, dcm Könige zu folgen, hielt dieser ihn zurück, und austeite mit einem verbindlichen Lacheln und ganz laut: ^/Du wirst wohl noch etwas mit dem General abzumachen haben, mein Bruderz und wcnn meine lebhaftesten Wiinsche, eme allgemeine Versöhnung zu stiften, unglücklicherweise scheitern solltcn, so hoffe ich doch wenigstens, dast daS gute Nernehmen, welches bisher zwischen meiuem Hause und unsern ausgezeichuet est en Landsmannern stattgesunden, nicht darunter leiden werde." Der Ausdruck im Gesichte des KönigS war weit sprechender als seine Worte. Man müsite Gustav lil. gehort und gesehen haben, um das Hinreitzende in seiner Personlichkeit und seinem Bcnchmcn zu begreisen, wenn er es darauf anlegte, liebenswürdig sein zu wollen. Es ist unmöglich, sein Wcsen zu beschreiben; aber man frage Sergel und Ehrensvaerd, Desprè; und Edelcrantz, Beltman und Lidner, Kellgren und Leopold, Ckeutz und Gyllenborg, Orenstjerua und Adlerbeth, Schroederheim und Nils von Rosenstein, Lehnberg, Lindblom und Zibet, Karsten undStenborg, Widerberg und De Broen, Schylander und Hjortsberg: — wir verweisen den Leser an die Antwort dieser Manuer und an die eigne Einbi!dungskrast. Der eiskalte, tiesberechuende Staatsmann Pechlin gehorte zu denjenigen Leuten, die sich nicht hinreisien lassen. Je einschmcichelnder der Konig sich benahm, desto mehr war Pechlin auf seiner Hut, und desto höher stieg sein Miftrauen. Da es eiue bekannte Sache ist, dachte er, datz meine Ansichten, meine Vortheile und die Gewohnheiten meines öffentiichen Wirkens am meisten niit einer eingeschrankten KönigSgcwalt übereinstimmen, Gustav aber aus Eitelkeit und Eigennutz dazu getrieben wird, der Ausdehnnng dersclben nachzustreben, — und da er auch wei^, daH ich Einsiu^ besitze, und diesen dazu verwende, seinen Planen entgegen zu arbeiten: so muh er mir natürlich abgeneigt sein, und jene Freundlichkcit gegen mich ist nichts als Verstellung. Er fürchtet mich also, >— das ist gut! Aber er will mich einschla- fcrn; — wir wollen daher sehen, wer von nns Beiven im Stande ist, am langsten die Augen offcn zu behalten. Von der Cour uach Hause zurückgekehrt, sagte er zu seincm Freunde. „Du hast recht, Bruder Curt, der König geht mit bedeutenden Planen um; er wirft mit nichts als Schmeicheleien um sich, aber ich lasse mich nicht dadurch bethören. Auherdem verdirbt der Prinz Carl durch seine Unvorsichtigkeit das ganze Spiel. Das Ohrlappchen guckt unter der Maske des gnadigen Herrn hervor, und an diesem ist man im Stande, seine eigentliche Gestalt zu errathen." Wahrend man sich im Hause des Generals über die Vorgange bei der Cour unterhielt, hatte der Konig nach dem SchluH dersclben die Prinzen in sein Cabinet beschieden, wo er dem Herzoge von Soedermanland einen scharsen Verweis über seinen unvorsichtigen Aussall gegen einen so gcsahrlichcn Parteiganger, als der General Pechlin war, ertheilte. „Du verrathst vor der Zeit meine heimlichen Gedanken, und zerstorst dadurch meine schlau angelegten Plane," sagte Gustav. „Was soll das heitzen, mein Herr Bruder? Ist dies die Unterstützung, die ich von Dir zu erwarten habe? Um Deine Uebereilung wieder gut zu macheu, durch welche man sicher unsern Schlichen aus die Spur gekommen ist, bin ich jetzt genöthigt, mei»en Planen eine ganz andre Wendung zu geben- Aber keine weitern Ilnbedachtsamkeiten, das bitte ich mir aus! Dein Eiser sur die gute Sache, mein lieber Carl, welche von unsern Gegnern zwar nicht sür die gute Sache ge- halten wird, macht eine Versöhnnng zwischen Dir und ihnen unmöglich. Dein Vortheil steht mit dem weinigen im innigsten Zusammenhange, und Dein Benehmen wird die Art meiner Erkenntlichkeit bestimmen." Der junge Herzog unterdriickte seinen Verdrnst, und gelobte Besserung. Man kam überein, dast der Hof unverzüglich das Lustschlost beziehen sollte, wo der König und seine Brüder sich ganzlich den Vergnügungen hinge'en, und so thun wollten, als nahmen sie nicht den geringsten Theil an den Staatsangelegenheiten. Der Konig versaumte sogar von jetzt an die Sitzungen deö Senats, und nnterschrieb ungelesen Alles, was die Ma/ontat des Reichsraths beschlossen hatte. Auf die se Wnft hoffte Gustav die Wachter der öffentlichen Sicherheit einzuschlaftrn, und unbemerkt eine neue Ordnung der Dinge vorbereiten zu können. Der Erfolg dieses Benehmens blieb nicht aus. Auch die Königin, obschon mit den geheimen Manen deS KönigS nicht vertraut, bekam ihre Nolle in dem grosten Schauspiel. Sie mustte im Schlosse zu Stockholm Couren und ausgesuchte Diners geben, denen ihr Gemahl und ihr Schwager zuweileu beiwohnten. Uebri!gens tobten dieft von einem Lustschlost zum andern, und sorgten dafür, dast das Gerausch ihrer Vergnügungen bis an die Ohren der ReichstagSmitglieder schlug. Die Jugend der höhern Kreise theilte die königlichen Freuden; und wenn es auch eigentlich nur die vornehmere Adelsklasse war, die nach Voltaire's Ausdruck in der Henriade „Ll, psr 6roit 6e eonczusts, ot psr droit 13 den taglichen Umgangskreis des königlichen Hauses bildete, — so befand sich Gustav selbst, wie stühcr seine Muiter, doch immer am wohlsten in der Gesellschast der ersten Geister des Landes, nur mit dem Unterschiede, dast sich um sie alles schaarte, was in den gründlichen Wissenschaften glanzte, wohingegen der König mehr die Schöngeister, die Dichter und die Künstler seiner Zeit um sich versammelte. Gustav III. stand in dieser Beziehung höher als irgend em schwedischer Regent, und genotz auch im höchsten Maste die Belohnung einer solchen Stellung, schon wahrend seiner Lebenszeit, und noch mehr nach seinem Tode in Schrift, Marmor, Bronze und aus Leinewand verewigt zu werden. Es ist möglich, dast Gustav auch vielleicht aus eignem Antriebe der nordische Augustus des achtzehnten Jahrhunderts geworden ware; sicher ist indest, dah die Stande des Reichs dadurch seinen Anlagen dicse Richtung gaben, daH sie Tessin und Schesser als seine Erzieber und Creutz und Gyllenborg als Gesellschastscavaliere, diesen bei ihm selbst, und jenen bei scinem jüngsten Bruder, dem Prinzen Friedrich, anstellten. Diese beiden Genies, — der Kern zu der herrlichen Pflanzschule, die ihren srischen Lorbeer um die Juwelen der KroneGustav's flocht, — wurden in demselben Jahre und durch dieselben Stande in die Nahe des Throns versetzt, welche das Schwert der Gerechtigkcit aus Brahe und seine Mitschuldigen niederfallen liesten. ^ ^ UnterdeH ereignete sich das, was der Komg e;gentlich wünschte: die Stande batten sich einschlasern lassen. Die Mützen, streng und sparsam, verspotteten seinen Hang zu Genutz und Eitelkeiten. Die prachtliebenden und verfeinerten Hüte sahen nicht ohne Vergnügen, daH der Konig sich auch mit geistreichen Mannern umgab, und daH diese sonach zu den höchsten Aemtern befördert wurden. Nur Pechlin schüttelte bedenklich den Kops. "Was haltst Du von der Art und Weise, mit welcher Gustav die Regieruugsgeschafte betreibt?/, sragte Curt. „Wenn er das ist, was er zu sein scheint, so ist er ein armer Stumper; wenn er das aber nicht ist, so Hat er sicher etwas Böses im Sinn, — und das ist es, was wir auszuforschen suchen mussen,// antwortete der Gcneral. 13 Neun und zwanzigstes Kapitcl. Lei dem glanzende» Feste, womtt Gustav'ls. zu Drottningholm am 3. Juli seiner Gemahlin seierte, war aber sowohl auf seme Gaste auf das Volk gerechnet. Er bedurste gegenwa^ !er Volksgunst mehr als je, und kem schwed:scher Reaent Hat es besser verstanden, d,ese zu gewmnen, als er. Das F°st wmde durch das schbnst- Wetter b-g«nM und gehoben. Hunderte vou Böten mtt hengen durchkreuzten von Stockholm aus den Spiegel des A.?alarsceê; cin leichter Hauch schwellte den wcchen Busen der Scqel und die bunten Wimpel der geschmuckten Fahrzeuge flatterten im Winde. Der schönste «°n"enschem beleuchtete das belette Gemalde, und ie t'eftr d.e Kê ' Taaes stch zur Erde niedersenkte, glnchsam um ren mit soviel Genuh und Freude ersnllte, m defto ^un tern und al'wechselndern Farben strahlte d»e ^«u^ckas. Das Fest begann mit Milüa.rmusik an versmedenen Iên im Freien; der ^mg s-mc GemaM am Arm und hinter ihm die beiden Erbfursten, so v»e der aanze Hof im glanzendsten Costüm, machten dcrselben eine Promenade. Das königliche Paar und d.e Pruizen nicktm im Vorübergehen dcnj'emgcn zu, die sie in dem Volkshausen erkannten, wahrend daö Hurrahrufen deS Volkes , — da die Kehlen hier die Organe der Herzen waren, — kein Ende nehmen wollte. Der Kömg und die Prinzen dankten durch Abnehmen der Hüte, und der König rief mit helltönender Stimme und ausdrucksvoller Geberde: "Dank, tausend Dank, meine geliebten Freunde! Es lebe die schwedische Freiheit, die Ehre und das Vergnügen!" Der Jubel verdoppelte sich und setzte seinen Triumphzug fort. Nach beendeter Promenade begaben sich das königliche Hans, der Hof und die eingeladenen Gaste nach dem Schlotz, um Thee und Erfrischuugen aller Art einzunehmen. Wahrend der Zeit litt die versammelte Menge jedoch keineswegs Mangel. Rings um das SchloH waren Zelte aufgeschlagen, deren Menge rings umher den Platzen das Ansehen eines Lagers gab. Dort wurden unentgeltlich in dem einen Speisen, in dem andern Getranke vertheilt und eS war dabei sur den gröhten Ueberflus! gesorgt. ^vater am Abend trasen die königlichen Personen abermals wit dem Volke zusammen, als sie namlich vom Schlofi nach dem im Parke besindlichen, aus lebendigen Hecken bestehenden Naturtheater gingen. Wahrend in demsclben dem Hose ein kleines Gelegenheitsstück gegeben wurde, hatte man, um die Menge zu vertheilen und Gedrcinge zu vermeiden, an mehreren Stellen des Parkes verschiedene Lustbarkeiteu und Unterhaltungen angeordnet. Auf der einen Stelle ergötzte sich das Volk an cinem geschmeidigen Harlckin, cinem plumpcn Polichinell, oder an eincm Bajazzo; an einer andern betrachtcte man mit groten Augen und geöffnetem Munde die Kunststückchen eines Taschenspielers; an einer dritten schwenkte sich die Jugend in cinem lebhaften Walzer umher, den die königlichen Musikbanden auffpielten; an einer vierten wurde die Neugierde durch eine damera optie» gefesselt u. s. w. Nach beendigtem Schaufpiel kehrte die königliche Familie, von dem lebhaftesten Freudengeschrei und den Segnungen des Volks begleitet, in das Schlo§ zurück. Hier waren neue Festlichkeiten vorbereitet. Es begann der Ball, den das königliche Paar eröffnete, wahrend man zur Belustigung des Volks die kurze Dammerung, welche im Monat Juli Tag und Nacht mehr mit einander verschmilzt als von einander trennt, zu einer Jllumination des Parks von Drottningholm benutzt hatte. Bei dieser sah man überall die Namenschiffre Sophie Magdalenens mit der königlichen Krone darüber, in Brillantfeuer fchimmern. Auf den bewaldeten Hohen am Malarsed brannten Freudenseuer und Theertonnen, deren Glanz sich im Wasser spiegelte, wahrend der emporstrebende Rauch das ielebte Gemalde mit einem magischen Schleier überdeckte. Dabei spielten die Musikchöre im Park und auf den Holmen fortwahrend, und ihr patriotisches Lied >— «Gustav lebe, Gustav lebe, „Er, der beste König, den die Welt besitzt!" wurde vom Freudengeschrei des Volkes übertönt. Kaum hatte der König im Schlosse seine Menuet mit der Königin beendet, ^welches grade in dcm Augcnblickc der Fall war, als Musik und Volk das „Gustav lebe" anstimmten), so verliest er fast ohne Begleitnng das Schlost und ging zum Volk hinab, dessen Entzücken natürlich dadurch noch gesteigert wurde- Er wandelte in den Alleen auf und ab, und sprach rechts und links mit denjcnigen, die ihm die nachsten waren; nnd als er dcm Volk endlich, nachdem er die Schlotzterrasse wieder erreicht, cin "Gute Nacht!" zurief, war das Frcudengeschrei so gewaltig, dast Jerichos Mauern sicher vor einem weniger starken Larm eingestürzt siud. Der öffentliche Theil des Festes war hiermit bcendet, aber es hatte auch seinen geheimen, aus welchen wir jetzt die Aufmerksamkeit des Lesers lcnken, wahrend der Hos den Tanz fortsetzt, und ihn endlich durch cin ausgesucht lcckcres Mahl beschliestt. Der König licst wahrcnd des ganzen Tages nicht einen einzigen Augenoiick auher Acht; jedes Wort, jede Geberde — alles war berechnet. Demgemasz sprach er gleich lange und gleich artig mit den sremden Gesandten, aber nur mit dcm Grasen de Vergennes, dcm französischen Gcsandtcn, sührte cr cin langeres Gesprach über die beabsichtigte Staatsnmwalzung. Sic waren einig über alles, nur nicht über das, was sich auf den Geldpunkt bezog; denn der König verlangte die Subsidien schneller und in grösteren Summen, als der Hof von Versailles — wie dieser wenigstens vorgab — zu liesern im Stande war. Mit dcm General Friedrich Horn und dcm Obersten Baron Sprengtporten verabredete der König unter dcm Auschcin cincs gleichgilti- gen Gesprachs eine Zusammenkunst in seinen: Cabinet nach dcm Schlust des Festes- Als dieser cingetreten war, und der König sich in sein Cabinet zurückgezogen hatte, fanden sich Horn und Sprengtporten und auster ihnen auch noch die beiden Brüder des Königs ein. Gustav empfing die Prinzen mit dem Ausdruck der innigsten Zartlichkeit. "Jetzt, meine geliebten Brüder, sind die Trauben reis," sagte er, „Jhr seid selbst Zeugen der Stimmung des Volks in B.'zug auf meine Person gewesen. Man must das Eisen schmieden, wenn es heist ist. Du, Carl, haft einen gültigen Vorwand nach Schonen zu reiseu, den namlich, um unsere vou Berlin kommende Mutter und Schwester daselbst zu empfangcn und nach der Hauptstadt zu begleiten. Geh nach dieser Provinz ab, — lebe dort auf cinem kameradschastiichen Fust mit den Militairbefehlshabern, und schmeichle Dich bei den Truppen ein. Mache Christianstadt zum Ausgangspunkte Deiner Unternehmungen. Jch werde Dir sichern Zugang zu dieser Festung verschaffen. Der dortige Commandant heistt Helli chiu 6. Auf seiue Bereitwilligkeit und auf feinen Muth dürfen wir uns verlassen; aber der Menfch ist etwas dumm und must geleitet werden. Deshalb habe ich für ihn einen Führer in Bereitfchaft, der schlau und kaltblütig, vorsichtig und uuternehmend, sein und ersinderisch, im Gruude verschlosseu, dem Anscheine nach aber fehr ausrichtig ist. Er heistt Toll, ist für jetzt nur Förster, und auch nicht einmal schwedischer Edelmann. Jch habe ihn daher auch heut Abend nicht zum Feste besehlen können, obgleich er sich jetzt nicht weit von hier befindet. Wenn alles gut geht, soll dem jedoch schon abgeholfen werden. Jhm kannst Du dich nut dem gröIten Vertrauen überlassen. Wenn die Mine angezündet ist, erwarte ich durch einen Courier Nachricht davon." "Du, Friedrich, giebst vor, dah Du die Heilquellen von Medevi zu benutzen beabsichtigst, und verfiigst Dich dorthin. Du versammelst alles um Dich, was in Östergöthland nur irgend Einflutz besitzt. Du nimmst die Leute durch die ganze Liebenswürdigkeit, de ren Du nur irgend fahig bist, zu unserm Vortheil ein. Je mehr Eroberungen Du unter dem schonen Geschlecht machst, desto besser ist es. Man gewinnt dadurch nicht nur die Schonen selbst, ^und Du weistt, daH ich ein sehr freundlicher Bruder bin, der Dich niemals um Deine EroberunZen beneidet), sondern auch ihren ganzen Zubehör an Vatern und Müttern, Onkeln nnd Tanten u. s. w." "Ich werde Euch beide mit schristlichen Ordres versehen, die Euch berechtigen, im Nothfall den Oberbefehl in Schonen und Östergöthland zu übernehmen. Diese Ordres sind von mir, Gustav III. von Gottes Gnaden, versteht Jhr, und nicht von dem tranrigen König, der nur mit Zustimmung des Senats handelt; denn ihm dürsen Eure Auftrage bis dahin nicht bekannt werden.// "Und nun, Gluck auf, meine Bruder, und lebt wohl.'/< Der König umarmte und kützte die Prinzen, welche sich hierauf entfernten, um zu Bett zu gehen. Der König lieh jetzt den General Horn hereinbescheiden. 13' Dicsen hestigen und von scincr Unentbehrlichkcit sest übcrzeugten Mann hatte Gustav durch sein sreundliches Bencbmcn sur sich zu gewinnen gewutzt. Horn, gegcnwartig der Besehlshaber der Cavallerie von Dstergöthland, — war dem Könige bis zum Fanatismns ergeben, und Gustav verstand es, durch Schmeicheleien, Bvrspiegelungen und Bcrücksichtigung von Horn's Rathschlagen, dicsen zu unterhalten und zu vcrmehrcn. Tic Rathschlage des Generals waren zwar nicht ohne Bedeutung, und seine rasche Thatigkeit nicht ohne Einflufi auf das Gelingen des Unternehmens. Da der König jedoch so that, als würfe er sich ganzlich in Horn's Arme, und ihn für daS Haupt der Staatsumwalzung erklarte, kannte der General keine Grenzen mehr für seinen Eiser, sondern wagte mit Freuden sein eigcnes Leben, um Gustav's politische Plane zu sördern. Obgleich der General mehr durch Zuneigung für den König als durch Eigennutz geleitet wurde, minderte es natürlich weder scine Ergebenheit für Gustav, noch für die Veranderung der Landesverfassung, datz der König ihm zu verstehen gab, die erste Anwendung seiner erweiterten Macht sollte Horn selbst und seinen Anverwandten zu Gute kommen. AuIerdem fand sich eine Ursach für diejenigen, welche bei der Staatsumwalzung theils selbst Hand anlegten, theils sie wenigstens durch ihre dem Könige versprochene Unthatigkeit besörderten, die namlich, dast der König crklart hatte, seine Abanderungen bezweckten nur das Abstellen von MiHbrauchen und das Abschaffen von Unordnungen; ja, Gustav hatte erklart, nur auf einige Jahre eiven Versuch mit seinen Staatseinrichtungen mach en zu wollen, worauf cS den Standen freistehen sollte, die von ihm eingeführten Veranderungen beizubehalten oder wieder zu verwerfen. Horn, Sprengtporten, Fersen mid mehrere andere, ja sogar Frietzcky, liejzen sich durch dies Vorgeben deS Königs so lange blenden, bis er die Maske ganzlich fallen lich. Der eigentliche Gegenstand der Ueberleguug mit Horn waren die Mittel, die man in der Hauptstadt, deren Stimmung für den König am SchluH des Festes so unzwcideutig ausgesprochen, zu ergreifen Me. Man - kam überein, dasi Horn sich im entscheidenden Augenblicke zur Hand und bereit halten sollte, den Befehl über die in Stockholm besindlichen Truppen zu übernehmen. Nachdem Horn entlassen worden, trat Sprengtporten in das Cabinet des Königs. Minder fanatisirt als Horn, und daher vorsichtiger als ^ener, war es eben Sprengtporten, der dem Könige das Versprechen abnothigte, nicht nach der verabscheuungSwnrdigen Alleingewalt zu streben, und nach Verlauf vou sechs Jahren die Neichsstande zusammenzurufen, um durch sie entscheiden zu lassen, was sich von den neuen Einrichtungen als gut bewahrt und demgcmatz dem Grundgesetz einverleibt werden könne, wahrend man ihnen freistellte, alles Andere zu verwerfen. Zu dem Ende hatte Sprengtporten ein Memoire ausgearbeitet, welches der König nicht nur freundlich entgegennahm, sondern dessen Verfasser er auch noch mit vielem Lobe überhaufte. Uebrigens hatte Sprengtporten bei der beabsichtigten Bewegung eine Hauptrolle übernommen, die namlich, Finnland zum Aufstande gcgen die Gewalt der Stande zu vermogen — an der Spitze eines Theils der sinnlandischen Truppen auf Stockholm zu marschiren, und daS Signal zu einer ncuen Regierungsweise zu geben. ,/Sie haben, Baron Sprengtporten," sagte der König, »in ihrem vortrefflichen Memoire über unser gro^eS Untcrnehmcn, wie ich fürchte, nnr eine Sache, oder richtiger nur eine Person vergessen. Der trotzige und egoistische Senator Reuterholm, der heftigste Vertheidiger der Rechte des Reichsraths, bringt die letzten Wochen seines Urlaubs in Finnland zu, wo er grotze Güter und viel Anhanger besitzt. Sicher wird er seinen Eiu- ' flH dazu benutzen, um uns entgegen zu arbeiteu." ,/Davon l'in ich überzeugt, aber ich bin auch darauf vorbereitet," antwortete Sprengtporten ruhig und bcstimmt. „Und wie denken Sie dem Sturme zu begegnen, den er aufregen wird?" „Ich werde ihm die Gelegenheit benehmen, cinen Sturm zu erregen." Der König wechselt die Farbe. Er wirst einen unruhigen und stagenden Blick auf Sprengtporten, der seine Fassung behalt, wogegen der Kbnig die Augen niederschlagt und mit bebender Stimme fiagt: „Mufi er wirklich aus dem Wege geraumt werden?" ,/Ja, Jhre Majesteit; er mntz unschadlich gemacht— arretirt werden." Das Gesicht des Königs erheitert sich, seine Stimme bekommt ihren gewöhnlichen Klang wieder, und er unterbricht Sprengtporten lebhaft: „Daö war es cben, was ich meinte; von etwas An- . derem konnte nicht die Rcde sein. Auf jeden Fall mutz man die Sache jcdoch vorsichtig betreibcn, dcnn Reuterholm Hat nicht nur in seiner Heimath einen groten Anhang, sondern ist auch stets zum Aeusiersten entschlossen.// "Ganz recht; ich weisi auch jemand, der zu seiner Festnehmung wie geschaffen ist.// ,/Nnd wer kann daS sein?// "Ein bisher ganz unbedeutender Mensch, der FSHnnch CoHwa, dem das Glück nicht recht gunstig gewesen. Er ist schon dreitzig Jahr alt und Hat dabei viel gelernt, ist zu Lande und zu Wasser gereist, und Hat mehrcre Feldzüge mitgemacht. Er ist znverlassig, eifrig, zu allem bereit, und wünscht nichts als sich auszuzeichnen und dadurch die Guade seines Königs zu gewinnen, da eö ihm bisher nicht gelungen ist, in den Augeu des Senats und der Stande Anerkennung zu sinden." ,/Die svll ihm nicht cntgehen, wenn er sich derselben nur irgend würdig zeigt. Dreitzig Jahr und noch Fahnrich! Da wnndere ich mich nicht, daH er einen Widerwillen gegen die Vielherrscher bekommen Hat.// Die Stutzuhr schlug halb füns, als der Baron Sprengtporten abtrat. Der König nahm eine Krystallflasche mit e->u «Zo lavnnlle, go^ sich etwas davon auf sein weitzes Schnupftuch, roch daran, und rieb sich alsdann die Stirn mit demselben. Hierans klingelte er. In demselben Augenblick stand ein etwaS verschlafener Kammerdiener mit einer tiefen Verbengung vor ihm. -/Selterwasser und Champagner!// rief der König. Nachdem er schnell hinter einauder zwei Glaser sei- nes Lieblingsgetrankes geleert, fragte cr dcn Kammerdiener, ob man sich im Schlosse bereitS schlafen gelegt. ,/Schon vor einigen Stunden," war die Antwort. //Die Sonne stcht bereits hoch am Himmel, und die Dienstleute im Schlosse sind schon wieder ausgestanden und bei der Arbeit." Der König trat ans Fenster und öffnete die Fensterladen; das helle Tageslicht drang ein und verdunkelte den Schein der Wachskerzen, die noch auf den Kronenleuchtern brannten. Gustav befahl, dast man sie aus-loschen und anch die andern Fensterladen öffnen svlle. „Ew. Majestat befehlen wahrscheinlich die Nachtkleider?" //Noch nicht. Ich habe vorher jemand noch einige Worte zu sagen, der im Vorzimmer wartet. Führ' ihn herein." //Ew. Majestat theure Gesundheit bedarf der Ruhe. Ware es nicht b-sser, wenn der Wartende in einigen Stunden wiederkame?» //Was soll das heitzen? Keinen Rath, — keine Einwendungeu, — mchts andres als Gehorsam, — das bitte ich mir ein für alle Mal aus! Last ihn dcn Augenblick wissen, datz ich ihm jetzt gleich eine Audienz ertheilen will.// Der Kammerdiener, der seinen Posten zu verlieren fürchtete, beeilte sich, dem Befehl des Königs nachzukommen. Die Uhr schlug sünf, halb sechs, sechS — und die Audienz hatte noch immer kein Ende. //Wer ist denn der lange, magere Kerl mit dem blonden Haar, der Habichtsnasc, der breitcn Siirn und dcn grohen blaucn Falkenaugen, dcr den König so lange mir scincm Satansgewasch bclastigt?// fragte der Korporal der TrabaNten dcn aus dem Kabinet dcs Königs trctcnden Kammerdiener. //Es ist ein arwcr Förster, der Toll hcisit. Sein Onkel, wie man sagt, ist im Jahre 1740 hingerichtet worden, weil er sich von den Rnssen als Spion Hat gcbrauchen lassen.// ,/Eine saubcre Anverwandtschaft!... Nun, der Toll sucht jetzt wohl cin besscres Stück Brot, als ihm die magere Jagd gewcihrt?// //Ohne Zweifel. Und der Kerl mutz nicht uneben sein, da der König sich Zeit nimmt, ihn so lange anzuhören. Ich wurde gehörig angeschnauzt, als ich mir crlaubte, Sr. Majestat vorzuschlagen, doch erst einige Stundeu zu schlafen und den Herrn Förster so lange warten zu lassen.// Bisher haben wir doch nur gcwacht und gegahnt, bis die Andicnzcn vornehmer Lente vorüber waren; — wenn wir aber, von jetzt an um solcher Leute willen unsre Nachtruhe einbützen sollen, so must ich gestchen, daH unser Dienst nicht mehr auszuhalten ist.// Als die Uhr eben halb sieben schlug, klingelte es im Kabinet. Der Kammcrdiener eilte nach demselben. Der König saH am Schreibtisch, von welchem er so eben ein Papier nahm, um es dem Förster Toll zu überreichen, wahrend er sich mit den Worten an den Kammerdiener wendete: Der Kammerpage soll sogleich diesen Herrn zu Zibet, meinem Seeretair, führen und ihm dcn Bcfchl übcrbringcn, ihm soglcich zwcihundcrt Dukatcn auszuzahlcn, zu welcher Summe ich ihm so ebcn die Anweisung geschricben habe." Der Kammerdiener antwortete durch cine tiese Verbeugung. „Es soll sogleich ein Courier nach Stockholm mit dem Befehl an dcn Oberintendanten Baron Adelcrantz abgeschickt werden, sich morgen früh um sechs Uhr bei mir in GripSholm einzusinden, und er soll den RiH zum neuen Hoftheater mitbringcn.// Abermalige Verbeugung des Kammerdieners. "Die Oberhofmeisterin soll der Königin melden, wenn sie aufgestanden, datz dringende Geschafte meine Gegenwart an einem andern Orte erfordert haben; das? ich gereist bin, ohne Abschied zu nehmen, um dcn Schlaf Jhrer Majesteit nach einem angreifenden Tage nicht zu storen; und daH ich wünsche, am Ende der Woche die Königin mit ihrem Hofe zu Ekolsund zu finden./, Der Kammerdiener verneigte sich zum dritten Mal. "In Zeit von zwei Stunden soll mein Reisewagen, der, in welchem ich schlafen kann, angespannt vor der grotzen Treppe halten, und meine kleine Bedienung soll bereit sein, mich zu begleiten." Der Konig stand jetzt auf, reichte Toll die Hand zum Kutz und sagte mit Ernst und Nachdruck: „Ich hoffe, wir werden uns bald wieversebcn, Förster Toll. Leben Sie unterdeH wohl und reisen Sie gliicklich." Einige Stunden spater schlnmmerte Gustav III. in seinen? Reisewagen, der Gripsholm zucilte, wahrend Toll, mit einem Courierpah versehen, in einem Bauerwagen sich auf dem Wege nach Christianstadt befand. DreiHigstes Kapitel SchlnH des Monats Juli und zu Anfange des Monats August wurdc in der Hauptstadt fast von nichts Anderm gesprochen, als von den Bergnügungen, die auf dem Lustschlosse stattfanden, wo der König mit seiner Gemahlin sich aufhielt, — von den Festen zu Medevi, die der Prinz Friedrich entweder gab, oder welche ihm gegeben wnrden, — und von den Gastgeboten, die zwischen den Miiitairbefehlshabern und dem Prinzen Carl in Schonen al'wcchselten. Die Hüte raumten das Feld, und versuchten kauw, ihren Feinden, den Mützen, Widerstaud zu leisten, die, anstatt dadurch zur Mahigkeit veranlatzt zu werden, welche unter allen Umstanden edel, klug und dienlich gewesen ware, blind weiter rasten, und alles auf die Spitze trieben. ,/Das geht ja ganz vortrefflich! Der Hof vergnügt sich auf seinen Lustschlofsern, das Volk klatscht in die Hande und rnft Hurrah, und die Stande rühren Himmel und Erde auf, machen sich nichts als Feinde, und sind nicht im Stande, die Vcrhalt.iissc wieder zu ordnen," rief Curt mit Verdruh. „Dahinter steckt etwaS,// antwortete Pechlin. "Mc Kammerjungfer meiner Frau must aus Badin herauslocken, welche Sorte von Leuten gegenwartig das Ohr unscrs Allergnadigsten haben. Sollten eS wirklich nur Schwelger und Schmarotzer fein, dcnen er sich in die Anne wirft, so kann noch alles gut werden; geht er l'edoch heimlich mit verschlagenem Volk mn, so mutz man schleunigst zu autzerordentlichen Mitteln greifen, um daS StaatSschiff vom Untergange zu retten." Diesmal wurde Pechlin jedoch in seinem eigenen Netze gefangen. Das Glück diente Gustav und er beluchte alle Zusalligkeiten mit lobenswerther Feinheit. Ju emem Anfall von Eisersucht hatte die Kammerfrau Olivia unter anderm Geschwatz, womit sie die Königin beim An- und Auökleiden unterhielt, anch von Badins Besuchen gesprochen, die er einem Frauenzimmer im Hanse des Generals Pechlin machte; — daH es die Kammerjungfer der Baronin Pechlin war, wu^te Olivia nicht. Die Königin scherzte in der Abendgesellschast des folgenden TageS nber die Liebesqual ihrer Kammerjungfer. Der König that so, als hörte er kaum nach der Sache hin, sckenkte ikr jedoch dabei die gröhte Ausmerksamkeit. Nach der Gesellschaft lictz er Bad in kommen und nahm ihn unter vier Angen in ein strenges Verhör. Gustav steilte ihm die Wahl zwischen Gnade und unwiderruflicher Verweisung vom Hofe auf Lebenszeit. Bad in traf ohne Zaudern seine Wahl, und beichtete ohne Rückhalt alle Einzelnheiten des in Rede stehenden Liebeshandels. Der König vermochte eben so wenig wie Badin zu beurtheilen, iu wiefern der General P echlin sich ctwa der Kammerjungfer seiner Frau als Kuudschaf- term bediente. Auf jcden Fall beschlost /edoch Gustav, ihr durch den Mohr übcr die Stcllung der Dinge und über die Verhaltnisse am Hofe Nachrichten beibringen zu lassen, die dm General ganzlich hinters Licht führen muiten, wenn er der Kammerjungser sein Ohr lieh. Dieser Plan gelang vollkommen. Pech lin wurde trotz seiner Schlauheit diesmal belauert. Das Einzige, waS ihm nicht recht klar fchien, war Curts Zusammmmentreffcn im Andienzzimmer des Konigs mit Toll. Der General wustte durch Nachrichten ans dem Senat und dem geheimen Ausschust, dast Toll weder ein Gesuch bei der Regierung, noch bei den Standen eingereicht. Was konnte er daher dem Könige vorzutragen haben? Pechlin wandte sich an den so eben zum Oberstatthalter crnannten Baron Rudbeck, um von ihm etwas über Tolls Aufenthalt in der Hauptstadt zu erfahren; da Rudbeck ihm jedoch mittheilte, dast Toll bereits vor mehreren Wochen nach seinem Wohnorte zurückgekchrt, beruhigte sich Pechlin in Bezug auf ihn. ,/Unser Allergnadigster mag immerhin in Saus und BrauS leben," sagte Pechlin, ,/wir werden dafür sorgcn, unterdest alles ins Gleiche zu dringen.// ,/Das ist um so nöthiger," versetzte Curt, "da man den König gewist nicht wieder fangt, wenn man ihn cinmal losgelassen. Meine Privatangclegenhciten zwingen mich, auf einige Wochen nach Hanse zu reisen. Gebe der Himmel, dast die Staatsangclegenhciten auf > besseren Fusten stchen, wenn wir uns hier wieder sehen." Wir machen durchauö keinen Anspruch darauf, der ! Geschichtsschrciber des Jahrcs 1772 zu sein. Wir ver- weisen den Leser in dieser Bezichung anf die wirkliche Geschichte und auf ihre allgemein bekannten Thatsachen. Wir erlauben nns dccher einen Sprnng über alle Zwischenereignisse, und verweilen uns erst wieder bei dem Zeitpunkt, wo die Nachricht in Stockholm einlies, dast die Garnison in Christianstadt sich unter ihrem Commandanten, dem Capitain Hellichius, ossen gegen die Regierung erklart und den Standen des Reiches den Gehorsam aufgekündigt habe. Um dem Herzog Carl einen Norwand zur Zusammenziehung von Truppen zur Vertheidigung der Verfassung zu geben, that der Capitain Hellichius, als fürchtete er ihn, und verschlost die Thore von Christianstadt. Man denke sich den Eindrnck, welchen diese Nachricht im Schlost und im Plenum der Reichsstande hervorbrachte. Pechlin ahnte balv, dast der Hof seine Hand dabei im Spiel habe; und obgleich das Verhaltnist kein intimes war, welches zwischen den damals allmachtigen Mützen nnd seiner eignen Partei stattfand, naherte er sich ihnen doch jetzt mchr als sonst, da er einsah, dast cine fernere Trcnnnng nothwendig beider Parteien Fall herbeiführen würde. Auf Anrathen Pechlins sollte eins der Haupter der Mützen, der Oberstatthalter, Baron Rudbeck, persönlich die Denknngsart deS Konigs erforschen. Aber Gnstav hatte überall seine Anhanger und Kundschafter. Er bekam bei gnter Zeit einen Wink von Rudbecks Auftrag. Fürchtend, dast er nicht im Stande sein mochte, seine Gesichtszüge gehorig zu beherrschen, wars der König sich schnell einen Pudermantel um, und befahl dem Kammerdiener, den Puderquast so zu gebrau- chen, datz der weitze Staub sogar sein Gcsicht bedeckte, t wodurch sich weder die Farbe, noch die Mienen desselben s> unterscheiden lichen. Wahrend dieser Verrichtnng des < Kammerdieners liH Gustav den Baron Rndbeck vor- si treten. ê Als dieser anfing von dem Aufstande in Schonen >> zn sprechen, stellte sich der König ganzlich nnwissend und Z höchlichst überrascht, — lietz sich alles erzahlen, was die l Stande davon erfahren hatten, — sprang aus, schlug sich vor die Stirn, ranste sich das Haar, nmarmte Rudbeck, s, henchelte die grösitc Verzweislung über die Verratherei, c und sprach von seinem unbedingten Vertrauen ans die j Unisicht, die Krast und den patriotischen Sinn der Stande; ^ auch beschwor er Rndbeck, seine Frennde aus dem » Reichstage zur gröHten Eile bei Ergreisnng von MaI- s regeln gegen den Ausstand zu treiben. Gustav spielte s mit einem Wort seine Rolle so vortrefflich, dast Baron t Nudbeck dadurch ganzlich irre wurde, und in Folge des- s sen wieder die Stande hinters Licht sührte, indem er ih- ! nen versicherte, der König sei eben so unschnldig an dem ï Aufstande und hege eben so groszen Unwillen gegen den- selben als sie selbst. ' Nur Pechlin schüttelte mitztrauisch und nachdenkend i den Kops, und dachte bei sich selbst: „Wenn ich doch dies t Amt des Auskundschaftens übernommen hatte, und nicht l der ehrliche Rndbeck, der sich wahrscheinlich dnrch den s Kammerdiener des Konigs Pnder in die Angen Hat ! strenen lassen! Ich würde ihn wohl znm GestandniH ge- . bracht haben." I t So viel richtcte Pechlin jedoch aus, da§ die Stande t ? . vvm König begehrten, er solle untcr so bcwandten Umstanden in der Hanptstadt bleiben, und dast man ihn im Senat nöthigte, den beiden Herzögen den Befehl zn übersenden, schlemngst nach Stockholm zuriickzukehren — (die Stande wollten die drei Brüder untcr genaner Aussicht haben) — und eine öffentliche Proklamation an das Volk zu erlassen, in welcher der Aufstand gemistbilligt wurde. Des Königs Lage war jetzt eben so peinlich als gefahrlich. Die Ereignisse hatten den entscheidenden Augenblick herbei gesührt, bevor man im Stande gewesen, die verabredeten Vorsichtsmastregeln zu treffen. Von Spreugtporten und den sinnischen Truppen hörte man noch nichts, und Verg ennes, der französische Gesandte, gab anstatt der Geldunterstützungen, die er versprochen, nur den Rath, die Sache noch auszuschieben, was nicht mehr möglich war, da die Würfel bereits gefallen und nichts mehr übrig blieb, als die Wahl zwischeu dem Siege des Königthums und dem Falle deS Hauses Holstein-Gottorp. Gustav, seinen Gegnern verdachtig und von ihnen beobachtet, mutzte den Muth seiner Anhanger beleben und sich mit ihnen berathen. Er war in die Nothwendigkeit versetzt, groste Summen zu verwenden, und hatte bereits eine ziemlich leere Kasse, ohne dabei in Folge der schwankenden Verhaltnisse den geringste» Kredit zu besitzen. In der That, Gustav s Krone wog in diesem Augenblick sehr wenig, und drückte doch denjenigen bedeutend, der sie trug. Jndest verliest ihn in entscheidenden Augenblicken uiemals sein Muth, uiemals seine Verstel- lnngSkunst, sekten sein durchdringender Blick, und noch seltener sein Talent, sich bei den niedrigern Volksklassen einzuschmeicheln. Dessen ungeachtet waren wahrscheinlich seine ganzen Plane dennoch gescheitert und hatten Unglück über ihn gebracht, wenn er nicht durch zwei, den Lesern bereits bekannte Personen von ganz entgegengesetzten Eigenschaften unterstützt worden ware. Den eincn konnte man den Arm, den andern den Kopf des Königs bei der vorliegenden Staatsnmwalzung nennen. Jener war der General Friedrich Horn, tapfer, zuverlassig, unerschrocken und rastlos, der den Eiser der Soldaten und der Volkshausen anseuerte; dieser der Ritter Beylon, vorsichtig und berechnend, der mit den Gesandten, mit Parteigangern und Banquiers unterhandelte, — der im Stillen thatig war und den König so geschickt leitete, daH dieser seinen eigenen Eingebungen zu solgen glaubte, wahrend er doch nur immer das that, wozu Beylon gerathen hatte. Durch Horns Veranstaltung wurden die StraHenecken in Stockholm mit anonymen Aussorderungen an das Volk bedeckt, sich eiligst zur Vertheidigung des Königs zu bewaffnen, da sein kostbares Leben durch vom Auslande besoldete Parteiganger bedroht sei. Die Nachricht von diesen Anschlagen wirkte aus den geheimen Ausschutz wie das Einschlagen einer Bombe. Sogleich wurde der General Rudbeck nach dem Süden abgeschickt, um sich von der wirklichen Eristenz des Aufstandes in Christianstadt zu überzeugen, und als dieser autzer Zweifel war, schickte man ihm den ReichSrath Funch mit dem Austrage uach, den Oberbesehl von Schonen zu übernehmen, so wie man dem Reichsrath Kalling den Befehl über Stockholm anvertraute, wahrend Pechlin in Rudbeckö Abwesenheit diesen als Oberstatthalter vertrat. Jenen wurde aufgegeben, weder den Besehl, noch die Bitten, noch den Zorn des Königs und der Prinzen zu achten; denn jcht ahnten es auch die Kurzsichtigsten, datz der Hof die geheime Triebfeder dieser Aufstande im Lande war. Jene Vorschristen waren für Funch und Kalling so gut wie überflüssig, denn diese gehörten zu den eisrigsten Vertheidigern der Freiheit. Der Eiser des Lctztern ging sogar so weit, das? er mit gezogenem Sabel in den Stratzen von Stockholm umherlies und rief: ,/Brüder, zu den Waffen, — sonst ist Eure Freiheit verloren!/, Das Volk war jedoch schon seit langer Zeit durch die Hospartei bearbeitet worden, und sein Interesse für die Sache der Stande hatte sich bedeutend abgekühlt. „Diese Mastregeln des Senats und des geheimen Ausschusses sind recht gut," dachte Pechlin bei sich selbst, denn seit Curt abgereist war, dachte er nicht mehr laut; — "aber sie sind nicht auSreichend und zielen auch nicht aus die eigentlichen Triebrader der Verschwdrung. Gustav kann gegenwartig mit Geld alles auSrichten, ohne Geld vernxag er aber gar nichts, und fallt sogar selbst in das Grab, das er uns Andern gegraben. Es kommt also nur daraus an, ihn zu verhindern, Geld zu bekommen; — das ist der eigentliche Knoten, und daran haben die Herren des Senates und des geheimen Ausschusses grade nicht gedacht. VonRutzland bekommt er nichts, so lange die Mützen, die 14 Freunde dieseS Landes, das Uebergewicht haben. Der sranzöstsche Gesandte Vergennes ist vorstchtig und sparsam, das weih ich auS sichcrcr Hand. Von ihm bekommt der König wenigstens nicht so viel Geld, als er braucht; und ich werde jctzt dafür sorgen, dast ihm auch seine andern Quellen verstegen." Es war Hessenstein, der kürzlich znm Fürsten des heiligen römischen Reichs ernannt worden, an welchen Pech lin hier dachte. Seit der Abreise der verwittweten Königin und der Prinzesstn war Hessenstein nur bei Hose gesehen worden, wenn er es durchaus nicht hatte vermeiden können, an demselben zu erscheinen, ohne Aufsehen zu erregen. DieS reichte jedoch hin, (die erhenchelte Zuneigung zwischen ihm und dem Könige mit veranschlagt), diejenigen, denen die naheren Umstande nicht bekannt waren, über das eigentliche Verhaltnist zwischen beiden zu tauschen. Wenn die lebensfrohen Hüte gegenwartig das Ucbcrgewicht gehabt hatten, so würde Hessenstein stch wahrscheinlich mit grotzem Eiser den Reichsgeschasten gewidmet haben; es verstietz jedoch zu sehr gegen seine Gewohnheiten und seine Stellung, stch den strengen, sparsamen und etwas sormlosen Mützen anzuschliehen. Er naherte stch ihnen daher nur so viel, als uöthig war, um den König zu beunruhigen, da Hessenstein ihm aus der cinen Seite abgeneigt war, weil der Konig ihm die Hand der Prinzesstn verweigerte, — und aus der andern auch nicht sehr sur den Untergang einer Regierungsweise stimmte, an welche er von Jugend aus gewöhnt war. Unter andern Verhaltnissen wiirden Hessensteins Reich- thinner dem Könige gern zu Diensten gestanden haben; das war eS eben, was Pechlii? fürchtete; aber gegenwartig hatte der König so viel Grund, diese Reichthümer zu begehren, als Hessenstein, sie ihm zu verweigern, — und dieser Umstand war Pechlin unbekannt. EineS Tages, als Hessenstein in seinem Palast aus dem Ritterholm am Fenster sast, und gedankenvoll die gegenüber liegenden Königsgraber betrachtete, in denen die Gebeine seines Vaters unter denen der übrigen Monarchen Schwedens lagen, wurde ihm der General Pech lin gemeldet. Ein Besuch von diesem überraschte den Fürsten und schmeichelte ihm zugleich. Der schlaue Parteiganger suchte nur Leute von Einflnst und Bedeutung aus, und Hessenstein war in seinen eigenen Augen ein viel wichtigerer Mann, als er Pechlin in seinem Vorzimmer wnstte. Nach einem mustcrnden Blick in den Spiegel ging der Fürst dem Angemeldeten einige Schritte entgegen, empsing ihn mit ausgesuchter Höslich-keit, und suhrte ihn absichtlich in ein kostbar menblirtes, mit Seidentapeten und Goldleisten versehenes Zimmer. An der einen Wand desselben zeigten stch vier Portraits in Lebensgröste, namlich das von Friedrich I., von seinen beiden Gemahlinnen, (Louise Dorothee Sophie von Brandenburg und Ulrike Eleonore von Schweden), und von seiner anerkannten Geliebten, der Reichsgrasin Hedwig Ulrike Taube. Friedrich war in seinem kdniglichen, goldgestickten und hermelinverbramten Purpmmantel gemalt, — die Königin ebensalls. Die breiten Nahmcn beider Gemalde waren mit Königskronen geschmückt. Ueber dem der Landgrasin zeigte sich die kurfürstliche Krone, und sie trng einen blauen, mit Hermelin besetzten Mantel. Die Grasin Taube war >— seltsam genug >— in Nonnentracht gemalt, und der Rahmen des Gemaldes mit einer reichsgraslichen Krone geziert. Anf einer vergoldeten Platte unter dem Bilde des Königs fand sich die Inschrift: „Friedrich l., König der Schweden, Gothen und Wenden, Landgraf von Hessen, dem Grafen Friedrich Wilhelm von Hessenstein." Unter diesem Bilde stand anf einem prachtige» Fusigestell die Buste der Prinzessin Sophie Albertine von weitzem, earrarischem Marmor. ,/Jhr Besuch, Herr General, ehrt und freut mich," sagte Hessenstein, indem er Pechlin einlud, auf dem Sopha Platz zu nehmen; „aber Jhre Zeit ist so durch Staatsgeschafte besetzt, dasi ich das Vergnügen, Sic bei mir zu fehen, nicht Jhrer Freundschaft allein zuschrei- , ben darf " - „In schweren Zeiten, mein Fürst, ist es ganz na- ' türlich, datz man sich denen nahert, auf welche das Bolk ^ seine Hoffnungen setzt," antwortete Pechlin. „Mein Einflu§ ist aber, wie Sie auch sehr gut ' wissen, mein lieber General, für jetzt ziemlich be- ' schrankt." „Für jetzt, ja!... Doch die Umstande sind ' veranderlich, und der Nebel, welcher gegenwartig un- ^ sern politischen Horizont verdun kelt, deutet unfehlbar auf eine nahe bevorstehende grotze Umgestaltung der Dinge. " „Jch weih nicht, was Sie mit diescr Unterhaltung cigentlich bezwecken; es ist aber auch weltbekannnt, daH der General Pechlin stets unergründlich ist." „Man erweist mir dadurch entweder zu viel oder zu wenig Ehre, mein Fürst. Jch strebe danach gegen meine Feinde vorsichtig zu sein; gegen meine Freunde und Gönner habe ich aber den Fehler, zu offenherzig zu verfahren." * "Jch hoffe, mein lieber General, Sie rechnen mich zur Anzahl Jhrer Freunde,,/ sagte lachelnd der Fürst. „Und ich hoffe, was noch mehr ist, Ew. Durchlaucht in kurzer Zeit zu meinen und des Vaterlandes Befchützern zu zahlen." »Was meinen Sie damit?" „Blicken Sie ein wenig um sich, mein Fürst. Glauben Ew. Durchlaucht, daH der gegenwartige Zustand der Dinge von Dauer sei? Der Aufruhr in Schonen, die Ermahnungen zum Aufstande in Stockholm, das MiHtrauen der höheren Klassen gegen den König und seine Vrüder, das Schmeicheln der niedrigen Volksklassen von Seiten des Hofes >— dies alles deutet auf einen Streit auf Leben und Tod. Wenn die Freiheit untergeht, fo bekommen wir die Zeiten Earls IX., die der unum» fchrankten ^önigsmacbt- wieders wenn aber die Freiheit siegt..." Hier fchwieg Pechlin und heftete einen durchdringenden Blick auf Hessenstein. „Nun, wenn die Freiheit siegt?" „So stürzt das Haus Holstein-Gottorp, welcheS dcn Kamps hervorrief; d. h. auf dcr Schwertseite." Er betrachtcte hierauf Hcfsenstcin mit bedeutungsvollcr Miene und fuhr dann fort, indem er mit dem Finger auf die Marmorbüste deutete: "Sic könnte die Stammmutter eines ueucn Regentengefchlechts werden, wenn anders noch dcr Ausdruck neu angewendet werden darf, nachdem die fchwedifche Freiheit bereits übcr dreihig Jahr unter dem Sccptcr des Stammvatcrs blühte," wobei er auf das Bild von Friedrich I. dcutctc. Hessenstein fühlte sich zugleich beunruhigt und geschmeichelt; er wechselte die Farbe und sagte mit bebender Stimme: "Sie bauen Lnftfchlöfser, General Pechlin!... oder Sie haben vielleicht nur die Absicht, mich zu verfuchen. Sie sollten wissen, dasz meineAnhanglichkeit für das königliche Haus und meine Verbindung mit demfelben..." „Mit der weiblichen Linie, wollen Ew. Durchlaucht sagen," fiel Pechlin dem Fürsten in die Rede; „doch diese wird sich nicht beklagen, wenn eine fürstliche Krone sich in eine königliche verwandelt." Heffenstein musterte sich mit Wohlbehagen im Spiegel, warf sich in die Brust, nahm eine bedeutende Gönnermiene an, und fnhr dann sort: „Ich hoffe, mein lieber General, Jhre mir gemachtcn Andeutnngen sind nichts als ein Einfall von Jhnen, der ganzlich unter uns bleiben wird. Was Gefahren anbetrifft, welcher Art sie auch immer sein mögen, so habe ich nichts dagegen; aber mich lacherlich machen..." "Ew. Durchlaucht glauben also," unterbrach Pechlin den Fürstcn, "ich sande ein Vergnügen daran, mich selbst lacherlich zu machen." "Ganz und gar nicht!... Auf jeden Fall erwarte ich von Jhrer Freundschast, mein General, ja sie mussen mir sogar Jhr Wort darauf geben, daH diese Unterredung ganz unter uns bleibt.^ »Jch gebe mein Wort herzlich gern darauf. Und zum Beweise, daH ich es aufrichtig meine, süge ich noch einen wohlgemeinten Rath hinzu. Sein Sie nicht so edelmüthig, mein Fürst, und verschwenden Sie Jhre Reichthümer nicht unnötbig. Ohne Geld ist die Einsührung der unumschrankten Gewalt nicht möglich. Leiht man dies jemand, der mit solchen Planen umgeht, so bekommt man gewist sein Geld nicht wieder, wennsie mihglücken; haben die Anschlage aber Erfolg, so bekommt man sein Darlehn gewöhnlich in anderer Münze als in Silber und Gold zurückbezahlt." „Darin stimme ich Jhnen vollkommen bei. Nachdem man sich noch einige Minuten über unbedeutende Gegenstande untechalten, empsahl sich Pechlin. Hessenstein begleitete ihn dann bis in das ausierste Zimmer, und kehrte alsdann nach dem Gemach zurück, wo er den seltenen Gast empsangen hatte. Hier trat er vor den spiegel, ordnete seine Busenkrause, suchte scinem Gesicht einen ehrsurchtgebietenden AuSdruck zu geben, und verglich seine Züge mit denen des Königs Friedrich, seiiieS Vaters. Pechlin lachelte, wahrend er den Palast des Für- stcn verliest, und dachte bei sich selbst: „Von ihm bekommt der König wenigstens kein Geld mehr ebeu so wenig wie der Fürst von Hessenstein die schwedische Krone bekommt." Ei» und dreisiigstes Kapite7. ^lahrend Pechlin aus diese Weise dem Könige einen Kanal verstopste, össnete Beylon ihm einen andern. Die Versuche, vom sranzöslschen Gesandten die nöthigcn Mittel zu erhalten, waren mistglückt. Eiuige Tage vor der ^taatSumwalzung wurde in Beylons Zimmer und in seiner Gegenwart eine geheime Berathung zwischen dem Könige und VergenneS gepstogen. Das MMrauen der gegenwartig noch Macht habenden Stande gegen das Königshaus, und ihre Abneigung gegen jegliche Beranderung in der Verfafsnng hatten bereits angefangen, sich Lust zu machen. DieS veranlastte Vergen» es, den König zu stagen, ob er die Folgen seiner Unternehmung auch wohl überlegt und sich recht bewuft sei, datz er um alleü oder um uichts spiele. Tustav antwortete mit Warme und mit vieler Würde: ^3ch habe mir alles wohl überlegt, und tausche mich keineswegê über die Gefahr meines Unternehmens; — was aber auch die Folgen davon sein mögen, so sürchte ich weniger Landesflucht und die grausamsten Leiden, als die Schmach, womit man gesonnen zu sein scheint, mich und meine Regicrung zu überhausen. Die Gesügigkeit 14' und Milde, welche ich in mcincm bisherige» Benehmen bewiesen, Hat Veranlassung gegeben, das? man mich für schwach halt, was die russische Partei mit überraschender Frechheit zu benutzen strebt. Es ist endlich Zeit, diesem Jrrthum ein Ende zu machen und mich vor den Augen Europa's in dieser Beziehung zu rechtsertigen. Wer mein früheres Benehmen mit dem vergleicht, zu weichem ich gegenwartig gezwungen bin, der wird einsehen, datz es nicht meine Ehrsucht, sondern mein verletztes Ehrgesühl ist, was mich gegenwartig zum Handeln zwingt. Knrz und gut — ich habe uuwiderruflich beschlossen, den Versuch zu wagen, der Ausgang sei, welcher er wolle. „Ich bitte Ew. Majestat unterthanigst um Erlaubnih,„ nahm Beylon mit vielem Ernst das Woch „dem Herrn Gesandten eine Frage vorlegen zu dürfen. Da Srine allerchristlichste Majestat in diesem Augenblick nicht hinlangliche Subsidien bewilligt Hat, so wollte ich mir anzusragen crlauben, ob Ew, Ereellenz vielleicht gestatteu würden, daH man sich behuss eiuer Anleihe bei irgend einem Stockholmer Handelshause aus Jhren Namen be- rusen dürste." „Wcnn es hier die Absicht ist, mich in persönliche Verantwvrtnng und Bürgschast zu verwickeln," antwvrtete Vergennes, autzerst unangenchm durchBeylons Frage überrascht, „so muf? ich leider bekennen und bedanern, datz mein Credit allzu begrenzt und unzureichend sein dürste." „Es wird hier nur beabsichtigt," versetzte Beylon, den finanziellen Unterhandlungen einen osfiziellen An- strich zu geben, was natürlich die Anleihe sehr erleichtern und das Geschaft beschleunigen würde." „In diescm Fall willige ich gern und mit Vergnügen ein," sagte der Gesandte, indem er sich von seinem >schreck erholte und wieder freier Athem schöpfte. /,Jch bedinge mir mit Erlaubnitz Ew. Majestat nur aus, das?, wie die Sachen anch kommen mögen, die Krone Frankreich auf keinen Fall blotz gestellt werde, und zwar weder in finanzieller noch in politischer Beziehung. Wenn also derjenige, dem Ew. Majestat den Austraz der Anleihe ertheilen werden, sein Geschaft durch die Berusung auf meinen Namen zu beschleunigen hofft, — was ich, ausrichtig gesagt, nicht recht glauben kann, >— so gebe ich dazu um so bereitwilliger meine Erlaubnisi, als ich dadurch zu gleicher Zeit den Besehlen meines Königs, so wie den theuersten Wünschen meines Herzens nachkomme; denn in allem, was von mir abhangt, werde ich nicmals ermangeln, die Plane Ew. Majestat aus allen Krasten unterstützen zu helsen." "Ich bin Jhnen sehr verbunden, Herr Ambassadeur,/, fiel der König lebhaft ein. „Obgleich ich Jhren Worten keinesmegs misitraue, so wünschte ich doch, daH Sie vielleicht in einem Billet an Beylon dasjenige schristlich wiedergeben mochten, was Sie hier so eben versprachen. Die Sache duldet keinen Ausschub, und um nicht unnöthig Zeit zu verlieren, ware es am allerbesten, Sie schrieben das Billet jetzt gleich, da wir noch versammelt sind, und uns über die einzelnen Ausdrücke noch besprechen könnten./- Vergennes sah wohl ein, das? er nach seinen so eben gemachten Versprechnngen nicht mehr zurücktreten konnte, und machte daher aus der Noth eine Tngend. Er schrieb das Billet nieder, doch hielt er es in so unbestimmten Ansdrücken, dast, wenn die Sache mi^ückt ware, er schwerlich dadurch in Verlegenheit gerathen sein würde. Aber ein so geschickter Unterhandler wie Beylon bednrste nnr der Spitze des kleinen FingerS, nm sich mit Hülfe derselben der ganzen Hand zn bemachtigen; anch waren die Banquiers damaliger Zeit derartigcn Geschafte» dnrchaus nicht abgeneigt, wenn sie nnr irgend einen Vortheil davon erwarten konnten. Es gelang daher anch Beylon, von dem in den Annalen der Geschichte des schwedischen Handels unsterblichen Hanse Grill und dem GroHhandler Pejl sur den König einen Vorschuh von 150,000 Reichsthalern zn erhalten. Diese Anlcihe kam noch gerade znr rechten Zeit zn Stande. Alles war jetzt so sehr aus die Spitze getrieben, daH sich ein entscheidender Schlag nicht langer hinansschieben liefz. Am Tage vor demselbcn wnrde bei Hose die erste schwedische Oper: „Thetis und Peleus" gegeben. Alles war auHerst glanzend und trug das Geprage der Munterkeit, wahrend die Unruhe und Gahrung ihren hochsten Grad erreicht hatten. Gustav schien ') Dicse Oper war nach einem Entwurf E» sta VS III. von dcm Stockholm» Nalhsberrn Zohann Wellander ver. fastt, und von Ullini in Musik gcsetzl worden. ^ Siehe: Kellgren's gesammclle Schriften. Band 3. mit nichtö andercm beschastigt als mit seincr geliebten Oper, und sprach von nichts als von diescr, dabei rerlangte ihn jedoch heftig nach dem Schlussc der Gcsellschaft. Es war in der Stunde der Gefahr, wo Gustav III. (ohne eigentlich ein Held zu sein, wenn man darunter namlich einen Heerführer mit militairischen Talenten versteht), sich stets bewundernöwürdig zeigte. Nic sehlte cs ihm alSdann an Muth, nie war er schwankend über die zu nehmenden Ma^regeln, nie verlor er den Kops, und nic stand er in solchen Angenblicken rathlos da. Er bezahlte stets mit seiner eigenen Perso», —' versteckte sich niemals hinter seinen bewaffneten Hausen, und befleckte seine Lippen niemals mit der unmenschlichen Aufforderung, ,/das Pack niederzusabeln."Wenn die Gefahr vorüber war, sank er indeh gewöhnlich in seine Untugenden zurück, und überlietz sich den Eingebungen seineS Leichtsinns, seines Egoismus und seiner unmoralischen Günstlinge. Kaum hatten die Gaste das Schlotz wieder verlassen, als Gustav sich in seinem Cabinet an den Schreibtisch setzte. Er schrieb bei verschlossenen Thüren einen zart« lichen Brief — eine Art Testament >— an seinen altesten Bruder, den Prinzen Carl, den nachsten Thronerben. Er empfahl ihm das Land mit feinen Unterthanen, und beschwor ihn, seinen Tod ungeracht zu lassen, wenn er -—Gustav — bei dem Wagestücke, welches er vorhatte, ') „Sabre? Ia cansills." sein Leben verlicren sollte. Als der Brief beendct und mit dem Ringe verstegelt war, von welchem der Leser spater horen wird, wenn wir zu den Umwalzungen gelangen, die GustavS Sohn um die schwedische Krone brachten, suchte der König aus den geheimen Fachern seines Schreibseeretairs mehrere wichtige Papiere hervor. Er wickclte diese zusammen, legte sie — Gustav schob den Riegel zurück und ^— der Mohr trat ein. „Nun, was geht im Pechlinschen Hause vor?" fragte der König hastig. „Der General Hat sich zu morgen früh Postpferde bestellt," „Wohin reist er?" „Man vermuthet, nach seiner Garnison Jönköping." „Reist er aus eignem Antriebe, oder Hat er irgend einen geheimen Austrag vom Senat?" „Darüber ist man in Unsicherheit." „Reist er allein?" „So glaubt man wenigstens." „Welche Leute haben den General in den letzteil Tagen besucht?" „DaS lcitzt sich unmöglich angeben, Majestat. Die Leute strömten von des Morgens früh bis des Abends spat bei ihm aus und ein, Hoch sowvhl als Gering?» „In der That, mein lieber Badin, Jhr braucht Euch beide kein böses Gewissen über diese Mittheilungen zu machen, weder Du, noch Deine Geliebte. —- Wie sicht eS in der Stadt aus?" „Gut und schlecht, Majestat. Die meisten segnen den König und fluchen aus die Stande; manche thun aber auch das Gegentheil." „Z!un, wer sind diese "Manche"?" „Sie gehören zu der sogenannten vornehmern Klasse, Majestat; denn das geringere Volk ruft aus vollem Herzen: es lebe der König!" „Vornehmere Klasse und geringeres Volk! Was soll das heiHen?" „Die Soldaten lieben Ew. Majestat, — mit den Osfizieren steht es so so. Die Handwerksleute singen: „Gustav lebe!" wcihrend die Edelleute den Mund nicht austhun. Bei den Bauern ist Ew. Majestat beliebter als bei den Gutsbesitzern. Die Geistlichen aus dem Lande schütteln die Köpse, wenn sie von der „Freidenkerei" des Hofes hören, wogegen sich die in derHauptstadt wenig darum kümmern. „Genug! — Ist es ruhig in der Stadt?" „Ja und nein. Es gahrt überall, doch ist eS aus der andern Seite auch noch nirgends zum Ausbruch gekommen." Halb laut sagte der König wie vor sich: „die Mine ist geladen; der zündende Funken ist zur Hand, — der Augenblick ist gekommen." — Hieraus wandte er sich an den Mohren und sagte zu ihm, indcm er ihm die Chatoulle mit den geheimen Papieren überreichte: „Nimm dies, Bad in, und folge mir; geh' aber leise, und sprich unterwegs kein Wort." „Majestat haben zu besehlen." Und nun schlug Gustav, mitBadin hinter sich, den geheimen Weg zu Beylon's Zimmer ein. Der Schweizer hatte der Ankunft des Königs nick)t ohne Unruhe entgegengesehen; als dieser endlich anlangte, nahm er dcm Mohren, den der König entlietz, die Chatoulle ab, und verriegelte die Thür. „Hier, Beylon," sagte Gustav, „vertraue ich Dir meine wichtigsten Papiere an. Wenn ich siege, verlange ich sie von Dir zurück; wenn ich aber unt erge h e, so muht Du mir bei Allem, was heilig ist, hiemit versprechen, siezu verbrennen, ohne die Chatoulle geöffnet und die Papiere gelesen zu haben. Schaffe sie im Lauf des Tages so unbemerkt wie möglich zum franzosischen Gesandten, und ersuche ihn, sie so lange in seinem Archiv zu verwahren, bis Du sie zurückfordern wirst. Für den Fall eines unglncklichen Ausganges steht sie im Hütel eineS sremden Gesandten immer sicherer, als in diesem Schlossc, das alsdann wahrscheinlich der Tummelplatz zü- gelloser Rasereien wird." »Ew. Majestat hohem Willen und Besehl soll ge- wissenhast nachgekommen we.dcn," antwortete Beylon. „Aber dies weise Voraussehen aller Eventualitaten und Moglichkeiten, sowie daS Ergreisen von zweckdienlichen Mahregeln für alle Falle, machen den Erfolg um so wahrscheinlicher; denn dies beweist, datz auch bei derAnlegung des PlaneS nichtS vergessen worden.» „Diesen Brief sende durch einen Courier an meine» Bruder Carl, in dem Augenblick, wo Du ersahrst, dast ich nicht mehr bin. Bleibe ich am Leben und habe den Sieg davon getragen, so licsere ihn in meine Hande zurück." „Der Absendung dieses Briefes wird es auf keinen Fall bedürsen." „Wo sind die Passé mit den Namenlücken, die Du mir besorgen solltest?" „ Hier sind sie. Der Magistrathatsie ausgestellt, denn der Oberstatt halter machte Schwicrigkeiten, sie i» blünco zu unterzeichnen, und es ware vielleicht gesahrlich gewesen, zu sehr beim Baron Rudbeck darauf zu bestchen, da er leicht Verdacht hatte schöpfen können.„ „Sehr gut. Ich erkenne darin Deinen Eiser und Deine Klugheit. Diese Passé sind die letztc Rettung, wenn Alles mitzglückte und ich gendthigt ware, mit meinen Vertrauten unter fremdem Namen die Flucht zu ergreisen. Jetzt bliebe also nichts mehr zu besorgen übrig, —- alles, was der menschliche Verstand vorherzusehen vermag, ist berücksichtigt worden. Die Würsel sind unwiderruslich gesallen. Noch einige Stunden — und der entscheidende Augenblick ist da. Leb' wohl, mein getreuester Beylon! Du siehst mich entweder als unumschrankteu König, oder niemalS wieder!/, „Gott beschütze Ew. Majestat und kröne Hochdero Vorhaben mit dem schönsten Ersolge. Gustav kehrte nach seinem Zimmer zmück, um sich durch einen kurzen Schlummer zu starken. Zwei und dreitzigstes Kapitel. ^n Folge der beunruhigenden Geruchte, die sich über den Ausstand in Schonen und die dumpfe Gahrung in der Hauptstadt verbreiteten, hatte sich der Senat am 19ten August schon des Morgens in aller Frühe versammelt. Der König war jedoch noch srüher aufgestanden als die Senatoren, und hatte seinen Tag damit begonnen, sammtliche Gesandten der fremden Machte zu sich nach dem Schlosse zu laden, da er genöthigt sey, wie er ihnen sagen liesi, sie gegen das in Bewegung gera-thene Volk zu schützen, und dies nicht besser vermöge, als wenn sie sich unter seinem eigenen Dache besanden. Hierdurch sühlten sich sogar die dem Könige abgeneigten Gesandten veranlaHt, sich nach dem Schlosse zu begeben. Vielleicht ist manchem Leser daran gelegen, zu erfahren, welche Kleidung der Held des Tages bei jener Gelegenheit angelegt hatte. Ein Bericht über die Staatsumwalzung von 1772 giebt die Kleidungsstücke des Königs, wie solgt, an: „Schwarzseidene Strümpse und Schuhe mit groten „silbernen Schnallen; schwarze Tuchbeinkleider; ein blauer „Rock mit vergoldeten Knöpsen, ohne sonstigen Schmuck „und Zierath; cin gewöhnlicher Ofsizierdegen; unge„puderte, iin Winde flatternde Locken; cin drcieckigcr „Hut, wie er damals allgcmein Mode war, ohne Feder „und sonstiges Abzeichen. Als der König zu Pferde „stieg, zog er seine grosten Rcitstieseln über die Schuhe." Gustav hatte, um Hessenstein für seine Plane zu gewinnen, aber zugleich auch, um wahrend der Abwesenheit des Prinzen seiner Umgebung mehr Glanz zu verleihen, ihn durch cin eigenhandiges Billet eingeladen, sich auf dcm Schlossc einzusinden. Der Fürst kam eben an, als der König im Begriss stand, sich in den Senat zu begeben, der um seine Gegenwart gebeten hatte. Verschiedene Haupter der königlichen Partei, unter andern auch der General Friedrich Horn, waren bereits vor Hessenstein angelangt. Der König empfing diesen mit ausgesuchter Artigkcit, berührte in allgemeinen Ausdrücken die Verandernng, welche bevorstand, und die, wie er sagte, durch die allgemeine Stimme verlangt werde, und nichts beabsichtige, als die krastigere Besörderuug des Volkswohls durch einen unumschranktcn König; — endlich theilte er ihm seinen Bcschlusi mit, ihn zum Oberbesehlshaber der Hauptstadt und der in derselben garnisonirenden Truppen zu machen, wcnn der Fürst sich bereit sindcn licsze, dcm Könige den Eid der Trcne zu schwören, welchen er nur der Ordnung und des Lorurtheils wegen, nicht aber deshalb verlange, weil er Hessensteins Treue in Zwciscl ziehe. „Der Eid der Treue und des Gehorsams, den ich tereits Ew. Majestat und dem Grundgesetze geschworen, verbietct meinem Gewisse», Ew. Majestat noch einen andern Eidzu leisten,» antwortete Hessenstein mit stolzerer Haltung und höherem Tone, als er sich bisher gegen den König erlaubt hatte; denn PechlinsVorspiegelungen traten in diesem Augenblick dem Fürsten vor die Seele. "Was soll das heiden, mein... Vetter?// rief Gustav überrascht und verwundert, besann sich jedoch gleich wieder und fügte mit ruhiger Würde hinzu: „Jhr MiHtrauen, Fürst Hessenstein, gegen die Absichten Jhres KönigS und Freundes verbietct mir, Jhnen serner zu trauen. Ich bitte um Jhren Degen, — denn von diesem Augenblick an sind Sie mein Gesangener, und dort ist Jhr Gefaugnih!" Gustav zeigte aus sein eigenes Schlasgemach. Hessenstein vcrsnchte nicht dcn gcringsten Widerstand, sondcrn überreichte dcm Könige schwcigend und mit einer ticsen Verbeugnng seinen Degen, und verfügte sich in das ihm angewiesene Zimmer. Es wurde sogleich ein Doppelposten von dcr Lcibgarde vor die Thür desselben gestellt, und man dachte nicht weiter an dcn Fürsten. Jetzt wendete sich der König an Horn. '/Den Posten," sagte er, „welchen der Fürst Hessenstein nicht anzunehmen wagte, übertrage ich Jhnen, General Horn, da Jhr Muth und Jhre Treue mir be-kannt sind. Ich bedars Jhres EideS nicht, aber die Form verlangt ihn. „Mein Freund!" rief der König, indem er den Auditeur Stenhos heranwinkte, dcr zu diesem Zwcck besonders nach dcm Schlosse bcschieden war, „sagen Sie dem General dcn Eid vor!" Dies geschah, — und nach geleistctcm Eide kützte Horn dcm Königc die Hand. „So, meine Herren!" hob der König wieder an, j „begeben wir uns jetzt nach dcm Senat. Sie bleiben sammtlich im Vorzimmcr, und ich allein betrete den Rathssaal. Wenn ich aber nach Hülfc rufe, so stürzen Sie schnell herein, sprengen im Nothsall die Thüren, denn man legt alsdann Hand an meine Person. Tragen Sic Sorge, General Horn, datz sich an allen Punkten der Hauptstadt, wo es nur irgcnd zweckmaAg schcinen ! dürste, hinreichend starke Posten besinden." Und jetzt begab sich der König mit seinem Gefolge l nach dem Rathssaal. Der Senat ahnte einen Sturm, hoffte jedoch, den ! Folgen dessclben durch eine plötzliche Krastau^erung vor- > beugen zu können. Er gab daher dcm König unverhohlen ! den Verdacht zu erkennen, dah die Unruhe und der Auf- stand im ^ande von ihm unterhalten würden, und man l verlangte von ihm, er solle zu seiner Rechtfertigung dem ! Senate die Briefe verlegen, welche ervomPrinzen Carl > seit dessen Abreise nach Schonen erhalten. Endlich inj sinuirte man ihm, biö aus Weiteres ohne Wissen und ! Willen des Senates das Schlosi nicht zu verlassen. „Was!" ries Gustav mit Blick, Gebcrde, Haltung und Stimme eines Herrschers, der sich im Besitze der höchsten Gewalt weiH; „beabsichtigt Jhr, die Jhr eS wagtet, die Hand an die Krone meines Vaters zu legen, mit mir um den Scepter zu ringen, und Gewalt zu üben an dem Gesalbten deö Herrn? Meine Geduld ist erschöpft; der Kelch der Erniedrigung und Demüthigung bis aus die Neige gclcert; die letzte Stunde der von Euch gemitzbrauchten Macht Hat geschlagcn! Die Ehre ! des Vaterlandes und meines unterdrückten Volkes mahnl ! mich, den Schandlichkeiten der Bestechungen unter Euch è cin Snde zu machen. Jhr seid nicht langer meine Se- > natoren, Jhr seiv meine G esangenen! Ener eigenes ? Benehmen soll iiber Ener kiinstiges Geschick entscheiden;" l — und indem er sich der Thür nahte und dieselde offnete, 5 rief er: „ General Horn! Schicken Sie mir einen Offizier, r der mit seinem Kopse dafür steht, daH ohne meinen aus- , drücklichen Befehl keiner von diesen Herren sich von der Stelle rührt; doch soll sich auch niemand an ihnen ver- < greisen, insosern sie nicht selbst Veranlassung geben, Ge- ! walt mit Gewalt zu vergelten." k Horn besetzte die Eingange des Rathssaales und » übergab einem Offizier, den er mit gehörigen Jnstrue- z tionen versah, den Befehl über die Posten. „Heut durft' es mehr als einmal fchwer sallen," i fuhr der König fort, „ Freund von Feind zu unterfcheiden; f wir mussen unö daher ein Unterfcheidungszeichen ^ wahlen. In Ermaugelung von etwas Besserem mag dies ? hier dazu dienen." ^ sl Gustav uahm bei diesen Worten sein weiszeS Schnups- t tuch aus der Tasche, und ersuchte den General Horn, es ihm um den linken Arm zu kuüpfen. «> „Jch werde Ihnen denfelben Dienst erweisen," ! sagte hieraus der König, lief; sich Horns Taschentusch geben, und band es ihm gleichsalls um den linken Arm. Sammtliche Begleiter des Königs folgten dem hohen k Beispicle. Die Nachricht davon verbreitete sich wie cin x Lauffeuer durch dic Stadt, und in Zcit von eincr Stundc trugcn alle Royalisten daS königliche Zeichen um den Arm. Nachdem die Staasumwalzung vollbracht, und der neue Stand der Dingc befestigt war, sührte der König die wcisie Binde um den linken Arm bei der schwedischen Armee als Feldzeichen ein, welches sich in ihr so lange erhielt, bis eine neue Revolntion — die von 1809 — das Staatsgebaudc wieder umstürzte, cm dessen Aufführung Gustav III. durch die wcitzc Binde stets crinneru wollte. Grofie VolkShaufen hatten sich übcrall versammelt, als der König aus dem Senat nach dem Schlosse zurückkehrte. Viele trugen das weihe Tuch um den Arm; ein tausendstimmiges Hurrahgeschrei lies; sich vernehmen, wo er sich zeigte, und er sprach ohne Ansehen des Ranges und der Person rechts und links freundlich mit allen, die er nur irgend erreichen konnte Doch traf er anch bie und da auf saure Gesichter, und eine und die andere Gruppe beobachtete cin vielsagendes Stillschweigen, als der König vorüberging, oder stiesi mit halblauter Stimme zornige Worte aus. Fast alle bedeutenden Manner schworen dem Könige den neuen Eid der Trene; dic Widerspanstigen, und untcr ihnen die Generale Rudbeck ' (der Ol'erstatthalter)— und Strussenfelt wurden arretirt, — einGcschick, welches auch den Senator Kalling und mehrere Haupter der Stande traf. Es ist indesi ausgemacht, da§ Gustav verloren gewesen ware, wenn cin Ieder auf seinem Platze seine Schuldigkeit gethan hatte. Aber nicht genng, datz, wie bereits erwahnt, einige Hüte vorher das Feld raumten, so solgten auch manche unter den Mützen diefem Beifpiel, und andere lietzen sich durch daê einschmeichelnde Wesen des KönigS gewinnen, oder durch die Furcht vor seiner Rache z>um Uebertritt bewegen. Nachdem der General Pechlin noch einmal durch seine Kundschafter genaue Nachrichten über den Stand der Dinge hatte einziehen lassen, hielt er dafür, aller Widerstand sey vergebens, und rüstete sich zur Abreise nach seiner Garnison. Er beabsichtigte, sich daselbst zum Vortheil der Landesverfassung an die Spitze seines Regiments zu stellen, und schlng daher in der gröhten Eile den Weg nach Jönkdping cin. Dics geschah jedoch nicht cher, als bis er von dem Erfolge des Königs im Senate genaue Kunde erhalten. Bei der ersten Nachricht von Pechlin's wirklich ersolgter Abreise gab der König einem jungen Ossizier von der Garde den Befehl, ihm nachzueilen und ihn zu arretiren. Der General war noch nicht weiter gekommen als bis Södertelge, als der Offizier ihn gerade in dem Augenblick erreichte, wo man j^nem so eben srische Pserde vorgelegt hatte. Der Offizier wirst sich in der gröhten Hast aus seinem Wagen, verbietet Pechliu's Kutscher im Namen des Königs weiter zu sahren, und erklart den General auf höheren Befehl für seinen Gesangenen. „Wo haben Sie JhreOrdre, mein Freund?" sragte Pechlin kaltblütig und mit unverandertem Gesicht. «Jch ^""?Eine sch r^?l'iche Ordre habe ich nicht erhalten, aber einen mündlichen Befehl, und zwar aus Seiner Majestat cigenem Munde. Jch glaube, das wird hinreichen, den Herrn General zum Gehorsam zu vermogen.// "Ja so, >— Sie haben nichts Schriftliches. Zum Glück habe ich etwas, — sehen Sie hier!// Bei diesen Worten zeigte Pechlin dem Offizier die Mündungen von zwei geladenen Pistolen, und besahl dem Kutscher zuzufahren, welcher gehorchte. ,/Knaben auszuschicken, um alte Manner zu sangen,,, brummte der General, wahrend die Pserde im starksten Trabe mit ihm davon eilten. // Das bestarkt mich nur in meiner Ueberzeugung, datz der König noch kein Mann ist." Das Geschick Hatte jedoch bereits den Stab über die Regierungssorm gebrochen, deren Fall Pechlin verhinder» wollte, und die Festnehmung, welcher er in Södertelge entging, traf ihn in Joenkoeping, wohin Gustav durch einen Courier den schriftlichen Befehl schickte, den General sestzunehmen, noch ehe dieser Zeit gehabt hatte, das Volk zur Bertheidigung der Staatsversassung auszuwiegeln. tb Drei und dreitzigstes Kapitel. Dic letzten Austritte der Staatsumwalzung gingen unterdch in der Hauptstadt ihren ungehinderten Gang. Der Auditeur Stenhof, als Herold fungirend, verkündete den Bewohnern von Stockholm Gustav's Befehle, und dieft fanden wenig oder gar keinen Widerstand. Die Freude über das Gelingen seiner Plane feuerte den König zu noch gröherer Thatigkeit an, und er entfaltete dabei alle licbenswürdigen Seiten seines Charakters. Wer sich ihm nahte, wurde durch seine ausgesuchte Freundlichkeit eingenommen. Dadurch erweiterte sich der Kreis seiner Anhanger immer mehr und mehr; >— alle wollten den guten König sehen, horen, mit ihm sprechen, und wan war weit davon entsernt, ihn zu sürchten, oder ihm zu zürnen; sowie er sich denn auch hütete, die Vertraulichkeiten, welche man sich gegen ihn erlaubte, üdel aufzunehmen, — ja, er forderte sogar durch sein verbindlicheS Wesen dazu auf und scherzte mit den niedrigsten Individuen aus dem Volk, als waren es alte Bekannte von ihm. Nachdem die Truppen dem Köuige den Eid der Treue und des Gehorsams geschworen, begab er sich in die Staats-Expeditionen, die ihren Sitz in der alten Bank hatten. Ueberall sah er sich von Volksschaaren um- geben, die, wenn sie gewollt, ihm in jedem Augenblick das Leben hatten nehmen könncn; aber sie liebten ihn gerade deshalb, wcil er ihncn ein nnbegrenztes Vertrauen bewies; sie würden ihn jedoch verachtet haben, wenn er nur einen Schimmer von Fnrcht oder Mihtraueu gezeigt hatte. Als er eben im Begriff stand, den Fu^ auf die Treppe der alten Bank zu setzen, fühlte er einen kraftigen Schlag mit der flachen Hand auf der Schutter. Gustav wendete sich um, und erblickte cincn Jiingling, dessen Gesicht von Entzücken strahlte, und der ohne Uinschweif demKönig seine Hand reichte, in welche Gustav lachelnd die seinige legte. „Das geht gut! Und es wird noch besser kommen!" rief der Jüngling, indem er mit Nachdruck die Hand des Monarchen schüttelte. „Du bist würdig, der Schwedeu König zu seyn! Es lebe Gustav! Gustav für immer!" „Wer sind Sie, junger Mann?" fragte der König mit Freundlichkeit. „ Jhr Benehmen ist etwas ungcwöhnlich; aber Jhre Herzlichkeit und gute Absicht sprechen zu Jhrem Vortheil." „Jch heitze Samuel Uggla, bin überzahliger Kanzlist in der Justiz-Revisionö-Kammer, und der Sohn des Propstes in Hedemora." „Gut. Jch werde michnachJhnen erkundigen, und verspreche, Sie nicht zu vergessen, wenn ich die gute Meinung, die ich vonJhnen hege, durch ein gutes Zeugni§ bestatigt sinde." Der Konig wendete sich hierauf zu Horn mit den Worten: 15' „Es ist jetzt auch Zeit, daH ich an meine Gaste wider Willen auf dcm Schlosse denke, und die fremden Gesandten zufricdcn stelle." Als er nach dcm Schlosse zurückgckchrt war, liest er die Gesandten soglcich vor sich bescheiden. „Mcine Herren," sagte er zu ihncn, „nnr mit Thranen in den Augen kann ich zu Ihncn von den MaHregeln sprechen, zu dercn Ergrcifung ich mich gczwungen gesehen, da mcine Person und die Sicherhcit des Staatcs in Gesahr schwebtcn. Jch ersuche Sie jetzt, Jhre Hofe von dcm Vorgcfallcncn in Kenntnitz zu setzen und ihnen zu versichern, daH der neue Stand der Dinge keine Veranderung in den Verhaltnissen zwischen ihnen und meinem Lande hervorbringcn soll, und datz ich gesonnen biu, mit allen Machten, ganz bcsondcrs mit mcincn Frcundcn und Nachbarn, den bestchenden Frieden ansrecht zu halten. Was ich gcthan, gcschah zuin Besten meines Volkes und znr Aufrechthaltung der wahren Frciheit. Jch habe Sie Jhrer eigenen Sicherhcit halber hierher entbieten lassen. Obglcich ich die gemessensten Befehle zu Jhrem Schutze ertheilt hatte, fürchtete ich dennoch, datz der Pöbcl sich vergehen mdchte. Jch habe Ihnen dadnrch, daH ich Sie hierher beschied, zeigen wollen, welchen hohen Werth ich auf Jhre persönliche Sicherhcit setze. Es hangt in diesem Augcnblicke ganzlich von Ihnen ab, entweder in Jhre Hötels zurückzukehren, oder noch langer im Schlosse zu bleiben, in welchem Fall Sie auf eine passende Weife beherbergt werden sollen." Bei dieser Rede matten sich die heftigste» Leidenschaften und der gröstte Verdrutz iu den Zügen des rus- sischen, englischeu und danischen Gesandten. Keiner von ihnen antwortcte aus die verbindlichen Aeutzerungen desKönigsauch nurmit einem einzigen Worte. Derenglische Gesandte öffnete den Mund nur zu einer Bitte um einen PaH für einen Ccurier, den er an seinen Hof abschicken wollte. Der Konig lehnte es in schr artigen Ausdrücken ab, seinem Begehren eher zu willfahren, als bis die wiederhergestellte Ruhe es erlauben würde, die Thore der Stadt zu öffnen. Man Hat Veranlassnng zu glauben, dasi die Gesandten in der Nacht vom 19ten zum 2Usten eine Volksbewegung zu Stande dringen wollten. Man versuchte ncimlich die königlichen Matrosen zu bestechen, doch sie waren unerschütterlich in ihrer Treue. Die Handelshauser, deren der russische und der englische Gesandte sich bedienten, gaden sich die grötzte Mühe, Geld herdei zu schaffen; ader der König liH den Banquier desrussischen Gesandten in seiner Wohnung sestnehmen, und lich ihn durch vier Mann bewachen, wcihrend derdes englischeu die Flucht ergriff, als er das Geschick seines Collegen ersuhr, „Was meine srühern Herrn Vormünder betrifft," sagte der König scherzend, nachdem die Gesandten sich entsernt, „so mussen sie entschulvigen, datz ich sie als GciHeln znriickbehalte, dis die vormundschastiichen Rechnungen abgeschlossen und gntgeheihen sind. Jhre Ereellenzen werden es zwar im Rathszimmer etwas enge finden, I.S8 Lours Xord, par ^olin Lro>vn. paris 1820. Tvmo seeoncl. aber ich hoffe die Herren Senatoren höchstenS einige Tage zu belastigen, wcihrend sie mir und meinen Vorgangern seit dem Jahre 1719 beschwerlich gefallen sind. Uebrigens gewahre ick) dcn Herrschasten über meine Küche und meinen Keller die unumschrankte Herrschaft. Sie brauchen daher wcihrend ihrer Gefangenschast weder zu hungern noch zu dürsten." „Was besehlen Ew. Majestat in Bezug auf den Fürsten von Hessenstein?" fragte der dienstthuende Kammerherr. „Hat er sich über sein Gefangnitz beklagt?" „Weit davon entsernt; aber daS Schlafzimmer Ew. Majestat ist...." „Dasjenige Zimmer, das ich unter den gegenwartigen Umstcinden am wenigsten gebrauche." Und so war es auch. In den Stunden, die Gustav in den Nachten des 19ten, 20sten und 2lsten August der Ruhe widmen konnte, wars er sich nur angekleidet auf dasjenige Sovha, welches ihm zunachst stand. Nachdem am 20sten der Magistrat und die Beamten Stockholm's dem Könige den Eid der Treue gcleistet hatten, rief er die Stcinde für den folgenden Tag zu eincm plenum plenorum im groten Reichssaale zusammen. Aus den Umstcinden, welche diesem Plenum vorangegangen, konnte alle Welt entnehmen, dah es sich bei demselben nur darum handelte, die Macht der Stcinde auf den König zu übertragen. „Eine starke Abtheilung der Garde war auf dem „ Ritterhaus - Markt postirt, das ganze SchloH von Mi"litair umgeben und der Schlo§hof, uach welchem die "Fenster des Reichssaales hinauSgingen, mit scharf „ geladenen Kanonen angefüllt. Die Reichstagsmitglieder "dursten sich nicht standeweis mit ihrem Sprecher an der "Spitze nach dem SchloH begebeu, fondern muiten sich „einzeln und ohne Anfsehen zu erregen, nach demselben „versügen. Der Landmarschall kam ohne Stab. Nach»dcm die Stande versammelt waren, erschien Gustav "im Reichssaal, umgeben von seinen Trabanten nnd von „vielen Ofsizieren. Sobald er aus dem Throne PlaH „genommen, schlug er dreimal mit dem silbernen Ham„mer Gustav Adolph's kraftig auf den Tisch."*) In diesem merkwürdigen plvnum plenorum war es, wo die Staatsform von 1720 abgeschafft, und die von 1772 eingeführt wurde. Hier war es auch, wo Gustav gelobte, stets nur der erste Burger eines freien Volkes sein zu wollen. Gustav hatte auch eine Urkunde entworsen und unterzcichnet, in welcher er der Alleinherrfch aft feierlich entsagte; — und er las sie den Standen bei dieser Gelegenheit vor. Der Entwurf zu einer neuen Regiernngsform wurde ebenfalls vorgelesen und angenommen. Die Sprecher untcrschrieben das aus diese Weise in Kraft getretene Grundgesetz, und die Stande schworen den Eid, welchen der König ihnen selbst vorsagte. Gustav stieg hierauf vom Throne, nahm die Krone ab, um sie neben die so eben unterschriebene Urkunde zu stellen, und stimmte den Psalm an — „Herr ') Zchwedcns Geschichle vo» M. Brnzelius. Gott, Dich loben wir," den alle Anwesenden mitsangen. Sieben und dreissig Jahre spater erhoben in demselben Saale die versammelten Stande ein lautes Beifallsgeschrei, als ein Reichstagsmitglied vorschlug, dem Sohne Gustav's das Scepter zu entreiHen. Die Umwalzung war demnach vollbracht. Es ist der schönste Stein in Gustav's Krone, daH wenigstens kein Tropfen schwedischen Blutes dabei vergossen worden. Als der Fürst v. Hessen stein ersuhr, datz die Reichsstande eine neue Ordnung der Dinge angenommen, begehrte er Papier, Feder und Tinte, und schrieb solgenden Bries an den König: „Die Beweise von Gunst, mit denen Ew. Maje„stat mich stets beehrt, haben mich fortwahrend mit dem „lebhastesten Dankgesühl dnrchdrungen, und stürzen mich „gegemvartig in die grausamste Verzweislung. Ich war „ genöthigt, Ew. Majestat den Gehorsam zu verweigern, „da ich glaubte, daH die Reichsstande den Eid nicht aus„heben könnten, den ich ihnen geschworen, und da ich „der unnmschrankten Macht, die ich verabscheue, und deren „Einsührung ich sürchtete, nicht als Werkzeug dienen „wollte. Ew. Majestat haben diese Macht zwei Tage „lang in Handen gehabt, sie jedoch dem Volke zurückge„geben, eine Handlnngsweise, die kaum ihres Gleichen „Hat, und die ich, trotz der hohen Meinung, welche ich „von Ew. Majestat grossen Eigenschaften bestandig ge„hegt, nicht voraussehen konnte. Jetzt kann ich Ew. „Majestat demnach mit gutem Gewissen meinen Hul„digungseid zu Füssen legen; doch bitte ich um Erlaub- „nitz, nachdem ich zu mcincm Könige gesprochen, mich „nun auch an meinen Freund wenden ;u dürsen, — " und moge dieser Ausdruck einem Unterthau nicht übel „genommen werden. Sie haben mein Herz verletzt: ein "Wort nur, und ich hatte im entscheidenden Augenblick „an Jhrer Scite gestanden. Es nnr eine Verschwörung „ gegen Ihre Person im Werke, und Sie haben mirnichts „davon gesagt. Ich erfuhr dies erft gestern Abend durch „den Brief, mit welchem Sie mich beehrten, nachdem //die Stadt sich unterworfen hatte. Sie erklarten mir, „keine andere Absicht zu haben, als die, Gustav „Adolph's Regierungsweise, der Jetztzeit angepaHt, „wieder herzustellen. Es hatte auch die Carls.XII. „sein können, und dies veranlatzte mich, so zu handeln, „wie ich gethan, u. s. w.*) Sowie der König dieseu Brief erhalten, begab er sich nach demZimmer, in welchem Hessenstein gefangen sajz, und stellte ihm seinen Degen zurück. Am solgenden Tage ausierte Gustav im Vertrauen, daH er sich des Fiirsten Widerspaiistigkcit selbst zuznschrciben habe, denn er hatte ihn durch eine ncihere Andeutung dessen, was er beabsichtigte, ganz leicht für sich gewinnen konnen. Der Bricf war französisch geschrieben; denn im Schwedischen ist es nichl schicklich, einen König per >,Sie-> odec » Zbiien >> zu bcbandeln. Und da ims das so wobllaittendc, kurze und stclê auwciidbare „8ire" felilt, so köniirn wir uns uur in ciiicr hvchst schwerfalligc» Uiuerlhaiiigkciisriistimg dein Tbrouc iiabcn. Lrovvo, les cours 6, Auch die Senatoren wurden jetzt frei gelassen. Sic erhielten am Tage darauf sammtlich ihren Abschied» doch wurden einige von ihnen wieder in den nicht langer beschlie Henden, sondern nur berathenden Senat berusten, den Gustav jetzt nach eigenem Gutdünken und auö eigener Machtvollkommenheit zusammensetzte. Die Reichstagsgeschaste wurden nun mit der groeten Eile ihrem Schluffe entgegen gesührt, und nur autzerst wenige Gegenstande der Berathnng des Reichstags übergeben. Drei Wochen nach der Umwalzung — am 9ten September — entlietz man die Stande feierlichst in ihre Heimath. Kurz darauf begab sich der König nach seinem lieben Ekolsund, wo er bei seiner Ankunft einer Fensterscheibe in seinem ArbeitSzimmer die Worte eingrub: ,/den 12ten September kehrte von der Nevolution zurück Gustav." Als spater Ekolsund von Herrn Se ton gekauft wurde, lieh er diese einsache Erinnerung an eine berühmte Umwalzung und an einen berühmten König heranSnehmen, und in einen reich gearbeiteten, silbernen Rahmen sassen.^) Keiner unserer Leser ist so wenig mit dem Lanse der Dinge dieser Weit bekannt, datz es nothig ware, erft noch eine weitlauftige Aufzahlung und Beschrcibung der Rauchopser zu geben, welche der Eigennutz und die Schmei- ? romL >Ia vick Itivl. chelei, und selbst auch die Furcht dem neuen Memherrscher anzündeten. Es ist gewist bewnndernSwürdig, dast es ihm in so kurzer Zeit gelang, durch seinc Feinheit, Umsicht, Behanlichkeit und Geistesgegenwart die vorhandene Staatsform umzugestalten, — doch noch viel bewundrungswürdiger und sur alle Zeiten denkwürdig ist die Menschlichkeit, mit welcher dies geschal), und welche überhaupt die besseren Tage von Gustavs Regierung charakterisirt. Als er, unbefleckt von Blut und Thranen, und nach so vielen unter Oemüthsbewe» gungen aller Art durchwachten Nachten, in dem Parke von Ekolsund die erfrischende Lust einathmete, und nach so vielen Stürmen endlich wieder der Ruhe genost: deutete seine Umgebung ihm an, wie sehr er der Erholung bedürfe, und dast er sich jetzt auf einige Zeit den beschwerlichen Regierungsgeschasten entziehen müsse. „Die gröstte Erholung sur einen Regenten,» antwortete (Nustav daraus, „ist die, seine Freunde zu belohnen und seinen Feinden zu verzeihen." Und dies liest er in der That seine erste Sorge sein. Er gab den Besehl, alle Unterthanen in Freiheik zu setzen, welche im Verlaus der letzteren Ereignisse mit gesanglicher Haft belegt worden. Weiter erstreckte sich jedoch diese versöhnende MaHregel nicht; denn Kalling, Reuterholm, Funch, Düben, Ridderstolpe, Arnell, Ehreuerona und Sparre blieben von dem neuen ^enat ausgeschlossen, >— Pechlin und Strusseuselt bekamen den Abschied, und Rudbeck wurde ans dem Oberstatthalteramte entlassen. Ehe jedoch die letzten Strahlen der Septembersonne die Baumwipfel des Parkes zu Ekolsund vergoldcten, war Horn „Graf," Capitain Hellichius „Oberst v. Gustav sschöld," — Fahnrich Cosswa„Lieutenantv. Ankarövard," Auditeur Stenhof „Herr v. Stenhof," — der Kanzlist Uggla „Herr v. Ugglas," — und der Förster Toll„RittmeisterundschwedischerEdelmann-" Der Baron Sprengtporten warzum Gcnerallieutenant und Obersten der Leibgarde ernannt worden, und endlich hatte der Konig Fersens Unthatigkeit mit einem Sitz in dem neuen Senate belohnt. Wir haben bisher dadurch ein wenig anticipirt, datz wir die Brüder des Königs, die Prinzen Carl und Friedrich Adolph, zuweilen Herzöge von Södermanland und Oestergöthland genannt. Erst jetzt war es, wo der Konig ihnen diese Titel als ein Zeichen seiner Anerkennung ihreö Eisers und ihrer Ergebenheit verlich. Ende des ersten Bande s. Eedrnckl bei C. F eist er. Der Mohr. Crstes Kapitel. 1751. 4»ouise Ulrike hatte ihre Umgebung entsernt, and den ausdrücklichen Bcfchl ertheilt, dast niemand — auHer ihrem Gcmahl >— der Eintritt in ihr Zimmer gestattet werden solle. In tiefe Gedanken versenkt, ging sie ans und nieder. Die Blitze aus ihren groHen Augen bewiesen, dasi sich ihre Seele mit Dingen beschastigte, die weder unbedeutend noch unangenehm waren. Bald stand sie still, als wenn sie aus irgend eine mit Ungeduld crwartete Bewegung im Palast lauschte, — bald hestete sie ihren Blick aus zwei Anzüge, die aus der Ottomanne neben einander lagen, und von denen der eine aus kostbarer Seide, die in bunter Farbenpracht schimmerte, der andere auö schwarzcm Flancll angesertigt war. Die Kronprinzessin selbst besand sich noch in ihrem schnccweitzen Morgenanzuge, obgleich der Tag sich bereits seinem Ende nahte. Alles deutete an, dasi man eincm ungewöhnlichen Ereignisse entgegea sah. 1* aamen Palast, (das neue Stockholmer Schloh war damals noch nicht einzerichtet), oder bcsscr m S^ » Schweden befand sich nur -m "nz'g ^ ^-. NKL »»stw? «è fochm^gêw-ise-wcnn ^r^crhaupt Kindern, »on denen das attest , de ^ mge Jahre zuugcr war al« - « ^ ^ ^stchen, theils 7ch7°mchch^-ê°. T^-.-« der Wüste einzmmpfen. . ^ Zü- «.. S LK ^1^7» «,t-- -°»5»«. hauft; und wemger d»e ^ ' Mitglieder des sich der Schadensteude hwgebend, d^e ^cug»e° machtigen Senats nnd andere ihr unangenehme Personen in Verlegenheit gesetzt nnd gedemüthigt zu sehen, lachte Louise Ulrike in's Faustchen, wenn Badin's grobe Spaste einen Reichsrath bei Hofe verstnmmen machten, der im Senat znweilen selbst den König überstimmte. Wcihrend die Kronprinzessin in der erwahnten Art und Weise in ihrem Gemach anf nnd niedcr ging, vernahm sie plotzlich Geschrei und Getümmel im Vorzimmer. Nach dem Zorn, der in ihrem Gesicht ausflammte, schien es, als ware dies Ereignist keineswegs das erwartete. Sie ossnete die Thür und rief mit strengem Ton den Namen der Oberhofmeisterin, um sich bei ihr nach der Ursach jenes Gerausches zu erkundigen; doch bedurfte es weiter keiner Erklarung, denn die Kronprinzessin hatte sie vor Augen. Sie erblickte namlich die kohlschwarzen Hande des Negerknaben in den frisirten Locken des Hosmarschalls Horn, in denen sie eine solche Verheernng anrichteten, daH der Pnder wie ein dichtes Schneegestöber anf Badins Gesicht siel, wcihrend der brave Horn bemüht war, mit beiden Armen die Veine des Negerknaben sestznhalten, mit denen er nach allen Seiten um sich stieh und schlug. Als die ernste Stimme der Kronprinzessin ertdnte, nahm der verzweiselte Kamps plötzlich ein Ende. Horn führte an, Badin sei von dem Verbot, niemand solle die Zimmer der Prinzessin betreten, nicht ausgenommen worden; er habe indesz seiner alten Gewohnheit gemast die Einwendungen der Kammerherren und Pagen gegen seinen Eintritt verlacht; der Hosmarschall habe daher seine Autoritat angewendet, und die Kronprinzessin sei jetzt selbst Zeuge von der Widersetzlichkeit Badin's, dessen hamischen Unartcn der ganze Hof bestSndig auSgesetzt sci; aber — fügte der wohl dressirte Hosmann hinzu — welche „grösitentheils handgreifliche und sehr unangenehme Widerwartigkeiten wir alle mit dem graten Bergnügen ertragcn, so lange dies mit den hohen Wün-schen Eurer Königlichen Hoheit ül>ereinstim«!t." Lvuise Ulrike befand sich heut in einer sonderbar ernsthaften Laune. Badins Unverschamtheit, zu welcher sic ihn sonst hausig selbst ausmunterte, kam ihr jctzt strafwürdig vor; und die Widerwartigkeiten der Hoflente, dic sonst ihrer Schadensreude willkommene Nahrung gaben, schienen ihr in diesem Augenblick der Berücksichtigung werth. ,/Lassen Sie meinen Lanfer Ernst rusen, HerrHofmarschall," sagte sie, nachdem Horn aus echte 5^ofmannöweise scine Klage beendet, „und theilen Sie ihm meinen Besehl mit, den ungehorsamen Knaben nachdrücklich zu züchtigen. Es ist dies cin Zeichen meiner Gnade für Sie. Doch ist es mein bestimmter Wille, dah übrigenö in Bezug auf Badin alles beim Alten bleibe, so datz niemand sich ohne meinen ausdrückiichen Willen erlaube, iha zu bestrafen. Auch diene zur Nack)richt, da§ Badin stets ausgeschlosseu ist, wenn ich dem übrigeu Hose den Eintritt in meine Gemacher verbiete." Mit diesen Worten zog die Kronprinzessin sich wieder zurück. Horn hatte den Besehl nicht vergebens cm» pfangen, dem Plagegeist des ganzen Hofes eine gehdrige Züchtigung zukommen zu lassen, und der Laufer Ernst sührte ihn mit um so mehr Nachdruck aus, da er selbst manche Beleidigung au dem Neger zu rachen hatte, und ihn für die Zukunft von der Wiederholnng derselbcn ab- schrecken wollte. Nach Verlauf einer Stunde wurde Bad in in das Gemach seiner hohen Gebieterin gelassen. Eine merkwürdige Veranderung offenbarte sich in seinem ganzen Wesen. Er war nicht mehr frech und muthwillig, nicht mehr vorlant und lachend wie gewohnlich, sondern siill, ernithaft, verstimmt und hatte verweinte Angen. Mit ^cheu kützte er die ihm dargereichte fürstliche Hand; schweigend und ergeben hörte er die scharfe Leetion der Kronprinzessin mit an; und mehr um zu gehorchen, als um sich zu vergnügen, setzte er sich zu den Spielsachen, die für ihn auf einem kleinen Tisch in der Ecke des Zimmers in Bereitschast standen. Der Knabe zitterte an allen Gliedern. War es vor Schreck, oder aus Fnrcht vor einer Wiederholnng der Strafe? oder war es die früherwachende südlandische Rachelust, die sich zu verrathen fürchtete? Plötzlich vernahm man den Ton von ellenden Tritten, die immer naher und naher kamen. Die Doppelthüren flogen auf, und der dienstthuende Kammerherr rief mit lauter Stimme: „Seine Vèajestat der König!" Gleich darauf umarmte Adolph Friedrich feine Gemahlin. //Ich begrü^e dich als Königin von Schweden," sagte er, und die gröhte Zusriedenheit leuchtete aus seinem Gesicht. »Nur um Deinetwegen ist mir der Besitz der Krone angenehm, denn ich weisi, dasi sie Dir Vergnügen macht. Was mich anbetrifft, so sahe ich wahrend dieser stürmischen Zeit lieber in Ru He, und lieHe den machtigen Senat und die barschen Stande sich um die Macht streiten. Ich will mich jedoch vor den Steinen des Anstotzes hüten, die meinem Vorganger so groHe Un» annehmlichkeiten bcrcitcten. Der Verdack)t, den er auf sich lnd, die königliche Gewalt mehr ausdehnen zu wollen, verbitterte ihm die besten Stunden seineS Lebens. . . . // "Mein Gemahl Hat Recht" — siel die Köuigin ihm in die Rede; — „jegliche Schwache erregt Verdacht und bestraft sich felbst; schnelle Handlung hingegeu wird immer mit Ersolg gekrdnt. Nimm Dir ein Beispiel an Deines Vorgangers verachtlicher Unentschlossenheit, und denk' an Deinen edlen Schwager, Preutzens Friedrich den Grotzen. Er sei Dein Vorbild, wie er auch Deine Stütze sein wird.// Das hohe Paar überlegte jetzt, was unter den gegenwartigen Umstanden zu thun sei. Die Königin behauptete, alles hange vom ersten Eindrnck ab. Der König sollte bei seinem ersten Auftreten im Senat die Macht seines Scepters und seines eignen Willens allem Andern vorsetzen, — Entschlossenheit, Krast und Thatigkeit zeigen, — gewisse Andcutungen hinwersen, daH seine Verwandtschast mit der Kaiserin von Ruhland und dem Könige von Preutzen seinen Planen Nachdruck verleihen würde, und dem Senat endlich andcuten, we'.che Gesahren dem Lande von autzenher bevorstanden, wenn er eS wagen sollte, die Macht des Königs zu schmalern. Der Reichsrath Tessin war derjenige, auf dessen Beistand im Senate das hohe Paar ganz besonders rechnete. Er war seine erste Bckanntschast, die Seele deS Hoses, an welchem seine Frau, die Oberhosmelsteriii, gleichsam den Schatten vonLouiseUlrike bildete. Tessin kounte nicht anders, als sich wohl dabei besinden, wenn die Macht eines Mo^rchen, in dessen Gunst er den ersten Platz behauptete, ausgedehnt wurde. Uebrigens sollte der nene König sich mit dem Zusammenrufen des Senatö nicht übereilen. Er sollte vorher gewisse Bedingungeu aufsetzen und sie von allen Reichsrathen unterschreiben lassen. Als hauptsachliche Werkzeuge zur Ausführung der verschiedenen Plane wurden der Oberst Brahe und der Hosmarschall Baron Horn bezeichnet, deren man sich sogar bedienen konnte, wenn es darauf ankam, Gewalt anzuwenden. Ohne sich zu rühren satz Badin in seiner Ecke und hörte aufmerksam das Gesprach des hohen PaareS über Horn mit an. Es schien beinah, als hatte er über dasselbe seine Schmerzen vergessen. Seine Augen blitzten, und er zerbrach mit einer Art innerer Wuth die Spielsachen, mit denen er sich so eben beschaftigt hatte. Die hohen Anwesenden waren zu sehr in ihr wichtiges Gesprach vertiest, um auf den Negeiknaben zu achten. Nach einem leisen Klopfen trat der dienstthuende Kammerherr ein, und meldete eine Deputation des Senates, die Seine Majestat den König unterthanigst um Lortritt bitten liest. Die Königin wechselte Blicke der Ueberraschung, der Verwunderung und des Mihvergnügens mit ihrem Gemahl. Der König begab sich nach dem Audienzsaal und liesi die Deputation einführen. Sie bestand auS beiden Kanzlern und sammtlichen Staatsseeretairen. Der Justizkanzler sührte das Wort. "Allergnadigster Herr und König! Die Herren des Rcichsrathes sind im Reichssaale versammelt," sagte er, ,/um das Ausrufen Ew. Majestat zu veranlasslm, den Eid der Treue zu schworen und aus den Handen Ew. Majestat die Versicherungs-Acte entgegen zu nehmen, welche die Herren des Rcichsrathes den hiernachst einzuberufcnden Standen vorzulegen beabsichtigen. Der ^enat bittet Ew. Majestat daher unterthanigst, ihn mit Ew. Majestat hoher Gegenwart möglichst bald zu beehren. Der Reichsherold ist bereits in das Vorzimmer des Rathssaales beschieden, und wartet auf den Befebl, den Hintritt des Gro^machtigsten Königs Friedrich l., glorreichen Andenkens, so wie die Thronbesteigung Ew. Königl. Majestat öffentlich zu verkünden." Dies war natürlich ein Strich durch die Rechnung, aber Adolph Friedrich verstellte sich so gut er vermochte. Er antwortetc, der Senat komme seinen ü^>unschen zuvor, — er sei eben im Begriss gewesen, den Besehl zum Zusammentritt desselben zu ertheilcn, und er werde sich unverzüglich in den SchooH desselben begeben. Die^Deputation wurde mit einem gnadigen GruH an den ^euat entlassen, und der König kehrte zu seiner Gcmahlin znrück. Das hohe Paar vermochte noch nicht, die Ursach zur Eile des Senates zu durchschauen. Es konnte unterthaniger Eiser sein, sich den Wünschen des Konigs geneigt zu zeigen z es konnte ader auch eden sowohl ^>orsicht und eine Ma^regel zum Schutz deö Ansehens des Rcichsrathes sein, — und dies sürchtete man. Im schlimmsten Fall hatte der König stets den klugen und verschlagenen Staatsmann Tessin auf seiner Seite, und an seiner Bereitwilligkeit konnte das hohe Paar um so weniger zweiscln, alö deS Grasen eigener Vortheil damit in Verbindung stand. Die Königin ermahnte ihren Gemahl daher nochmals, auf seiner Hut zu sein, und nicht nachzugeben; worans er sich in den Senat begab und sie den Negerknapen hinausschickte, ihre Dienerinnen kommen und sich von ihnen die bereitö erwahnten Trauerkleider anlegen lieH. Mit Neugierde und nicht ohne eine gewisse Unruhe sah Louise Ulrike der Rückkunst ihres Gemahls entgegen. Es war ein für allemal daS Loos der Hofleute, mit Scheltworten überhaust zu werden, wenn die Königin bei übler Laune war, und heut fielen sie dichter und scharser als gewöhnlich, gleichsam als hatte sie ihre Umgebung recht nachdrücklich sühlen lassen wollen, datz sie ihre unumschrankte ^zerrscherin geworden. Die Ungeduld der Königin wuchs immer mehr, je langer Adolph Friedrich ausblieb. Die armen Hofleute, welche sich einbildeten, die Thronbesteigung würde die Laune ihrer Gebieterm gunstig stimmen, und das hochfahrende Wesen gegen ihre Umgebung milvern, waren nicht wenig Lestürzt das Gegentheil zu erfahrm, und sie noch stolzer, heftiger und herrschsüchtiger, als srüher, zu finden. Endlich hörte man in der Entsernung Trompeten- und Paukenklang, und die Lust ertönte von dcm tausendstimmigen Ruf: „Es lebe Köuig Adolph Friedrich!,/ Nach einigenMinuten trat derKönig selbst inden versammeltenHoskreis. Er ging langsam, mit schwankenden Schritten. Seine Micne war düster und verlegen, die Frenndlichkeit, mit welcher er die ehrfurchtsvolleu Begrüstungen des Hofes erwiderte, war studirt und gezwungen. Die gesnrchte Stirn schie» bereits von dem Gewicht der Krone, die er kanm eine Stnnde trug, belastigt zu werden. Sein Blick suchte die Königin. Es hatte das Ansehen, ais ginge er eiucm Sturme eutgegen, denn er versprach sich nichtS Gutes von dem strengen, fragenden Blick, dessen es von ihrer Seite nur bedurft hatte, um sich davon zu überzeugen, dasi der König eben nicht die besten Nachrichten auö dem Senat mitbrachte. Der Hof nahm das verstörte Aussehen des Königs sur Kummer über den Tod seineL- Vorgangers. Die Schmcichelei war sogleich bei der Hand, die Menschenliebe und kindliche Ergebenheit des neuen Königs zu dcm hingeschiedenen Monarchen zu preisen; als wenn das fortwahrend gespannte Verhaltnisi zwischen dem alten und jungen Hose ein GeheimmH gewesen ware, - als wenn die Abneigung des vorigeu Königs gegen die holsteimsche Linie und der Spott des Thronfolgerpaares über die Le-< bensweise und Liebesabenteuer des betagten Königs nicht seit langer Zeit den Gegenstand des Gesprachs aller höhern Kreise gebildet hatte! Die Sorge über den Hintritt seines Vorgangers war daher nicht der Grnnd zu Adolph Friedrichs gegenwartiger Bekümmernisi, nach welchem die Königin sogleich forschte, als sie sich mit ihrem Gemahl unter vier Augen besand. Hier erzahlte Adolph Friedrich, wie der Senat vor seiner Aukunft nicht nur eine so° genannte Königsversicherung ausgesetzt, sondern auch bereits eopirt und ihm zurUnterschrist vorgelegt; wieder Senat erklart — zwar in unterthanigen, aber höchst bestimmten Ausdrücken — dcch, bevor der König diese Versicherung nicht unterschrieben und beschworen, dcm Reichsherold nicht gestattet werden solle, die Thronbestei- gung des Königs auszurusen. In der König översicherung erlaubte der Senat dcm Monarchen nicht, die Reichsangelegenhciten zu führen, sondern bedung sich aus, mit den Standen allein zu regieren, zu welchem Zweck die Befchle zur Einberufung dersclben bereits auSgefertigt waren; — er erzahlte, wie die Anführer der Garnison in dem Vorzimmer des Rathssaales versammelt gewesen, um den Huldigungseid zu schwörcn, wenn der König die Versicherung untcrschrieben; datz man ihnen jedoch das Schwörcn des Eides verboten, wenn der König Bedenken tragen sollte, das zu thun, waö nnn bereits geschehcn. "Was war unter solchen Umstanden zu thun?» fügte Adolph Friedrich hinzu. „Sollte ich, ungcwiH über die Matzrcgclu, die der Senat getroffen haben konnte, und eben so nngcwisi über die herrschende Stimmung, eine Umwalzung wagen, die uns um die Krone hatte bringen können, noch ehe sie uusere Schlafe geschmückt, — oder war es nicht besser, für den Augenblick nachzugeben, und so lange zu warten, bis wir unsere Vorbereitungen getroffen? . . ,/Du hast also die Versicherung untcrschrieben und beschworen?" siel ihm Louise Ulrike in die Rede. „Ia," antwortete Adolph Friedrich. "Und Du suchtest nicht dem Grasen Tessin Gelegenhcit zu verschaffen, dnrch seine Wohlredenheit, die so ost Wunder gewirkt, den Senat für uns zu gewinnen?-, "Tessin? — Ja das ist eben das Unbegreiflichste an der ganzen Sache: Tessin ist cigcntlich die Haupttriebfeder von allem, was sich im Senat zugetragen. Er war es, der dasür sorgte, datz sich der Senat versammelte. sobald sich die erstcn Zcichcn des herannahenden Todcö meines Vorgangers einstellten; Tessin war es, der mit kigencr Hand die Versicherungs-Aete entwars, die lch unterschreiben und beschworen muszte. Tessin war es, der die Besehle zur Einberusung der Stande auSsertigte, — Tessin. der das Wort im Senat sührte, — Tessin endlich, der plotzlich die Rolle eines geschmeidi' gen Maeens, die er bisher an Deiner ^eite gespielt, mit der eines unbeweglichen Cato vertanschte." Lonise Ulrike biH sich vor VerdruH in die Lippen, wahrend Adolph Friedrich sich mit dem Schnupstuch die SchweiHtropsen von der L^tirn wischte, die ihm mehr eine gewisse Unruhe, als Hitze oder Anstrengnng ausge- prcht hatte. . , . »Jn der That, mein Gemahl, " — hvb die Kömgin nach einem kurzen Schweigen wieder an, — 'Nmr haben heut eine nene jouruee 6es ipes erlebt. Ein Unterthan, den wir mit Gunst und Vertrauen überhausten, —. der alles von unserer Gnade hossen, alles durch un-> sere Macht gewinnen konnte, tritt diese glanzenden Aussichten mit FüHen, — und der wirkliche Herr^ — sie hestet dabei mit ironischem Lacheln einen scharsen Blick auf ihren Gemahl — „vergift die genommene Abrede, seine Ehre, seinen hohen Rang und das 2?lnt, mit welchem er verwandt ist, um kleinmüthig Vedingungen einzugehen, die eine Hand voll aussassiger Senatoren sich Hat beikommen lassen, ihm vorzuschreiben. Welch eine herrliche Nachricht sür meineu königlichen Bruder, vor dessen Stiefel jene Frechen gewih eben so zitteru würden, als früher vor dem Carls XII.!" WaS einmal gcschchen war, konnte indesi nicht wieder ungeschehen gemacht werden. Es erforderte Zeit, um die Plane zur Reife zu kringen, welche Louise Ulrike entwarf, um regierend e Konigin zu werden. Sie war an einem völlig unumschrcinkten Hofe aufgewachsen, und konnte sich daher an eine getheilte Gewalt durchaus nicht gewöhnen. Auftrdem sollten ihrer Ansicht nach König und Königin nur von einem Willen beseelt sein, denn sie wufte, dasi sie ausschlieftich die Macht besasi, diesen ganz nach ihren Ansichten zu leiten. Dies mufte jedoch dem Senat und Volke so lange verborgen werden, bis alles zum Handeln bereit war. Es kostete ihr sehr viel Mi-He, sich zu verstellen. Selbst wenn es darauf ankam, jemaiw durch ^Lertraulichkeit sür ihre Zwecke zu gewinnen, wurde es ihr sehr schwer unv ost unmoglich, ganzlich zu verges, sen, da^ sie die Schwester des unumschrcinkten Heldenkönigs Friedrichs des Grohen war. Adolph Friedrich, sich selbst überlassen, wiirde sich gern mit dem Loos begniigt haben, welches die schwedi-sche Staatsversassung ihm zuwies; dem Willen seiner Gemahlin untcrworscn, war er jedoch gezwungen, vor ihr eine Herrschsucht, die seinem Charakter sern lag, und vor dem Sen at eine Achtung der Staatsversassung zu heucheln, deren Umsturz den Zweck seiner geheimen Lemühungen bildete. Ztveites Kapsel. Einige Zeit nach Adolph Friedrichs Thronbestcigung aab das königliche Paar einc grotze Cour, um d»e Gluckwuiische seiner Untertbanen entgegen zu nehmen. Emgeborcne u..d Fremde, Beamte und Gelehrte, Kriegsmanner und Geistliche drcingten sich dabei durcheinandcr. DaS hohe Paar machte dnrch die Sale und Gemacher des Palastes eine Runde mit jener ungekünstelten Würde und Haltung, wie sic dem Purpur zukommen und anstehn. Nur gegen den machtigen Senat, dem zu schmeicheln auftrst nutzkch qewesen ware, setzte Louise Ulrike, wie wir gle.ch sehen werden, den seinen Takt auS den Augen, durch wclchen sich die hohe Frau sonst auszeichnete, und gestattete sich einen Aussall, der eben so unpassend wie unklug war. Bemüht, gleich bei der ersten Gelegenhett, wo ^er König die privilegirten Classen empfing, einen g-hongen Eindruck zu machen, führte die Königm ihren sünhahnaen Sohn, den Kronprinzen Gustav, an der Hand. Er war der schonste Knabe von der Welt, dessen grosie, dunkelblaue Augen von Geist und Leben flammten, und dessen Ungezwungenheit unter einer Menge chm vollig unbekannter Leute bewies, datz er schon völllg vertraut mit seiner Nolle war, noch ehe sein Beruf und seme Pflicht sie ihm gelaufig gemacht. Sein Gouverneur, der Neichsrath Tessin, bemühte sich zwar, »'hn zuerst zum Menschen und daim zum Fürsten zu bilden; doch stand die ^önigin mit ihrer Herrschsucht daneben, um ihm durch Lehre und Bcispiel die Bcgriffe von scincm angestammten, göttlichen Recht einzupragen, und so dasjenige wieder einzureitzen, was der weise Staatsmann aufgebaut; — und die Schweden, welche über ein halbeS Jahrhundert kein cingeborenes Konigskind gesehen hatten, waren bemüht, durch eine eben so ungereimte als unzeitige Entzückung den Lenkcr chrer Zukunst zu verziehen, noch ehe er sich ftlb,t leuken konnte. Wenn man den Kops des jungen Kronprmzen jedoch naher betrachtete, bemerkte man eine Unregelmatzigkeit, die den Schlüssel zu seinem ganzen Wesen lieferte. Denn so wie die eine Seite seiner Stirn hochgewölbt und wohlgebildet, die andere niedrig und eingcdruckt war, so zeigte sich spater in seinem Charakter, seinen Eigenschaften und Neigungen auf der einen Seite eme bewundrungswürdige, edle Grötze, aus der andern aber eme verachtliche Eitelkeit, Heuchelei und Niedrigkeit. D.e erste Gruppe, der sich das Konigspaar nahte, waren die Frauen der Ncichsrathe. Gegen eine jede wurde lm Norubcrgehen eine jener schmeichclhasten Unbedeutenhctten geautzert, denen man, wenn sie aus einem sürstlichen Munde kommen, so viel Werth beilegt. AuS der Art und We.se, wie sie von jenen Damen ausgeuommen und becuttwortet wurden, ging hervor, datz sie ihrer ge° stlllgen «stellung wohl eingedenk waren, und jene gna> d.ge Begcgnung mehr für eine berechnete Ausmerksamkc.t als sur eme Auszeichnung nahmen, mit welcher sich zu brusten es der Mühe verlohut hatte. Nur mit der diensthabenden Oberhofmeisterin, der Grcifm Tess^n, dve bisher derKonigin alles in allem gewesen, wurdegethan, M bemerkte man sie nicht, wahrend d»e Grafm mtt ,)rer Lebhaftigkeit und der ausgezeichneten Art und — nse sich zu benehmen, welche ihr die Huldigung voeler eurovaischen Hdse und die Freundschaft mehrerer Monarchen verschafft, ihrerseits gegen dies Zeichen emer herannahenden Ungnade ziemlich nnempfindlich zu sein Men. Die Mitglieder des Senates standen chnen gegenüber Der König wurde sichtbar verstimmt, als er sich ihnen naherte. In den Blicken der^dmgin malte sich ^orn, und um ihre Lippen schwebte cm spotttsches 5?ohnlachew. Tief beugte sich der machüge Rechsrath vor scinen machtlosen Beherrschern, welche t.ef - Nes d^ Ironie dieser Ehrenbezeugung ohne Bedeutuug fuhlten. Beim Anblick seines geliebten Gouverneurs machte der Kronprinz eine Bewegung, um auf .hn zuzueücn; d.ekonigin hielt das Kind jedoch mit emem so hefteen Ruck ruf des Schmerzes zu unterdrucken, zu welchem er beretts ^Fast zu wenig Raum für so viel Leute," aufierte der Konig. "Wenn das SchloH erst fertig ch, zu welchem Ihr Bater den Grund legte, Herr GrafTcss.n, so hossen wir, unsere Freunde ohne Gedrange um uns ver- sammeln zu konnen." „Kein Raum ist groH genug, wenn es sich da um handelt, die Ew. Majestat unterthamgst ergebenen Freunde aufzunehmen." " Schbn, Herr Graf, schön! » fiel die Köm'gin ihm m die Rede. „Mit Ergebenheit in Worten ist kcm Fürst^in der ganzen Welt besser bedient, als der Köm'q von Schweden. Aber sic müssen nicht vergessen, daH derjenige, welcher am Hofe für einen Freund des Königs gelten will, im Senat sein Haupt nicht so hoch erheben dars, datz er seinen angestammten Herrscher über die AH. sel ansicht.» Der höchste Zorn leuchtete auö dem Blick, womit sie d,ese Worte begleitete. Der König, auszerst verlegen, stammeite eunge kaum vernehmbare Worte zum Grasen Tessin, der sich vergebenS bemühte, seine Ueberraschung und d.e Röthe zu verbergen, die aus seinen Wangen brannte. Der Kronpnnz sah mitzvergnügt und stagend bald seine (.ltern, bald semen Gouverneur an, wahrend die Köni» gm stolze und strenge Blicke umherwars. Weit hinter den Senatoren bemerkte sie Linn«, Ti las, Rosenstetn, Dalin und Klingenstjerna; zu diesen eilte sie Mt, an den tlef sich verneigenden Schaaren der höheren Beamten vorüber, die sie im Vorbeigehen nur mit einem d7. 7' B-.-g.-c, Wahrend sich die Köm'gin mit allem Feuer ihres Charakters uud der ganzen Lebhaftigkeit ihres Genie's einem langen Gesprache mit den erwahnten Gelehrten hingab, suchte der i^onig, so viel als nur irgend möglich war, die Senatoren be. guter Laune zu erhalten. Dann und wann warf er emen verstohlenen Blick auf die Gruppe, vor welcher die Komgm stand, und es schien, als wollte er sie gleich,am auffordern, zum Senate zurückzukehren) sie that jcdoch als bemerkte sie es nicht, scherzte mit Dalin, und sprach mit Linn<- und Tilas über ihre Muschel- und Pflanzensammlnngen, bis der König, nachdcm er mit jcdem Senator einige Worte gesprochen und sich zum Abschiede ziemlich abgemessen verocigt, sich dem diplomatische» Corps naherte. Jetzt sagte Lonise Ulrike ihren gelehrten Freunden Lebewohl und wendete sich, ihren Sohn an der Hand haltend, zu den stemden Gesandten. Kaum hatte Adolph Friedrich sich entfcrnt, als kin halblauteS, aber lebhaftes und murrendcs Gesprach lich unter den Senatoren entspann, die sich in Folge ihrer HoHen Würde und des grotzen Ansehens, dessen sie genossen, ziemlich entfernt von allen übrigen, die Kur Besuchenden, befanden, und daher keinen unberufenen Lanscher zu furchten hatten. Die Rathsherren ermahnten sich gegenseittg, ans ihrer Hut zn sein gegen eine Herrschsucht, die nut der Beleidigung Einzelner ansing und nicht eher zn ruhen drohte, als bis sie die Macht unterdruckt, welche das Rnchsarundaesetz und die Stande des Landes dem Senate anvertrautcn. Man beklagte den Wankelmuth und d.e schcue Unterwürsigkeit des Konigs unter den Wülen semer stolen Gemahlin; man beklagte aber noch mehr das bose Bcispiel, welches dem Thronfolger schon m seinen ersien Knabeniahren gegeben wnrde, und von dem Allen versprach man sich nichts Gutes für die Znkunft. Alle Senatoren stimmten hierin überein — Löwen und von Rosen, d,e Senioren des Senats, - der stets rathfert'ge, aber bestimmte Ehrenpreus, der ossene Johann Gyllenborg, der die Annahme des Seraphinenordens oder ,rgend einer andern Decoration verWeigerte, — der Ws. sinnige von Höpkcn und der heftige Palmstjerna, genug alle Anwesenden. Der RcichSrath verliest en conps die Cour, bevor das königliche Paar seine Ronde vollendet hatte. Sonst bot die Cour weiter nichts Merkwürdiges dar, wenn man nicht das bedeuiungsvolle Lacheln dahin rechnen will, womit die Königin den Obersten Sinelaire begrüstte, daö bereits eine Gunst anznkündigen schicn, die spater ein zweideutiges Licht auf das Verhaltnitz zwischen beiden warf, da er als das Haupt der Hosparthei und die Seele der Neichtagsumtriebe des hohen Paares austrat. Auch die Grafen Brahe und Hord wurden mit manchem gnadigen Worte beglückt, wahrend Adolph Friedrich und seine Gemahlin Fersen, Ehrensvard und Lantingshausen mit kalter Höflichkeit begegneten. Als das königliche Paar in seine Zimmer zurückgekehrt war, versuchte der König einige Vorstellungen gegen daö unverhohlcne MiHvergnügen, welches die Kbnigin dem Senat im Allgemeineu und dem Grafen Tessin im Besondern bewiesen. ,/Jch werde die Sache ausbaden mussen,// ausierte Adolph Friedrich, //und es wird uns spater um so schwerer werden, den Reichsrath zu unterdrücken.// Die Konigin wollte dies nicht zugeben. Sie pochte auf die Siege, die Staatskunst und die Macht ihres Bruders, und autzerte, es sei unter der Würde der Schwester Friedrichs des GroHen, rücksichtsvoll und schonend gegen einen Senat zu versahren, dessen Einflust zu vernichten sie sich sür berusen hielt. Drittes Kapitel. 1753 — 1756. Aachdem die Traucr um König Friedrich l. abgelegt war, wurve 1752 dcr Gcburtstag der Königin Louise Ulrike durch cin glanzendcs Bankctt bei Hofe gcfcicrt. Aber eS schicn ihr, als waren selbst die prachtigstcn Lustbarkcitcn cinförmig, wenn sie vhnc Abwcchslung in vorher bestimmter Ordnung stattfinden. Sie befchlost daher, diesem Tage im nach sten Jahre auf eine andere Weise Glanz zu verleihen. Zwei Dinge waren die Veranlassung zu diesem Befchlust, — namlich eine brennende Liebe und cin stets reger Eiser für wisscnschaftliche und literarische Bilvung, — «nd ihre damals gesegneten Lcibesumstande, in Folge welcher daö königliche Haus am Schlust des Jahres durch die Geburt dcr Prinzessin Sophie Albertine crfrcut tvurde, — Umstande, die für dicsmal eincm gerauschvollen Hosscste eben nicht gunstig waren. Diese gcniale Königin, deren Willen der König sich nicmals widcrsctztc, und in diesem Fall auch nicht widersetzen must te, weihte am 24 sten Juli 175'i die schwedische Akade mie dcr schonen Wissenschaften cin, dic an dicfcmTage ihrc crste Zusammcnkunft hielt. Oden an auf der Liste der Mitglieder, wclche sie dein Konige der Form halber ziehung des Kronprinzen übertragen, er dennoch menschlicher Schwachheit gematz schr wohl fühle, wie die Bürde fnr ihn eine schwerere sei, als seine Kraste sie zu tragen vermochten; weshalb er jetzt, da man ihn beschuldige, scine Pflicht nicht gehörig erfüllt zu haben, in die Hande des Kdnigs und des Senats seine Stelle als Erzieher des Kronprinzen nicderzulegen beabsichtige, sobald die Stande des Reiches, nachdem sie KenntniH von der Rechenschast über sein Amt genommen, ihre Erlanbnitz dazu ertheilt. Jndch hoffte Tessin, datz Seine Majestat nicht ungnadig ausnehmen und die Herren Reichsrathe es nick)t sonderbar sinden würden, wenn er nur um Erlaubnitz bate, von diesem Augenblick an sein Mentoramt aufgeben zu dürfen; und verlangte, dah man so lange einen Stellvertreter ernennen mvchte, bis nach allen Formen des Reichsgesetzcs ein wirklicher Nachfolgcr erwahlt ware. Was geschehen war, war geschehen. Die Bitten des Senats waren vergebens, und der Konig, welcher für diesen unvorhergesehenen Fall keine Jnstruetionen von seiner Gemahlin hatte, waAte nur in schwankenden und allgemeinen Ausdrücken dem einmüthigen Wunsche der Herren des Reichsrathes beizustimmen. Vielleicht war es ihm nicht weiter unangenehm, daH der Gras Tessin unbeweglich blieb. Von diesem Tage an erschien der srüber so allmachtige Günstling und hochstehende Gras Tessin nicht oster mehr bei Hose, als wenn er eS durchaus nicht vermeiden konnte, mit seinen Collegen en corps zu erscheinen. Denn das Geschaft eines Kcmzelleiprasidenten hatte er srüher schou niedergelegt. Die Königin war in ihrem Herzcn sehr zusrieden -mt dcm von Tessin gesatzten EntschlnH, da sie durch denselben von der peinlichen Berührunng mit einem Manne besrett wnrde, in welchem sie sich so surchtbar ge.rrt hatte, und den sie gleichwohl nicht zu demüthigen wagte, so sehr sie dies auch wünschte. ^eine Entsernnng sührte indetz auch eine andere nnt sich, der L o n i s e U l r i k e gern vorgebeugt hatte. Am Tage nach der Niederlegung der Gouverneurschaft des Grasen Tessin verlangte seine Gemahlin die Entbindung von chrcm Amte als Oberhosmeisterin. Wie schwer eS der stolzen Königin auch ankam, sich zu Gegenvorstellungen herabzulassen, so suchte sie dennoch die Grafin Tessin zum ^lnben zu vermögen. Der seine uud leichte Umgangston derselben, chre angenehme Unterhaltung, ihre geistreiche Zahlreichen Bekanntschasten, die >>ch selbst bis ins Ausland erstreckten, hatten ihr bereits ln Berlin, wohin sie ihren Gemahl begleitete, als dieser mn die Hand der Prinzessin Louise Ulrike sürAdolph Friedrich warb, das Vertrauen und die Freundschaft derselben erworben. Die Gewogenheit der Königin siir sie Men sich mit jedem Tage zu vermehren, bis zu dem Augenblick, wo das echtpatriotische Benehmen des Reichsraths Tessin bei der Thronbesteigung Adolph Friedrichs ftme, oder viclmehr seiner Gemahlin herrschsüchtige zlane zunichte machte. Die Königin bewies sich zwar spater minder vertraulich gegen ihre Oberhosmeisterin, ja, sie begegnete ihr zuweilen sogar mit abstotzender Kalte, doch sürchtete Louise Ulrike zu grotzes Aussehen zn erregen, wenn sie die Grafin Tessin plöKlich von ihrer Person entfernte. Diese blieb jedoch eben so unerschüt-terlich in ihrem Vorsatz sich znrückzuziehen, wie ih: Gemahl bei dem seinigen. Die Königin richtete nichts anderes mit ihren Vitten aus, als dah die Grafin sich willig finden lich, ihr Amt noch acht Tage lang zu verwalten. Sie wollte dadurch dem Vorwurs entgehen, als beabfichtigte sie die Königin in Verlegenheit zu kringen, dcshalb gewahrte sie ihrer hohen Gebicterin die nöthigc Zeit, sich nach einer anderen Oberhosmeisterin umzusehcn. Als diese ernannt war uud den Dienst übernommen hatte, empsahl sich die Grafin mit ungekünstelter Würdc der Gunst der Königin, und erschien serner nicht mehr bei Hofe. Louise Ulrike hatte sich aus ihrem Vaterlande eine Favoritin, ein Fraulein von Knesebeck mitgebracht, die sie spater in Schweden mit einem schwedischen Grafen vermahlte. FrauleinvonKnesebeck befaud sich gerade im Zimmer, als die Grafin Tessin der Königin ihren Abschiedsbesuch machte. Sobald die Grafin sich en.sernt, autzerte Louise Ulrike mir einem bittern Lachelin „Die Schweden sind ein eigenfinniges Volk, — die Manner sowohl, wie die Frauen; aber — wir wollen schon sehen, vb sie sich nicht mit der Zeit bandigen lassen." Viertes Kapitel. 1756. Z^ie Uhr auf St. Jaeob schlug halb drei, als der Sprecher des Banernstandes, OlofHokansson, auf sein süberbcschlagenes, spanisches Rohr gestiitzt, an der Kirche vorüber, dem Fersenschen Palast zuschritt. Hier weckte er mit einigen hestigen Schlagen an die Thür den Portier, der sich so eben erst zur Ruhe begeben, nachdem der Landmarschall von einem grotzen Fest auf dem Stockholmer Schlosse znruckgekebrt, welches jetzt vollendet und von den Majestatcn bewohnt, eine wahrhast königliche Residcnz war, die zu dieser spaten Stunde noch von tausend Lichtern schimmcrte, und die TSne einer raufchenden Tanzmustk durch die stille Nacht erklingen lieH. „Wer zum Donnerwetter kiopst denn da noch? Wer sind Sic? Was wollen?" rief der Portier, sich die Augen reibcnd, und wollte so eben dem unwillkommenen Gast einige nene Flüche entgcgcn schicken, als ein unaushaltbares Gahnen dieselden erstickte und verschlang. ,/Der Sprecher der Bauernstaudes," — war die kurze Antwort. "Meldet mich augenblicklich und sagt, dast ctwas hochst Wichtiges, was nicht den mindesten Auf- schub duldet, mich herführt, und datz ich den Herrn Grafen und Landmarschall sogleich zu sprechen wünsche." O lof Hokanfons Rame wirkte in diefem Palast wie ein Hauptschlüfscl. Die Thüre öffnete sich, der Portier bat seiner groben Antwort wegen tansendmal um Vergebung, und entschuldigte sie mit seiner Verschlasenheit, wahrend ein Bediente den Ankdmmling nach dem Kabinet des Grafen sührte. „Seine hochgraflichen Gnaden haben sich nach ihrer Rückkehr vom SchloH noch nicht zur Ruhe begeben," — berichtete der Kammerdiener, — „sondern sind noch mit Schreiben beschastigt. Ich werde Sie sogleich melden." Einige Seeunden spater flogen die Thüren auf, und der Graf empsing mit herzlichem Handedruck die machtige Stütze seiner polittschen Gesinnnng. „Wie, bester Freund!" — rief Gras Fersen —> „so spat noch, oder schon so srüh? Ich weiH in der That nicht, wie ich diese ungewohnliche Stunde Jhres, sedensalls höchst angenehmen Besuchö nennen, noch wie ich mir den Anlatz desselben erklaren soll. Eben so wettig konnte ich begreisen, warum Sie das Fest auf dem Schlotz so zeitig verliefien. Ich hatte Sie kaum erblickt, als Sie auch schon wieder verschwunden waren. Wenn man zu den seltenen Gasten des Hoses gehört, wie wir und unsere Freunde zur jetzigen Zeit, so empsindet man ihre Abwesenheit, besonders die des Eprechers eineS Reichsstandes." „Bêag sein, Herr Landmarschall; doch diesmal war meine Abwesenheit nothiger als meine Anwesenheit. Der Herr Graf sollen sogleich überraschende Dinge horen." Geschichte!" fiel F er sen dem Srzahler inS Wort und schüttelte unwillig den Kops. "Grade was ich dachte," erwiederte OlosHokansson kalt. "Ich schamte mich mciner Einsalt, dem Jnngen nur die Erlaubnih zu seinen dummen Plaudereien gegebcn zu haben, und doch konnte ich mich nicht erwehren daraus zu horen. Es kostete ja nichts. wenn ich mit^ ging; dagegen konnte der Teusel sich ins Fanstchen lachen, wenn ich die Warnung fallen lieh; denn es istmein Sprüchwort: Kleine Topse haben auch einen Henkel, — und so unachtsam das Mohrengesicht auch scheint, so steckt er doch seine Nase in Alles. So folgte ich ihm denn bis zum iunersten Gemach der Konigin, dessen Thür angelehnt war. Bad in legte die eine Hand zum Zeichen des Schweigens ans den Mund, und deutete mit der anderen aus das Zimmer, in welchem der Hosmarschall Baron Horu in einem lebhasten Gesprach mit dem Lauser Ernst begriffen war. Ich hörte deutlich sagen: "des Königs Freunde bei Meister Anders," und Baron Horn fügte hinzu: "Eile dorthin, bester Ernst; bearbeite sie tuchtig und rathe ihnen, sich tapser zu halten, wenn es gilt. Ich dispensire Dich sur diese Nacht vom Dienste. Niemand wird Dich vermissen, denn Jhre Majestat wciH wo Du bist; und wird sich nicht merken lassen, daH ich einen Anderen sür Dich eingesetzt. statte mir morgen in Zeiten Bericht über den Verlauf der Sache ab, und morgen Abend gehst Du zum Grasen Brahe, der in der Nachbarschast von Meister Anders wohnt, und sagst ihm und dem Grasen Hord, wann das Spiel beginnen soll." In dem Augenblick winkte mir Badin, mich von der Thiir zn entfernen, öffnete sie selbst mit gro^cm Gerausch, als vb er eben erft kame, und antwortcte aufdie Frage des Hofmarschalls: „was hast Du hier zu suchen Schl.ngel?" mit dem höchsten Gleichmuth: „dasi die Kömgm ihn uach ihrem Riechflaschchcn schicke.// Ernst ging indetz znr entgegegengesetzten Thüre hinaus, und Baron Horn trat in das Zimmer, wo ich mich befand. Be, meinem Anblick ward er roth wie ein Puter und wünschte mich mit seinen Augen zu allen Teuseln, wahrcnd seine Zunge sich glücklich schatzte mich zu.sehen. Als er sich entfernt, kam Bad in zurück und flüsterte: »nun, Nater O lof, glaubt Jhr mir jetzt?/, Ich versprach ihm ^rosinen und Mandeln, wenn er aufmerksam sein und mir ferner alles mittheilen wvllte. Da antwortete der kleine, schwarzeBalg: „Daraus mache ich mir nichts; das habe ch tagkch im Ueberfluh; wenn Jhr aber wollt, dah ich Euch nützlich ftm soll, so mützt Jhr Horn und Ernst züchtigen, die Tag und Nacht meine Plagegeister sind." Gedankenvoll ging ich weiter. Ich befand mich im Schlafzunmer der Konigin und sah Jhre Majestat mit dem Grasen B ra He nnd Hord in einer Fenstervertiefung Ml eifrigen Gesprcich, und hörte ganz deutlich meinen Namen, so wie den Jhrigen, Herr Landmarschall und den des Reichsrathes Tessin. Auch sprach mau Iialblaut von „Tumult,,/ und davon, dast der König ausrciten solle. Mehr konnte ich nicht verstehen, denn als sie nnch sahen, schwiegen sie plötzlich und die Konigin betmchtete mich so fcharf, als wollte sie mich mit ihren grotzen Augen durchbohren. Ich verneigte mich in tiefer Unterthanigkeit und entfernte mich, als ob ich nichts gehort.// „Höchst merkwürdig! Unerh'ört!" ries Gra, Fcrsen — „Ja, so unglanblich, dah ich es Alles für Traum vder Ersindung halten würdc, wcnn es mir ein Andrer, als mem kiuger, zuverlassiger Freund, Olof Hokans- son, erzahlte. ^ , „Der Herr Landmacschall wissen wohl, dasi ^^e auf mich bauen können," fuhr der Sprecher des BauerWê des fort. „Ich hatte jetzt genug gehort und gese.)en, um mich nicht selbst überzeugen zu wollen, wo der Hund begraben lag. Ich lich deshalb die Herri.chkeücn des Festes hinter mir, versügte mich nach dem Wtrthshanse von Meister Anders, und spatzierte dort eine ganzeZeü lang auf und ab, mir genau die Leute betrachtend, die aus und eingingen. In der Trinkstube schienen sicy nur die gewöhnlichen Gaste aufzuhalten; dagegen samme ten sich auf der andern Seite des Hanses, wo es gewaltug tobte und larmte, nach und nach eine Sorte von Menschen, die ich, mit Erlaubnitz zu sagen, nur Lumpengcsindel nennen kann, und mit denen kein ehrlicher Bauer oder Handwerker unter einem Dack zusammen bleiben wurde. Die Nacht war indch schon ziemlich weit vorgerückt, als auch Ernst sich herbeischlich, worauf es denn erst recht munter ward. Sie schrieen, larmten und schwatzten ganz furchtbar. Ich fragte einen Auswarter, der ewe groste Bowle vorbei trug, was denn das für ein Gastgebot se, 5 „Es sind einige lustige Brüder," antwortete er, „d.e einen Namenstag seiern." Nach und nach st.eg das Unwesen dieser Gesellen zu solcher Höhe, dah es keme Frage war, sie muHten betrunken sein. Bald kamen sie aum, einer «ach dem Andern, in den Garten, «m fnsche ^uft zu schövsen, und schrieen ganz lant, obgleich sic sich wahrscheinlich einbildeten nur zn flüstcrn. Dicht in meinen Mantel gewickclt, konntcn sie mich nicht erkennen; jedenfalls waren sie aber so betrunken, das; sie überhaupt nicht Freund von Feind zu unterscheiden vermochten. Zuletzt kam auch Ernst herans, der zu einigen von den Gesellen, die ihm solgten, sagte: //Ja, ja, Jungens, so sollt Jhr jedeSmal bewirthet werden, wenn Jhr Eure Pslicht thut, und Geld sollt ihr haben wie Heu, denn die Königin ist gnadig und freigiebig. Vergesset nicht: morgen Nacht praeis mit dem Schlag zwols!" Nachdem sie sich im Garten etwas ergangen, kehrten sie wieder zu ihrem Gelage zurück, und ich patrouiliirte noch so lange umher, bis sie sich trennten und auch Ernst seiner Wege ging. Dann bin ich hierher gelaufen, um mit dem Herrn Landmarschall zu berathen, waS zu thun sei, um den abscheulichen Anschlag, womit Waterland und Versassung bedroht sind, zu hintertreiben." „Ich bin stumm vor Erstaunen und Unwillen," sprach Fersen, als der Sprecher des Bauernstandes seinen Bericht geschlossen, — -/aber nein! es geziemt sich nicht für den Staatsman», der über die Ausrechthaltung der Staatsversassnng zu wachen Hat, Kops und Muth zu verlieren, wenn die Hiutcrlist ihre Netze spinnt. Die Verschwörung wird, wie Sie sagen, nicht morgen vor Mitternacht ausbrechen. Wohlan! morgen Vvrmittag tritt der geheime AusschuH zusammen. Dorthin wollen wir den Oberstatthalter, Feldmarschall Grasen Düring entbieten lassen, und im gemeinschaftlichen Rath solche Mastregeln ceffen, dah die Verschwornen sich noch vor der MittagS- zeit unter SchloH und Niegel befinden. Der alte Dnring ist, wie Sie wissen, von altem Schrot und Korn, der keinen SpaH vcrsteht und sich nicht zum Besten haben latzt. Die beiden Reichstagshelden sprachen noch ein Weilchen über die Sache, worauf O lof Hokansfon nach Hut und Mantel griff. Fersen klingelte. Dnn eintretenden Bedienten befahl der Graf, sogleich den Wagen anspannen zu lassen sur deu Sprecher des Banernstandes. Als der Wagen vorfuhr und gemeldet ward, umarmte Fersen seinen Freund, und begleitete ihn bis an die anherste Thür des Vorzimmers. Sie verabredeten, sich im geheimen Ausschust wiederzusehen. Der Baner in seinem groben Nock lehnte sich sorglos in die weichen Kissen des Wagens, der, mit dem graflichen Wappen geschmückt, von zwei Apfelschimmeln gezogen ward, die ein Kutscher mit dreieckigem Hut und reichen aristokratischen Achselschnüren lenkte. Zwei eben so gekleidete Bedienten standen an der Wagenthür, den Hut ehrsurchtsvoll in der Hand, um den Bauer O lof Hokansson in den Wagen zu heben. Fersen kehrte in sein Gemach zurück und schritt, in tiefe Gedanken versenkt, eine Zeit lang auf und ab. Dann setzte er sich an den Schreibtisch und schrieb ein Billet, dem er jedoch keine Namensunterschrist gab; er faltete das Blatt, versah es mit der Aufschrift und wahlte beim Siegeln statt seines Wappens ein unbedeutendes Sinnbild. Dann klingelte er seinem Kammerdiener und befahl ihm, dies Billet Schlag sechs Uhr nach dem Pi- perschen Palais zu tragcn, nnd es dort dem Kammerdiener des Prasidenten Grafcn Piper zu nbergeben, damit derselbe es in seines Herrn eigene Hande kommen lietze. Hierauf bestellte er seine Chokolade Punkt sieben Uhr, seinen Wagen um acht Uhr, nnd begab sich in scin Schlafzimmer, um einige Stunden der Ruhe zu pflegen. Fünftcö Küpitel. ^.^nd was enthielt Fersens Billet an Piper?... Wir nnissen etwas zurückgehen, um dicse Sache dentlich zu machen. Mit dem Neichsdrosten Pehr Brahe dem Fungeren, der ohne mannliche Erben starb, erlosch im Jahre 1680 der Elanz dieseö berühmten Zweigs von Schwedens crster graflicher Familie, und dicse verlor ihren letzten Funkcn historischen Gcwichts, als der Reichsrath Nilö Brahe im letzten Jahre des siebzehnten Jahrhuuderts starb. Wahrend des ganzen achtzehuten Jahrhuuderts vegetirte dicse Familie nur abwechselnd auf ihren Gütern und am Hofe, mit dessen Ranken sie sich einverleibte und auf diesem Felde eine Bedeutung suchte, nachdem ihr auf dem politischen nichts anderes mchr übrig blieb, als grotze Erinnerungeu und das leere Geprange des graflichen Wappcns. Die Zeit des Freiheitskampfes nennt den Namen dieser srüher so machtigen Familie nicht ein einziges Mal. Der Sohn des eben erwahnten Nils Brahe erreichte keinen höheren Grad, als den eines Generalmajors, und dessen Svhn beschloh seine Carriere als Capitain in der Leibgarde. In dcmsclbcn Jahre, wo diescr starb, kam scine Frau noch mit einem Sohne, Erich, nieder, dcr in der Epoche, worin wir uns gcgcnwartig besinden, vier und drcisiig Jahr alt und Oberst beim Lcibrcgimcnt war, — und dessen Sohn Magnus Friedrich '— der Vater des Günstlinges vom gegenwartigen si'önig, — wurde einige Monat nach der Hinrichtuug des Obersten geboren. Es ging diesem Obersten tics zu Herzen, datz seine Familie nnn schon im dritten Glicde von allen Staatsgeschasten ausgeschlossen war, und es steigerte seinen Hasi gegen die Regierungsform bis zur Wuth, daH die königliche Gunst, die er durch Kriecherei in vollem Ma^e erworben, doch nicht hinreichte, ihn zu den höchsten Ehrenstellcn im Reiche emporzuheben, da man durchaus das Vertrauen dcr Stande besi^en mustte, um Eintritt in dcn Scnat zu gewinnen, — und scine Eigenschaften, sur einen Hosmann wohl geeignct, warcn zu wcnig hcrvorstechend, um die allgemeine Ansmcrksamkeit zu erregen. Nachdem ihm seine erste Frau, eine nahe Anverwandte der Grafin Tessin, gestorven, verheirathete er sich zum zwciten Mal mit der Tochter des Prasidenten Grafen Piper, einem Jugendsreunde von Tessin; er war daher durch doppelte Bande mit den Hauptern der Partei verbunden, von welcher Gras F ersen — durch Heirath cbenfalls mit dein Grasen Tessin verwandt >— das Haupt bildete, des Umstandes nicht zu erwahnen, daH Brahe als Gcsandtschaftscavalier den Grasen Tessin nach Bcrlin bcgleitete, als dieser wegen dcr Vcrmahlung dcs damaligcn Kronprinzcn Adolph Friedrich mit dcr preutzischen Prinzcssin Louise Ulrike unterhandelte. Brahe nahm cben so wenig Anstand, diese seine Verwandte dem ^orne des ^>ofes zu opfern, wie er sïch dnrchaus nicht um die politifchen Meinungen bekümmerte, wclche damals ganz Schweden'spalteten. Er hatte weiter kcinen Zrveck, als dem Könige Macht zu verschaffen, damit er im Stal-de ware, im Schatten derselbeu sein Glück zu machen; denn er wufte bestimmt, dah er zu nichts gelaugen konnte, wenn man in Bezug auf ihn nicht Gnade für Recht ergehen lieft Auftrdem war er von den Schineicheleien des Königspaares so eingenommen, da^ er, um die Wünsche desselben zu fördern, von denen die Erfüllung der seinigen abhing, es für kein Verbrechen hielt, das Blut seiner Landsleute zu vergieftn und die befchworene Staatsverfassung umzustürzeu. Fersen wufte nur zu gut, dcch weder er noch irgend einer seiner Freuide auf Nacbsicht rechnen durfte, wenn Brahe's Plane mit Erfolg gekrönt wurden; fowie Fersen aus Olof Hokanssons Mittheilung fogleich entnahm, dasi das Verbrechen, dem man auf die Spur gekommen, nach der ganzen Strenge der Gefetze bestraft werden mufte, desonders in einer Zeit, wo es durchaus crsorderlich war, ohne Ansehen der Person zu handeln. Aus Rücksicht für die Familie des Miffetkaters und aus Freundschaft für seinen unglücklichen Schwiegervater, an dessen Unschuld er kcinen Augenblick zweifelte, gab F erfen ihm einen Wink von einer entoeckten Verschwörung, von einem unvermeidlichen ProzeH und von dem Verdacht, der auf seinen Schwiegersohn gesallen. Mit eimgen Stunden Vorsprung dachte Fersen, kann Brahe's Lebeu gerettet werden, und sein Kopf wiegt so leicht und ist so unbedeutend, dafi der Staat durchaus nicht Gefahr lauft, wenn er ihm die Gelegenheit zur Flucht bereitete. Alles was in diesem Kapitel über die Brahe'sche Familie vom Schlusse des Jahres 1600 an, so wie von des LandmarschaLs F^se^l Absicht vorkommt, den Obersten Brahe entspringen zu lassen, was dieser jedoch im Vertrauen auf seinen alten Namen nicht that, ist vollkommen übereinstimmend mit der historischen Wahrheit. Diese erfordert jedoch, datz wir auch das Verdienst zweier Personen anerkennen, welche eigentlich die Brahe'sche Hochverratherei von 1756 entdeckten. Wir haben statt derselben hier den Mohren und den Sprecher des Bauernstandes eingeführt, da jene diesen Zeitbildern übrigens fremd sind, und ihre Schicksale mit unsern Hauptversonen nicht weiter in Verbindung stehen. Der Eine war ein gewisser Schedwin (Corporal in der Leibgarde und Sohn des ProbsteS zu Orsa), den die Stande mit dem Lieutenantspatent, mit 100,OOl) Thaler Kupfermünze unv dem adligen Wappen belolmten, welches den Wahlspruch tragt: ,/vl» cives servstns;» — der Andere war der Lieutenant Graf Crentz, den die Stande znm Obersten in der Armee ernannten. Sicher war es auch das Verdienst dieses Creutz um die allgemeine Wohlfahrt, welche im Jahre 1756 die Stande veranlahte, einen juugen Mann desselben Namens zum Cavalier bei dem fechsjahrigen Herzog Friedrich Adolph von Oestergoth1and zu ernennen, — ein Amt, welches spater das Glück dieses Grasen Gusiav Philipp Crentz begründete, der seinem Vaterlande übrigenS sowohl als Staatsmann, ker auf mich wirkt, als alle zweidentigen Versprechungen und Vorfpiegelungen höchsten Orts, die eben so schnell vergessen als gemacht werden." „Du qualst Dich unnöthig mit Grübeleien, mein bester Brnder, und siehst Gespenster am hellen, lichten Tage. Carl Stnart war weder mit der Kaiserin von Rutzland, noch mit dem Könige von Preuhen verwandt, und — ohne Prahlerei — das Hanpt des englischen Adels stand anch nicht an der Spitze seiner Anhanger. Sicher sindet sich kein Geschlecht in Grotz-Britanien, das so viel Ahnen hatte und mit so vielen sürstlichen Hausern verschwagert ware, als die Familie Brahe!" „Es verlohnt sich nicht der Mühe, über diese Dinge zu streiten. Vor funszehn Jahren stürzten sich die Stande in ihrer blinden Raserei über Lewenhaupt und Buddenbrok, und von jener Zeit an sind sie nur noch breister und blutgieriger geworden. Aber daraus kommt es hier nicht weiter an. Eö steht bereits Alles so sehr auf der Spitze, dah uns nur noch die Wahl zwischen Sieg und Tod bleibt. Du lachelst, — ja, Tod, so gewist wir hier stehen, wenn unser Streich mistglückt. Binnen vier und zwanzig Stnnden ist der König entweder wirklich König, oder unser lctztes Stündlein Hat geschlagen. Wir spielen ein verzweiseltes Spiel, und haben Alles auf eine Karte gesetzt." „Wir werden das Spiel gewinnen! Das Volk rust „Es lebe der unnmschrankte König und sein Haus!" — ich marschire nach dem Schloh an der Spitze der Garde, die den Eid der Treue schwört; unser hoheS Herrscherpaar tritt auf den Balkon, zeigt sich dem Volke und wirft nut 3 gnadigen Blickcn, vielleicht auch mit einigen Kusthanden um sich, spricht einige herablassendc Wortc, und — wir schrcibcn Schwcdcn Gcsctze vor. Sichst Du, licber Bruder, das ist Alles, was wir zu thun haben; und wcnn wirklich Gewalt angewendet werden müszte, so bin ich auch dazu bereit. Jch habe Patronen anfcrtigen lassen, die im Keller meines Hauses verwahrt liegen. Wcnn die Herren Senatoren und Mitglieder des geheimen Ausschusses sich nicht in Güte sügen, so sollen sie schen, da^ aus dem SpaH Ernst wird.v ,/Das ist Alles recht gut, — glaube nur nicht, dast die Sache so leicht ablausen wird, als Du Dir einbildest. Es ist von der aufiertzen Schwierigkeit, den König zu ir-> gend einem entscheivenden Schritt zu vermogen. Bon Natur unentschlossen und gutherzig, hegt er einen Abschen gegen BlutvergicHen, — und mit Riechwasser la^t sich nun einmal eine solche Staatsumwalzung nicht durchsetzen. Der Senat Hat ihn bei seinem ersten Austreten gleich dergestalt unterjocht, daH er schwerlich seinen Muth wieder-finden wird, wcnn die Königin ihm nicht zur Seite steht; Alles würde aber verloren scin, wcnn das Volk, das cincn selbst rcgierenden König braucht und verlangt, mit klaren Augen sahe, wie er unter der Vormundschast seiner Gcmahlin steht. Mit dem Erscheinen aus dem Balkon ist es nicht abgethan, — dort mag ihr Platz scin, — der König aber mu§ zu Pserde steigen, und mit dem Sabel in der Hand die Truppen und daS Volk anrcdcn. Für dicsen entscheidenden Schritt sürchte ich, da die Königin nicht dabei scin und ihn am RockschoH halten kann. Er sürchtet den Scepter noch einmal zu verlieren; und aus dieselbe Weise, wie Erich XIV. einst den Frieden durch die Auslieferung seines getrcuen Freundes Jöran Pehrsson zu erkausen suchte, wird Adolph Friedrich kein Bedenken tragen, diejenigen auszuopsern, die ihr Leben für ihn wagten. Ich sehe schon im Geiste wie Alles kommen wird." „Grillen, nichts als Grillen! Der König must zu Pserde steigen, da hast Du recht, und ich mache mich anheischig, ihn dahin zu vermogen. Ich werde ihn selbst bestürmen, wahrend Horn die Nothwendigkeit davon seiner Gemahlin begrciflich macht, die ja aus jeden Fall den König am Schnürchen Hat. Horn ist sehr gut bei ihr angeschrieben." „Ware Adolph Friedrich doch so gewih König wie Horn Hosmann ist! Er verneigt sich bis aus die Erde und antwortet zu Allem, was die Königin sagt, „Ja". Sie kann ibn seines Gehorsams wegen leiden und hört gern das Echo ihrer eigenen Gedanken; doch würde sie aus keinen Fall Horns Vorstellungen beachten, sollte dieser sich herausnehmen, dergleichen gegen ihre Ansicht zu machen. Du eriunerst Dich, dasi sie nur ganz obenhin ihre Zustimmung gab, als ich in unserer Unterhaltung aus dem Schlohball vorschlug, der König solle zu Pserde steigen. Entweder sürchtet sie daher, den König nicht dazu überreden zu können, oder sie gönnt ihm nicht, auch nur einen einzigen Augenblick selbststandig auszutreten." „Du haft ja gehört, daH ich diese Sache aus mich nehme. Mache Du nur mit Wrangel, Stalsverd, Puke und den Andern das Uebrige. LaH' uns jeyc 3* Als dcr Lciufer sich endlich eingestellt und seinen Bericht über das abgestattet, was man bei Meistcrs Anders verabredet, und die folgende Nacht als unwiverruflich zur Ausführung des entscheidenden Schlages bestimmt war, trennten sich die drci Verschwornen. Ernst ging, um dein Hofmarschall Horn über seinen Anftrag Bericht abznstatten. Brahe svllte sich sobald es tagte nach den? Schlofi oerfügeu, nm das königliche Paar von der Nothwendigkeit zu übcrzeugen, dah dcr König sich zur gehörigen Zeit zu Pferde setzen und Volk und Truppen anreden müsse; Hord beeilte sich, den Baron Erich Wrange! aufzusuchen, den Einzigen unter den Verschworenen, auf dessen Klugheit er etwas gab, und zugleich auch der Einzige, welcher gleich ihm, sich nicht blindlings auf das Gerechtigkeitsgcfühl und die Verheitzungen des Herrscherpaares, auf den glücklichen Ansgang der Verschwörung und den Edelmuth oder besser die Nach sicht der beleidigten Wachter über die Aufrechthaltung der Staatsverfassung verlieH. Siebentes Kapitcl. ist bchauptct worden, nur wahrend der Regicrung Gustav's lil. sei dcr schwcdische Hof eigentlich glanzend und muntcr gcwcsen, ^edoch ganz mit Unrecht, denn die Hoshaltung seiner Aeltern gab der scinigen durchaus nichts nach. Der heitere Hof Louise Ulrikens erin-' nerte an den der Christine, und es ist schwer zu entscheiden, welcher vsn den dreicn die beidcn andcrn übertras. Musik, Tanz, Schauspiel, Aufzüge, Maskeraden und Vorstellungen aller Art wechselten unaufhörlich mit einander ab, und zwar, bald auf dem Schlosse zu Stockholm und bald zu Drottningsholm und UlrikSdahl, — wozu noch die Spazicifahrten im Thiergarten kamen, wcnn es dcm Hofe einsiel, in dicsem entzükkenden Park frifche Lust zu fchöpfcn. Svartsjö war seltner der Schauplatz der königlichcn Lustbarkeiten, und noch seltner aber Carlberg, welches Louise Ulrike nicht liebte, da der Vorganger ihrcs Gcmahls, mit dcm sie sortwahrend gespannt lebte, gewöhniich daselbst rcsidirt hatte. Sie trieb allezeit Scherz mit dicscm alten Anbeter des schonen Geschlechts, der ost Stunden lang in jcncm Schlotz am Fenster saH und — mit dcm Finger im Mundc >— weiter nichts that, alS die vorübcrgchenden Frauenzimmer zu betrachu-n. Das Fest, welchcs die Königin im Stockholmer SchloH gab, und wovou dcm Leser schon manche Nebcnsecne bckannt ist, war auhcrst glanzend. Die Pracht der Zimmer und Mcubles, noch vcrmehrt durch hie und da angebrachtc Zierrathen, das blcndcndc Licht, wclchcs dcm Ganzen cincu zaubcrhastcn Glanz verlich, der Dnst der ausgesuchtcstcn Spcccrcicn, der Wohlklang einer hcrrlichcn Jnstrumentalmusik, die pvachtigcn Anzügc dcr Gaftc, das Blitzcn der unzahligcn Juwclcn und Edclstcinc, die das Augc blcndctcn, wcnn es die reichen Wehrgehange, die Dcgengefasze, dic Knöpse und OrdenSzeichcn der Hcrren, so wie die Halsbandcr, Ohrgehange und Diademe dcr Damen lictrachtctc, ^— die Mengc dcr ausgesuchtcstcn Ersrischungcu: allcs stimmtc dic scclc zur ,;rcudc, allcs !ud die Siuue zum Gcmch. Die Aufmerksamccit wurdc nach so verschicdcr.cn Scitcn hingczogcn und von so verschiedcnen Gcgcnstandcn in Auspruch geuommcn, d.H sic nicht im Stande war, sich mit cincm und dcmsclbcn Gegenstande lange zu bcschastigcu. Zwischen den langen Rcihcn von Schonheiten, die den Tanzsaal ansüllwi, — ein Feld sur Kampse ohne Blut um Eroberungen, die keine andern êeuszer als die der Sehnsucht und des Verlangens kosten, — waren die eutzückten jungen Herren schwankend in ihrer Wahl uuv wagtcn nicht, irgend ciner Schouycit dcn Prcis vor allcn andern zuzucrkcnncn; und wcnn dic nicdlichsteu kleinen Fü^e, deren zicrliche Formen dcr weitzscidene, durchbrochcuc Strumpf mchr t crrictl) als bcdccktc, über den glatten ^usjbodcn dahinschwcbtcn, dcn sie kaum zu bcrnhrcu schieuen, dann flog cin cickt.ischcr Fuukc wollüstigcr Bcwundcrung durch dic Brnst der mannlichen Zuschauer, und die altern Damcn waren mit vielem Wohlgefallen Zeugen des Triumphes emer Tochter, ciner Nichte over einer sonstigen Anverwandten. Es ware jedoch Unrecht zu sagen, da§ keine von den Damen am Hofe die Blicke der Gesellschaft ganz besonders auf sich gezogen hatte. Louise Ulrike durfte sich uur zeigen, so war man auch gezwungen, ihr mit den Blickcn zu folgen; doch soll damit nicht gesagt sein, als hatte sie an Anmuth die schonen Damen übertroffen, von denen das Hoffest wimmelte, denn der Frühling ihres Lebens hatte bereits einem Sommer Platz gemacht, der sich ebensalls nicht mehr in seinem Beginn besand; — aber das Majestatische in ihrer Haltung, das Geniale, welches unverkennbar auf ihrer Stirn thronte, aus ihren Augen blitzte, und in der Unterhaltung von ihren Lippen stromte, diese Vorzüge verkündeten stets die Gegenwart der Königin, selbst wenn sie sich ohne Hosdamen und auswartende Kammerherren zeigte. An der Seite ihres Gemahls erblickte man in ihr den König; und wenn man sand, dasi sie ihre grotzen Eigenschaften dazu ver-wendete, ihrem Gemahl die unumschrankte Gewalt in die Hande zu spielen, mu^te man sie sowohl wie den Staat beklagen, dasi das Geschick sie nicht auf den Thron der Christine, oder der Ulrike Eleonore gesetzt, auf dem sie ein grösteres Recht auf unumschrankte Macht gehabt hatte, als in ihrer gegenwartigen Lage. An diesem Abend hatte das Kömgspaar alle seine Kraste ausgeboten, seinen Geiten Vergnügen zu bereiken und sich selbst in dem vortheilhaftesten Lichte zu zeigen. Einige muHten für die königlichen Plane gewonnen, andere in dem Versprechen, ihnen beizutreten, bestarkt und noch andere in Sicherheit gewiegt werden, damit sie nichts von dem ahnten, was man gegen die Freiheit und die Staatsverfassung im Schilde führte. Bald sprach man mit einigen Vertrauten, um sie zu Thatigkcit, Standhaftigkeit und Muth anzufeuern, bald schmeicheite man einigen gefahrlichen Widersachern, um sie in Sicherheit zu wiegen; bald lieh man sich auf eine gnadige Weise mit gleichgültigen Personen in ein Gesprach ein, um Anhanger zu werben oder Feinde zu entwassnen. Alle durften sich eines Zeichens der Gewogenheit, Güte und Herablassung des königlichen PaareS rühmen. Ni.mand erinnerte sich, jemals ein so stattliches und muntereS Fest erlebt zu haben, dessen Ende das königliche Paar erst mit dem anbrechenden Tage durch seinen Rückzug in die inneren Gemacher andeutete. Ein geübter, mit einiger Kenntnitz der Persönlichkeit der Königin ausgerüsteter Diplomat würde bei genauerer Beobachtung ihres Benehmens auf diesem Feste gewitz sehr bald auf die Vermuthung gekommen sein, datz ihr freundliches Benehmen an dicsem Abend seine besondern Grimde haben mutzte. Er würde seine Schlüsse aus dem Vortritt gezogen haben, den sie einigen bedeutenden Mitgliedern des ReichstagS und im Allgemeinen dem Militair gewahrte, wahrend sie sich diesmal weniger um ihre gelehrteu Freunde, um die sremden Gesandten, und im Allgemeinen weniger um Diesenigen bekümmerte, welche sonst erwarten konnten, mit Aufmerksamkeiten überhaust zu werden. Er würde Verdacht geschöpft haben aus den Worten, die im Borbeigehen und gleichsam verstohlen mit Dalin gewechselt wurden, und die, wenn sie sich nicht auf Politik, sondern auf Literstur und Erzichung des Kronprinzen bezogen hatten, ja laut und ohne Scheu gewechselt werden konnten. Er würde eine verborgene Lchlinge in der ausgesuchten Aufmerksamkeit vermuthet haben, womit die Konigin, gegen ihre Gewohnheit den Reichsrath und ganz besonvers diejcnigen feiner Mitglieder behandelte, welche den meisten EinfluH im Senat halten, und ihn zur Demütbigung des Hofes verwendeten. Jhm würde die abgemessene, kalte Höflichkeit nicht entgangen sein, womit sie dem diplomatische» Corps begegnete, und es diesen Abend ganzlich ihrem Gemahl überlieH, die Gesandten bei guter Laune zu erhalten. Er würde mit Erstaunen gesehen haben, dah die Senatoren und Sprecher der êtande der Konigin mehr am Herzen lagen, als die Gesandten Frankreichs und Ruhlands, denen sie sonst immer das gröHte Vertrauea bewies. Er würde sich nach der Veranlassung ihrer Gleichgiltigkeit gegen die Vertreter der übrigen Staaten, die von Preuhen und Danemark nicht einmal ausgenommen, gescagt haben. Aus allen diesen Anzcichen würde, wie gesagt, ein geschickter Diplomat den SchluH gezogen haben, daH etwas Ungewobnliches im Werke sei. Es ist auch wahrscheinkch, daH dergleichen Berechnungen von einem und dem anderu Mitgliede des diplomatische» Corps gemacht wurden, wenn man dasselbe — wie leicht zu vermuthen steht — überdies nicht mit in's Geheimnih gezogen hatte. Bevor das konigliche Paar sich zur Ruhe begab, wurde der Laufer Ernst noch hereinbeschieden, und muxte einen Nappori von allcm abstatten, was sich beim Meister AndcrS zugctragen. Er wurde mit freundlicheu Ausdrücken der Erkenntlichkeit und vielen Versprechungen begnadigt, — von dem Könige ermnntert, Vorsicht zn braucken, von der Königin, sich nicht durch Widerstand unv Gesahren abschrecken zu lassen. Mit allem, waS sich sonst noch anf die Verschwörung bezog, sollte er sich an den Hofmarschall Baron Horn wenden, der von dem Willen Jhrer Majestaten unterrichtet ware, und dem Laufer sagen mürde, was er ferner zu thun habe. Hierauf gab man ihm das Zeichen, sich zu entfernen und das königliche Paar zog sich in sein Schlafgemach zurück. Der Schlaf war weder ruhig noch lang. Zwischen Furcht und Hoffnung schwebend, waren die Gedanken des hohen Paars zn sehr mit dem beabsichtigten Umsturz der Verfassnng beschaftigt, als dasi der Schlummer sein Recht üben konnte. AuHerdem war noch so viel am Tage vor dem Ausbruch zu besorgen, datz man nicht Zeit hatte, den Vormittag zu verschlafen. Der Befehl an den Kammerdiener, das königliche Paar bei guter Zeit zu wecken, ware daher überflüssig gewesen. Sie waren schon wieder munter, noch ehe der Tag durch die Fenstervorhange i» in das Schlafzimmer draug. zu dcm beabsichtigten Schritte zn vermogen. Sie wollte sich nun an seiner Stelle offentlich zeigen, die letzte Hand ans Werk legen, und entweder soglcich nach Upsala abreisen, (da sie auf die gute Gesinnuug dieser Stadt rechnen konnte), diesGemuther der Studenten entflammen, und an der Spitze der Jugeud und derjenigen, die sich ihr unterwegs sonst noch anschlietzen würden, nach der Hauptstadt zurückkehren, — oder sich auch, mit dem zehnjahrigen skronprinzen an der Hand, in den Stralen von Stockholm zeigen, sobald der Auflaus beginnen würde. Adolph Friedrich widersetzte sich diesem Norhaben der Königin, und nicht ohne Schwierigkeit gelang es ihm und Brahe, der, Hord's AeuHerungen gevenkend, sich mit dcm König vereinigte, sie von ihren Pleinen abzubringen. Brahe sand autzcrdem auch noch seine Eitelkeit verletzt, mit Jünglingen obne Ansehen die Ehre des Unternehmens theilen zu sollen, wenn die Berschwörung gliickte. Mitzvergnügt und über ihre eigene Sicherheit besorgt, gabcn Brahe und Horn die Hoffnung verloren, dcm Könige den Muth einzuflö^en, welchen die Wichtigkeit des AugenblickS erheischte. Es verwunderte sie eben so sehr, wie es sie betriibte, da^ es einen Fall gab, in welchem der Wille der Königin ni6)t Gesetz sur dcn König war, und sie singen an zu sürchten, sie mochten das Opfer dieser Verschiedenheit in den Ansichten der hoben Gatten werden. Als sie jedoch bei ihrer Beurlaubung vom Könige ein Wort fallen lichen, welches diese ihre Besiirchtungen verrieth, warden sie durch Adolph sie den Brief gelesen; „wir mussen in die Festnehmung willigen." „O Gott, die armen Opser!" seuszte der König. „Wir wollen uns spater über sie berathen," entgegnete Louise Ulrike. „Der besehlhabende Offizier bittet Ener Majestat unterlhanigst um Verhaltungsregeln," bemerkte der Kammerherr mit leiscr Stimme. Der König wechselte mit seiner Gemahlin Blicke, die beredter waren als Worte. "Mein Besehl ist," sagte der König langsam und mit unsicherer Stimme, „datz der Hofmarschall Horn und der Lauser Ernst der Patrouille, die der geheime Ausschust zu ihrer Festnehmung abgeschickt, auSgeliefert werden.^ Der Kammerherr verneigte sich abermals ties und ging. Fraulein Düben sank blasi wie der Tod aus einen Sessel nieder, indem sie ihre Augen mit dem Schnupstuch bedeckte. Es entstand eine Pause. -/Alles ist verloren und wir vielleicht mit!" rief Adolph Friedrich endlich. „Nach einer verlorenen Schlacht pflegt mein Bruder seine Triumxhe zu verdoppeln," antwortete die Königin. Badin, der am Fenster stand, sagte wie für sich: „da wird der Baron Horn und der Lauser Ernst abgesührt. Die schonen Herren sehen jetzt nicht so keck aus, wie damals, als sie mich mit der Ruche traetirten." Neuntes Kapitel. 1»»er Oberst Graf Brahe war vom Schlosse nach seinem Hause am Clara-See zurückgekehrt, gewist nicht zufricdcn mit dem AuSgange seiner Unterhandlungen, aber doch vollkommen beruhigt über die persvnliche Gesabr, die er lansen konnte, wenn die Verschworung wider Vermuthen mistglückre. Mit seinem Namen und mit den Verfprechungen von Schntz und Belohnung, die ihm der König wiederholt gemacht batte, glaubte er durchaus nichts besiirchten zu dürsen. Es ware höchst argerlich, dachte er, wenn alle unsere Anstrengungen zur Ausdehnung der königlichen Macht und alle unsere berrlichen > Plane in Rauch ausgingen, indeh mnstte man sich alsdann mit der Hosfnung trdsten, daH der nacbste Versuch " besser ablaufen wird, und eine gunstige Gelegenheit ab- ^ warten. Jetzt hielt ein Wagen vor seiner Thür. Brahe bekam Besuch von seinem Schwiegervater, dem Prasidenten Grafen Pip er. Dieser schien sehr ausgeregt zu sein, — er sah sich ' unruhig im Zimmer um, verriegelte die Thür, und nachdem er sich überzeugt hatte, dast sie allein waren, siel er ! seinem Schwiegersohn um den Hals und beschwor ihn bei allem was heilig ist, sich eiligst durch die Flucht zu retten, indem die unglückselige Verschwörung, an welcher er Theil genommcn, entdeckt, und die Untersuchung eben so gewist, als die Strafe unvermeidlich sei. Brahe war überrascht und bestürzt, dast sein Schwiegervater, dem er nichts von der Verschwörung mitgetheilt, diese Angelegenheit so genau zu kennen schien. Zu leugnen hatte also nicht der Mühe verlohnt. Brahe verlangte daher nur zu wissen, aus welche Weise sein Schwiegervater Nachricht von der Verschwörung bekommen. Pip er zog das Billet hervor, welches der Gras Fersen ihm geschrieben, und dessen Jnhalt den Lesern bereits bekannt ist. Zwischen Pip er und Brahe entstand jetzt ein Streit über die Beweggründe zu diesem Billet, dessen Versasser sie aus den Schriftzügen erkannten. Pip er erblickte mchts darin als die edelmüthige Absicht, einen cntsernten Verwandten und den Schwiegersohn eines nahen Freundes aus einer drohenden Gesahr zu befreien, — Brahe indest eine List, um ihn von der Ausführung des Vorhabens abzuschrecken. Gelang die Verschwörung, so konnte Fersen aus jeden Fall einen Gegendienst von der siegenden Partei verlangen, — und mistglückte sie, so hatte man aus eine seine Weise Iemand gewonnen, den man sehr wohl gebrauchen konnte. „Und worans gründest Du eine so vermessene Ansicht?" sragte Pip er. „Jch heiste Brahe," antwortete dieser und brüstete sich mit einem selbstgesalligen Lacheln. „Verblendeter, Du gehst einem unvermeidlichen und schmachvollen Tode cntgegen. Jch verliere nicht nur ei- 4 nen Schwiegersohn, sondern auch das Recht, ihn wie einen ehrlichen Mann zu betranern, und den Trost, seinen Namen mit Achtung nennen zu horen. Wo ist meine Tochter, auf dah sie ihre Bitten mit den meinigen vereinige, damit Dn ihr durch eine schnelle Flncht den Knmmer ersparst, die Wittwe von einem auf dem Schaffot gefallenen Manne zu werden!" Brahe trieb Scherz mit der Fnrcht seines Schwiegervaters. Noch war die Hoffnung auf einen glücklichen Ausgang verhanden, obgleich diese sich bei der Betrach-tung minderte, datz der Landmarschall Kenntnitz von der Verschwörung bekommen. Er wollte ja aber dem Grafen Brahe wohl, wie ans dem Billet deutlich hervorging. Jm schlimmsten Falle konnte er hochstens des Scheines halber festgenommen werden; aber der König hatte ihm ja bestimmt versprochen, ihm den Rücken frei zu halten, wessen es ja für den ersten Grafen des Rei- cheö kaum bedurfte. Pip er, dessen politische Ansichten keineswegs mit denen seines Schwiegersohnes übereinstimmten, und der autzerdem das verbrecherische Mittel, mit welchem sic geltend gemacht werden sollten, auch noch verabschente, war gleichwohl vor allen Dingen nur bemüht, den Gemahl seiner Tochter von einem schmachvollen Tode zu retten, den Pip er für uuvermeidlich hie!t, wenn Brahe übersührt wurde, und in die Gewalt seiner Feinde gerieth, die bei dieser Gelegenheit Recht und Billigkeit auf ihrer Seite hatten. Pip er lich sich weder bethören durch Brahe's lacherliche Begriffe von dem Talisman seiner Geburt, noch von scinem Vertrauen auf die königlichen Verfprechun- Obgleich er sowohl als die Seinigen auf das vorbereitet sein muHten, was sich jetzt zutrug, und obgleich der Ossizier seinen Auftrag mit aller Schonung und Achtung aussührte, die man dem Unglück schuldig ist, so brachte sein Auftreten doch die surchtbarste Wirkung hervor. Graf Pip er war bestürzt, Graf Brahe wie vom Donner getroffen, die Grasin in Verzweifluug. Um das MaH voll zu machen, stürzte Brahe's zehnjahriger Sohn erfter Ehe herein, da er durch das Erscheinen der Patrouille von dem Geschick unterrichtet worden, das seinem Vater bevorstand. Der Jammer schien seinen höchsten Gipsel erreicht zu haben, und noch hatte der Oberst Brahe eigentlich keinen rechten Begriff von der GröHe seincs Ungliicks. Mit gebrochener Stimme, aber mit höflichen Worten und Beibehaltnng der Würde in seinem Benehmen, die andeutete, daH er sich noch sur den Herrn in seinem Hause anfah, und wuIte, was die Pslichten des Wirthes erheischten, ersuchte er den Ofsizier, es sich bequem zu machen, und sügte hinzu, man würde sich in seinem Hause bemühen, ihm alle möglichen Artigkeiten zu erweisen, — "wohingegen ich nur verlange," schloH er — „datz man mir die Gesellschaft meiner Frau, meiner Kinder und derjenigen Freunde gestatte, die mich besuchen wollen, natürltch in Jhrer Gegen-wart." '/Es gcht mir nciher, als ich auSzudrücken vermag," versetzte der Ofsizier, „datz ich genöthigt bin, Sie eines Trostes zu beraul'en, auf welchen Sie und Jhrc Familie gcrcchnet zu haben schcincn. Es ist hier leider nicht die Rede von einem Arrest im eignen Hause. Meine Ordre lautet dahin, den Herrn Grafen für jetzt nach der Hauptwache zu führen. Eine Bitte der Frau Grasin, dem Herrn Landmarschall und dem geheimen Ausschust eingereicht, würde gewiH der Uebcrsiedlung von der Hauptwache nach dem Stadtgefangnch, wovon die Rede ist, vorbeugen..." Der Ofsizier hatte noch nicht alles gesagt, waö er sagen zu wollen schien, als dieser traurige Auftritt eine noch verzweifeltere Wendung nahm. Mit dem Ausruf: „Jesus im Himmel!" siel die Grasin Braye bei den Worten des Osfiziers ohnmachtig auf ein Sopha; Jhr Vater und ihr Gcmahl eilten ihr zu Hülse,der Knabe weinte bitterlich. Ein Bedienter lief nach Wasser, ein anderer nach «le I^uee, ein drittcr zum HauSarzt. Der Ofsizier betrachtete einige Augenblicke mit stummer BetrübniH die schmerzliche Verwirrung, welche im Zimmer herrschte. Endlich gal» er seinem Gesangenen einen Wink, ihm zu solgen... Es wahrte lange, bevor die Grasin ihre Besinnung wiedergewann. Als sie die Augen aufschlug und die Gegeustande um sich her betrachtete, besand sie sich cntkleidet in ihrem Bette, und ihre Kammerjungfer, sowie der Hausarzt waren um sie beschastigt. Jene hielt ein silbernes Waschbecken unter den weitzen Arm der Grasin, an welchem eine Ader geöffnet war. Der Arzt betrachtete anfmerksam das stromende Blut, und hielt in seiner Hand eine Binde bereit, um sie anzuwenden, wenn die nöthige Quantitat Blut gelassen worden. Graf Pip er stand am Futzende des Bettes, seine Tochter mit besorgten Blicken betrachtend. Der O berst war bereits nach dem Gcfangnih abgeführt. Zehntes Kapitel. ê>nc Kommissiën ward niedergesetzt, um den Hochverrathern den Prozetz zu machen. Er führte traurige Tage herbei; — sie setzten alle Leidenschaften in Bewegnng; sie brachten Schrecken nnd Unruhe in manchen hauslichen Kreis; sie enthülltcn manchen niedrigen Beweggrnnd bei dcm Plane, die Staatsverfassung umzustürzen; sie wurdcn dnrch viele unmenschliche und vernunftwidrige Grausamkciten befleckt, um der Wahrheit anf die Spur zu kommen; sie deckten so vicl Undankbarkeit und Unzuverlassigkeit in den höheren, so viel thierische Rohheit in dcn nieder en Standen auf; sie liehen den Glücksrittern die Larve der Vaterlandsliebe, dem Eigennutz die der Sorge sur die allgemeine Wohlfahrt, bald um die Königsmacht anSzudehnen und die Mündigkeit des Volkes zu nnterdrücken, bald um den Soldaten und die Hese des Volkes zu Herren über Leben und Tod der Mit-bürger zu machen; sie führten ein Bollwerk des Hasses und der Rache zwischen dcn Parteien auf, das jede Versöhnung unmöglich, jede ausgleichende Bemühung fruchtlos machte; und sie verpflanzten auf die kommenden Gefchlechter eine gegenseitige Erbitternng zum Verderben des Vaterlandes, zum Untergang der menschlichen Ge- 4 » » sellschaft und zum Unglück der Machthaber, als das Gcsühl allgemeinen Mcnschenrechtcs crwachte. Die Untersuchung erforderte Zeit, trotz des rastlosen Eisers, womit sie betrieben ward. Unter den Verschworenen zeichnete sich besonders der Unterofsizier Puke, vormals Kapitain in Hollandischen Diensten, aus, der einen Muth und eine Geistesstarke bewies, die einer besseren Sache würdig gewesen ware, wohingegen man sich Grausamkeiten gegen ihn erlaubte, die den Bollstreckern des Gesetzes übel anstanden. Niemand unter den Hochverrathern konnte dcn Hergang der Tinge so wcnig begreisen, als Brahe. Einer der ersten Grasen deS Reiches, und dennoch von seincm eigenen Stande verlassen; Rang und hohe Geburt besitzen und wie ein gewöhnlicher Misscthatcr behandelt zu werden; erklarter Günstling der Majestaten, und von der Gnade der Burger abhangcnd; Schwedens reichster Magnat, (denn diese Auszeichnung kam dcm Geschlecht der Brahe damals noch zu, bis die Schuld der Söhne und Enkel Erik Brahe's den letzten Funken dieses ehemals so glorreichen Hauses auslöschte) Palaste und Schlosser besitzend, und in den engen Mauern eines Gesangnisses aller Bequemlichkeiten entbehrend: dies alles war ihm so neu, so unbegreislich, datz es ihm unmöglich war, sich diese Rolle einzusiudiren, bis der ProzeH ihn zur letzten Scene des Trauerspiels sührte. Die schwerste Tauschung ersuhr er natürlich zucrst durch das Mistlingen der Verschwörung; dann kam der Arrest; ferner das dazu ausersehene Gefangnisi auf dem Ritterholm; dann das Tolesurtheil; ja, man kann bebaupten, daH das Beil fast schon auf sein Haupt wederstel, ehe Brahe sich von der Gewalt der öffentlichen Stünme und von der Ohnmacht der koniglichen Gnade überzeugte. Diejenigen, welche die Gewalt dieser Chimaren in der Gesinnung des Grafen Brahe nicht kannten, hatten versucht sein können, die spöttische Ruhe, mit der er den letzten, fchrecklichen Ausspruch mit anhörte, sur Seelenstarke und Geistesgegenwart zu halten, wahrend diese gleichwohl ihren Grund nur in der Vorausfetzung fanden, dasi all' dicse Bluturtheile nur zum Schein gefallt wnrden, und da§, wenn die Strenge der Gesetze wirklich einige Opser sorderte, dieselben nur aus der geringen Klasse der Verschworenen genommen würden, — der Kopf eines Brahe aber zu hoch für daS Schwert der Gerechtigkeit stande. Die Ankunft des Predigers, der Brahe zum Tode vorbereiten follte, wirkte daher auf ihn wie ein Donnerschlag. Jetzt erft begrisf er die Grundlosigkeit seiner Ansprüche und Hoffnungen. Jetzt rief er in seiner Verzweislung: "der Hof verdiene nicht, da§ cin braver Mann etwaö für ihn wage." Jetzt schrieb er für feinen Sohn (denselben, der bei seiner Festnehmnng gegenwartig war) eine Jnstrnktion in sechszehn Paragraphen — cin politischcs Testament, dessen Aechtheit indctz öfters in Frage gestellt worden >— aus welcher ein ganz anderer Geist, und ganz andere Grundsatze fprachen, als Brahe sie durch Wort und That bisher bekundet. „Thne AlleS zum Besten der Freiheit" — hic§ es nnn —- "und für die Aufrechthaltung der Gefetze. Suche nicht das Vertrauen der Könige, sondern denke daran, da^ Dein Vater der Einzige seines ganzen Gefchlechteö war, der trotz seiner Umanderung seiner eigenen enthielten, für den Fall, dast man ihm das Leben schenkte. Sobald das Todesurthcil bekannt ward, fuhr die Grasin Brahe nach Drottningholm, wo der Hof damals residirte, und warf sich dem Königspaar zu Fiisten. Von den hohen Lippen flost Balsam und Honig; aber in der Seele wohnte Eis, und die koniglichen Gedanken hegten nur den einen Wnnfch, den beschwerlicheu Desuch bald los zu werden. Man war der Meinung — und dicse licst sich auch in dem Gefprach mit der Grafin deutlich aus ^— dast ihr Gemahl am besten gethan hatte, dcm Beifpicl des Grafen Hord zu folgeu nnd die Flucht zu suchen. Brahe hatte sich selbst gerettet, und seinem Herrn die Verlegenheit erspart, eiu unwirksamer Zeuge der Bestrafnng eincr seiner vornehmsten Kreaturen zu sein. Das Königspaar wies zuletzt darauf hin, dast die verzweifelnde Gattin am besten thate, wenn sie die Herzen des Landmarschallcs und der Sprccher zu bewegen fuchte, denn in diesem Fall gehorte das Begnadigungsrecht den Standen, die zu überreden — wie man vermuthete — nicht unmöglich sein dürftez aber gerade um diefe zu gewinnen, hielt es das Königspaar für den unglücklichen Grafen am zutraglichsten, wenn es sich nicht in die Sache mifchte, da die Stande von einer getheilten Autoritat nichts wissen wollten, und — um dies in seiner ganzen Ausdehnung zu zeigen — gewist eine vom Herrfcherpaar unterstützte Bitte abfchlagen würden. Wenn sich auch etwas Wahres in dieser Ansicht sand, so wiesen Adolph Friedrich und Louife Ul- rike doch die Grafin Brahe hauvtsachlich in der erwahnten Weise ab, um sich nicht blost zu stellen, und um sich ein für allemal den Bitten und dem Jammer der Angehörigen der Vcrurtheiltcn zu entziehen. Die Grasin Brahe verliest Drottningholm mit einem Herzen voller Grimm und Betrübnist; sie beschlost, unverzüglich dem Landmarschall, dem Erzbischose und den Sprechern des Bürgcr- und Bauernstandes ihre Aufwar-tung zu machen. Sie wnstte nicht, dast es im Weseu eir.er aristokratischen Regierungsform liegt, niemals nachsichtig zu sein, wenn es sich um die Bestrafung von Verbrechen handelte, die von Mitgliedern aristokratifcher Familien selbst begangen worden. In keinem andern Staate sind so viel Edelleute durch das Beil des Henkers gefallen, als in dem tausendjahrigen Venedig. Sonst möchte dieser Staat auch wohl schwerlich tausend Jahr bestanden haben. Der Landmarschall empsing die Grasin Brahe mit Artigkeit und Theilnahme, erklarte jedoch in den schonend sten Ausdrücken so bestimmt wie möglich, dast die Würfel jetzt nnwiderruflich gefallen waren. Er habe dem Grafen Brahe als es noch Zeit gewefen, einen Wink zukommen lassen, sich durch die Flucht zu retten, dieser habe sich jedoch nicht warnen lassen und sei jetzt unwiderbringlich verloren. Wie sehr er blutige Auftritte auch verabfcheue, sei er doch nicht im Stande, dem Schwerte der Gerechtigkeit ein Sühnopfer zu entziehen, welches die verletzte Verfassung und das bedrohte Wohl der StaatSbürger fordere. Es sei für ihn eine graufame Wicht, hier ganz aufrichtig sein zu müssen; doch wolle er nicht mit salschen Hoffnungcn tauschcn, und rathe daher der Grafin, fich in Gedanken an das zu gewöhnen, was unvermeiblich sei, damit sie im Stande ware, ihren Gemahl zu ermahnen, die ihm noch übrig bleibenden Augenblicke zur Bestellung seincs Hauses zu benutzen. Fersen bot die ganze Krast seiner wohlbekannten Beredsamkeit auf, um der ihm verwandten Grafin Trost, Mnth und Fassung einzuflötzen; er knHte beim Abschiede recht herzlich ihre Hand und geleitete sie bis zu ihrem Wagen. In sein einsames Zimmer zurückgekehrt, wischte sich der harte Staatsmann eine Thrane aus den Augen. Vom Palast des Grafen Fersen fuhr die Grafin Brahe znm Erzbischof, Doctor Heinrich Benzelius, der am Kornhafen eine Treppe hoch in dem Hause mit dem überbauten Balkon wohnte, wo frühcr die Königin Christine des Morgens um 4 Uhr bei dem Philosophen Cartesius Unterricht genommen. Gerade in demselben Zimmer, welches Zeuge der Wifibegierde eines gekrönten Hauptes gewesen, empsing jetzt der Pralat die schone Bittstellerin. Wenu man das Sopha und die Stühle von Birkenholz, die mit schwarzem Leder überz» geneu Kissen, einen grotzen Schrank von Nufibaumholz mit spiegelblanken Schlössern und Griffen von Messing, zwei gro^e branne Bücherschranke, die bis an die Decke reichten, und mit Folianten angesüllt waren, — den einfachen schwarz angestrichenen Schreibtisch, auf welchem man ein grotzeS rundes TintensaH von grüuem Glas, ein hohes, ungeschicktes Sandfa§ von Fichtenholz, ein Lineal von Mahagoni, ein Federmesser mit zwei Klingen und eiuer Schaale von Elfenbein, etwas reineS Papier, Federn, eine Scheere, eine goldene Schnupstabacksdose und eine Stahlbrille erblickte, — die ledernen, mit goldenen Blumen bedruckten Tapeten, —- die grünen Fenstervorhange, — einen Spiegel, der die halbe Höhe der Wand einnahm, — darunter einen kleinen Tisch auf vier vergoldeten FüHen mit einer Marmorplatte, auf welcher zwei silberne Leuchter mit Wachskerzeu standen: — wenn man diese ganz einfache Einrichtung des Zimmers sah, fo konnte man zu glauben versucht sein, datz Benzelius in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts Alles ebenso in seiner Wohnung gelassen, wie es Cartesius in der Mitte des siebzehnten angeordnet hatte. Nichts war darin auf Eitelkeit oder Prahlerei berechnet, — Alles nur auf Bequemlichkeit und Nutzen, was fogar auch von der Wanduhr galt, die sich in einem perlfarbigcn Gehause in einer Ecke deS Zimmers befand. Man sah auf dem Zifferblatt nicht nur die Stunden, Minuten und Secuneen, sondern auch die Tage und Monate, so wie den Auf-- und Untergang der Sonne und des Mondes. Tarüber zeigte stch ein Tempel, dessen Thüren mit jeder Stunde auffpraugen, um so viel Apostel heraustreten zu lassen, als die Wocke eben geschlagen hatte; mit dem zwölsten Glok-kenschlage schlossen sich die Thüren jedoch wieder, und verhinderten den zwölsten Apostel, sich zu den übrigen zu gesellen. Die Tracht des Pralaten bedars keiner weitern Beschreibung. Der Talar und Kragen des Erzbischofs waren ebenfo einsach wie die des Hülssgeistlichen der armsten Dorfgemeinde. Das bifchöflicheKreuz undderbunteSchmuck der Nitterorden waren damals noch unbekannte Auszeichnun- gen für die schwedischen Geistlichen. Der Erzbischof Benzclius trug cin schwarzes Sammetkappchen, welches indest ein jeder aufsetzen durste; ihm stand es jedoch besonders gut, und schwachte durchaus den Eindruck des patriarchalischen Silberhaares nicht, welches unter dem schwarzen Kappchen hervorsah. Mit uugekünstclter, herzlicher Freundlichkeit bat der Erzbischof die Grcisin Brahe, auf dem Sopha Platz zn nehmen, und setzte sich felbst aus einen Stuhl ihr gegenüber. Mit Ruhe hörte er ihre Vorstellung an, — mit Milde und Ehrfnrcht gebietendem Ernst beantwortete er sie. In Bezug auf das Geschick, welches den Verurtheilten bevorstand, war Benzclius eben so unbeweglich als Fersen. "Ihr Gemahl, Frau Grafin," sagte er, „must die Vorsehung preisen; das? sie die Folgen seines bösen Anschlages abwendete und ihm gestattet, noch hier auf Erden sein Verbrecheu zu büszen; denn wenn er mit butzfertigem Herzen seine wohlverdiente Strase leidet, so kann er dereinst durch Jesu Christi Gnade auf Vergebung und Erlösung hossen./, „Aber, hochwürdigster Vater, die heilige Schrift verlangt ja nur Leben für Lebeu, und es ist ja keiu Menschenblut vergossen worden. „Die obenbeschriebene Wanduhr schlug in diesem Nugeublick zwolf. Der Erzbifchof sagte, indem er auf dic Apostel deutete: "Siehst Du, meine Tochter, Judas, der so lange die Welt steht, cin Tegenstand des Abscheu's bleiben wird, Hat auch kein unschuldig Blut vergossen, soudern er verkaufte es nur um dreitzig Siiberpfennige.... Aber brcchcn wir cin Gesprach al', Frau Grasin, welches alle Wuuden Jhres Herzens ausrcitzt. Der Trost, dessen Sie bedürfen, wird nur in unsercr heiligen Reli^ion gcfundcn; ihr Schoosi stcht alle Zeit dcnjcnigcn ossen, die einen gcbeugteu Sinn habeu und sich oor dem Herrn demüthigen. Wende Dich mit christlichem Vertrauen an ihn, meine Tochter. Jch und meine Mitarbciter in dcm groten Weinberge werden stets bercit scin, Dir dcn Trost der Kirche zu schenken. Der Abschlag, dcn die Grasin Brahe von den beiden Sprechern der ersten Stande erhalten, auf deren Grofimuth sie eigentlich ganz befonders gerechnet, überzeugte sie von der Fruchtlosigkeit, dic Sprcchcr dcs Burger» und Baucrnstandcs noch zu bcstürmcn, zumal da die Uebcrcinstimmung dcs Lctztercn mit dcn Ansichten dcs Grasen Ferscn allgcmcin bckannt war. ES blicb dahcr weiter nichts übrig als zu versuchen, dem Grasen Brahe Gelegenheit zur Flucht zu verschaffen. Man wollte versuchen, die Wache vor Brahc's Gefangnisi zu gewinnen. Es zeigte sich jedoch sehr bald, dafi dieselde für jegliche andere Stimmc als die der Pflicht unzuganglich war. Autzerdem hatten dic Stande auch noch solche VorsichtsmaHregeln gctroffcn, dast von cincr Flucht gar nicht die Rede scin konnte. Der lctztc Funke der Hoffnung erlischt jedoch sebr schwer in der Brust deS Menschen. Der Ertrinkende greift nach dem kleinsten Brette, und der Abcrglaube traumt noch von Auswegen, wenn dic Vernnnft sick) schon langst dcm Gcsctze der Nothwendigkeit unterwars. Auf dein Rvd bobolm bcsiudet sich eine Eiche, dic Gustav Wasa mit eigener Hand gcpflauzt. Die Eitelkeit der Brahe'fcheu Familie Hat die Sage erdichtet, es falle stets cin Zweig von diesem Baume, fobald ein Sterkefall in der Familie Brahe bevorstehe. Dcshalb sicht man die Zwcige diescs königlichcn Baumes mit Eiscnbandern bcfestigt, damit hierdnrch das Hcruntcrfallcn dcr vertrocknetcn Zwcige verhindert und dcm Todc cincs Brahe vorgcbcugt wcrde. Taglich verlangte dahcr dcr Oberst Brahe Nachrichten von dcr Wafa-Eiche; und wenn er hörte, datz kein Zweig herunter gefallen, so hoffte cr immer noch unerschütterlich auf Guade, ja sogar noch in dcm Angenblick als man ihn zur Richtstatte abführte. Dcr armc Graf! Er tcgriff nicht, das cincs groszeu Mannes Werk mit Hochverratherci kcinc Gcmcinschaft Hat, >— daH die Richtart alle Verzauberung lost, und daH dcr cmporgchobeue cichcne Stiel dcrsclbcn den Tod eines Brahe sicherer verkündetc, als daS Hcrabfallcn einiger vertrocknetcr Zwcige von dcr Eichc auf dcm Rydboholm. Elftes Kapitel Z^len 23. Juli 1756 strömten sckon dcs Morgens bei guter Zeit dichte Polksmassen nach dcm Ritterholm, dessen Brücke versckanzt und mit Kanonen besctzt war. Bon dieser aus zog sich au der Einsassung von Stein, welche den sreien Platz und den mit Grabsteineu verschenen Kirckihof der Ritterholmskirche umgab, eine Chaine von Militair hiu. Der Raum, den diese lebendige Kette umsck'los-, war auf eine Weise zugerick tet, wie es hoffentlich nicht wieder vorkommcn wird. Es crhob sich namlich auf demselben ein Gerust, dessen Zweck sick nicht verkenuen liest, denn auf ihm stand dcr Ricktblock, und auf dcmsclbcn lag in eincm Futtcral von Edagrin das vcrhangnitzvolle Richtbeil. Die Truppen hatten fcharf geiden, — die Artilleristen standen mit dreunenden Lunten neben dcm Gcschütz. Ein Wald von Bavonncttcu biitzte im Sonnenschein, und hinter ihnen drangten sich zahllose Massen von Zuschauern beiderlei Geschlechts. Je mehr die zehnte Stunde heranrückte, je groter wurde das Gedrange, je arger die Lpannung und Neugierde, je heftiger die Ungeduld der Lolköhauscn in der Rahe dcr RitterholmSbrücke; dic Soldaten der Cbaine warnten jedoch das Volk, sich dcm Gcschütz nicht zu uahen, und der Anblick dcr brcnncndcn Luntcn machte mehr Eindruck, als Hals verliehen als ihr. Sie bereute jetzt von ganzem Herzen, hergekommen zu sein, um das bejammernswürdige Schauspiel mit anzusehen, und sie würde gern sogleich nach Hause gegangen sein, wcnn dieö angegangen ware, und das Gedrange sie nicht gezwungen hatte, unbeweglich stehen zu bleiben. Der wildeste Despot, der verzweifeltste Liebhaber, der gierigste Wucherer, das neugicrigste alte Weib, alle mussen sich dein Gesctz der Nothwendigkeit sügen. Als die Untersetzte sich daher vollkommen überzeugt hatte, daH in ibrer gegenwartigen Lage nichts zu thun war, that sie auch nichts als fluchen und ihre Blicke nach dem Hahne auf dem Ritterholmskirchthurm zu richten. Dieser empfand sicher eben so viel bei dem gratzlichen Schauspiel, welches jetzt vor sich ging, als Hunderte von den «inoefenden Zuschauern, ungeachtet der Ausrufungen, mit denen sie ihrer vermeinten Theilnahme Lust machten. «Herr Gott, was blitzt denn da so im Sonnenschein?" ries die Untersetzte pldtzlich. „Das war das Beil, liebe Frau. DaS ging verdammt rasch! Gott sei seiner armen Seele gnadig jetzt und in Ewigkeit!" „Wessen?" "Na, wessen sonst, als Brahe'S? Der Kops war mit einem Streich herunter." „Also ist die Sache schon geschehen! — Jch habe nichts gesehen und das ist auch ganz dasselbe..." sagte sie mit einem andachtigen Seuszer. „Herr deS Himmels, erbarme Dich der Seele dieseö armen Sünders jetzt und beim iüngsten Gericht!" 5 Diesem stommen Wunsche stimmten alle Umstehenden bei, nachdem sie ihre Blicke an dem abschculichen Schauspiel der Todesqual eines Unglücklichen gesattigt batten. Aber nein, gesattigt waren sic dnrch dieHmrichtung Brahe's noch nicht. Kein Einziger machte Miene, sich nach Hause zu begeben. Alle warteten mtt gespannten Blicken die Fortsetzung und den Schlch des unheimlichen Schauspiels ab. Nach Brahe wurde H orn hiugerichtet, — dann Stalsvard und zuletzt Puke. Erst nachdem alle Viere zu leiden ausgehort, verloren sich die mitleidigen Zuschauer, Gott sur die Seelen derjcnv gen bittend, deren korperliche Leiven sie um jeden Pre;s mit ansehen gewollt. ^ Der Menschenkenner hatte jetzt Gelegenheü, auch noch eine andere Bemerkung zu machcn. Die niedern Volksklassen, die man eigentlich die unglücklichen, die verwahrlosten nennen sollte, da sie vom Leben nur Mühe, Noth und Elend kennen lernen; — da ihre unbedcutendstcn Schritte bewacht und immer nur zum Schlimmsten ausaelegt werden; — da jedes ihrer Nergehcn mit Strenge bestraft wird und man sie in die mit Missethatern angefüllten Gefangnisse wirst; — da die christliche Liebe und Brüderschaft, womit uns von den Kanzeln herab d»e Ohren gesüllt werden, sür die niederen Klassen nur so lange gelten wie die Orgel tönt und man sich im Gotteshanse befindet: — diese beklagenswerthen Volksklasse die arbeitenden, armen, verwahrlosten, oder wie man sie nennen will - schienen mit ihrem Geschick vcrfthnt, als sie sich mit ihren glücklichern Landslcuten gle,chgestellt sahen, wenn auch nur aus dem Schaffot. Das Veil des Henkers auf dem Halse des Grafen batte für sie das Gleichgewicht wieder hergestellt, und gab dem grohen Haufen einen hohen Begriff von der Gerechtigkeit der Machthaber. Sie erblickten darin eine unmittelbare Fortsetzung derjenigen Gerechtigkeit, welche der Himmel selbst an dem Hause des Hochverrathers Brahe übte, indem noch in demselben Jahre, wo der Vater hingerichtet wurde, ein Sohn und drei Tdchter, alle im zarten Alter, durch den Tod hingerafft wurden. Am 26. Juli erneute sich das blutige Schauspiel. Das Gedrange der Zuschauer war nicht so grotz, wie das erste Mal. Ob daö Regenwetter die Neugierigen abhielt, — ob ihre Neugierde durch die Hinrichtung der Edelleute bereitö gestillt war, — ob das Ansehen der Hinrichtung vornehmer Leute das Volk mehr reizte, oder ob das Volk diejenigen bemitleidete, welche ihm naher standen und daher seine Blicke abwendete, — genug, als die drei Unteroffiziere Mozelius, Christiernin und Eseolin, so wie der Laufer Ernst am 26. Juli 1756 auf dem Ritterholm hingerichtet wurden, fehlten unter den Zuschauern manche, die der Ereeution Brah e'S und seiner Mitschuldigen beigewohnt hatten. Wir sindeu weder die Bcchftimme noch den Herrn mit dem Perspectiv, wohingegen das magere und das untersetzte Frauenzimmer sich wieder eben so pünktlich auf ihrem Posten cinfanden, wie das Militair sich auf dem seinigen. Diesmal hatten sie sich jedoch bessere Platze auögesucht als das erstemal. Die Magere steckte zwischen den Lafetten auf der Brücke, wahrend die Untersetzte sich einen höhern Staudpunkt auf der kurzen Mauer erwahlt batte, welche sich zwischen der Ritterbolmsbrücke und dem Ritterhause hinzieht. Zwar lief sie Gcsahr, ins Wasser zu stürzen und zu ertrmken oder sich den Hals zu brechen, aber sie wollte liebcr ihr Leben daran wagen, als sich noch emmal dem Gespött ihrer Nachbarinnen aussetzen, und abermals nach Hause kommen, ohne beim nachsten Kaffee im Stande zu fein, bis auf ein Haar daS AuSsehen, die Kleidung und Geberden der Delinquenten, die Haltung des Scharsrichters, die Fortschaffung der Leichen u. s. w. angeben zu konnen. . ^ ^ Als das Beil des Henkers zum letztenmal medersicl und das bluteude Haupt des Lciuscrs den Hcnkersknccht angrinzte, der es übcr die Seite brachte, bckam die Untersetzte plotzlich einen so hcstigcn StoH in den Rückcn, das; sic das Gleichgewicht verlor, und ganz bestimmt cm Opfcr ihrer Neugicrde geworden ware, wenn ein dicht an der Mauer stehender Baum ihr nicht Gelegenheit gegcben hatte, sich im entschcidenden Augenblick fcstzuhaltcn. gebald sie mit dem nöthigeu Gleichgewicht auch ihre Fa^ung wieder gewonnen, spahte sic nach dcr Vcranlassung zu diesem UnsaU. Da bemerkte sie zu ihrem grotzen Entsetzen dicht neben sich auf der Mauer ein Wesen, welches der Kleidung und dcr Gcstalt nach einem Menschen, der Farbe, dem Feuer in den Augen (sie glaübte sogar Feuer in seinem Munde zu bemerken) und den schncllcn Bcwcgungen nach abcr viclmchr dcm bösen G"ste glich, der nach der Meinung des Volks die Ruhtstatren umschleicht, um die Seclen der hingerichteten Verbrecher -u holen. Wahrend die Untersetzte einen Angstrus ausstich, der die Aufmcrksamkeit dcr Umstehenden aus sie lenkt., fatzte der böse Gcrst sie bcim Gcnick, und hiclt sich daran sest; um sich auf dcn FuHspitzcn zu erhalten und nach dem Schaffot zu fehcn, wobci scine Angen Funken sprühten. Nachdem er einige Scmnden daS vcr;crrtc Gesicht des Laufers betrachtet, sprang er schwcigeud vou der Mauer 'und verschwaud — unter den Volkshausen, wenn es dem Leser so beliel't, oder, wie es sich für einen Geist aus der Unterwelt besser schickt, in einem Abgrund, der sich plotzlich vor seinen Pferdefühen öffnete. Noch ehe die Sonne unterging, erzahltc man sich in ganz Stockholm, dcch der Tcufcl am hellen lichten Tagc crscl'icncn sci, um mit dcn Seelen der Hingerichteten zur Holle zu fahren. Für den Leser ist kaum nöthig anzusührcn, dafi der Höllcngeist kein anderer war als der Negerkuabe Bad in, der einen tödlicben Hatz gegen dcn Laufer Ernst uahrte, und auf die Richtstcitte gekommen war, um sich an scinem Tode zu weiden. Unter Leuten ohne Bildung und Erzichung sind die Lcidensck)asten in der Regel weit heftiger als bei Gcl'ildetern, und von allen Leidenschaften ist die Rachelust vielleicht diejenige, welchc den Menschen am tiefstcn eingepflanzt ist. Die Rachelust ist der einzige Ueberrest aus dem Naturzustande, den die erschlaffende Civilisation nicht zu verwischeu vermocht- Sie lebt fort unter dcn Martern, wie der Salamander im Fcuer; sie nahrt sich von Verfolgungcu, starkt sich durch Mihlingcn, gcwinnt an Krast durch Uuterdrückung, veredelt sich durch die Ungerechtigkeit andcrer, wcih sich Genugthuung zu schaffen in Kerkern und ihren Durst zu stillen in Fesseln. Nacht doch Gott selbst die Missethaten der Vciter an ih- ren Kindern bis ins dritte und vierte Wied, und cine Eigenschaft, welche die Volker der Erde, am höchsten Wesen verehren, dürfte daher wohl nicht allzustreng beurtheiit werden an Menschen, die nach seinem Ebenbilde gescharfen sind, am allerwenigsten aber an den Negern, die von ihren weiden Brüdern für eiue Abart hehalten, und danach behandelt werden. Zivölftes Kapitel. Es ist ein staatsrechtlicher Grundsatz, dah Regenten, die sich zwischen vorher bestimmten Granzen bewegen, wie übel sic auch Land und Leute regieren mogen, für ihre Person doch vor kcinem andcrn Richterstuhl verantwortlich sind, als vor dem der öffentlichen Meinung und der Geschichte. Es war indeH nicht Adolph Friedrichs und Louise Ulrikens Verdienst, daH 1756 die Sachen in Schweden nicht zu dcrselben Entwickeluug sührten, wie 1W0 die in Frankreich. Die Verschwörung wurde bei Zeiten entdeckt, und es flost kein andcreS Blut, als das der Hochverrather selbst. Die Theilnahme des Königspaares an dcn Umwcilzungsplanen war zwar entdeckt und auch bcwcislich, der Anschlag war jedoch nicht ausgeführt, die ausersehenen Opser nicht gefallen, und der Bürgerkrieg nicht ausgebrocheu. Es hing von den Standen ab, Gnade vor Recht ergehcn zu lassen; und im Gesühl seiner eigenen Starke, in der Freude, der drohenden Gefahr entgangen zu sein, licfz der geheime Ausschutz die Frage wegen der Absetzung deS Königs fallen. Die Strase wurde daher gescheukt, doch hielt man dasür, die Gclcgcnheit zu einer ernsten Warnung nicht vornbergehen zu lassen, und fand sich veranla^t, Maszregeln zn tressen, um der Wiederholung eines ahnlichen Fallcs vorznbengen. Louise Ulrikens einst fo muntrcr und glanzendcr Hof war jetzt diister, verlassen und verstimmt. Das Königspaar hatte sich in Drottningholm niedergelassen, um der Bestrafung seiner Kreaturen, die dem Gewissen des hohen Paares so peinlich und sur ihre Eigenliebe so dehmüthigend war, nicht zu nahe zu sein. Diese Veranlassungen zu Niedergeschlagenheit und BetrübniH waren jedoch nicht die einzigen, welche man zu Dr ottningholm hatte. Das königliche Paar schwebte auch in groter Bcsorgnch übcr die Bckcnntnisse, welche die Hochverrather abgelegt habeu konnten. Es war möglich, dasi sic dadurch in ihren gehcimsten Interessen blosgestellt worden, und sie sühlten sckon den Thron unter sich schwanken und das Richtbeil Maria's und Carl Stuart's über ibren Hciuvtcrn. Der König fand sich taglich in der Nathskammer ein, und that feinem Gefühle Zwang an, um ruhig zu scheiuen; und obgleich die Senatoren wnhten, datz sic sammtlick ihr Leben verloren batten, wenn die Verschwörung geglückt ware, so beobachteten sic doch eine anstandige Haltung gegen den Monarchen und tbaten, als ob nichts vorgesallen ware. Gerade dadurch aber sammelten sie glühendc Kohlen aus den Hanptcrn des Königspaareo. Taglich schickte die König in Boten nach der Hauptstadt, um zu erfahren, was zu wissen ihr am Herzen lag. Sie hatte sich die Schrcckenöscene des 23. und 2ö. Juli bis in die kleinsten Umstcinde hinein erzahlen lassen; als Bad in jedoch spater einmal mit wirklich satanischer Al!' schanlichkeit die letzten Angenblicke des Laufers Ernst schilderte, schien die Königin bisher nichts erfahren zu haben, und mutzte dem Negerknaben mit al'gewandtem Gesicht befehlen, seinen furchtbaren Bericht abzubrechen. Nachdem die Werkzeuge des Hofes bestraft waren, nahmen die Stande in ernsthafte Ueberlegung, wie sie gegen das Oberhaupt der Verschwöruug verfahren sollten. Die Frage der Absetzung wurde ansgeworfen, aber — wie bereits erwahnt — fallen gelassen. Man beschlost sich auf ernste Warnungen und einige Matzregeln zu beschraKen, welche dem Kdnigspaare die Mittel zur Verführung beschnitten. Schwedens Staatsmanner überlcgten sich wahrend der Zeit der Freiheit alles sehr genan, ehe sie einen Beschlusi fatzten, war dies jedoch geschehen, so wurde mit der Ausführung nicht gezögert. Es dauerte auch jetzt nicht lange, bevor das Königöpaar Schlag auf Schlag von den Verfügungen der Stande Kenutnitz bekam. Wie ode waren in dieser Zeit die weitlauftigen Gemacher und grosien Sale des majestatischen Schlosses Drottnngholm! Wie anhaltend zwangeu sich die Hofleute zu nichtssagenden Gesichtern! Welch' veinliche Vorsicht herrschte in allen Gesprachen! Das kömgliche Paar fürchtete sich, Betrübnitz zu zeigen, um keine Furcht vor seiner persinlichen Sicherheit zu verrathen; — es schamte sich vergnügt zu sein, um nicht gleichgültig zu dem Geschil! derjenigen zu scheinen, die für das Königshaus ge- 5 sFriedrich Is.) und des Graseu von Tessin liest, so sollte man glanben, man könnte aus ihnen denken kernen, wcnn so etwas sich überhaupt lcrncn lafit. Es scheint, ais hatten sic nnscre Sprachc nnr getrieben, mn uns zu corrigiren; al'er wir lassen uns nicht corrigiren. " Die Prinzessin Sopbie Albertine sasi auf einem Kinderstnhl, und batte den Kops des Prinzen Friedrich Adolph auf ihrem Scbovtz. Bei jedem Griff der kleinen Hand der Prinzessin nach den rollen Locken ihreS Brnders, zog dieser den Kops schalkhaft znrück, und beide lachten und l'lickten sich mit gröfiter Jnnigkeit an. Es lag ein Hinimel, eine Zukunst in dein Lacheln dieser Kinder. Karl, der mittelste der Brüder, stand am Fenster bei Fraulein von Knesebeck, und horte ;itternd nnd schaudernd eiüe Gespeustergeschichte mit an, welche diese ihm mit halblanter Stimme erzahlte. Badin, der heute den Einfall bekommen, die Artigkeit der Hofleute nachzuahmen, hö'.te mit unerschiitterlicker Geduld dem Kronprinzen Gustav zu, der ihm den Entwnrf eines seiner Schauspiele vorlas, und brach nicht in Gelachter aus, als der zehnjahrige Casar mit klagender, matter Stimme und erlöschendem Blick dem Neger vorlispelte: Der König tst Dir persönlich nicht abgeneigt, wie ich auS guter Hand weitz. Dics thut zwar nicht viel zur Sache, doch kann es uns -— ich meine Dir — in einer andern Angelegenheit, die hosfentlich nicht lange auf sich warten lassen wird, recht wohl zu statten kommen. Wir haben auf dem Reichstage so lange Deinen Rath und Deine Feder gehabt, datz wir jetzt auch Deiner Stimme bedürfen. — Nun," fügte er mit einem schlanen Blick hinzu, >— ,/wirst Du mir Gesellschast leisten?" "Das ware ja eine wirkliche Thorheit! Und welch' ein Triumph für meine Feinde, wenn ich unverrichteter Sache zurückkame!" „Unverrichteter Sache können wir niemals zurückkommen, denn was das Allgemeine anbetrifft, so fahren Wir eigentlich nur nach Stockholm um zu sehen, und ich möchte doch sehen, wer uns hindern sollte, unsere Sinne und unsere UrtheilSkraft zu gebrauchen. Und was Deine eigenen Angelegenheiten betrifft, so werden die Mützen, welche gegenwartig die Oberhand haben, Dir gerade darum Gerechtigkeit widerfahren lassen, weil die Hüte sie Dir vorenthielten." ,/Ware dies ihre Absicht, so könnten sie eS auch ohne meine Anwesenheit thun." ,/Aber es ist eine ganz andere Sache, Bruder Curt, wenn man selbst an Ort und Stelle ist und daö Feuer anblast. Gerechtigkeit möchtest Du wohl auf jeden Fall erlangen, aber keineRache. Willst Du den JustizKanzler gegen diejenigen mit in's Spiel ziehn, die Dir Abbruch gethan, so mu§t Du Deine Sache nothwendiger- weise persönlich bctreiben. (Listig.) Schwankst Du noch?" „Ich mutz wenigstens noch um Bedenkzeit bitten." „Nichts ist natürlicher. Ich werde überdieö crst in acht Tagen mit meinen Reisevorbercitungen fertig. Mein Reisewagen ist bequem, —wir haben beide Platz darin, und können unterwegs ungestört mit einander sprechen." „Du scheinst die Sache schon für abgemacht zu halten. Mein lctztes Wort kann ich Dir indch heut noch nicht sagen. Aus's Ungewisse hin reise ich auf keinen Fall nach der Stadt. Ich bin überzcugt, datz Du meine Angelegenheiten mit allem Eiser eines Freundes bctreiben wirst; doch sie sind weder der Hauptzweck meiner Rcise, noch dürsen sie es sein. Du sagtest, dasi Du sehen und beobachten wolltest. Sage mir ausrichtig, waS Deine Beobachtungslust eigentlich reizt." „Der Hos." „Der Hos?" „Ja." „Beabsichtigst Du, Sinklaire zu verdrangen und an seine Stelle zu treten?" „Keineswegs." „Du solltest unsern stommen König und unsere eigenmachtige Königin doch wohl hinlanglich kennen. Willst Du vielleicht der ausgehenden Sonne, unserm jungen Thronsolger, huldigen? Die Hosleute kennen wir langst, an ihnen ist nichtS zu beobachten." „Nein und ja, — wie man's nehmen will. Ich will zunachst die Stellung des jungen Hoses zum alten untersuchen, — will sehen, welche Augendiener, Oh- renblaser, Schmeichler und Speichellecker sich um das alte und neue Adlernest drangen, — will beobachten, ob sich Muiter und Sohn, noch wie bisher, in die Hande arbeiten, oder vb der Knabe den Mann spielen will, und die Muiter bereut, eine Schlange an ihrem Busen genahrt zu haben; — ich will den Grad der aufiern Hbflichkeit zwischen der prensiischen und der danischen Königstochter messen und die Besuche zahlen, welche die fremden Ge-sandten, die Senatoren und die Haupter des Reichstages der Einen oder der Andern machen. Dies alles must man wissen, um sich danach richten zu können, wenn die Stunde des Handeins schlagt. Man kennt doch alsdann seine Leute, weiH, an wen man sich wenden kann, und welche Saite man anschlagen must, um diesen oder jenen Ton zu erhalten." »Das la^t sich horen; doch alle diese Beobachtungen und Entdeckungen machst Du am Besten auf eigene Hand." „Vier Augen sehen mehr als zwei; und Du weitzt Bruder Curt, dah es ausier den meinigen nur noch zwei in der Welt giebt, auf welche ich mich verlasse. Was helfen mir überdies meine Augen ohne Deine Hande? Wenn ich mit dein Schwerte eben so schwach ware als mit der Feder, so könnte ich bestimmt kein Regiment befebligen; und hatte ich Dich nicht zum Freunde gehabt, so dürften uusere Reichstagsfreunde um mauchen politischen Sieg armer sein." "Gestehe, da^ diese Schmeicheleien nngesagt geblieben waren, wenn ich Dir bereits mein Versprechen, Dir Gesellschast zu leisten, gegeben batte." li „Tu bist auch immer so verwünscht mitztrauisch, und — " „Zur Sache!" „Tic Tcmveratur des Hosklima's Hat in den letzten zchn Jahren eine wesentliche Bcranderung erlitten. Seit die Brahe'sche Hockverratkcrci in Rauch aufging und mit der Hinrichtung der Vcrschworenen endete, (wclches — beilaufig gesagt — das Beste war, was die Hüte wabrend ihrer Allmacht geleistet, obglcich sie dadurch Hand an sich selbst gelcgt), Hat die Konigin nicht mehr gewagt, so ossen zu Werke zu gcben als früher, und ibre Handlanger sind um ihre Kopse besorgt. Ietzt werden alle Ranke gan; hcimlich ges^miedet und baben eine neue Werkttatte gefundcn, deren Ecken und Winkel w.r sorgfaltig durchsucben mussen. Hast Tu viellcicht zusallig vom Zcl'weizer Beylon svrechcn hören?» „Jm Hofkalender sindet sich ein Vorleser der Königin unter diesem Namen.» „Ganz recht." „Trlite er vicllcickt ein Viee - Sinklaire scin?» „Höher binauf, Bruder Curt, höhcr hinanf! Er ist nach den Nachrichtcn, die ich cingezozen, nichts mehr u.id nichts weniger als das Factotum des ganzen königlichen H»au,'cs. Der König hcgt und pflegt ihn, wcil er die Königin bei guter Laune erhalt und ihm im Nochsall Tarleben von den reicken Kausleucen Stockholm's verschasst, mit dencn der Herr Vorleser sich zu befreunden verstanden; — Tic Konigin theilt ibm ihre gehcimsten Gedanken mit; — die koniglickcn Kinder wenden sich an ihn, wenn sie irgcnd ctwaS von ihren Altcrn zu erlangen wünscheu; — er ist der Vertraute von Allen in ihrcn hauslichen Angelegenheiten, und ich mützte mich sehr tciuschen, wenn er nicht im Begriff stande, auch die Leitnng der StaatSangelegenheiten zu übernehmcn. Das ist es eben, was man heraus zu bekommen suchen Mich. Ter Mann soll viel Sinn für einen leckeren Tisch haben und ein ausgemachter Feinschmecker sein; vb er dabei auch eine Schwache für edle Metalle Hat, ist bis jetzt noch nicht zu ermitteln gewesen. Das ist eine autzerst zartc Saite, die mit höchst geschickter Hand angeschlagen werden must. Lange soll es jedoch nicht dauern, ehe ich darüber aufgeklcirt bin./, „Wo schreibt er sich her, und wie ist er an den Hof gekommen?" „Als die Hiite in Folge der Ereignisse des Jahres 1756 bei Hofe schlecht angeschrieben standen, wendete sich die Konigin mit der Bitte au Düben, ihr doch einen Vorleser zu verschaffen, der so viel Bildung besaHe, daH die Königin, wenn sie des Vorlesens müde ware, sich auch mit ihm in ein Gesprach cinlassen könnte. Düben begriff sehr leicht die Wichtigkeit einer solchen Stellung, irrte sich jedoch in der Person. Er verschrieb einen Reformirten ans Genf, von welchem er glaubte, dasi er ans Dankbarkeit stets den Planen und Ansichten seiner ersten Beschützer getreu bleiben würde. Mit Grnnd fürchtete er, ein Franzose mdchte sich der Parthei seines VaterlandeS, den Hut en, anschlichen, und ein Katholik zu königlich gesinnt sein, da dies seine Religion mit sich sührt. Beylon Hat jedoch, nachdem er in seinen neuen Kleikern warm, und vom Vorleser zum ge- heimen Rath der Konigin geworden, den Mützen den Rücken zugewendet, und fcheint den Hüten mehr gewogen. Ich glaube indeH, er belauert auch diefe; denn der Mensch ist unergründlich und verschlagen, und scheint Hof und Land auf eigene Rechnung regieren zu wollen. Auf ihn und auf das, was sich bei ihm und um ihn zutragt, muf' man ein wachfames Auge haben." „Fort mit dem Schleier: >— Du willst fpioniren." „Nicht ich." „Und ich noch minder!" „Was für Grillen! Das kann auch gar nicht meine Meinung sein. Ich glaube einen sichern Kanal zum königlichen Schlotz gefunden zu haben." „Und dnrch wen?" „Durch den Mohren." „Badin?" „Kein Anderer." „Der freche Schlingel! Es fehlte nur noch, datz er auch zum Verrather an feinec königlichen Wohlthaterin würde. Nein Pechlin, das taugt nichts, und er taugt auf keinen Fall zu der Rolle, die Du ihm zudeukst. Wie wolltest Du Dich auf die Angabeu eines leichtsinnigen Narren verlassen köunen, der nie etwas Anderes als unverfchamte Streiche gemacht, und dem nie etwas auf Erden oder im Himmel heilig gewefen? Was könnte er Dir berichten, wenn nicht einfaltiges Zeug, Liebeshandel der Damen des Hofes und Ausfalle der Konigin gegen ihre Feinde? „Siehst Du, Bruder Curt, tempora mut»ntur et nns inutk>mur in illi», — so viel habe ich noch von nicincm Latein behaiten. Bad in ist nicht mehr derselbe, der cr vor fnnf bis scchs Jahren gewesen. Die Konigin bekam seine Unarten satt, und lietz ihn strenge und unablassig züchtigen, bis er so zahm wie ein anderer Mensch wurde, nur mit dem Unterschiede, da^ er, als ein echter Südlander, lebhaster und schneller entschlossen ist als wir Nordbewohner. Er geht im Schlofse bei Allen ans und ein, wie es ihm nur irgend beliebt, von der Konigin, dem Könige und den Prinzen an bis hinab zu Beylon. Es ware gar nicht übel, wenn man den Mohr aus seiner Seite oder in seinen Handen hatte." "Du scheinst mir, was das Letztere anbetrisst, schon auf gutem Wege zu sein, — sonst warst Du nicht so sreigebig mit Deinem Vertrauen. Es ist Dir auch im Beginn unserer Unterhaltung schon etwas entschlüpft, was mich in meinem Verdacht bestarkt." „Errathen, Bruder Curt!" "O, was gabe ich nicht darnm, wenn wir all' dieser Schliche nicht bcdürsten! DaH der Schweizer Beylon im Stande war, sein sreies Gens zu verlassen, um hier Selavensesseln zu tragen, giebt mir einen schlechten Begriff von ihm." „Das ist so der Welt Lauf, Brüderchen. Will man mit den Wolsen essen, so mus? man auch mit ihnen heulen. Vielleicht thust Du dem Manne unrecht. Wenn er am Genser See kaum einen Heller galt, am Malarsee aber einem Dukaten gleichgeachtet wird, so ist der Tausch nicht so uneben. Dies alles lönnen wir hier am