3 „Die Urkunden deutscher Sprache in der Kanzlei Karls IV." den Weg, den er eingeschlagen habe, deswegen für irrig gehalten natten, weü nur „von der Zurückführung der sprachiichen Eigentümlichkeit der Kanzleisprache auf die einzelnen Schreiber und Diktatoren allein eine Lösung der Frage zu erwarten wSre". Er verwirft jedoch diese Ansicht der Kritiker mit dem Hinweis auf die Tatsache, daB die Beinamen der Diktatoren in der Kanzlei, wie z. B. „Conradus de Oysenheim", keine „Bezeichnungen der Herkunft des betreffenden Beamten der Kanzlei, sondern schon in unserem Sinne Familiennamen seien" und leugnet es, daB „von der Zurückführung der sprachiichen Eigentümlichkeit auf die einzelnen Schreiber allein sichere Kriterien zu erlangen waren." DaB von dieser „Zurückführung" allein keine sicheren Kriterien zu erlangen sind, versteht sich. DaB die sprachliche Eigentümlichkeit der einzelnen Schreiber jedoch ein Faktor in der Beurteilung sein muB, ist mir nicht weniger selbstverstandlich. Die Nichtberücksichtigung jedes Faktors, der mitgewirkt haben muB, steht einer richtigen Auffassung im Wege. Prof. Outjahr leugnet es, daB diese Familiennamen eine zuverlassige Orundlage für die Beurteilung der Frage nach der Herkunft der Schreiber bieten. Einverstanden! Aber deshalb ist noch nicht der Weg, durch die Ermittlung der Heimat der betreffenden Beamten sprachliche Eigentümlichkeiten der Kanzlei zu erklaren, abgeschlossen. Die Urkunden selbst, nicht die bloBe Unterfertigung oder die Familiennamen an sich, können AufschluB über die Herkunft der Kanzlisten geben. Enthalten sie doch oft Hinweise betreffs der Heimat dieser Beamten. Bei Kaiser Sigismund ist dies oft der Fall. Verfasser betrachtet es als einen Teil seiner Aufgabe gerade durch den Inhalt der Urkunden eine sichere Basis, für die Frage nach der Herkunft und dem sprachiichen EinfluB der Mundart des Kanzleipersonals zu bekommen. Er weiB wohl, daB es ihm nur teilweise gelingen wird die Herkunft festzustellen, glaubt aber doch genug gefunden zu haben urn mehrere Eigentümlichkeiten der Kanzleisprachen Sigismunds und Friedrichs III. erklaren zu können. Auch in der Frage, wieweit die Kanzleisprache 6 Vorgang bewirkten einheitlichen Sprache nichts zu bemerken." Auch nach Virgil Moser (Hist. Oramm. Einführung in die Frühneuhochdeutschen Schriftdialekte 1909 S. 16) „ist ein tieferer EinfluB der Böhmischen auf die übrigen Kanzleien nicht erwiesen". Und noch 1913 erklart Franke (OrundzGge der Schriftsprache Luthers I S. 23) i „Doch ist weder eine sprachliche Beeinflussung der gleichzeitigen andern Kanzleien noch der nachfolgenden Kaiser wissenschaftlich erwiesen. Auch von der böhmischen Kanzlei der Luxemburger wird dies noch bestritten". Was den EinfluB der Luxemburger Kanzleisprache auf die der Habsburger betrifft, auch in dieser Hinsicht sind die meisten Forscher andrer Meinung als Wülcker und Müllenhoff. Schon Karl v. Bahder erklart 1890 a. a. O. S. 3: „Diese dem Neuhochdeutschen sehr nahe stehende Sprache (Karls IV.) hatte wenigstens in der kaiserlichen Kanzlei keine unmittelbare Fortsetzung". Er spricht sogar von einer „groBen Kluft", welche die Kanzlei Friedrichs III. von der früheren Prager Kanzleisprache trennt: „Doch kann vielleicht in einigen Punkten eine Anpassung an diese zugegeben werden". Auch Ehrismann (Oött. Gel. Anz. 1907 S. 917) leugnet in seiner Kritik auf Gutjahrs „Urkunden deutscher Sprache in der Kanzlei Karls IV." den Zusammenhang dieser Kanzleisprache mit den spateren Kanzleien und der nhd. Schriftsprache : „Man kann nicht mit dem Verfasser sagen (S. 399 ff.), daB in dem Kanzleistil Karls mit seiner strengen Ordnung und Regel für alle deutschen Kanzleien ein sprachliches Ideal errichtet worden sei und gar, daB die deutschen Kanzleien von Eyke an bis heute der „sechsischen" Kanzlei als einem Ideal nacheiferten". Outjahr selbst dagegen (Die Anfange der nhd. Schriftsprache S. 213) erklart: „Ihr Erbe (nl. die Sprache der Beamten) der Kanzlei Karls IV. tritt nach dem Aussterben der Luxemburger ohne Schwierigkeit die österreichische Kanzlei an." Und Moser sagt wieder: (Hist. gramm. Einführung in die frühneuhochdeutschen Schriftdialekte S. 16) „Es kann nur von einem vollstandigen Untergang jener böhmischen Sprache in der kaiserlichen Kanzlei die Rede sein." KAPITEL I. Das Kanzleipersonal Kaiser Sigmunds. Die Mitteilungen über das Kanzleipersonal Sigmunds durch Lindner (vgi.: Das Urkundenwesen Karls IV. und seiner Nachfolger S. 33 ff.) machen keinen Anspruch auf Vollstandigkeit. Es ist Lindner nicht gelungen, die Organisation der Kanzlei ganz klar zu erkennen: das vorhandene Material sei zu zerstreut und die Registerbande seien zu massenhaft gewesen. Seit dem Erscheinen der Regesta Imperii XI, „die Urkunden Kaiser Sigmunds, verzeichnet von Wilhelm Altmann" (1896—1897) ist es jedoch möglich etwas mehr Klarheit in das Dunkel der Personalverhaltnisse der königlichen und kaiserlichen Kanzlei zu bringen. Die römische Kanzlei Sigmunds, die anfangs mit der ungarischen zusammenzufallen scheint, hat vier Kanzier gekannt: 1410—1418 Erzbischof johann von Gran. 1418—1423 Bischof Georg I. von Passau (v. Hohenlohe). 1423—1432 Bischof Johann von Agram (v. Alben). 1432—1437 Caspar Sligk. Ich komme hier schon gleich mit Lindner S. 34 in Konflikt. Nach ihm sei erst 1418 ein Kanzier aufgetreten: Bischof Oeorg ^on Passau. Vor diesem Jahre habe es bloB einen Vizekanzler gegeben, nl. „Johannes prepositus S. Stephani oder deStrigonio bis in den November 1417". Er sei in Konstanz am 30. Dezember 1417 gestorben. „Nach Aschbach ware er 1417 Kanzier geworden und Erzbischof von Gran gewesen, waïirend er noch 12 in der letzten mir (nl. Lindner) bekannten Unterferligung sich nur vicecancellarius und praepositus nennt". In der Tat nennt sich johannes praepositus de Strigonio noch in der letzten Urkunde „vicecancellarius" Der Propst Johann von Gran war Vizekanzler. Dieser Propst ist jedoch nicht identisch mit dem Erzbischof Johann von Gran. Es gibt nl. von 1410— 1418 zwei Personen in der Kanzlei mit demselben Namen: lo den Erzbischof Johann von Gran, Kanzier, 2o Propst Johann von Gran, Vizekanzler. Wiederholt kommen doch Urkunden vor, die sich auf Johann Erzbischof von Gran beziehen und die ad. m. d. r. von Jo. prep. s. Stephani vicecanc. unterfertigt worden sind. Vgl. A. R. 359 (26. Sept. 1412) und A. R. 870 (15. Nov. 1414). Es ware den Kanzleigewohnheiten ganzlich zuwider, wenn der in einer Urkunde genannte Kanzleibeamte auch selbst diese Urkunde unterfertigte. Sehr deutlich zeigt sich das in den Urkunden, die sich auf Caspar Sligk beziehen — und es gibt deren viele, da Caspar Sligk seine Steliung als Kanzier in ausgiebiger Weise dazu benutzte sich mit fetten Pfrflnden zu versehen, — immer unterfertigt dann ein Protonotar. Den Ausschlag gibt jedoch die Tatsache, daB in ein und derselben Urkunde (A. R. 300) unter den Mitsieglern beide genannt werden, der Kanzier E. B. Johann von Gran und der Vizekanzler Propst Johann von Gran. Das Verschwinden des Propstes aus der Kanzlei gleich nach dem Tode seines Herrn mag Veranlassung zu Lindners Versehen gegeben haben. Am 30. Dez. stirbt der oberste Kanzier in Konstanz, am 23. Dez. 1417 wird die letzte Urkunde von dem Propst unterfertigt. Die Angriffe Lindners auf den Biographen Sigmunds, Aschmann, (S. 34) betreffs der erzbischöflichen Würde Johanns verlieren hiermit ihren Wert. Uns interessiert vor allem die Tatsache, daB der Kanzier ein Ungar war (Vgl. A. R.: S. 196). Unterfertigt hat der Kanzier — soweit sich wenigstens nach Altmann beurteilen laBt — keine einzige Urkunde. Er scheint sich aiso vorwiegend mit den ungarischen Angelegen- 16 bach meint (Vgl. Lindner, FuBnote S 36), die ganze Zeit in Sigmunds Diensten gewesen. Doch treffen wir ihn wieder in der Kanzlei Friedrichs III. (Vgl. G. Voigt: Aeneas Silvio de' Piccolomini als Papst Pius II., I S. 281). Peter de Wlaschim und Georgius vicecancellarius, die im ersten Monat seit dem Regierungsantritt unterfertigen und dann wieder verschwinden, gehören wohl der ungarischen Kanzlei an. Im Jahre 1415 tritt auBerdem noch auf Jodocus Röt, der canonicus Basiliensis, der aber 1416 nur noch 1 X* unterschreibt. Am 22. Jan. 1416 wird er Sekretar des Königs genannt (A. R. IQ)5); vgl. auch 1940 „dem sekretar Jost Roth", item 1966. Ob er Protonotar war und identisch mit dem A. R. 3491 genannten Domherrn zu Regensburg Jost Rot, lieB sich nicht feststellen. 1418—1423. Am 30. Dezember 1417 stirbt, wie gesagt, der Kanzier Erzb. Johann von Grah. Sein Nachfolger wird Bischof UIrich van Passau (von Hohenlohe). Nach Altmann soll er auch Erzbischof von Gran gewesen sein. Ich kann das aus den Urkunden dieser Zeit nicht feststellen. Unter den Zeugen kommt in dieser Zeit, im Gegensatz zu der Zeit vor 1418 und der nach 1423, ein Erzbischof von Gran nicht vor, immer nur der Bischof UIrich von Passau, königl. Kanzier. Nie wird von dem „Erzbischof" Kanzier UIrich berichtet. Wohl erscheint er im Jahre 1423, unter Zeugen in Urkunde A. R. 5493 als der KglKanzler B. Georg v. Passau, „Verwalter des Erzbistums Gran". Auch nach seinem Tode, vor dem 4. Aug. 1423 zu Gran, wird bei der Veröffentlichung seines Testaments gesprochen von dem Bischof Georg von Passau und Verweser des Erzbistums Grans. Den Titel Erzbischof scheint er also nicht geführt zu haben. Wie sein Amtsvorganger unterfertigt er selbst nicht. Es ist auffallend, daB diese beiden ersten Kanzier, ganz im Gegensatz zu ihren Nachfolgern, besonders zu Caspar Sligk, sich an der Unterfertigung nicht beteiligen. Als Unterfertiger treten in diesen Jahren auf: 1418: Paulus de Tost (vom 1. Jan. an) (214 X)> vor allem unter- 17 schreibt er im zweiten Halbjahr; joh. Kirchen (165 X)> seit dem 5. August nur 1 X (am 3. Okt); Johann Oersse (56 X)» Michel de Priest (23 X). 1419: Michel de Priest (41 X)> besonders seit dem 1. April, Paulus de Tost (35 X)> besonders vor dem li April, p Johann Oersse (7 X)1420: Michel de Priest (137 X)> Frpnciscus praepos. Boles- laviensis (40 X)- Joh. Kirchen (19 X), Steffanus (3 X), Johannes de Bam- berg (1 XS Arnestus de Richenburg (1 X)1421 : Franciscus praepos. Bolesl. (81 X)> Michel de Priest (29 X)> Joh. Kirchen (1 X)1422: Franciscus praepos. Strigoniensis (154 X >> Michael praepos. BoleslaviensiS(127 X),J°h. Kfrchen, zuletzt: 18. Sept. 1422. FRANCISCUS BOLESLAVIENSIS. Am meisten unterfertigt seit 1420 Franciscus praepositus Boleslaviensis. Bis 1426 scheint er tatsachlich an der Spitze Öer Kanzlei zu stehen. Was wir bei Michel de Priest und Johann Kirchen nie finden, das treffen wir bei ihm an: das Pradikat „Vizekanzler",nicht nur in Urkunden, in denen er genannt wird, wie A.R. 4712 (am 28. Jan. 1422) „nachdem er den Treueid an den königlichen Vizekanzler Franz, Propst zu Gran, geleistet hat" (vgl. auch A.R. 5894 unter den Zeugen: „Franz, Propst zu Oran, Vizekahzler"), sondern auch in Unterfertigungen, (vgl. A. R. 6635: „ad m. d. r. Franciscus vilce-canceilarius"; s. auch A. R. 6639, 6643, 6675). Dies stimmt also mit Aschbach überein, der behauptet, es habe neben dem Kanzier immer einen Vizekanzler gegeben. Lindner wagt es nicht Aschbach beizustimmen. Er schreibt S. 33: „Ich stoBe besonders auf die Schwierigkeit, daB Aschbach behauptet, es habe neben dem Kanzier immer einen Vizekanzler gegeben Er führt mehrere an: Joh. Kirchen, den Erzbischof Johann von Oran, den Graner Propst Franciscus, den Agramer Propst Matthias, Kaspar Sligk, Georg Fiscelius; genannt wind sonst noch Benedikt, Propst von StuhlweiBenburg. Von diesen weiB ich aus den Unterfertigungen einzelne gar nicht, andre wenigstens nicht in dieser Stellung nachzuweisen". Und S. 35 : „Einen Vizekanzler finde ich seit dem 18 Amtsantritte Oeorgs von Passau nie in den Unterfertigungen." Die Untersuchung der Unterfertigungen ergibt nun deutlich, daB in der Tat das Vizekanzleramt in der Kanzlei existiert hat! Vizekanzler waren: Johann, Propst zu Qran, also nicht der Erzbischof, unter dem Kanzier Johann E. B. von Gran; Franciscus praep. Strigoniensis oder Propst zu Gran, unter dem Kanzier Bischof van Passau und bis 1426 unter dem Kanzier Bischof von Agram; schlieBIich Caspar Sligk unter letzterem, bis er selbst Kanzier wurde; vgl. A. R. 9132, 9134, 9157 u.a. Von Johann Kirchen kommt die Bezeichnung: „Vizekanzler" in den Unterfertigungen nicht vor. Der Agramer Propst Matthias war ungarischer Vizekanzler (vgl. A. R. II. S. 527). Benedikt, Propst von StuhlweiBenburg, war papstlicher Protonotar und gehörte als solcher nicht der römischen Kanzlei an. Georg Fiscelles habe ich ebenso wenig wie Lindner in den Urkunden finden können. Der Vizekanzler Franciscus trat als praepositus Boleslaviensis in die Kanzlei. Oktober 1421 erhSlt er die Propstei von Gran und unterfertigt denn auch danach als „praepositus Strigoniensis", wahrend Michel de Priest Propst zu Bunzlau wird. Doch scheint er schon zuvor mit Oran in Verbindung gestanden zu haben, da bereits 1420 (A. R. 4232, 4284) vereinzelt das PrSdikat „praepositus Strigoniensis" vorkommt. Spater tritt er aus der Kanzlei und wird Kustos der Breslauer Kreuzkirche; vgl. die Urkunde A. R. 6711 vom 14. August 1426 : „die Ausfertigung der (erschlichenen) Urkunde sei nicht durch den (Sekretar). Franz, jetzt Kustos zum hl. Kreuz in Breslau, erfolgt, sondern durch Michel Propst zu Boleslaw und dann auch von dem Registrator Heinz Fye 1422 in Nürnberg registriert worden." Mit diesem Franz kann kein andrer gemeint sein als Franciscus, Propst zu Oran, der 1422 in Nürnberg haufig unterfertigte; vgl. auch A. R. 7255 (23. April 1429), wo unter den Zeugen genannt wird : „Meister Franz, Kustos der Kirche zum hl. Kreuz zu Breslau, Kgl. Protonotar". IQ Paulus de Tost. Paulus de Tost entfaltet seine umfassendste Tatigkeit im Jahre 1418 und in der ersten Halfte des folgenden Jahres. In den Urkunden selbst konnte ich ihn nicht entdecken. Nach Lindner war er schon in der Kanzlei Wenzels als Registrator tatig (20. Marz 1404—19. Dez. 1406). Auch Johannes de Bamberg, der einmal unterfertigt, stammt aus der Zeit Wenzels. 21. Jan. 1398—18. Jun. 1404 war er Registrator und weiter bis an den 3. Aug. 1419 Protonotar. Im jahre 1423 tritt ein neuer Kanzier auf, der Bischof zu •ftgram, Johann von /Alben, ein geborner Deutscher. Er unterfertigt zum ersten Male am 28. Juli 1423 (A.R. 5573) als Johannis episc. Zagrabiensis cancellarius. Bis an den 4. Marz 1427 unterfertigt er sehr oft, scheint dann aber die Geschafte der Kanzlei der Hauptsache nach dem Vizekanzler Caspar Sligk überlassen zu haben, der in den Jahren 1428—1432 die meisten Urkunden unterfertigt. Im Jahre 1428 unterfertigt der Kanzier überhaupt nicht, 1429 drei Urkunden, 1430 nur im Mai und vereinzelt wan ren d des Besuches an Nürnberg. Erst 1431 er sch einen wieder mehrere vom Kanzier unterschriebene Urkunden gelegentlich des Nürnberger Reichstags. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daB der immer geschaftige Caspar Sligk den obersten Kanzier in den Hintergrund drangt. Es kommen doch schon 142Q Unterfertigungen von Sligk vor als „cancellarius" (A.R.. 7400, 7420, 7430). Auffallig ist auch, daB Caspar Sligk gröBere Geschenke bekommt als der Kanzier selbst; vgl. Augsburger Chron. V. S. 385, Zu dem Aufenthalte des Königs Sigmunds : Dem „Schlicken" „schankt" man bedeutend mehr als dem „ungerischen Kantzier". Doch wird Sligk erst Ende 1432 Kanzier. A.R. Q262 vom 2. October 1432 ist die letzte Urkunde, in der der oberste Kanzier, der Bischof Johann von Agram, genannt wird. Der Todestag laBt sich nicht genau feststellen. Als Unterfertiger treten in den Jahren dieses Kanzlers sonst noch auf: 1423: Franciscus, Propst zu Gran (91 X). Michel, Propst zu Bunzlaw (38 X)- 20 1424: Franciscus, Propst zu Gran (60 X), Michel, Propst zu Bunzlaw (57 X)1425: Franciscus, Propst zu Gran (87 X), Michel, Propst zu zu Bunzlaw (60 X)1426: Franciscus, Propst zu Gran (15 X), Michel, Propst zu Bunzlaw (77 X), Matthias praep. Zagrab, der ungar. Vizekanzler (1 X)1427: Michel, Propst zu Bunzlaw (21 X), zuerst am 30. Sept. 1427, Caspar Sligk (22 X). zuerst am 4. Juli 1427, Petrus Kalde, zuerst am 21. Juni 1427. 1428: Caspar Sligk: fast alle Urkunden, Peter Kalde, Canon. Zagrabiensis (1 X), Franciscus de Gewicz (2 X), Simon de Asparn (1 X). 1429: Caspar Sligk: fast alle Urkunden, Simón de Asparn (2 X). Franciscus de Gewicz (7 X) 1430: Caspar Sligk: fast alle Urkunden, Peter Kalde (2 X), Franciscus de Gewicz (3 X)1431 : Caspar Siigk: fast alle Urkunden, Symon de Asparn (6 X), Peter Kalde (2 X). Hermannus Hecht (Heecht) (5 X), zuerst am 17. Juli 1431. 1432: Caspar Sligk: fast alle Urkunden, Symon de Asparn (2 X), Peter Kalde (8 X). wahrend Sligk als Gesandter sich in Rom befindet Wie man sieht, unterfertigt Caspar Sligk in der Periode 1428 — 1432 fast alle Urkunden. Von dem Kanzier selbst fand ich in dieser Zeit nur 40-mal die Unterfertigung. Wenn Protonotare «nterschreiben, so ist das sehr oft der Fall in Urkunden, die sich auf Sligk oder seine Verwandten beziehen. Doch erscheinen gerade in dieser Zeit von diesen Protonotaren Namen, die uns spater oft begegnen werden. Peter Kalde. Zunachst Peter Kalde, der in den letzten Regierungsjahren des Kaisers eine rege Tatigkeit entfaltet. Seit der Krönung des Königs in Aachen am 8. Nov. 1414 ist er schon in der Kanzlei tatig; vgl. A.R. 11622 (6. Sept. 1437): „belehnt Peter Kalde aus Jülich, seinen obersten Schreiber und Protonotar, der ihn seit seiner Krönung in Aachen überallhin standig begleitete 21 und ihm so lange Zeit die treuesten Dienste geleistet hat, mit dem Dorfe Crimderode bei Nordhausen." Zuerst kommt sein Name vor in der Urkunde vom 4. Jan. 1418 (A.R. 2/75); unter die Familiares des Königs werden aufgenommen u.a.: „der Heinrich Fye aus Rotta (der spitere Registrator), der Peter Kalde (scriptor, domesticus et continuus commensalis) aus Setterich, der Peter Schenk (scriptor, domesticus et cont. comm.) aus Waibstadt, der Caspar Sligk aus Eger". Peter Kalde aus Setterich, ein Norddeutscher, aus der Oegend von Aachen, deshalb oft Peter Oülieher genannt, ist bis an Sigmunds Tod in der Kanzlei t§tig gewesen. Erst 1428 tritt er zum ersten Male als Uriterfertiger auf und noch dazu bis 1433 sehr vereinzelt Registrator war er niéht. Die Abfassung der Briefe, die Verfertigung der Konzepte muB also seine Arbeit gewesen sein; vgl. A. R. 7783 „Peter Kalde, der ihm in seiner Kanzlei als Notar Und Schreiber der Briefe (littérarüm nostrarum regalium scriptor) treu gedient hat". Gewöhnlich werden die Konzepté und die Briefe von einem andern als dem unterfertigenden Pronotar verfaBt; vgl. Lindner S. 151 : „Das Conzept wurde von einem Beamten der Kanzlei entworfen, in der Regel ohne Datum hinzuzüfügen. Dasselbe wurde einer zweiten Person, wahrscheinllch dem Kanzier oder einem Protonotar vorgelegt, der es durchsah und nötige Anderungen vornahm, gelegentlich auch, doch nicht immer, das DatUm hinzufügte. Dasselbe blieb entweder ganz weg oder wurde von derrt Concipltten, nachdem er das Blatt zurückerhalten und entweder selbst ins Reine abschHèb oder durch einen andern schreiben lieB, hinzugefügt." Man hat sich immer gewundert, daB die Kanzleisprache Sigmunds wieder viel haufiger die alten Langen /, ü und ü für mhd. iu anwendet als die Sprache seiner Vorganger. Könhfe die Verwendung eines Norddeutschen aus einer ï-Oegend nicht ein Grund dieser Erscheinung sein ? Wenn sich noch andere Notare 22 aus I-Gegenden nachweisen lieBen? Da hitten wir wohl die Erklarung dieser eigentümlichen Erscheinung in Sigmunds Kanzlei und vielleicht auch von dem Auftreten dieser alten Langen in der Kanzlei Friedrichs III. Wir wollen es untersuchen. Peter Kalde war ein Vertrauter des Königs und des spateren Kaisers, er gehorte zu den Familiares, wurde 1420 geadelt(A.R. 4352), war 1430 Pfarrer der Andreaskirche zu Neumarkt1) und wurde imselben Jahre zum Haussekretar und standigen Tischgenossen des Königs ernannt (A. R. 7783). Im Jahre 1432 ist er Domherr an der Marienkirche zu Aachen (A. R. 9021), wird am 6. Mai 1433 (A.R. 9423) Protonotar und bekommt im September die freigewordene Propstei zu Nordhausen (A.R. 9685). Herm. Hecht. Der zweite Name, der in dieser Zeit zuerst in der Unterfertigung vorkommt, ist der des Hermannus Hecht oder Heecht, zuerst am 17. Juli 1431. Hecht ist bis an Sigmunds Tod eine der wichtigsten Personen in der Kanzlei. Auch er kommt aus einer i-Oegend, aus Flandern. Wie Peter Kalde ist er schon Jahre in der Kanzlei tütig, bevor er unterfertigt. 1417 wird er unter Sigmunds Hofgesinde aufgenommen. Er ist damals Notar. Erst 1434 kommt er als Protonotar vor: (A.R. 10113). Ebenso wenig wie Peter Kalde unterfertigt er als Notar. Bevor der Notar regelmatig unterfertigt, findet die Ernennung zum Protonotar statt Neben diesen beiden kommen noch vereinzelt vor: Franciscus de Oewitz und Symon de Asparn. Franciscus war schon unter Wenzei, anfangs als Registrator, spater (ll.Nov. 1395—15. Juli 1400) als Protonotar tatig. Der zweite, gewöhnlich Simon Amman von Aspern genannt, ist ein Österreicher, der zuerst 1422 erwahnt wird (A. R. 5256). Im Jahre 1425 wird er Notar genannt. Er war Presbyter der Passauer Diözes, Pfarrer zu Ottensheim und PöIIa. 1430 ernennt 1) Vgl. A.R. 7647: „bestatigt als Herr v. Neumarkt (Schlesien) und Patron der dortigen Andreaskirche deren Pfarrer Petrus Kalde seinem Notar '0 X -ent: si habent, die steent, die wellent, si werdent, die koment, si bittent, widergeent, also vorzugsweise in Hilfsverben und Einsilbern. In der ersten Person Mehrzahl: en. Die Kanzleien der österreichischen Herzöge zeigen in der 3. Pers. Plur. -en, obwohl -ent daneben vorkommt, z. B. bei Sigmund : Nr. 3 (1458): si gehören, wir haben, si sullen; Nr. 6 (1460): si werden, wir verhaissen, sie mugen, sy sullen; Nr. 8 (1461): si halten, si komen, si sein, si leben; Nr. 16(1471): si haben, wir wellen, sy lassen, (unten von andrer Hand : sy lasend, si lesend, si warttend) ; bei Albrecht: Nr. 2 (1447): wir haben; Nr. 5 (1455): si haben, wir haben; Nr. 10 (1458): wir haben, wir werden; Nr. 12 (1480): si sollen, si besteen, si werden ; Nr. 7 (1455): si wellen. Nur in einem Schreiben Nr. 13 (1463) traf ich das / an und sogar in der 1. Person Plural: wir lasent, wir wollent, wir werdent, wir verlassent. Dieser Brief beruht wohl auf einer fremden Vorlage, wie auch wollen zeigt. Im groBen ganzen können wir sagen: -en ist in der 3. Ps. Plur. Regel, doch kommt -ent daneben vor. Die 1. Ps. Plur. hat -en. Brengen statt bringen kommt nicht vor. s -f- Kons.; Copeybuch : s, vereinzelt sch : swer, sneller, aber: schlieszen, schwig. Kanzlei Albrechts: sloss, swer, gsloss. 64 Kanzlei Sigmunds: swer, sloss, aidsweren. Wollen. Copeybuch: wollen. Sigmund: wellen, wollen. Albrecht: wellen, ze vor lnfinitiv. Ze kommt vor neben zu. Doch scheint zu schon in den Vordergrund zu treten; vgl. z. B. bei Sigmund:. Nr. 5 (1458): ze 4 X xu 0 X Nr. 6 (1460): ze 2 X zu 3 X Nr. 8 (1461): ze 4 X zu 1 X Nr. 9 (1463): ze 2 X zu 3 X Nr. 16(1471): ze 3 X z« Q X Nr. 18(1471): ?< 0 X zu 5 X- kein und dehein. Das Copeybuch hat gewöhnlich Ac/Vz, kainerley (khain), doch kommt dftaisi vor. Dasselbe Verhaltnis bei den Herzögen. b für w kommt bei weitem nicht so haüfig vor wie in den südöstérreichischen Schriftdialekten. Erstes Partizip. Albrecht: Nr. 1 (1447): gehorundt; Nr. 2 (1447): wellend, gehörund; Nr. 7 (1451): begerund; Nr. 9 (1455): berürend, weylend, wissend, ynnhaltend; Nr. 12 (1460): schirstkomend, anhangund; Nr. 15(1461): anhangund. Sigmund : Nr. 5 (1458): gehorend, zugehörend; Nr. 8 (1461): varund, ligennd; Nr. 16 (1471) : lautend; Nr. 18 (1471): wissend. Copeybuch: S. 4 warttund; S. 6 angeund; S. 13 lauffund; S. 14 lauffund, lauffend, anhangend; S. 16 umbliegund; S. 18 warttund? S. 377 herkomend; S. 387 herrurende; S. 388 weilend. Die Endung des ersten Partizips ist -und oder -end. Letztere scheint allmahlich haufiger vorzukommen. Die lange Form -ende habe ich nur ein einziges Mal im Copeybuch angetroffen: herrurende. Personalpronomen. Von den Personalpronomen kommen nur 65 die kurzen Formen vor; Dat. Einz.: im, nicht ime; Dat. Plur. : in, nicht inen. Inwieweit weicht nun die Sprache der kaiserlichen Kanzlei von den hier beschriebenen österreichischen Schriftdialekten ab ? Vor allem unterscheidet sich die Kaisersprache, namentlich in den Jahren 1440—1448, durch die haufige Anwendung der alten Langen, besonders des i obwohl auch das ü keine Seltenheit ist. Diese alten LSngen fehlen dem Österreichischen, wie wir gesehen, durchaus und mussen folglich als etwas Fremdes in die Kanzlei des, Habsburgers aufgenommen worden sein. Entweder die Schreiber der Luxemburger Kanzlei oder neue Kanzlisten aus ï- Gegenden haben sie veranlaBt. Das } kommt anfangs sehr haufig vor, wie einige Stichproben aus dem Anhang zu Chmels Regesten beweisen. Nr. 2: 10 X f (neben geistleich, werltleich). Nr. 3: 7 X | Nr. 17: 19 X f (desgelichen, schriber, czyt, sin, villicht, wile, doby, sydher, rinisch, wise, usw.). Nr. 25: 27 X ' (alzit, sien, daby, fry, zyt, sin, dri, beliben, wise, desglichen, glicher wyse, usw.). Nr. 27: 8 X | Nr. 28: 3 X t Nr. 30: 4 X | Nr. 31 : 12 X f Nr. 33 : 24 X t Nr. 34 : 2 X | Um 1448 verschwinden diese | Doch fand ich noch 1461 (F. R.A. II 44 Nr. 91) eine vom Kanzier Welzly ad mandatum proprium domini imperatoris unterfertigte Verschreibung für seine Hauptleute, aus Oratz, in der die nhd. Diphthonge ganzlich fehlen. Meine Annahme, daB Weltzly selbst diesen Brief geschrieben hat, findet eine Unterstützung in dem haufig vorkommenden Worte hoptmanschafft, mit schwab. o für ou, das in der Kanzleisprache nur in den auf der ersten Reise des Kaisers nach Aachen abgefaBten Briefen, auf welcher Reise Weltzly ihn als Notar begleitete, vorkommt; vgl. oben S. 32. Auch ü für mhd. & und iu begegnet in den ersten Jahren haufiger als spater, obwohl nicht so oft wie /. 66 Beispiele: getru, fruntschaft, trulich, tuglich, Uitte, daruff, uff. Eine andre Abweichung vom Österreichischen ist das oft vorkommende ou für mhd. oa.welches im Österreichischen immer au geschrieben wird. In der Kanzlei Kaiser Sigmunds kam das cu öfter vor, so wurde u.a. immer ouch geschrieben. Auch diese Schreibung begegnet bei Friedrich nur in den Anfangsjahren; vgl. Chmel R. Anhang: Nr. 1 : ouch; Nr. 3: ouch, hows; Nr. 14: geloublkh; Nr. 23 : rowb, unbugembar; Nr. 24: ouch; Nr. 25: ouch, houptUite, koufhute, usw. Wir können hier einen EinfluB der Schreiber aus der Luxemburger Kanzlei annehmen. Doch müssen daneben andre Einflüsse gewirkt haben. Neben ou kommt namlich auch die Schreibung o vor, die der Kanzlei Sigmunds fremd war, z. B. Chmel R. Anhang Nr. 7: toffer (= Taufer); Nr. 23: lantlöffig, toglichkeit; Nr. 33: och; Nr. 25 : och; Nr. 30: globlich. Die Briefe, in denen o vorkommt, sind auf der Reise des Königs nach Aachen im Jahre 1442 geschrieben worden. Auf dieser Reise begleiteten den König aus dem oberen Kanzleipersonal: der Kanzier Bischof von Chiemsee, der Unterkanzler Heinrich Leubing, der Protonotar Wilhelm Tatz, der Protonotar Hermann Hecht und UIrich Weltzly; vgl. das Schenkbuch der Stadt Nürnberg (Chron. III S.395), Geschenke an König Friedrich III., an Fürsten und an des Königs und der Fürsten Gefolge im April und Mai 1442: „Itemd em bischoff von Kymsee, kanczler, ein vergülte schewren Item meister Heinrichen Leynburg (wohl eine Verschreibung für „Leubing") ein vergulten pecher .... Item 15 guldein meister Ulrichen prothonotario. Item 15 guldein herrn Wilhelm „ Item 10 guldein Hermanno Hecht (notario). Item 30 guldein den schreibern gemeinclich in dercanzley zu samen." Die ö-Laute müssen von einem oder von mehreren der hier genannten Beamten herrühren, es sei denn, daB jedesmal lokale Schreiber angenommen worden waren, was ich bezweifle, da oLaute an allen Orten, wo der Kaiser sich auf seiner langen Reise 68 Sprache, wenigstens zur Zeit Friedrichs, noch nicht die Rede sein könne. In der Tat lassen sich solche württembergischen Formen belegen. Ich finde z. B. 1443 Chmel R. Anhang Nr. 28 die Form zoygten, auch in Nr. 30 zogten, (= zoügten, zeigten) z. B. „si peysten und zoygten des urkund vnd geczeugnuss", „si weysten und zogten der ladbrief globüch abgeschrift." Letzteres ist einem Spruchbrief zu Gunsten des lieben Frauenstifts zu Ingolstadt cntnommen. Die Form kann also nicht aus der Vorlage herrühren, denn diese muB bayrisch gewesen sein. Sie stammt aus der Kanzlei selbst. Das o in zogten (oy in zoygten) ist die schwabische Wiedergabe des mhd. öu oder ou [zöugen, zougen); vgl. Bonnenberger a. a. O. §95: zöugen ; Lexer Mhd. Wörterb. III Sp. 1158; Grimms W. B. IV Sp. 32; Kaufmann, Geschichte der schwSb. Mundart § 95 Anm. In demselben sich auf Bayern beziehenden Briefe fand ich noch die schwabische Form gesamnot. Auch die fast regelmaBige Anwendung des -t in der 3. Ps. Plur., viel haufiger als sonst in der kaiserlichen Kanzleisprache, weist auf schwabischen EinfluB hin. Ob das öftere han start haben diesem EinfluB zugeschrieben werden muB, bleibt zweifelhaft, da es aus der bayrischen Vorlage herrühren kann. Weiter unterscheidet sich die Sprache der römischen Kanzlei Friedrichs von der der österreichischen Kanzleien und Schriftdialekte durch ihr haufiges ei für mhd. ei statt des im Süden gewöhnlichen ai. Oft wird in den Handbüchern als etwas Selbstverstandliches von dem ai der Kaisersprache gesprochen; für die der Kanzlei Friedrichs ist dies nicht gestattet: ei und ai werden durch einander gebraucht. Zum Beweise einige Zahlen: Chmel 2. Anhang Nr. 1 : 11 X Georg vicecancellarius (4 X). Johann Kirchen (31 X)1412: Johann Kirchen (45 X), Michel dePriest(2 X)> Franciscus Sazonus (2 X)- 1413 : Johann Kirchen (62 X), Michel de Priest (29 X). Johann Gersse (2 X)- 1414 : Johann Kirchen (76 X), Michel de Priest (52 X). Vom 15. Oktober an unterfertigt Joh. Kirchen nicht mehr. 1) Hegel, der Herausgeber der Nürnb. Chroniken sagt a. a'. O. von dtesem „obersten Kanzier" und, „Propst" : „ohne Zweifel der Protonotar Michel von Priest, Propst zu Bunzlau". Dies ist uniichtig. Mit dem Propst „oberstem Kanzier" kann nur Johann Propst von Gran gemeint sein. Michel de Priest ist damals noch Notar (Vgl. A. R. 1252a): „Pragensis canonicus et d. Rotnanorum et Ungariae notarius." Erst zetan Jahre spater, am 2. Juni '24 (A. R. 5877) erscheint er als Propst zu Bunzlau. Propst Johann wir in Nürnberg anwesend, wie die Unterfertigung mancher Urkunden beweist. Denselben Fehler finden wir in den R. T. \. VII S. 218. 14 1415: Michel de Priest (168 X), Joh. Qersse (30 X)r Jodocus Röt (41 X) Joh. Kirchen (3 X). 1416: Mich. de Priest (18 X),Joh. Oersse (6 Xljod. Röt (1 X). 1417: Joh. Kirchen, (338 X), Mich. de Priest (48 X), Joh. Oersse (10 X). Paul de Tost (1 X)- Johann kirchen. Johann Kirchens Landart festzustellen ist mir nicht gelungen. Nach Lindner war er seit Nov. 1394 Notar im Hofgerichte Wenzels, leitete unter Ruprecht als Protonotar die Hofgerichtskanzlei und diente nach dessen Tode dem Reichsverweser Pfalzgraf Ludwig (Lindner a. a. O. S. 32). Oleich nach der Wahl Sigmunds scheint er als Protonotar in die königliche Kanzlei eingetreten zu sein. Am 4. Sept. 1413 (A. R. 685) verpfandet der König wenigstens seinem Protonotar Joh. Kirchen, der „uns und dem reiche in Tutschen landen in Fryaul in Isterrych in Lamperten u. anderswo.... unverdrossenlich u. ouch costlich mit schribern knechten u. pferden zu hand drew jar gedienet hat", zur Befriedigung seiner Forderungen v. 4000 ung. Oulden die Stadtsteuer von EBlingen. In den Jahren bis 14. Okt. 1414 (A. R. 1261) unterfertigt er die meisten Urkunden, ist dann aber zeitweilig in Ungnade gefallen. Wir lesen wenigstens in den Reichstagsakten 7,277 (am 15. Jan. 1415): „Auch ist her Johann Kircheim iczunt her gein Costencz komen; u. versehin wir uns, er komme wider zu gnaden". Bald scheint jedoch die Versöhnung stattgefunden zu haben. Lesen wir doch (am 19. Marz 1415: A.R. 1479): „rechnet mit seinem Protonotar Joh. Kirchen ab, der in seinem Auftrage eine Anzahl stadtischer Reichssteuern, Sporteln, u. s. w. eingezogen hat." In der Kanzlei ist er in den folgenden Jahren jedenfalls kaum tatig gewesen. Im Jahre 1415 sind nur drei Urkunden von ihm unterfertigt worden. Erst vom 9. Febr. 1417 an unterfertigt er wieder regel maBig. Zur selben Zeit(am 16. Febr. 1417; fangt er auch mit dem Reichsregister an: (Vgl. Lindner S. 178. Künig Sigmunds, Registratur de annis 1417—18.) „Auf dem ersten, sonst leeren Blatte: Anno domini MCCCCXVII0 XVI die februarii inceptum est presens registrum per me Johannem Kirchen." 15 Die letzte Urkunde, die er unterfertigt, ist A. R. 5257 vom 18. Sept. '22. lm Jahre 1427 ist er jedenfalls schon gestorben. Vgl. A. R. 6955 (29. Sept. 1427) „der nunmehr verstorbene Johaunes Kirchen". Mit diesem Johann Kirchheim (Kirchen) ist nicht zu verwechseln sein gleichnamiger Sohn Dr. Joh. Kirchheim („der Jüngere"), „Lehrer geistlicher Rechte", der spater in der Kanzlei tatig ist, 1422 schon zu den Raten des Königs gehort (A. R. 5014) und am 18. April 1436 (A. R. 11313) vom Kaiser zum Protonotar ernannt wird. MlCHAEL DE PRIEST Der zweite Unterfertiger in diesen Jahren ist der Prager Domherr Michael. Er unterfertigt zum ersten Mal am 31. Aug. 1412 in Ofen (A. R. 308—318); seit dem 9. Juli 1414 (A. R. 1009) als canonicus Wratislaviensis oder als Michael Prag'.)et Wratisl. ecclesiarum canonicus, und seit dem 18. Okt. 1421 (A. R. 4654) als Michael Praepositus Boleslaviensis. Erstim Jahre 1421 erscheint er also als Propst zu Bunzlau, nachdem sein Vorganger Franz die Propstei von Oran erhalten hat. 1414 erscheint er als Notar (A. R. 1252»: Prag. can. et. d. Romanorum et Ungariae notarius). Seit 1418 wird er Protonotar genannt. Vgl. A. R. 3596, 5877. 6978. Bis Ende Sept. 1427 unterfertigt er (letztes Mal: 30. Sept. 1427 No. 6959). Oestorben ist er damals aber noch nicht, da 4. Dez. 1429 No. 7474 für den Kgl. Protonotar und Sekretar Michael von Priest noch Steuern eingezogen werden. Zum letzten Mal wird er erwahnt am 11. Juli 1431 (A. R. 8693) als Stellvertreter des Kanzlers, des Bischofs Johann von Agram. Johann Oersse. Neben ihm begegnet als dritter Unterfertiger der Protonotar Johann Gersse, zum ersten Mal 1413, zum letzten Mal 1419. In der Kanzlei ist er tatig geblieben bis an den 12. Okt. 1430; vgl. A. R. 7844: „erklart, daB Johann Oersse, der jetzt aus seinen Diensten scheidet, nach wie vor die Rechte eines kgl. Protonotars haben soll." Er ist also nicht, wie Ans- 1) Als Pragensis canonicus kommt er jedenfalls schon 1414 vor. Vgl. A. R. 1252» und nicht erst vom Marz 1417 an, wie Lindner a. a. o. S. 33 sagt. 23 der König seinèn Sekretar Simon Amman van Aspern, der ihm in seiner Kanzlei als Notar und Schreiber der Briefe treu gedient hat, zu seinem Haussekretar und standigen Tischgenossen (A.R. 7784). 1432 wird er zuletzt genannt (A.R. 9228). Ende 1432 wird Caspar Sligk aus Eger Kanzier. Über ihn ist so viel geschrieben worden, daB es nicht nötig ist sich hier eingehender mit ihm zu beschaftigen1). Er wurde 1400 geboren und trat schon 1416 in die königliche Kanzlei, wie sein Zeitgenosse Eberhard von Windeck berichtet: „Kaspar Sligk war zu dem kaiser kommen, da man schrieb tausend vierhundert und XVI jar." Van dem Agramer Bischof Eberhard war er in den Kanzleidiensten unterwiesen worden. Er war Sigmunds vertrautester Berater und diente dem Kaiser bis an dessen Tod, wurde dann Kanzier des Königs Albrecht und nach dessen Tod Vorsteher der Kanzlei Friedrichs III. Sein Zeitgenosse Eberhard von Windeck erklart von ihm, daB niemand je gehort habe, daB eines Bürgers Sohn in deutschen Landen so machtig geworden. * Für unsre Zwecke genügt es zu wissen, daB der Egerer Sligk von 1416—1427 als Schreiber oder Notar in der Kanzlei tatig war. Am 4. Juli 1427 (A.R. 6938) unterfertigt er zuerst, und wird dann wohl schon Protonotar gewesen sein, obgleich er erst am 6. Mai 1428 (A.R. 7078) so genannt wird Wohl nimmt er schon als Notar eine besondre Stellung ein (vgl. A R. 5796 „notarius specialis" 13. Febr 1427; A.R. 6833 „heimlicher schriver" 2. Marz 1427), aber er muB sich doch an dem Entwerfen der Konzepte und an der Abfassung der Briefe beteiligt haben. Auch die Egerer Mundart muB ihren EinfluB auf die Kanzleisprache ausgeübt haben. Wahrend Sligks Kanzlerzeit unterfertigten : 1433: Sligk (21 X), Peter Kalde (25 X), Herm. Hecht (1 X\ Theodoricus Ebbracht (4 X), zum ersten Mal am 3. Dez. 1433 (A.R. 9851) 1) Vgl. u. a. Mittetlungen des ósterr. lastituts, Erganzungsband 8: Otto Hufnagel, Caspar Sligk als Kanzier Friedrichs III. (1911). 24 1434: Sligk (160 X), Peter Kalde (70 X), Herm. Hecht (75 X). Theod. Ebbracht (73 X)- 1435: Sligk (34 X), Peter Kalde (7 X), Herm. Hecht (5 X). Marquardus Brisacher (7 X)> zum ersten Mal am 8. Juli 1435, Heinrich Bamberger (1 X)- 1436: Sligk (20 X), Brisacher (26 X), Kalde (19 X), Franciscus de Branicz (7 X), zum ersten Mal am 14. Dez. 1436, Johann Tussek (I X) 14. Dez. 1436. 1437: Sligk (15 X), Brisacher (39 X), Peter Kalde (44 X). Hermann Hecht (43 X)> Prokopius de Rabstein (1 X) 29. Juni 1437, Franciscus de Branicz (1 X)- Theodoricus Ebbracht. Als neuer Unterfertiger erscheint hier Theodoricus Ebbracht, zum ersten Mal am 3. Dez. 1433. Wie lange er in der Kanzlei tatig war, laBt sich nicht genau bestimmen. In der Urkunde A.R. 8603 vom 6. Juni 1431 schenkt der Kaiser den Aschaffenburger Domherren Dietrich Ebbracht und Peter Schenk „do si vor zeiten unser teglich hofgesind und notarien in unser römischen und andern canzetlien bei uns waren," die am Rheine zwischen Mainz und St. Victor entstandene Aue. Hieraus zeigt sich, daB im Jahre 1431 Ebbracht nicht mehr in der Kanzlei tatig ist, daB er aber langere Zeit tatig war. Damit stimmt A.R. 3716 aus dem Jahre 1418. Auch Peter Schenk war 1418 in der Kanzlei Schreiber. Lange ist Ebbracht jedenfalls nicht auBerhalb der Kanzlei geblieben, da er 1433 wieder unterfertigt Er muB dann Protonotar sein, was stimmt mit A.R. 10227 (vom 8. April 1434) „erhebt den Protonotar seiner Kanzlei Dietrich Ebbracht aus Warburg in den Adelstand." Wihrend seiner Abwesenheit war er vermutlieh in kurmainzischen Diensten, da A.R. 10226 von dem kurmainzischen Protonotar Dietrich Ebbracht gesprochen wird; vgl. auch oben: „in andern canzelHen." Dietrich Ebbracht ist herkünftig aus Warburg bei Paderborn ; ein Westfale, also ein Schreiber aus einer ï-Oegend. 1418 ist er Paderborner Kleriker und spater (1431) Domherr zu Aschaffenburg; 29 und der Kanzleisprache ihr eigentümliches Geprage geben. In der Kanzlei Sigmunds ist die Gruppe aus ï-Gegenden am starksten vertreten, demzufolge muB die alte Lange in der Kanzleisprache oft vorkommen, was auch in der Tat der Fall ist. Die Kanzleisprache Sigmunds zeigt, wie schon gesagt, auffallend haufig die alten mhd. Langen. Dieselbe Verschiedenheit des Personals und der Sprache sehen wir auch anfangs in der Kanzlei Friedrichs UI.; erst allmahlich, in dem letzten Jahrzehnt seiner Regierung und vor allem unter Maximilian, entsteht durch das Vorherrschen des österreichischen Elements das feste, entschieden südliche Geprage der kaiserlichen Kanzleisprache; erst dann erscheint in BQchern der Ausdruck „gemeines deutsch", „kanzleiisch deutsch". Was für die Kanzleisprache Sigmunds gilt, muB, und noch in starkerem MaBe, in den Kanzleien seiner Vorganger, bei Wenzei und bei seinem Vater Karl IV., der Fall gewesen sein. Die heimischen Mundarten der aus verschiedenen Landern aufgenommenen Schreiber — auch Karl muB aus demselben Grunde wie spater Sigmund aus allen Gegenden Deutschlands Leute in seine Kanzlei aufgenommen haben — müssen sich in seiner Kanzlei geltend gemacht haben. Wenn sich hier die alten Langen nicht so breitmachen, so muB dies die Folge andrer sprachlicher Verhaltnisse unterm Kanzleipersonal gewesen sein. Die Gruppe der Schreiber aus ei-Mundarten, vermutlich aus Böhmen, vor allem aus Prag und den dortigen Universitatskreisen muB die JcrSftigste gewesen sein. KAPITEL II. Die Kanzleisprache Kaiser Sigmunds. Wie schon gesagt, zeigt die Sprache Sigmunds wieder massenhaft die alten Langen i, u und ü für mhd. iu ; vgl. Moser a.a.O. S. 14: „Unter Sigmund ist die Sprache im ganzen dieselbe geblieben, wie sie schon in der Kanzlei seines Vaters und Bruders übiich gewesen war. Indes muB es auffallen, daB hier nochmals die alten t, ü haufiger als unter diesen beiden auftreten." Nach allem, was wir im vorigen Kapital über das Kanzleipersonal Sigmunds sagten, wird diese Erscheinung keine Verwunderung erregen. DaB in der Tat diese alten Langen in der Heimat des Personals ihre Erklarung finden, beweist auch die Kanzlei Friedrichs III. in den vierziger Jahren, als noch die meisten Notare aus Sigmunds Zeit in ihr tatig sind. Eben zu dieser Zeit erscheinen gerade sehr haufig / und ü. Noch auf andre Weise zeigt sich, daB der Heimatdialekt EinfluB gehabt haben muB. Aus der Kanzlei Sigmunds sehen wir dann und wann Urkunden in einer von der der kaiserlichen Kanzlei ganz abweichenden Sprache ausgehen; vgl. z. B. Janssen, Frankfurts Reichskorrespondenz I Nr. 745. Hier finden wir ein Schreiben des Kaisers an den Rat zu Frankfurt über seine Streitigkeiten mit dem Herzog Philipp von Burgund, worin die Stadt aufgefordert wird demselben als einem Reichsfeinde, Fehde anzukündigen. Es ist nach dem Original abgedruckt worden und der Inhalt verbietet, es als ein von der Partei eingereichtes Schreiben zu betrachten. Es hat folgende Sprache: 37 geschrieben: stul, genug, tan, bruder; & sehr selten; R.T. A. XI Nr. 212: zü. (7 X), tün ; R. T. A. XII Nr. 164: (1 X), -t&mb ; R.T. A. VIII Nr. 266: tut; F. R. 1 Nr. 720: ue mdorczue. Der Umlaut des üe bleibt gewöhnlich unbezeichnet: behutt, mude, fugen, geburet, aber begnügen. Auch bei den Vokalen unterbleibt der Umlaut meistens: bose, vermogen, kunftig, verkundigt, verbost, krönung, furst, kurczliehen. Doch kommt Umlaut vor: verstoren, römisch, fürstr burger, mogen. d und a Iauten fast immer üm zu e, haufiger als bei Friedrich III., bei dem die Bezeichnung oft unterbleibt. Eine Form wie swarlich (F. R. I Nr. 563) bleibt Ausnahme. Sonst: nechst, manigfeldich, mechtiglich, nest, quemen, beheglich. Vor Nasal meistens u: kunig, kunglich, sunderlich. sun, vernumen, suntag (vereinzelt: sontag), gunst, gunte; o kommt vor in fromm, im Subst. Fromme und in bekommert. Für sonst immer: sust, suszt. Vor Nichtnasal komt o für u vor in forcht und notdorft. Der Übergang a > o ist haufig in den Prapositionalverschmelzungen: doby, dorumb, dortzu. Die Form gelossen kommt vor wie bei Karl. Auch underlosz (F. R. I Nr. 707). Bei Karl bisweilen: noch für nach (Outjahr Nr. 27. 29, 30); bei Sigmund: nach. Anlautend wird b geschrieben, p nur ganz vereinzelt: (1437) gepurd (IX), gepuren (IX). Wechsel zwischen b und w kommt nicht vor. k wird niemals kch, ausgenommen in der auch sonst abweichenden Urkunde F. R. I Nr. 745 (vgl. oben S. 31). t für anlautendes d kommt nicht vor, nur tutsch neben dutsch. Manchmal steht inlautend d für nhd. i: stede (= Stadte), damidde, raden, riden; auch auslautend: heilikeyd, arbeyd, monad, volkomenheid. Nach n steht d, selten t, z. B: undirstanden, undertan, undersass, understeen, underlosz, hinder, hinder stellig; sehr vereinzelt: unter-, hinter-. Nach / stehen d und t; d sehr oft: manigfeldich, heldet, hieldet, hielden, halden, gehalden, behalden, innehalden, alders, aber 38 auch: halten, ufhalten, stathalter. Im Imperf. immer -te : solte, wolte. Haben ist vorherrschend neben han. Partizip : gehabt, bisweiien gehebt. Die 3. Ps. Plur. Pras. Ind. bei han oft: si hant; vereinzelt auch in der 1. Pers.: wir hant, haufiger: wir han. Bei den andern Zeitwörtern kommt t in der 3. Ps. Plur. nicht vor, wohl in der 2. Ps. Plur. Pras. Ind.: ir sehent, ir werdent, irratent,ir hel/ent; aber auch: ir haldet, ir gehoret. Wollen ist die gewöhnliche Form, daneben wollen, vereinzelt wellen. Neben sollen begegnet sullen ; neben mogen: mugen und mogen. Neben solich: sulch; neben welich : wilch. Die Endung des Part. Pras. ist -end, z. B. begerend, bittend; -und finde ich nur einmal (1452. A. R. 4875): inhaldund ; daneben -ende: antriffende. Überhaupt findet sich eine Neigung die Wörter zu verlangern ; vgl. die Nominative Einzahl: reiche, go te, dienste, golde, unrechte, teile; die Verba: besseren, zweyfelen; das Imperf. i er tratte. Auch durch i findet Verlangerung statt: durich, welich, solich. Das Supinum hat bei tun noch -d: zutund, dan eben: zu tan. Die Endung im schwachen Part. Prat. ist meistens -et: gegunnet, besteüet, verdruket; -t kommt vor: gesagt. Endet der Stamm auf d oder t, so ist Zusammenziehung beliebt: geantwortt, underricht, betracht, geredt, gebreitt. Als Verneinungspartikeln werden nit und nicht durch einander gebraucht. Das Personalpronomen der 2. Ps. Plur. ist im Dat. und Akk. euch und uch; eu im Dativ, wie bei Friedrich, kommt nicht vor. Die 3. Ps. Dat. Plur.: in ; Akk. Einz.: in; Dat. Einz.: im. Lange Formen begegnen nicht. Das Adj.-Suffix ist -Uch; -leich ist sehr selten; vgl. F. R. I Nr. 745. Intervokalisches h wird h, nie ch geschrieben: gesehen, empJahen, beschenen (aber geschichf), czehen, slaken. Die kurzen Formen beschen, geschen kommen vor. Qehen und steken begegnen immer als geen, steen; vereinzelt als stan (R. T. A.XII Nr. 140). Bringen sehr haufig: brengen. 39 Anlautendes s wird bisweilen z geschrieben: zach (= Sache), zele zelikeit, Zeiand; auch inlautendes 5: wezen, gelezen. Vor dem Infinitiv steht gewöhnlich zu ; ze habe ich nur einmal gelesen. Vor Konsonant begegnet immer s; 1437 fand ich einmal beschwert. Inlautendes t wird manchmal verdoppelt: vatter, botte, gebotten, lautter. Anlautendes ƒ wird als / und als v geschrieben : foll, vorderny folk. Für die Konjunktionen oder, ob nur selten: ader, ab. 43 Von den früheren Protonotaren treffen wir sonst noch Johann ■Oersse. Nachdem er den Kanzleidienst Sigmunds 1431 verlassen hatte, scheint er doch spater den früheren Beruf wieder aufgenommen zu haben. Zu der Zeit, da Enea Silvio als Protonotar in der kaiserlichen Kanzlei arbeitet, ist auch der Johann Oersse wieder da. Er ist kein Freund des Italieners; dieser nennt ihn eine „maligna natura" ; vgl. Oeorg Voigt: Enea Silvio de' Piccolomini I S. 281. Auch unter den Notaren kommen alte Bekannte vor. So der Böhme Wenzel von Bochow, der Freund Enea's, „der einen lebhaften Stil schreiben lernte" ; vg). Voigt a. a. O. S. 284. Am 18. Dez. 1444 (Chmel R. 1870) erklart der König, daB Jacob Widerl, Registrator, und Wenzel von Bochow, Schreiber der königl. Kanzlei, öffentliche Notare seien. Weiter begegnet der spatere Kanzier von Böhmen Prokop von Rabstein. Sehr lange kann er aber nicht in der Kanzlei gearbeitet haben, im Jahre 1454 ist er schon Kanzier des Königs von Böhmen ; vgl. F. R. A. II42 S. 133 und S. 153. Mehrere dieser Namen erfahren wir aus den Briefen des damaligen Protonotars Enea Silvio, des spateren Papstes Pius II. Voigt hat das Wichtigste über die innern Kanzleiverhaltnisse in dem oben angeführten Werke auf Orund dieser Briefe zusammengefaBt. Er schreibt S. 275: „Die Unterbeamten waren ganz in des Canzlers Hand. Nur wenige Secretare erhielten ein festes Salar, dessen Höhe das Urteil des Canzlers über ihre Verdienste bestimmte. Die jüngern, weniger geübten, erhielten nur den Lebensunterhalt und was ihr Vorgesetzter ihnen für bestimmte Arbeiten etwa zuweisen wollte. Doch brachten ihnen Verwendungen und Winkelagitationen manches Geschenk ein. Die für die Ausfertigung von Urkunden festgestellte Taxe zog der Canzler ein, die Secretare empfingen nach dem Belieben des Gebers ein Trinkgeld, dürften aber bei gratis ausgestellten Dokumenten ohne die Erlaubnis des Canzlers keines fordern. Sie verteilten es unter sich. Briefe für den König oder seinen Hof muBten sie ohne Lohn nach dem Befehl des Canzlers schreiben, der sie, falls sie nicht gehorchten, oder nicht taugten oder ihm miBfielen, ohne weiters entlassen konnte". 44 „Die unbesoldeten Canzlisten muBten in einem Hause gedrangt zusammenwohnen, essen und arbeiten. Arm und wenig angesehen, hielten sie meistens zu einander, aber Neid und Eifersucht, wie sie die Sorge um das tagliche Brot erzeugt, führten doch haufig zu Reibungen und Oehassigkeiten. Jeden neuen Ankömmling sahen sie scheel an; das, wovon er lebte, ging ihnen ab. Nun trat Enea in diese Oenossenschaft unter lauter Deutsche, die überdies kein gönstiges Vorurteü für seine Nation hegten. Er wurde von seinen Collegen empfangen wie ein OeSchteter, sie ahnten und haBten in ihm den Günstling des Canzlers. Bei Tisch und im gemeinsamen Schlafgemach wiesen sie ihm den niedrigsten Platz an, lachten und spotteten über ihn, den Armen, der ihre deutschen Worte nicht einmal verstand. Jede Annaherung, die er versuchte, ward zurückgewiesen, es war eine traurige, auf die Lange ganz unertragliche Stellung. Aber was blieb ihm übrig, wenn er nicht auf der Stelle wieder davonziehen wollte ? Er hüllte sich in den Schein des Gleichmuts und der Demut, IieB die Ohren hangen wie ein gequalter Esel, dem eine zu schwere Last auf die Schultern gelegt wird. Es giebt, glaube mir, so schrieb er einem jüngeren Freunde, kein harteres Heerlager als Fürstenhöfe, wo Neid, Eifersucht, Verleumdung, HaB, Feindschaft, Schande, Beleidigungen und unendliche Pein zu Hause sind, Dinge, die nur durch Oeduld überwunden werden können". Doch fand Enea unter diesen Leuten Oenossen. „Nun ja, da sind gute treuherzige Leute, aber sie lieben nicht auf meine Weise die Wissenschaften, ihre Lust ist nicht das, was die meine ist". So fand er mehrere Freunde unter den Kanzleikollegen. „Da war der Böhme Wenzel von Bochow und sein Landsmann Prokop von Rabstein, der Nürnberger Hans Freund und der redliche Schwabe Michel von Fullendorf. Das mochten etwa die tüchtigsten und klügsten sein, aber die Mehrzahl war, wie eben die Mehrzahl immer ist. Für des Tages saure Arbeit in derCancelei entsch&digten sie sich abends durch Feste und nachtliche Lüste; zum elenden Wein machte nicht selten eine Dirne die Wirtin" (Voigt a. a. O. I S. 284). Der hier genannte Michel von Pfullendorf war Schreiber des 45 königlichen Kammergerichts ; vgl. Chmel R. 1782. Der Hofschreiber ist Johann GeiBler (Oysler), ein Eisenacher (vgl. A. R. 3145). Auch er hat schon unter Sigmund viele Dienste erwiesen. 1418 ist er bereits Notar; er tritt am meisten auf in dem Amte eines Kammerprokurators ; vgl. z. B. A. R. 12042. „procurator imperialis fisci Johannes Oeisler." Unter Sigmund war er gewöhnlich in der Provinz tatig, wo ihm die Interessen des königlichen Fiskus oblagen. Am 31. Juli 1441 (Chmel 344) wird er als Hofschreiber vereidigt. Er hatte den Rang eines Protonotars (vgl. 23. Sept. 1442 Nr. 1132 Chmel R.) und begleitet den König auf seinen Reisen. 1442 ist er mit dem König in Nürnberg; vgl. das Schenkbuch Chron. III S. 396: „Item 20 guldein Johann Oeysler, hofschreiber," und Janssen F. R. II 1 S. 54, unter den Geschenken des Rats zu Frankfurt 1442: „Item X gulden han wir beczalt als der rad geschanckt hat hern Johansen Gyseler dem hofegerichts schriber, der dem rade biB her auch furderlich und fruntlich gewest ist". Gleichfalls begleitet er den König im Jahre 1444; s. Chron. III S. 399: „Item 10 guldein Johannsen Geisler, hofschreiber". Noch 1449 ist er „in des Romschen konniges hove". Ir. der gemeinen Kammereirechnung von 1449 in Braunschweig ist unter : „Teringe buten" vermerkt: „88 gulden Bernardus Wunstorp (reitender Schreiber) in des Romschen konniges hove, dar was he 10 weken. He hadde dit aldus utgeven : 10 gulden hern Ghiselere, usw." (Braunschweiger Chron. XVI S. 499). Für unsre Zwecke ist es von Wichtigkeit, zu wissen, daB auch der Hofschreiber aus einer ï-Gegend stammt. Bekanntlich hat die Mundart um Eisenach, Gotha, Friedrichroda noch heute die alte Lange. Können wir unter dem neuen Personal nun noch Leute aus T-Oegenden entdecken ? Am 31. Juli 1441 wird Dr. Heinrich Leubing als Protonotar der römischen königlichen Kanzlei vereidigt (Chmel R. 344). Er stammt aus Nordhausen, aus einer ï-Gegend also; vgl. A. R. 46 6373: „Am 13. Aug. 1425 wurde der Kleriker der Mainzer Diözese Heinrich Leubing aus Nordhausen zum öffentlichen Notar ernannt." 1442 ist er Propst der St. Martinskirche in Heiligenstadt (Chmel R. 447); 1444 „ward Hainrich Lewbing pfarrer zu sant Sebolt Nürmberg" (Jahrbücher des 15. Jhts., Chron. X S. 164); 1454 jedoch kommt er schon vor als Bevollmachtigter Friedrichs von Sachsen für einen Breslauer Tag (F. R. A. II, 44. Nov. 22) und 1455 (Augsb. Chron. V S. 416) wird unter den Raten der Herzöge von Sachsen genannt: „maister Hans Löbing, pfarrer zu S. Sebold zu Nurmberg." Die Rechte auf die Vorteile dieses Amtes scheint er jedoch, trotzdem er in sechsischen Diensten war, nicht so bald aufgegeben zu haben. In den jahrbüchern des 15. Jhts. (Chron. X S. 289) lese ich wenigstens, daB sein Nachfolger Johann Lochner, „lerer in beden rechten," „der 1465 jar auf die pfarr zu sant Sebolt kom," bereits im Herbste des Jahres 1461 den Versuch gemacht hatte, mit Hülfe des Papstes und unter dem Beistand des Rates, Heinrich Leubing aus seiner Stelle zu verdringen. Ob Leubing EinfluB auf die Sprache der Kanzlei gehabt hat, bezweifle ich. Dazu war er zu wenig ein Mann von der Feder. Er war ein sehr rühriger Diplomat. Bereits im Wahldekret Kaiser Albrechts (Altmann, Die Wahl Albrechts II. S. 101) fungiert er als Zeuge. Auch als papstlicher Protonotar erscheint er; vgl. F. R. A. II 42 S. 230: „pater dominus Heinricus Leubing, legum doctor, in decretis licentiatus et apostolica sedis prothonotarius." Schon 1449 wird von ihm als von dem pSpstlichen Protonotar gesprochen (Nürnb. Chron. II S. 363). Lange ist er also nicht in der Kanzlei tatig gewesen. Ein eigenhandiges Schreiben von ihm als sachsischer Oesandter aus dem Jahre 1455 (F. R. A. II 42 S. 171) zeigt jedoch, wie er, nachdem er schon seit Jahren die römische Kanzlei verlassen, noch unter dem EinfluB des südlichen Schriftdialekts steht. Bei ihm, dem Thüringer, begegnen Formen wie chum, erchlert, gutlichait, also mit der bayerischen Affrikata; Partizipia wie in hangundem recht, ein reytunder pot; anlautendes p statt b viel haüfiger als in der kaiserl. Kanzlei: pegegent, peswern, pewegen, 47 pephelchnuss, also auch im Prafix be-, das in der kaiserl. Kanzlei nicht als pe- vorkommt; oft dat Supin mit ze; ue: guettet*, anrueffen, vnguet; immer ei für mhd. i, sogar in der Endsilbe: Friedreich, Heinreich; immer u vor Nasal: sunder, sunderheit. Der Diphthong ei dagegen wird selten ai geschrieben, was wieder auf mitteldeutschen EinfluB hinweist. Andre md. Kennzeichen «ind ld: inheldet; brengen start bringen. Doch zeigt sich auch noch EinfluB aus der Heimat: mocht wir, das steil wir. Die thüringische Auslassung des- en kommt nie in der kaiserlichen Kanzlei vor. Nürnbergischer EinfluB 13Bt sich annehmen in hot {— hat), tott (= Tat); sachsischer EinfluB in allis (= alles), ab (= ob). An diesem Beispiel zeigt sich, wie der Übergang aus einer Kanzlei in die andre ein wesentlicher Faktor. ist in der Frage nach der gegenseitigen Beeinflussung der verschiedenen Kanzleisprachen. Mehrere Kanzlisten fürstlicher Kanzleien scheinen als Notar oder Protonotar in der römischen Kanzlei tStig gewesen zu sein. So geht z. B. der Kanzier Oeorgs von Podiebrad, Prokop von Rabstein, aus der römischen Kanzlei hervor. Im Gegensatz zu Dr. Heinrich Leubing, der nur einige jahre in der Kanzlei beschaftigt war, hat sein Kollege UIrich Welzly bis an seinen Tod sich den römischen Kanzleidiensten gewidmet. Als Kanzleischreiber hat er Dienste genommen, als Kanzier ist er Anfang 1464 oder schon Ende 1463 gestorben; vgl. Janssen a. a. O. 111 S. 241, wo der Frankfurter Stadtschreiber johannes Brun (am 16. Febr. 1464) an den Rat zu Frankfurt schreibt: „Auch, lieben herren, ist die gancze sage in der Römischen canczellye das meister Mertin Meyer canczeller werden und mehe geben solle dann herr UIrich Welczly seliger geben habe. Und er wisse syn ende und werde zu halbfasten komen." Vergleichen wir hiermit was der Hertnid von Stein, der Domdechant zu Bamberg, am 23. Nov. 1463 an den Markgraf en von Brandenburg schreibt, so ist Welzly sicher schon Ende 1463 gestorben: „Item meynster Merteyn Meyer ist der vntterteydinger eyner vnd ist vast gnediclich angesehen von dem keyser, als er von ewern besundern fründen etc. wol darczu gefurdert wirdet vnd ist vast 48 glaublich, das er Romischer kanczler werden mocht (F. R. A. II 44 Nr. 462)". Schon früh ist Welzly in den Dienst des Kaisers geheten. Am li Nov. 1442 (Chmel R. 1212) wird „dem UIrich Welzly, von Göppingen, königlichem Kanzleyschreiber, der Hof Korenthal bei Stuckgarten verliehen." Er ist dann schon Protonotar; vgl. Chron. III S. 395 im Nürnberger Schenkbuch; „item 15guldein meister Vlrichen prothonotario." Als Kanzier fand ich ihn zuerst im jahre 1455 erwahnt; vgl. Chron. V S. 416, FuBnote: „UIrich Wültzlin der cantzler." 1458 wird er in einer Urkunde (Chmel R. 3626) zwar noch „kaiserlicher Hof-Vizekanzler genannt; der Ausdruck „Vizekanzler" hat unter Friedrich jedoch eine andre Bedeutung als unter Sigmund. Der Vizekanzler ist der Kanzier selbst. Nur wird er Vizekanzler genannt aus Reverenz vor dem Erzkanzler, dem Erzbischof Jacob von Trier, der nach der Verzichtleistung des Erzbischofs von Mainz auf die ihm durch die Ooldne Bulle zuerkannte Erzkanzlerwürde in den Besitz dieser Würde gelangt war. Seit 1459 unterfertigt Welzly sehr oft als canzellarius ; vgl. u. a. F. R. A. II Bd. 44 Nr. 40, 91, 98,106,122. Welzly ist einer der wenigen Kanzlisten aus einer I-Oegend, die auch nach dem ersten Jahrzehnt von Friedrichs Regierung ihren EinfluB geltend machen. Immer starker überwiegt dann das Personal aus den ei-Oegenden, aus Österreich. Wie Friedrich sich in den Staatsangelegenheiten fast ausschlieBlich von seinen Raten aus Österreich, wo er sich auch vorwiegend auf halt, beeinflussen lSBt, so bekommen auch in der römischen Kanzlei selbst, seine Landsleute den gröBten EinfluB. In Einzelheiten, wie bei Sigmund, wShrend Friedrichs fernerer Regierungsperiode die Heimat des Personals lestzustellen, hatte denn auch keinen Sinn. Zu stark überwiegt die Anzahl der Österreicher. Schwer ist auch eine genaue Unterscheidung der römischen und der österreichischen Kanzlei, da fortwahrend Leute aus Friedrichs eigner Kanzlei in der römischen tatig sind. Es gehen mitunter sogar Reichsurkunden aus der österreichischen Kanzlei aus; vgl. z. B. Chron. X S. 404 ff. AuBerdem ist das Material 49 aus dieser Zeit zu lückenhaft, als daB mit einiger Sicherheit die Heimat der Kanzleibeamten hitte festgesteüt werden können. In der Sprache im innern Kanzieiverkehr, also bei den untern Schreibern, zeigt sich eine starke Zunahme des österreichischen Elements, was sich auch in der Urkundensprache allmahlich manifestiert. Sie zeigt immer deutlicher einen südlicheren Charakter. KAPITEL IV. Die Sprache der römischen Kanzlei Friedrichs III. Kurze Charakterisierungen der Sprache der römischen Kanzlei Friedrichs lil. haben bisher gegeben: E. Wülcker in seinem bekannten Aufsatz in der Ztschr. des Vereins für thüringische Oeschichte, Bd. IX S. 364 und S. 355; K. von Bahder in den „Grundlagen des neuhochdeutschen Lautsystems" S. 4 und S. 5 und V. Moser in seiner „Historisch-grammatischen Einführung in die frühnhd. Schriftdialekte" S. 14 und S. 15. Werke oder Abhandlungen, die sich eingehender mit dieser Kanzleisprache beschaftigen, gibt es nicht. Angesichts der Tatsache, daB sehr oft der EinfluB der kaiserlichen Kanzleisprache auf andre gleichzeitige Kanzleien als etwas Selbstverstaïidliches angenommen wird, muB dieser Mangel an grïïndlicheren Studiën auffalien. Die Folge ist jedoch, daB oft Sprachgewohnheiten, Redensarten und Wörter der kaiserlichen Kanzleisprache zugeschrieben werden, welche diese überhaupt nicht kennt. Sogar ein tüchtiger Oelehrter wie von Bahder laBt sich dazu verieiten. Von den bei Niclas von Wyle in der 18. Translation gerügten Wörtern liebde, der jene rachtung sagt er S. 6: „Die hier genannten unhochdeutschen Wörter liebde, der jene rachtung finden wir auch oft in Schriftstücken der kaiserlichen Kanzlei." Belege gibt er nicht. Es würde auch recht schwer sein diese anzuführen, weil beide "Wörter der kaiserlichen Kanzleisprache fremd sind. Will man die Eigentümlichkeiten der kaiserlichen Kanzleisprache •erkennen, so ist es vorher nötig festzusteilen aus welchen Mund- 51 arten und Schriftdialekten in Österreich sie hervorgegangen ist und inwieweit sie noch mit diesen übereinstimmt oder von ihnen. verschieden ist, um aus den Abweichungen zu schlieBen, ob und inwiefern sie mit dem Mitteldeutschen zusammenhangt, inwiefern die Kanzleisprache der N Luxemburger oder der aus der Kanzlei der Ietzteren hervorgegangenen Schreiber sie beeinfluBt haben. Der Sitz der neuen Hauptkanzlei Friedrichs war nach Sozin (Schriftsprache und Dialekte S. 158): Oratz. Auch Moser(a. a. O. S. 14) nimmt als Hauptkanzlei diese Stadt an. Ich möchte die Richtigkeit dieser Annahme bezweifeln und sehe vielmehr in Wiener-Neustadt den Hauptort der Kanzlei. Die meisten Briefe, die von der Kanzlei ausgehen und die nicht auf den Reisen des Königs geschrieben wurden, zeigen den Vermerk : „geben in der Newnstat" Damit stimmen auch die Briefe des Enea Silvio überein. „In seinem Wiener-Neustadt schien der Kaiser festzukleben," sagt er spöttelnd, „weil das Obst dort wie in den Oarten der Hesperiden wuchs" (vgl. Voigt a. a. O. Bd. I S. 254). „Es war sein hebster Aufenthalt. Die Hofumgebung war oft ungehalten über die idyllische Langweiligkeit des „allzeit getreuen" Stadtchens und sehnte sich nach Wien; der Kaiser aber mochte lieber mit der regelmaBigen stillen Natur und mit gehorsamen Hausheren zu tun haben als mit rohen Söldnerhaufen und rebellischen Untertanen." Auf Orund dieser Briefe sagt Voigt auch S. 281 : „Nun verwandelte sich das geheime Orauen, welches Enea bei seinem ersten Besuch in Wien und auf der Reise durch Bayern empfunden hatte, in ein langes Leiden, das nur der Ehrgeiz ertragen lehren konnte. Und doch war Wien, die groBe Stadt, der Sitz der Universitat und der Lüste, noch sein Lieblingsaufenthalt, aber wie langweilte er sich in dem stillen Neustadt, wo man nur Juden und Mönche sah, wie fühlte er sich in Steier, Karnthen und Krain mirten unter Barbaren und wilden Nationen." Da wir auBerdem wissen, daB Enea mit den andren Kanzlisten in einem Hause wohnte (vgl. S. 44), müssen wenigstens für die Zeit, wo Enea als Protonotar in der Kanzlei arbeitete, Wien und vor allem Wiener-Neustadt als Sitze der Hauptkanzlei angenommen werden. 57 Sehr haufige Schreibung der gutturalen Affrikata (geschr. kch, gk, ckh, ch). Sie kann in allen Stellungen, anlautend, inlautend und auslautend, vorkommen. Anl.: chaiser, chaiserlich, erchenn, khraft, danchperchait. Inl.: stuckhen, schenckhen, geruckhen. Ausl.: abgankeh, kunigkleich, manigkfaltikchleick, hicxbckhleich, gnadickhleichen, marckh. Doch kommt anlautend auch oft k vor. Fast regelmïBiger Oebrauch der mhd. Diphthonge; z. b.fueren, darzwe, obgeruert, berueblich, buestung, guet, prueder, getoen, fueg. Für ie laBt sich die diphthongische Natur nicht beweisen, eher das Oegenteil; vgl. ie für mhd /: iere (= ihre), yeren (= ihren). Sehr oft ei im Suffix: löbleich, gnadickhleichen, sogar soleich, söleich. Die Entstehung eines /' zwischen r und nachfolgendem Konsonanten : erib (= Erbe), durich, eriben. Umlaut des a oft geschrieben: a; z. B. wam, stat, Mürteinsdorff, bestat', auch: a, z. B. nagst. Oft anlautendes b als p; auch im Prefix be-\ pesehen, pebeist, pemeldt, peraitschaft. Oft b für w: bolt ich, buestung, beruebleich, zbay, gebegn. Bisweilen a für kurzes o: gtnamenfürgenommen,ausgenamen für ausgenommen, macht für mochte. Erstes Partizip auf -und, -undt: far und, gehörundt. Immer u vor Nasal: sunder, kunigkleich, ge gunnet. Nicht sollen, sondern sullen. Negationspartikel meistens: nicht. Oft t nach n statt d: unterricht, zw unsern kantten, meistens aber: hinder. Mhd. ei = ai. In Wien treffen wir einen Schriftdialekt, welcher etwas mehr Verwandtschaft mit dem Mitteldeutschen zeigt. Zum Beweise führe ich eine Seite aus dem „Copey-Buch der Oemainen Stat Wienn aus den Jahren 1454—1464" an (F. R. A. II7 S.5) j „man sol nechtlgclich in den vorsteten zhkl halden, vnd 58 vnder den törren aile tag hut haben, vnd auch des nachts; in den turnen die hut halden. Also, das ain ieder Haubtman vnder iedlichs tor ordnen sullen zehen oder zwelf guter knechtt, die tëglich hütten. Item: das sich die Mugundisten Purger mit Rossvolkch vnd fusvolkch desterpaser angreiffen sullen, darumb sol ain gemainer anslag auf menigclich geschehen. Item: das sich auch all pekchen mit mei sullen fürsehen, damit sy die Gemain an prot nicht lassen nach allen hm vermügen, vnd das sol auch mit in geredet werden. Item: das man kainerlay gastum halden sol in den herren hawsern, das sol der Lantmarschalh wenden, vnd in. den leden vnd kochhütten, da sol der Richter vnderkömen. Aber in des von Agmund haws, in des von Ellerbach haws. vnd in des von Regenspurg haws, da mag man gastum halden, vnd in den rechten gewondlichen Qasthawsenv vnd sol ein ieder sein gast geschriben geben nëchtiklich, dem Burgermaister. Item: das man das fewr bewarn sol allenthalben in der Stat vnd vorsteten, vnd sol haben wasser vnder den dëchern vnd in der höfen in potigen vnd krukchen zu ausstossen,. vnd die Rauchfeng kern lassen. Item : es sol ein jeder, wissen wen er behaws, oder beherberg, das er den, oder die wiss zu versprechen. Item: das man die keten vnd sneller vnder den Stattorren zuschlieszen suil vnd nyemt herein oder hinaws lassen sol, er pint sich denn auf. Item: das man nyemandt vber die prugken herein vnd hinaus varn, reytten oder gen sol lassen, er pint sich denn auf, welh sich aber nicht wolten aufpinten, den sol man nicht herein, noch hinaus lassen." lm groBen ganzen stimmt der Wiener Schriftdialekt, wie er im Copeybuch vorliegt, mit dem Österreichischen aus den südlicheren Oegenden überein. Doch zeigen sich Unterschiede. Der wichtigste ist, daB dieser Wiener Schriftdialekt die mhd. Diphthon- 59 ge nicht kermt, wenigstens nicht schreibt. Mhd. uo, ue ist kaum ■anzutreffen. Ich fand es ein paar Male in dem Ausdruck „ze faessen" (S. 9-S. 13). Sonst herrscht u. z. B.: 1454 : S 3—S 5: hut, gut, zu. fusvolkch. S. 5—S. 9: padstube, tun, gerufft. 1463 : S. 377—S. 382 i gutlich, gesucht, guter. In dieser Hinsicht zeigt also der Wiener Schriftdialekt mitteldeutsche Züge. Er stimmt hierin teilweise mit den Kanzleien der österreichischen Herzöge Albrecht VI. und Sigmund überein; vgl. Albrecht VI. (F. R. A. II 2): 1447 : Nr. 2: gut, guter. 1451: Nr. 7 : bruder, stul, gut. 1455 : Nr. 9: vnfug, zusehen, zu, tun, bruder, rufft. Sigmund von Tirol: 1458: Nr. 5: tun, gut, darczu, aber: küchenmaister, barkgut. 1460: Nr. 6: fugt, gutt. Nr. 8: bruder, gepruder, gnt. Auch sonst zeigen sich mitteldeutsche Züge; vgl. u. a. die .Form halden, die von S. 3—S. 8 oft begegnet. Auch den Kanzleien der österreichischen Herzöge ist diese Form nicht ganz unbekannt; vgl. Sigmund von Österreich (F. R. A. II 2.): 1471 : Nr. 18: behalden, halden, gehalden. 1460: Nr. 6: halten neben halden. Die gewöhnliche Form im Copeybuch wie in den Kanzleien der österreichischen Herzöge ist aber: halten. Das t nach n, das in den südöstérreichischen Schriftdialekten dann und wann begegnet, kommt hier nur sehr vereinzelt vor: Copeybuch S. 3—S. 5 j hinter, pinten, peystentig. Kch begegnet nicht so oft wie in den südöstérreichischen Schriftsprachen. Kam die Affrikata dort im Anlaut weniger haufig vor als im In- und Auslaut, hier kommt sie anlautend kaum vor. Nur ein paar Male lese ich: chnecht, khain; k ist Regel im Anlaut. Inlautend und auslautend kommt 1454 kch regelmaBig vor: 60 pekchen, glokcken, volken usw., doch scheint es am Ende des Copeybuches (1463) abzunehmen. In den Kanzleien der Herzöge Albrecht und Sigmund herrscht wieder dieselbe Oewohnheit; kch anlautend kommt nicht vor. In- und auslautend jedoch begegnet die Affrikata seltener als im Wiener Copeybuch; vgl. z. B. F.R.A. 112. Sigmund : (1461) Nr. 8 i Kernnden, komen, gerechtigka.it, klug, erkannt, aber: tnarekh. (1458) Nr. 5: herkomen, widerkert, aber: stakenen, gerechtikhait. Das Bayrische stimmt mehr mit den südöstérreichischen Schriftdialekten überein. Hier kommt auch im Anlaut oft die Affrikata vor ; vgl. Lerchenfeld : Freiheitsbriefe; z. B. Erlauterungen 636; Schreiben vom jahre 1402: bechennen, chöm, chorm, chamer, cham, chauffen. Auch in der Entwicklung der Affrikata scheint sich also der Wiener Schriftdialekt dem Mitteldeutschen zu nahern. Der Umlaut des a wird nicht a geschrieben, sondern e. ei für mhd. ei statt ai kommt vereinzelt vor. Das p im Prafix ie- kommt ha Copeybuch nicht vor, obwohl sonst das p im Anlaut vorherrscht; vgl. z. B. S. 3—S. 8: 44 X P, 4 X b. Auffallig ist die Abnahme des p wahrend des Jahrzehnts, Qber welches die Briefe sich erstrecken. Im Jahre tl 463 (S. 367) ist das Verhaltnis gerade umgekehrt: 13 X P, 18 X b. Zeigt sich hier EinfluB der Kaisersprache ? a für o kann ich im Copeybuch nicht finden, wohl das Umgekehrte: wornung, worheit, hornplosen. Die Prapositionalverschmelzungen werden immer mit a geschrieben : darumb, darezu, damit Das sind die wichtigsten Unterschiede zwischen dem Wiener Schriftdialekt und den südöstérreichischen Schriftdialekten. Eine wettere Charakterisierung dieser Wiener Schriftsprache und der gleichzeitigen Kanzleien der Herzöge Albrecht VI. und Sigmund, überhaupt der österreichischen Kanzleisprache, ist nötig um zu zeigen, inwiefern die Kaisersprache österreichische und 61 Inwiefern sie fremde, also mmeldeutsche, Einfiüsse zeigt, letzteres •durch die Übernahme der Luxemburger Kanzlei und durch die neuen Kantlisten aus Norddeutschland. Die Sprache des Wiener Copeybuches unterschetdfet sich scharf von der der nördlichen Kanzleien durch die konsequente Anwendung von u vor n: vergunnen, sunder, angewunnen, gunst, besunder. Zweimal nur traf ich besonder und sonderlich an in einem Schreiben der Wiener Universitat. Dasselbe Verhaitnis zeigt sich in den Kanzleien der österreichischen Herzöge: Albrecht: F.R. A.112 Nr. 7 (1451): kunig, kunighlich,sunder, aber: vergönnen. Nr. 9 (1455): sunst, sunder. Sigmund: Nr. 8 (1466): sunder, kunffüg. Nr. 9 (1463): besunder. Nr. 16(1471): vergunnen, vergunnt, sunder, 1 X sondern. Auch im Zeitwort sullen ist u der gewöhnliche Laut. Sollen kommt nicht vor. In den Kanzleien der Herzöge: sullen, oei Albrecht immer; bei Sigmund ganz vereinzelt sollen 4ygl. F. R. A. II 2 Nr. 8). Die Kanzlei Sigmunds in Innsbruck scheint mehr als die Albrechts unter dem EinfluB des Bayrischen zu stehen. Hier (im Bayr.) kommt sollen schon vor neben sullen, obwohl nicht so hSufig wie im Alemannischen, wo „im 14. und 15. Jht. der Vokal o, ö das Übergewicht gewinnt"; vgl. Lexer Mhd. Wb. II Sp. 1053. Intervokalisches h wird gewöhnlich h geschrieben. Copeybuch: S.9—S.13: cziehen, anslahen, zehen, doch kommt ch vor; vgl. S.13—S.18: cziehen, ain hoche gemain, hochen. Dasselbe Verhaltnis treffen wir wieder in den Kanzleien der österreichischen Herzöge an. Sigmund: h, aber Nr. 12 (1464): onuerziechen. Bei seinem Kanzier Jörg von Stain: Nr. 18 (1464): antziechen. Nr. 26 (1464): hoche, hoher, entslahen. Albrecht: Nr. 2 (1447): vercziehn, vercziechn. 62 Nr. 7 (1451): emphahen, zieken. Die Negationspartikel im Copeybuch ist: nicht. In den Kanzleien der österreichischen Herzöge kommt daneben nit, bei Albrecht haufiger als bei Sigmund, vor, der darin wieder unterm EinfluB des Bayrischen steht, wo zu dieser Zeit nicht gewöhnlich ist; vgl. Albr. v. Österr.: (1455) Nr. 9.: nit (2 X), nicht (7 X)- (1458) Nr. 11 : nit. (1460) Nr. 12: nicht. Sigm. v. Österr.: (1458) Nr. 5: nicht. (1460) Nr. 6: nicht. (1461) Nr. 8: nicht. (1463) Nr. 9: nicht. Dann dringt nit ein : (1471) Nr. 16: nicht (3 X), nit (8 XV (1471) Nr. 18: nicht (2 X), nit (6 X)In Bayern (Lerchenfeid a. a. O.): (1402) Nr. 636: nicht. (1416) Nr. 647: nicht. (1427) Nr. 721 : nicht. (1438) Nr. 743: nicht. Am Ende des Jahrh. nit; vgl. (1506) Nr. 930, wo immer «tf stehtDie mittelhochdeutschen Langen sind ausnahmslos diphthongiert worden. Die Schreibungen der neuen Diphthonge sind : ei, eij, aur aw, eu, ew. Ou für au begegnet nie. Altes i zeigt sich vereinzelt in t Osterrich. Als Demonstrativ kommt immer vor: solich und sölh; sulch ist in Österreich unbekannt. a für o kommt vor in den Kanzleien der Herzöge: gehart (Albrecht Nr. 9). Bei Jörg v. Stain: Nr. 18: ich bin ermanet war denn. Nr. 21 : bargschaf (= borgschaf). Im Copeybuch kommt a für o nie vor. Das Prafix im Verbum ist ver-, nie vor-. Das Suffix im Substantiv: -nus, -nuss. 67 aufhielt, vorkommen. Leubing kann sie nicht geschrieben haben. Er war Unterkanzler, schrieb also die meisten der Urkunden nicht selbst. AuBerdem natten wir bei dem Nordhauser eu statt ou erwartet, z. B.: keu flick und nicht kof lick. Ebensowenig kann Hecht sie veranlaBt haben, wir natten diese o dann auch haufiger in der Kanzlei Kaiser Sigmunds antreffen müssen. Sie müssen also von Tatz oder von Weltzly herrühren. Tatz' Heimat ist mir unbekannt. Doch mag auch dieser sie wohl nicht geschrieben haben: auf dem Reichstag in Nürnberg von 1444 namlich, wohin Tatz den König begleitet und UIrich Weltzly nicht, kommen die haufigen o in den Briefen nicht vor; vgl. wieder das Schenkbuch für 1444, Chron. Hl S. 399. Unter den Oeschenken wird notiert: „Item herr Caspar Slick, oberstem kantzier, ein vergülten, verdeckten pecher. Meister UIrichen, dem österreichischen Kantzier (d. i. UIrich von Gurk) ein zwifach vergült köppflein on ör. Item 10 guldein Hermanno Hecht 1 „ 10 guldein Micheln Camerschreiber, „ 20 guldein den schreibern an der kantzlei in der gemeind." Es bleibt also nur übrig UIrich Weltzly. Wir müssen annehmen, daB er der Schreiber dieser haufigen o ist. Und diese Annahme stimmt zu dem Göppinger Dialekt Weltzly's ; vgl. Bohnenberger : Zur Gesch. der schwabischen Mundart im XV. Jht. §91, derviele Belege für dieses o in Württemberger Urkunden anführt: och, hopt/nart, verkoft, erloben, usw., neben ouch, houptman, verkouffen, erlouben. Lassen sich daneben noch andere schwabische, speziell Württemberger Eigentümlichkeiten anführen, so steht es wohl fest, daB UIrich Weltzly aus Göppingen diese Abweichungen veranlaBt hat. Zugleicherzeit ware damit wieder bewiesen, was auch übrigens ganz natürlich ist, aber wohl mal übersehen wird, daB der Heimatdialekt des Schreibers seinen EinfluB auf die Kanzleisprache geltend machen muBte. Damit ware auch wieder eine Stütze geliefert für die Richtigkeit meiner Behauptung, daB von einer feststehenden Form und von Vorschriften betreffs der n protnonotarns. 10 guldein Meister Enea 10 guldein Michel Tatz 70 Danemark, Friesland, Brandenburg, Lübeck, den ElsaB, Baden, Lüneburg, StraBburg, Trier, Cöln, Aachen, den Herzog von Jülich und Nimwegen, überhaupt an Oegenden oder Personen, die, wenn sie selbst die Urkunden eingereicht natten, das nicht in der Sprache getan harten, in der sie von der Kanzlei ausgingen. Die zweite Oruppe enthielt Briefe an Steyr, Regensburg, überhaupt an Bayern, an die österreichischen Stande, Krain.kurzan die südlichen Oegenden. Nun zeigt sich ein merkwürdiger Unterschied in der Sprache, wie folgende Übersicht deutlich macht: Zweite Oruppe: Vorwiegend ai für mhd. ei. p. viel haufiger als in Oruppe t Erste Oruppe: 1. Vorwiegend ei für mhd. ei. 2. Für anlautendes b selten p, im ganzen in den 40 Briefen 40 X P- 3. kch selten, im ganzen nur 19 X kch. 4. Vorwiegend o vor Nasal: sonnder, son, vergonnen. 5. Mhd. uo, üe als Monophthong, nur 1 X gebrueder, I X fneder, 1 X parfüesser. 6. Oft mogen statt mugen, 7. Immer sollen, nie sullen. 8. Umlaut desa :^;tfnur2X- kch oft. Vorwiegend u; o selten und manchmal gar nicht. Sehr oft Diphthong neben Monophthong. 9. 10. Erstes Partizip oft auf- end. Suffix -Uch: keiserlich. diemutigligklich, eygenntlich, usw. Meistens mugen. Sullen neben sollen. Umlaut des a oft a, oder nicht bezeichnet: nagst, phart. Erstes Partizip oft auf -und. Suffix -teich oft: kunigkUich gnödigkleich, piüeich, usw.; auch in Eigennamen oft ei: Fridreich, Ludwelg. 11. Haufiger zu als ze vor Haufiger ze als zu vor Infi- Infinitiv. nitiv. Beispiel für Oruppe I. (Chmel R. 5854): „Als wir nechst auf anbringen des edeln vnsers vnd des reichs lieben getrewn Oebharts grauen zu Mansfeld 71 verschreibung vnd verpflichtung halbn so die edeln auch vnser vnd des reichs lieben getrewen Gunther vnd Volrad auch grafen zu Mansfeld vnd er vormals gegeneinander getan haben in schein als ob die wider vnser keyserlich oberkeit vnd den partheien zu geuerdiicher beswerung annders dann sich rechtlich oder billich gebürte sein auf ir tragen solte vnser keyserlich gebotsbrieue derselbn verschreibung vnd verpflichtung zu abbruch vnd verhindrung ausgeen lassen haben sollen, vnd aber derbenanntn graue Gunthers vnd graue Volrads erber botschaft für vns komen ist vnd vns der vorberurtn verschreibung vnd verpflichtung in irem grund vnd innhalt warlich fürbracht vnd der vnderrichtung getan. Vnd darauf diemutigklich angeruffen vnd gebeten hat, den obgenantn graue Gunthern vnd grafe Volradn hierinn gnedigklich zu fursehen, vnd sy bei der vorgemelten verschreibung vnd verpflichtung beleiben, der nach irer innhalt gebrauchen zu lassen vnd dauon on erkanntnus des rechtns nicht ze dringen vnd daran zu beswern. Darauf wir dann dfeselben verschreibung vnd verpflichtung eygenntlich haben besichtigen lassen vnd darinne nicht erfundn das vnser keyserlich oberkeit dadurch verleczt, sonnder daz dieselben verschreibung vnd verpflichtung mit derselben partheien verwilligung bedechtlich zu irem gutem nucz vnd vnbezwungn bescheen vnd aufgenomen sein, die vns doch vnerkannt des rechtens nicht abzustellen zu uersern noch die partheien dauon zu entledigen geburen als auch solhs in den obgenantn vnsern keyserlichen ausgeganngen gebottbriefen darinne wir doch gestalt vnd wesen der sache, als wir die ytz warlich erfunden haben nicht vnderricht gewesen sein die egenanten graue Gunther vnd grafe Volraden dadurch von der ytzbestimbten verschreibung vnd anndern iren gerechtigkeiten ze dringn vnser keyserlich meinung vnd wille nicht gewesen vnd noch nicht ist, daz wir darumb aus solhen vorberürtn vnd anndern mercklichn vrsachen vns darczu bewegende, solh ytzgemelt vnser keyserlich 72 gebotbriefe, so der gemeltn sachen halben ausgegangen wern oder wurden, souerre die wider die vorgemelt verschreibung vnd verpflichtung gewesen were oder sein möcht ganncz wider aufgehebt vernicht vnd abgestellet..." Beispiel für Oruppe U (Chmel R. 5010): „Vermerkcht die werbung vnd instruction der rat vnd sanndtpotn vnnsers allergn. hernn des Ro. ka. auf den lanndtag zu Kornnewnburg an suntag nach den heiligen phingstn." „Item von erst der lanndtschaft ze sagn seiner ka. gn. grues genad vnd guetn willen." „Item das sein ka. maiestat yetz iar zu befridgung lannd vnd leutn vnd im pestn etlich aus den herrn vnd aus der ritterschaft zu regirung des furstentumbs Österreich vnderhalb der Enns geordent, den die nucz vnd rennt des lannds daselbs vnder der Enns ingeantwurt vnd beuolhen hat den so das lannd bekriegtn vnd beschedigtn widerstannd ze tun vnd lannd vnd leut in frid vnd gemach zeseczn darinn sy sich dann gein sein ka. gnadn verwilligt habn, nw erwachsen die krieg vnd beschedigung im land ye lenger ye mer, begert sein ka. gn. das sy mit sambt den so sein ka. gn. die regierung des lannds beuolhen hat darzu tun damit solich krieg vnd beschedigung des lannds gewert vnd den veindtn widerstannd getan wurd, in dann icht nöt so wolt sich sein ka. gn. mit sein frewntn vnd mitgewontn auch aus sein innern landn bewerbn vnd in daran hilff zueschub vnd beystannd tuen damit lannd vnd leut in frid vnd gemach geseczt werdn so habn sy auch am nagstn lanndtag zw Kornnewnburg gehaltn daselbs aus etweuil mangl vnd geprechn des lannds geredt vnd die durch ewr sanndtpotn an sein ka. gn. bringn vnd begern lassen darvmb ain lanndtag vnderhalb vnd ob der Enns auszeschreibn damit aus solhen mangl vnd geprechn des lannds nach notdurftn geredt vnd wie die zw wendn warn fürgenomen wurde, darauff dan sein ka. gn. den lanndtag gen Kom- 73 newnburg aus geschribn vnd im bevolhen habtmitsambt der lanndtschaft weg furczenemen dadurch lannd vnd leut in frid vnd gemach geseczt werden." „Item das darauf mit herrn Wilhalm von Puechaim Steffan Eytzinger vndjorign vom Stain getaidingt werde, damit die mit sein ka. gn. geaint vnd vertragn, ob sy aber mit sein ka. gn. in der guetigkait nicht geaint dass dann weg furgenomen damit den ir muetwilln vnd krieg auch beschedigung des lannds gewert vnd lannd vnd leut in frid vnd gemach geseczt werden." Wie l£Bt sich diese Verschiedenheit in der sprachiichen Form, die sich nicht leugnen laBt, vor allem wenn wir eine Reihe von Urkunden in Betracht ziehen, erklaren? Können wir annehmen, daB ein Notar jedesmal in andrer Schattierung schrieb, je nachdem er sich nach dem Norden oder nach dem Süden wendete ? Ein solches bewuBtes konsequentes UmSndern von al in ei, sulJen in sollen, sunder in sonder, usw., weil er sein Schreiben an den Norden richtete, kann unmöglich angenommen werden. Es hatte dann dem vielköpfigen Personal eine bestimmte feste Sprachform nach bestimmter Vorschrift als Ideal vorschweben müssen, von der es behufs eines besseren Verstandnisses im Norden bewuBt abgewichen ware. Die Sprache eines Weltzly z. B. beweist vielmehr das Oegenteil, daB namlich jeder Notar seinen eigenen Dialekt mit sich brachte und diesen nicht gleich aufgab. Ich sehe in dieser Verschiedenheit vielmehr die Folge einer bestimmten Kanzleieinrichtung. Aus allen Oegenden Deutschlands liefen Schreiben in die Kanzlei ein, sei es zur Beantwortung, sei es zur Bestitigung. In der Praxis muB es unmöglich gewesen sein oder allenfalts groBe Schwierigkeiten bereitet haben, wenn ein Österreicher z. B. ein von Lübeck zur Bestitigung eingesandtes Privileg lesen muBte. Ein Geschaft aus Lübeck muB behandelt worden sein von einem Notar, der zugleicherzeit mit dem Norddeutschen und der gewöhnlichen Kanzleisprache bekannt war. Die regelmatige Behandlung der eingelaufenen Briefe muBte eine solche Arbeitsverteilung des aus allen Landen Deutschlands zu- 74 sammengestellten Personals veranlassen, daB die Norddeutschen* sich spez.ell mit den norddeutschen Briefen, die Österreicher sich mit den suddeutschen und österreichischen beschSftigten UnbewuBt entstehen so zwei Schattierungen in der Kanzleisprache. Der Nord- und Mitteldeutsche wendet oft unwillkürlich heimathche Formen an, besonders wenn sie sich nicht zu auffallend von der in der Kanzlei herrschenden Sprache entfernen und sleden verschiedenen nördlichen, besonders mitteldeutschen Dialekten gemein sind; durch die fortwahrende Beschaftigung mit sprachhchem Stoff aus dem Norden wird er in dem heimatfremden Süden in der Anwendung dieser heimatlichen Formen bestarkL Der Österreicher, der die Briefe aus dem Süden behandelt, wird selbstverstanrjtfch kein Bedürfnis fühlen in einer vom Österreichischen abweichenden Form zu schreiben, die nur das Verstandnis beeintrachtigen kann. Doch kann er im Verkehr mit den norddeutschen Schreibern und durch die gelegentliche Behandlung norddeutscher Schriften sich dem EinfluB ihrer Idiome nicht ganz entziehen, sodaB auch in seinen Schriften sich gelegentlich Eigentümlichkeiten der nördlichen Schreiber zeigen. In dieser Weise erklart es sich, daB im Süden, in WienerNeustadt, Oratz, die kaiserliche Kanzleisprache allmahlich vom Österreichischen und von der Luxemburger Kanzlei abweichende Formen in sich aufnimmt. Nicht nur die Luxemburger Kanzlei hat mit ihrem Mitteldeutsch durch den Übertritt des Personals in die römische Kanzlei das Österreichische der Kanzleisprache beeinfluBt, sondern die Einrichtung selbst brachte es mit sich daB mitteldeutsche und norddeutsche Dialekte sie beeinflusseri muBten, besonders da sich in Mitteldeutschland, wo wahrend der Regierung Friedrichs die mitteldeutschen Fürsten, entweder sich befehdend oder sich wider den Kaiser verbündend, einen mehr oder weniger regelmaBigen brieflichen Verkehr unterhielten, wodurch sich die sowieso nicht so weit auseinander liegenden Sprachen, je langer je mehr gegenseitig beeinfluBten. Sonstige Spracheigentümlichkeiten der kaiserlichen Kanzlei: ■ Als Verbalprafix hat die Kaisersprache -ver; -vor begegnet niir im Jahre 1440 und kurz danach Und ist wohl den Luxemburger Kanzlisten zuzuschreiben; vgl. Chmel R. Anhang Nr. 1 : vordacht; Nr. 2 : vorvolgen; Nr. 27 : vorbieten; Auch in Briefen nach Norddeutschland begegnet die Form. Chmel R. 6356: vorJtichten, 5018: vorkczt, 4761 : vor alten. Suffix: -nuss, -nüsz, -nüs. -nis ist sehr selten. Chmel R. 5220: jjuntnis. d > o. Der Übergang von d > o begegnet haufiger als im 'Österreichischen, besonders in den Prapositionalverschmelzungen, z. B. ermonen, nome, geworsam, poldist, dozumal, doby, dozwischen. Das o in diesen Verschmelzungen kommt wohl unter dem EinfluB der Luxemburger Kanzlisten vor. In den Kanzleien Kaiser Sigmunds und seines Vaters Karls IV. waren Formen wie dorzu, domit, ■dobey, dorumb, dornach sehr beliebt. Aber allmahlich schwinden sie aus der Kanzleisprache. Bis 1450 kommen sie haufiger vor, danach sehr vereinzelt. Das österreichische Kontingent unter den Schreibern scheint allmahlich starker zu werden, wo-durch die österreichischen d -Formen die gewöhnlichen werden. Auch unter Maximilian sind die Formen mit d die herrschenden. Der Umlaut des a ist meistens e, doch kommt die Schreibung ü mehr vor als in der Luxemburger Kanzlei, dies unter dem EinfluB der österreichischen Schriftdialekte. i > e. Der Übergang von / > e, wie in der Luxemburger Kanzlei, kommt kaum vor ; Chmel R. Anhang Nr. 23 : schreb; Nr. 9 : schreb. Auffaïlig ist das haufige scherm, schermen, gegen schirm, schirmen bei den Luxemburgern. Auch Übergang von u > o (nicht vor Nasal) wie im Mitteldeutschen begegnet nicht. Nur borge, porge, porgschaff ist beliebt. / in der Endung las ich ein paar Mal in der Anfangszeit: eigintlich, unserim. Nach / ist t gewöhnlich, also : halten. Doch kommt ld vor, am meisten in den ersten jahren. Wir werden hier wieder einen EinfluB der Luxemburger Kanzlei annehmen müssen, obwohl auch dem Wiener Schriftdialekt und den Kanzleien der österr. Herzöge ld nicht fremd war; vgl. Chmel R. Anhang Nr. 1 : gehalden, Jialdest; Nr. 9: stathalder; Nr. 25: anwalde; Nr. 23: hielde; 75 76 Nr. 33 : gehalden. Auch im Imperfekt begegnet ld; (1448): wuldeny (1441) Nr. 9: solden. In den spateren Jahren fand ich nur It. Nach n steht meistens d: under, hinder, t kommt, aber sehr sporadisch, weniger als in den bayrisch-österreichischen Schriftdialekten, vor. Intervokalisches ch statt h trifft man kaum. 1463: abslachen; es scheint bei Friedrich weniger zu begegnen als in den österreichischen Kanzleien. Für gehen und steken kommen immer die kurzen Formen steen, geen vor. Oeschehen und beschehen kommen vor neben gescheen, geschen, bescheen. Sehen immer mit h, auch versmehen, zehen. Das h scheint die Oeltung eines Reibelauts gehabt zu haben. Für brauchen begegnet nl. auch brauhen, für reichen: raihn; vgl. auch Virg. Moser a. a. O. §128: „Umgekehrt ist Oberd. das % des auslauts seit dem spateren Mhd. auch in den inlaut gedrungen (hocher, sechen, nach hoch, sachy Beispiele aus dem 16. Jht. sind auBerst zahlreich (Eyb, Hatzlerin, Sachs, Aventin). Möglicherweise wird man auch da, wo h geschrieben ist, den lautwert % ansetzen und in h nur ungenaue bezeichnung sehen dürfen." Schreibungen wie brauhen, raihn, beweisen für die Kaisersprache wohl die Reibelautaussprache. Die Formen gan, stan für steen, geen kommen anfangs vor in den Briefen auf der ersten groBen Reise des Königs. Der Schwabe Weltzly scheint sie veranlaBt zu haben. Auch han begegnet in dieser Zeit. Sonst immer: haben, lassen. Partizip : gehabt, gehebL Imperf. Konj.: hiete. Die 3. Ps. Plur. Pras. von sein ist: 5/ sind, si seyn, si seynd. Letzteres selten. Die 3. Ps. Plur. Pras. Ind. auf -en ist Regel. Anfangs kommt -ent vor, wohl unterm EinfluB von Schreibern wie Weltzly. In der Luxemburger Kanzlei kommt wenigstens -ent in der 3. Psnicht vor. Sogar die 1. Pers. Plur. fand ich bei Friedrich in den ersten Jahren mit -nt, z. B. wir hant. (Chmel R. Nr. 28 Anhang). Negationspartikeln: nicht und nit. Doch scheint nit vorzuherrschen. Personalpronomen der 3. Ps.; Dat. Einz.: im. In Schreiben 77 nach Norddeutschland auch: ime. Dat. Plur.: in. Doch kommt daneben ine, inen vor, in den Briefen nach Deutschland haufiger als nach Österreich. Die langeren Formen nehmen allmShlich zu. In den ersten Jahren herrscht in vor, in den letzten ine und inen. Die 2. Ps. Plur. des Pers. Pronomens hat sehr oft ew im Dativ. Wollen. Wellen ist die gewöhnliche Form. Vereinzelt begegnet wollen daneben. 5 -|- Kons. Das s ist selten zu sch geworden 1449 (1 X) • schwar, 1469: schwechen. Erstes Partizip. Es endet meistens auf -end: volgend, anhangend, Uitend, lautend, daneben dann und wann -ende, aber selten : bevelhende, gepietende, steende. Auch -und, vor allem im Verkehr mit dem Süden: anligund, anhangund, sogar-unde: gebietunde. Suffix meistens: -Uch; -leich selten, mehr im Anfang und im Verkehr mit dem Süden. pf wird meistens ph geschrieben: pherdt, verphennt, phlight. Die Endung des Oenitivs nrênnl. und sachl. meistens: s, auch z, z. B. gots, gutz, reichs, brief/s, doch auch gottes. Als Endung des schwachen Part. Perf. kommt -et und-rvor: beruffet, gefreiet, gesetzt, gesatzt. Endet der Stamm auf t oder d, so ist Zusammenziehung sehr beliebt: gearbait, betracht, gemelt, vnder richt, geredt, verantwurt. Das e in der Endung -en wird sehr oft ausgestoBen z. B.: werdn, derseWn, bringn, gebn, sulUi. Umlaute werden öfter nicht bezeichnet: romisch, gehornd, mochten, fromd, nachst. Im Anlaut t neben th. Anfangs ist / vorherrschend, nach ± 1460 th.: kaiserthumb, thun, underthdn. v und ƒ durch einander; (auch w): fteisz neben vleis, fodern neben vor dern, gewallen neben gevallenn, volgend neben verjolgen. Öfters Einschaltung von d zwischen n und /: persondUch, . ungewonndllch. Zwischen regiert oft Oenitiv. Beispiele: zwischen ir (Chmel R. 6070); zwischen des egenanten (Chmel. R. Anhang Nr. 1). 78 Supinum oft mit d: ze tunde, zu ventend, zu tund. Haufig unorganisches / zwischen Konsonanten: durich, getuigt, tiligen, menig, greniczen, erib. b für p kommt vor: Brag, briester. b für w öfter: urbering, gegenburtig, gebesn, aWeg, gerubigr bUib; auch w für b: Wairn. Zusammenfassend können wir sagen : Der allgemeine Charakter der Sprache der römischen Kanzlei Friedrichs ist österreichisch. Doch zeigt sich ein starker mitteldeutscher Einschlag. (Neue Monophthonge statt der mhd. Diphthonge, haufiges ei für mhd. ei; u>o vor Nasal; meistens-Uch statt -leich; meistens k statt kch,\ox allem im Anlaut; noch oft die alten mhd. Langen i und ü; Übergang von dy o; Umlaut des a meistens e; dann und wann Formen mit ld, wie haUien; sollen statt sullen ; die langen Formen des Pers. Pronomens: ime, ine, inen; sehr oft Partizip auf -end; b für w nicht so haufig wie im Österr.; Prafix be- statt pe-). Dieser Einschlag ist in dem ersten Jahrzehnt von Friedrichs Regierung bedeutend krafiiger als spater. Er wird durch drei Qründe veranlaBt: Zunachstwirkt der EinfluB des Wiener Schriftdialekts. Dieser wird verursacht, erstens durch den Sitz der Kanzlei in Wien und Wiener-Neustadt, zweitens durch die an der Universitat Wien herangebildeten Notare, drittens durch die Vermittlung der Kanzleien der österreichischen Herzöge, deren Kanzleisprache mit dem Wiener Schriftdialekt nahezu übereinstimmt. Übereinstimmend mit diesem Schriftdialekt, abweichend vom Südösterreichische.n hat die kaiserliche Kanzleisprache : vorwiegend Monophthonge statt der mhd. Diphthonge; meistens das Suffix -Uch statt -leich; meistens k im Anlaut statt kch; Umlaut des a:e; öfter ld statt It; oft erstes Partizip auf -end; Prafix be- statt pe-. Zweitens macht sich der EinfluB der Kanzlisten, welche aus der Luxemburger Kanzlei übernommen wurden, geltend. Übereinstimmend mit der Luxemburger Kanzlei, abwei- 79 chend vom Südöstérreichischen und vom Wiener Schriftdialekt hat die Kaisersprache in der Anfangszeit die alten Langen i, ü; oft ei für österr. ai; oft ou für au; & > o in Prapositionalverschmelzungen; -ent in der 2. Pers. Plur. Pras.; k auch im Inlaut; sollen statt sullen; öfter wollen statt wellen. Übereinstimmend mit der Luxemburger Kanzlei, abweichend vom Südöstérreichischen, hat die Kaisersprache: öfter ld statt //(besonders im Anfang); vorwiegend Monophthonge statt der mhd. Diphthonge; meistens -lich statt -leich; k im Anlaut statt kch; meistens interv. h statt des österr. ch; Umlaut des a : e; erstes Partizip auf -end, -ende. (Bei Friedrich -end noch haufiger als bei Sigmund). Anfangs ist der EinfluB dieser Kanzlisten bedeutend. Nach 1450 wird er geringer durch das Vorherrschen des österreichischen Elements unter dem Kanzleipersonal. Drittens ist die Einrichtung der Kanzlei selbst in Betracht zu ziehen, die sich bei ihrer Arbeit spatten muBte in eine Oruppe, die mit dem Mittel- und Norddeutschen korrespondiert und in ■eine, die mit dem Süden in steter Verbindung steht. Die erste Oruppe unterscheidet sich von der zweiten durch die vorwiegende Anwendung von ei für ai; des k statt kch; des o vor Nasal statt des u; durch b statt p; durch sollen statt sullen; durch -end im Partizip statt -und. Viele von diesen mitteldeutschen Elementen (nicht alle, z. B. die Diphthonge ue, üe treten am Ende der Regierungszeit Friedrichs und bei Maximilian wieder haufiger auf) haben sich mit dem Österreichischen amalgamiert, sodaB sie dauernd in die Kanzleisprache aufgenommen wurden, wie die Kanzleisprache Maximilians zeigt. Weiter zeigt sich, daB die Heimat der Schreiber ein wichtiger Faktor in der Beurteilung der Sprache ist; als das mittel- und norddeutsche Element in der Kanzlei überwiegt, hat die Sprache einen viel starker vom Österreichischen abweichenden Charakter als spater, wo die Süddeutschen und die Österreicher den Haupt- 80 bestandteil des Kanzleipersonals bilden. Mehrere Eigentümlichkeiten der Kanzleisprache lassen sich nur durch die verschiedene Heimat der Notare erklaren. Die Kanzleisprache enisteht also ganz natürlich aus einer Amalgamierung der verschiedenen Schriftdialekte der Schreiber und des Dialektes des Sitzes der Kanzlei. Das gröBte Kontingent dieser Schreiber, besonders des. niedren Personals, das aus dem Orte, wo die Kanzlei ihren Hauptsitz hat, rekrutiert wird, bestimmt im wesentlichen den Charakter. KAPITEL V. Gleichzeitige Kanzleisprachen und Schriftdialekte. Nachdem ich im vorigen Kapitel eine Beschreibung der Kanzleisprache Friedrichs III. gegeben, könnte ich jetzt zur Behandlung der Frage nach dem EinfluB dieser Sprache auf die der andern, speziell die der süd- und mitteldeutschen Kanzleien, übergehen. Vorher ist es aber noch nötig auch von diesen Sprachen eine kurze Charakterisierung zu geben, besonders von den Teilen der Laut -und Flexionslehre, die einen EinfluB der kaiserlichen Kanzleisprache harten erfahren können. Von dieser Beschreibung müssen die Kanzleisprachen aus den nördlichen und westlichen ï-Gebieten ausgeschlossen werden. Diese richten sich schriftsprachlich erst im 16. Jht. und spater nach dem Süden. Von den Kanzleisprachen der ei-Gebiete kommen die österreichischen für meine Untersuchung nicht in Betracht. Die Unterschiede mit der kaiserlichen Sprache sind verhaltnismaBig gering und es handelt sich vor allem um den EinfluB auf die deutschen Kanzleisprachen, die am meisten zur Entstehung der nhd. Schriftsprache beigetragen haben. Ich muBte infolgedessen die Kanzleisprachen der beiden stadtischen Kulturzentren aus Süddeutschland, Nürnberg und Augsburg, wichtig auch inbezug auf die Druckersprachen, und die Kanzleien der bedeutendsten süd- und mitteldeutschen Staaten zur Vergleichung heranziehen: Böhmen, soweit es deutsch urkundet, Brandenburg, das seit der Regierung der Zollern die Ansbacher Sprache in der Kanzlei anwendet, Bayern und Sachsen 82 mit Thüringen. Letztere, die teilweise auch zum I-Oebiet gehören, muBte ich mit aufnehmen, weil schon in der zweiten Halfte des' 15. Jhts. hier die nhd. Diphthonge in der Kanzleisprache auftreten. Im Vergleich zu den andern hat die Nürnberger Sprache eine etwas eingehendere Behandlung erfahren, wèil ich an der Sprache dieser Reichsstadt zeigen will, wie die Mundart bei der Behandlung unsrer Frage einen wesenflichen Faktor bildet. Ich habe daher für diese Stadt neben der offiziellen Sprache auch die von stadtischen Chroniken und von Werken hervorragender Nürnberger: Stromer, Tucher, Dürer und gelegentlich auch von Hans Sachs herangezogen. mhd. i. Böhmen. Kanzlei König Qeorgs von Podiebrad (1458—1471) i ei. i ist sehr setten ; F. R. A. II 42 Nr. 257: 2 X bie, fritag; Nr. 275: ylen; Nr. 251 \ zwitrecht. Eger: ei, vereinzelt /. Schwanberg: ei; Strakonitz: ei. Noch südlicher: ei auch im Suffix -leich'(neben -lich). Sachsen. Wilhelm von Thüringen (1440 — 1482): ï ei kommt vor, obwohl seltén. Ich fand nur folgende Falie: (1450) F. R. A. II 42 Nr. 49 : eysen. (1454) „ 42 Nr. 107 : sey (2 X)(1454) „ 42 Nr. 101 i seyn, sey (3 X), sei (1 X), schreiben, verschreibung, abgeweist. (1458) „ 42 Nr. 134: seinen. (1458) „ 42 Nr. 174: sey (6 X), desgleichen, die- weile, weile, schreiben, bey, zeid. (1459) „ 42 Nr. 194: seyn (5 X). (1460) „ 44 Nr. 50: reyten (2 X), seiner, seinen, sein, zceit, schreiben (2 X)(1467) „ 42 Nr. 50: sein, gesein, erscheinen, die weile. (1469) „ 42 Nr. 345: ei im Verbum sein. 83 Friedrich von Sachsen (1428—1464): (1450) F. R. A. II 42 Nr. 41 : feind, bey. (1450) „ 42 Nr. 43: sey ten, konigreich. (1454) i 42 Nr. 119: meyn, seyn, zcweifel, beistand. (1457) „ 42 Nr. 140 : bey (2 X)> seine, österreicher. (1458) „ 42 Nr. 171 : dessgleichen, sei (2 X),bey (1 X)- Ernst und Albrecht von Sachsen: (1467) F.R.A. II 42 Nr. 319: 10 X ei, 3 X * (1469) „ 42 Nr. 344: 4 X ei, 1 X % Herzog Albrecht von Sachsen (1464—1500) : (1471) F.R.A. II 46 Nr. 135: ei. Kurfürst Ernst von Sachsen: (1464—1486): (1474) F. R. A. II 46 Nr. 275 : 30 X ei, 37 X *• Heinrich der Jüngere v. ReuB von Plauen, burggrave zu MeiBen : (1460) F.R.A. II 42 Nr. 223: ei. (1466) „ 42 Nr. 279: ei. (1467) „ 42 Nr. 304: ei. Brandenburg. Friedrich II. (1440—1470): ei; vereinzelt i. Albr. Achilles (1470—1486): ei. Joh. Cicero (1486—1499): ei. Joachim I. (1499—1535): ei. (Vgl. Agathe Lasch, Oeschichte der Schriftsprache in Berlin). Augsburg. (1416) Ratsschreiben, Chron. V S. 346: i, aber seine (4X)( weisen, Reich, weise, reich. (1416) „ Chron. V S. 348: i. (1418) „ Chron, V S. 351 : /, aber zweyfeln,\Styy sein, seinen, leyhen (2 X). reyten. (1418) „ Chron. V S. 357: i, aber weise (2 XK seinen (5 X)- (1422) „ Chron. V S. 367: i, 26 X ei. (1432) „ Chron. V S. 375 (an den Kaiser): ei. 84 (1438) Ratsdekret, Chron. V S. 377 (innerer Stadtverkehr) • t (1451) Statut im Stadtbuch, Chron. V S. 391 (offiziell) • ei (1452) Ratsdekret, Chron. V S. 420 (innerer Stadtverkehr).' ei; aber immer: by. Nürnberg. RatsverlSsse 1449-1510 (Hampe): ei, ey, (2 Xy); Verkleinerungssuffix oft: -lin. 1 X e: Wehennachten (Nr. 381). Stoffadjektive: vor 1503 herrscht -ein vor, nach 1503 -in, -en. Adjektivsuffix: -lich. Uiman Stromer, Püchel von meim geslechet und von abentewr (1360): ei. Stoffadjektive : -ein. Adjektivsuffix: -leich, nur 2 X lichteglich 35", kurtzlich 361*. Endres Tuchers Baumeisterbuch (1461 — 1470): ei, auch eu: dreu, greuffen 197", pfeuffer 25830. Stoffadjektive: -en, bisweilen -ein: liderein 295". Adjektivsuffix : -lich. Verkleinerungsendung: -lein. Nikolaus Muffels Oedenkbuch (1460): ei. Stoffadjektive : -ein, bisweilen -en. Adjektivsuffix : -lich. Verkleinerungsendung: -lein. H. Deichslers Chronik (1488—1506): ei. Stoffadjektiv: ein, auch -en. Verkleinerungsendung: -lein. Albrecht Dürer: ei, eu. L. F. 35', 55", 57«: Zeut, auf beden Seuten 11218, Feund 7518. Verkleinerungsendung. Briefe an Pirkheimer: -le: steinle 26", kdtzle 328, kreuzle 26". Handschriften : -le, -len, z B büchlen 258», 258*°. Im Druck: -lein, z. B. büchlein 185* 18210. mhd. ü. Böhmen. Kanzlei Qeorgs von Podiebrad: aw, vereinzelt uf Eger: aw, vereinzelt uf. Sachsen. Wilhelm von Thüringen: u; aw sehr sporadisch: 1 X ge- 85 brawchen (a.a.O. Nr. 147), 1 X darter (a.a.O. Nr. 194). Friedrich von Sachsen : ü, 1 X aus (1455). Ernst und Albr. von Sachsen: ü. Brandenburg. Friedrich 11.: aw, ü in uff. Albr. Achilles: aw, vereinzelt: uff. Johann Cicero: aw, vereinzelt: uff. Joachim L: aw, vereinzelt: uff. (Vgl. Agathe Lasch, a. a. O.). B a y e r n. Lerchenfeld, Freiheitsbriefe: aw. Augsb urg. Stadtbuch (1451), Chron. V S. 391 : au, aber uff, usz neben ausz. Brief der Zünfte (1452), Chron. V S. 412: au. Ratsdekret (1466), Chron. V S. 393 (innerer Verkehr): u, aber ausz. Ratsschreiben (1478), Chron. XXII 9. 440 (an den Kaiser) s au, aber uff. NOrnberg. Uiman Stromer: aw; uff kommt nicht vor, immer auf. In seinen Briefen dagegen: uff; vgl. Chron. I 15728, 15810: uff den selben tag, daz der tag uffget. Tucher, Muffel, Deichsler: aw. Ratsverlasse : aw, oft uf (bis 1478); nach 1478 : uff; immer: tuglich. Dürer: aw; 1 X hinuf (an Pirkheimer). In den Handschriften auch a I hinas L. F. 274,s, tasend 3561&, bran 327". mhd. iu. Böhmen. Kanzlei Oeorgs von Podiebrad: ew. Pers. Pron.: ewch, 1 X uch (1467). Eger : ew. Pers. Pron.: ewch neben uch. Strakonitz: ew, aber frunde. Pers. Pron.: ew, ewch. Südlicher l ewch. 86 Sachsen. Friedrich von Sachsen: ü. Pers. Pron.: uch Ernst und Albr. von Sachsen • F'R-A-,U2 Nr- ™- ew, 2 X fruntlich. sehen). " " Nn 3441 1 X DaySChen <= Deut- Ernst von Sachsen: (1474) Nr. 275: 1 V steuer Brandenburg. Friedrich ILf 4*. Pers. Pron: acA, ^ w im Dativ fehlt Albrecht Achilles: ew. Pers. Pron.: ewch. 1467 (an eine Frau) uch, ewch. K Johann Cicero: ew. Pers. Pron.: ewch. B a y e r n : ew, aber oft: fruntlich (noch 1506) Augsburg. (1416) Ratsschreiben, Chron. VS. 346: ii, ü,z.B. lilt. tutsch; iu: hiut> immer ewer. Pers. Pron. 1 X ew JiïiS " ' Chr0n> V S' 348: /ö> aber ewer, ewch. i « " ! Chr°n V Sl 351 : iu> a> aber ewch. J7* " ' ^hron- V S. 354 : iu, oft ewch. Dativ: ew. K ' " ' Chron- V S. 317: iu, aber *u^,a»w; ew als Pers. Pron. » , Chron. V S. 367 : ü, w, aber ewer, ewch, ew, getrewlich. rS D ♦ ii! * ' ?r0n- V S- 375 (an den Kaiser) : ew. ntln £> ^ ' Chron VS-377(m"ererStadtverkenr):«. (1451) Statut ,m Stadtbuch, Chron. V S. 391 (offiziell): eu, aber fruntlich. Nür(n4berBgefderZÜnfte'Chr0n' V S' ^ ^ Slromer: eu, ew. Tucher: eu. Muffels Qedenkbuch: eu ; 1 X ei: durchleichtigest 742' Deichsler: ew. RatsverlSsse: eu ; I X (Nr. 50), gezügt (Nr. 627). 87 Dürer. Briefe: ew, oft uch als Pers. Pron., auch im Dnick. Handschriften: oft ei: die Seilen 31720, Teitschland 56", Kriegsleit 272", fleich (= fleuch) 215»°, Reidlingen 395H u in fründ 32717; kniebug im Fechtbuch Nr. 30. mhd. ou. Böhmen. Kanzlei Oeorgs von Podiebrad: aw. ou kommt vereinzelt vor in ouch. Eger: aw. 1452: 1 .X glewben. Sachsen. Wilhelm von Thüringen: aw, daneben eu, ew. F. R. A. 42 Nr. 49: gleuben (1450), Nr. 111 : glewblich (1454), Nr. 322: gleuben (1467). Auch ou kommt vor: (1454) F.R.A. 1142 Nr. 111 : kou/man, Nr. 134: in den loufften. (1462) F. R. A. II 44 Nr. 295 : kriegeslouft. (1462) „ 42 Nr. 258: louften. Friedrich von Sachsen: au, aber auch ou. (1454) F.R.A. II 42 Nr. 112: 4 X ouch. (1450) „ Nr. 43: 3 X glouben. Ahnlich bei Ernst und Albrecht von Sachsen. Brandenburg. Friedrich II.: aw. Ich fand aber Spandow. Albr. Achilles: aw. Joh. Cicero i aw. Joachim I.: aw. ow vereinzelt, auch ew und eu: kewffen, erlewben, heupt. Augsburg: aw. (1416) Ratsschreiben, Chron. V S. 346: 1 X ach. (1418) „ „ V S. 354: 1 X och. (1418) „ „ V S. 359: 1 X och. (1432) „ „ V S. 375: 2 X ouch. (1438) Ratsdekret, „ V S. 377: ouch, 3 X houbt Nürnberg. Stromer, Muffel, Tucher, Deichsler: aw, au. Ratsverlasse: au. Vereinzelt: keuffen, heuptman. Dann und 88 wann: a, nl.: verkaft Nr. 898 (1511), St. Larenz Nr 81 Nr. 84 (1473). Vgl. auch folgende Reime bei Hans Sachs • schaf e - hafe (= Haufe); scham - tram (=Traum)W II 887; ab — artab W. III 288**. ' mhd. ei. Böhmen. Kanzlei König Oeorgs: ei; 1 X Behem. Daneben - ai- vel (1465) F. R. A. 42 Nr. 275: 2 X ai. (1467) „ , Nr. 293: 7 X ai, 8 X ei. Eger: ei neben ai. Strakonitz: ai. Sachsen. Wilhelm von Thüringen: ei; l X aüayn (1459). Friedrich von Sachsen : ei. Ernst und Moritz: ei. Brandenburg. Friedrich II.: ei ; ai selten. In der AnsbacherKanzlei der Hohenzollern dagegen kommt ai oft vor; vgl. bei Albr Achilles • (1458) F.R.A. 42 Nr. 165: 2 X ai. (1461) „ 44 Nr. 83: 3 X ai. (1462) „ 44 Nr. 353: 4 X ai, 3 X ei. (1469) „ 42 Nr. 362 : 4 X ai. A u g s b u r g : ai; ei kommt vor: (1416) Ratsschreiben, a. a. O.: 14 X ai, 5 X ei. (1418) „ , a.a. O.: ai, aber: heilig, heymüch, anander. (1422) Ratsschreiben, a.a.O.: ai, 5 X ei,' 2 X heiig, 1 X halihait. Ratsdekrete: ai. Erste Drucke oft: ei. N ü r n b er g. Stromer (1360): ai, ay; vor m, n, $ oft ey. Tucher (1461): ei (fast immer). Muffel (1460): ei. Deichslers Chronik (1488—1506): ai {ei im Artikel). 89 Dürer: immer ei; vereinzelt eu: Anzeugung 297"; auch a: haltumb 3921, 392"; Staber für Staiber in der niederlandischen Reise. Eine deutliche Übersicht der Zunahme von ay, ai in Nürnberg gegen das Ende des Jahrhunderts gibt folgende Zahlung aus den Ratsverlassen. (In dem ei ist ei für mhd. i mit einbegrtffen): 1449: immer ei , ai o X1450—1460: „ ei , ai 1 X1460—1473: ei 107 X , ai 5 X1473—1483: ei 354 X , ai 23 X1483—1493: ei 572 X , ai 60 X1494—1504: ei 379 X , ai 99 X1505—1513: ei 537 X > ai 572 X- lm Jahre 1510 z.B. wird für mhd. «geschrieben: 8 Xei (im Artikel), 138 X ai, 1 X a: purgermaster; im Jahre 1516: 2 X ei, 41 X ai. mhd. uo und üe. Böhmen. Kanzlei Oeorgs von Podiebrad : u. ue kommt vor, aber sehr sporadisch; auch ü. Ich fand : (1462) F. R. A. 42 Nr. 257 : zue. (1465) „ „ Nr. 275 : erfüret. (1467) „ „ Nr. 293 : fuegen, gemuet. (1467) „ „ Nr. 302: berueffung. (1467) „ „ Nr. 303 : berueffung. (1467) „ „ Nr. 305: bruefen. Eger: u, ue vereinzelt. Sachse n. Wilhelm v. Thüringen: u (1 X thün). Friedrich v. Sachsen: u. Ernst und Moritz: u. Brandenburg: u. In der Ansbacher Kanzlei der Zollern vor n auch o: ton. 90 Augsburg. (1416) Ratsschreiben, a. a. O. i &, u. H416) „ a.a.O.: &, de. f,432) „ a. a. O.; d, u, u. (1438) Ratsdekret, a. a. O. i u. (1451) Statut im Stadtbuch a.a.O.: ü, u, ü. (1452) Brief der Zünfte a.a.O.: u. (1459) Ratsdekret a.a. O.: u. (1478) Schreiben an den Kaiser a.a.O.: u. Drucke sehr oft: &. Nürnberg. Stromer s u. ü kommt vor, aber selten, auch ö: gepüsset 3030, erfrüren 41', fassvolk 46", gesücht 4616. Tucher: meistens u, aber huet 89", snuerrechtz 318". Muffel: u. ü und ó kommen nicht vor. Deichslers Chronik s u. a kommt nicht vor, ü in schah 548* r&fet 551s. Polizeiordnungen aus dem 15.Jht.: u; vor 1330 regelmSBig ü, vereinzelt: u. Dürer: u in den Briefen und den Handschriften, lm Druck der Befestigungslehre (1528): &, z. B. schuch, füsz, usw. B a y e r n. Freiheitsbriefe: 1402. Nr. 636: ü,u: güter, volfüren, auszspruch, ietzü. 1427. Nr. 704: tun, zu. 1506. Nr. 930: uo, ue, u: gebruoder, bruoder, Ruoprecht, bruderlich, verhuett, brueder, zuogesteüt. u vor Nasal. Böhmen. Kanzlei Oeorgs von Podiebrad: u, jedoch oft konig und sonntag; vereinzelt: sondern. Sachsen. Wilhelm v. Thüringen: sontag, sonnabend, konig,gewonnen, gesonnen, front, aber sunder, sundern. Friedrich von Sachsen: sontag, konig, son, aber sunder, be- 91 sunder, gewunne. Ernst und Moritz: sontag, konig, son, aber sunder. In einigen Wörtern ist hier also das o, in andern das u ziemlich fest. Schwankungen begegnen vor allem in den Verbalformen. Brandenburg. Friedrich II.: u. Die Form konig kommt vor. Albrecht Achilles: u, aber vergonnt, konig neben kunig, (1 X koenig). Joachim I.: u, aber gonnen, oft: Sontag. A u g s b u r g. (1438) Ratsdekret, a.a.O.: u; 1 X gonst. (1451) Stadtbuch, a.a. O.: u ; 1 X konig. (1452) Brief der Zünfte, a.a.O.: u; aber from. (1466) Ratsdekret, a. a. O.: u ; 2 X sonder. Nürnberg. Stromer i u, ü: sanbenten 39', sünderleichen 4118 Tucher: u, aber sünderheit 34'. Muffel: u. o: son 74816, sun 74919. Dürer. In den vertraulichen Briefen an Pirkheymer immer u; in offizielleren Briefen dagegen zeigt Dürer eine Neigung zum o. Auch die Druckersprache scheint hier das o bevorzugt zu haben. Vergleichen wir z. B. die Widmung von Dürers Proportionslehre aus der Dresdener Handschrift (1523) mit dem druckfertigen Manuskript in der Handschrift der Nürnberger Stadtbibliothek, das nur sehr wenig vom Drucke selbst abweicht, so finden wir in der Dresdener Handschrift überall die Formen sunder, bekummen, sunderlich, gunstig, in der druckfertigen Widmung gönstig, sonder, vollkommen, also durchweg o. In den Ratsverlassen zeigt sich ebenfalls eine Zunahme des o um die Wende des Jahrhunderts. Herrscht in den neunziger Jahren des XV. Jhts. das u vor, im ersten Jahrzehnt des folgenden, besonders seit dem Jahre 1504, ist das u fast verschwunden. 92 B a y e r n. Auch in Bayern findet sich eine starke Zunahme des o. ün 15. Jht ist u vorherrschend, im Anfang des 16. Jhts. dagegen o; vgl. z. B. Lerchenfeld, Freiheitsbriefe : (1402) Fusznote 636: sunder Uch, sunder, besunder, sun. (1406) „ 647: /rum, besunder. (1427) „ 704: sunder. (1506) „ 930: sounder (= besonder), son neben sun, sounder (= ohne), furstennthomb, könig, konigcleich. sullen neben sollen. In den betreffenden Kanzleisprachen begegnen beide Formen. Sollen herrscht vor in der Kanzleisprache Oeorgs von Podiebrad, sullen konnte ich kaum finden; einmal fand ich schuUen (1458),' dann und wann das Prësens: sal. Südlicher in Böhmen scheint sullen vorzuherrschen. In den Briefen der sachsischen Fürsten traf ich sullen haufiger an als in Böhmen. Sehr beliebt is bei ihnen : sal, selbstverstandlich auch das Imperfekt mit der Endung -de: suUle, soUie. In Brandenburg hat um die Wende des Jahrhunderts sollen den Sieg errungen. Die herrschende Form in Nürnberg ist sollen. In den Rats verlassen aus den Jahren 1494—1502 fand ich im ganzen sullen nur fünfmal. Daneben begegnet söUen, das auch in Augsburg neben sollen, sullen sehr geliufig ist. Auch in Bayern verdringen am Ende des Jahrhunderts sollen und sollen das alte sullen. solch neben sulch. Eine ahnljche Entwicklung wie bei sollen, sullen treffen wir bei solch, sulch. Auch hier erringt die o- Form den Sieg; vgl. folgende Übersicht: B o h m e n. Kanzlei Oeorgs von Podiebrad : solch, solh, soUich; sulch begegnet sehr sporadisch. In Eger kommt die Form sulch haüfiger vor. 93 Sachsen. Wilhelm von Thüringen : sollich, solich: einmal fand ich sulch (1454). Friedrich von Sachsen: sulch neben solch und sollich. Ernst und Moritz: sulch neben solch. Brandenburg. Friedrich II.: sulch, selten solch, solich. Albr. Achilles: sulch neben solch, solich. joachim I.: solich, solch. Nürnberg. In den Ratsverlassen herrscht bis 1492 solich vor, nach diesem Jahre solch, solh; sölch sehr vereinzelt. b, p. Anlautendes p für b ist eine weitverbreitete Erscheinung. Doch kommt in den betreffenden Kanzleisprachen p weniger vor als man glauben möchte; vgl. Böhmen. Kanzlei Oeorgs von Podiebrad : b; p begegnet, aber selten; vgl. z. B.: (1467) F.R.A. 42 Nr. 293: 3 X P, sonst b. ( „ ) „ „ Nr. 395: 4 X Pt sonst b, auch brue- fen mit b für p. (1471) „ „ Nr. 382 : 5 X PIn Eger herrscht b vor, in volkstümlicher Sprache p; so fand ich in einem Schreiben von einem Mann aus dem Volke, einem gewissen Joh. tiausner in den F. R. A. (1469): 44 \p, 3 X b. Je südlicher man kommt, je mehr p begegnet: Schwanberg: mehr p als b. Rosental: p. Sachsen: b. Nur zweimal las ich: als pakte. Brandenburg: b. p ist sehr selten und kommt fast nur vor in der Ansbacher Kanzlei der Zollern. Augsburg: b neben p, z. B. (1416) Ratsschreiben a. a. O. 11 X P, 30 X b. a. a. O.: 1 X P, 4 X b. (1418) „ a.a.O.: 6 X P, 16 X b. 94 (1422) Ratsschreiben a. a. O.: 1 X P, 32 X *• b herrscht also vor. p nimmt im Laufe des Jahrhunderts ab. In den oben (S. 83) angeführten weiteren Ratsschreiben und Dekreten fand ich im ganzen nur 3 X PNürnberg. In den Ratsverlassen herrscht bis 1489 b vor, nach 1492 p. Ich zShlte in den Jahren 1457—1489 : 197 X b, 148 X P V in den Jahren 1492—1513: 234 X b, 330 X P- In der volkstümlicheren Sprache herrscht p vor: So schreibt Dürer in seinen vertrauten Briefen fast immer p. Der Übergang von fl > o. In allen betreffenden Kanzleisprachen ist a der herrschende Laut. Das o kommt am meisten vor in den Prapositionalverschmelzungen: doryn, doran, dorczu, dornach, sehr oft auch in der Praposition noch (= nach) und den davon abgeleiteten Adverbien wie nochdeme, nochdem. In Augsburg zeigen die Ratsschreiben bis 1451 : a. Erst in diesem Jahre traf ich in einem Statut im Stadtbuch (Chron. V S. 391) Formen wie dor auff, dor inn, domit. In Sachsen kommt neben worin, worinn auch wurin, wurinn vor. Die Nürnberger Schriftsprache zeigt a, daneben o, aber in verschiedenen Quellen verschieden. In den Urkunden und Ratsverlassen, also in der offiziellen Sprache, in der Kanzlei, herrscht a, ebenso bei den Tuchern, Muffel und Pirkheymer, den Vertretern des Patriziats. Bei Dürer und Sachs, den Leuten aus dem Volke, kommt o vor, besonders bei Dürer. Auch H. Deichsler,. der nicht zum Patriziat gehort, hat mehr Neigung zum o als die Tucher und Muffel. Im Druck wird a bevorzugt. Interessant ist in dieser Hinsicht eine Vergleichung der Werke Dürers. In den Briefen an Pirkheymer, also im vertraulichen Verkehr, steht überall o, ausgenommen in Fremdwörtern wie Dukaten. In der privaten Aufzeichnung über ein Traumgesicht (L. F. S. 16): o; so auch in den handschriftliehen Entwürfen zu den Werken; in der druckfertigen Handschrift dagegen : a. Im Druckoselbst steht a_ 95 Sogar das kurze mhd. a begegnet bisweilen in Nürnberg als o, besonders da, wo es in offener Silbe gedehnt wird. Im 14. Jht. findet sich jedoch von diesem Übergang noch keine Spur. In den Polizeiordnungen aus dem 13. und 14. Jht. steht immer a, auch bei Stromer, der für langes a schon oft o schreibt. Erst in der zweiten Halfte des 15. Jhts. tritt vereinzelt o für kurzes a auf; vgl. Tuchers Baumeisterbuch: kosten für kasten, 4624 (im Neunürnbergischen gedehnt), kolender 18". In Muffels Romreise fand ich nodel (= Nadel) S. 28, 29, 49, 52, trock (= Drache) S. 50. Nomen (= Name) traf ich an in den Ratsverlassen (1513) und in Tuchers Haushaltbuch. Auch in geschlossener Silbe fand ich vereinzelt o\ S. 40 in Muffels Romreise mon (= Mann); S. 151 in Tuchers Haushaltbuch gewontschreiber; in den Ratsverlassen (1513) 4 X Mon (= Mann); vgl. auch folgenden Reim bei Hans Sachs: pron (= bran) — davon, W. VIII 66220. Bekanntlich wurde im Neunürnbergischen in mhd. geschlossener Silbe, vor allem in betonten einsilbigen Wörtern, der Vokal gedehnt; vgl. Oebhardt, Orammatik der Nürnberger Mundart § 130. Die Vorsilben vor-, ver-. Selbstverstandlich begegnet die spezifisch mitteldeutsche Vorsilbe vor- in Bayern, Augsburg und Nürnberg nur ganz sporadisch. Doch auch in Böhmen, wo man sie haufiger erwartet, kommt sie verhaltnismaBig selten vor. Die Kanzlei Georgs von Podiebrad schreibt vorwiegend ver-; vor- fand ich nur in den folgenden Schreiben: 1458 F.R.A. 42 Nr. 184 : 1 X vor-. 1460 „ „ Nr. 225: 7 X vorvilet. 1467 „ „ Nr. 305: 1 X vor dringen. In Eger: ver- neben vor-. Südlicher • ver-, z.B. Strakonitz : ver-, Rosental : ver-. Sogar in Sachsen, wo doch zur Zeit Friedrichs des Weisen vor- ungemein haufig vorkommt, fand ich bei Wilhelm von Thüringen fast nur ver-. Bei seinem Bruder Friedrich von Sachsen scheint vor- etwas haufiger angewandt zu werden. Bei den Nachfolgern Ernst und Moritz begegnet vor- oft. 96 In Brandenburg wird vor- neben ver- geschrieben. Das Suffix -nus. Die in den meisten Kanzleisprachen vorherrschende Form ist -nus, -nusz; -nis, -nisz, -nüsz ist verhaltnismaBig selten; vgl. folgende Übersicht: Böhmen. Kanzlei Oeorgs: -nusz, z. B. sewmnuss, bevelhnus. 1 X zeugnisz: F.R.A. 42 Nr. 303. Eger: -nusz. Sachsen. Wilhelm von Thüringen: -nus, z. B. entgeltnus, vortorbnus, versorgnus, erkentnus, verzeichnus. 1 X -nis: gedechtnis (1459). Friedrich von Sachsen: -nus, nusz, z. B. gedrengnuszr furdernusz; auch -nis, z. B. verhengnis (1454). Ernst und Moritz: -nusz; 1469 fand ich 1 X vorstentnis. Brandenburg: -nusz, -nüsz, z. B. puntnüsz, buntnus. Augsburg: -nus, -nüs, -nusz, z. B. grebnüs, empfelhnus. Nürnberg. In den Ratsverlassen: -nus, -nusz; -nis, -nisz fand ich nur dreimal. / oder n + Kons. lm allgemeinen steht im Süden nach / das t, im Norden das d. Das d nach n ist fester. Doch zeigen sich viele Schwankungen, vgl.: Böhmen. Die Kanzlei Oeorgs zeigt vorwiegend //, also: halten; vereinzelt begegnet ld: halden, sorgfeldig. Nach n steht fast immer d: under, hinder; nt ist sehr selten. In Eger traf ich ld oft; auch südlicher ; umgekehrt kommt hier nt haufiger vor. Sachsen: Wilhelm von Thüringen: halden; halten begegnet, aber sehr selten. Nach n regelmatig d: under, hinder. 07 Friedrich von Sachsen s halden, under, hinder, furder; halten begegnet. Bei Ernst und Albrecht zeigt sich dasselbe Verhaltnis. Brandenburg. Friedrich I.: ld, nt: halden, alden, hinten, furter. Friedrich Ri j ld, It; nd, rd; vgl. Lasch a. a. O. S. 63. Albrecht Achilles: It, ld; nd, nt; rd, rt. joachim I.: It, ld; nt, nd: halten, hinder, hinten A u g s b u r g: It, nd. Nürnberg: It, nd: hinder; nt begegnet dann und wann: hinter, untter, unterricht. lntervokalisches h. Böhmen. Kanzlei Oeorgs: h, z. B. gesehen, geschehen, entslahen, zihen; geschen, geschee, empfhaen kommen vor. In czehen immer h. In Eger dasselbe Verhaltnis: immer zehen, meistens versehen, ziehen, geschehen neben bescheen, geschen. Sachsen. Wilhelm von Thüringen: Immer gescheen, nie geschehen. Dagegen: versehen, gesehen. h fehlt in slaen, verjaet. Spater nimmt das h zu: (1458) anfahet, (1467) empfahen, meher, eher, ehr. Friedrich von Sachsen : Immer gescheen, geschenn, geschee. Sonst h: gesehen, vorsehen, sehen; vereinzelt ch: geruche (1454). Ernst und Albrecht: Wieder gescheen; aber mehir, swehr, slaken. Brandenburg. Friedrich II.: h, nur gescheen. Albr. Achilles: verfahen, abslahen, ruen, slaken, sweher, sehen, zehen. Ahnlich bei Joachim I. Nürnberg. Ratsverlasse : Bis 1478: gescheen, bescheen; von 1478—1507: gesche- 98 hen, beschehen; nach 1507 oft: geschechen, das nach 1512 zunimmt; vgl. auch weichnachten. Immer: zehen. Bis 1473 : slaken, entphaen; nach 1473: slaken, entphahen, schlahen, ratslahen, ratslagen. Bayern. In Bayern dagegen fand ich die Formen mit h schon viel früher: Freiheltsbriefe Nr. 704 (1427): beschehen, geschehen; Nr. 647 (1416): slaken. Augshurg. Die Formen mit h sind hier die gewöhnlichen: beschehen, geschehen. Nach v. Bahder (Grundlagen S. 18) steht in der stadtischen Kanzlei zwischen Vokalen neben h auch ch (sechen). In Drucken (vgl. S. 19) wird ch in sechen wieder durch h ersetzt. ch kommt noch vor in Zainers Bibel. Zuletzt fand v. Bahder es in Zeissenmayers Psalter 1495 und Othmars Thauler 1508. Ich fand ch noch 1501 im „Formulari und teutsch rethorica Augspurg Froschauer 1501" (vgl. Müller, Quellenschriften S. 365): dreyzechentausent, aber Lehenbrieff. Auch bei Niklas von Wyle, Translationen 251b las ich: achtzechen, beschechen, sechen, ir sechent, angesechen. Steken, gehen. Böhmen. Kanzlei Oeorgs von Podiebrad. Die Formen mit h kommen vereinzelt vor neben steen, geen. In Eger fand ich nur: versteen, abgeen, ansten. Sachsen. Wilhelm von Thüringen: steken, versteken, stehin, gehen; steen kommt nicht vor. Friedrich von Sachsen: steken bis 1450, nach 1450 fand ich auch vorsteen, steen, bestee. Immer: gehen. Bei Ernst und Albrecht sind gehen, stenen die gewöhnlichen Formen. Vgl. weiter v. Bahder a. a. O. S. 50 und S. 52: Sachsische Kanzleisprache um 1500 gehen, steken. In ost mittel deutschen Drucken aus der. ersten Halfte des 16. Jhts neben gehen, steken auch gdn, stan. Bei Luther kommen letztere Formen anfangs auch vor, verschwinden aber um 1530 ganz. 99 Augsburg. (1416) Ratsschreiben Chron. V S. 346: stout, verstaan. (1418) „ » V S. 351 : staun, gaun. (1418) „ V S. 357:vor^,za^«;(Konj.), anstan, staun. (1432) „ i V S. 375: stet. (1438) Ratsdekret „ V S. 377 : gaun. (1452) Brief der Zünfte „ V S. 412: versten. (1478) Brief an. den Kaiser „ XXIIS. 440 s uszgeen, versteen. Nach v. Bahder (a. a. O. S. 20) wird auch in den Drucken neben gdn, stan schon frühzeitig geen, steen gebraucht. Bei Sorg (1478—1490) und Zeissenmayer (1495—1505) überwiegen noch die a-Formen. In Othmars Thauler (1508) kommen gdn und stdn nicht mehr vor. Bei Steyner (1528— 1535) begegnen schon die neuen Formen gehen und stehen. In Basel sind gdn und stdn in den alteren Drucken allgemein. Sogar gon und ston kommen bis 1530 vor. Fischart hat gohn und stohn noch im Reim. Nürnberg. Uiman Stromer : gin, stin. Ratsverlasse : steen, geen, sten, gen. v. Bahder führt für die Kanzlei an: stin, gin; erst 1488 seien steen, geen vorgekommen. Dies ist nicht richtig: gin und stin kommen nur vereinzelt vor, steen und geen haufiger daneben. Bei Creusener (1472) in den Drucken anfangs noc\\ gien und stien, spater geen, steen. Sensenschmidt druckt nur gan und geen, kein gin. DaB gin, stin in dieser Zeit schwanden, hing damit zusammen, daB sie auch in der Nürnberger Volkssprache am Ende des 15. Jhts. nicht mehr existierten. Man sprach stehen und gehen schon mit ei, wie dies auch heute noch der Fall ist. Bei Dürer zeigt sich dies ganz vereinzelt schon in der Schrift; vgl. Fechtbuch Nr. 43: er geid. Der Übergang von ê zu ei hat wahrscheinlich via das i stattgefunden. Wie erklaren sich sonst die spezifisch nürnbergischen Formen stien, stin, gien, gin ? Wie altes mhd. • 100 i hat sich auch dieses nfirnbergische i, freilich fast um zwei Jahrhunderte spater, diphthongiert. ■Haben und lassen. Diese beiden Wörter nehme ich hier zusammen, weil beide kurze Formen neben sich haben (han, lan). Böhmen. Kanzlei Oeorgs von Podiebrad: haben, tassen; 2. Partizip : gehabt. Die kurzen Formen kommen vereinzelt vor, wie auch in Eger. Hier fand ich als Imperativ Mehrzahl von lassen: let. Sachsen. Wilhelm von Thüringen : haben, lassen; vereinzelt wir han. Part.: gehabt. Friedrich von Sachsen: haben, lassen; Partizip: gehat, gehabt. Brandenburg. Friedrich 1.: haben, lassen, spater ich han. Albr. Achilles : haben, lassen; ich han vereinzelt. Partizip : gehabt. Joachim I.: haben, lassen. Augsburg. In der ersten Halfte des XV. Jahrhunderts sind die kurzen Formen die gewöhnlichen. Die meisten Schreiben zeigen sie und zwar mit dem schwabischen au für a: syhaund, er haut, sy haun, wir laun. Daneben begegnen die langern Formen : haben, lazzen, letzteres auch mit au: lauszen. Als Partizip zu haben fast immer: gehebt. Die kurzen Formen, besonders die mit au, schwinden wahrend der zweiten Halfte des Jahrhunderts. Doch begegnet si hand noch in Drucken in der zweiten Halfte des 16. Jhts. Erst 1610 fand von Bahder lan und han nicht mehr (S. 22). N[ürnberg: haben, lassen, neben denen nur sehr selten han vorkommt. Bei Hans Sachs noch im Reim j han, lan. Die kurzen Formen scheinen vor allem dem Südwesten gelaufig gewesen zu sein. In der alteren Druckersprache in 101 Basel und StraBburg kommen han, lan, hon, Ion (StraBburg) sehr oft vor. Die 2. und 3. Ps. Plur. PrSsens. Böhmen. Kanzlei Qeorgs von Podiebrad: Die 3. Ps. Plur. endet auf -en, die 2. Ps. auf -et: ir sullet, ir höret; -ent, -end kommt in der 2. Person Plur. nur ganz vereinzelt vor. Ich fand 1462 einmal ir werdent, 1467 ir mochtend. In Eger zeigt sich dasselbe Verhaltnis. Sachsen. In Sachsen fand ich in der 3. Ps. Plur. als Endung nur -en. Brandenburg Auch in Brandenburg ist -en die gewöhnliche Endung. Die 2. Ps. Plur. hat -et; vereinzelt ir werdent, ir bitend (1461). Nürnberg. Ratsverlasse: -en in der 3. Ps. Plur. Nach v. Bahder (S. 32) kommt seit 1488 daneben auch -end, -ent vor, das auch in der 2. Ps. Plur. manchmal angehingt wird. Ich habe die Endungen -end, -ent jedoch in den Ratsverlassen nicht finden können. Bei Dürer fand ich in den Briefe^ für die 2. Ps. Plur. von sollen und haben: ir send, ir hand; für die 2. Ps. Plur. von gehen: di gand. Augsburg. In Augsburg dagegen sind -end, -ent als Endungen sehr gelaufig, auch in der 2. Ps. Plur. Doch scheinen sie in der zweiten Halfte des XV. Jhts. den neuhochdeutschen Endungen Platz zu machen. Sie kommen aber in den Drucken noch haufig vor; v. Bahder (S. 18) fand sie in der 3. Ps. Plur. noch 1533, in den 2. Ps. Plur. noch 1560. Am festesten halt sich die Endung mit -d in den einsilbigen Formen: seind, hand, th&nd. Auch in Basel und in StraBburg wird noch im Anfang des 16. Jhts. die 2. und 3. Ps. Plur. auf -end neben -en gebildet. Bayern. Für Bayern zeigt die Abnahme des -ent und -end folgende Übersicht aus den Freiheitsbriefen: 1402 Nr. 636: -ent, -end, z. B. sy vindent, sy erdenchent, sy machent, sy ainenl, sy ainend, sy tund; -en sehr vereinzelt. 1416 Nr. 647: -ent, -end, -en: sie habend, si haben, die werdend. 1427 Nr. 704: nur noch si habent mit -ent. 1429 Nr. 721 : si haben. 1506 Nr. 930: stets -en. bringen neben brengen. Böhmen. Kanzlei Oeorgs: bringen; brengen kommt vor; vgl. F. R. A. 42 Nr. 293. In Eger ist bringen die gewöhnliche Form; brengen iprengen) ist volkstümlich. Sachsen. Wilhelm von Thüringen: brengen. Friedrich von Sachsen : brengen. 1458 fand ich zum ersten Mal bringen (F. R. A. 42 Nr. 171). Auch unter Ernst und Albrecht begegnet bringen. Brandenburg. Friedrich I. : bringen. (Lasch a. a. O. S. 59) Friedrich II. j bringen, brengen. (Lasch a. a. O. S. 62). Albr. Achilles: bringen (durch den EinfluB aus Ansbach); brengen sehr sporadisch. Augsburg. In Augsburg fand ich nur bringen, pringen. Nürnberg. Ratsverlasse: bringen. Sehr vereinzelt begegnet brengen (1465), verpreng (1505). Bei Hans Sachs begegnet brengen oft im Reim. Die Negationspartikeln nicht und nit. Böhmen. Die Kanzlei König Oeorgs kennt nicht neben nit, doch 102 103 herrscht nicht vor. In Eger scheint dagegen nit haufiger vorzukommen. Südlicher überwiegt nicht. In Briefen aus Rosenberg und Rosental fand ich nur nicht. (Auch in Österreich begegnet am meisten nicht, das Wiener Copeybuch kennt nur nicht). Bayern. In Bayern fand ich ebenfalls am meisten nicht; vgl. die Freiheitsbriefe: 1402 Nr. 636: nicht, nit kommt nicht vor. 1416 Nr. 647: nicht, nit 1427 Nr. 721: nicht, nit 1438 Nr. 743: nicht, nit „ „ » • 1506 Nr. 930: nit. Sachsen. Wilhelm von Thüringen: nicht. Friedrich von Sachsen : nicht, auch nich. Ernst und Albrecht: nicht. Brandenburg: nicht; nit vereinzelt. Augsburg: nit neben nicht; nit herrscht vor. Nürnberg. Ratsverlasse • nit; seit 1507 auch nicht. In Drucken des 16. Jhts. nit neben nicht. s -\- Konsonant. Böhmen. Kanzlei König Georgs : 5 -f Kons.; sch kommt nur sehr vereinzelt vor; ich fand nur | 1462 F. R. A. 42 Nr. 257: 2 X sehw-: 1465 F.R.A. 42 Nr. 260: 1 X schm-: 1467 F. R. A. 42 Nr. 263: beschweren. Sachsen. In Sachsen kommt in unsrer Periode nur s vor Konsonanten vor. Brandenburg. In Brandenburg begegnet ebenfalls nur s + Kons. sch kommt erst auf am Ende der Regierungszeit Joa- 104 chims I. Bet Joachim II. ist schl-, schwl- Regel. Augsburg. Auch in Augsburg ist s vor Konsonanten Regel, sch kommt vor, aber sehr sporadisch; ich fand 1418 1 X schmahe (Chron. V S. 359). Auch in einem Briefe anden Kaiser (1478 Chron. XXII S441) fand ich sch + Kons., z. B. schmach, beschlossen. Nürnberg. In den Ratsverlassen fand ich vor 1495 nur 3 X sch vor Konsonanten : 1479 peschwerd, geschworn ; 1492 beschwer. Seit 1495 kommt fast regelmaBig sch vor. Dürer schreibt in seinen Briefen an Pirkheymer fast ausnahmslos sch -f- Kons. wollen neben wellen. Böhmen. Kanzlei König Oeorgs: wollen; wellen begegnet sehr selten, vgl. 1458 F. R. A. 42 Nr. 161. willen fand ich einmal 1452. Auch Eger kennt nur wollen. Südlicher kommt wellen vor. Strakonitz: wellen. Rosental: wellen. Sachsen. Wilhelm von Thüringen: wallen; wollen kommt vor. Friedrich von Sachsen: wollen. Daneben wullen. Einmal fand ich: welden (im Imperfekt). Bei Ernst und Albrecht begegnet wellen neben wollen.' Brandenburg. Friedrich I.: wellen, wollen (= wollen). Friedrich II.: wollen. Albr. Achilles: wollen. In Privatschreiben an seine Frau : wellen. Joachim I.: wollen neben wellen. Augsburg: wellen, wöllen, wollen. Nürnberg: Ratsverlasse: wollen, wollen. zu oder ze vor Infinitiv. Böhmen. 105 Die Kanzlei König Oeorgs schreibt zu, zcu. Auch Eger schreibt zu. -Sachsen: Immer zu. Brandenburg: Immer zu (1458 fand ich 1 X ze). Augsburg: zü, zu neben zé; zü, zu 'scheint vorzuherrschen, vgl. in den schon oft angeführten Ratsschreiben: 1416 zü, 12 X » ze 4 X1416 zü, zu 2 X , ze \ X1418 zü, zu 4 X , ze l X1418 zü, zu 8 X » ze 2 X1451 zü 7 X . « 0 X- Auch in den Drucken scheint dies der Fall gewesen zu sein; vgl. v. Bahder (S 20) i „Neben ze wird auch zü verwendet, das in einigen Drucken allein steht." JNürnberg. RatsverlSsse 1450—1475: zu; ze vereinzelt. 1475—1500 : ze herrscht vor, vgl. 1480—81 : ze 40 X , zu 12 X1482—83: ze 38 X , zu 9 X1484—85: ze 18 X , zu 8 X1486—87 I ze 48 X , *» 15 X1488- 89: ze 35 X , zu 9 XIn den Jahren 1492—1500 laBt sich ein bestimmtes RegelmaB in der Anwendung nachweisen. Vor betonter Silbe wird ze, vor unbetonter Silbe zu geschrieben; z. B. ze ordnen, ze ratslagen, auf zeiegen, ze urlauben, ze pauen, aber zu enteuszern, zu vergonnen, zu verzieken, zu gedencken, zu besichtigen. Nach 1500 wird dieses RegelmaB durchbrochen und fangt zu an vorzuherrschen; vgl. 1500—1502: ze 3 X > zu 35 X1507—1508: ze 8 X , zu 19 X1509: ze U X , zu 18 X- 1510—1511 : ze 7 X , zu 48 X1512—1513: ze 8 X , zu 21 X- 106 b für w. Böhmen. Kanzlei Oeorgs. b für w kommt vor, z. B. mitboch gebest (= gewest). Auch das Umgekehrte: herwerg, Brandwurg, Nürmwerck. Je südlicher man kommt, je mehr nimmt der Wechsel zu. Sachsen und Brandenburg kennen den Wechsel nicht, auch Augsburg zeigt ihn nur vereinzelt (1422: herwerg). In Nürnberg kommt er haufiger vor, in den Ratsverlassen (bardein, albeg) weniger als in der volkstümlich gefarbten Sprache; vgl. u. a. Dürer: donewen (= daneben), tewichen (= Teppiche), beib, bert, beber (= Weber), erbarten, Tilwerg (= Tilburg). oder, ob. Böhmen. Die Kanzlei Oeorgs schreibt am meisten oder und ob; oder, ob kommen vor. In Eger begegnet letztere Formen haufiger. Sachsen. Wilhelm von Thüringen: ader, adir; ab. Friedrich von Sachsen: ader, adir, adder, addir; ab. Ernst und Albrecht: adder, addir, ader, oder; ap, ab. Brandenburg: oder, obï adef, ab ganz vereinzelt. Augsburg, Nürnberg: oder, ob. i statt e in der Endung. Böhmen. Kanzlei Oeorgs. / in der Endung kommt vor, aber selten. Ich fand dann und wann odir, solhir, undir, wedir. In Eger und südlicher kommt i kaum vor. Sachsen. Das eigentliche Oebiet für das i in der Endung ist Sachsen. e begegnet aber haufiger; vgl. für Wilhelm von Thüringen aus den F. R. A. 42: Nr. 49: 7 X i; Nr. 107: 22 X !; Nr. 134: e; Nr. 174: e; Nr. 295 (145 Zeilen lang): e; Nr. 301, 317, 322, 345: e. 107 Friedrich von Sachsen. Nr. 119: e, 4 X & Nr. 43: e, 3 X ï Nr. 171 : 8 X * Nr. 172: é?, 2 X * Brandenburg. Unter Friedrich II. kommt i öfter vor, schwindet aber unter seinen Nachfolgern. Augsburg und Nürnberg kennen das / in der Endung nicht. Erstes Partizip auf -end oder auf -ende. Böhmen. In der königlichen Kanzlei herrscht -ende vor: kommende, treffende, tretende, zweifelnde, begerende. Doch begegnet das Partizip auf -end: berurend, anstoszend, irsuchend. Sachsen. Wilhelm von Thüringen und sein Bruder Friedrich kennen nur das Partizip auf -ende: zustehende, ilende, bittende, latende, begernde, belangende. Bei Ernst und Albrecht begegnet daneben die Endung -endt, -end: angehorendt, wartend. Brandenburg. In Brandenburg ist -end die gewöhnliche Endung. Augsburg. Augsburg kennt fast nur -ent, -end: antreffent, wissent. byttend, dienent, zierent, -ende kommt selten vor: wissende, Nürnberg. Auch in Nürnberg sind die Partizipien mit der kurzen Endung die gewöhnlichen: wissend, betreffend, stoszend. Die langen Endungen kommen vor wie in Augsburg : steende, gepürende. Die Personalpronomen der 3. Ps. Es handelt sich hier um die Frage, welche Kanzlei die kurzen *ind welche die langen Formen gebraucht. Böhmen kennt fast 108 nur die kurzen Formen im (Dat Einz.), in (Akk; Einz.) und in (Dat. Plur.) Nur zweimal las ich ine im Akk. Einz. und Dat. Plur. Auch Sachsen hat die kurzen Formen. In Augsburg herrsehen sie vor. In den alteren Drucken begegnet aber schon der Dat. Plur. inen. Die Ratsverlasse in Nürnberg kennen bis 1505 im Dat. Einz. nur im, dann aber fand ich sehr oft ime. Akk. Einz. ist ine. Dat. Plur.: ine bis 1482, dann daneben: inen. t für d. Im allgemeinen kommt t für d nicht so haufig vor wie man erwartet. In Böhmen begegnet es nur sehr vereinzelt: trifaltig^ ertichten, Hinkel, erticht. Auch in Sachsen: verterbt, verturblich, vorterbet. Noch weniger scheint es in Brandenburg vorzukommen. Ich fand nur Tonau. Augsburg zeigt t nur sehr sporadisch : tümtechant, tumher und selbstverstandlich in tütsch, teütsch. Haufiger kommt t in Nürnberg vor. Die Ratsverlasse zeigen: trucken, vertempfen, tutzet, A. Türer, betroen, teutsch, tach, weuten. Sehr oft begegnet t bei Dürer in den Briefen : tewtzsch, tróttziher (— Drahtzieher), tatum, tibisch, ertrich, trey, monten, trucker. KAPITEL VI. Über den EinfluB der Kanzleisprache Friedrichs III. Das Vordringen der neuhochdeutschen Diphthonge, des Hauptcharakteristikums der neuen Schriftsprache, findet, von einem Teile von Thüringen, wo auch heute noch die alten Langen gesprochen werden, abgesehen, w&hrend der Regierungsperiode Friedrichs III., nur in solchen Gegenden statt, die in der Mundart die neuen Djphthonge schon kennen. Die niedersSchsischen, die niederfrahkischen und die alemannischen Gebiete widersetzen sich in der offiziellen Spracheder Verbreitung dieser oberdeutschen Eindringlinge. Erst viel spater nehmen auch diese deutschen Lande sie in ihre Schriftsprache auf. Diese Tatsache darf bei der Behandlung der Frage, ob und inwieweit die kaiserliche Kanzleisprache die Verbreitung der neuhochdeutschen Diphthonge gefördert habe, nicht übersehen werden. Sie zeigt aufs deutlichste, daB die Schriftsprache sich nicht unabhangig von den Mundarten entwickelt haben kann. Diese müssen je nach ihrem Bestand die Diphthonge in der Schriftsprache gefördert oder gehemmt haben. Das ist ja auch selbstverstandlich : die Schriftsprache ist eben kein künstliches Gewachs, nicht ein fremdes Reis, das von auBen her auf deutschen Stamm gepfropft wurde; sie ist ein n a t ü r 1 i ch e s Produkt, das auf n a t ü r1 i c h e m Wege aus den Mundarten hervorgewachsen ist. Das Problem von der Entwicklung der neuhochdeutschen Schriftsprache muB folgiich auf naturlichem Wege seine Lösung finden. Auch auf die Seite des Problems, die hier naher beleuchtet werden soll, die Beeinflussung der mittel- und süddeutschen Kanz- 110 leisprachen durch die Sprache der kaiserlichen Kanzlei, kann nur eine natürliche Erklarung ihr Licht werf en. Wir können die jeweilige Kanzleisprache nur sehen im Zusammenhang mit der Mundart, aus der sie hervorgegangen. i . Es würde den Rahmen dieses Buches weit überschreiten, wenn hier von allen Mundarten, die an der Entstehung der Gemeinsprache mitgewirkt haben, eine eingehende Beschreibung gegeben werden sollte, wenn nachgewiesen werden sollte, wie diese Mundarten in der jeweiligen Kanzleisprache angewandt und durch den EinfluB der Sprache derjenigen Kreise, aus denen die Schreiber hervorgingen, umgemodelt wurden, wie dann die so entstandenen förstlichen und stadtischen Kanzleisprachen durch den Verkehr mit andern Kanzleisprachen weitere VerSnderungen erlitten, wie alle sich gegenseitig beeinfluBten, um schlieBlich unbewuBt das zu schaffen, wozu sie insgesamt mitgewirkt haben, die allgemeine Schriftsprache. Ich muB mich auf einige Bemerkungen beschranken. Wenn die Kanzleisprachen auf natfirlichem Wege aus den Mundarten entstanden sind, wenn die Schriftsprache auf natfirlichem Wege aus den verschiedenen sich gegenseitig beeinflussenden Kanzleisprachen hervorgewachsen ist, so scheint es mir,. erstens, daB bei der bisherigen Behandlung der Frage in der Erklarung von dem Auftauchen neuer Laute und Formen in irgend einer Kanzleisprache zu sehr bei den Schreibern eine bewuBte Absicht einer bestimmten Kanzleisprache als Muster zu folgen, vorausgesetzt wird, und zweitens, daB man zu schnell zu der Annahme kommt, daB vor allem die Sprache der kaiserlichen Kanzlei als Muster betrachtet wurde, ohne vorher zu untersuchen, ob die lautliche oder sprachliche Erscheinung nicht in der Mundart ihren Grund fand. Eine bewuBte Absicht sprachliche Neuerungen in die Kanzleisprachen einzuführen, darf meines Erachtens für das 15. Jht. nicht angenommen werden. Zum Beweise für die Richtigkeit dieser Ansicht weise ich auf das a 11 m 3 h 1 i c h e Auftreten der neuhochdeutschen Diphthonge in verschiedenen Kanzleisprachen hin, in deren Mundart zur Zeit dieses Auftretens die neuen Diph- 111 thonge noch unbekannt waren. Verfolgen wir diese Erscheinung etwas genauer. Für die Kanzleien derjenigen Landesteile, in deren Mundart die neuen Diphthonge noch unbekannt waren, muB EinfluB von auswarts angenommen werden. Unerweislich bleibt es, welche .Kanzleisprache den EinfluB* ausgeübt hat, die kaiserliche in Wiener- Neustadt und Oratz oder die mitteldeutschen. Historisch ist letzteres wahrscheinlicher. Gerade zu der Zeit, wo z. B. in Thüringen das ei allmahlich aufzutreten anfangt, haben „kaiserliches Regiment und Reichsgesetzgebung so gut wie auf.gehört" (vgl. Bachman, Deutsche Reichsgeschichte im Zeitalter Friedrichs III. und Maximilians I., Bd. I S. 2) und findet zwischen den mitteldeutschen Fürsten, sie mochten sich in Hinsicht auf territoriale Interessen einigen oder entzweien, ein lebhafter brieflicher Verkehr statt, wie u. a. die Bande 42, 42 und 46 der „Fontes rerum Austriacarum" beweisen können. In diesem Verkehr werden unwillkürlich in haufig vorkommenden Wörtern die Diphthonge, zunachst das ei, allmahlich übernommen. Von einer bestimmten Absicht, von einer bewuBten systematischen Übernahme laBt sich keine Spur entdecken. Wenn man absichtlich übernommen hatte, warum hatte man dann anfangs nur das neue ei aufgenommen und noch dazu in einigen schwankenden Fallen ? Das ganze Auftreten der neuen Diphthonge in diesen Kanzleisprachen weist auf eine allmahliche Angleichung hin. Vergleichen wir z. B. welche Wörter zuerst in den Württemberger und in den Thüringer Kanzleien, die in dieser Hinsicht verglichen werden können, da in beider Mundart zu dieser Zeit die alten Langen gesprochen werden, zuerst das ei zeigen, so ergibt sich «ine merkwürdige Übereinstimmung. Es sind nahezu dieselben Wörter, welche dann und wann mit ei geschrieben werden; vgl. für Thüringen: (F. R. A. II 42 Nr. 111: sein, sei, sey (3 X), verschreibung, schreiben; (1458) Nr. 174: sey (6 X).desgleichen, dieweilen, schreiben, bey; (1459) Nr. 194: seyn (5 X); (1460) Bd. 44 Nr. 50: reyten (2 X)> seiner, sein, zceit. Für Württemberg gibt Bohnenberger (a. a. O. § 39) aus den Urkunden: Münsinger Vertrag (1482): bey, bei, wein, zeiten; (1486) Eber- 112 hard I.: weyland, sein, seinen; (1489) Eberhard \.:deinem, seinerJ, seinen, desgleichen, sein, seynd, seyen; (1492—'96) Eberhards Testament: / und y, aber untersckreyben. Auch für Augsburg fand ich zu einer Zeit, „wo allerdings die lautliche Existenz des ei empfunden wurde, aber nicht machtig genug war, eine Schreibung zu verdringen, an der AnstoB zu nehmen man bisher noch keine Ursache hatte" (vgl. Scholz a. a. O. S. 121), zu einer Zeit also, die, was das Auftreten der Diphthonge betrifft, einigermaBen mit der Übergangszeit in Thüringen und Württemberg verglichen werden kann, bei Scholz angeführt t (1313): sein, mein, weisen ; (1326): sein; (1330): dieweil; (1330) t zeiten ; (1338): zeiten ; (1320): schreiber, sein. Aus diesen Beispielen, aus ganz verschiedenen Zeiten, in ganz verschiedenen Oegenden, zeigt sich, daB wenigstens bis zum Ausgang des XV. Jhts. von einer bewuBten Übernahme nicht die Rede sein kann. Immer sind es dieselben, am haufigsten vorkommenden, Wörter, die das neue «'zeigen; bei den weniger gebrauchten steht anfangs die alte L3nge. Eine bewuBte, systematische Einführung der Diphthonge in allen Wörtern mag zu Beginn des XVI. Jhts. und spater stattgefunden haben in den nördlichen und westlichen I-Oegenden durch den EinfluB der allgemein verbreiteten süddeutschen Druckersprache und die um sich greifende allgemeine Schriftsprache, für das XV. Jahrhundert kann sie nicht angenommen werden. Es ist also nicht richtig, wenn man für das XV. Jahrhundert Kanzlei ein bewuBtes Einigungsbeitreben annimmt, wie z. B. Franke (Orundzüge der Schriftsprache Luthers I S. 26) dies voraussetzt bei Friedrich dem Weisen, wenn dieser „sich vielleicht als Kronprinz schon für das Einigungswerk interessierte und es als Kurfürst weiterführte." Die allmahliche Übernahme der Diphthonge, wie in Württemberg und Augsburg, Ist mit der Annahme eines „Interesses für das Einigungswerk" in völligem Widerspruch. Sogar die eigenhandigen Briefe Friedrichs (vgl. Förstemann, Neues Urkundenbuch zur Oeschichte der evangelischen Kirchenreformation, Nr. 1 —40) zeigen von diesem Interesse nichts. Es sei mir gestattet zum Beweïse der Richtigkeit meiner Be- 113 hauptung, daB eine bewuBte Absicht in der Übernahme sprachlicher Elemente zu verwerfen sei, noch auf eine andre Erschei» nung hinzuweisen. Es ist eine auffallige Tatsache, daB in allen Kanzleisprachen, mögen die Zeiten, wo sie die neuen Diphthonge aufnehmen, auch mehr als ein Jahrhundert auseinander liegen, zuerst das ei sich zeigt und erst spater das aus mhd. ü entstandene au und das aus mhd. iu entstandene eu aufkommt. Ich gebe dafür nachstehende Übersicht für Thüringen: (1450) F. R. A. II 42 Nr. 49: IX ei, immer u. (1454) „ „ „ 42 Nr. 107: 2 X ei, „ u. (1454) „ „ „ 42 Nr. 111 : 8 X "*» | (1458) „ „ „ 42 Nr. 174: 13 X ei, 1 X au, sonst u. (1459) „ „ | 42 Nr. 194: 5 X ei, 1 X au, sonst u. (1460) „ „ „ 44 Nr. 50: 5 X ei, immer u. (1467) „ „ „ 42 Nr. 295: 11 X ei, „ u. (1467) „ „ „ 42 Nr. 321 : 4 X ei, „ u. Id. für Sachsen: (1450) F. R. A. II 42 Nr. 41: 2 X ei, immer u. (1454) „ „ „ 42 Nr. 119: 4 X ei, „ u. (1457) „ „ „ 42 Nr. 141 : 4 X ei, „ u. (1458) „ „ „ 42 Nr. 171 : 4 X ei, „ u. (1474) „ , „ 46 Nr. 275: 30 X ei, „ u. Id. für Augsburg: (1416) Ratsschreiben Chron. V S. 346: 8 X ei, immer u. (1418) „ „ S. 351 : 9 X ei, „ u. (1418) „ „ S. 354: 6 X ei, „ u. (1418) „ „ S.357: 7 X ei, „ u. (1418) „ „ S. 359: 5 X ei, „ u. (1422) „ „ S.367: 26 X ei, „ u. (1432) „ „ S. 375: immer ei; u, 1 X getrauen. Auch in den Ratsdekreten treffen wir dasselbe Verhaltnis an: (1438) Ratsdekret Chron. V. S. 377: 1 X ei, immer u. (1459) „ „ S.420 : 4 X ei, „ u. (1466) „ „ S. 393 : ei (2 X 0» » "» aber auf. 114 Noch für die Druckersprache gilt anfangs dasselbe (vgl. Moser a. a. O. S. 28): In dem Liederbuch der Augsburger Nonne Clara Hatzlerin (1471) „sind die Diphthonge ei, au, eu durchgeführt, nur für das letztere kommt noch öfter ü vor." Schon bald tritt aber in den Drucken au auf; vgl. Kaufmann a. a. O. S. 294 ff. Ich frage nun : Warum erscheint zur Zeit Sigmunds, in dessen Kanzlei sehr haufig sowohl altes t als altes u vorkommt, in Augsburg nur das neue ei und fahrt man fort altes u zu schreiben; warum zeigen die Kanzleien in Thüringen und Sachsen ein halbes Jahrhundert spater, zur Zeit Friedrichs IU., dessen Kanzlei nach 1450 fast nur die neuhochdeutschen Diphthonge kennt, auch wieder das neue ei und lassen sie altes ü stehen ? Der Grund kann doch nur der sein, daB dieses allmahliche Auftreten der nhd. Diphthonge eben nichts mit der Sprache der kaiserlichen Kanzlei als Muster zu tun hat, sondern die Folge einer unbewuBten Angleichung an die Sprachen solcher andren Kanzleien ist, mit denen ein lebhafter schriftlicher Verkehr stattfindet, in welchem AngleichungsprozeB die Mundart, aus der die betreffende Kanzleisprache hervorgegangen, einen wesentlichen Faktor bildet. Eine bewuBte Übernahme kann nicht stattgefunden haben, man hatte dann regelmaBig' alle Diphthonge eingeführt. Wenn also eine bewuBte Absichtlichkeit bei der Übernahme sprachlicher Neuerungen in der Kanzlei nicht angenommen werden darf, so versteht es sich, daB auch von einer bewuBten Nachahmung der Eigenheiten der kaiserlichen Kanzleisprache nicht die 'Rede sein kann. Sie kann zwar EinfluB ausgeübt haben, aber nicht mehr oder weniger als die Sprachen der andern Kanzleien, mit denen die betreffende Kanzlei in Verbindung steht, es sei denn, daB die Kaisersprache allgemein als Autoritat gegolten hatte. Über diese Autoritatsfrage im folgenden Kapitel. Wir wollen zunachst versuchen an einigen sprachiichen Erscheinungen zu beweisen, daB in der Tat sich bisher von einem EinfluB der kaiserlichen Kanzleisprache in unsrer Periode wenig zeigt, daB wenigstens nicht mit OewiBheit gesagt werden kann, daB 115 bestimmte Erscheinungen unbedingt der kaiserlichen Kanzlew sprache zugeschrieben werden mussen. Die nhd. Diphthonge. Für die nhd. Diphthonge wies ich schon darauf hin, daB ihr Auftreten in den verschiedenen Kanzleisprachen das Resultat einer allmahlichen Angleichung sein muB. Wir zeigten dies aber nur für: Kanzleisprachen, die eine ï-Mundart neben sich haben. Für diejenigen, deren Mundart en die nhd. Diphthonge schon kennen, kann nicht anders als EinfluB dieser Mundarten ahgenommen werden. Vergleichen wir z. B. in dieser Hinsicht Nürnberg, das schon seit der Zeit, wo es deutsch urkundet, die nhd. Diphthonge schreibt. Die ersten Urkunden in deutscher Sprache datieren daselbst aus dem letzten Jahrzehnt des 13. Jhts. (vgl. Chron. I S. XXX). Welche deutsche Sprache wird beim Verschwinden der lateinischen als offizielle gebraucht worden sein ? In welcher Sprache wurde das erste Stadtrecht, wurden die ersten Polizeiordnungen geschrieben ? Die Ordnungen werden gewöhnlich von den Schreibern eingeleitet durch die Formel: „Ez habent auch gesetzet unser herren der schultheiz, der rat, die schepfen und die genanten mit gemeinem ral durch der stat nutz und durch guten friden usw." Die Ordnungen kommen also zu stande durch „schultheiz, rat, schepfen und genannte" unter Mithilfe der Stadtschreiber. Was ist natürlicher als daB sie in diesen Ordnungen, denen möglichst allger meine Verstandlichkeit in der Stadt gesichert sein sollte, ihre eigne Sprache anwenden ? Kenntnis einer mhd. Literatursprache laBt sich schwer bei diesen QeschSftsleuten voraussetzen. AuBerdem besaB diese bekanntlich die alten Langen, wahrend das Nürnbergische schon die nhd. Diphthonge zeigt. Eine kaiserliche Kanzlei kann auch kein Vorbild abgegeben haben, höchstens für die Form der Urkunden. Sie war bis 1275 (erste deutsche Kaiserurkunde) und auch spater noch lateinisch. Die Schreiber gebraur chen eben die Sprache, die schon im Geschaft und im Oericht gesprochen wurde, die Sprache der Kreise, welche die Trager 116 der damaligen Bildung waren: der stadtischen Schöffen und Ratsherren. Die Diphthonge sind also in Nürnberg aus der Mundart hervorgewachsen, unabhangig von der Kaisersprache, die entweder noch Lateinisch schrieb oder noch die mhd. Langen anwandte. Eine ahnliche Entwicklung wie in Nürnberg müssen die meisten stadtischen Kanzleisprachen durchgemacht haben. Es ist nichts anderes möglich, als daB in der stadtischen Kanzlei, besonders für den innern Stadtverkehr, die eigene Sprache angewandt wurde und zwar in der Schattierung der gesellschafilich gehobenen Schicht, aus der die Stadtschreiber hervorgingen. Kommen die neuen Diphthonge in der Mundart vor, so erscheinen sie allmahlich auch in der Kanzleisprache. Das Hechinger Latein beweist für Augsburg z. B. daB zu Anfang des XIV. Jhts. die neuen Diphthonge in der Mundart vorhanden waren. Bald darauf sehen wir sie auch in der stadtischen Kanzlei auftreten. DaB auch hier das Vorbild der kaiserlichen Kanzlei nicht gewirkt haben kann, beweist die Tatsache, daB gerade zu der Zeit, wo die neuen Diphthonge in der stadtischen Kanzleisprache massenweise auftreten, Sigmunds Kanzlei sehr haufig die alten Langen anwendet. Auch eine Erscheinung in der Kanzleisprache selbst zeigt meines Erachtens deutlich, daB die Diphthongierung unabhangig von der Kaisersprache vor sich gegangen ist. Es ist namlich etwas Auffailiges, daB zu der Zeit, wo sich regelmaBig noch u für mhd. ü und iu in den Urkunden zeigt, im Personal- und Possessivpronomen konsequent ew geschrieben wird; vgl. 1416 R. T. A. VII 310: ewer, ew (Dativ). 1417 „ 330: ew (Dativ). 1417 „ 331 : ewer, ewch. 1418 „ 367: ewch, ew. und die auf S. 86 angeführten Ratsschreiben. Diese Höflichkeitsformen mit den neuen Diphthongen scheinen also zu dieser Zeit ganz gelaufig gewesen zu sein. In Stücken mit durchgehendem iu, steht konsequent ew in diesen Pronomen. Besonders fallt hier die Dativ-form ew auf. Sie grade beweist deutlich, daB der Diphthong sich unabhangig vón 117 der Kaisersprache entwickelt hat. Letztere kennt eben zu dieser Zeit dieses Dativ- Pronomen ew nicht. Der böhmischen Kanzleisprache Sigmunds, ebenso wie der seines Vaters und Bruders, ist es unbekannt. Erst in der Kanzlei der Habsburger, bei Friedrich HL, kommt das ew als Dativform sehr haufig vor. Der Diphthong ei. Der Diphthong ei wird in den verschiedenen Kanzleien, besonders in den süddeutschen, gegen das Ende des XV. Jhts. immer haufiger als ai geschrieben. Das Auftreten dieses ai ohne weiteres der Kaisersprache zuzuschreiben, ware nicht richtig. Erstens kommt das ai in der Kaisersprache bei weitem nicht so haufig vor, wie gewöhnlich angenommen wird: Sigmund kennt nur ei, Friedrich wendet im Verkehr mit Mittel- und Norddeutschland infolge der Verteilung des Kanzleipersonals vorwiegend ei an und auch bei Maximilian ist das ai nichts weniger als alleinherrschend. Zweitens laBt sich hier der EinfluB der Mundart nicht leugnen. Ein deutliches Beispiel dafür, daB letztere auch bei der Erscheinung des ai eine Rolle spielt, gibt wiederum Nürnberg. Die Sprache der Reichsstadt zeigt scharf abgegrenzte Perioden, wahrend welcher ei und wahrend welcher ai geschrieben wird. In den altesten Polizeiordnungen (Ende des 13. Jhts., jedenfalls vor 1327) steht ai, ebenso in dem etwas spateren „Püchel von meim geslechet und von abentewer" von Uiman Stromer (1360). ei steht immer nur für mhd. i. Wie die spatere Entwicklung im Neunürnbergischen beweist, muB das ei aus mhd. i geschlossener gesprochen worden sein als das alte ai. Ersteres entwickelt sich in der Mundart zu ai, das zweite zu a; vgl. Gebhardt, Grammatik der Nürnberger Mundart § 70 und § 81. Um die Mitte des 15. Jhts. tritt jedoch für beide Laute, sowohl für den alten als für den neuen Diphthong, in der Schrift durchweg ei auf. Tucher schreibt nur ei, auch Muffels Gedenkbuch. Damit übereinstimmend zeigen die Ratsverlasse zu dieser Zeit ei; vgl. oben S. 89. Bei dem ersten Eindruck denkt man hier an einen EinfluB von 118 auBen. Es ware möglich, daB hier mitteldeutscher und zwar EinfluB der Luxemburger und der böhmischen Kanzleien vorlage, mit denen Nürnberg in regem Briefwechsel stand. Auch die Ansbacher und infolgedessen die Brandenburgische Kanzlei schreibt ei. Und dennoch laBt sich die Schreibung recht gut aus der Mundart erklaren. lm Nürnbergischen scheint zu dieser Zeit eine Angleichung der beiden Diphthonge stattgefunden zu haben. Das neue ei hat schon, wie im Neunürnbergischen, die offenere Aussprache angenommen, wanrend altes ei sich noch nicht zu dem noch offeneren ai, a entwickelt hat. Am Ende des Jahrhunderts zeigt sich wieder regehnaBig ai. Heinrich Deichslers Chronik (1488—1506) hat nur c/(ausgenommen im unbestimmten Artikel) und in den Ratsverlassen nimmt ai in bedeutendem MaBe zu, wie die oben S. 89 gegebene Übersicht beweist. Auch diese Zunahme des ai laBt sich aus der Mundart erklaren. Keine kaiserliche Kanzleisprache brauchtsie veranlaBt zu haben. Allerdings werden dieselben Wörter bald mit ei, bald mit ai geschrieben. Einige Stichproben aus den Nürnberger Ratsverlassen der Jahre 1510, 1511 und 1516 beweisen jedoch, daB von einer völligen Willkür nicht die Rede sein kann. Die Schreibung dieser Jahre zeigt namlich bei naherer Untersuchung ein RegelmaB, das man durchaus nicht erwartet. Im Jahre 1510 steht für mhd. i selbstverstandlich ei, im Auslaut ey. Nur 1 X fand ich ai für dieses f gegen 66 X ei. Für mhd. ei wird 138 X ai geschrieben und 9 X ei (1 X a). Von diesen 9 ei entfallen 8 auf den unbestimmten Artikel, der sich auch im Neunürnbergischen nicht zu d entwickelt hat; vgl. Oebhardt a. a. O. § 356 und § 82. Auch in Deichslers Chronik fand ich zu dieser Zeit im Artikel ei, sonst ai. Namentlich diese Schreibung des unbestimmten Artikels, im Vergleich zu den 138 X ai für Falie, wo der alte Diphthong sich im Neunürnbergischen zu d entwickelt hat, beweist den EinfluB der Mundart, beweist wenigstens, daB, wenn EinfluB der kaiserlichen Kanzleisprache in der Schreibung stattgefunden hat, die Mundart doch jedenfalls diese Schreibung unterstützte. Dasselbe Verhaltnis zeigt sich in einem willkürlich herausgegriffenen andern Jahr, dem Jahre 1516. 119 Ich sehe denn auch in der regelmaBigen Zunahme des ai in den Nürnberger Ratsverlassen, von 1460 an, einen EinfluB der Mundart und zwar die starkere Oeltung des a- Elements in dem alten Diphthong. Eben in dieser Zeit erscheint auch das a für mhd. ei, zwar sporadisch, aber es laBt sich doch belegen; vgl. Staber (Eigenname für Staiber) in Dürers Tagebuch (Leitschuh, Dürers Tagebuch S. 53, S. 66; Lange-Fuhse 136", 13710); haltumb (L. F. 392', 39211); hammermaster (Ratsverlasse, Hampe Nr. 923); stan (= Stein) bei Hans Sachs ; den Eigennamen Plahmann für Peter Bleichmann (Ratsverlasse, Hampe II Nr. 624, 626, 629); den Eigennamen Camox für Caimochs ') (Ratsverlasse, Hampe II Nr. 2665, 1075). Für altes i dagegen tritt a niemals auf. Wohl zeigt sich Hinneigung zu e (Dürer : aas schent, renisch; Ratsverlasse: Wehennachien). Auch in dem oben herausgegriffenen Jahre erscheint einmal pargermaster. Das haufige ai in der Kanzleisprache Maximilians und in der um diese Zeit ihren EinfluB immer starker geltend machenden Druckersprache mag die Schreibung unterstützt haben. Auch in Augsburg herrscht um 1300 ai; vgl. die von Scholz (a.a.O. S. 172ff.) angeführten Belege. Nach der Mitte des XIV. Jhts. nimmt ei zu. Doch herrscht wahrend des ganzen XV. Jhts. ai vor; vgl. oben S. 88. Niclas von Wyle fühlt das ei als Eindringling, schwerlich mit Recht. Nach Scholz (S. 172) und Bonnenberger (S. 113) kam es vor und nach 1300 wiederholt vor. Wyle schreibt (1478) in der 18. Translation (Translationen von Niclas von Wyle, herausgegeben von Adalbert von Keiler, Stuttgart 1861): „so haben sich vnser vStter vnd dero altfordern in schwauben yewelten her bis vf vns gebrucht in Irem reden vnd schriben des diphtongons. ai. für. ei. burgermaister schribende nit burgermeister, nain vnd nit nein. flaisch vnd nit fleisch etc. Aber yetz gernauch in allen schwebischen cantzlien der herren vnd stetten schribent die schriber ei für ai. burgermeister sprechende vnd nit burgermaister wysheit vnd nit wyshait. daz ain grosse vnnütze endrung ist vnsers gezüngs dar mit wir loblich gesündert wauren 1) Kunstbandler-und Verlegerfamilie in Nürnberg. 120 von den gezüngen aller vmbgelegnen landen das uns yetz laidet vnd fremdes liebet. Ich bin bfirtig von bremgarten usz dem ergöw, vnd hab mich anefangs als Ich herus in swauben kam grosses flysses gebruchet daz jch gewonte zeschriben ai für ei. Aber. yetz were not mich des wider ze entwennen wo Ich anders mich andern schribern wölt verglychen, das ich aber nicht tün wil." Nach dem Zeugnis eines Zeitgenossen macht sich also in Augsburg um die Mitte des XV. Jhts das ei wieder breit. Wyle scheint dieses ei als f remd anzufühlen. Mit der Aussprache des Diphthonge in der Mundart kann das Auftreten des ei zu seiner Zeit nicht zusammenhangen. Umgekehrte Schreibungen wie tair für tor, die um 1460 mehrfach vorkommen, fair mals für vor mals, (Kaufmann a. a. O. S. 90 ; Scholz a. a. O. S. 176; Bohnenberger a. a. O. S. 77) beweisen dies deutlich. Und dennoch kann das ei in Augsburg in der Schrift altheimisches Gut sein. Es wird vor Wyles Zeit haufiger geschrieben, als man nach ihm annehmen möchte. Im 14. Jht. kommt es sogar sehr oft vor, und es ist die Frage, ob zu dieser Zeit der Diphthong schon mit dem o-Klang in der Mundart gesprochen wurde. Eine Aussprache nach der des mhd. 1 zu, wird für diese Zeit wenigstens bewiesen durch einen Reim des Hermann Fressant von Augsburg: saeit — zit (vgl. Scholz a.a.O. S. 176). Die Tatsache, daB schon vor dem 15. Jht. ei wiederholt in Augsburg vorkommt, und die wahrscheinliche Aussprache des Lautes im 14. Jht. verbieten es bei dem haufigeren Auftreten des ei in Urkunden um die Mitte des 15. Jhts. ohne weiteres einen EinfluB von auBen anzunehmen. Möglich ware es, daB die Schreibung ei durch den lebhaften brieflichen Verkehr mit Nürnberg und mitteldeutschen Kanzleien gefördert wurde : die Erscheinung allein auf diese Kanzleien zurückzuführen, ware venehit. Von einem EinfluB der Kaisersprache Friedrichs III. kann überhaupt nicht die Rede sein, da die ei schon massenweise vor seiner Regierungszeit auftreten. Sachsen und Thüringen kennen um die Mitte des XV. Jhts. nur ei. In den Urkunden bis 1474 habe ich nur 1 X finden 121 können j allayn (vgl. oben S. 88). Die Schreibung ei hangt mit der mundartlichen Aussprache zusammen. Wird ei in Nürnberg schlieBlich a gesprochen, hier zeigt sich die Neigung zu ê. Die Monophthongierung des germ. ei im Althochdeutschen vor h, w, r ist im Obersachsischen und Ostthüringischen auch vor andern Konsonanten weitergeschritten. Noch Luther zeigt öfter Formen mit ê: wegern, zunegung, kleder, enzeln, bede. In „Herr Gott, dich loben wir" reimt Luther -keit — steht (vgl. Franke a. a. O. § 67). Erst um die Wende des Jahrhunderts zeigt sich öfter ai. Dieses ai muB auslandisches oberdeutsches Gewachs sein, in der Mundart ist es nicht begründet. Friedrich der Weise selbst schreibt öfter ai. Darauf weist auch die vereinzelte Schreibung thuen und das Zeitwort wellen hin. Auch der Kanzier Dr. Brück schreibt öfter ay; vgl. Förstemanns Urkundenbuch zur Geschichte der evangelischen Reformation z. B. S. 64 Nr. 22 : kayn, gemaynt, maynung, glayt (oft), kayserlich, vormaynte, glaytet (= geleitet;. EinfluB der Kanzlei Friedrichs HL kann hier nicht mehr angenommen werden. AuBerdem schreibt diese Kanzlei nach dem Norden meistens ei. Erst um die Wende und zu Beginn des 16. Jhts. erscheint in Sachsen ai, ahnlich wie in Breslau (vgl. Moser a. a. O. S. 23), in Augsburg, wo „am Ende des ersten Dezenniums des 16. Jhts. die alte Schreibung ai wieder in ihre vollen Rechte eintritt" (vgl. Moser a.a.O. S. 31). Hier muB wohl, neben dem EinfluB der Druckersprache, Einwirkung der Kanzlei Maximilians vorliegen. Doch erstreckt sich in dieser Hinsicht der EinfluB nicht auf alle Kanzleien. StraBburg behalt ei, auch im Druck : Sebastian Brant hat altes ei neben ey, Murner ei und ey. Mainz behalt ei; ai tritt hier zuerst 1530 auf. Auch in Aschaffenburg zeigt sich das ai erst 1521 (vgl. Kemmer, Aschaffenburger Kanzleisprache § 38). Mhd. ou. Mhd. ou erscheint in der Kanzlei Friedrichs HÈ nach dem ersten Jahrzehnt seiner Regierung als au. Anfangs kommt noch öfter ou vor unterm EinfluB des Personals der Luxemburger Kanzlei. Nach 1465, als die Kanzlei ganz in die Hande der 122 Österreicher kommt, ist au ausnahmslos. In ganz Böhmen ist übrigens zu dieser Zeit aw, au Regel, so in allen Urkunden und Briefen aus Eger und von den böhmischen Edelleuten im 42. Bande der Fontes rerum Austriacarum. Auch die Kanzlei Oeorgs von Podiebrad zeigt fast immer aw. Vereinzelt begegnet ou in ouch. Nürnberg zeigt denselben Lautstand, nur daB hier öfter Formen mit eu vorkommen (keuffen, heuptman, durch mitteldeutschen EinfluB) und um die Wende des Jhts. mit a im Zusammenhang mit der Entwicklung des Diphthongs in der Mundart: verkaft, St. Larenz, tram, urlab, hafe (= Haufe); vgl. oben S. 88. Für diese mundartliche Entwicklung vgl. Oebhardt a. a. O. § 83. Brandenburg zeigt dieselben VerhSltnisse wie Nürnberg. Hier zeigt sich natürlich nicht der Übergang zu d, da die Sprache der Brandenburger Kanzlei den Zusammenhang mit der Volkssprache aus der frankischen Heimat verloren hat. Andrerseitsmacht sich hier der EinfluB des Mitteldeutschen stlrker geltend. Unter den Wittelsbachern im 14. Jht. schrieb die Brandenburger Kanzlei ou: ouch, gelouben, frowe; unter den Luxemburgern bis 1398 ou; nach 1398 unter Jobst von Mahren kommt au mehr vor. ou zeigt sich unter den Hohenzollern nur ganz vereinzelt. So fand ich 1462 F. R. A. II 44 Nr. 261 in einem Schreiben Friedrichs II. Spanaow. Nach Agathe Lasch (vgl. a. a. O.) kommt rOu noch vor unter Albrecht Achilles und Johann Cicero, obwohl es zurücktritt. Unter Joachim I. begegnen Formen mit eu: kewffen, erlewben, heupt. EinfluB der Kanzleisprache Friedrichs III. zeigt sich nirgends. Ebensowenig in Sachsen und Thüringen, wo au schon um die Mitte des 15. Jhts. ganz gewöhnlich ist. Am Ende des Jhts. kommt ou noch vereinzelt vor. In Augsburg herrscht vom Beginn des Jhts. an au vor, ist also auch hier schon vor der Zeit Friedrichs III. der gewöhnliche Vertreter des mhd. ou. Im XIV. Jht. kommt ou haufiger vor. Das Auftreten der Schreibung au hangt gewiB mit der Mundart zusammen. „Zweifellos wird für das 15. Jht. im Gebiete des heutigen ao schon dieser Laut anzusetzen sein" (vgl. Bonnenberger a. a. O. S 127). Doch will Bohnenberger in der haufig auftretenden Schreibung au nicht allein EinfluB der Mundart 123 sehen, die Kanzleisprache wird die Schreibung unterstützt haben. Es müssen dann bayrische oder frankische Kanzleien gewesen sein, da die kaiserliche Kanzlei zu Beginn des Jhts. bis an den Kegierungsantritt Friedrichs III. vorwiegend ou schreibt. Die mhd. Diphthonge. Wahrend in den österreichischen Schriftdialekten die Diphthonge Regel sind, zeigt die Kanzlei Friedrichs III. in dieser Hinsicht, gemeinsam mit der Wiener Sprache, mit der Kanzleisprache Albrechts VI. und Sigmunds von Tirol, vorwiegend Monophthonge, vor allem in den Schriften, die nicht für den innern Verkehr und die alten Stammlande, sondern für das Reich bestimmt sind. „Gemeinsam ist den Schreibern der Habsburger Amter allen nur das Bestreben, wo sie keine in allen Einzelheiten feststehende Grammatik oder auch nur Schreibregel zur Verfügung hatten, die bestehenden Unterschiede zwischen Süd und Nord in der Schrift nicht zu stark hervortreten zu lassen. Es wird also von vielen auf die Bezeichnung des Diphthongs in guet, giiete verzichtet und gut, gute geschrieben" (Brenner, Mundarten und Schriftsprachen in Bayern S. 67). Für eine eventuelle Beeinflussung in dieser Hinsicht hatten wir also zu suchen in den Kanzleien der Mundarten mit den Diphthongen uo, üe, ie, also in Bayern und Schwaben. Und doch könnte nicht jedes einfache Zeichen u, ü, i, das in den Kanzleisprachen dieser Gegenden -erscheint, durch den EinfluB der Sprache der kaiserlichen Kanzlei erklart werden. Ein Beispiel dafür liefert Nürnberg. Die altesten Polizeiordnungen vor 1330 zeigen regelmaBig für mhd. uo &: puze, tun, darzu, f&z, gut, muter. Nur vereinzelt zeigt sich u: puze, tun, puck, was wohl ungenaue Bezeichnung des Diphthongs sein mag, wie die Formen puze und puze nebeneinander beweisen. Bei Uiman Stromer zeigt sich das & nür noch sehr vereinzelt: püsset 3030, erfrüren 415, swür 474, 81', 82M, sonst u. Dasselbe Verhaltnis zeigt sich bei mhd. ie : in den altesten Polizeiordnungen vorzugsweise ie, bei Stromer fast immer i; ie nur in hie 45u', 46", 76", 81u, durchweg in je, nie, ye, Liechtmesz 70" und im Prat. der Verba heiszen und 124 lassen. Für das mhd. üe bieten die Bezeichnungen ü und üt sowohl für den Diphthong als für den einfachen Vokal, für eine richtige Beurteilung Schwierigkeiten. Wahrend des ganzen XV. Jhts. nun schwindet die Schreibung ü. Auch ue begegnet kaum : ich fand es nur zweimal in Tuchers Baumeisterbuch; vgl. oben S. 90. Sonst wird immer u geschrieben ; vgl. auch Muffels Gedenkbuch und Deichslers Chronik und die Polizeiordnungen des XV. Jhts., u. a. die Bettelordnung (1478) und die Hochzeitordnung (1485). Damit übereinstimmend ist die Schreibung ie für mhd. ie in den Ordnungen des 14. Jhts. und die Schreibung i in denen des 15. Jhts. (ausgenommen 1 X liechf). Auch Dürer kennt in den Handschriften und Briefen für mhd. uo nur u, für mhd. üe: ü, ü. Erst im Druck traf ich fortwahrend wieder & an; vgl. den Druck der Befestigungslehre 1528 (nach dem Exemplar in der Königlichen Bibliothek im Haag). Dieses & verdankt seine Existenz dem Drucker. Dürers eigne von mir im Nürnberger Stadtarchiv verglichene Handschrift kermt es nicht, ebensowenig wie die dort und im Dürerhause befindlichen Briefe an Pirkheymer. Es liegt auf der Hand in dieser Wiedergabe der mhd. Diphthonge durch einfache Zeichen einen EinfluB der Kaisersprache anzunehmen. Steht doch die freie Reichsstadt durch ihre Stellung und durch die Reichstage fortwahrend mit der kaiserlichen Kanzlei in Verbindung. Und dennoch scheint es mir, daB der Grund wiederum nicht in der Kaisersprache, sondern in der Mundart gesucht werden muB. Die mittelhochdeutschen Diphthonge müssen nl. in der Nürnberger Mundart schon im 15. Jht. als Monophthonge gesprochen worden sein. Bekanntlich haben sich diese mhd. Diphthonge in der modernen Mundart zu neuen Diphthongen entwickelt: mhd. ie wird zu oi (z. B. tief > toif); mhd. uo zu ou (z. B. vuoz > fous) und mhd. üe wird zu ei (z. B. vüeze > feis); vgl. Gebhardt a. a. O. § 78— § 80. Nur in der Kürzung (vgl. Oebhardt § 131) entwickelten sie sich zu den Vokalen ü, u, ü (i). Diese kurzen Vokale in der neuen Mundart nun weisen auf die Existenz langer Vokale, aus denen sie entstanden sein müssen, hin. Haben wirklich diese 125 langen Vokale existiert, so mussen sich erst die mhd. Diphthonge monophthongiert und spater die aus ihnen entstandenen Monophthonge wieder diphthongiert haben. Die Monophthongierung muB vor dem 16. Jht. stattgefunden haben, da die Form mouter für muoter 1578 bei Hieronymus Wolf belegt ist (vgl. Socin, Schriftsprache und Dialekte S. 283 ; Oebhardt a. a. O. § 79 Anm. 1). Spatestens muB also der Anfang des 16. Jhts. und das 15. Jht. die Zeit sein, wo sich Spuren dieser langen Vokale zeigen müssen, wenn wenigstens meine Voraussetzung von der Entwicklung der mhd. Diphthonge im Nürnbergischen richtig ist. In der Tat zeigen sich diese Spuren. Die Monophthonge lassen sich belegen. Ich fand für das mhd. ie bei Dürer lücht L. F. 2864, verdrüszen L. F. 29323, vürundzwanzig L. F. 39214, urbütig; bei Hans Folz (Spruch von der Pest) niimerme; bei Muffel j gebüt. Die Schreibung ü für das nichtgerundete / laBt keinen Zweifel betreffs des monophthongischen Wertes zu. Vgl. auBerdem noch o. Der Übergang von a > o kommt in der kaiserlichen Kanzleisprache nach 1450 nur vereinzelt vor; hie und da in den Prapositionalverschmelzungen wie dobey, dorumb, usw. Dieser Übergang ist eine Erscheinung, die fast allen Kanzleien gemeinsam ist. In den meisten kommt o jedoch haufiger vor als in der kaiserlichen. In der Zunahme des a aber schon in der zweiten Halfte des 15. Jhts. einen EinfluB der Kaisersprache anzunehmen, ware verfrüht. Das o schwindet erst langsam wahrend des 16. Jhts. In der ersten Halfte dieses Jahrhunderts wird es noch regelmatig geschrieben (vgl. Franke a. a. O. § 80; Kemmer, Aschaffenburger Kanzleisprache in der ersten Halfte des 16. Jhts. § 3; Moser a. a. O. § 57 ; Agathe Lasch a. a. O. S. 201). Das Prüfix ver-. Die kaiserliche Kanzleisprache kermt nur ver-; vor- kommt sehr vereinzelt vor. Für die andern Kanzleien vgl. oben S. 95. Merkwürdig ist, daB vor- am Ende des Jahrhunderts eher zu- als abnimmt. So herrscht in Thüringen zur Zeit Herzog Wilhelms entschieden ver- vor. Bei seinem Bruder Friedrich in MeiBen begegnet daneben vor-. Zu Friedrichs des Weisen Zeiten aber ist vor- ging und gabe. Auch in Brandenburg herrscht anfangs verunterm EinfluB der frankischen Inhaber der Berliner Kanzlei; spater als Einheimische in die Kanzlei aufgenommen werden, dringt vor- durch. Um die Mitte des 16. Jhts. wird vor- haufiger als ver- gebraucht; vgl. Lasch. a. a. O. S. 202. Überhaupt kommt vor- im 16. Jht. noch sehr haufig vor; vgl. Moser a. a. O. S. 219: „Bei Luther findet sich vor- neben ver- haufig bis 1523, dann noch vereinzelt bis 1534. Im übrigen ist Ostmd. vor- noch in der 2. Halfte des 16. Jhts. sehr beliebt. 132 Das Verschwinden von vor- gehort also nicht dem 15 Jht éohdern einer spateren Zeit an. Auch inbezüg auf das Prafix ver* kann deshalb von einem EinfluB der Kanzleisprache Friedrichs III* nicht die Rede sein. / oder n + Kons. Die Kaisersprache setzt vorwiegend It, also halten. Doch ist Aaiden, besonders in den vierziger Jahren, keine Seltenheit. In den sp5teren Jahren kommen die ld- Formen nicht mehr vor; It wird Regel. Ist es nun möglich, daB diese It- Formen in unsrer Periode in ld- Oegenden EinfluB ausgeübt haben ? Die Kanzlei Oeorgs von Podiebrad schreibt vorwiegend It. Die Formen mit ld kommen vereinzelt vor. Auch unter Wladislaus, Oeorgs Nachfolger, ist halten die gewöhnliche Form. Wilhelm von Thüringen schreibt ld. Im Jahre 1450 kommt bei ihm li schon vor. Ich las wolte im Imperfekt. Auch den Infinitiv halten traf ich 1459, 1460, 1467, 1469 an. Bei Friedrich von Sachsen habe ich It kaum finden können. Noch um die Mitte der achtZiger Jahre hat sich d nach / erhalten; vgl. Moser a. a. O. S. 22. Sogar in den ersten Dezennien des 16. Jhts. kommt ld in der meiBnischen und kursSchsischen Kanzlei noch oft vor; vgl. die Belege bei Franke a. a. O. S. 234. In einem eigenhandigen Brief des Kurfürsten Friedrich des Weisen an seinen Bruder (Förstemann a. a. O. Nr. 39) 1523 fand ich: alden, halden. Noch 1545 schreibt Luther überweldigen. Ja, selbst noch 1582 bei Pape und 1586 bei Göbel kommt ld sporadisch vor (vgl. v. Bahder a.a.O. S. 251). Das Verschwinden von ld gehort also einer spateren Zeit an. Auch bei nd kann in Sachsen von einem EinfluB der Kaisersprache Friedrichs nicht die Rede sein, beide haben nd. Noch bei Maximilian ist nd Regel. Sogar bei Karei V. trifft man es noch oft an (vgl. Förstemann a. a. O. Nr. 31 S. 78 : under, under redt; Nr. 81 : understanden). Nürnberg schwankt zwischen nd und nt. Auch in der Kanzlei Oeorgs von Podiebrad zeigt sich ein Schwanken, obwohl nd vorherrscht. Eger schwankt. Brandenburg schwankt wie Nürnberg. In Bayern kommen Formen mit nt ebenfalls vor. Wenn also spater unter Karl V. in der 133 kaiserlichen Kanzlei nt statt nd auftritt, muB mehr an eine Beeinflussung dieser kaiserlichen Kanzlei durch andere Kanzleien als an einen EinfluB der kaiserlichen auf diese gedacht werden. Intervokalisches h. Wie wir oben S. 76 gesehen haben, kommt die Schreibung ch für intervokalisches h in der Kanzlei Friedrichs III. kaum vor. Bei Maximilian dagegen begegnet ch oft. Erst wahrend dessen Regierungszeit sehen wir es auch in andern Kanzleien auftreten. In Sachsen und Thüringen kannten die Kanzleien um die Mitte des XV. Jhts. nur gescheen, geschenn; geschehen kam bei Wilhelm von Thüringen und bei seinem Bruder nicht vor. Auch Ernst und Albrecht kannten nur gescheen. Zur Zeit Luthers dagegen ist geschechen in Sachsen bekannt. Luther schreibt es selbst 1520 in der Handschrift „Von den guten wercken": 2 X gescheche, geschechen, 18 X geschicht; vgl. Franke a.a.O. § 167. Dasselbe sehen wir in Nürnberg. Die Ratsverlasse kennen bis 1478 nur gescheen, bescheen. Seit 1478 bis 1507 kommen daneben geschehen, beschehen vor. Und nach 1507 erscheint geschechen, das 1512 noch zunimmt. Von einem EinfluB der Sprache Friedrichs kann also auch hier nicht gesprochen werden. Eher lieBe sich von einem EinfluB der Sprache seines Sohnes Maximilians reden, obwohl dabei nicht vergessen werden soll, daB in Augsburg, dem Zentrum des Buchdrucks, schon früh ch sehr oft vorkam. gehen, stehen. Die Kanzlei Friedrichs III. kennt nur die Formen geen, steen; stütt las ich in einer Urkunde vom Jahre 1441 (W. Hecht) und die Formen gdn und stdn begegnen nur auf der Krönungsreise im Jahre 1442, vermutlich durch den EinfluB von Kanzlisten wie Welzly. Auch in der böhmischen Kanzlei Oeorgs herrschen nur gehen und stehen. Haben diese ê- Formen EinfluB ausgeübt ? Niclas von Wyle schreibt in der 18. Translation (Translationen, ed. von A. v. Keiler S. 350): „So ist vnsers landes tütsche biBher gewesen ze reden„zwüschen dir und mir, zwüschen üch 134 vnd vns, zwüschen im und mir." Dar für wir yetz österrychisch sprechen „zwüschen din vnd min, zwüschen üwer vnd unser, zwüschen sin vnd min." Item vnd als die fürsten vnser landen biBher pflegen haben ain andern zeschryben vnd noch des|merentails tflht „üwer Heb", heben yetz etlich schriber an flemisch dar für zeschriben „üwer liebde" vnd „bequemlich" für „bekemlich vnd „de Jenen" für „die selben". Und rinisch „geet" für „gaut" vnd steet für „staut" „rachtung" für „richtung", „gescheen" für „geschechen". Und dero hunderterlay." In der Tat kommen diese Formen in Augsburg vor. Ich traf sie schon 1418 an: vorgee, zegee (Ratsschreiben Chron V. S. 317) neben staun, gaun, stén; 1432: stet (Chron. V. S. 375). Sie können jedoch unmöglich der Kanzleisprache Friedrichs, die noch nicht existierte, entstammen. Wyle selbst fühlt sie zu seiner Zeit auch nicht als kaiserlich. Und er unterscheidet doch sehr fein. Österreichisch nennt er nur den Oenitiv nach zwischen, der wirklich im Österreichischen und dann und wann auch in der kaiserlichen Kanzlei angetroffen wird; vgl. oben S. 77. Die Formen geen, steen dagegen fühlt er als rheinische. Aus Orimms Wb. Bd. IV l,s Spalte 2376 zeigt sich, daB diese Formen in der Tat in Mitteldeutschland am Rheine vorkamen. Auch im Alemannischen, in StraBburg, begegneten sie; vgl. Behaghel Oeschichte der deutschen Sprache 1911 S. 273: Micheis Mittelhochdeutsches Elementarbuch § 226 Anm. 1. Von Bahder (Orundlagen S. 5 und S. 6) nimmt hier einen EinfluB der kaiserlichen Kanzleisprache an: „Die hier genannten unhochdeutschen Wörter finden wir oft in Schriftstücken der kaiserlichen Kanzlei." Ich erlaube mir dieses ^oft" zu bezweifeln. Nirgends habe ich „liebde" in der Kanzlei Friedrichs III. finden können, ebensowenig rachtung. Und von dieser Kanzlei muB doch zur Zeit Wyles die Rede sein. Die römische Kanzlei kennt nur rehttung (vgl. Chmel, Anhang zu den Regesten Nr. 7) und rihtung (vgl. L c. Nr. 31 und Nr. 89). Das Wort „rachtung" fand ich in StraBburg; vgl. Chron. IX 106288 „aber dar nach durch rachtung stunt er g&tlich abe {= Schlichtung durch Übereinkommen)." Die Form liebde traf ich in Süddeutschland zu dieser Zeit nur einmal in Nürnberg an (Chron. III 135 S. 382). In einem Schreiben des Nürnberger Rats an Ulm und Ravensberg vom 13. Dez. 1443 heiBt es: „bedeüchte es dann ewrer liebde geratten sein". Die Form liebde ist vielmehr von niederdeutschem Ursprung. Wyle selbst nennt sie „flemisch". Es ist die verhochdeutschte Form des niederiandischen „liefde" statt des alteren hochdeutschen „liebe". Die Form „uwe liefde" kommt vom Anfang des 15. Jhts. in Niederdeutschland vor. 1417: Herzogin Maria von Cleve an Herzog Adolf von Berg: Also uwe lieffden ons hebn doen bidden .... begern wif uwen lief fden . ... die wil wy gerne met U dielen; vgl. Ehrismann Ztschr. f. d. Wortforschung VI S. 212. Erst im 16. Jht. wendet der Kaiser in offiziellem Stil den Fürsten gegenüber „Deine Liebden" an (vgl. Keiler Ztschr. f. d. Wortf. V S. 159). Niclas von Wyle fühlt ganz fein den Ursprung dieser Wörter rachtung, liebde. Wir können also auch annehmen, daB seine Bezeichnung „rinisch" von geen und steen richtig ist. Er hat hier jedenfalls geen und steen nicht als kaiserlich gefühlt, wahrend er doch die Formen zwischen unser und ewer ganz richtig österreichische nennt (Das BewuBtsein, daB hier die Kaisersprache gewirkt, hatte Wyle nicht. Der Oenitiv nach zwischen kommt dazu auch zu wenig in dieser Sprache vor). Haben und lassen. Ob in der Verdrangung des kurzen han und lan die Kaisersprache mitgewirkt hat, wird wohl unentschieden bleiben. Die Formen haben und lassen kamen doch schon zur Zeit Friedrichs III. in den meisten Kanzleien neben han und lan vor. Die Endung -ent in der 3. Ps. Plur. Pras. Ind. Ebenso wird es unentschieden bleiben, ob die Sprache der Habsburger, die bis auf verschwindende Ausnahmen nur -en als Endung der 3. Ps. Plur. Pr3s. Ind. kennt, EinfluB bei der Verdrangung des -ent ausgeübt hat. Beachten wir die Tatsache, daB vorwiegend die Kanzleien und Schriftdialekte im Süden -ent in der 3. Ps. Plur. Pras. kennen, haufig auch in der 2. und in der 1. Ps. (Bayern, besonders noch in der ersten Halfte des 15. Jhts., 136 Augsburg wMhrend des ganzen Jahrhunderts, in den Drucken bis tief in das 16. Jht. hinein, wie auch in Basel und StraBburg), daB dagegen die mitteldeutschen Kanzleien gewöhnlich nur -en schreiben, so glauben wir eher an eine Beeinflussung des Süddeutschen durch das Mitteldeutsche denken zu müssen als an eine umgekehrte; vgl. auch Paul D. Or. II S. 104 § 151 ! „Die Besonderheit der 3. Plur. Ind. Pras. ist im Md. frühzeitig beseitigt; es ist -en für -ent eingetreten nach Analogie des Praet. und des Konj., wodurch auch Übereinstimmung mit der 1. Person hergestellt ist, an die man im Praet. und Konj. schon gewohnt war. Diese md. Ausgleichung, die spater auch in das Bayrische eingedrongen ist, ist in unsrer Schriftsprache zur Herrschaft gelangt." bringen neben brengen. Die kaiserliche Kanzleisprache Friedrichs III. setzt bringen. Im Oegensatz zu Sigmunds Sprache kommt brengen nur sehr vereinzelt vor. In Mitteldeutschland ist brengen die gewöhnliche Form : Thüringen und Sachsen kennen um die Mitte des 15. Jhts. bringen kaum. Bringen ist in die neuhochdeutsche Oemeinsprache übergegangen. Ist es möglich, daB schon die Kanzleisprache Friedrichs III. zu diesem Übergang mitgewirkt hat oder schwindet brengen erst in spaterer Zeit? Bei Wilhelm von Thüringen findet man nur brengen; vgl. all seine Briefe in den F. R. A. Auch Friedrich, sein Bruder, setzt brengen. Nur einmal (1458) fand ich bei ihm bringen. Bei den Nachfolgern Ernst und Albrecht begegnet ebenfalls bringen vereinzelt. Noch zu Beginn des 16. Jhts. kommt brengen oft vor. Luther gebraucht es noch, doch selten, bis 1545 (vgl. Franke a. a. O. § 59). Um 1540 ist nach v. Bahder (Orundlagen S. 268) brengen auch im Md. veraltet. In den Kreisen der Kanzlei wird aber zur Zeit Friedrichs des Weisen brengen noch nicht als veraltet gefühlt, des Kurfürsten eignes bringen in brengen verandert ; vgl. das Verhaltnis zwischen seinen eignen Briefen und denen, die er nur unterschreibt, die aber doch Privatbriefe sind. Der Kurfürst selbst schreibt bringen; vgl. Nr. 8 S. 5 bei Förstemann a. a. O. In den nicht eigenhandig geschriebenen Nr. 7 und Nr. 9, deren Schreiber sonst oft von der 137 Schreibart des Kurfürsten abweichende Formen gebraucht, die mit der kaiserlichen Kanzleisprache übereinstimmen (statt „wir wellen nicht vorhalden" „wir wellen nit verhalten"; statt fruntlich" „freuntüch"; statt „wake" „wo") steht brengen. Dem Sekretar oder der Kanzlei scheint also brengen so gelaufig zu sein, .daB er statt des Kurfürsten eignes bringen brengen schreibt. Auch das regelmaBige ay des Kurfürsten verandert er in ey: Der Kurfürst schreibt immer maynung, thayl, der Sekretar meynung, teil. Ein sklavisches Folgen der kaiserlichen Kanzleisprache zeigt sich aus der regelmSBigen Ver&nderung von Formen, die dieser Sprache gelaufig sind, nicht Wir sehen also, daB, trotzdem die md. efür i(her, weder, seben, insegel) nach 1484 schwinden (vgl. Franke a. a. O. S. 157), brengen sich halt, daB also auch in diesem Punkte von einem EinfluB der Kanzleisprache Friedrichs III. nicht die Rede sein kann. Bringen wird in Sachsen erst die gewöhrtliche Form, nachdem es seit Jahren in der Augsburger und Nürnberger Druckersprache sich über Deutschland verbreitet hatte und nachdem es schon lange in den benachbarten Brandenburger und Böhmer Kanzleien herrschte. Schon die Kanzlei Oeorgs von Podiebrad setzte sehr oft bringen, wie auch die Brandenburger Friedrichs II., des Markgrafen Albrecht Achilles. In Breslau hielt sich brengen noch lange im 16. Jht; vgl. B. Arndt, Der Übergang vom Mittelhochdeutschen zum Neuhochdeutschen in der Sprache der Breslauer Kanzlei S. 18. Die Negatlonspartikeln nicht und nit. Ein andres Kennzeichen der Kanzleisprache Friedrichs III. soll die Verneinungspartikel nit sein. Ich las z. B. (Agathe Lasch a. a. O. S. 62): „Jetzt (d. h. unter Friedrich II. von Brandenburg) aber, seit das Vorbild der nun ersten Kanzlei des Relches diese dialektisch wohlbekannte Form (d. h. nit) schützt, tritt sie in die offizielle Schriftsprache der frankischen Hohenzollern ein. Auch diese Form besitzt Berlin-Köln nicht." Agathe Lasch nimmt hier einen EinfluB der Kanzleisprache Friedrichs III., des Zeitgenossen des Kurfürsten Friedrich II., an. Wir 138 wollen sehen, was wir von einem solchen EinfluB zu denken haben. Die Form nit kommt nicht zum ersten Mal in der kaiserlichen Kanzleisprache bei Friedrich III. vor, auch Sigmunds Kanzlei kennt nit; vgl. R. T. A. XII Nr. 101, Nr. 145; R. T. A. VII Nr. 146, Nr. 211, usw. Wenn das nit in der Ansbacher Kanzlei seine Existenz der Kaisersprache verdankt hatte, hatte es schon eher auftreten müssen. AuBerdem herrscht es bei Friedrich III. nicht einmal vor. In den Urkunden Friedrichs aus den Fontes rerum austriacarum von 1454—1473 (ich berücksichtige nur die Originale, keine Abschriften), im ganzen 10 Schreiben, kommt nit nur 5mal vor, sonst immer nicht. Der offiziellen Sprache Nürnbergs ist nit dagegen ganz gelaufig: in den Ratsverlassen kommt in den Jahren 1449—1512 nur 4mal nicht vor, sonst immer nit. Auch in der Volkssprache sagt man nit. Dürer gebraucht in den vertraulichen Briefen an Pirkheymer nur nit und nut. Augsburg kennt beides, nicht und nit; letzteres scheint vorzuherrschen. Ich kann denn auch nicht einsehen, daB gerade durch den EinfluB der kaiserlichen Kanzleisprache das nit in der Ansbacher Kanzlei unter Friedrich II. haufig auftreten sollte. Wir treffen hier allmahlich eben dasselbe Verhaltnis an wie in den übrigen Kanzleien, in Böhmen, in Augsburg und vor allem in Nürnberg, das durch seine Nahe doch gewiB EinfluB auf Ansbach ausgeübt haben muB, um so mehr, da nit auch in der Volkssprache in Ansbach gesagt wurde. In Kursachsen dringt wahrend der Regierung Friedrichs des Weisen im 16. Jht. nit durch. Im vorangehenden Jahrhundert ist nicht das gewöhnliche Wort. Wilhelm von Thüringen schreibt schreibt immer nicht. In allen 17 Originalen der Fontes rerum austriacarum II 42 und 44 steht nicht. Auch sein Bruder Friedrich der Sanftmütige schreibt nicht; vgl. die 8 Originale in F. R. A. II 42. Ebenso Ernst und Albrecht von Sachsen bis 1474, das Jahr des letzten Briefes in den F. R. A. Friedrich der Weise selbst schreibt nicht. Alle eigenhandig geschriebenen Briefe in Förstemanns Urkundenbuch zur Oeschichte der evangelischen Kirchenreformation S. 1—26 (1520—1524) und Nr. 22 S. 259, 139 Nr. 40 S. 274 (1525) haben nicht. Sobald aber Friedrich nicht selbst schreibt, bloB unterzeichnet, steht nit; vgl. oben S. 137. Es zeigt sich hier sehr deutlich der EinfluB seines Sekretars oder der Kanzlei i die Kanzlei schreibt fast durchweg nit, der Kurfürst selbst nicht. Wenn also Franke a. a. O. S 28 ff. schreibt: „Daher bevorzugte die kurfürstliche Kanzlei im Verkehr mit dem Kaiser nit, wShrend der Kurfürst 1525 in einem Briefe an seinen Bruder nicht schreibt", so ist das nicht ganz richtig. In allen Briefen, an wen sie auch gerichtet sind, die vom Kurfürsten durch seinen Sekretar oder durch die Kanzlei ausgehen, steht nit, nicht nur in denen an seinen Bruder. Die Briefe, die er selbst schreibt, haben dagegen nicht. Es w3re übrigens „plus royaliste que le roi" gewesen, wenn im Verkehr mit der kaiserlichen Kanzlei nur nit gebraucht worden ware. Kaiser Karls Kanzlei schreibt ja selbst oft nicht; vgl. Förstemann a. a. O. Nr. 81 S. 204: 1 X nit, 7 X nicht. Auch Herzog Ferdinand schreibt (Nr. 5 S. 118) an den Kurfürsten nicht. Von einem EinfluB der Kanzleisprache Friedrichs III. laBt sich auch in Sachsen und Thüringen in dieser Hinsicht nichts verspüren. Ist nit in der Kanzlei des Kurfürsten durch die kaiserliche Kanzlei entstanden, so gebietet die Zeit der Erscheinung, die Kanzlei Maximilians oder Karls dafür als maBgebend anzunehmen. Zu Friedrichs III. Zeiten ist nicht die gewöhnliche Form. s -f- Konsonant. In der Kanzleisprache Friedrichs III. ist s nur sehr selten zu sch geworden. Sie kann also auch in dieser Hinsicht nicht vorbildlich gewirkt haben. Ob überhaupt hier die Kanzleisprache der Habsburger Vorbild gewesen ist, muB bezweifelt werden. In Augsburg kommt das sch vor Konsonanten in der Kanzlei doch schon viel früher vor als in der kaiserlichen. Zum ersten Mal las ich es 1418 (schmühe, Chron. V. S. 359). In einem Briefe an den Kaiser von 1478 (Chron. XXII S. 440) ist es schon durchgeführt. Auch in Nürnberg tritt sch vor Konsonant schon regelmaBig auf zu einer Zeit, wo es in der kaiserlichen Kanzlei nur vereinzelt vorkommt. In den Ratsverlassen fand ich 1478 140 2 X schw-, 1492 2 X beschwer. Seit 1495 kommt fast regelmatig sch + Kons. vor. Dürer schreibt in seinen Briefen immer sch -fKons. Um die Wende des Jahrhunderts tritt sch in den meisten Kanzleien auf: in Brandenburg, Sachsen, Breslau, auch in der kaiserlichen Kanzlei. In Breslau ist die Bewegung in der Kanzlei um 1524 abgelaufen; vgl. Arndt. a. a. O. S. 81. Zu dieser Zeit kommt jedoch s noch in den Schreiben Karls V. „nicht all zu selten" vor; vgl. Franke a. a. O. § 140. Auch Luther kennt noch Formen mit s. wollen neben wellen. Die Kanzleisprache Friedrichs III. hat als die gewöhnliche Form wellen ; wollen kommt nur sehr vereinzelt vor. Obgleich es weüen nicht gelungen ist in die Schriftsprache überzugehen, kommt es doch zeitweilig auf einem Oebiete vor, wo es nicht immer begegnete, namlich in Sachsen. Wilhelm von Thüringen schreibt vorwiegend wallen (wollen kommt vor). Friedrich von Sachsen dagegen wollen (wallen kommt vor). Unter Ernst und Albrecht zeigt sich jedoch schon weüen, das in den Briefen des Kurfürsten Friedrich des Weisen ganz gewöhnlich ist. Mit Sicherheit laBt sich aber nicht entscheiden, ob weüen, das zu Friedrichs III. Zeiten in Sachsen erscheint, der kaiserlichen Kanzlei zuzuschreiben ist, da in Augsburg und Nürnberg, den Zentren des Buchhandels, wellen und wollen die normalen Formen sind und auch in Brandenburg wellen nicht unbekannt war. zu oder ze vor Infinitiv. In der Kanzlei des Kaisers scheint zu vorzuherrschen in den Schriftstücken, die an den Norden gerichtet sind. Im innern Verkehr und nach den östeweichischen Landen herrscht ze. Die Kanzlei; Friedrichs kann auch in dieser Hinsicht nicht vorbildhch gewesen sein. In dem gröBten Teil des eigentlichen Deutschland wurde schon zu ihrer Zeit zu geschrieben. Und wenn ze gebraucht wird, so zeigt sich manchmal ein RegelmaB im Oebrauch von zu und ze, wie in Nürnberg (vgL oben Sv 105), das die kaiserliche 141 Kanzlei nicht kennt Die Sprache des Kftisers scheint auch hier mehr den EinfluB dés Mitteldeutschen zu erfahren, als daB éis selbst EinfluB ausgeübt hatte. Erster Partizip auf -und. Auch das Part. PfSs. auf -Und der Kanzleisprache Friedrichs ist meht in die Schriftsprache durchgedrungen. Vereinzelt kommt es in den ersten jahrzehnten des 16. Jhts. in Sachsen vor; vgl. Moser a. a, O.^ S. 23. Es kann dann Nachahmung der Kanzleisprache Maximilians sein. Die Zeit verbietet einen EinfluB der Sprache Friedrichs anzunehmen. Dativ Plural inen. Die lange Form inen im Dat. Plur. kommt der kaiserlichen Sprache Friedrichs von Haus aus nicht zu. Die Kanzleien der österreichischen Herzöge kennen nur die kurze Form in. Inden ersten Jahren ist denn auch in vorherrschend. Die Kanzlei steht hier also selbst unterm EinfluB anderer Schriftdialekte, die das inen schon kennen. Nach Paul (D. Or. II S. 179 Anm. 2) „taucht i(h)nen schon früh auf, zuerst im Hochalemannischen, vereinzelt schon im 12., etwas haufiger im 13. Jht., zunachst in Prosa, durchgeführt im 15. Jht. Etwas spater ist diese Entwicklung im Niederalem., Schwab, und Westmd. vor sich gegangen, noch spater im Bair. und Ostmd." Doch mag die Aufnahme der langen Form in die kaiserliche Kanzlei das Erscheinen im Ostmd. gefördert haben. Luther schreibt aber erst von 1540 an regelm&Big jnen. An das Ende unsrer Übersicht gekommen, können wir kurz sein. Von einem EinfluB der „machtigen" kaiserlichen Kanzleisprache laBt sich im XV. Jahrhundert noch wenig verspüren, sicher nicht von einem EinfluB der Sprache Friedrichs III. Wenn sich um die Wende des Jahrhunderts und in den ersten Jahrzehnten des folgenden Wirkungen zeigen — oft nur vorübergehende (vereinzeltes -und im I. Partizip in Sachsen, kh in Sachsen, in Mainz; vgl. Moser a.a. O. S. 23, in Augsburg; vgl. Moser a.a. O. 142 S.31)—, so gehen sie von der Kanzleisprache Maximilians aus. Die Wirkung der Sprache Friedrichs ist eben keine andre als die der Kanzleisprachen andrer Fürsten auch, vielleicht selbst eine geringere, da die benachbarten mittel- und süddeutschen Kanzleien einander starker beeinfluBten als die fern im Süden gelegene Kanzlei des Kaisers. Es ISBt sich vielmehr in mancher Hinsicht ein EinfluB der mitteldeutschen Kanzleisprachen auf die kaiserliche konstatieren. KAPITEL VIL Die Kanzleisprache Friedrichs III. als Sprachautoritat. Im vorigen Kapitel habe ich an einigen sprachiichen Erscheinungen des 15. Jhts. deutlich zu machen versucht, daB die Einwirkung der Kanzleisprache Friedrichs IU. nur eine sehr geringe gewesen sein kann. Können wir nun vielleicht noch auBerhalb der Kanzleien Beweise finden, daB die kaiserliche Kanzleisprache zu dieser Zeit dennoch als mustergültig angesehen wurde? Für derartige Beweise hatten wir erstens in dem Unterrichtsstoff der deutschen Schreib-und Leseschulen, besonders derjenigen, die angehende Kanzlisten ausbilden, zu suchen, und zweitens in den Empfehlungen deutscher Bücher durch die Drucker. A. Der Unterrichtsstoff. Die alteste uns bekannte Anleitung zum Lesenlernen ist der „Modus legendi" des deutschen Schulmeisters Kristofferus Hueber zu Landshut vom Jahre 1477, welche von Johannes Müller in seinen „Quellenschriften und Oeschichte des deutschsprachlichen Unterrichts bis zur Mitte des 16. Jhts." (Ootha 1882) abgedruckt wurde. Hueber gibt unter den Leseübungen eine kurze Andeutung über den Oebrauch mehrerer Konsonanten. Von einem Hinweis auf irgend eine mustergültige Sprache ist noch keine Spur zu entdecken. Doch schwebt ihm dann und wann bei den Abweichungen in der Schreibung ein bestimmtes Ideal vor, z. B. beim p.: „Item p wirt auff teutsch genomenn. für das b. von pessers und lautters thans wegen ExB pin purger. Aber nach 144 Rechte kunst sol man schreibn bin burger, beim d.: Item das d wird verzukcht In manign warten das sein kraft des dansvergessen wirt. ExE. soltu, magstu, aber k u n s 11 i c h d soll man schreiben, solt dw, magst du icht."1). Auch bei Niclas von Wyle, in den um ein Jahr spater erschienenen „Translationen", finden wir nichts, das auf eine Mustergültigkeit der Kaisersprache schlieBen laBt. Und doch sind die Anwfeisungen inbezug auf die Sprache, die er in der Vorrede und in der 18. Translation gibt, bei ihm nicht für den Elementarunterricht, sondern für angehende Kanzleischreiber bestimmt. Niclas von Wyle war selbst Stadtschreiber zu EBlingen und hatte mehrere junge Leute in sein Haus aufgenommen um sie in die Geheimnisse der „Kanzleiischen" einzuweihen; vgl. die Vorrede seiner Translationen (ed. A. v. Keiler) S. 9: „do mir vor zyten vil wol geschickter Jüngling, erberer vnd fromer lüten Kinder ouch etlich baccalary von manchen enden her zü tische in min cost wurden verdinget: die in obgemelte kunste schribens und dichtens ze Instituwieren ze leren und ze vnderwysen". Und er lehrte sie, „daz das tütsche gedicht unglych ist: vnd kain gewisz kunst noch regel habende, sich endert und verkeret nach wyte vnd gewonhait der landen vnd nach endrung der lüten der löffen vnd der zyte. Deshalb schwer Ist vnd nit wol muglich: Das ützit hier von gesetzt werden mug gewisses belypiichs vnd yeder man gefelligs (A. v. Keiler S. 350). Er empfiehlt ihnen beim Alten zu benarren, bei dem was „unsers landes tütsche bisz her gewesen" und erklart sich gegen „ain grosze unnütze endrung vnsers gezüngs dar mit wir loblich gesündert waren von den gezüngen aller vmbgelegnen landen" (S. 351). Wie er seine Jungens lehrt, so verfahrt er auch in der Praxis. Zu der Zeit, wo in Schwaben die nhd. Diphthonge schon gang und gabe waren, schreibt er noch die mhd. LSngen in einer 1) Angesichts dieser Stelle war es für mich interessant in der Nürnberger Stadtbibliothek zu entdecken, wie Pirkheymer in der Handschrift von Dürers Proportionslehre dreimal nacheinander das Dürersche treyerley mit roter Tinte in drtyerley korrigiert. 149 auch sonst sehr mundartlich gefarbten Sprache. Am meisten im Qebraoeh zur Erlernung der ars dictandi warerr Sammlungen von Pormularschreïben, denen gewöhnlich eine Art Rethorik voranging „darin begriffen ist warausz man lernet missiuen das seind sendbrieff machen vnd wie man die pfiigt ze schreiben." Die altesten Handschriften, die diese Forrtiujare enthalten, reichen nach MÖHer nicht über den Beginn des 15. Jhts. zurück. Die Regeln wurden anfangs lateinisch gegeben, die Briefformeln deutsch geschrieben. Die ersten Formulari sind im Druck erschienen bei Anten Sorg und Schönsperger zu Augsburg in den achtziger Jahren. Sie wurden die Vorlage für eine ganze Reihe von folgenden, die am Ende des 15. Jhts. und im 16. Jht erschienen. Müller zahlt S. 362 eine stattliche Reihe dieser Formulare her. Von der Ausgabe 1484 bei Anfffönius Sorg gibt er einen Auszug und teilweise einen Abdruck. Der vollstandige Titel lautet: Hye hebt an der formufclfi darirtnen begriffen Sind allerhand brieft auch rhetorick mit frag vnd antwurt ze geben tyttel aller stand sendtbrief synonima unnd colores das alles zum brief machen dienent ist (155 BI.). Der Formulari enthalt (vgl. Müller S. 363, aus dem ich zitiere): des ersten die rethorick. Darnach so volgent die titel aller stend geystïichs vnd wéltliches wie einem yeden gepfirtf nach seinen wirden zeschreiben vnd zü eren. Nach dem seind hierinn begriffen synonima die anczaigen manigerley wörtef VWd wiewol dïe wörter verkert seind so bedeütent sy doch ein mainung. Darnach so volgent die m i s s i u e n das seind sendbrieffe in welcher form man vmb ein yegfclicfre sache einem yeden nach sein wirden schreiben sol. Auch volgent hienach colores rethoricales mit schönem berümtem teütsch zü der rethorik vnd missiuen dienent vnd zierent." In der Rethorica werden nach der alten Theorie die ftinf Hauptbestandteile kunstgerechter Briefe behandelt : die Salutatio, das Exordium, die Narratio, die Petitio und die Conclusio. 146 Orammatisches wird nicht behandelt. Alles dreht sich um das Stilistische und Rhetorische. Von einem Hinweis auf irgend eine Kanzleisprache als bestimmte sprachliche Norm 13Bt sich in keinem einzigen der vielen Formulare etwas entdecken. Die Orthographie soll der Schreiber sich angelegen sein lassen, das wird vorgeschrieben. Aber was versteht man unter „Orthographie"? „Orthographie lert welcherley brief man schreibt das man mag "wissen welche wörter vnd an welche ende man die darein mit den merern büchstaben sol schreiben vnd die pausz virgulieren das man es dester bedeutlicher müg lesen des vnderscheydlicher vnd bas verstan." Auch in der Sprache dieser Formulare selbst laBt sich von einer sprachiichen Einheit, welche die verschiedenen Verfasser anstreben, nichts entdecken. Die bei Sorg und Schönsperger in Augsburg erschienenen sind im Augsburger Schriftdialekt, die von Heinricus Oeszler in Freiburg zeigen Breisgauer Sprache und sind wie der „Spiegel der waren Rhetoric" von Friedrich Riedrer, dem Stadtbuchdrucker von Mühlhausen, noch mit der alten Lange in einem bisweilen wunderlichen Deutsch geschrieben ; vgl. dafür Müller S. 366. Und doch wurden sie, namentlich Riederers Buch, lange benutzt. Allmahlich wurde bei der Ausbildung einer „gemeinen Schriftsprache" das Bedürfnis nach einem grammatischen Unterricht der deutschen Sprache lebhaften Doch dauert es noch bis in die dreiBiger Jahre des XVI. Jhts., ehe deutsche Schulmeister und Kanzlisten anfangen Regeln auf dem Oebiete der eigentlichen Orthographie und der Laut- und Formenlehre aufzustellen. Dann erscheinen schnell hintereinander einige Anleitungen. Für das Kanzleiwesen sind besonders bestimmt: Der in Köln im Jahre 1527 gedruckte Schryfftspiegel (vel oben S. 130). Fabian Frangks : Orthographia Deutsch, Lernt, recht buchstabig schreiben, Wittenberg 1531. MeichBners Handbüchlin vom Jahre 1538. Im Schryfftspiegel wird noch nicht auf eine mustergültige Sprache hingewiesen. Die Mundarten stehen noch als gleich- 147 wertig nebeneinander; vgl. „Eyn schriver wilcher land art der in duytzscher nacioin geboren is, sal sich zo vur vysz flyssigen, dat he ouch ander duitsch dan als men in synk land synget, schriuen lesen vnd vur nemen moeg. Als is he eynn Franck, Swob, Beyer, Rynlender etc sall he ouch sassenscher, merckysscher spraiche eyns deyls verstandt hauen Des gelichen wederumb, is einer eyn SaB, Merker etc. he sal sich des hochduytzschen myt flissigen. dann eynem berömden schriuer kumpt mencher leye volck zo hant, vnd wan als dan eynn ytlicher wulde ader sülde syngen als ym der snauel gewassen were, so bedörfft men wail tussen eynem Beyeren vnd Sassen eyn tolmetsch." Erst Fabian Frangk (Ein Cantzley vnd Titelbüchlin, Darinnen gelernt wird wie man Sendebriefe förmlich schreiben vnd einem jdlichen seinen gebürlichen Titel geben sol. Orthographia Deutsch, Lernt, recht buchstabig schreiben) scheidet 1531 zum ersten Mal deutlich zwischen Mundarten und Schriftsprachen und weist auf die Bedeutung der Kanzleisprache Maximilians als sprachliches Muster hin; vgl.: „ Anfenglich ist zumercken, Das die Deutsche sprach, hie geteilt wird in zween vnderschied, als, Ober und Niderlendisch, Was nu hie gehandelt oder geschrieben, wird, von oberlendischer verstanden. Und wiewol diese sprach an jr selbs rechtfertig vnd klar, so ist sie doch in vil puncten vnd stücken, auch bei den hochdeutschen nicht einhelich, Denn sie in keiner jegnit oder lande, so gantz lauter vnd rein gefurt, nach gehalden wird, das nicht weilands etwas straffwirdigs, oder misbreuchiges darin mitliefft, vnd gespurt wurde, Wie denn hirnach in sonderheit zu mercken ist. Wer aber solche misbreuch meiden, und rechtförmig deutsch schreiben odder reden wil, der mus deutscher sprachenn auf eins lands art vnd brauch allenthalben nicht nachfolgen. Nützlich vnd gut ists einem jdlichen, vieler Landsprachen mit jren misbreuchen zuwissen, da mit man das vnrecht möge meiden, Aber das fürnemlichst, so zu dieser sach förderlich vnd dienstlich, ist, das man gutter exemplar warnehme, das ist, gutter deutscher bücher vnnd verbriefungen, schriefftlich odder im druck verfast 148 vnd ausgangen, die mit vleisse lese, vnd jnen jnn dem das anzunehmen vnd recht ist, nachfolge. Vnder welchen wir etwan, des tewern (hochlöblicher gedecht«Us) Keiser Maximilianus Cantzelej vnd dieser zeit, D. Luthers schreiben, neben des Johan Schonsbergers van Augsburg druck, die emendirsten vnnd reinisten zuhanden komen sein, Besondern, wem sie mit vleis jnngrossirt, vbersehen vnd Corrigirt befunden werden, Darzu, aus jren Cantzleyen odder wercksteten Erstlich new ausgangen, Von andern vnuleissigen vnd vnueratendigen nicht anderwert vmbgeschrieben odder nach gedruckt sein." MeichBner weist in seinem „Handbüchlin gruntlichs berichts, »echt vnd wolschrybens" vom Jahre 1538 nur auf die Bedeutung der Druckersprache hin: „Unnd dwyl in allen teutschen landen, an keiner art, die sprach so reyn, das nit etwas missgebruchs darin gefunden werd, sö ist zü raten, das man güter exemplar warneme, wie man deren yetzo vil im truck findt" BI. Vb (nach dem Exemplar der Erstausgabe in der Utrechter Universitatsbibliothek). Über die Kanzleisprache des Kaisers spricht MeichBner nicht, Frangks Zeugnis betreffs der MuStergültigkeit der kaiserlichen Kanzleisprache ist das erste, das in der Literatur zu finden ist. Socin nennt noch einen früheren Beweis für die kaiserliche Kanzleisprache bei Albrecht Kranz In der „Saxonia" (vgl. Socin a. a. O. S. 166), die vor 1517 verfaBt und 1520 zu Köln erschienen ist: „Superiores Oer man i et qui curiam sequuntur regis Romanorum." Dieser Satz beweist nur, daB man sich der Existenz einer kaiserlichen Kanzleisprache bewuBt ist, nichts für ihre Mustergültigkeit. „Die hochdeutsche und die Kanzleisprache des Kaisers werden bloB der niedersachsiscben gegenübergestellt" Auch die Zeugnisse für die als mustergültig angesehene Sprache bei Paul (D. Or. I S. 124) datieren alle aus der Zeit nach Fabian Frangks Ausspruch. 149 B. Auf dem Qèbiete der Druckersprache sind ebenfalls Hinweise auf die Mustergültigkeit kaum zu finden. Kaum, sage ich, denn es gibt einen Fall, wo ein Drucker die kaiserliche Kanzleisprache kennt. Die von Niclas von Wyle übersetzte History Enee Silvö, welche 1473 zu Augsburg gedrttkt wurde, trfigt nach Socin den Vermerk „gemacht irt der kayserlichen Canzley"; vgl. Socin a.a.O. S. 171. Wyle selbst schreibt gewiB nicht nach der kaiserlichen Kanzlei, er argert sich über (He Neuerungen in seiner Mundart. Die Bezeichnung kann also nur von dem Drucker herrühren. Leider ist es mir nicht gelungen das Buch zu Oesicht zu bekommen. Es würdemich jedoch nicht wundern, wenn die Sprache nicht mit der der Kanzlei übereinstimmte. Wie dem auch sei, der Augsburger Drucker hatte jedenfalls das Oefühl, daB die Augsburger Druckersprache im groBen ganzen mit der Kaisersprache übereinstimmte. Das war auch relativ der Fall; vgl. v. Bahder a. a. O. S. 17. Auch Fabian Frangk nennt die Kaisersprache und die Augsburger Druckersprache nebeneinander. Für den Drucker war es eine Empfehlung sich durch diese Übereinstimming auf die höchste Autoritat berufen zu können. Das Buch wird im Oegensatz zu Wyles Sprache, zu mehreren andern Augsburger Drucken (vgl. Kaufmann S.293) Und zu Basler und StraBburger Drucken, welche alle die alten mhd. Langen noch hatten, die neuen Diphthonge aufweisen und dieser Oegensatz mag den Drucker veranlaBt haben sich auf die Kaisersprache zu beziehen. Nur in der konsequenten Anwendung der nhd. Diphthonge kann er Übereinstimmung gefühlt haben. Eine ganz einheitliche kaiserliche Kanzleisprache gab es ja noch nicht. , Wie gesagt, es bleibt bei diesem einzigen Fall. Sonst finden wir um diese Zeit, durch das ganze weitere 16. Jht., immer nur die Ausdrücke „nach rechter gemeiner teutsch, oder „in rechtem Hochdeutsch", oder „in rechtem gemeinem Deutsch". Die erste in Augsburg erschienene Bibelübersetzung (1473—1475) z. B. bemerkt: „Disz durchleuchtigost werk der ganczen heyligen geschrifft, genanndt die Bibel für all ander vorgedrucket teutsch biblen lauterer, klarer und warer nach rechter gemeinen teutsch dann vor gedrucket . . . ." In den Ausgaben von 1477, 1480, 150 1487, 1420, 1507, 1518, auch in denen in Nürnberg (1482) und in StraBburg (1485), wird dieselbe Bemerkung wiederholt • vel Sozin S. 171. Die Tatsache, daB Hinweise auf die kaiserliche Kanzleisprache ïm Unterrichtsstoff und in Drucken fehlen, unterstützt das Resultat, zu dem ich im vorigen Kapitel gelangt bin, daB in der Tat von einem EinfluB der kaisersprache Friedrichs III. in der zweiten HSIfte des XV. Jhts. kaum die Rede sein kann. KAPITEL VIII. Die Auffassung in den Handbüchern. Wie ist es unter diesen Umstanden zu erklaren, daB in den Handbüchern, den Orammatiken und Qeschichten der deutschen Sprache, immer und immer wieder von dem bedeutenden EinfluB der kaiserlichen Kanzleisprache gesprochen wird? Eine der Ursachen ist, daB die Verfasser derselben die Resultate von Schriften, welche sich speziell mit dem Stoff beschaftigten, als ihre eigne Meinung wiedergeben, ohne diese Resultate auf ihre Richtigkeit hin zu prüfen, ja ohne diese Spezialschriften zu erwahnen. So wird stets wieder, freilich nicht immer mit denselben Worten, mitgeteilt, daB die Kanzleisprache seit Friedrich III. mundartliche Besonderheiten auszuscheiden versuche und daB bald darauf, in welchem Teile des Landes sie auch geschrieben werden, die Urkunden, die vom Kaiser ausgehen, dieselbe Sprache wiedergeben. Vergleichen wir z. B. Weise, Unsre Muttersprache 1909 S. 18 und Behaghel, Oeschichte der deutschen Sprache 1911 S. 66. Weise: „Dabei erhielt natürlich die Kanzlei des kaiserlichen Hof es wegen ihres groBen Ansehens maBgebenden EinfluB. Diese war seit der Zeit Friedrichs III. (1440—1493) bestrebt gewesen, mundartliche Eigentümiichkeifen möglichst auszuscheiden, und kam wShrend der Regierung Maximilians 1.(1493—1519) so weit, daB sie alle vom Herrscher ausgehenden Schriften in derselben Form herstellte, gleichviel, in welchem Teile des Reichs er sich aufhielt." 152 Behaghel: „Seit Friedrich III. sucht sie mundartliche Besonderheiten abzustreifen, seit Maximilian geben die Schriften, welche unmittelbar vom Kaiser ausgehen, die gleiche Sprache wieder, in welchem Teile von Deutschland sie entstanden 'sein mögen." ') Diese beiden AuBerungen beruhen auf derselben Quelle. Franke (Qrundzüge der Schriftsprache Luthers I 1913 S. 24) nennt, wihrend er wieder ungefahr dasselbe sagt, die Quelle : „Nach Wülcker schwanden schon aus Friedrichs des III. Kanzlei seit seiner Kaiserwahl allmahlich alle spezif isch oberdeutschen Laute wie kch und weisen etwa seit 1475 zum erstenmal alle unter des Kaisers Namen ausgehenden Urkunden gleiche Schreibung auf." Was sagt nun WQlcker, auf dessen Abhandlung „die Entstehung der kursachsischen Kanzleisprache" in der Zeitschrift des Vereins für thürjngische Oeschichte Bd. 9 (1879) selbst hervorragende Werke wie Behaghels Oeschichte der deutschen Sprache bei der Behandlung dieses Stoffes zurückgehen ? Nachdem Wülcker eine kurze Charakterisierung der herzogiichen (österreichischen) Kanzleisprache Friedrichs III. gegeben, iahrt er fort; „So die Sprache, welche in der herzoglichen Kanzlei Friedrichs III. vertreten war. Als dieser Fürst aber König wurde, hat er zunachst mit der Kanzlei auch deren Schreibungen zuerst beibehalten. Bald jedoch scheint e'ne Anderung eingetreten zu sein, indem die Idiotismen, die dem heimatlichen Dialekte allein angehören, abgestreift wurden. Es ist dies also eine Konzession an die Schreibart der übrigen Reichstheile oder ein Anbequemen an die Mundart, welche als die hergebrachte Redeweise der Kaiser galt. Denn auf diese letztere kommt der so entwickelte Dialekt der Schreiber Friedrichs hinaus. Das Steierische ist ja eng verwandt dem österreichischen, böhmischen und ungarischen Deutsch, durch das Aufgeben jener Eigenthümlichkeiten aber, die der her- 1) Vgl. auch Socin a.a.Q. S. 163: „Unter Maximilian nimmt die Verbreitang der Reichssprache einen gewaltigen Aufschwung. Wir 'finden sie wieder, wo immer königliche oder kaiserliche Schreiber im Namen des Herrschers Urkunden ausstellen, mögen dieselben nun in der Wiener Neustadt und Innibruck oder in Oentund Brüssel schreiben." 153 zoglichen Kanzlei anhingen, fallt, was die Mundarten noch unterschied, fast ganz weg, Manche Schwankungen der bisherigen Schreibung in der Kaiserkanzlei werden allerdings durch die Vorliebe des südlichen Dialektes entschieden j es wird z. B. die Verhreiterung des i zu ei, des ü zu au, des & (~* iu) zu eu, die jetzt fast durchaus herrschende Form. Auch ai und au statt der bisherigen ei und ou dringen durch. Zugleich aber, und dies ist besonders wichtig, erringt diese Schriftsprache das Ansehen einer kaiserlichen, hjöf&chen Sprache «ind hei den Schreibern im ganzen Reiche dringt eine volstandige, allseitige Kenntnis derselben durch. Wir ffcden in der »P***fW Zeit Friedrichs, soweit leh wenigstens nach meinen Quellen urtheilen kann, durchaus die geschilderte Schreibung in allen Urkunden, die unter des Kaisers Namen gehen. Schriftstücke, die z. B. Friedrich im Jahre 1475 vom Niederrhejn aus ergehen Heft, stimmen sprachlich vollkommen mit in Süddeutschland geschriebenen überein. Qleiches gilt von den Urkunden d. d. 1488 Köln, 1486 Aachen im Frankfurter Stadtarchive. Diese Schreibweise der Kanzlei hat nun Maximilian übernommen und seine Schreiber haben sie weiter gepflegt. Bei der groBen Ausdehnung seiner Herrschaft, bei dem Besitze piederiandri scher Provinzen muBte ihm vor Allem daran gelegen sein, eine Schriftsprache, die „beide Ober- und Niederlinder verstehen" mit allen Mitteln einzuführen. Denn ein Österreicher hatte die in niederlandischer Mundart geschriebenen Stücke einfach nicht verstanden und umgekehrt. — So wahlte er denn die in seines Vaters Kanzlei entstandene Sprache und. führte dieselbe hu Niederland ein für alle Urkunden und Schreiben, die von ihm ausgingen. Und von nun an geben alle Schfiften, ob fri Ober-, ob in Niederdeutschland entstanden, sobald sie als direkt vom Könige Und Kaiser ausgehen, den gleichen Dialekt wieder, namlich jenen oberdeutschen, dem die argsten Sonderbarkeiten des Südens abgestreift sind und der dem der Luxemburgischen Fürsten ganz natie steht Und bei dieser Sprache ist es dann spater in der kaiserlichen 154 Kanzlei geblieben, alle nachfolgenden lierrscher fuBen auf ihn. Maximilian aber, der dieser Schriftsprache zuerst in seinen niederlandischen Provinzen mit klarem BewuBtsein und nothgedrungen Oeltung verschaffen muBte, dessen Kanzier also auch gewisse Instruktionen zu eriassen hatten — Maximilian galt spater als ihr Begründer, obwohl sie vielleicht auch schon etwas früher für das» eigentliche Deutschland nachgewiesen werden kann." Diese Auffassung Wüickers, der hier noch in den Jahren 1909,. 1911 und 1913 als Autoritat gilt, ist jedoch grundfalsch. Es ist nicht wahr, daB Friedrich III., als er König wurde, seine herzogliche Kanzlei als römische Kanzlei beibehielt. Er hat die römische Kanzlei seiner VorgSnger, bald auch Sigmunds Kanzier, übernommen. Dieselben Notare aus Sigmunds und Albrechts Kanzlei schreiben und unterfertigen vom Anfang an in der Kanzlei des Königs (vgl. Kap. I und III). Es ist folglich nicht wahr, daB Friedrich anfangs die Schreibung seiner Kanzlei beibehielt und daB spater „die Idiotismen, die dem heimatlichen Dialekte allein angehörten, abgestreift wurden." Die Schreiber Sigmunds, von denen viele aus ï- Oegenden kamen, schrieben dieselbe Sprache wie unter Sigmund. Erst nach dem ersten Jahrzehnt von Friedrichs Regierung bekommt die Sprache der Kanzlei durch das Übergewicht von Schreibern aus österreichischen Oegenden die südliche Farbung (vgl. oben S. 79). Es ist nicht richtig, daB „ein Anbequemen an die Mundart,. welche als die hergebrachte Redeweise der Kaiser galt", stattfand. DaB sp5ter viele Urkunden, besonders die nach dem nördlichern Teile des Reiches, mehr mitteldeutsche Besonderheiten zeigen, ist die natürliche Folge der Geschaftseinteilung der Kanzlei; vgl. oben S. 73. Es ist nicht richtig, daB „manche Schwankungen der bisherigen Schreibung in der Kaiserkanzlei durch die Vorliebe des südlichen Dialektes entschieden wurden". Wenn sich in vielen Urkunden, besonders in denen nach den österreichischen Oegenden, mehr österreichische Eigentümlichkeiten finden, so ist das wieder die natürliche Folge der Tatsache, daB für den Verkehr mit dem Süden mehr die österreichischen Schreiber verwendet werden.. 155 Es ist nicht wahr, was Wülcker behauptet, daB „bei den Schreibern im ganzen Reiche eine vollstandige, allseitige Kenntnis der kaiserlichen Kanzleisprache durchdringt". Der Fehler resultiert aus der falschen Pramisse: „Die geschilderte Schreibung findet sich in allen Urkunden, die unter des Kaisers Namen ausgehen. Schriftstücke, die z. B. Friedrich im Jahre 1475 vom Niederrhein aus ergehen lieB, stimmen sprachlich vollkommen mit in Süddeutschland geschriebenen überein". Dies ist aber nichts Neues. Auch bei Sigmund zeigen alle Urkunden, wo sie auch geschrieben wurden, dieselbe Sprache, abgesehen natürlich von den Nüanzierungen durch den Dialekt des Notars, der das Konzept schrieb, wie dies auch bei Friedrich der Fall ist. Und és ist auch ganz natürlich, daB die Urkunden dieselbe Sprache aufweisen, weil der Kaiser auf seinen Reisen eben einen Teil der Kanzlei bei sich hatte. Die Schenkbücher in Nürnberg, Augsburg und Frankfurt beweisen dies sehr deutlich. Auch in dem Jahre 1475, von dem Wülcker spricht, wird der Kaiser von der Kanzlei begleitet. Friedrich befindet sich Ende 1474 und fast das ganze folgende Jahr wegen der Verwicklungen mit Karl dem Kühnen in der Rheingegend. Viele Urkunden sind im diesem Jahre in Köln geschrieben worden. Bevor der Kaiser wider den Herzog von Burgund ins Feld zieht, halt er sich in Frankfurt auf (25. Nov.—17. Dez. 1474). In den „uszgeben" zu Frankfurt bei Gelegenheit des dortigen Aufenthalts Kaiser Friedrichs finden wir notiert (F. R. II, 1 S. 359): „item j florin umb fische als doctor Ludewig Paradise in die Römische kanczelly geschanckt hat", und in den „uszgeben" bei der Wiederkunft des Kaisers vom Kriegszug Ende 1475 (F. R. II, 1 S. 366): „item iiij .florin minus j schilling umb fische und anders geben, als doctor Ludewig Pardise, Johannes Brune statschriber und Ludewig schriber in der Römischen cantzelly aBen". Deutlich zeigt sich hier, daB Friedrich die Römische Kanzley oder einen Teil ■derselben mit sich führte. Auch für die andern Urkunden, d.d. 1488 Köln, 1486 Aachen, die Wülcker anführt, gilt dasselbe. Der Kaiser befindet sich mit seinem Sohne Maximilian 1488 in Köln ; 1486 in Köln, Aachen, Speyer. Auch in Frankfurt war er langere 138 Zeit Wegen des Kaisertages. In den „Archivnoten" fiber verschiedene Vorkommnisse zur Zeit des Aufenthaltes Kaiser Friedrichs in Frankfurt hls zur Wahl König Maximilians" (30. Jan.—16. Febr* 1486) finden wir unter den Ausgaben wieder: „item ifine die Römische cantzelly üij viriel" (F. R* II, 1 S. 431), „hem ij florin hl die Römische cantzelly" (F.R. II, ï S. 442), „Hem ij florin umb fische in die k e i s e r 1 i c h e cantzelly geschanclcr St nicht Wahr, daB Maximilian „die hl seines Vaters Kanzlei entstandene Sprache wahl te und dieselbe im Niederland für alle Urkunden und Schreiben, die von ihm ausgingen, einführte". Maximilian halte nichts zu „wahl en", er muBte einfach die Arbeit aufnehmen, die sein Vater hatte liegen lassen. Was halte er mit seiner österreichischen Kanzlei anfangen können ? Und „e i n z u f ü h r e n" hatte er auch nichts. Die Kanzlei seines Vaters besaB schon ihre eigne Sprache, in der sie schrieb, wo sie sith auch beland. Höchstens könnte man sagen, daB Maximilian sich diè Verbreitung des Deutschen im Niederland, wo 157 oft die französische Sprache geschrieben wurde, angelegen sein HeB. Sagt doch der Qelehrte Paulus Matthias Wehnerus — ich zitiere nach Schottels Ausführlicher Arbeit von der Teutschen Haubtsprache (Braunschweig 1663) S. 17 — : „Keyser Maximilianus der Erste hat auf dem Reichstage zu Cölln Anno 1512 bestettiget und bekraftiget, was Keyser Rudolphus zuvor wegen der Teutschen Sprache geordnet hatte, wie es dan im taglichen Gebrauche also noch wird gehalten. Und alhie gehöret auch her, daB in der Cammer aus Verordnung des Reichs, keine Acta als in Teutscher Sprach müssen angenommen werden, also gar, daB die Lotringer, Brabender, etc. jhre Acta aus Französischer in die Teutsche Sprache müssen übersetzen lassen, wan sie in der Cammer was anhengig machen Wollen". Es ist nicht wahr, daB „von nun an" (seit Maximilian) „alle Schriften, ob in Ober-, ob in Niederdeutschland entstanden, sobald sie als direkt vom Könige und Kaiser ausgehen, den gleichen Dialekt, wiedergeben." Das war, wie gesagt, schon bei Sigmund und Friedrich der Fall. Es mag aber sein, daB früher mehr Urkunden in der Form, wie sie von der Partei eingereicht wurden, die Kanzlei des Kaisers, jetzt „ad mandatum domini imperatoris" vom Kanzier oder von einem Protonotar unterfertigt, wieder verlieBen. Wir können jetzt Wülcker in seiner Beschreibung der Kaisersprache in Ruhe lassen. Schade nur, daB seine fehlerhafte Auffassung in vielen deutschsprachlichen Werken falsche Schilderungen der römischen Kanzleisprache veranlaBt hat und daB diese sich bis auf die jüngste Zeit, von Buch zu Buch, sogar durch hervorragende Werke, noch immer weiterschleppen. Auch bei der Behandlung der Frage nach dem EinfluB der Kaisersprache auf die Entwicklung der kursachsischen Kanzleisprache scheinen die Handbücher nicht unabhangig von einander zu sein. Die meisten nehmen diesen EinfluB als Sehr bedeutend an; vgl. u. a. Behaghel, Oeschichte der deutschen Sprache S. 66 : „besonders wichtig ist, daB; seit dar zwei ten Halfte des 15. Jhts. ■die kursachsische Kanzlei sich mit Entschiedenheit an die kaiser- 158 liche annaherte, teils durch unmittelbare Herübernahme ihrer Eigentümlichkeiten, teils dadurch, daB die lautliche Entwicklung des Mitteldeutschen selbst dem Lautstand der kaiserlichen Kanzlei in einzelnen Punkten zustrebte." „Mit Entschiedenheit" nahert sie sich der Kaisersprache an. Behaghel setzt hier also ein bewuBtes, absichtliches Herübernehmen der Eigentümlichkeiten der kaiserlichen Kanzleisprache voraus. Den Oedanken an eine bewuBte, absichtliche Übernahme treffen wir in denselben Worten in mehreren Handbüchern an ; vgl. u. a. Sozin, Schriftsprache und Dialekte (1888) S. 161 : „In dem Bestreben" — nl. in der kursSchsischen Kanzlei — „das Mitteldeutsche gegen das Hochdeutsche auszugleichen, hielt man im Allgemeinen an der Maxime fest, da, wo sich Schwankungen zeigten, die Form zu begünstigen, welche mit der oberdeutschen übereinstimmt, wo aber im Oegensatz zum Oberdeutschen die mundartliche Form feststand, die letzte nicht zu verdrangen." Ahnliches wird von Weise in „Unsre Muttersprache" (1909) S. 18 verkündigt: „Daher fanden die kursachsischen Oeheimschreiber, die seit der 2. Halfte des 15. Jhts. dem Vorgange des Kaiserhofs folgten, in Fallen schwankenden Sprachgebrauchs dort eine feste Norm." Franke (Qrundzüge der Schriftsprache Luthers I 1913 S. 28) weist wieder auf die Quelle hin: „Wülcker stellt die sehr ansprechende Behauptung auf, daB sich damais in der kursachsischen Kanzlei der Oebrauch ausgebildet habe, in allen Fallen, wo ein Schwanken vorhanden war, die Form zu bevorzugen, die in der gleichzeitigen kaiserlichen Kanzlei gebrauchlich war." Wir stoBen hier wieder auf denselben Aufsatz Wülckers in der Zeitschrift des Vereins für thüringische Oeschichte. im groBen und ganzen mag es richtig sein, wie er die Entwicklung der kursachsischen Sprache schildert, vor allem das Durchdringen der nhd. Diphthonge in der Kanzleisprache — meines Erachtens setzt er noch zu viel Absichtlichkeit voraus —, ob jedoch die kaiserliche Kanzleisprache die Umbiegung der kursachsischen Kanzleisprache veranlaBt hat, bleibt zweifelhaft. Der Beweis wird nicht geliefert. Unrichtig scheint mir wieder die Behauptung Wülckers, daB sich in der kursSchsischen Kanzlei der Oebrauch ausgebildet habe, in allen Fallen, wo ein Schwan- 159 ken vorhanden war, die Form zu bevorzugen, die in der gleichzeitigen kaiserlichen Kanzlei gebrauchlich war. Um die Richtigkeit dieser Behauptung zu prüfen habe ich aus Förstemanns „Neues Urkundenbuch zur Oeschichte der evangelischen Kirchenreformation" (Hamburg 1842), einmal die eigenhandig geschriebenen Briefe des Kurfürsten Friedrich des Weisen mit denen, die von seinem Sekretar und denen, die vom Kanzier, Dr. Brück, geschrieben wurden, verglichen. Die Schreiben sind aus den zwanziger Jahren des 16. Jhts. Kurfürst Friedrich, der sich nach Franke so für die Einigung interessierte, schreibt noch eine sehr dialektische Sprache. Zwar sind die nhd. Diphthonge (auBer in: fruntlich) ganz durchgeführt, sogar kommt regelmatig ai für mhd. ei vor, aber sonst erinnert die Sprache in nichts an die der kaiserlichen Kanzlei. Aber gut, es sind Privatschreiben. Man hatte übrigens bei einem Fürsten, dem ein absichtliches „Zusammenzlehen in eine gewisse Sprache" zugeschrieben wird, einen so ausgesprochenen Dialekt nicht erwartet. Bei dem Sekretar und dem Kanzier als Verbeter der Kanzleisprache dürfen wir jedoch vierzig Jahre, nachdem der sogenannte AnschluB an die kaiserliche Kanzlei stattgefunden, doch eine der kaiserlichen Kanzleisprache nahezu ahnliche Sprache erwarten. Das Resultat zeigt folgende Übersicht: Kurfürst Friedrichs Der Kanzleisekre- Der Kanzier dr. eigenhandige Briefe. tar. Förstemann Brück. Förstemann Förstemann, Nr. 1-40, Nr. 7 und Nr. 9. S. 36, 37 und S. ausgenommen Nr. 7 48—54. und Nr. 9. 1° u und ü szunst, kunigk, bekomen, son- sundern, sust, vor Nasal. suntag, szunder, der. kunnen, miinch, sunder, munich, sunder lich, sust, 2° o in Pr3positionalverschmelzungen. immer: szon, 1 mal aber: from, ko- szonderlichen, ku- nig, vollkomen. men, frum. o: domit, item, aber auch : item, aber auch : a. a. 160 3° mhd uo, u: bruder, zcu, u: bruder. u: bruder, buch, üe. einmal thuen. ' thun. 4* mhd. ei. maynung, keyn, ei : meynung, ei und al int ayns, anczaigen, ein, cleyn, ein, Verhaltnis 10:1.. wais,maister,usw., antztigè, ertzei- also vorwiegend: gen, usw. ai. 5° mhd. iu eu und au, aber eaundaa,auch: eu, au, Vereinund ü. immer : fruntlich. freuntlich. Ver- zeit: uff. einzelt: uff. 6° anl. sz.: szen, szall, allszo anl. s: sollen, anl. sz: szo,gegeszagt, szein, sie, sondern, szagt, gnugszaszold, langszam, Sambstag,sand. me, aber auchs: szampt, also s sz. slusseü, solche. inl. ss.: gewessen, bosse lassen, fast. diese, geisel, ge(= böse), geschos- leszen, fuszen, sen, ochssen, dys- blosze. • sent, ver lessen. (schwankt). ausl. sz, s.: esz, fleis, bysz, hem: alszbald, item: das, musz,, Hansz, das, optas, vleisz, als, daz, baz, ais. gewisz, 7° anl. b. b. b. p kommt ver¬ einzelt vor: gepeten, pesser, pilltch, plyben. 8° anl./. immer ff.: ge- immer ƒ oder ƒ oder v: be- ffather, geffalhe, v. funftzig,ge- folen, fusz, ■ beffelch, ff 11, fatter, furder, fleiszig, vilffleis, ffylleicht. vleisz. leicht. 9° anl. zc: zcu, zceid, zcuge, zcwei, sonst: tz, zc: zcweighe, szaget, z. zcaigung, zcu, zcorn, cz im Wor- nüczhe, herezog, cz im Worte: te: kurcz, gancz, auch erezeney, eczli- tz: deutzscher,ditz. che, auchz:ez- lich, dorzu. 161 10'Dehhungs- Sehr oft nach Dehnungs - h Oft h im Anlaut h. Kons.: malhe, geschwunden: nach Kons.: nüczhe, er/arhen, mer. mher, rheden, erinhert, au/Ru- begherte, nhu, rhe, siczhen, zcu- nhumermher, szamhen. fhern. 11» h nach t. Sehr oft, sogar Nicht so oft, nie Nie nach st: nach st: besthen, nach st: stal- verstanden, besthellen, sthech- lung, bestellen, lauth,vorstandtf zceugk, vorsthan- standen, erbo- konth. den, sthube. ten,stube,betth. 12° inl. g. g, sehr selten gh: g: Sehr oft gh: enghe; vorlengist, brengen, antzei- zweighe, mugegangen, brengen, ge, mogen. ghen, brenghen, slaghen; sogar für h: ich seghe (= sehe), geschéghe (= geschehe). 13° ausl. d, dt. Sehr oft d, sonst dt: Ausl.rf weniger: Ausl. d kaum, had, word, zceid, gehapt, stat, oft dt: hud,stad,herholdt, pferdt, betth, hadt, antwordt, heroldt, herhold. wurdt, aber vorstandt, auch : pferd, mundtlich. stad. 14° / oder n vor halden, halden, It: verhalten It und nt: und Kons. vnderlaszen, dye nd: vnderthe- halten, manigalden briff; also : nigkeit, vnder- feltig, vntersteId und nd. zubrengen, hin- hen, vntherlas- der. zen, vnter- schiedt. 15* Zerdeh- Oft: wyhe, nuhe, Kommt nicht Kommt nicht nung. syhe, wohe, wuhe, vor : hie, mer, vor: die, wie. wahe, nyhemeher, sie, wie, wo, wu, alhie. 162 16° n oder nn. nn kommt nicht n. (lmal mo- n; nn fand ich vor. genn). zweimal. 17° m oder m: konten, verne- m: bekomen,an- mm: bekommen, mm. men. komen. hymmel, vmmermher. m kommt jedoch vor. J8°s-f Kons. Sehr oft sch: s -\- Kons.: s -4- Kons.: schwager, schwei- swerüch. slaghen, be- gen,schmeworthen, swert, slussell, beschwerd, schla- swind. gen, sekwester, schlosz, schwind; sogar nach z: zchweyffel,zchwue, schue. 19° o für u. Sehr oft: Mehra:furder, u gewöhnlich, orsache, won- nodturft, aber: aber : forchtschung, worde worden (= wur- szam. (=vfurdt),orlaub, den). wonsche, notorfft, wiezborgk, wosth (— wüst), korcz, worezhe (= Würze). 20° mhd. ie. i herrscht vor : ie herrscht vor: ie.: dieweill, lib, dynen, vorezy- Heb; aber auch: kriegk, lieber, hen, briff, krig, dinst. fliesen. lysz (= liesz); aber auch: dienstlich, erbieten. 21° / oder //. oft //, in der En- item. //, oft auch in dung -el immer: el. der Endung -el: zchweiffel, ffyl, geiseU, artickell, weyll, heyllig, dye slussell, eytell, 163 weille, hyllfft, mit teufell, zweifell, hullff. mittell, sonst oft /: geheilt, wol, solten, dieweil. 22° Vorsilbe Fast immer vor-: ver-: Fast immer vor-: ver-. vordynen, vorley- versenen, ver- vorsehen, vorken, vormogen, halten, verwar- czeichent, vorvorhalden. nen. standen. 23° Negati- nicht. nit. nicht meistens; onspartikel. auch: nit. 24° etlich. etlich. ezlich. 25° bringen. bringen. brengen. brenghen (brin- ghen vereinzelt). 26' mögen. miigen, Vermilgen, mogen. mughen, aber: Imal moglich. moglich. 27° Zusam- Kommt vor: steen. Sonst keen (gegen). menzie- zchyn (= ziehen) kaum. Sonst kaum. hung. sthen, besche. Neben sthen und gen vereinzelt: es stadt, es gat, es god, abgesthan, gesthan. 28° wollen. wellen. wellen. wollen. Die For¬ men mit e nur im Konj. Imp. t welde. 29° oder, ob. ader, ab. Oft noch ader, ab. 30° soll. Pris. immer szal Vereinzelt: sal. 31° Verlinge- Oft:gehandelet, rung. apostelen, vor- nhemelich, handelen, handellung. 164 Wir sehen in dieser Übersicht eine Masse „schwankende Falie". Der Sekretar und der Kanzier schreiben anders als der Kurfürst und der Kanzier wieder nicht so „modern" wie der Sekretar. In welchen schwankenden Fallen „wahlt" nun der Sekretar die Schreibung der kaiserlichen Kanzlei? u vor n wird o; für fruntlich : freuaükh; für anl. sz schreibt er s ; für anl. ff: f oder v ; für anl. zc : tz und z ; übertriebenes Dehnungs-A schwindet; h nach st und ausl. d schwinden ebenfalls; statt-/rf steht-#; die Zerdehnung, das Prafix iw und o für u schwinden, letzteres freilich nicht ganz; statt nicht schreibt er: nit. All diese Veranderungen gehen in der Richtung der kaiserlichen Kanzleisprache, aber auch in der der süddeutschen und der östliëhen mitteldeutschen Kanzleien. Der Beweis, daB das Bestreben der kaiserlichen Sprache zu folgen, diese Veranderungen bewirkte, kann nicht geliefert werden, denn spezielle Eigentümlichkeiten der Kaisersprache, wodurch sie sich von den mittel- und süddeutschen gerade unterscheidet, zeigen sich nicht. Eher lieBe sich sogar das Oegenteil beweisen, daB nl. in schwankenden Fallen die Form geschrieben wird, die den meisten mittel- und süddeutschen Kanzleien gelaufig ist. Dann müBten solche Schreibungen angetroffen werden, welche diese Kanzleien haben und die Kaisersprache nicht besitzt. „Wahlt" der Sekretar auch solche Schreibungen ? Ja! Statt des ai des Kurfürsten und der Kaisersprache schreibt er ei; statt bringen, wie der Kurfürst, schreibt der Sekretar brengen, das in der Kaisersprache ungewöhnlich ist; statt des nn aus der Kaisersprache: n ; statt sch -f Kons.: s -f- Kons., wahrend doch zu dieser Zeit sch schon regelmaBig in der Kanzlei des Kaisers vorkommt; statt des ue der Kaisersprache: u. Von der haufigen Synkope der Kaisersprache zeigt sich bei ihm keine Spur. Noch starker ist die Abweichung von der Kaisersprache beim Kanzier sichtbar: Öfter u vor Nasal (Kaisersprache sehr oft: ö); o in Prapositionalverschmelzungen (Kaisersprache: a), vorwiegend ei (Kaisersprache : ai); sz im Anlaut (Kaisersprache: s); haufig zc im 165 Anlaut (Kaisersprache zu dieser Zeit meistens: z, tz)\ h nad* Kons. (kennt die Kaisersprache nur nach k zur Bezeichnung Affrikata); gh 'm Inlaut {Kaisersprache: g); s -f Kons. (Kaisersprache oft: sch + Kons.); o noch oft für u (Kaisersprache r u); *ett in der Endung