UNTERSUCHUNGEN ZUR NORDNIEDERLANDISCHËN OESCHICHTE DES 10. BIS 13. JAHRHUNDERTS ZWEITER TEIL BIJDRAGEN VAN HET INSTITUUT VOOR MIDDELEEUWSCHE GESCHIEDENIS DER RIJKS UNIVERSITEIT :: TE UTRECHT :: UITGEGEVEN DOOR PROF. DR. O. OPPERMANN % IV. OPPERMANN, UNTERSUCHUNGEN ZUR NORDNIEDERLANDISCHEN GESCHICHTE DES 10. BIS 13. JAHRHUNDERTS ZWEITER TEIL DIE GRAFSCHAFT HOLLAND UND DAS REICH BIS 1256 UTRECHT - A. OOSTHOEK — 1921 6 Die Anf&nge. kommenden Urkunden einer Prüfung auf ihre Echtheit dringend bedürftig sind1). In der Doppelstellung eines Lehnsmannes der deutsehen und der französischen Krone befand sich Graf Dietrich II. noch, als ihm im Jahre 985 von König Otto 01. ein Privileg verliehen wurde, das man als die Gjrundlage der holiandischen Grafenmacht bezeichnen kann, das-DÓ III 19. In den drei 1 Grafschaften Maasland, Kennemerland und Texel soll, so verfügte der König, Graf Dietrich den Besig, den er in ihnen bisher vom König zu Lehen getragen hatte, künftig zu eigen haben. Von diesem Besig wird aber die huslada, die dem König zustehende Haussteuer, ausgenommen. S. Hirsch hat 18622) über das DO III 19 mit Recht geurteilt: „dies Geschenk macht faktisch und in seinen Folgen das Grafenamt über jene Gaue in Dietrichs Hause erblich". Nicht richtig aber ist es, wenn Hirsch weiter bemerkt: „es laBt sich kein zweites Beispiel anführen, wo das Territorium so durch Einen groBen Akt, mit diesem Grad von Absicht von der höchsten Gewalt selbst gegründet worden ware". Ein zweites Beispiel, das keineswegs die Gründung eines Territoriums bedeutete, laBt sich sogar aus den nördlichen Niederlanden beibringen. Es ist das DO III 14 vom 26. Juni 985, durch das Graf Ansfrid, ganz kurz vor dem DO III 19, zu eigen erhielt, was er bisher zu Medemblik in der Grafschaft Friesland, d. h. Westvlieland, und zu Beninghe im unteren Maasland, d. h. im Zuidhollandsche Waard unterhalb Dordrecht, vom König zu Lehen trug. Die Entwicklung dieser Grafschaften Ansfrids zu einem weltlichen Territorium wurde dadurch abgeschnitten, daB er 995 Bischof von Utrecht wurde und sie der Utrechter Kirche zubrachte3). >) Vgl. zuletjt Gosses S. 63, Anm. 1, wozu aber zu bemerken ist, daB aueh die Urkunden von 960 van Lokeren Nr. 28 = OB I 34, und von 964 van Lokeren Nr. 36 = OB I 37 in der uns vórliegenden Gestalt nicht echt sind. Ich hoffe eine Untersuchung Ober sie an anderer Stelle vorzulegen. *) Jahrbücher des Deutsehen Reichs unter Heinrich II., Bd. I, S. 343. % Vgl. oben Bd. I S. 190. Die Anfange. 7 Ein geradeso zusammenhangloser Besit} wie die königlichen Grafschaften Ansfrids waren die Dietrichs II. Zwischen (Nord-Nieder-)Maasland und Kennemerland lag Rijnland, zwischen Kennemerland und Texel Westvlieland. Die Grafschaft Westvlieland besaB 985 Ansfried und seit" 995 die Utrechter Kirche; in Rijnland hatte Dietrichs II. GroBvater Gerulf Fischereigerechtsame bei Leiden von der Utrechter Kirche innegehabt; daB aber die Grafschaft Rijnland entweder überhaupt nicht in den Handen Dietrichs II. war oder von ihm nicht als königliche, sondern als bischöfliche Grafschaft besessen wurde, ergibt sich aus dem Wortlaut des DO III19 jmit voller Sicherheit. Die von Gosses sehr mit Unrecht als interpoliert verworfenen Worte desselben ,in comitatibus ita nuncupatis Masalant, Kinhem, Texla' sjnd somit für das richtige Verstandnis der Sachlage von groBer Bédeutung. Gerade i Rijnland sucht nun Gosses die Anfange der Grafschaft Holland. Dem comitatus circa oras Reni hat er {S. 67 ff.) eingehende historisch-geographische Untersuchungen gewidmet, deren Wert nicht bestritten werden soll. Aber den verfassungsgeschichtlichen Erörterungen, die er daran geknüpft hat, vermogen wir nicht zuzustimmen. Er ist geneigt, das grafliche Botding als AusfluB einer höheren, der Grafschaft übergeordneten Amtsgewalt anzusehen, kraft deren die holiandischen Grafen im 10. Jahrhundert das Küstengebiet zwischen der unteren Maas und dem Vlie regierten. ° DaB das Botding ursprünglich nicht kraft graflicher, sondern kraft einer der graflichen übergeordneten Amtsgewalt abgehalten wurde, ist gewiss richtig. Es ist eine AuBerung der Heerbanngewalt, die der Graf nicht als soldier, sondern I kraft besonderer königlicher Vollmacht ausübte. Die als Botding bezeichnete Leistung erscheint in dem 1 Privileg des Grafen Florens V. für Leiden von 1266 OB 1151 als eine Heerbannleistung im Betrage des Königsbanns; die Bürger von Leiden sollen keine Abgabe entrichten nisi talgiam ab anno tertio in tertium que vulgo bottinge dicitur, que videlicet 3 lb. et 5 sol. non excedet. Drei Pfund oder 60 sol. ist der Betrag des Königsbannes. tt ENTSTEHUNG DER BISCHÖFLICHEN LEHNSGRAFSCHAFT HOLLAND. Entscheidende Fortschritte nach Südosten hat die hollandische Territorialgewalt bekanntlich unter Dietrich III. gemacht, der sich an der Merwede bei Vlaardingen festsefete und diesen wichtigen Punkt durch die Schlacht von 1018 behauptete. Es verlohnt sich, die Verhaltnisse, die vor dieser Schlacht zwischen dem Grafen und Bischof Adelbojd von Utrecht bestanden, etwas naher ins Auge zu fassen. Thietmar ») bezeichnet Dietrich III. als satelles des Bischofs sund berichtet von Verhandlungen, die der Graf mit seinem Lehnsherrn wegen des von diesem erwirkten kaiserlichen Befehls zur Vernichtung des auf bischöflichem Gebiete errichteten graflichen Kastells an der Merwede führte: cumque seniorem suum (Athelboldum) iuvenis infandus a mandatis talibus compescere nequivisset, licentiam abeundi petiit et se id prohibiturum esse promisit. Ein Lehnsverhaltnis zwischen dem Bischof von Utrecht und dem Grafen Dietrich III. bestand also vor Ausbruch des Krieges von 1018 unzweifelhaft. Ob es durch den Frieden, der durch Vermittlung des Herzogs Gottfried zwischen beiden zustande kam, hergestellt wurde, erfahren wir nicht. Thietmar erzahlt (IX, 30): Godefridi ducis auxilio Athelboldus antistes cum Thiedrico hoste reconciliatur; et hoe venit non ex voluntate sua, sed ex necessitate summa. Non erat enim istius regionis ullus prepotens defensor, si amplius insurgeret inimicus acrior. Das klingt nicht gerade, als ob die Rechte des Bischofs in vollem Umfang wieder zur Geltung gebracht worden seien, und auch die folgenden Jahre waren einer solchen Wieder- ') IX 28, ed. Kurze S. 255. Entstehung der bischof lichen Lehnsgrafschaft Holland. 13 herstellung offenbar nicht gunstig. ' An einer Tagung der sachsischen Grafen, die Mitte September 1024 unter Leitung des Herzogs Bernhard zu Herzfeld bei Beckum stattfand und sich für die einige Tage vorher am Rhein erfolgte Wahl Konrads von Franken erklarte, hat Dietrich III. als comes Fresoniae teilgenommenl). Bischof Adelbold aber hielt zu dem lothringischen Fürstenbund, dessen Seele Herzog Gozelo, der Bruder und Nachfolger des an der Merwede geschlagenen Herzogs Gottfried, und dessen Ziel der Widerstand gegen Konrad war; erst im folgenden Jahre hat sich Adelbold dem König angeschlossen2). Worauf das Lehnsverhaltnis zwischen Bischof Adelbold und Graf Dietrich beruht hatte, ergibt sich aus der Urkunde des Bischofs Wilhelm vom 28. Dezember 10638) und dem Diplom Heinrichs IV. vom 30. "April 10644). Letjterer überweist der Utrechter Kirche comitatum ömnem in Westflinge et circa horas Reni quem Theodericus habuit cum omnibus ad bannum regium pertinentibus. Unter diesem Theodericus ist aber nicht Dietrich IV., sondern Dietrich III. zu verstenen ; denn die fast gleichzéitige von dem königlichen Kanzier rekognoszierte Urkunde des Bischofs Wilhelm führt Klage über den a Theodrico comité ac filio eius Theodrico fratreque eius Florentio verübten Eiribruch in die Utrecht-Echternacher Parochialverfassung zu Vlaardingen, Oegstgeest, Velsen, Heilo und Petten. Da wir nun wissen, daB Westvlieland 995 durch Ansfried an die Utrechter Kirche gekommen war, so haben wir das Diplom St. 2644 dahin zu deuten, daB Dietrich III. Rijnland und Westvlieland als Lehnsgrafschaften der Utrechter Kirche besessen hatte, daB aber Dietrich IV. «nd Florens I. 5) Vita Meinwerci c. 202 MG. SS. XI 154, die Datierung berichtigt bei Erhard, Regesta historiae Westfaliae No. 933. Vgl. BreBlau, Jahrbüchër des Deutsehen Reichs unter Konrad II., Bd. I, S. 12 f. Rosenstock, Herzogsgewalt und Friedensschuè, Gierkes üntersuchungen 104. Heft 1910, S. 73 f. 2) BreBlau a. a. O. S. 32. 55. s) Muller, Cartularium S. 99 Nr. 63. *) St. 2644, ebenda S. 101 Nr. 64. 14 EHtsteh»ng der UscHöflicHen LeHnsgrafscnaft Holland. . .. , X! ^oV,dlK wieder zusprechen zu «^^^^«1 Lehnsfreilich noch mehr als ^ .^^u^jto Hrdie cum grafschaften; denn es ^^J^^li^^^ ad omnibus ad bannum re"^ eundemcomitatumrespicienübushoces^ ^ mercatis, zunachst nur ^J^T^deiimBdi auBer den könig, Dietrich III. war. dieser besaD Kennemerland und \ lichen Grafschaften N«*Nie^Btosto^ «1 die ^^.^^^^^ ïünf Graf! tand. Eine staatsrechthche Emheit büdete^ .* ^ schaften nicht; ihr ^^^Lo. Aber schon dingt, daB sie .n emer Hand ve^emigt ben Dietrich III. hat einenTed dieses Ge»™* ^ berichten mösSen. Die Ge*. ?P^^S^)Qa^ von ihm: Huc (an die ^^Zm tenebat, quia füius, qui participmm ™™™™ *Meïiecetmt, suspectos Frisones pro morte P^^J^; daB Dietrichs . habebat, secesserat. Wir wwseni Egm0nd besaB, und daB Beziehungen vQn dem undFlorensI. nicht bestanden haben son Falscher C erdichtet werden ^ E daB im Kennemerland ^^Z^errs^ bestanden land und Texel unter Sic«o e ne a wiederholte> ais hat, wie sich das ja ahnhchim tahre 1 jjietrichs VI., sich Florens der Schwarze, der ungere Bructe zum Grafen der Friesen aufwarf ). ^ D0ch ist der Ao***£^ befand, » die » tJ^^l^^ anSChCinend ^ .) III 19; MG. SS. VII 471 *) Annales Egmundam b. 34 n. EntstehttHg der bischöflichen Lehnsgrafsckaft Holland. 15 Folgen geblieben. Sein Sohn Dietrich IV. (1039—1049) besaB die Burgen Vlaardingen und Rijnsberg und wird von Hermann von Reichenau als marchio von Vlaardingen bezeichnet*). DaB er Markgraf gewesen sei, ist freilich ebenso unrichtig wie die Angabe von Wilkens2), die Grafen von Kennemerland seien als Markgrafen mit dem Küstenschufe betraut gewesen und harten noch im 11. Jahrhundert den Titel dux Frisiae geführt. Aber allem Anscheine nach sind doelt von Konrad II. die Verhaltnisse in diesen Gebieten neu geregelt worden in der Weise, daB Rijnland mit Nord-Nieder- Maasland zu einer reichsunmittelbaren Grafschaft vereinigt wurde, deren Inhaber das Befestigungsrecht erhielt. Von Vlaardingen aus hat Graf Dietrich IV. seine Herrschaft über Süd-Nieder-Maasland, das Land von Ijsselmonde, ausgebreitet. Dies ist offenbar der pagus, den Kaiser Heinrich III. ihm durch einen Angriff von Utrecht aus gleich nach Ostern 1046 wieder entriB3). Im folgenden Jahre hat der Kaiser einen neuen Feldzug gegen Dietrich unternommen und die festen Burgen Vlaardingen und Rijnsburg zerstört4), aber schlieBlich den Rückzug antreten mussen; erst dem vereinten Angriff der Bischöfe von Utrecht, Lüttich und Mefe ist der Graf im Januar 1049 bei Dordrecht ertegen6). Der Unterschied zwischen der niederlandischen Politik Konrads II. und der Heinrichs III. ist deutlich. Jener hatte die Entstehung einer starken reichsunmittelbaren Grafengewalt begünstigt; Heinrich III., von kirchlichen Gedanken stark beeinfluBt, suchte die bischöfliche Herrschaft gegen die grafliche zu stütjen. Der Ort der Katastrophe von 1049 zeigt, daB noch immer ') MG. SS. V 125. 127. a) Hansische Geschichtsbiatter 1908, 299. 3) Hermannus Augiensis SS. XI 125; v. Giesebrecht, Geschichte der deutsehen Kaiserzeit II6 397 sucht den Gau bei Vlaardingen, dessen sich aber doch schon Dietrich III. bemachtigt hatte. *) Lamperti annales ed. Holder-Egger S. 61. 6) v. Giesebrecht a. a. O. S. 433 f. 442. 28 Bis zum Frieden von Venedig (1177j. Aufnahme des formelhaften Satjes „Obeunte vero te nunc eiusdun loei abbate ..." zu erfolgen pflegte'), nicht finden, so daB also dem graflichen Gewohnheitsrecht in diesem Punkte stillschweigend ein Spielraum gelassen wurde. Andrerseits enthalt aber Jaffé 8083 auch nicht die sorgfaltige Einschrankung der diözesanbischöflichen Befugnisse und die Bestimmungen über Verwaltung der Altare und Besegung der Pfarrstellen, die beispielsweise dem Kloster Blandigny schon durch das Privileg Paschalis' II. vom 3. April 11032) zuteil geworden waren und am 2. Juni 1135 die Bestatigung Innocenz' II. gefunden hatten8). Jedenfalls haben wir die Ubertragung der, Klöster Egmond und Rijnsburg in das Eigentum der Kurie als MaBnahme einer holiandischen Territorialpolitik aufzufassen, welche die Grafschaft unabhangig vom Bistum Utrecht zu halten bestrebt war, also die Politik Dietrichs II. wieder aufnahm, die durch das Diplom von 985 und die Gründung des Klosters Egmond gekennzeichnet ist. Beziehungen des Grafen Dietrich VI. zu König Konrad III., der die Utrechter Kirche so sehr begünstigte, sind denn auch nicht nachweisbar. Doch muB sich in diesen Dingen nicht lange vor dem Tode des Königs ein Umschwung vollzogen haben. Nach dem Tode des Bischofs Hartbert (November 1150) hat Dietrich in Gemeinschaft mit den Grafen von Kleve und Geldern die Erhebung des Propstes von St. Gereon in Köln, Hermann von Hoorn, durchgeselji und ihn mit gewaffneter Hand nach Utrecht geführt. Für Hermann und gegen den Kandidaten der Utrechter Ministerialen und Bürger, den Propst von St. Georg in Köln Grafen Friedrich von Berg, entschied sich im Juli 1151 auf einem Hoftag zu Lüttich auch König Konrad, und sein Nachfolger König Friedrich I. hat 1152 Hermanns Anerkennung in Utrecht erzwungen. Graf ') Vgl. Schreiber a. a. O. I, 115 ff. *) Jaffé 5940 = van Lokeren 177, zu 1104. 3) Jaffé 7700 = van Lokeren 217, zu 1136. Bis simt Frieden von Venedig (1177). 31 Friesen von Drechterland von 1161, der zur Folge hatte, daB omnes Fresones sub uno pace fuerunt1), muB die hollandische Herrschaft in Mittelfriesland wieder FuB gefaBt haben. Eine im November 1165 über die mittelfriesischen Grafschaften gefallte Entscheidung2) hestimmte, daB Bischof und Graf gemeinschaftlich einen Grafen für Mittelfriesland ernennen sollten, qui praesentatus ab eis domino imperatpri bannum et potestatem iudicandi a manu domni imperatoris accipiat. Gleichwohl bestand ein Lehnsverhaltnis zur Utrechter Kirche fort. Das ergibt sich aus einer Urkunde des Bischofs Gottfried von 1168"). In einer Streitsache wegen eines AUodialgutes zu Houweningen ist vor der Synode im Dom zu Utrecht Klage geführt und vom Bischof die Sentenz des Grafen von Holland eingeholt worden, in cuius terra et potestate hec gesta sunt. Es handelt sich hier um das Gebiet von Süd-Nieder-Maasland, das mithin in die Reichsgrafschaft Holland nicht einbezogen worden, sondern Lehn der Utrechter:Kirche geblieben ist. |p In fürstengleicher Stellung finden wir den Grafen Florens, als er auf Betreiben des Erzbischofs Philipp von Köln im Frühjahr 1176*) sich entschlossen hatte, dem Kaiser zuzuziehen, der in Italien in schwerem Kampfe mit den Lombarden lag. In der feierlichen Beurkundung des Friedens mit Sizilien vom August 1177 wird Florens vom Kaiser unter den principes aufgeführt5). DaB er gleichwohl Graf blieb und nicht zum Markgrafen ernannt wurde, findet seine Erklarung in dem Lehnsverhaltnis Hollands zu Flandern, das mit der Stellung eines Markgrafen unvereinbar war. Laienfürsten konnten ohne Minderung ihres Heerschildes nur von geistlichen ]) Annales Egmundani S. 59. ») St. 4057 — OB I 146. 3) OB II S. 509 Nalezing No. 1. Vgl. schon Westdeutsche Zeitschrift XXVII 220. *) v. Giesebrecht, Kaiserzeit V 786. 5) MG Leges II 159, gleichfalls schon von Ficker a. a. O. herangezogen. 32 Bis zum Frieden von Venedig (11771. Fürsten, nicht aber von weltlichen Standesgenossen Lehen empfangen. In der Zeit kurz vor dem Frieden von Venedig (August 1177) sind der C-Text der Egmonder Annalen, das Graf enregister , die vita s. Adalberti und dief s.^vlt£^ Ieronis sowie die unechten Urkunden OB I 89, ObYq8, ob I 103 und OB I 124 entstanden. Der kraftvolle Aufschwung, den die hollandische Territorialmacht in engem AnschluB an die staufische Reichsgewalt genommen hatte, hat darin seinen literarischen Niederschlag gefunden. Es liegt in der Richtung dieser Politik, daB er nach Herkunft und Tendenz die engen Beziehungen Hollands zur Grafschaft Flandern erkennen laBt. In diesem Zusammenhang muB auf die wirtschaftlichen Verhaltnisse Hollands in dieser Periode noch kurz eingegangen werden. Wir sehen den Handel von fremden, und zwar flandrischen, Kaufleuten beherrscht. Die flandrischen Grafen aus dem Hause ElsaB, Dietrich (1128—1168) und Philipp (1168—1191), haben der Entwicklung des flandrischen Handels besondere Aufmerksamkeit zugewendet. Dietrich hatte bei seiner Thronbesteigung den flandrischen Kaufleuten sicheren und freien Handel im ganzen Lande zugesagt. Wir gedachten schon der gleichlautenden Versprechungen, die ihnen gleichzeitig Grafin Petronella für Holland machte. Die beherrschende Stellung des flandrischen Kaüfmanns in Holland kommt 40 Jahre spater in einer Bestimmung des Friedensvertrages vom 7. Marz 11671) zum Ausdruck, die zugleich die Grundsatje der flandrischen Handelspolitik gut erkennen laBt. Ein in Holland reisender flandrischer Kaufmann soll danach, wenn jemand ihn wegen einer Schuldforderung haftbar machen will, in seinem Schiffe durch Eineid sich reinigen können. Will der Forderer sich damit nicht zufrieden geben, so muB er dem Kaufmann in dessen Heimatsort folgen, und dort soll die Sache durch Schöffenurteil entschieden werden. Halt der Forderer aber den Kaufmann lest und verursacht ihm Schaden, so ist der Graf von Holland zu Schadenersalj *) OB I 147 § 13. Bis sum Frieden von. Venedig (1177). 33 verpflichtet. Also freier Handelsverkehr und Rechtsprechung in Handelssachen nur nach flandrischem, d. h. frankischem, Schöffenrecht, ganz unabhangig von der einheimlschen Rechtspflege in Holland. Aus zwei Urkunden von 1246 *) erfahren wir zufallig, daB aufeinanderfolgende Jahrmarkte in Vlaardingen, Delft, Voorschoten und Valkenburg gehalten wurden, also langs des Verkehrsweges, der die Mündung der Maas mit dem Haarlemer Meer und dem Y verband. Aus^velcher Zeit diese Jahrmarkte stammen, und von wem sie eingerichtet sind, bleibt ungewiB. Doch macht die Ahnlichkeit mit den Messen, die in der Champagne und in Flandern im 13. Jahrhundert gehalten wurden, es wahrscheinlich, daB auf ihnen vor aliem die flandrischen Kaufleute sich einfanden. Der Weg, den diese Kaufleute nahmen, ist im Westen durch Saint-Omer und Brügge, im Osten durch Staveren bestimmt. Brügges Handel mit Holland kennen wir aus dem Vertrag Petronellas von 1127; Beziehungen von Staveren zu den Jahrmarkten in Delft sind dadurch gesichert, daB diese am St. Odulfustag beginnen. Staveren und Saint-Omer haben fast gleichzeitig, 1122 und 1127, die Abschaffung des gerichtlichen Zweikampfes sich verbriefen lassen2). ') OB I 418, S. 229 rechte Spalte (an dieser Stelle wohl echt): 50 lb.... quarum una in primis nundinis in Delf, intrantihus in festo beati Odulfi, aha vero medietas in nundinis apud Valkenburg persolvetur. OB 1425: solvam 35 lb. Holland., tertiam partem in estualibus nundinis de Vlaerdingen, tertiam partem in nundinis de Voirschoten et tertiam partem in nundinis de Valkenburch. Von dém nundinc Hollandice spricht auch schon die Handfeste Wilhelms I. für Qeertruidénberg von 1213 OB 1235; doch vgl. über sie unten S. 57 Anm 5. Die nundinae kommen ferner vor in OB I 528 (1250) und OB II 152 (1266). m . "') Unten Erganzende Untersuchungen 9. Giry, Histoire de la ville de Saint-Omer S. 372 f. § 8. Oppermann, Untersuchungen zur nordniederUtadischen Geschichte. 3 Bis sum Tode Dietrichs VII. (1203). 35 Der bischöfliche Stuhl von Utrecht war von 1178—1196 mit einem Bruder des Grafen Florens, Balduin II., besetzt, der auch in Utrecht hollandische Hauspolitik trieb1). In die Zeit dieses holiandischen Bischofs wird wohl die Loslösung von Süd-Nieder-Maasland aus dem Lehnsverband der Utrechter Kirche und die Vereinigung dieses Gebietes mit Holland fallen. Sie ergibt sich aus dem Vertrag des Grafen Wilhelm mit Graf Ludwig von Looz vom 14. Oktober 1206 OB I 206, in dem es heiBt (§ 11): Debet dominus Willelmus ire apud Dordrech et ad Flardinghem et ad Ledam et ad Harlem, et ad quamque illarüm villarum debet mandare et summonere omnes homines vicinos et adiacentes illi villae et praecipere eis, ut comiti de Los et Hollandiae hominium faciant et fidelitatem. Zu Nord-Nieder-Maasland mit Vlardingen, Rijnland mit Leiden, Kinnem mit Haarlem ist also jetzt Süd-Nieder-Maasland mit Dordrecht hinzugekommen. Urn diese Zeit erscheinen die beiden alten Maasgrafschaften im Dekanat Südholland vereinigt. Eine zwischen 1198 und 1204 aufgezeichnete Liste der dem Dompropst zustehenden denarii piscium2) zahlt die Dekanate Holland, Rijnland, Kinnemere und Westvlieland auf, eine Urkunde des Dompropstes Ludwig von 1204 058) die Dekanate Suytholland, Rijnland, Kermarlant. Der Zoll zu Geervliet hat dem Sohne Florens' III., dem Grafen Dietrich VIL (1190—1203), anscheinend die Mittel geliefert, urn eine Erhebung in den Reichsfürstenstand zu betreiben. Giselbert von Hennegau 4) berichtet, Dietrich habe den Kaiser gebeten, ut a domino imperatore in augmentum sui feodi quod ab eo tenebat, feoda que a comité Flandrensi tenuerat, habere posset et ab hominio comitis Flandrie deinceps emanciparetur, et super hoe domino imperatori quinque milia marchas ') Wie Gosses a. a. O., S. 114 f. im einzelnen dargetan hat. a) S. Muller Hzn, Bronnen voor de geschiedenis der kerkelijke rechtsspraak in het bisdom Utrecht I S. 3 f. s) OB II Nalezing Nr. 7. 4) ed. W. Arndt S. 235; ed. Vanderkindere S. 265. 3* 36 Bis zvmi Tode Dietrichs VIL (1203). puri argenti, si princeps fieret, largiri promittebat. Kaiser Heinrich ist auf diesen Vorschlag nicht eingegangen, aber er zeigt, daB die Grafschaft Holland Reichslehen war, und daB das Lehnsverhaltnis zur Grafschaft Flandern ihre Erhebung zu einem Fürstentum nicht zulieB. So gut wie die Beziehungen Florens' III. zum staufischen Kaiserhause gewesen waren, waren die Dietrichs VII nicht mehr. An der Verschwörung der niederrheinischen Fürsten gegen Heinrich VI., die sich an England anlehnte, hat der Graf allerdings nicht teilgenommen. Aber der Hauptgrund für diese Zurückhaltung ist vermutlich-darin zu suchen, daB Dietrichs Gegner, Graf Balduin V. von Flandern und Hennegau (f Dezember 1195), zu den Verschwörern gehörte. Denn als der englische König Richard Löwenherz im Februar 1194 auf der Heimkehr aus der Gefangenschaft des Kaisers begriffen war, bef and sich auch Graf Dietrich von Holland unter den zahlreichen deutsehen Fürsten, die von Richard mit einer Geldrente belehnt wurden und sich dafür verpflichteten, ihm Hilfe gegen Frankreich zu leisten, allerdings unbeschadet ihrer Treupflicht gegen den Kaiser1). Ein englisch-hollandisches Einvernehmen bestand demnach schon im Februar 1194. Gleichwohl ist Graf Dietrich vom Kaiser Heinrich kurz vor dessen Aufbruch nach Italien entschieden begunstigt worden. Es will zwar nicht viel besagen, daB der Graf am 20. Oktober 1195 eine Bestatigung'des Zolles zu Geervliet erwirkte; denn gleichzeitig wurde durch Urteil des Hoftages die Höhe des Zolles festgestellt, den die Kaufleute aus Flandern, aus dem Kaiserreich und aus den anderen Reichen bezahlen sollten. Auch ist auf dem Wormser Reichstag vom 6. Dezember 1195, als der Kaiser, in Anwesenheit Dietrichs von Holland, zum ersten Male versuchte die Zu- *) Rogeri de Hoveden chronica MG. SS. XXVII 169. Die unmutige AuBerung des Egmonder Annalisten D über König Richard (S. 79) darf über die wahre Sachlage nicht irreführen, da der Annalist, wie wir wissen, mit der Politik Dietrichs VII. auch sonst nicht einverstanden war (oben Bd. I S. 44). Bis zum Tode Dietrichs VIL (1203). 37 stimmung der Fürsten zu einem Erbkaiserplan zu gewinnenx), ein Einverstandnis mit dem Grafen wohl noch nicht erzielt worden. Denn als dessen Oheim Bischof Balduin am 30. April 1196 auf dem Mainzer Hoftag gestorben war, war der Kaiser in der Frage der Utrechter Bischofswahl zunachst von dem Gegner Hollands, dem Grafen Otto von Geldern, beraten, der noch am 31. Mai am kaiserlichen Hofe weilte. Im Sinne einer Begünstigung der geldrischen Partei wird man es deuten müssen, daB der Kaiser am 15. Mai auf die Kaiserprabende am Utrechter Dom zugunsten des Domdechanten Dietrich, der zugleich Propst von Emmerich war, und seiner Nachfolger verzichtete2). Wahrscheinlich ist also der Kaiser bei der zwiespaltigen Bischofswahl von 1196 zunachst für den Erwahlten der geldrischen Partei, den Propst von Deventer Arnold von Isenburg, eingetreten. Auf einen alsbald erfolgten Umschwung deutet aber, wie schon Smets-8) bemerkt hat, das kaiserliche Diplom vom X. Juni St. 5001 für Herzog Heinrich von Brabant und die Kaufleute seiner neugegründeten Stadt Herzogenbusch, also für die Partei des Grafen von Holland, die seinen Oheim, den Dompropst Dietrich von Holland, zum Bischof gewahlt hatte. Der Kaiser erklarte sich zwar für keinen der beiden Elekten, sondern überlieB die Entscheidung dem heiligen Stuhle; aber ersetzte den Grafen Dietrich von Holland zum weltlichen Verwalter des Bistums ein, indem er ihn mit Ring und Stab belehnte*). Er muB dadurch auch in den Besitz der Burg Horst gelangt sein; Egmonder Annalen und Narratio de Groninghe berichten zu 1197, daB er dort seinen Bruder, den Grafen Wilhelm, gefangensetzte. Das ungewöhnliche Zugestandnis dieser Belehnung, die nicht nur dem holiandischen EinfluB im Bistum Utrecht Vor schub leistete, sondern die schon unter Bischof Balduin be- ') Vgl. Toeche, Kai&r Heinrich VI. S. 389 f. 413; G. Smets, Henri 1. duc de Brabant, Thèsfe Bmxelies 1908, S. 76. s) St. 4992 = van Mieris, Charterboek I S. 129. Brom 540. ') a. a. O., S. 77 f. *) Annales Egmundani S. 80. 38 Bis mm Tode Dietrichs VIL (1203). triebene hoUandisdi-utrechtische Hauspolitik geradezu guthieB, muB Graf Dietrich, da er den Kaiser nicht nach Italien begleitet hat, spatestens im Juni 1196 erlangt haben. Eben damals, auf dem Mainzer Reichstag vom 31. Mai 1196, ist dem Herzog Heinrich von Brabant die Erblichkeit seiner Lehen auch in weiblicher Linie als Entgeit für seine Zustimmung zum Erbkaiserplan bewilligt worden. Er hat das neue Erbrecht als ein spezifisch brabantisches angesehen; als ihm Graf Dietrich von Holland durch Vertrag vom 3. November 1200 OB I 1831) Dordrecht und andere südhollandische Gebiete überlassen hatte und sie vom Herzog als dessen homo ligius zu Lehen nahm, wurde bestimmt: Hec bona concessit dux comiti iure Brabantino ita videlicet quod nullus heres inde exheredabitur. Doch hat nicht nur der Herzog von Brabant in jenen Tagen die freie Erblichkeit seiner Reichslehen erlangt, sondern auch l) Das Datum bedarf einer ErlSuterung. A. C. Bondam De Ortensche verwikkelingen, Proefschrift Groningen 1886 S. 26f. und ihm folgend Huizihga, BVG. 4. reeks V (1906) 148 Anm. 2, und Gosses, Holland S. 1C6 haben als -Datum 1202 angenommen, obwohl schon Kluit Historia critica I 2 p. 415 mit völlig überzeugenden Gründen für 1200 eingetreten war. In dem Vidimus von 1305, nach dem van den Bergh den Vertrag abgedruckt und das 1913 0breen nochmals verghchen hat (BMHG. 34 S. 480) steht: annoMCCIIl tertio non. nov. Matthaeus, der 1738 die Urkunde abdruckte (Analecta III 54) hat: anno MCC tertio non. nov. Auch der kurze Vertrag über,die Kaufleute, den der Herzog und der Graf in Löwen geschlossen haben (OB I 184) ist in dem holiandischen Register EL 14 mit dem Datum „anno MCCII1 non. nov." überliefert. Da nun das Jahr 1203 unmöglich ist, weil Graf Dietrich am 4. November 1203 in Dordrecht starb, so ist deutlich, daB das Datum des Vidimus aus „MCC tertio non. nov." verderbt und dieses völlig ausreichend beglaubigt ist> Das Jahr 1202 findet in der Überlieferung keine Stütje. Gosses führt dafür die Nachricht der Chronica regia (ed. Waife S. 172. 200) an, daB Graf Dietr.ch 1202 in die Gefangenschaft des Herzogs von Brabant geraten und gegen ein Lösegeld von 500 Mark und die Abtretung von Geertruidenberg entlassen worden sei; aber von diesen Bedingungen steht in den Vertragen OB r*183 und 184 nichts. Für das richtige Jahr 1200 entscheidet sich auch Smets, Henri I. duc de Brabant S. 93. Bis sum Tode Dietrichs VII. (1203), 39 der Graf von Holland selbst. Dieser wichtige Erfolg der holiandischen Hauspolitik laBt sich aus den graflichen Urkunden erschlieBen. Dietrich urkundet seit 1198 — frühere Urkunden von ihm sind nicht erhalten — stets in Gemeinschaft mit seiner Gemahlin Aleidis von Kleve1). Das könnte an sich nichts als ein Zugestandnis an die Wünsche seiner Gemahlin sein, die schon in den 1190 er Jahren darauf bedacht sein muBte, die Grafschaft ihrer Tochter Ada zu sichern und Dietrichs Bruder Wilhelm von der Nachfolge auszuschlieBen. Aber daB darin in der Tat eine Veranderung des Erbrechts zum Ausdruck kommt, die im Zusammenhang mit der Reichspolitik steht, das zeigt die Datierung zweier graflicher Urkunden: OB I 177, 1198 für St. Marien zu Utrecht, ist Henrico imperatore regnante datiert; OB I 180, von 1199 für Kloster Rijnsburg, regnante Heinrico imperatore et rege Sicilië presulante Theoderico Traiectense episcopo. Da es sich um zwei verschiedene Empfanger handelt, kann diese Datierung nach dem bereits am 28. September 1197 verstorbenen Kaiser nicht als unecht verworfen werden, sondern muB von einem Diktator der graflichen Kanzlei herrühren. Sie betrachtete das staufische Imperium noch 1199 als ruhende Erbschaft. Es entspricht das dem Standpunkt des Egmonder Annalisten von 1205: er berichtet, die Fürsten hatten 1198 mit Herzog Philipp de regni provisione vereinbart, ut filius Heinrici imperatoris Frethericus puer quinquennis patri succederet et ipse omnia imperialia ageret et disponeret, schweigt aber über die Königswahl Philipps. So hat also Graf Dietrich, der vergebens nach der Würde eines Reichsfürsten gestrebt hatte, durch seine Zustimmung zu des Kaisers dynastischen Planen schliefilich wenigstens für die Erbfolge dasselbe erreicht, was dem Grafen von Hennegau 1184 bei seiner Erhebung zum Markgrafen von Namur von Kaiser Friedrich zugestanden worden war: die Erblichkeit der Grafschaft auch in weiblicher Linie2). Wir ») OB I 178. 179. 180. 181. 182. 193. 195. OB II Nalezing 3. 5; de Frémery, Supplement 23; vgl. auch OB I 259. ») Vgl. das bei Toeche a. a. O. S. 600 f. abgedruckte Diplom St. 4375. 40 Bis zum Tode Dietrichs VII. (1203). sehen in den iolgenden Jahren denn auch Dietrichs Haltung durch den Grundsa§ bestimmt, daB seine Grafschaft fürstengleichen Rang habe und demgemüB nur aus der Hand des Kaisers oder des mit kaiserlicher Gewalt ausgestatteten Königs empfangen werden könne. Vorübergehend ist er von dieser Haltung allerdings durch die in welfisch-englischem Sinne arbeitende Politik des Erzbischofs Adolf von Köln abgedrangt worden. Nach der doppelten Königswahl von 1198, die in Köln den Welf en Otto auf den deutsehen Thron erhob," hat sich Graf Dietrich zur Krönung des Gewahlten im Juli in Aachen eingefundenx). Die im Februar 1194 angeknüpfte Verbindung mit England wirkte also, wie es scheint, noch fort. Aber sie vermochte doch nicht, den Grafen dauernd an die welfische Sache zu ketten. Wie die oben angeführten Datierungen der Urkunden OB I 177 und OB I 180 zeigen, hat er sich noch im Jahre 1198 auf den oben gekennzeichneten Standpunkt zurückgezogen, daB das Imperium Heinrichs VI. herrenlos fortbestehe. Und in der fat war ja Otto nur Köfiig; Graf Dietrich aber konnte seine Lehen, wenn er ihren Rang nicht herabdrücken wollte, nur aus des Kaisers Hand empfangen. Dieser Standpunkt hatte sich freilich nur im Einvernehmen mit den übrigen niederlandischen Territorialfiirsten, insbesondere mit dem Bischof Dietrich II. von Utrecht, festhalten lassen. Dieser, der noch vor dem Ableben des Kaisers Heinrich gewahlt worden war und als Propst von Maastricht zu seinen Beratern gehört hatte, ist bereits im Juli und August 1198 in der Umgebung des Königs Otto zu finden2). Spatestens urn die Mitte des Jahres 1200 muB er aber mit dem Staufer Philipp angeknüpft haben, von dem er am 30. September 1200 ein in den schmeichelhaftesten Ausdrücken abgefaBtes Diplom erwirkt hat8). l) Regesta imperii V 200. s) Regesta imperii V 199. 200. 201. 209. 3) Muller, Cartularium S. 144 Nr. 13. Bis zum Tode Dietrichs VII. (1203). 41 Unterdessen wurde Graf Dietrich, wie es scheint, mit Waffengewalt von Herzog Heinrich von Brabant zum AnschluB an die welfische Koalition gènötigt. In dem Löwener Vertrag von 3. November 1200 OB I 1831) erkannte Dietrich für Dordrecht und das Gebiet an der Alten Maas zwischen Waalwijk und Strijen die Lehnsherrschaft des Brabanters an und wurde sein homo ligius. Er verpflichtète sich dabei, wie üblich, dem Herzog zu dienen contra omnes homines excepto imperio sicut ius suum est erga imperium. Wer als Inhaber des Imperiums gelten soll, ist nicht gesagt und wird auch dadurdi nicht deutlich, daB an der Spifee der Zeugen Bischof Dietrich von Utrecht erscheint. Doch steht die welfische Tendenz dieses Abkommens, das vom einem Kanzleibeamten des Erzbischofs Adolf von Köln verfaBt ist, auBer Frage. In ahnlicher Weise wie den Grafen von Holland suchte die welfische Koalition gleich darauf den Grafen von Geldern anj sich zu fesseln. Auf einer Tagung zu Maastricht verpflichtète sich am 22. Januar 12012) Graf Otto gegenüber dem Erzbischof von Köln, dem Bischof von Utrecht und dem Herzog von Brabant, ihnen super controversia, que de regno agitur in presenti, nominatim autem ad patriae defensionem, J) Er ist übrigens von einem Notar des Erzbischofs von Köln verfaBt. Man vergleiche: OB I 183: ne praesentis aetatis negotia consumat oblivio, litterarum indiciis solent eternari. Urkunde des Erzbischofs Adolf von Köln von 1203, Lacomblet UB II 9: Ne rei geste finem consumat oblivio, litterarum solet indiciis eternari. DaB sich Herzog Heinrich über den Löwener Vertrag vom 3. November 1200 mit Erzbischof Adolf, der nicht zugegen war, verstandigt hatte, ist schon von Smets, Henri I. duc de Brabant S. 93 Anm. 1 bemerkt worden. Wir können je§t sagen, daB der Erzbischof in Löwen durch seinen Notar vertreten war, obwohl auch dieser in der Urkunde nicht genannt wird. Dieser Notar hat auch den im Januar 1201 mit dem Grafen von Geldem zu Maastricht geschlossenen Vertrag Sloet 397 verfaBt. ,Ne hoe detur oblivioni' heiBt es in OB I 183, ,ne factum comitis de Los oblivioni tradatur' in Sloet 397. =) Sloet 397; zur Datierung Smets a. a. O. S. 94 Anm. 2. 42 Bis zum Tode Dietrichs VIL (1203). getreulich beizustehen. Es kann nicht zweifelhaft sein, daB Lothringen unter dem Vaterland zu verstehen, ist, zu dessen Verteidigung die niederrheinischen Fürsten sich vereinigen. Die Wirkungen des Vertrags von Löwen, der Dordrecht dem brabantisch - niederfrankischen Wirtschaftsgebiet angliederte, treten in einem Privileg des Grafen Dietrich von Holland für die Dordrechtér Bürger vom Februar 12061) hervor. Es erkennt die Herrschaft der Hanse der im Ausland handelnden Dordrechtér Kaufleute in der Stadtverwaltung an, indem es allen, die dieser Hanse nicht angehören, den Gewandschnitt untersagt2). Die Hanse hat also die sonst den staatlichen Beamten der örtlichen Verwaltung zustehende Aufsicht über. das stadtische Gewerbe sich gesichert. In der ersten Halfte des Jahres 1202 aber hat Graf Dietrich dié Kreise der brabantisch-welfischen Politik von neuem gekreuzt. Diesmal ist er der Angreifer, aber nicht aus eigenem Antriebe; als Anstifter wird Graf Otto von Geldern genannt8), dessen Tochter Aleidis mit dem Bruder des Grafen Dietrich, Graf Wilhelm von Friesland, vermahlt war. Der hatte mit seinem Bruder anfangs in Streit gelegen, war aber 1198 mit ihm versöhnt4) und befehdete nun von seinem Kastell Oosterzee aus den Bischof von Utrecht, der, auf Staveren gestiujt, die Rechte des Bistumö auf Mittelfriesland geltend zu machen suchte. Es gelang Wilhelm, seinen Gegner in Staveren gefangenzunehmen, und nur durch das Dazwischentreten der Utrechter Bürger erlangte der Bischof seine Freiheit wieder. Auch Papst Innocenz III. muB zugunsten des Bischofs eingegriffen haben; denn Graf Wilhelm hat, um die Lösung vom papstlichen Bann zu erwirken, im BüBerkleide mit 500 seiner Mannen im Dome zu Utrecht die Verzeihung des Bischofs erfleht5). - ') Hansisches UB I 57. OB I f81 (zu 1200). a) Vgl. zur Deutung des Privilegs W. Stein, Hansische Geschichtsblatter 1909, S. 69 f. . 3) Chronica regia ed. Waiij S. 200: ut dicebatur consilio Gelrensis. *) Er erscheint in Dietrichs Urkunde OB I 177 unter den Zeugen. 6) Narratio de Groninghe c. 13. Bis zum Tode Dietrichs VII. (1203). 43 DaB Graf Otto von Geldern und Graf Wilhelm ihrerseits in Verbindung mit der staufischen Partei standen, kann kaum zweifelhaft sein. Erst unter dieser Voraussetjung wird der hollandisch-geldrische VorstoB von 1202 völlig verstandlich. Graf Dietrich griff zunachst das Bistum Utrecht an und bewog zahlreiche Ministerialen der Utrechter Kirche, sich mit ihm gegen den Bischof zusammenzuschliefien1). Die Schwurvereinigung der Ministerialen lebte wieder auf, die schon 1159 einmal ins Leben getreten war, auch damals vom Grafen von Geldem begunstigt. In der Stadt Utrecht überwogen jefet freilich die welfischen Einflüsse; sie blieb dem Bischof treu und verteidigte sich mannhaft gegén den Grafen, der sich bei der Zollstatte Het Gein festgeseljt hatte. Unterdessen war im Oberstift die Stadt Deventer vom Bischof abgefallen und hatte sich für den Grafen von Geldern erklart. Sie muBte sich dem Bischof aber alsbald wieder unterwerfen, der die reicheren Einwohner gefangennahm und stark brandschatte2). Beide Grafen haben sich dann auch gegen den Herzog von Brabant gewendet, sind aber beide in dessen Gefangenschaft geraten8); der Bischof hat unterdessen einen Einfall in Holland gemacht und auch Deventer zurückgewonnen 4). Im September 1202 hat dann König Otto in Maastricht die Aussöhnung des Herzogs mit dem Grafen von Geldern vermittelt6), und mit diesem hat in Maastricht6) auch der Bischof von Utrecht Friede geschlossen. Graf Dietrich muBte dem Herzog von Brabant ein Lösegeld von 500 Mark zahlen und die Stadt Geertruidenberg abtreten7). Die Bedingungen, unter denen die Aussöhnung des Grafen mit dem Bischof von Utrecht zustande kam, lassen sich nur ]) Narratio de Groninghe c. 14: plurimi ministeriales ecclesie secum contra episcopum coniuraverunt. 8) Narratio c. 14, auch für das Vorhergehende. 8) Chronica regia ed. Waitj, S. 171 f. und 200. *) Narratio a. a. Ö. 5) Chronica regia S. 172; Sloet OB S. 405. 6) Wie aus einem in Edmund de Dynters Chronik überlieferten Vertrag hervorgeht, Sloet S. 407. 7) Vgl. oben S. 38, Anm. 1. 44 Bis zum Tode Dietrichs VIT. (1203). durch Kombination zweier Nachrichten erschliefien. Aus Vertragen von 1204 und 1206, die unten zu besprechen sind, ergibt sich, daB ganz Holland damals wieder Lehn des Bischofs von Utrecht war, und daB schon unter Graf Dietrich, der im November 1203 starb, dieses Verhaltnis bestanden hat. Ferner berichtet die Narratio de Groninghe (c.,14) im AnschluB an die Fehde von 1202: Episcopus Gerardum puerum, heredem comitis et comitem Gelrie, in sua gratia et favore tamquam filium conservans ad negotium comitatus Hollandie qui ibi tune vacavit, quia comes filium non habuit sicut vir prudentissimus convertit. Der Bischof konnte also damals über die Grafschaft Holland in der Weise verfügen, daB er zu ihrem künftigen Inhaber den Sohn des Grafen von Geldern bestimmte, weil Graf Dietrich keinen Sohn hatte und mit der bevorstehenden Erledigung der Grafschaft somit gerechnet werden muBte. Die Grafschaft Holland ist nicht mehr frei vererbliches Reichslehn, sondern Mannlehn der Utrechter Kirche; das staatsrechtliche Verhaltnis, das im ersten Viertel des 12. Jahrhunderts bestanden hatte, ist hergestellt. Das war der Preis, den Graf Dietrich im Frieden von 1202 bezahlen muBte. Damit waren die Errungenschaften, die Florens III. und Dietrich VII. selbst durch ihren engen AnschluB an die stau: fische Reichsgewalt der Grafschaft Holland eingebracht hatten, wieder verloren gegangen. \ V. DIE ZEIT WILHELMS I. (f 1222). Nach dem Tode des Grafen Dietrich VII. (November 1203) ist bekanntlich ein schwerer Streit um die Grafschaft zwischen Graf Wilhelm und Graf Ludwig von Looz geführt worden, der mit Dietrichs Tochter Ada vermahlt war. Nichts konnte verhangnisvoller sein für die junge hollandische Territorialmacht; sie wurde zum Spielball in der Machtpolitik des Bischofs Dietrich, der jeljt wieder der Lehnsherr Hollands war, und des Herzogs Heinrich I. von Brabant (1190—1235). Schon von Pirenne') ist die Politik des letteren zutreffend geschildert worden; er hat Brabant zur unbestrittenen Vormacht der Niederlande emporgehoben und so dem Titel dux Lotharingiae, den er in seinen Urkunden stets führt, einen neuen Inhalt gegeben. Nicht weniger als durch die reichspolitischen Gegensatje war seitdem die Gruppierung der niederlandischèn Territorialmachte bestimmt durch das wechselvolle Spiel der brabantischen Politik. Schon auf den EinfluB des Brabanters ist es wohl zurückzuführen, daB Bischof Dietrich sich je&t für den Grafen von Looz, einen Parteigünger des welfischen Königs2), entschied. Er erhielt von Ludwig 2000 Mark gegen das Versprechen, ihm die Belehnung mit der comitia Hollandie de iure imperio vacante zu verschaffen und ihm getreulich gegen den Grafen Wilhelm beizustehen qui nichil iuris habens comitatum sibi iam usurpare incepit quia frater comitis Theoderici extitit8). Der Vertrag, der im Jahre 1204 diese Dinge regelte, OB I 199, gliedert Holland aber kefneswegs etwa als bischöfliche Grafschaft dem Reichslehnsverband ein, sondern ordnet sein >) Geschichte Belgiens I S. 245 ff. 2) Regesta imperii V 225. s) Narratio de Groninghe c. 15. 46 Die Zeit Wühelms I. (f 1222). Verhaltnis zum Bischof so, wie es dessen Interessen am meisten entsprach. Der Graf erhalt alles Lehn, das Dietrich VII. von der Utrechter Kirche besessen, als Lehn auf Lebenszeitx) und wird homo ligius des Bischofs, so daB also ein erbliches Recht an der Grafschaft Holland dem Grafen ausdrücklich versagt wird. Bezüglich Mittelfrieslands wird der Kondominat von 1165 hergestellt; doch behalt der Bischof den graflichen Anteil einstweilen in Pfandbesig. Unterdessen war Ludwigs Gemahlin, die Grafin Ada von Looz, in Leiden in die Gefangenschaft der Anhanger des Grafen Wilhelm gefallen, und es gelang diesem, im Laufe des Jahres 1204 auch ■ seinen Gegner aus Holland zu vertreiben; aber ein Angriff der Bischöflichen auf Dordrecht, an dem sich auch hollandische Edle beteiligten, nötigte ihn zu einem nachteiligen Frieden, der ihm eine Entschadigung von 1000 Pfund auferlegtea). Bischof Dietrich konnte infolgedessen noch im Jahre 1204 mit Graf Wilhelm fast wörtlich denselben Vertrag schliefien, zu dem sich einige Monate vorher Graf Ludwig verstanden hatte; nur verlautet jetjt nichts von einer Verpfandung des graflichen Anteils an Mittelfriesland 8). Wilhelm war also zwar in den Besits seiner Grafschaft gelangt, hatte aber die bischöfliche Lehnsherrschaft anerkennen müssen7 die doch nur infolge völliger Niederwerfung der staufischen Partei im Jahre 1202 hatte erneuert werden können. Sein nachstes Ziel muBte sein, diese Abhangigkeit wieder zu lösen und die Reichslehnsherrschaft über Holland herzustellen. Vermutlich trug er sich schon bei AbschluB des Vertrages von 1204 mit dieser Absicht; denn als die vornehmsten Zeugen desselben werden Herzog Heinrich von Brabant und Graf Otto von Geldern genannt, die damals im Begriff standen zu König Philipp überzutreten. *) in eo iure quod lif-tuht appellatur. ^gill -) Annales Egmundani S. 96!.; Narratio de Groninghe c. 16 S. 26. 3) Kluit, Historia critica II 1, S. 276. Die Zeit Wilhelms 1. (f 1222). 49 Die von Isbrand und Gerhard von Haarlem, Johannes Persijn, Arnold und Heinrich von Rijswijk geführte Gruppe der holiandischen Edeln, die der Herrschaft Wilhelms widerstrebte und schon 1204 den bischöflichen Angriff auf Dordrecht unterstütjt hatte1), konnte diesen die Einheit Hollands auflösenden Frieden als einen Erfolg buchen; bedeutete doch jede Sdiwachung der graflichen Gewalt eine Starkung der Adelsherrschaft. Unter ihrem Zeichen mussen die folgenden sechs Jahre der holiandischen Geschichte gestanden haben, die für uns fast völlig im Dunkeln liegen. Es ist kennzeichnend für die Sachlage, daB Graf Ludwig noch im Jahre 1206 einer weiteren Ausbreitung der brabantischen Herrschaft über Holland zuzustimmen genötigt war2): er und seine Gemahlin verpflichten sich, alles Allodialgut, das ihnen in ganz Holland nach Erbrecht zusteht, mit Ausnahme von Haus und Burggrafschaft Leiden, vom Herzog von Brabant zu Lehen zu nehmen. Der Graf soll sich auch bemühen, die Lehnsherrschaft, die andere Herren über ihn haben, auf den Herzog zu übertragen. Der weitere Sat}, si comes aliqua feoda alicui contulit quae de iure ab imperio tenere debebat, si imperium ea recuperare de iure potest, dux ab imperio, et comes ea de duce recipiet' bezieht sich anscheinend auf die Lehnsherrschaft des Bischofs von Utrecht; die auf Herstellung des Herzogtums Lothringen gerichtete Politik des Brabanters wird hier, so scheint es, besonders deutlich sichtbar. Natürlich muB sich der Graf auch verpflichten, homo ligius des Herzogs zu werden gegen jedermann, mit Ausnahme des Bischofs von Lüttich und des Imperiums — ein bestimmter Inhaber des letteren wird vorsichtshalber nicht genannt. Mit alledem befand sich Graf Ludwig von Looz noch keineswegs im Besitj der Grafschaft Holland; sie war dem Bischof von Utrecht verpfandet bis zur Erfüllung der Bedingungen, die der Graf im Frieden von Brügge auf sich genommen ') Annales Egmundani S. 91. 94. 96. 2) Kluit, Historia critica II S. 321 ff.; OB I 208. 209. Oppermann, Untersuchnngen zur nordniederlandischen Geschichte. 4 50 Die Zeit Wilhelms 1. ff 1222). hatte. Vor allem muBte er darauf bedacht sein, seine Gemahlin, die Grafin Ada, auf der sein Erbrecht an der Grafschaft beruhte, aus der Gefangenschaft zurückzuerlangen. Er ^oegab sich deshalb im Jahre 1207 nach England, wohin Wilhelm seine Nichte hatte bringen lassen, konnte aber hier seinen Zweck nur dadurch erreichen, daB er Lehnsmann des Königs Johann wurde und dessen Neffen, den deutsehen König Otto, zu unterstügen versprach, sofern dieser seinem Oheim treu bleiben würdeJ). Diese Verpflichtung, für deren Einhaltung sich Walther von Berthout, der Herr von Mecheln, verbürgte2), führte zwar nicht zu einem Brüch des Grafen mit der staufischen Partei8). Aber in den Besilj der Grafschaft Holland ist Ludwig gleichwohl nicht wieder gelangt; in Philipps Diplom vom 1. Juni 1208 wird er ebenso wie noch am 16. Marz 1212 in einem Diplom des Kaisers Otto4) nur Graf von Looz genannt. Graf Wilhelm seinerseits urkundet 1209 und 1210 zwar als Graf von Holland5), aber in Middelburg und Zierikzee; in Holland ist er vor Mitte des Jahres 1213 nicht nachweisbar. Die Grafschaft muB in diesen Jahren im Pfandbesitj des Bischofs von Utrecht verblieben und von Aleidis von Kleve, der Witwe des Grafen Dietrich VII. von Holland, verwaltet "worden sein, die 1207 als comitissa Hollandiaé an den König von England schreibt6). Als Erbin kam neben Ada, der Grafin von Looz, noch eine zweite Tochter Dietrichs, Aleidis, in Betracht, die mit einem um 1200 verstorbenen Sohne des Grafen Otto von Geldern, Heinrich, verlobt gewesen war7). In der Reichspolitik waren unterdessen groBe Veranderungen vor sich gegangen. Nach der Ermordung Philipps (21. Juni ') OB I 217. 2) OB I 218. 3) Noch am 1. Juni 1208 ist er in Gemeinschaft mit Herzog Heinrich in der Umgebung des Königs Philipp zu finden; Regesta imperii V 183. *) Regesta imperii V 470. *) OB I 221; de Frémery, Supplement 29. 8) OB I 214. ") Annales Egmundani S. 84 f. Die Zeit Wilhelms f. (f 1222). 51 1208) war auf Veranlassung seines Verbündeten, des Königs Philipp Augustus von Frankreich, Herzog Heinrich von Brabant als Bewerber um die deutsche Krone aufgetretenJ). Ein Plan, der in die lothringische GroBmachtspolitik des Brabanters paBte, aber an der ablehnenden Haltung der rheinischen Erzbischöfe bald scheiterte. Auf einem Reichstag zu Frankfurt, im November 1208, konnte Otto auch die meisten AnhSnger Philipps um sich versammeln; im Mai 1209 hat sich auch Heinrich von Brabant ihnen angeschlossen2). Am 4. Oktober 1209 ist dann Otto in St. Peter zu Rom zum Kaiser gekrönt worden, freilich ohne in die Stadt selbst EinlaB zu finden; fast unmittelbar darauf geriet er über das Königreich Sizilien in erbitterten Streit mit dem Papst, der am 18. November 1210 den Bann gegen ihn schleuderte und die Königswahl des jungen Staufers Friedrich betrieb. Sie erfolgte im September 1211; am 9. Dezember 1212 wurde Friedrich in Mainz gekrönt. Wie oben3) dargelegt, hielten in den Niederlanden im Jahre 1212 Herzog Heinrich von Brabant und Bischof Dietrich von Utrecht noch zu dem welfischen Kaiser. Auch Graf Wilhelm von Holland stand, wie die gleichfalls schon angeführte Anweisung des englischen Königs vom November 1212 zeigt, mit dieSer Partei in Verbindung. Diese Sachlage ist für die Beurteilung der Rolle wesentlich, die Graf Wilhelm bei der Wahl des achtzehnjahrigen Xantener Propstes Otto von Geldern zum Bischof von Utrecht gespielt hat. Otto, Bruder des Grafen Gerhard von Geldern und durch seine Schwester Aleidis Schwager des Grafen Wilhelm, wurde zu Ende des Jahres 1212 auf'den Utrechter Stuhl durch Erzbischof Adolf» von Köln erhoben, dem das Domkapitel sein Wahlrecht übeitragen hatte. AuBer Adolf und den Grafen von Geldern und Holland waren die Bischöfe Otto von Münster und Gerhard von Osnabrück, beide aus *) E. Winkelmann, Philipp v. Schwaben und Otto IV., Bd. II, S. 118f. 2) E. Winkelmann a. a. O., S. 157. ) Bd. 1 S. 5ïT 52 Die Zeit Wilhelms I. (f 1222). dem Hause der Grafen von Oldenburg, bei der Erhebung anwesend, die ebenso wie Erzbischof Adolf der Partei des staufischen Königs Friedrich angehörtenx). Ohne Zweifel bedeutete somit Ottos Erhebung einen Erfolg der staufischen Partei, und man wird auch annehmen dürfen, daB Graf Gerhard von Geldern sich jetjt zu ihr rechnete. Vermutlich ist er durch die Erhebung seines Bruders für die Staufer gewonnen worden. DaB sich aber heftiger Widerstand gegen die Wahl Ottos von Geldern erhoben hat, zeigt ihre Übertragung an den Erzbischof von Köln, die doch nur ein Ausweg aus unüberwindlichen Meinungsverschiedenheiten gewesen sein kann. Der Opposition kann auch Graf Wilhelm von Holland nicht ferngestanden haben, der ja zur welfischen Partei Beziehungen unterhielt. Wenn er sich gleichwohl für den staufischen Kandidaten entschied2), so wird das mit dem noch immer nicht erloschenen Streit um die Grafschaft Holland zusammen-hangen. Wilhelm konnte durch seinen Beitritt zur Wahl Ottos von Geldern und Herstellung des Mannlehnsverhaltnisses zur Utrechter Kirche, zu dessen Wiederanknüpfung sich ja schon Graf Dietrich VII. 1202 verstanden hatte, seine Anerkennung als Graf von Holland erlangen. Wahrscheinlich um diese Zeit ist, wie wir Bd. I, S. 157 f. ausgeführt haben, der F-Text der Egmonder Annalen entstanden, dessen Verfasser kaiserlich gesinnt ist, aber doch für die Lehnsverbindung Hollands mit der Utrechter Kirche eintritt3). ]) Narratio de Groninghe c. 17; Annales Stadenses SS. XVI 355; E. Winkelmann, Philipp von Schwaben *nd Otto IV. von Braunschweig Bd. II S. 330; H. Krabbo, Die Besetjung der deutsehen Bistümer unter der Regierung Kaiser Friedrichs II. Bd. I (1901) S. 42. s) Wie die Narratio de Groninghe (c. 17) ausdrücklich berichtet. 3) Für/lie Bd. I S> 164 ^eauBérte Vèrmutung, daB F der 1215 urkundlich/bezeugte Egmonder Mönch Henricus de Colonia sei, bietet der Bericht ia 116/eine dort nicht vérwertete Stutje. Er sagt (S. 69), EKbi^of/Reinaid sei. ' begraben worden in marmoreo sepuichro venustissimo depicto éi nuperrirqe sub terra repertó. Das kann erst Die Zeit Wilhelms t. (f 1222). 53 Gerade unter der Voraussetjung, daB bei Ottos Wahl dieses Lehnsband von neuem geknüpft wurde, wird verstandlich, daB Graf Wilhelm sicli kaum drei Wochen spater offen zur welfischen Sache bekannte. Am 13. Januar 1213 hat er in Nymwegen seine Reichslehen aus der Hand des I gebannten Kaisers Otto empfangen1). Damit war dreierlei für die Grafschaft Holland erreicht. Sie war wieder Reichslehen, aus dem Lehnsverband der Utrechter Kirche wieder losgelöst. Sie war vom Kaiser, nicht vom König verliehen, so daB die fürstengleiche Würde des Grafen gesichert war. Das eine wie das andere bedeutete eine Herstellung des Zustandes, wie er unter Florens III. und Dietrich VII. bis 1202 gewesen war. Aber die Grafschaft wurde drittens ausdrücklich als ein nur im Mannesstamm vererbliches Lehn, ein purum feudum, im Gegensatj zum feudum mixtum bezeichnet, das auch auf weibliche Erben übergehen konnte. Die Errungenschaft Dietrichs VII. von 1106 war also preisgegeben, weil Wilhelm genötigt war, sein Recht gegenüber dem Anspruch von Dietrichs Tochter Ada zu betonen, den der Graf von Looz verfocht, und gegenüber dem Anspruch von Dietrichs Tochter Aleidis, den ihre Mutter bisher vertreten hatte. So hielt Wilhelm nach langen Wirren Holland als im Mannesstamm vererbliche kaiserliche Reichslehnsgrafschaft in Handen, wie sie Florens III. und bis 1196 Dietrich VII. besessen hatte. Dieser Erfolg war freilich durch Verpflichtungen gegen England erkauft. Bei einem Aufenthalt in England, der schon * im Januar angekündigt war, ist Graf Wilhelm am 29. Marz homo ligius des Königs Johann geworden und hat sich gegen im 13. Jahrhundert aufgezeichnet sein, so daB der ausfOhrliche Bericht über Reinald von Dassel mit Bestimmtheit F zuzuweisen ist. Der C-Text hat die Inthronisierung Paschalis' III. schon zu 1166. ') In der Belehnungsurkunde, Regesta imperii V 493 — OB I 229, heiBt es: omnia feoda, quae nobiles viri Florentius et Theodericus bonae memoriae comités Hollandiae ab imperiali auia tenuerint, eidem Willelmo in purum feodum cum omni integritate ad eandem comitiam attinente contulimus. Die Zeit Wilhelms I. (-f 1222). 55 Der Übertritt des Grafen auf die staufische Seite hatte, so scheint es, die Herstellung seines Lehnsverhaltnisses zur Utrechter Kirche zur Folge. Denn nur als ihr Lehnsmann kann er doch zu Ende 1215 oder Anfang 1216 an der Wahl des Bischofs Otto II. teilgenommen haben1). Im Frühjahre 1216 hat dann Graf Wilhelm den Bundesgenossen der Staufer Kriegshilfe geleistet, indem er sich an einem Einfall des Kronprinzen Ludwig von Frankreich in England beteiligte. Aber er zog damit von neuem den Fhich der Kirche auf sich herab. Der Kampf des Königs Johann mit der Kurie war zu Ende. Am 15. Mai 1213 hatte er ihr sein ganzes Land zu eigen gegeben und es als Lehn zurückempfangen. Seitdem schleuderte Papst Innocenz III. gegen alle Feinde des Königs dieselben Kirchenstrafen, die er eben noch gegen ihn selbst angewendet hatte2). Auch über Graf Wilhelm hat, wie wir aus einem papstlichen Schreiben vom 23. Juli 1217 wissen, in papstlichem Auf trage Erzbischof Dietrich von Trier sogleich die Exkommunikation verhangt8). Die Kurie lieB aber auch dem Gegenspiele der englischwelfischen Politik gegen den abtrünnigen Vasallen ihre volle Unterstütjung zuteil werden. Im Juni 1216 hatte König Johann dem Kaiser vorgeschlagen, Wilhelms altem Gegner, dem Grafen Ludwig von Looz, die Grafschaft Holland zu verleihen, da Graf'Wilhelm mit Ludwig (von Frankreich), dem Feinde Gottes und der Kirche, in England eingefallen sei*). Graf Ludwig sicherte sich überdies dadurch das Wohlwollen der Kirche, daB er das Kreuz nahm. Der neue Papst Honorius III. (1216—1227), dem das Kreuzzugsunternehmen besonders am Herzen lag, lieB sich bereitfinden, am 21. Marz 1217 die Entscheidung des Markgrafen Philipp von 1206 zu bestatigen, die Ludwig von Looz die Grafschaft Holland zusprach, und wies am selben Tage zwei Lütticher Geistliche 3) Narratio de Groninghe c. 18. 2) Vgl. E. Gütschow, Innocenz III. und England (1904) S. 168 ff. 8) Brom, Bullarium Trajectense Nr. 80. *) OB I 254; vgl. Winkelmann a. a. O. II 443^ 56 Die Zeit Wilhelms I. (f 1222). an, unerbittlich mit Kirchenstrafen die Durchführung dieser Entscheidung zu erzwingen *). Der weitere Befehl, gegen die holiandischen Geistlichen einzuschreiten, die, ohne die vom Erbischof von Trier verhangten Sentenzen zu beachten, den Gottesdienst fortgesegt hatten2), zeigt, daB in Holland auch der Klerus sich gegenüber dem Versuch, durch kirchlichen Machtspruch die Grafschaft einem Pratendenten zuzuwenden, ablehnend verhielt. Überdies aber gelang es dem Grafen Wilhelm sehr bald, indem er nun seinerseits das Kreuz nahm, seine Lösung aus der Exkommunikation und eine Wiederaufnahme des Verfahrens wegen der Grafschaft iu erlangen; schon am 23. Juli 12178) schreibt der Papst in diesem Sinne an seine Bevollmachtigten. Graf Wilhelm hatte unterdessen bereits die Fahrt nach dem Heiligen Lande angetreten; als Antwort auf den Bericht, den er dem Papste über seinen erfolgreichen Kampf gegen die Sarazenen in Portugal zugehen lieB4), ist wohl die Anweisung des Papstes vom 21. Mai 1218 aufzufassen, dem Grafen den von dem kirchlichen Besig in Holland für den Kreuzzug erhobenen Zwanzigsten auszuhandigen5). Die Beziehungen zu König Friedrich hat Graf Wilhelm nach seiner Rückkehr von der Kreuzfahrt sogleich wieder aufgenommen; er war anwesend, als Friedrich am 29. April 1220 in Frankfurt dem Herzog von Brabant das Lehn verlieh, das dieser von König Philipp erhalten hatte6). Wie früher, so tritt auch jetjt wieder die Verbindung mit dem Herzog von Brabant als bestimmender Faktor in Wilhelms Politik hervor. Zu den Familienbanden, die seinen Sohn Florens an das Haus des Brabanters knüpften, waren neue hinzugekommen, indem Wilhelm selbst sich (1219 oder erste ') Brom, Bullarium Trajectense I Nr. 73. 74. 2) Brom a. a. O. Nr. 75. ») Brom a. a. O. Nr. 80. *) OB I 263. B) Brom, Bullarium Nr. 87. °) Regesta imperii V 1116= OB I 265; vgl. Obreen, BVQ. 4. reeks X 39 f. Die Zeit Wilhelms I. ff 1222). 57 Halfte von 1220) mit der Schwester seiner Schwiegertothter, Maria von Brabant, der Witwe des Kaisers Otto, vermahlt hatte1). GewiB im Einverstandnis mit Herzog Heinrich erlangte der Graf auf dem Reichstag zu Frankfurt einen Rechtsspruch, durch den der Grafin Johanna von Flandern ihre Reichslehen entzogen wurden, so daB nun Wilhelm selbst mit Reichsflandern belehnt werden konnte. Damit schien die einst schon von Graf Dietrich VII. erstrebte Erhebung in den Reichsfürstenstand in nahe Aussicht gerückt; aber es gelang Johanna noch im Herbst 1220, Wilhelms Belehnung rückgangig zu machen2), und durch eine Verfügung des jungen Königs Heinrich vom 6. Mai 12213) wurde die Grüfin in ihre Lehen wieder eingeseljt und dem Grafen jeder Widerstand dagegen untersagt, sub periculo omnium bonorum, que tenet de imperio. Als Quellen für die wirtschaftliche Entwicklung Hollands unter Graf Wilhelm I. stehen uns ein Stadtrechtsprivileg von 1213 für Geertruidenberg und eins von unbekanntem Datum für Dordrecht zu Gebote4). Das erstere hat die Gestalt, in der es uns vorliegt, freilich wahrscheinlich erst um 1275 erhalten6); doch wird man es jedenfalls so weit als echt an- ') Winkelmann, Kaiser Friedrich II., Bd. I, S. 398. a) Regesta imperii V 1153 = OB I 273. 3) Regesta imperii V 3855 = OB I 274. 4) Mit Vorbedacht sehe ich hier und weiterhin ab von den zeeïandischen Stadtrechtsurkunden für Middelburg von 1217, OB I 261 und 1254, OB I 5Q0, für Westkappèl von 1223, OB I 279, für Domburg von 1223, OB I 284 und für Zierikzee von 1248, OB I 451, die alle einer Untersuchung auf ihre Echtheit dringend bedürftig sind. Über OB 1 590 vgl. einstweilen Brandt (unten S. 83 Anm. 3) S. 65 ff. 6) Wir besigen die Urkunde nicht im Original, sondern nur abschriftlich in zwei graflichen Registern aus den Jahren 1317—1336, EL. 6 und EL. 24, sowie in einer Bestatigung Florens* V. vom 22. Januar 1275 OB II 284, die aber auch nur abschriftlich in den graflichen Registern erhalten ist. Graf Florens gewahrt die Bestatigung videntes corrupticnem privilegii ex vetustate ipsius, und wiederholt dann fast wörthch den Inhalt der Vorurkunde, nur daB statt der drei Jahrmarkte deren vier festgesetzt und ihre Termine nach dem Heiligenkalender angegeben werden. Doch fehlt es nicht an Anzeichen, daB der Inhalt 68 Der Kampf um Utrecht bis 1234. muBte an möglichst günstigen Bedingungen für den Handelsverkehr der fremden Kaufleute gelegen sein. Im Lichte dieser Gegensatze erscheint die Urkunde von 1196 Brom 543 besonders beachtenswert, in der als Zeugen 12 ministeriales sancti Martini, 11 scabini und 12 consules civitatis genannt werden. Die Konsuln von Utrecht tauchen hier zum ersten Male a«f; ebenso das Stadtsiegel. Die Schöffen werden dann erst 1227, die Konsuln erst 1230 wieder genannt. Es ist also klar, daB die Utrechter Selbstverwaltung von 1196 in den Monaten der Unsicherheit ins Leben getreten ist, welche die schismatische Bischofswahl nach dem Tode des Bischofs Balduin II. (30. April 1196) verursachtex). Die Urkunde muB sehr bald nach dem Hinscheiden des Bischofs und noch vor der Wahl Dietrichs von Holland zum Bischof ausgestellt sein; denn dieser steht als Dompropst an der Spitze der Zeugen. Das ist wesentlich für die Frage, ob der Stadtrat mit Zustimmung oder gar auf Betreiben des Grafen Dietrich VIL von Holland ins Leben getreten ist, dem Kaiser Heinrich die Regieruug des Bistums für die Zeit des Schismas anvertraut hatte. Die Egmonder Annalen berichten ausdrücklich, daB Graf Dietrich in und um Utrecht herrschte, wahrend der Graf von Geldern, der allem Anscheine nach für den Elekten Arnold eintrat, auf Overijssel beschrankt blieb. Diese Herrschaft des Grafen Dietrich von Holland in Utrecht begann aber erst, nachdem das Schisma ausgebrochen war, und der Stadtrat verschwindet überdies sogleich wieder für mehrere Jahrzehnte aus der Uberlieferung. H. Bloch hat kürzlich2) darzulegen gesucht, daB der Kaiser allenthalben das Aufkommen der Ratsverfassung begünstigt habe. Trifft das für Utrecht zu, so hat sie Heinrich durch Ubertragung der Stadtherrschaft an den Grafen von Holland alsbald wieder preisgegében. Jedenfalls glaube ich an meiner früher3) vorgetragenen Ansicht festhalten zu sollen, daB der ') Vgl. Westdeutsche Zeitschrift XXVII 226 ff. s) Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte XVI S. 38 f. 3) Westdeutsche Zeitschrift XXVII 229. Der Kampf um Utrecht bis 1234. 69 Utrechter Stadtrat durch die Geldern zuneigende Partei ins Leben gerufen wurde, die gleich darauf den Propst von Deventer zum Bischof erhob. Der Graf von Geldern hatte schon hinter der coniuratio von 1159 gestanden, und es ist völlig deutlich, daB auch jetzt wieder dieselbe bürgerliche Gruppe am Werke war, die 1122 und 1159 die kommunale Einung 'aufzurichten versucht hatte. Der Stadtrat ist ja seinem Wesen nach nichts anderes als ein Organ der kommunalen Einung. Das Utrechter Stadtsiegel von 1196, das ein von drei Türmen überragtes ummauertes Stadttor zeigt, laBt denn auch den geistigen Zusammenhang mit den Bestrebungen von 1122 erkennen, bei denen die Errichtung der Stadtbefestigung mit im Vordergrunde gestanden hatte. Die Aufrichtung des Stadtrates erscheint so als ein Glied in der Kette eine**zielbewuBten Bürgerpolitik, die schon mehr als einmal versucht hatte, die Stadtverwaltung ganz in bürgerliche Hande zu bringen. Die politische Konstellation um 1200 ist diese: Bischof Dietrich II.J) halt zu König Philipp, der ihm am 30. September 1200 ein Privileg betreffend die Verlegung des Zolles von Het Gein erteilt hat2). Der Inhaber der Grafschaft Utrecht dagegen, Heinrich von Kuik, der im Juli 1198 an der Königswahl des Welf en Otto IV. teilgenommen hatte8), erscheint im November 1200 mit seinem Sohne Albert am Hofe des Herzogs von Brabant zu Löwen4) und ist 1202, als Graf Dietrich von Holland als Parteiganger der Staufen den Herzog Heinrich von Brabant angriff, mit dessen Bruder in Dietrichs Gefangenschaft geraten5). Die bürgerliche Unabhangigkeitspolitik hat in diesen Jahren einen neuen groBen Erfolg errungen, und zwar auf dem Gebiete des Münzwesens. l) 1197—1212. aX Muller, Cartularium S. 145. *) MG Constitutiones II Nr. 19. *) OB I 183. 5) Annales Egmundani S. 85. 70 Der Kampf um Utrecht bis 1234. In der descriptie- argenti et denariorum in episcopatu Traiectensi, die einen Teil des sogenannten Liber camerae bildet, besigen wir aus dem Utrechter Domarchiv eine Aufzeichnung, die nach der Feststellung ihres Herausgebers S. Muller Fz.1) zwischen 1196 und 1204 entstanden ist. Nach ihr (a. a. O. S. 38) ist das Utrechter Münzgewicht die Kaufmannsmark, die aus fünfzehn Lot reinen Silbers und einem Lot reinen Kupfers besteht. Aus dieser Mark lassen die bischöflichen Münzer 17 Unzen Münze zu je 20 Denaren, also 340 Denare, schlagen, von denen die Münzknechte 10 als Schlagschatj behalten dürfen; die übrigen 330 müssen den Münzern abgeliefert werden. Die Münzer sind verpflichtet, Inschrift und Bild der Münzen nach dem Ermessen des Bischofs zu gestalten; er hat auch das Recht, durch Bevollmachtigte den Feingehalt der Münze in der fabrica nummulariorum prüfen zu lassen. Zu der Utrechter Münze ist die Münze, die in Groningen, Staveren, Bolswaard, Dokkum und Leeuwarden geschlagen wird, in feste Beziehung geselt; 33 Unzen dieser Denare sollen der Utrechter Silbermark von 16 Unzen entsprechen. Der Bischof soll einschreiten, wenn die friesischen Denare hinter diesem Gehalt zurückbleiben; unterlaBt er es, so werden die Domherren, die dadurch geschadigt werden, über die ^Münzer vor dem Bischof Klage führen, et tune iusto iudicio'episcopus cedet. Die Kaufmannsmark war, wie ich auf Grund der Untersuchungen Hilligers3) schon 1908 gezeigt habe3), nichts anderes als das karolingische Gewichtspfund, dessen Halfte mit 7V2 Unzen um x/i6, das heiBt um ein Lot, leichter war als die aus dem altrömischen Pfund von 12 Unzen abgeleitete Kölner Mark von 8 Unzen. Die Utrechter Münzer und das Domkapitel haben demnach mit dem Bischof eine Utrechter Wahrung vereinbart und sie ') Rechtsbronnen van den Dom van Utrecht (1903) S. 6 ff. 2) Historische Vierteljahsschrilt III 196 ff. 209. 3) Westdeutsche Zeitschrift XXVII 225. 72 Der Kampf um Utrecht bis 1234. Bistum zu führen hatte, den Kredit der mit der papstlichen Kammer in Verbindung stehenden römischen und sienesischen Bankhauser stark in Anspruch zu nehmen1); an Dietrich II., der 1198 in Utrecht eintraf, traten diese Glaubiger sogleich mit einer Forderung von über 3000 Mark Sterling heran2). Diese Summe ist möglicherweise zu hoch angegeben; jedenfalls waren noch zu Anfang 1204, als Papst Innozenz III. sich der Glaubiger annahm, von der Schuld 1150 Mark zu begleichen. Die Zahlung sollte, wie aus dem Briefe des Papstes hervorgeht3), auf der Messe von Ypern erfolgen. Es kann also kaum zweifelhaft sein, daB an diesen Geldgeschaften die niederfrankischen Kaufleute beteiligt waren, deren EinfluB wir in den Falschungen von 1178 hervortreten sahen. Die Gegenpartei hat in Gemeinschaft mit dem Domkapitel die auf dem Fühfzehnunzenpfund der Karolingerzeit beruhende Kaufmannsmark als Utrechter Münze festgehalten und sie auch zur Grundlage der bischöflichen Münzprügung in Groningen, Staveren, Bolswaard, Dokkum und Leeuwarden gemacht 4). Wie das Machtverhaltnis dieser beiden stadtischen Parteien durch den Verlauf des staufisch-welfischen Kampfes bestimmt ist, zeigt sich alsbald nach der Ermordung des staufischen Königs Philipp (21. Juni 1208). Im Marz 1209 erhalten die Utrechter Bürger durch Vermittlung ihres Bischofs und des Herzogs Heinrich von Sachsen, Stiefbruders des welfischen Königs, von König Johann von England Handelsvergünsti- ') DaB auch der Elekt der Gegenpartei, Arnold von Isenburg, mit italienischem Gelde in Rom gearbeitet habe, wie die Narratio behauptet, ist, wie der gleich anzuführende Brief Innocenz' III. zeigt, unzutreffend. 2) Narratio de Groninghe c. 12, MG. SS. XXIII 407. 3) Brequigny, Diplomata II 1 S. 413 = Brom, Bullarium Trajectense I Nr. 45; vgl. A. Schulte, a. a. O. und Schaube, Handelsgeschichte der roman ischen Völker S. 417 f. *) Librae Grunienses werden zuerst 1211 erwahnt: OB Groningen en Drente I 51. Die Urkunde von 1180/81, ebenda I 39, ist frühestens 1196 entstanden, wei! in ihr Bischof Balduin als bone memorie vorkommt. Oer Kampf um Utrecht bis 1234. 73 gungenJ). Die Utrechter Wirtschaftspolitik bewegte sich hier auf den Wegen der flandrischen "Stadte, welche die Verbindung mit England damals eifrig pflegten2), und die folgenden Jahre, wahrend deren der Macht des Welfenkaisers kein Rivale entgegenstand, können der Vorherrschaft des welfischflandrischen Handelspatriziates in Utrecht nur günstig gewesen sein. Eine Reaktion gegen dieselbe bedeutete erst wieder die Erhebung Ottos von Geldern zum Bischof von Utrecht um die Wende des Jahres 1212. Der Elekt Otto starb schon am 1. September 1215, und zu seinem Nachfolger wurde mit Zustimmung der Grafen von Holland und Geldern, die damals beide dem Staufer anhingen, der Dompropst Otto von Lippe erwahlt, der im Mai 1216 von König Friedrich in Frankfurt die Regalien empfing3). Seine Regierung faJlt zeitlich zusammen mit der des Papstes Honorius III. (1216—1227), mit dem der Staufer sich in leidlichem Einvernehmen bëfindet, wahrend die Macht des Welfen völlig gebrochen ist. Ein gewisser Ausgleich der Gegensatje ist in dieser Zeit zu beobachten, der der Starkung der bischöflichen Fürstenmacht zugute kommt. In der Confoederatio cum principibus ecclesiasticis von 1220 verzichtet die Krone fast völlig auf die Rechte, die ihr an Zoll und Münze der Bischofsstadte noch zustanden, und gibt damit die direkten Beziehungen des Verwaltungspatriziates zur Reichsgewalt preis, Beziehungen, die für die bürgerliche Unabhangigkeitspolitik so überaus wertvoll sich erwiesen hatten. Kurz vor- ') Hansisches UB I 80. a) Hansisches UB I 77. 79. 81. 3) Narratio de Groninghe c. 18, MG. SS. XXIII 410: ab imperatore Frederico huius nominis secundo regalia et episcopalem de hcentia Coloniensis archiepiscopi apud Vrankenvorde accepit benedictionem. Der Erzbischof von Köln nahm die Weihe offenbar deshalb nicht selbst vor, weil er noch nicht geweiht war. Es war also der Elekt Engelbert, der im Mai 1216 mit König Friedrich und dem papstlichen Legaten in Würzburg weilte. Vermutlich hat letjterer Otto geweiht. Die Regesten Böhmer-Ficker V 798 a und Knipping III 129, die mit dem Datum des Todes Ottos I. unvereinbar sind, mussen um ein Jahr verschoben werden. 74 Der Kampf um Utrecht bis 1234. her (12. Marz 1220) hatte Bischof Otto von Albert von Kuik alle aus dessen graflicher Qewalt in Utrecht herflieBenden Befugnisse kauflich erworben1). Damit war das grafliche Gericht aus der Utrechter Stadtverfassung ausgéschaltet; seine Schöffen konnten jetjt zu Schöffen des bischöflichen Stadtgerichtes werden. Im Jahre 1227 tritt denn auch das Schöffenkolleg wieder hervor. SchultheiB und Schöffen von Utrecht haben am 15. November 1227 über einen in pretorio nostro verhandelten Erbpachtvertrag eine mit dem Stadtsiegel versehene Urkunde ausgestellt (Brom 778). Wie der niederfrankisdi-niedersachsische Gegensatj unter den Kaufleuten des nordwestlichen Handelsgebietes fortdauert, zeigt das Privileg des Kaisers Friedrich II. für die Stadt Lübeck vom Juni 1226 2). Es befreit die in England handelnden Lübecker Bürger ab illo pravo abusu et exactionis onere, quod Colonienses et Telenses et eorum socii contra ipsos invenisse dicuntur; sie sollen dasselbe Recht genieBen wie die Kölner und Tieler und ihre Genossen. An Stelle des Bischofs Otto II., der am 28. Juli 1227 bei Coevorden gegen die Friesen gefallen war, postulierte das Domkapitel auf Andringen des Grafen von Geldern und Giselberts von Amstel den früheren Utrechter Dompropst Grafen Wilbrand von Oldenburg, der seit 1225 Bischof von Paderborn war. Auf dem Rückweg von Rom, wo er seine Versefeung nach Utrecht erwirkt hatte, empfing er von dem jungen König Heinrich die Regalien3). Gegenüber der von König Heinrich begünstigten bürgerlichen Bewegung hat sich dieser niedersachsische, unter geldrisch-amstelschem EinfluB erhobene Pralat nicht völlig ablehnend verhalten. Heinrich hatte im November 1229 die Bürger von Maastricht zur Befestigung ihrer Stadt ermachtigt und im Juni 1230 die von den Stadten des Lüttijher Landes zur Ehre des Reiches und zur Veiteidigung ihrer Rechte auf- I Westdeutsche Zeitschrift XXVII 236. *) UB der Stadt Lübeck I S. 46 Nr. XXXV. 3) Narratio de Groninghe c. 27. 28 ed. Pijnacker Hordijk S. 50. 53. Der Kampf um Utrecht bis 1234. 75 gerichtete Eidgenossenschaft bestatigt. Wohl nicht ohne inneren Zusammenhang damit tritc in Utrecht 1230 die Ratsverfassung, von der seit 1196 bis dahin nichts mehr verlautét war, wieder hervor, und bleibt von min an bestehen1). Und an demselben 31. August 1230, an dem Nymwegen von König Heinrich das Stadtrecht von Aachen erhielt2), gab Wilbrand seinerseits zu Deventer Rittern, Schöffen und gemeinem Volk von Zwolle die Erlaubnis, ihren Ort zu befestigen, und verlieh der neuen Stadt alle Rechte, die Deventer von seinem Vorganger besaBa). Einen Stadtrat hat Bischof Wilbrand in Zwolle allerdings nicht eingeseljt und ausdrücklich bestimmt, daB die Freiheit und Gerichtsbarkeit der Stadt sich in keiner Weise über die Linie der Befestigung hinaus ausdehnen dürfe. Es ist eine politisch und wirtschaftlich konservative Politik, die sich auf den Landadel und das eingesessene Bürgertum stütjt. Das bescheidene MaB von Freiheit und Selbstverwaltung, das letsterem gewahrt wird, soll in erster Linie der Anlage einer Stadtbefestigung dienen. Die Kosten, die dem Bischof in Rom erwachsen waren, hatten allerdings auch ihn genötigt, bei sienesischen Bankiers eine Anleihe aufzunehmen, deren Rückzahlung auf den Messen der Champagne erfolgen sollte. Aber er begegnete den Forderungen seiner Glaubiger mit passivem Widerstand. Durch seine ganze Regierung ziehen sich ihre erfolglosen Bemühungen hin, ihn zur Zahlung zu bewegen Vergebens ist der Abt von St. Lupus zu Troyes im Auftrage des Papstes mit Suspension und Exkommunikation gegen ihn vorgegangen, vergebens das Interdikt über das Bistum verhangt worden4). Nachfolger Wilbrands (f 27. Juli 1233) wurde Otto, ein Sohn des Grafen Wilhelm I. von Holland. Seine Haltung gegenüber dem Utrechter Bürgertum erhellt aus einer am ') Vgl. über das alles schon Westdeutsche Zeitschrift XXVII 254. s) Sloet 536. !) Bijdragen tot de'geschiedenis van Overijssel I (1894) S. 29 f. 4) Vgl. den im Bullarium Traiectense tehlenden Brief Gregors IX. vom 16. Januar 1235 bei Auvray, Régistres de Grégoire IX Nr. 2391. 82 Holland unter Florens IV. und Wilhelm II. (1222-1256). Für diese auf Verdrüngung Flanderns aus dem Reiche gerichteten Bestrebungen aber konnte Herzog Heinrich nicht auf die Zustimmung des Kaisers rechnen, von dem Grafin Margarete noch im Juli 1245 die Belehnung mit Reichsflandern und Zeeland eingeholt hatte1). Die Beweggründe für diese Haltung des Kaisers wird man in seiner Gegnerschaft gegen England suchen müssen. Wohl aber lieB sich der Papst für die Sache der Avesnes gewinnen. Das erste Anzeichen davon ist ein Brief Innozenz' IV. an die Grafin Johanna von Flandern vom 11. Mai 1246, der ihr gestattet, daB einer ihrer Söhne mit einer Verwandten vierten Grades sich vereheliche. Am 25. Oktober 1246 folgte dann die nachgesuchte Dispens für Johann von Avesnes und seine Gemahlin8). So geschah es, daB nach dem Tode des Gegenkönigs Heinrich Raspe (16. Februar 1247) der Herzog von Brabant und die Grafen von Geldern und Looz sich am 3. Oktober 1247 zur Königswahl Wilhelms von Holland vereinigten. Doch war es Herzog Heinrich nicht vergönnt, die Plane, die sich für ihn an diese Wahl knüpften, zu yerwirklichen; er ist schon am 1. Februar 1248 gestorben. Nicht der brabantischen Politik, sondern der des Kölner Erzbischofs Konrad von Hochstaden ist der junge König wahrend der erstfolgenden Jahre dienstbar geworden. Die Geschichte seines Königtums zu verfolgen kann hier nicht urtsere Aufgabe sein. Es handelt sich für uns nur um die wirtschaftliche Entwicklung der Grafschaft Holland wahrend dieses Zeitraumes. Für den Zustand des holiandischen Wirtschaftslebens um die Zeit von Wilhelms Königswahl ist vielleicht nichts bezeichnender als die Tatsache, daB noch am 3. August 1248 der flandrisch-hollandische Vertrag von 1167 nochmals emeuert wurde8). Er bstfmmte, wie wir wissen, daB die im Lande des Grafen von Holland handelnden flandrischen Kaufleute *) Regesta imperii V 1, 3494. • 2) Ch. Duvivier, La querelle des d'Avesnes et des Dampierre II (1894) S. 143 Nr. XCX u. S. 171 Nr. Cl, das lettere Stück auch OB I 433. 3) OB I 463. Holland unter Florens IV. und Wilhelm II. (1222—1256). 83 gegen Klagen nur vor den Schöffen ihres Heimatsortes sich sollten verantworten müssen. In der Tat hatte in den seit jenem Vertrage verflossenen Jahrzehnten die Entwicklung stadtischen Lebens in Holland nur langsam Fortschritte gemacht. Im Mai 1246 hatte Graf Wilhelm 's Gravezande mit einem Privileg ausgestattet *), das unbeschrankte Aufnahme von Neubürgern und Beschrankung der Heerfahrtpflichten gegen eine jahrliche Abgabe gewahrte. Die strafrechtlichen Bestimmungen des Privilegs, die ein Schöffenkolleg als bestehend erwahnen, kennen keine Talion und keine Leibesstrafen, sondern nur GeldbuBen. Auf Totschlag stehen 32 oder, wenn tödliche Waffen gebraucht sind, 64 Pfund, also das Wergeld, das noch im 14. Jahrhundert in Kennemerland und auf Texel in Gebrauch war3). Delft, Haarlem und Alkmaar befanden sich noch keineswegs auf der Stufe rechtlicher und wirtschaftlicher Entwicklung, die ihre umfangreichen, erst ganz neuerdings als gröBtenteils unecht erwiesenen Privilegiën3) uns lange vorgetauscht haben. Alle drei Orte waren mindestens teilweise nicht in landesherrlichem, sondern in herrschaftlichem Besitz. Herr von Haarlem war der machtige Edle Simon von Haarlem, Bailli von Zeeland4). Es gibt von ihm Belehnungsurkunden für Haarlemer Bürger aus den Jahren 1251 und 12525), und am 25. Juni 1254, wenige Tage nach der Verleihung des graflichen Privilegs an Alkmaar, hat er von Graf Wilhelm das Zugestandnis erhalten, daB keine Einwohner Haarlems und des Amtes Hëilo in Alkmaar als Bürger solle aufgenommen werden dürfenfi). Mit Rücksicht auf seinen ') OB I 421. 2) Van Riemsdijk, Verslagen, en Mededeelingen der Koninkl. Ak. van Wetenschappen Afd. Letterkunde 4. reeks 1. deel (1897) 341 ff. 3) OB I 412. 413. 418. 595. Vgl. über sie C. D. J. Brandt, Bijdrage tot de kritiek van Hollandsche Stadsrechten der XIII. eeuw (1921). l) OB I 504. 505. (Februar 1250). 5) OB I 535 (20. Januar 1251) und OB 1^573 (27. Oktober 1252). 6) OB I 596: nullus illorum hominum qui intra Harlem et officium de Helgelo morantur et manent, oppidum de Alkmaria, cui de nunc 6* B4 Holland unter Florens IV. und Wilhelm II. (1222-1256). Herrschaftsbereich ist demnach wohl auch in dem Delfter Privileg vom 14. April 1246 das Verbot ausgesprochen, Leute aus Nordholland als Bürger auïzunehmen1). Die erste Urkunde des Grafen Wilhelm für Haarlem vom 23. November 1245 war wahrscheinlich nichts als ein Zollprivileg2) Delft, das einer Schwester des Grafen Florens IV., Richardis, gehorte und erst nach deren Tode 1262 an den Landesherrn kam, erhielt durch Graf Wilhelms Privileg vom 14. April 12468) Zollfreiheit in Delft selbst für a'.le Ein- und Ausfuhr, das Recht, Auswartige als Bürger aufzunehmen, unter gewissen franehisiam et libertatem contulimus, intrare poterit. Vgl. Brandt a. a. O. S. 43. ') Vgl. unten Anm. 3. '•) Das nimmt Brandt a. a. O. S. 54 f. an. Ich selbst möchle allerdings nicht für ausgeschlossen halten, daB noch ein zweites echtes Privileg für Haarlem vom 24. November 1245 vorhanden war, das die von Brandt S. 46 f. als unecht verworfene Ablösung der Heerbannpflicht enthielt. So würde sich das Vorhandensein von zwei unechten Haarlemer Privilegiën von demselben Datum am besten erklaren. r) Zur Herstellung des echten Inhaltes von OB I 418 können die Urkunden Florens' V. von 1266 OB II 146 und 1268 OB II 176 dienen. Die erstere sagt: Opidani et cives de Delf liberi simt ab omni thelonio et thelonii exactione de marcimoniis suis et bonis, que ad opiduni ipsum ducunt vel etiam extra ducunt in quacunque nave sive carina jacuerit, sicut in ipsorum privilegio a ... Willelmo Romanorum rege collato plenius continetur, et quam primum aliquem in coopidanum suum susceperint, statim sua gauderé debeat libertafe. Durch den lettfen Sai? werden die in OB I 418 gemachten Vorbehalte aufgehoben: exceptis hominibus in Northollandia manentibus qui solvunt omnem precariam annualem, et exceptis illis hominibus, quos dominus eorum infra annum et diem repetierit, qui post annum et diem hberi permanebunt sine dominorum repetitione et predictis pactis et completis iure oppidi perfruentur. In OB II 176 bekundet Oraf Florens, er habe der Stadt Delft Alt-Delft überlassen: ende al hebte ic hem ghegeven die Oude Dilf hare port met the merne, daer bi ne sael niet gemeret wesen die rente die si rrii jarliecs geven noech hare herevart. Demnach standen in dem echten Privileg von 1246 die Bestimmungen über die Heerfahrt, nicht aber der anschlieBende Safe: Nee ego quidem nee quisquam sucessorum meorum pactum hered.tatis oppidanorum meorum infra libertatem de Delf iacentis potero in posterum augere. Bolland unter Florens IV. und Wilhelm II. (1222-1256). 89 Hat Giselbert III. von Amstel, der ja in Utrecht ansassig war, bei dieser Wiederanknüpfung der Beziehungen zwischen Holland und der Utrechter Bürgerschaft eine Rolle gespielt? Er ist schon im Mai 1248') und dann wieder im Mai und Juni 1250 in der Umgebung des jungen Königs zu finden2). Und jedenfalls war er, als Mitgüed der Ritterschaft des Bistums Utrecht, nicht unbeteiligt an der stündischen Opposition, die sich in dieser Zeit gegen kuriale Einflüsse erhob. Nach dem Tode des Bischofs Otto (April 1249) hatte Erzbischof Konrad von Köln im Einverstandnis mit dem Papste über den erledigten Stuhl verfügt und ihn mit einem seiner Anhanger, dem Kölner Dompropst Heinrich von Vianden, besegt. Die Utrechter Geistlichkeit fügte sich dem aber nicht, sondern nahm eine Wahl vor, die auf den Propst von St. Johann zu Utrechten und Kölner Domdechanten Goswin von Randerath hel. Diese Wahl ist für die Geschichte der Landstande des Bistums von groBer Bedeutung. Die Geistlichkeit übertrug aus eigenem Recht dem Elekten die Temporalien3). Unzweifelhaft befand sie sich dabei im Einverstandnis mit Bürgem und Ritterschaft, deren Rechte und Freiheiten der Elekt Heinrich durch Urkunde vom 26. August 1250 anerkennen muBte'). In Utrecht war also ein standiseh-konservativer Widerstand gegen die neuen politischen Machte lebendig, die infolge der kurialen Agitation gegen das Kaisertum in den Niederlanden das Übergewicht erlangt hatten. Nur natürlich, daB sich Beziehungen Utrechts zu König Wilhelm wieder anbahnten, sobald er selbst in die Bahnen deutscher Kaiserpolitik wieder eingelenkt war. Noch nicht zwei Jahre spater hat er mit dem niederdeutschen Bürgertum einen Bund geschlossen, der *) Sloet 692. 2) Regesta imperii V 5004. 5015. s) Chronica regia ed. Wart} S. 297: clerus Traiectensis accedente iavore populi elegit decanum Coloniensem de Randinrode, castra et munitiones episcopales eidem assignantes. *) Bijdragen voor Vaderl. Geschiedenis 3. reeks X 2 (1899) S. 203. Nicht bei Bondam, Charterboek I 479 gedruckt, wie Erom 1178 augibt. 90 Holland unter Florens IV. und Wilhelm II. (1222—1256). für seine niederlündische Politik nicht ohne Folgen geblieben ist. Die Nachwahl zu Braunschweig vom 25. Marz 1252, durch welche Herzog Albert von Sachsen, die Markgrafen von Brandenburg und andere niedersachsische GroBe Wilhelm als König anerkannten, nötigte diesen zunachst, die Interessen des niederlandischen Bürgertums preiszugeben; an demselben 25. Marz hat er Lübeck, das seit 1226 als Reichsstadt anerkannt war, den Markgrafen von Brandenburg zu Lehen gegebenJ). Aber wenige Tage spater hat Wilhelm auch das Bürgertum gewonnen. Am 3. April hat er den Stadtrat zu Goslar als Organ de^ bürgerlichen Selbstverwaltung und den Bund Goslars mit Hildesheim und Braunschweig anerkannt2). Dann hat am 20. April in Wolmirstedt, nördlich von Magdeburg, in Anwesenheit des Königs Markgraf Johann von Brandenburg sich mit den Abgesandten der Stadt Lübeck über ein Schugverhaltnis geeinigt, das die Reichsfreiheit der Stadt unangetastet lieB3). Hier in Wolmirstedt wird es gewesen sein, daB der König mit den Lübecker Bevollmüchtigten den handelspolitischen VorstoB nach Flandern vereinbart hat, über den die Untersuchungen von Walther Stein4) helles Licht verbreitet haben. Im Mai 1252, wahrend der König in Maastricht weilte, erschien bei der Grafin Margarete unter Führung des Lübecker Ratsherrn H. Hoyer und des Hamburger Magisters Jordan eine Gesandtschaft der niederdeutschen Kaufleute, welche den Vorschlag machte, bei Damme, der Hafenstadt von Brügge, eine neue Ansiedlung zu grimden, welche als ein dauernder Mittelpunkt des deutsehen Handels in Flandern den Niederlassungen in London, Bergen und Nowgorod an die Seite treten sollte. Kein Zweifel, daB König Wilhelm diesen Verhandlungen aufmerksam gefolgt ist. Er befand sich am 12. Juni 1252 in J) Regesta imperii V 5066 a. 5067. 8) a. a. O. 5074; die Urkunde für die Goslarer Gilde vom 6. April ist unecht, worüber ich an anderer Stelle zu berichten hoffe. 3) Urkundenbuch der Stadt Lübeck I S. 169; Regesta imperii V 5078. *) Hansische GeschichtsblStter 1902, 51 ff. Holland unter Florens IV. und Wilhelm II. • 1222—1256). 91 Antwerpen; Wilhelm Geldulf aus Brügge und der Bremer Bürger Arnold Dolondeus erwirkten hier von ihm für Bremen und Stade dieselben Vergünstigungen für den Handel in Holland und Zeeland, die Lübeck besaB1). Aber auch die Utrechter Bürgerschaft steht mit ihm jefet in enger Verbindung; am 17. und 18. Juni hat er in Utrecht drei Urkunden für sie ausfertigen lassen2). Sie sind an alle Getreuen des Kaiserreiches gerichtet8), und eine derselben bestimmt, nur der Kaiser oder König, keine andere kirchliche oder weltliche Person solle hinfort die Utrechter auBerhalb ihrer Stadt vor Gericht ziehen dürfen, solange sie bereit seien, sich vor ihrem Bischof und den von ihm in der Stadt bestellten Richtêrh zu verantworten. Also auch die Gerichtsbarkeit des Papstes und seiner Legaten weist der König ausdrücklich ab, kraft kaiserlicher Gewalt, die er von der in Niedersachsen vollzogenen Nachwahl herleitete. Die staatsfechtlichen Gedanken der staufischen Kaiserwahl von 1198 sind, wie man sieht, in seiner Umgebung lebendig, und die Vermutung lüBt sich nicht abweisen, daB sie ihm durch das niederdeutsche Bürgertum nahegebracht worden sind. Aber auch Giselbert III. von Amstel hat in diesen Jahren zu den Parteigangern des Königs gehort4). Doch die Verhandlungen Hollands mit Flandern und damit auch die Plane der deutsehen Kaufleute haben sich zerschlagen und sind durch kriegerische Verwicklungen abgelöst worden. Eine Folge davon war, daB man in der zeelündischen Frage wieder auf den Weg zurücklenkte, den 1246 Johann von Avesnes im Bunde mit dem Herzog von Brabant hatte gehen wollen. Ein Reichsspruch vom 11. Juli 12525) sprach der Grafin von Flandern ihre Reichslehen ab und übertrug !) OB I 561. 2) Van Mieris Charterboek I S. 266 f. - OB I 563. 564. 565. s) Universis sacri imperii fidelibus. *) Man kann das weniger dem verworrenen und fabelhaften Bericht Bekas (ed. Buchelius S. 84 f.) wie dem Friedensvertrag vom 12. Juni 1257 OB II 28 entriehmen. s) MG Constitutiones II (1896) S. 465 Nr. 359. 92 Holland unter Florens IV. und Wilhelm II. (1222—1256). sie auf Johann von Avesnes. Westzeeland aber wurde aus dieser flandrischen Lehnsmasse gleichzeitig herausgelöst und als reichsunmittelbares Gebiet der Grafschaft Holland angegliedertx). Wir wissen, wie deren eigenartige reichsrechtliche Stellung durch das Lehnsverhaltnis zu Flandern stets mitbedingt gewesen war. Die Lösung desselben hatte, wenn sie dauernd aufrechtzuerhalten gewesen ware, einen entscheidenden Erfolg der holiandischen Territorialpolitik bedeutet. Doch ist sie auch hier, wie ^llenthalben in jenen Jahren, über einen glücklichen Anlauf nicht hinausgekommen; in dem Frieden, der im Oktober 1256 zustande kam, muBte die flandrische Lehnshoheit aufs neue anerkannt werden2). Immerhin blieb der politische Umschwung von 1252 auch für die Entwicklung des nordniederlandischen Bürgertums nicht ohne Folgen. Die niederfrankische, von den südlichen Niederlanden ausgehende bürgerliche Bewegung gewann von neuem EinfluB. Am 11. Juni 1254 erhielt Alkmaar ein Stadtrechtsprivileg3), das dem Deliter von 1246 ganz ahnlich war; nur wurde bei Ablösung der Heerbannleishingen auf den bevorstehenden Feldzug gegen die Friesen Rücksicht genommen. Im Kampfe gegen sie hat König Wilhelm ein vorzeitiges Ende gefunden, am 28. Januar 1256. Für die Entstehungsgeschichte der Grafschaft Holland, die wir an uns haben vorüberziehen lassen, ist zweierlei von maBgebender Bedeulung: das Verhaltnis zur Reichsgewalt und das Verhaltnis zum Bistum Utrecht. Erst indem fjyjö-1100 eine Anzahl Grafschaften, die bis dahin nur durch die Person ihres Inhabers zusammenhirigen, ') Dies hat Hhuje a. a. O. (oben S. 80 Anm. 4) S. 114 ff. überzeugend dargetan. ') Hinge a. a. O. S. 34. j 8) OB I 595. Über die Unechtheit der vorliegenden Fassung vgl. Brandt a. a. O. Holland unter Florens IV. und Wilhelm II. (1222—1256). 93 der Utrechter Kirche als Ganzes eingegliedert wurden, ist die Grafschaft Holland als einheitliches staatsrechtliches Gebilde geschaffen worden. Zweimal, um 1130 und dann wieder 1213, aus diesem Lehnsverband gelost, ist sie zweimal in denselben zurückgekehrt. Jede tatsachliche Abhangigkeit von der Utrechter Kirche hat freilich die rasch' aufsteigende hollandische Territorialmacht bald abgestreift; aber auch dann noch bot das Lehnsverhaltiis dan Grafen eine wLkommene Handhabe zu entscheidendem EinfluB auf die Besegung des Utrechter Bischo!sstuhles. Die direkten Beziehungen der Grafen zur Reichsgewalt waren anfangs, unter Dietrich II., Dietrich HL, D.etrich VI., nur vorübergehender, wenn auch niemals bedeutungsloser Art. Unter Florens III. aber erfolgt der enge AnschluB der Grafschaft an die staufische Reichspolitik. Diese war, wie man weiB, durch Gedanken des röm'schan Staatsrechts nicht unbeeinfluBt, auf strenge Unterordnung der Kirche unter die wtltlïchen Zwecke, auï rationdie Regelung der wirtschaftiichen und rechtlchen Bedürlmss;-, freien Handelsverkehr und energischen Friedensschug bedacht. Die gedeihliche Weiterentwickiung dieser Reichspolitik aber wurde durch den kirchenpolitischen Streit mit der Kurie gtlahmt, und seit Innozenj III. und der Doppelwahl von 1198 verschieben sich die Verhaltnisse volstandig. Das Territoriüfürstentum sucht, im Bunde mit der Kurie und einem Bürgertum internationalen Geprages, das Erbe der staufischen Polit ic auf wirtschaftlichem Gebiet anzutreten. Dadurch werden die politisch und wirtschaalich konservativen Kreise des Landadels und des Bürgertums in die Opposition und zu er.gem AnschluB an die Reichsgewalt gedrahgt. Im niederfrankischniedersachsischen Gebiet ist das 'zugleich der alte Gegensag der Stamme, der aufgeschlossenen Niederfranken, die vielfach berührt sind von dem aus Italien nach Flandern ziehenden Kulturstrom, gegen die am germarrischen Wesen we.t zaher festhaltenden Niedersachsen. Dazu kommt der Widerstand der deutsehen Kirche gegen die mehr und mehr zur politischen und wirtschaftiichen Weltmacht entartende Kurie; auch er 94 Holland unter Florens IV. und Wilhelm II. (1222—1256). ist viel stérker in den östlicheren wie in den westlicheren Gebieten. In Holland werden diese Gegensatje immer deutlicher sichtbar, je mehr das Land in den Streit zwischen Imperium und Sacerdotium hineingezogen wird. Unter der Hülle dieses Streites bricht der Kampf des Landadels und des kaiserlich gesinnten Kaufmanns gegen das mit den romanisch-westeuropaischen Machten verbündete Landesfürstentum hervor. Ihrem Wesen nach aber reichen diese Gegensatje viel weiter zurück als bis zum Jahre 1198 und führen viel weiter hërab als bis zum tragischen Ende des römischen Königs Wilhelm von Holland. Es ist der Kampf des christlich-germanischen Mittelalters gegert die Machte der alten Welt; die ganze niederlandische Geschichte ist von ihm erfüllt. VÜI. ERGANZENDE UNTERSUCHUNGEN. 1. Die Utrechter Kanzlei in der zweiten Halfte des 12. Jahrhunderts und die unechten Urkunden für die Stadt Utrecht St. 3179 und OB I 113. Eine kurze Orientierung über das Urkundenwesen der Bischöfe von Utrecht in der zweiten Halfte des 12. Jahrhunderts wird nicht nur im Hinblick auf verschiedene diplomatische Fragen erwünscht sein, die wir aufzuhellen versucht haben; sie verspricht auch AufklSrung darüber, welche Haltung die Utrechter Kirche in dem kirchenpolitischen Streit jener Tage einnahm. Diese Haltung ist nicht durch kirchliche, sondern durch temtorialpolitische Interessen bedingt. Solange die deutsche Krone die Reichsgewalt in den nördlichen Niederlanden durch das Bistum Utrecht aufrechterhielt und ihm die nordniederlündischen Laienfürsten grundsaglich unterordnete, war die Utrechter Geistlichkeit gut kaiserlich. Bei Veranderungen und Schwankungen in diesem politischen System aber macht sich eine Hinneigung zur papstlichen Seite in Utrecht bemerkbar. Ein besonders augenfalliges Beispiel dafür bietet das Privileg des Papstes Hadrian IV. vom 28. Juni 115Q1) für Bischof Gottfried. Dieser war 1156 in Anwesenheit des Kaisers gewahlt und sogleich investiert worden, so daB also keine frondierende Politik von ihm erwartet werden konnte. Eine solche aber bedeutete es doch, wenn er in einer Zeit höchster Spannung zwischen Papst und Kaiser die Utrechter Kirche unter den Schut} der römischen steilte. Die Erklarung für diesen Schritt ») Jaffé 10577 —OB i 139. 96 Ergdnzende Untersuchungen. bietet die Aufzahfung der Besitjungen, die der Papst einer ausdrücklichen Erwahnung für wert halt: es sind raeist solche, die in Holland liegen oder, wie die Grafschaft Friesland, mit Holland strittig waren. Graf Florens III. aber hatte sich in dieser Zeit der staufischen Monarchie eng angeschlossen Gleichwohl hat es in Utrecht stets eine entschieden kaiserlich gesinnte Gruppe unter der Geistlichkeit gegeben. Zu ihr gehorte der Domscholaster Magister Heinrich, der 1157 in einer Urkunde des Stifts St. Peter2) und etwas spater in zwei undatierten Urkunden des Altmünsterstifts3) genannt wird. In einer der letteren, die durch die Invokation ,In nomine patris et filii et spiritus sancti. Amen' chirographiert ist, sind die Zeugen von anderer Hand hinzugefügt. DaB dies die Hand des Domscholasters ist, zeigt die interessante Urkunde des Bischofs Lindo von St. Sabina, Legaten des kaiserlichen Gegenpapstes Pagchalis III., von 1164, obwohl sie leider nur abschriftlich erhalten ist4). Sie betrifft eine mit 7ustimmung des Propstes Jordan von Altmünster geschehene Schenrung an das Kloster Oudwijk. Auch sie hat die Invokation ,In nomine patris et filii et spiritus sancti. Amen', und unter den Zeugen nennt sich Magister Heinricus, qui manu sua predictam donationem scripsit. Von einer Hinneigung zu Rom ist seit den 1160 er Jahren in den bischöflichen Urkunden nichts mehr zu spüren. Sie nehmen in die Datierung fast stets die Jahre der ka'serlichen Regierung auf, und am 12. Oktober 1171 hat Bischof Gottfried eine kaiserliche Bestatigung für die Besitjungen deiUtrechter Kirche erlangt5). Doch ist in der Schrift der Utrechter Urkunden ein gewisser Zwiespalt wahrzunehmen. Im Stift St. Johann zum Beispiel schreibt man eine elegante ') Er weilte am kaiserlichen Hofe zu Trier im Januar 1157- Bever UB I 138. 2) Sloet 305. ") Brom 422. 440. ") Brom 439. c) Muller, Cartularium S. 146 Nr. 19. Ergdnzende Untersuchungen. 97 und regelmaBige diplomatische Minuskel1). Diesem Stift entstammt auch der bischöfliche capellarius Otto, der die vom Bischof besiegelte Urkunde des Propstes Godebald von St. Johann Sloet 342 geschrieben und die Zeugen zu der Urkunde des Propstes Balduin von St. Marien von 1176 Sloet 341 hinzugefügt hat. Otto kommt schon 1169 in Sloet 328 und noch 1178 in Sloet 350 vor und kann in dieser Zeit als Verwedter der bischöflichen Kanzlei gelten. Viel ungelenkere Schriftformen zeigen die unter sich gleichhandigen Urkunden des Propstes Balduin von St. Marien von 1175 OB I 151 und von 1176 Sloet 341 auf; ihre Echtheit ist durch die Beteiligung des capellarius Otto an der letjteren gesichert. Endlich sind zwei untereinander nahe verwandte, sehr eigenartige Hande zu nennen.' Die eine (H) hat die Urkunde des Grafen von Geldern für die Utrechter Bürger von 1177 Sloet 344 und die des Bischofs Gottfried von 1178 Sloet 346 geschrieben2), die andere die Urkunden des Bischofs Gottfried von 1178 Sloet 348 und Sloet 350. Die beiden letteren rühren auch von demselben Diktator her: Sloet 348. Sloet 350. quicunque hoe mee devotionis eum quicunque donationem istam opus infregerit, damnatus ante tri- et conditionem infregerit aut inbunal summi iudicis eterno sup- fringére attemptaverit, auctoritate plicio deputetur dei et sanctorum eius vinculo anathematis innodavi et suppücio eterno deputatum et ante horrendum et districtum tribunal iudicis summi segregavi dampnandum Acta sunt hec anno dominice in- Acta sunt hec amio dominice incarnationis 1178 anno regni Fri- carnationis 1188(!) indictione 11 derici imperatoris 27, imperii eius anno regni imperatorisFrederici27, et episcopatus mei 23. imperii eius et episcopatus mei 23. Sloet 350 steht in merkwürdigen Beziehungen zu dem Zollprivileg Friedrichs I. für die Utrechter JBürger von 1174 J) Sloet 328 (1169). Vgl. Untersuchungen Ui Faksimile 10. Von gleicher Hand Sloet 334 (1172). 2) Faksimile von Sloet 344 bei Sloet, von Sloet 346 Untersuchungen III Nr. 12. Oppermann, Untersuchungen zur nordniederlandlschen Geschichte. 7 Erg&nsende Untersuchungen 101 Diese Partei war ohne Zweifel die kaiserliche; noch 1173 hat ja Kaiser Friedrich unter Berufung auf seine Zugehörigzur Fratemitüt des Marienstifts dessen Rechte und Freiheiten bestatigt"). Und nun erinnern wir uns, daB die Egmonder Falschungen die Errungenschaften, die Holland aus seinem AnschluB an die staufische Politik davongetragen hatte, festzuhalten bemüht sind. In derselben Richtung bewegen sich die beiden Utrechter Falschungen. Ihre Tendenz ist schon oben (S. 64ff.) von uns erörtert worden. Sie richtet sich gegen die bischöfliche Zollverwaltung und sucht die kaufmannische Bevölkerung den Schöffen zu unterstellen, die in dieser Zeit noch Schöffen der Grafschaft Utrecht sind. Für die Entstehungszeit der Spuria bietet ihre Gleichhandigkeit mit den echten Urkunden von 1177 und 1178 Sloet 344 und 346 einen sicheren Anhaltspunkt. Offenbar sind sie kurz vor oder nach der Wahl Balduins zum Bischof von Utrecht (4. Juli 1178) entstanden, um ihn für gewisse Anderungen in dem System der stadtischen Verwaltung zu gewinnen, das unter Bischof Gottfried geherrscht hatte. Die Beziehungen der Krone zum Konvent von St. Marien hat auch Kaiser Heinrich VI. nicht in „Vergessenheit geraten lassen. Am 14. Juni 1193 hat er den Zoll zu Schmidthausen, den einst Bischof Konrad den von ihm erricbieten Marienstift überwiesen hatte, diesem bestatigt2). Aber auch am Utrechter Dom bestand eine Kaiserprabende, über die Heinrich im Jahre 1196 eine Verfügung traf. Mit ihrer Ausführung wurde der DQmdekan Dietrich betraut, der schon seit etwa 1176 auch Propst von St. Martin zu Emmerich war, demselben Stift, das Bischof Gottfried 1178 in der mit Sloet 350 gleichhSndigen Urkunde Sloet 348 bedacht hatte. Auch hier sieht man in die Beziehungen hinein, die eine Gruppe der Utrechter Geistlichkeit mit dem Kaiserhof verknüpfte. Der EinfluB, den sich die Grafschaft Holland, gestütjt auf die staufische Reichsgewalt, in der Utrechter Kirche zu sichern >) Oben-Bd. I S. 21. 2) Sloet 379. 106 Ergdnsende Untersuchungen. Kontext aber rührt von deraselben Verfasser her wie Brom 337. Denn von der Investitur mit Prabenden ist auch in Brom 351 mehrfach die Rede: prebendam unam plenam, que in claustro eorum mee singularis erat prestationis quaque decani eorum episcopali manu prius solebant investiri, legi et expresse similitudini aliarum prebendarum subdidi. Ferner: decanus, quem ipsi elegerint, absque dilatione et condictione loco predicte prebende predicta decima investiatur. Und endlich: prememorate ecclesie persona altaris non sit alia quam que fratrum electione legitima et dono episcopi decania fuerit investita. Auch der Wortlaut der Corroboratio .Supremam quoque predictorum clausuram signum nostrum apposuimus et claustris spiritualibus obfirmavimus' und ihre Stellung nach den Zeugen ist befremdlich. Nach Aussage von OB I 119 hat Bischof Andreas eine volle Prébende, die er bisher in claustro eorum (canonicorum s: Salvatoris) zu verleihen hatte, und mit -der die Dekane durch die Hand des Bischofs investiert zu werden pflegten, mit den anderen Prabenden rechtlich gleichgestellt, so daB sie künftig nach freier Wahl durch die Hand der Kanoniker vergeben werden soll. Die Kanoniker haben darauf die Halfte des Zehnten von Bodegraven, que ad usum ipsorum prius attinuit, an Stelle der genannten Prabende der Verhïgung des Bischofs unterstellt unter der Bedingung, daB der von ihnen erwahlte Dekan für alle Zeit mit dem Zehnten investiert werde. Doch hat der Bischof mit Rat seiner Prioren acht Hufen, deren Grenzen angegeben werden, aus diesem Zehntgebiet für die Kanoniker ausgeschjeden; auch hat er bestimmt, daB die persona altaris der Kirche von Bodegraven keine andere sein soll als der durch gesetzliche Wahl der Kanoniker und Verleihung des Bischofs (dono episcopi) mit dem Dekanat Investierte. Dem derzeitigen und den künftigen Dekanen wird verboten, den genannten Zehnten oder einen Teil desselben zu verkaufen, zu verlehnen oder zu verpfünden. Wenn nach dem Tode eines Dekans nicht innerhalb eines Jahres ein anderer durch Wahl und Verleihung des Bischofs Ergiinsettde Untersuchungen. 107 bestellt ist, soll der wahrend der Jahre der Vakanz einkoramende Zehnt für den künftigen Dekan von den Kanonikern aufbewahrt werden. Zur Kritik dieser Ausführungen kann eine Urkunde des Bischofs Godebald von 1118 dienen1). Nach ihr hat der Bischof seine Prébende an der Domkirche für alle Zeit dem Domdekan als ein beneficium prebendalis stipendii überlassen in der Weise, daB daran durch Personenwechsel im bischöflichen Amt und im Dekanat nichts geandert werden soll. Ist der erwahlte Bischof nicht Kanonikus am Dom, so soll der Dekan die Bischofsprabende behalten, bis der Elekt Kanonikus geworden ist, und dann soll der Dekan an Stelle dieses Kanonikus treten quasi heres prebendalis et lege perpetua vicarius. Ebenso wie am Altmünsterstift bestand also am Domstift eine Episkopalprabende, und auch hier war der jeweilige Dekan ihr Inhaber. Dieser Zustand ist dadurch herbeigeführt worden, daB Bischof Godebald den Domdekan und dessen Nachfolger zu standigen Vikaren der Episkopalprabende bestellt hat. Es erfolgt keine Investitur mit derselben, und noch weniger wird durch eine Investitur das Dekanat an den zu diesem Amte Gewahlten übertragen. Die Urkunde OB I 119 setzt eine Investitur des Dekanes von Altmünster mit der dortigen Episkopalprabende schon für die Zeit des Bischofs Andreas voraus, sucht aber die freie Verfügung über diese Prabende dem Konvente auf folgende Weise zu sichern. An Stelle der Prabende wird die Pfarrkirche zu Bodegraven, wo das Altmünsterstift die Halfte des Zehnten besitzt, mit dem Dekanat so verbunden, daB der Bischof den jeweils zu dieser Würde Erwahlten mit dem Zehnten investiert, ihn aber bei langerer Vakanz des Dekanates nicht einbehalt, sondern dem Konvent zur Verwaltung für den künftigen Dekan überlaBt. OB I 123 und Brom 374, die beiden Urkunden von 1139, ') Rechtsboek van den Dom door Hugo Wstinc, Ausgabe von S. Muller Fz. (1895) S. 78. 108 Ergansetide Untersuchungen. stimmen im Formular wörtlich überein, und auch die Zeugen sind beiderseits dieselben, abgesehen von den Pröpsten Alardus von Oldenzaal und Gottfried von Eist, die nur in OB I 123 vorkommen. Aufier den Zeugen können Intitulatio, Arenga, ein Teil der Pön und die Datierung für eine echte, in der bischöflichen Kanzlei verfaBte Urkunde in Anspruch genommen werden. Gerade darum aber sind andere Teile des Formulars zu beanstanden. In der Pön werden mit dem Anathem bedroht alle qui faciunt aut facientibus consentiunt aut presentes loco suo non defendunt. Als Empfanger aber erscheinen die canonici sancü Salvatoris in Traiecto, wahrend doch die unverdachtigen Stücke Brom 268 und Brom 489 als solchen die ecclesia s. Salvatoris nennen. Was den Inhalt von OB I 123 anlangt, so überweist Bischof Andreas den Kanonikern den Neubruchszehnten bei Gouda.) Die genaue Umgrenzung der Neubruchsflache und die eingehenden Bestimmungen über die Einsammlung und Verwaltung der Zehnten haben in einer echten Urkunde von 1139 schwerlich gestanden. Es ist aber auch zweifelhaft, ob eine solche über den Neubruchszehnten zu Gouda vorhanden war. In der Urkunde von 1178 namlich, Brom 489, sagt Bischof Gottfried: preterea terram quandam iuxta Goldam eidem ecclesie attinentem, quam in usus meos aliquamdiu attraxeram, ei liberam dimisi. Nun ist aber die Spütgrenze für OB I 123 und Brom 374 das Privileg Alexanders III. von 1179, das den Inhalt beider bestatigt. Es ist also deutlich, daB erst die Rückgabe des Besitzes bei Gouda der AnlaB gewesen ist zu dem Anspruch, der durch OB I 123 auf die dortigen Neubruchszehnten erhoben wird. In Brom 37» überweist Bischof Andreas den Kanonikern des Altmünsterstifts dert Zehnten und Zins von dem Neubruchsland zwischen Ravenswaaij, Rijswijk, Maürik und Zoelen, in der Betuwe unweit des linken Rheinufers gegenüber Wijk bij Duurstede. Ausgenommen wird der Zehnt der drei westlichsten, nach Ravenswaaij zu gelegenen Mansen, die Propst Themo von Altmünster mit Zustimmung des Konventes Ergdnzende Untersuchungen. 109 und des Bischofs an seinen Ministerialen Azo verlehnt hat eo quod ipse iuris sui aliquid in predicto novali esse proclamaret, hacque compositione media idem Azo consentaneus huic traditioni simul et testis absque rebellione fuit. Das ist ein ganz unmöglicher Hergang. Entweder ist der Zehnt der drei Mansen dem Altmünsterstift mit überwiesen worden; dann hatte der Bischof auf eine Verlehnung desselben an einen Ministerialen des Propstes keinerlei EinfluB mehr. Oder der Zehnt der drei Mansen ist von der Schenkung ausgenommen worden; dann hatte über ihn nicht der Propst, sondern der Bischof zu verfügen, und ein Konsens der Kanoniker von Altmünster kam nicht in Frage. Somit muB auch der Kontext von Brom 374 als unecht verworfen werden; er ist ebenso wie der von Brom OB I 123 einem echten Formular von 1139 erst zum Zwecke der papstlichen Bestatigung von 1179 eingefügt worden. Es ergibt sich demnach, daB drei der vier von uns als verfalscht erkannten Urkunden, Brom 337, OB I 123 und Brom 374, in Rom zur Bestatigung vorgelegt worden sind. Es geschah gleich nach dem groBen Laterankonzil von 1179, durch das Papst Alexander III. die im Frieden von Venedig errungene Wiedervereinigung der Christenheit unter dem rechtmaBigen papstlichen Oberhaupte zu glanzvollem Ausdruck brachte. DaB damals Abgesandte des Konvents einer der Utrechter Stiftskirchen sich in Rom einfanden, war an sich eine kirchenpolitische Demonstration. Denn kurz vorher, im Juli 1178, war der Propst von St. Marien, Balduin von Holland, Bischof von Utrecht geworden, ein entschiedener Anhanger der kaiserlichen Kirchenpolitik. Das papstliche Privileg wendet sich denn auch mit deutlichen Worten gegen die MiBbrauche, die infolge dieser Politik in der Verwaltung des Stifts eingerissen waren. Aus Brom 337 wird wiederholt, daB Bischof Andreas die in dieser Urkunde enthaltenen Anderungen ad excludendam omnem symoniam getroffen habe, und von der Verwaltung des Propstes Jordan, die mit der Regierung der Gegenpapste Viktor IV. und Paschalis III. (1159—1168) zeitIich zusammenfallt, heiBt es: quecumque bona sive posses- 110 Erganzende Untersuchungen. siones Jordanus quondam vester prepositus contra assensum capituli vestri alienavit' vel inutiliter commutavit, in irritum revocamus et nullam firmitatem habere censemus. Aber noch mehr. Indem das Privileg die Salvator-Kirche in den Schutz des hl. Petrus und des Papstes aufnimmt, wird sie aus dem Rechtsverhaltnis, in dem sie bis dahin ebenso wie die anderen Utrechter Kapitelkirchen zum Bischof von Utrecht stand, herausgelöst und der römischen Kirche unterstellt. Die Kanoniker haben sich um dieses Privileg allem Anscheine nach ohne Zutun ihres Propstes und Dekanes bemüht. Ebenso wie die unechten Urkunden stets nur die Kanoniker als Empfanger nennen, ist auch das Privileg selbst nur an die Kanoniker und ihre Nachfolger geriehtet1). Es ist denn auch nicht gerade wahrscheinlich, daB der damalige Propst von Altmünster, Gozelin, der auch bischöflicher Kümmerer und Dekan von St. Marien war2), an einer gegen Bischof Balduin gerichteten Aktion sich solle béteiligt haben. Die Lösung oder doch Lockerung der AbhSngigkeit vom Utrechter Bischof, die durch das papstliche Privileg herbeigeführt wurde, bietet erst das volle Verstandnis für den Inhalt der Falschung OB I 119, die vom Papst nicht erwannt wird und somit vermutlich erst nach dessen Bestatigung entstanden ist. 3. Die Zutphener Falsa und die alteren geldrischen stadtrechtsurkunden. Über die ülteren Urkunden aus dem St. Walburgis-Stift zu Zutphen hat 1913 Tenhaeff8) eine Untersuchung vorgelegt, welche zu folgendem Ergebnis geführt hat: Von den acht ültesten Urkunden des^Stifts ist eine, Sloet 246, sicher echt 1) Muller, Cartuiarium S. 219 Zeile 2 ist statt ,nobis nostrisque successoribus' nach dem Original zu lesen: vobis vestrisque successoribus. 2) Pijnacker Hordijk, Nederlandsen Archievenblad 1911—12, S. 60. 94. 3) Diplomatische Studiën S. 249—332. Erganzende Untersuchungen. 111- und eine, Sloet 264, als unecht nicht zu ervveisen, wahrend die sechs übrigen, Sloet 173. 174. 208. 229. 268 und St. 3023 = Sloet 214, eine in sich zusammenhangende Gruppe von Falschungen bilden, die wahrscheinlich in den 1180 er Jahren, jedenfalls vor 1190, entstanden ist. Dieses Ergebnis halte ich für völlig gesichert, soweit es die Unechtheit und den inneren Zusammenhang der sechs Falsa betrifft. Doch glaube ich auch mindestens eins der von Tenhaeff freigesprochenen Stücke verwerfen und die ganze Gruppe um 35 bis 40 Jahre weiter herabrücken zu müssen. Im Zusammenhang damit wird die von der bisherigen Forschung als echt anerkannte Stadtrechtsurkunde für Zutphen von 1190 Sloet 376 zu untersuchen sein, deren Beurteilung auch für die geldrischen Stadtrechtsurkunden der 1230 er Jahre erheblich ist. Wir geben zunachst eine Liste der Urkunden, die für diese Untersuchung in Betracht kommen, und nehmen in dieselbe der besseren Übersicht halber auch die von Tenhaeff bereits erledigten auf. *1. 1059 Bischof Wilhelm. Sloet 173. Angebliches Original. *2. 1064 Bischof Wilhelm. Sloet 174. Angebliches Original. *3. 1105 Bischof Burkhard. Sloet 208. *4. 1107 Dez. 28. König Heinrich V. St. 3023 = Stoet 214. Angebliches Original. *5. 1118—1127 Dietrich von Münster. Sloet 229. 6. 1129—1138 Bischof Andreas. Sloet 246. Original? *7. 1133 (nach Juni 25). Bischof Andreas. Sloet 264. *8. 1134 Bischof Andreas. Sloet 268. Angebliches Original. *9. 1190 Graf Otto I. von Geldern. Stadtrecht für Zutphen. Sloet 376. Angebliches Original. 10. 1207 Graf Gerhard von Geldern. Sloet 421. Vidimus von 1477. *11. 1209 Marz 27. Papst Innozenz III. Sloet 425. 12. 1212 Graf Gerhard von Geldern. Sloet 431. Original. 13. 1231 Juni 11. Graf Otto II. von Geldern. Stadtrecht für Harderwijk. Sloet 546. Original Stadtarchiv Harderwijk. 112 Erganzende Untersuchungen. 14. 1232 Sept. 10. Kapitel der Kirche von Zutphen und Gerhard von Bronkhorst. Sloet 556. 15. 1232 Nov. 20. Dekan und Kapitel von Emmerich. Sloet 559. 16. 1233 Mai 31. Graf Otto ü. von Geldern. Stadtrecht für Emmerich. Sloet 563. 17. 1233 Juli 15. Graf Otto II. von Geldern. Stadtrecht für Arnheim. Sloet 564. Bestatigung von 1313. Stadtarchiv Arnheim. Von diesen Urkunden beruhen Sloet 173. 174. 246. 376. 431. 556. 559 und St. 3023 im Stadtarchiv zu Zutphen, ebenso ein Rotulus des 13. Jahrhunderts, der abschriftlich Sloet 174. 173. 246. 208. 229. 268. 425. 264. St. 3023 und Sloet 421 in dieser Reihenfolge mit kurzen Kopftiteln enthalt. Es genügt, dafür auf Tenhaeff S. 251 ff. zu verweisen. Nach Tenhaeff sind von einer ersten Hand (I) die ScheinOriginale Sloet 173 (1059) und Stumpf 3023 (1107), von einer zweiten, der ersten verwandten und gleichzeitigen Hand (II) die Schein-Originale Sloet 174 (1064) und Sloet 268 (1134) geschrieben. Die Urkunde Sloet 246 (1129—1138), deren Schrift mit der von Hand II einige Übereinstimmung zeigt, ist nach Tenhaeff als Original zu werten, das für Sloet 174 und Sloet 268 als graphiscbe Vorlage gedient hat. Wir móchten zunachst bezüglich der Echtheit von Sloet 246 einen Vorbehalt machen. Es erscheint uns nicht ausgeschlossen, daB auch diese Urkunde eine geschickte, von Hand II herrührende Nachzeichnung ist. Auch ist zu Tenhaeffs sorgfaltigen und überzeugenden palaographischen Erörterungen hier eine Beobachtung nachzutragen, die für die zeitliche Bestimmung der Falsa von entscheidender Bedeutung ist. Sloet 173 und St. 3023 sind von derselben Hand geschrieben wie die Urkunde von 1212 Sloet 431 (vgl. Bd. III Facsimile 14 a). Das Jahr 1212 bildet aber keinen festen Zeitpunkt, weil es das Datum der Handlung ist, über welche die Urkunde erst erheblich spater ausgefertigt worden sein kann. Der Aussteller, Graf Gerhard, ist erst im Oktober 1229 gestorben. Erganzende Untersuchungen. 113 Allerdings bildet für eine der Falschungen, die angebliche Urkunde des Bischofs Wilhelm Sloet 173, die Spatgrehze der Brief Innozenz' III. vom 27. Marz 1209 Sloet 425, der eine Bestatigung der in Sloet 173 ausgesprochenen Schenkung des Zehnten von angeschwemmtem Land in Rhein und Ijssel zwischen Rhenen und Deventer enthalt. Die papstliche Urkunde ist jedoch im Rotulus nicht korrekt überliefert; man muB die drei Abschriften des 15. Jahrhunderts hinzunehmen, die sich von ihr in einem Kopiar des Walburgis-Stifts im Reichsarchiv zu Arnheim, BI. 65, 67 * und 84, finden Alle drei haben statt des unmöglichen .presentis scripti testimonio' übereinstimmend: presentis scripti patrocinio. Eine davon (BI. 67*) ist in einem Vidimus von 1365 enthalten, in dem Richter und Schöffen von Zutphen erkiaren, nos .. . vidisse legisse ac legi audhrisse nee non diligenter examinasse litteras . . . Innocentii ... pape tertii in filis sericis rubei glaucique coloris et bulla plumbea dioti domini pape pendente more Romane curie integre bullatas sanas et illesas ac omni vitio et suscipione carentes. Aber diese Beschreibung bietet keinerlei Gewahr für die Echtheit der vidimierten Urkunde. DaB sie verfalscht ist, verraten zunachst zwei Abweichungen vom Formular der papstlichen Kanzlei. Vor den dispositiven Verben ,confirmamus et presentis scripti patrocinio communimüs' fehlen die unentbehrlichen Worte .auctoritate apostolica', und in der Pön .indignationem omnipotentis dei et beatorum Petri et Pauli apostolorum eius et nostram se noverit incursurum' sind die Worte ,et nostram' ein befremdlicher Zusats. Aber auch die Art, wie Sloet 425 den Inhalt der Vorurkunden wiedergibt, ist zu beanstanden. Diese überweist dem Stift den Zehnten von den Anschwemmungen in Rhein und Ijssel von Rhenen (rheinaufwürts) bis Arnheim und von (oberhalb) Arnheim (ijsselabwarts) bis Deventer. Sloet 425 umschreibt das wie folgt: decimam alluvionum Reni sive ripam tangant sive mediis fluctibus a Rienen usque Hunepe. ') Vgl. Brom, Bullarium I S. 20 Nr. 52. Oppermann, Untersuchungen zur nordniederlandischen Geschichte. 8 Erg&nsende Untersuchungen. 117 sich auch an den Urkunden vom 16. Juni 1224 Sloet 475 *), vom 19. Oktober 1225 Sloet 483, und vom 16. Marz 1227 Sloet 5052). Diese Besiegelung kann man, auch abgesehen von dem Schriftcharakter der Urkunde, meines Erachtens nicht so gunstig deuten, wie es bisher geschenen ist. Denn keinesfalls darf man doch den Umstand, daB keine Besiegelung angekündigt ist, dahin auslegen, daB eine solche durch den Aussteller gar nicht beabsichtigt war und deshalb nachtraglich das Siegel seines Nachfolgers an der Urkunde angebracht wurde. Wie hatte ein Stadtrechtsprivileg von diesem Umfang ohne Siegel als genügend beglaubigt gelten können! DaB die Ankündigung des Siegels fehlt, erkiart sich vielmehr durch den EinfluB des Formulars der echten Urkunde, die zur Herstellung von Sloet 376 benutjt worden ist. Sind doch auch die sechs Siegel, die an der Urkunde des Grafen Otto von 1204 Sloet 410 hangen, nicht-angekündigt. DaB das Formular von Sloet 376 teilweise echt ist, zeigt zunachst die Intitulation ,Ego Otto comes Gelrie et Zutphanie in perpetuum', die der von Sloet 410 ,Ego Otto comes de Guelre omnibus in perpetuum' entspricht. Aber auch Arenga und Promulgatio von Sloet 376 erweisen sich als echt beim Vergleich mit der undatierten Urkunde des Grafen Otto Sloet 4098). Sloet 376. Binterim u. Mooren IV S. 47. Ego Otto comes Gelrie et Sut- Otto dei gratia Gélrie atque phanie in perpetuum. Sutphanie comes omnibus Christi fidelibus tam presentibus quam futuris in perpetuum. Omnia facta mortalium tem- Quoniam facta hominum cum poralem sequuntur motum et hominibus vetustas delet temporis, pereuntibus hominibus ipsorum necerit priorumampliusrecordatio J) Abgebildet bei Bondam, Charterboek S. 447 Tab. II Nr. 1. 2) Vgl. zu dieser letjteren Demay, Inventaire des sceaux de la Flandre I (1873) Nr. 185. a) Vollstandig bei Binterim und Mooren, Die Erzdiözese Köln IV (1830) S. 47 Nr. 264. 118 Erganzende Untersuchungen. simul facta mtereunt. Quare necesse est, ut, que sua natura tendunt ad inleritum, litterarum adminiculo fulciantur et ab oblivionis interitu defendantur. Notitie igitur posterorum presentis scripti testimonio transmittinuis ■ nisi vel scriptó vel privilegüs auctorizentur et confirmentur, non modicum nostre ex hoe fore remedium arbitrati anime sumus, si ea, que fidelium devotio Christi fidelibus et precipue regularem vitam agentibus pia donatione contradidit, tam scripti quam privilegii nostri auctoritate ad notltiam posterorum transmitteremus Welchen Inhalt die echte Urkunde hatte, die zur Herstellung von Sloet 376 benutjt wurde, bleibt ungewiB, wenn auch angenommen werden kann, daB schon diese Vorlage ein Privileg für die Bürger von Zutphen war, denen König Philipp am 8. Marz 1206 Zollfreiheit zu Kaiserswerth verlieh1). Die Urkunde Sloet 376 selbst darf als Quelle für die Zustande des Jahres 1190 keinesfalls herangezogen werden; sie ist ihrer auBeren Form und ihrem Inhalte nach unecht und nicht vor 1207, dem ersten Regierungsjahr des Grafen Gerhard, entstanden, dessen Siegel sie aufweist. Für nahere Bestimmung ihrer Entstehungszeit scheinen die Urkunden Gerhards von 1207 und 1212 Sloet 421 und 431 einen Anhaltspunkt zu bieten, deren Formular dem von Sloet 376 nahe verwandt ist. Aber beide sind — von Sloet 431 wurde das schon oben bemerkt — nach der Handlung datiert und möglicherweise erst gegen Ende von Gerhards Regierung ausgefertigt. Unter diesen Umstanden ist zu beachten, daB eine bezeichnende Wendung aus Sloet 376 und Sloet 421 auch in einem der Zutphener Falsa begegnet. In der ersteren Urkunde liest man: ne . .. presentis facti memoria aboleatur et tanti beneficii gratia; in der letjteren: ad talium igitur beneficiorum recompensationem anniversarium diem patris mei . .. celebrabunt. Hier wie dort fallt der ungewöhnliche Gebrauch des Wortes .beneficium' auf, das man in Urkunden doch in der Bedeutung ,Lehn' oder ,Pfründe' !) Sloet 415. Erganzende Unttrsuchungtn. 119 zu finden erwartet. Nun hat schon Tenhaeff (S. 283) darauf hingewiesen, daB der Verfasser der Falschung St. 3023 sich die Wendung aus dem Lehnbrief St. 3022, der ihm alsVorlage diente, ,comitatum Frisie in beneficium dedi' angeeignet und auf ein ganz anderes Rechtsverhaltnis übertragen hat; er lant den König sagen: ecclesie in Sutfenne dedi beneficium in perpetuum iure hereditario permansurum, ut quicumque liber vel libera se . . . illi ecclesie dare voluerint, licenter hoe faciant. Die Urkunde Sloet 421 hangt aber mit den Zutphener Falsa noch auf andere Weise zusammen. Graf Gerhard überweist nach ihr dem Walburgis-Stift unter anderem den ganzen Novalzehnten in Lochem und bestimmt, dafi die Kanoniker das Jahrgedüchtnis seines Vaters, des Grafen Otto, feiern sollen ec ordine quo comitisse Ermegardis. Es besteht also nicht nur ein inhaltlicher Zusammenhang mit Sloet 173, wo der Zehnt zu Lochem, und Sloet 268, wo von Grafin Ermengardis die Kirche mit allem Zehnt und sonstigen Einkünften geschenkt wird, sondern es wird auch auf die letjtere Falschung oder ihre echte Vorlage Bezug genommen. Das Diktat von Sloet 421 berührt sich ferner stellenweise mit der Urkunde des Grafen Gerhard für Kloster Roermond von 1224 Sloet 475, deren Formular auch in der Bestatigung des Grafen Otto II. von wahrscheinlich 1230, Sloet 528 bis, Wiederkehrt. Man vergleiche: ✓ Sloet 421: Ne ergo aliquis successorum nostrorum ... presenten i paginam sigillo nostre impressionis roboravimus... universos in Eo, qui est salus omnium, supplicantes. Sloet 475 (und Sloet 528 Ms): Ego Gerhardus (Otto) comes Gelrensis... salutem in Eo, qui est*salus omnium. Preterea ne aliquis successorum nostrorum (meorum)... presentem paginam nostri (mei) sigilli munimine roboravimus (roboravi). Das Formular von Sloet 376 erscheint denn auch in den Urkunden des Grafen Otto TL von Geldern von 1230 Sloet 529, von 1231 Sloet 546, und von 1233 Sloet 563 und 564; durch die drei letjtgenannten wird das Zutphener Stadtrecht auf Harderwijk, Emmerich und Arnheim übertragen. 120 Erganzende Untersuchungen. Verfasser der letjtgenannten Urkunde ist der grafliche Notar Nicolaus, der schon in der Urkunde Gerhards JU. von 1224 Sloet 475 als Nicolaus scriptor, 1233 in Sloet 564 als Nicolaus clericus et notarius und in der Urkunde für Lochem Sloet 565 als Nicolaus notarius am SchluB der Zeugenreihe sich nennt. Ob auch die Urkunden von 1230 Sloet 528bis und Sloet 529, von 1231 Sloet 546 und von 1233 Sloet 563 von Nicolaus herrühren, bleibt ungewiB. Jedenfalls aber ist die unechte Urkunde Sloet 376 seit 1230 als Diktatvorlage benutjt worden. Es ist nun ferner zu beachten, daB die Spuren der Zutphener Falsa in die Kapelle des Grafen von Geldern führenJ). DaB sie aus dem Walburgis-Stift hervorgegangen sind, ist ja ohne weiteres deutlich. Die Falscher verfügten aber auch über das grafliche Archiv; denn für das unechte Diplom St. 3023 hat, wie Tenhaeff (S. 278 ff.) im AnschluB an Ficker dargetan hat, als Vorlage das echte Diplom vom 28. Dezember 1107 St. 3022 gedient, durch welches Graf Heinrich von Zutphen mit der Grafschaft Friesland belehnt wurde. DaB Angehörige des Walburgis-Stifts grafliche Kaplane waren, kann man ohne weiteres annehmen; werden doch in einer Urkunde von 1272, Sloet 940, unter den Zutphener Kanonikern Waltbertus capellanus sancte Margarete und Wilhelmus capellanus comitisse aufgezahlt. Da nun ferner die Zutphener Falsa, wie gezeigt wurde, denselben Verfasser haben wie die Urkunden Sloet 376, Sloet 421 und Sloet 475 oder doch Sloet 528 bis, so ergibt sich, daB diese Urkunden sowohl wie die Falsa von einem um 1230 in der graflichen Kapelle angehörigen Geistlichen des Walburgis-Stifts herrühren. «War es der grafliche Notar Nicolaus? Die von ihm unterzeichnete Urkunde Sloet 475 scheint ihn zu verraten2). ') Ein Gerardus capellanus comitis Gelrensis wird schon 1218 genannt: Sloet 450. 2) Die Salutatio ,salutem in eo qui salus est omnium' begegnet auch in den Urkunden des Grafen Dietrich VII. von Holland vom 21. (nicht: 9.) Januar 1199 OB I 179, des Bischofs Otto^IÏ. von Utrecht Erg&nsende Untersuchungen. 121 Jedenfalls aber wird man, wenn die Falschungen von einem grüflichen Kaplan herrühren, und wenn die Urkunde Sloet 421 ihre Fassung erst um 1227 erhalten hat, erst in diese Zeit auch die Entstehung der Stadtrechtsurkunde Sloet 376 setjen müssen, die denselben Verfasser hat wie Sloet 421 und seit 1230, zuerst für Sloet 529, als Diktatvorlage dient. Ein graflicher Kaplan kann den Siegelstempel des Grafen Gerhard zur Besiegelung von Sloet 376 benutjt haben. Es mag in diesem Zusammenhang daran erinnert werden, daB Reiter- und Wappensiegel rechtmaBig nicht nur von dem von 1217 Brom 658 und von 1226 Sloet 493, und des Abtes Heinrich von Egmond von 1226 ÓB I 300. OB 1179 und Brom 658 sind freilich unecht. Das angebliche Original von OB I 179 (Faksimile bei Kluit, Historia cntica II 1 tab. VI), dessen Siegel fehlen, ist einer in der graflichen Kanzlei geschriebenen Urkunde nachgezeichnet. Der Text von OB I 179 stimmt fast wöitlich überein mit dér nur abschriftlich erhaltenen Urkunde des Grafen Wilhelm II. vom 22. Februar 1240 OB I 372. Zwar handelt es sich in OB 1179 um das ganze, in OB 1 372 nur um das halbe Land Pendrecht; aber die legtere Urkunde enthalt den dort fehlenden Sag: et si iam dictus Baldewinus ab aliis heredibus pertinentibus ad reliquam medietatem dicte terre quidquid de eadem terra vel decima vel officio sibi acquirere poterit, omni gravitate pretii alicuius remota libere ei conferimus. Wir haben demnach OB I 179 als eine Falschung zu werten, die bei Ausfertigung der Urkunde OB I 372 bereits vorhanden war und nicht lange vorher entstanden ist. Zur Herstellung von OB 1179 muB eine echte Urkunde Dietrichs VII. gedient haben, der Intitulatio, Zeugen und der gröfite Teil der Datierung entstammen; schwerlich enthielt sie aber den Sat;: sepe dictis viris in prememorata terra castrum vel mumtionem construere licentiavimus. Von Bedeutung is. die Unecht heit von OB I 179 auch wegen der Besbmmung, daB die Inhaber des Landes Pendrecht omnem iuris tenorem Selandensium obtineant Das zeelandische Landrecht wird sonst zuerst in einer Urkunde vom 19. Februar 1237 erwShnt (OB 1363), nach welcher Herr Nicolaus van Putten den Brüdern Laurentius und Egidius Trentmoer und Heghenisse zu Erblehn übertragt und im AnschluB daran erklart: Si ipsi male fecerint, ego veniam in dictam terram iudicaturus secundum coram Zelandie. Vgl. R. Fruin, Verspreide geschriften VI (1902) 319 f. Über die Unechtheit von Brom 658 (1217 für Kloster Oudwijk) vgl. unten S. 158 f. Die Salutatio ist hier unverdachtig. Erganzende Untersuchungen. 123 Bruders Hugo de Horst Sohn Alexander de Horst hat er einen Rechtsstreit über Besitj zu Eschede. Aber auch im Jahre 1236 gab es im Zutphener Walburgis - Stift einen Kanonikus Peregrinus (Sloet 588); 1242 urkundet er als Pelegrimus canonicus sancte Marie in Traiecto et sancte Walburgis in Sutphania et procurator ac scultetus prepositi Sutphaniensis. (Sloet 628.) In demselben Jahre 1242 erscheint unter den Schiedsrichtern, welche den Streit zwischen Cleve und Geldern über den Zoll zu Orsoy entscheiden: dominus Ruthgerus de Horst. Das Geschtecht ist demnach aus dem Stand der Dienstmannen in der ersten Halfte des 13. Jahrhunderts zum Herrenstand aufgestiegen. DaB die Vergünstigung, die nach der Urkunde Sloet 264 Bischof Andreas dem Peregrinus gewahrt haben soll, nicht einem unfreien Dienstmann zuteil geworden sein kann, ist ohne weiteres deutlich. Der Inhalt der Urkunde ist also unecht; sie ist den Zutphener Falschungen zuzuzahlen, mit denen sie im Rotulus überliefert ist. Für die Zeit ihrer Entstehung trifft auch die Voraussegung zu, unter der die Verleihung des Begrabnisrechtes in Zutphen an die Bewohner von Horst erst verstandlich wird: daB namlich ein Mitglied des Geschlechts Kanonikus in Zutphen war und dort maBgebenden EinfluB hatte. Die zweite von Tenhaeff freigesprochene Urkunde, Sloet 246, die uns ini (angeblichen ?) Original vorliegt, verbrieft die von Graf Gerhard in Gemeinschaft mit seinem Sohne Heinrich und seiner Gemahlin Ermengarde vorgenommene Schenkung der Kapelle zu Ellekom an die Kirche von Zutphen. Die Urkunde war noch im 19. Jahrhundert mit einem aufgedrückten Siegel des Bischofs Andreas versehen, das aber nicht angekündigt ist. Sie datiert sich damit auf 1129 1134, und die Schrift scheint damit im Einklang zu stehen. Tenhaeff hat (S. 262) ihre Übereinstimmungen mit der Schrift der Falsa Sloet 174 und Sloet 268 sorgfaltig verzeichnet, halt sie aber, angesichts mancher Abweichungen von derselben, für zeitgemaB. Ich befinde mich in Verlegenheit, ob ich dieses Urteil teilen kann. Die auf der Zeile aufstehenden, mit Quer- 124 Erganzende Untersuchungen. strichen befuBten Oberlangen, die geschlangelten Ansatje an den Unterlangen, der Wechsel von langem und rundem s am Wortende lassen, in Verbindung mit den auch in den Falsa erscheinenden Eigentümlichkeiten der Schrift, schlieBlich doch den Eindruck einer Nachzeichnung, wenn auch einer sehr geschickten, überwiegen. Dazu kommen nun Bedenken gegen Fassung und Inhalt der Urkunde. Der Titel ,principalis comes', unter dem Graf Gerhard eingeführt wird, ist an sich ungewöhnlich; geradezu verraterisch wird er dadurch, daB die Urkunde von 1233 Sloet 562, deren Diktatverwandtschaft mit den Falsa oben dargetan wurde, den Grafen von Geldern als principalis advocatus des Stifts Emmerich bezeichnet und von den Emmericher Bürgern fordert, daB sie den Kanonikern Ehrerbietung tanquam dominis suis principalibus erweisen sollen1). Ferner ist zu beanstanden, daB der Graf die Schenkung coadunato filio suo Heinrico et consentiente legitima (uxore) sua Ermengarde vollzieht, da doch die Zustimmung der Gattin voranstehen müBte. Auch die Wendung ,pro redemptione animarum et consolatione tocius sue parentele' macht nicht gerade den Eindruck der Echtheil. Wir halten nach alledem nicht für ausgeschlossen, daB Sloet 246 als Falschung zu werten ist, deren Zeugen einem echten Traditionsakt des Grafen von Geldern aus der Zeit des Bischofs Andreas entnommen sind. Über die Kapelle zu Ellekom fehlen sonst alle Nachrichten. Wie Tenhaeff zutreffend ausgeführt hat, sind die Falschungen Sloet 174 (1064) und Sloet 229 (1118—1127) gegen den Vogt des St. Walburgis-Stifts gerichtet. Nach Sloet 229 hat Bischof Dietrich von Münster, in seiner Eigenschaft als Erbherr von Zutphen und Obervogt- von St. Walburgis im Hofe des Propstes zu Zutphen zu Gericht sitjend, dem Konstantin von Berg die Vogtei abgesprochen, weil er sie widerrechtlich verlehnt hatte, sie ihm aber spüter zurückgegeben unter der J) Vielleicht darf man auch aus der Falschung Sloet 208 anmerken nominatim HU curtibus principalibus. Erganzende Untersuchungen. 125 Bedingung, daB er sich, in Übereinstimmung mit den schon von Bischof Wilhelm (in Sioet 174) getroffenen Anordnungen, begnüge dreimal jahrlich über die unfreien Hintersassen (originarios, litones) im Hof des Propstes in dessen oder seines Vertreters Gegenwart Gericht zu halten, mit dem Gericht über die Zinsmannen aber und die Höfe des Propstes sich in keiner Weise befasse1). Ein direkter Nachkomme dieses Konstantin von Berg ist der nobilis Henricus de Monte, der seit 1224 in der Umgebung des Grafen Gerhard UI. erscheint2). Unter Graf Otto II. bildet er mit dem Deutschordensritter Friedrich von Reden und Amold von Walhem den Regentschaftsrat, den Herzog Heinrich von Brabant, der GroBvater des jungen Grafen, für diesen eingesetjt hatte (Sloet 538). Graf Otto nennt ihn seinen Blutsverwandten3). Gegen diesen Heinrich von Berg also richten sich die Falschungen Sloet 174 und Sloet 229. Sie haben die einfluBreiche Stellung, aus der Heinrich zum Mitglied des Regentschaftsrates aufgestiegen ist, pffenbar zur Voraussetjung. Das Bemühen des Walburgis-Stifts, die eigenen Rechte und die des Grafen den geldrischen Edeln gegenüber zur Geltung zu bringen, findet man noch in einem andern der Zutphener Falsa, St. 3023, besonders deutlich ausgesprochen. König Heinrich V. bestimmt da, daB alle Freien sich und ihren ') Tenhaeff halt (S. "285 f. 327 f.) Sloet 229 für gröBtenteils echt und scheidet als Zutaten des Falschers nur die Bezeicbnung des Bischofs Dietrich als oppidi Sutphaniensis heres legitimus und die Bezugnahme auf Sloet 174 aus. Ich halte das nicht für richtig, sondern verwerfe den ganzen Kontext von SIoet229. Auch die Zeugen sind recht problematisch. Demnach kann ich auch die Annahme von Tenhaeff, daB Bischof Dietrich von Münster tatsachlich die in Sloet 229 ihm zugeschriebenen Rechte in Zutphen gehabt habe, nicht teilen. St. Walburgis war, wie ich glaube, von Anfang an Eigenkirche der Grafen von Zutphen. 2) Sloet 475. 483. 487. 488. 489. 494. 504. 507. 508. ") Sloet 529: domino H. de M. meo consanguineo; Sloet 546: cognati mei domini H. de M. In Urkunden von 1228 und 1230 erscheint er auch als Blutsverwandter des Bischofs Wilbrand von Utrecht: Sloet 518. 533. 126 Erganzende Untersuchungen. Besitj ungehindert dem St. Walburgis-Stift sollen tradieren dürfen, nee sit alicuius momenti contradictio iudicis, in cuius terra manet, censu tarnen regio ei, cuius feodum est, non subtracto. Der Propst und sein SchultheiB sollen die Gerichtsbarkeit über alle Besitjungen des Stifts und seine Hintersassen haben. Item, heiBt es dann weiter, ipso domino comiti et eius successoribus confirmamus omnimodam iustitiam super homines suos, qui dicuntur malmanne, et super eorum predia.. . Hec autem facta sunt consensu dominorum qui iurisdictionem habent. Die Fülschung ist also auf Stürkung der graflich-Iandeshtrrlichen Gewalt gegenüber den Gerichtsherren bedacht, indem sie die Beziehungen der freien Zinsmannen zur königlichen Gewalt und deren Vertretern, eben den Gerichtsherren, lockert. Es wird in den Falschungen eine landesherrliche Gewalt aus erblichem Eigentum des Grafenhauses, nicht auf Grand königlicher Verleihung, konstruiert. Nicht nur, daB nach Sloet 174 die Vogtei über das Walburgis-Stift immer dem zusteht, qui tune heres esset oppidi Zutphaniensis, und als solcher nach Sloet 229 der Bischof von Münster über den Vogt Konstantin von Berg zu Gericht sitjt; in St. 3023 bestatigt der König auch dem Grafen die Gerichtsbarkeit in Menardinghame und den Wildbann zu beiden Seiten der Ijssel, quod totum predeeessores eius et ipse in proprietate sua, non ex dono regali, habet. Die königlichen Rechte werden in den Falschungen bekampft, die des Bischofs von Utrecht werden totgeschwiegen. In der unechten Urkunde des Bischofs Adelbold Brom 168 *) heiBt es: comes Gelrie est etiam liber feodalis ecclesie Traiectensis, et tenet in feodum comitatum Zutphanie cum multis prediis, mancipiis, pratis, silvis, aquis aquarumque decursibus et iusticiis. An der Richtigkeit dieser Angabe ist nicht zu zweifejn. Führt doch der erste der geldrischen Grafen, der sich Graf ') Ober ihre Entstehungszeit unten S. 152f. 128 Erganzende Untersuchungen Von den im Stadtgericht erfallenden BuBen soll weder der Graf noch sonst jemand von seiten des Grafen etwas erhalten,sondern sie sollen zum Nuljen des Gemeinwesens verwendet werden. Den NachlaB von Fremden, die ohne Erben in der Stadt gestorben sind, sollen die Schöffen für Jahr und Tag in Verwahrung nehmen; erst wenn sich binnen dieser Frist kein Erbe gemeldet hat, soll er dem Grafen zustehen. Es wird also der Bürgerschaft ein gewisses MaB von Selbstverwaltung gewahrt, aber keineswegs etwa eine Ratsverfassung. Die Stadt steht unter Schöffenrecht, und die Schöffen werden vom Grafen eingesetjt. Die Bürger werden bezüglich ihres Gerichtsstandes und ihrer Zollpflicht privilegiert, aber von einer Verwaltung von Zoll oder Münze, Marktoder Gewerbe-Ordnung durch die Bürgerschaft verlautet nichts. Ihre res publica wird zwar anerkannt, aber in der Haüptsache doch als Objekt der graflichen Finanzpolitik: den Zins für halb oder ganz unbewohnte Hausgrundstücke muB die Gesamtheit aufbringen. Die Stadtrechtsurkunde bedeutet somit nicht nur eine Privilegierung der Stadt, SDndern auch eine sehr deutliche Retardierung der bürgerlichen Selbstverwaltung. Das Wesentlichste aber ist: das Rechtsverhültnis des Grafen zur Utrechter Kirche wird in Sloet 376 vollstündig ignoriert. Obwohl der Graf in Zutphen eine bischöfliche Grafschaft und bischöfliche Regalien verwaltet, regelt er die Rechtsverhaltnisse der dortigen Gerichtsgemeinde in grundlegender Weise, ohne den Bischof oder die Utrechter Kirche auch nur zu erwahnen. Es ist deutlich, daB eine derartige Neuregelung uuter Bischof Balduin (1178—1196), der in der Datierung von Sloet 376 genannt wird, nicht stattgefunden haben kann. Vielmehr muB der ganze stadtrechtliche Inhalt der Urkunde in die Zeit um 1227 verwiesen werden. Unter diesen Umstanden ist zu beachten, daB die Propstei von St. Walburgis um diese Zeit in die Hand des Bischofs kam. Seit etwa 1206 hatte sie der Kölner Dompropst Graf Engelbert von Berg besessen, der durch seine Mutter Margarete ein Enkel des Grafen Heinrich und Neffe des Grafen Otto I. Erg&nsende Untersuchungen. 129 von Geldern war1). Er hatte die Propstei anscheinend auch als Erzbischof beibehalten, so daB sie erst nach seinem Tode (7. November 1225) vakant wurde. Nach diesem Zeitpunkt besaB sie der Utrechter Dompropst und Bischof von Paderborn Graf Wilbrand von Oldenburg, der im Herbst 1227 Bischof von Utrecht wurde. Erst nach dem Tode Wilbrands erscheint am 1. Oktober 1234 ein anderer Propst von Zutphen: Heinrich, Bruder des Grafen Hermann von Loon (Sloet 572). Wilbrand von Oldenburg war zum Bistum Utrecht hauptsachlich durch die Bemühungen seines Verwandten, des Grafen Gerhard von Geldern, gelangt. Dieser hatte schon unter Wilbrands Vorganger, Bischof Otto II., den niederen Adel begunstigt, der eine Stütze der frondierenden Politik des Königs Heinrich war. Die unzu?riedenen Dienstmannen in Salland, die sich 1224 gegen die bischöfliche Herrschaft erhoben hatten, hatten bei Graf Gerhard in Zutphen so tatkraftige Unterstützung gefunden, daB es darüber beinahe zu kriegerischen Auseinandersetzungen gekommen ware; ein Schiedsspruch hat schlieBlich, am 19. Oktober 1225, diese Handel geschlichtet2). In der Regentschaft, die nach dem Tode des Grafen Gerhard III. (Oktober 1229) für den jungen Grafen Otto III. eingesetzt worden war, kann Heinrich von Berg, der Verwandte des Bischofs Wilbrand, als Vertreter der bisherigen geldrischen Politik angesprochen werden. Gegen ihn sind, wie wir sahen, die Zutphener Falsa gerichtet. Bei Herstellung der unechten Stadtrechtsurkunde von 1190, die mit ihnen im Zusammenhang steht, waren natürlich Zutphener Bürger die treibende Kraft. Dem entspricht der Inhalt der Urkunde von 1230 Sloet 529, der ersten, deren Formular von Sloet 376 beeinfluBt ist3). In ihr berichtet der junge Graf, daB er mit Rat seiner Edeln und Ministerialen ') Sloet 402. 2) Winkelmann, Kaiser Friedrich II. Bd. I S. 399; Sloet 483. ?) Auch die Datierung von Sloet 529: ,regnante domino Friderico imperatore et venerabile domino Wilbrando episcopo Traiectensi' ist durch die Vorlage bestimmt. Oppermann, Untersuchungen zur nordniederiandischen Geschichte. ' 9 130 Erganzende Untersuchungen. sowie der Bürger von Doetinchem, Zutphen und Arnheim den Wochenmarkt zu Doesburg aufgehoben und den dortigen St. Gallus-Jahrmarkt nach Doetinchem verlegt hat. Ein Konsortium von Kauileuten hat also den Marktverkehr aus Doesburg, wo Heinrich von Berg bis 1228 das Kirchenpatronat besessen hatte1), nach Doetinchem gezogen. Hier erscheinen Richter und Schöffen 1228 im Besitze des Stadtsiegels2); die Stadtverfassung war annahemd dieselbe wie nach Sloet 376 in Zutphen und nach Sloet 564 in Arnheim., In der zweiten durch Sloet 376 beeinfluBten Urkunde, der vom 11. Juni 1231 Sloet 546, wird das Zutphener Stadtrecht mit Rat der Grafin-Mutter und des Regentschaftsrates auf Harderwijk übertragen, aber unter den starksten Einschrankungen. Von der Einsetzung von 12 Schöffen und ihrem Anteil an der Verwaltung der Stadt ist ebensowenig die Rede wie von den andern Vergünstigungen der Zutphener Handfeste. Dagegen wird ausdrücklich eingescharft, daB Hintersassen des Grafen und seiner Edeln und Ministerialen nicht ohne Zustimmung der Herren als Bürger aufgenommen werden dürfen, daB die Bürger wie bisher den Schiffszoll zu entrichten und bei vorübergehendem Aufenthalt des Grafen in der Stadt Heu und Stroh zu liefern haben. Unterdessen hatte vom 29. April bis 1. Mai 1231 in Worms der Reichstag stattgefunden, auf dem die Fürsten die reichsrechtliche Anerkennung ihrer gegen eine starke Reichsgewalt gerichteten Politik durchzusetzen wuBten. Winkelmann hat geurteilt, es sei seitdem das Umlenken nach einem wahrhaft monarchischen Kaisertum unmöglich geworden8). Im November 1231 hat Kaiser Friedrich dem Grafen Otto von Geldern alles bestatigt, was dessen Vater vom Imperium besessen hatte, 'und zugleich angeordnet, daB Bischof Wilbrand im Namen des Kaisers den Grafen investieren und ihm den Eid der Treue gegen Kaiser und König abnehmeh !) Sloet 518. *) Sloet 511. Die Schöffen allein 1230: Sloet 540. s) Kaiser Friedrich II. Bd. II (1897) 242. Erg&nsende Untersuchungen. 131 solle1). Es handelt sich um eine1 Investitur zu Amtsrecht; eine Belehnung durch den Kaiser, die den Grafen zu ftirstlichem Rang erhoben haben würde, ist nicht erfolgt. Indem der Bischof von Utrecht mit der Investitur beauftragt wird, gibt sich deutlich die kaiserliche Absicht zu erkennen, die reichsrechtlichen Beziehungen der Grafschaft Geldern zur Utrechter Kirche aufrechtzuerhalten. Gleichwohl ist die geldrische Politik bald darauf auf dem Wege weitergegangen, den sie unter dem EinfluB des unechten Stadtrechts von 1190 und der übrigen Zutphener Falsa betreten hatte. Es geschah das durch die Vereinbarung mit dem Stift Emmerich vom 12. Mai und das Privileg für die Stadt Emmerich vom 31. Mai 1233, Sloet 562 und 563. Über die alteste Geschichte von Emmerich sind wir durch J. Schneider2) und A. Dederich3) unterrichtet. Der Ort wird zum ersten Male in der Traditionsurkunde des Geroward von 8284) genannt, die publice in villa Embrici datiert ist. Durch das Diplom Ottos III. vom 18. Dezember 996 DO III 235 wird Embrica media pars eque divisa dem Stift Elten zugesprochen, wahrend die andere Halfte dem Grafen Balderich und seiner Gemahlin Adela, Tochter des Grafen Wichmann, verblieb. Beide Halften von Emmerich müssen dann an das Bistum Utrecht gekommen sein; nach der erwahnten unechten Urkunde des Bischofs Adelbold Brom 168 tragt der Graf von Geldern von der Utrechter Kirche zu Lehen Embricam cum suis attinentiis pro parte media, et alia pars est episcopi Traiectensis. Zur Erlauterung dieser Angaben ergibt sich aus den Urkunden von 1233 und 1235 Sloet 562, 563 und 580 folgendes. Der Graf von Geldern ist Edelvogt des ') Lacomblet UB II179 = Sloet 548: ipsum per dilectum principem nostrum venerabilem Traiectensem episcopum mandavimus auctoritate nostri culminis iuxta presentis tenorem pagine personaliter investiri, recepto ad opus nostrum et regis filii nostri ab eodem comité fidelitatis et hominii iuxta consuetudinem imperii iuramento. 2) Annalen des Histor. Vereins für den Niederrhein VI (1859) 84 ff. 8) Dederich, Annalen der Stadt Emmerich (1867). *) Muller, Cartuiarium S. 30 Nr. 19. 9* 132 Erganzende Untersuchungen. St. Martins-Sfifts zu Emmerich1), das sich durch seinen Schutsheiligen als Ableger der Utrechter Kirche zu erkennen gibt. Der Graf verwaltet ferner durch einen von ihm ernannten Richter das Gericht in Emmerich. Dieses Gericht und die Einkünfte aus Münze, Zoll und Jahrmarkt stehen teils dem Stift Emmerich, teils dem Bischof von Utrecht zu; mit beiden hat sich der Graf dahin geeinigt, daB er die Hüllte der Einkünfte erhalt. Die Einigung mit dem Bischof von Utrecht ist, nachdem schon die Ubereinkunft mit dem Stift vom 12. Mai 1233 salvo per omnia et in omnibus iure ecclesie et episcopi Traiectensis geschlossen war, am 21. Juli 1235 durch Sloet 580 erfolgt, indem der Elekt Otto dem Grafen das oppidum Embricense zu Lehen gegeben hat. Innerhalb dieses oppidum liegt nach Ausweis von Sloet 562 auch die Marktkirche, die ecclesia civilis, die nach der Urkunde von 1178 Sloet 348 vom Stift Emmerich dotiert worden ist. Die Abhangigkeit der Kirche vom Stift, die auch in Sloet 562 stark betont wird, war anscheinend eine ursprüngliche. Schneider hat a. a. O. S. 110 zwar darauf hingewiesen, daB die Piarrkirche schon im 14. Jahrhundert, zu einer Zeit, wo auBer ihr noch keine andere als die Stiftskirche vorhanden war, als oude kerck bezeichnet wird, doch hat Dederich die daraus gezogenen SchluBfolgerungen als unzutreffend dargetan2). Jedenfalls aber muB der Richter des Grafen in Emmerich ursprünglich eine reichsamtsrechtliche Stellung gehabt haben, da in Sloet 563 der Königsbann erwahnt wird. Aus der Urkunde von 1237 Sloet 596 erfahren wir, daB die Vogtei infra fossatum Embricense der uns schon bekannte Verwandte des Grafen Otto von Geldern, Heinrich von Berg, besaB. Von ihm hat nach Sloet 596 der Graf die Vogtei erworben; keine Leute, die unter Heinrichs Herrschaft oder Recht gehören, sollen künftjg in die den Bewohnern von Emmerich verliehene Freiheit aufgenommen werden oder innerhalb der Befestigung Wohnung nehmen. ') Suorum hominum principalis advocatus. *) Dederich a. a. O. S. 47 ff. 138 Erganzende Untersuchungen. 13. 1231. September 3. Bischof Wilbrand. Neuere Ab¬ schrift. CDHG 2. Serie IV 2 S. 18; Brom 826. 14. 1231. September 3. Bischof Wilbrand. Neuere Ab¬ schrift. Matthaeus, Analecta I S. 87; Brom 825. 15. 1240. Marz 28. Konvent von Oostbroek. Abchrift in Kopiar des 15. Jahrhunderts. CDHG 2. Serie IV 2 S. 10; Brom 934. Von den Urkunden Nr. 2 = Brom 296 und Nr. 3 == Brom 315 kann unsere Untersuchung ausgehen. Die erstere ist von dem Kanzier Philipp rekognosziert, der im November 1118 als italienischer, von September 1122 bis 7. Mai 1125 als deutscher und italienischer Kanzier bezeugt ist1), aber auch eine zweite Urkunde der Königin Mathilde2) rekognosziert hat. Auch in Brom 315 erscheint Philipps Name an der Sphje der Zeugen. Nach Brom 296 hat Königin Mathilde dem von einigen ritterlichen Konversen errichteten St. Laurentius-Kloster Oostbroek das ganze Bruchland Oostbroek nebst dem angrenzenden Veenland mit Zins, Zehnten und Gerichten geschenkt; in Brom 315 stellt Bischof Godebald die Rechtsverhaltnisse der neuen Kirche fest, indem er ihr auch seinerseits die dortigen Zehnten und Landereien überweist. Die Echtheit dieses Stückes ist gesichert durch seine vielfache Übereinstimmung mit dem Privileg für Kloster Staveren Brom 338, auf die wir früher (Band I S. 215) schon hingewiesen haben. Bischof Godebald hat sich, wie die Egmonder Annalen berichten, küz vor seinem Tode in das Kloster Oostbroek zurückgezogen und ist daselbst 1127 gestorben. Es war, nach Aussage der Urkunde Brom 315, adhuc pauper et tenella; im Jahre 1131 wird es von Bischof Andreas als firmeria beati Laurentii in palude erwahnt3); am 29. Mai 1132 erscheint unter den Zeugen der Urkunde für Kloster Staveren Brom 338: Ludulphus abbas s. Laurentii in palude. ') BreBlau, Handbuch der Urkundenlehre l2 S. 466. 480. 2) Vom 26. Mai 1125, Muller, Cartuiarium S. 116 Nr. 74. 3) Jungius, Historiae comitatus Benthemiensis libri tres, Codex diplomaticus S. 357. Erganzende Untersuchungen. 139 Kaiser Friedrich I. hat durch das Diplom von 1165, Nr. 7 = St. 4055 das Kloster in seinen kaiserlichen Schutj genommen1). Er bezeichnet es als a nobilissima imperatrice Machtilda ac . . . Henrico imperatore quinto . . . fundatum et tam ab ipsis quam a Godeboldo venerabili Traiectensium presule honorifice constructum. Es war damals noch ausschlieBlich Mannerkloster; der Kaiser nimmt in seinen Schut; auf abbatem Remigium suosque successores qui pro tempore fuerint et omnes fratres deo et sancte Marie et beato Laurentio fnibi servientes. In starken Widersprüchen mit dem Bisherigen bewegt sich Nr. 1 = Brom 272, die Urkunde des Abtes Ludolf von 1113, die mit Recht schon Pijnacker Hordijk8) a}s sehr verdachtig bezeichnet hat. Ludolf sagt da, er sei aus Flandern zum Abt von Oostbroek berufen worden und habe seine Schwester mitgebracht, der gestattet worden sei, unter der Regel mit den Brüdern zu leben. Als mit der Zeit die Zahl der Sanktimonialen angewachsen sei, sei ihnen in fundo ecclesie eine Nova curia errichtet worden unter Vorbehalt der groBen und kleinen Zehnten, der Gerichtsbarkeit, des Wasserlaufes zum Betrieb der Mühlen und des Moorgrundes zum Torfstich und aller übrigen Rechte. Nicht auf Grund eines Rechtes, sondern aus Gnade sei den Sanktimonialen ein Teil des Moores zur Gewinnung des nötigen Torfes gewahrt worden, unter der Bedingung, daB sie sich niemals der Herrschaft des Abtes entziehen und keine andere Regel annehmen. Niemals sollen sie ein Recht bei der Abtwahl haben; doch ist ihnen aus Gnaden die Wahl einer Priorin zugestanden, die aber der Abt bestatigen muB und, wenn nötig, absetjen kann. Den Prokurator, den der Abt ihnen bestellt, sollen sie nicht entfernen, sondern geduldig ertragen. Nach der Matutin sollen 1) Stumpf hat dieses Diplom als unecht gekennzeichnet, weil es durch den Kanzier Philipp rekognosziert ist, der erst seit der Wende des Jahres 1166 im Amte war. Vgl. aber Ficker, Beitrage zur Urkundenlehre I 162 und BreBlau, Urkundenlehre I2 493 f. 2) Nederlandsch Archievenblad 1911—1912 S. 218. 140 Erganzende Untersuchungen. alle, mit Ausnahme der Kranken und Schwachen, zur Handarbeit der Regel gemaB zusammenkommen; eigene Arbeit oder Eigentum sollen sie ohne Eriaubnis des Abtes nicht haben. DaB dies alles im Jahre 1113 nicht angeordnet worden sein kann, ist ohne weiteres deutlich. Erst neun Jahre spater ist ja das Ostbruch mit dem zugehörigen Veenlande dem Kloster überwiesen worden. Es sind aber auch formelle Einwendungen gegen die Urkunde Brom 272 zu erheben. Wenn sie sich zweimal als cedula bezeichnetso ist das vor etwa 1160&) ebenso unzeitgemaB wie die Jahresbezeichnung ,anno gratie', die in echten nordniederlandischen Urkunden erst im 13. Jahrhundert vorkommt. DaB die Sanktimonialen keinen Teil an der Abtwahl haben, soll statutum a viris discretis et approbatum sein, und in der Pön wird ihnen angedroht: secundum regulam s. Benedicti a communione corporis et sanguinis Jesu Christi alienas esse et christiana sepultura omnino privaridas! Über die Entstehungszeit der Falschung Brom 272 geben die Urkunden von 1226 und 1231 Nr. 12 und 13 Brom 763 und Brem 826 Auskunft. Nach ersterer hat Bischof Otto II. mit einem Bevollmachtigten des papstlichen Legaten die Verhaltnisse der Nonnen in Oostbroek in der Weise geregelt. daB der Abt ihnen einen besseren Propst bestellen und ihn nicht absetjen soll, solange sein Verhalten ein würdiges ist. Ferner sollen drei Nonnen bestellt werden, die dem Propst in der Verwaltung zur Seite stehen, und denen monatlich in Gegenwart des Dekans Giselbert von St. Johann über die Aüfwendungen des Haushaltes vom Propst Rechnung gelegt werden soll. Alle Güter des Nonnenklosters sollen vom Propst und den drei Nonnen verwaltet und der dritte Teil der Einkünfte aus dem .Kammergut dem Nonnenkloster zugewiesen werden. Der Propst und die im Nonnenkloster Omnibus presentem cedulam inspecturis; presentem cedulam conscribi... fecimus. • 2) Vgl. Sloet 309 (1J60—64) praesentem scedulam conscribi iussimus; Brom 461 = Matthaeus, De rebus Ultrajectinis S. 122 (1169): praesentem cedulam feci conscribi. Erganzende Untersuchungen. 141 beschaftigten Brüder sollen vom Abt mit Kleidung versorgt, und beim Tode einer Nonne sollen ihre Kleider für den Bedarf der anderen aufbewahrt werden. Durch diese Anordnungen war aber der Friede keineswegs hergestellt. In Brom 826 berichtet Bischof Wilbrand, es habe schwere Zwietracht geherrscht zwischen Abt Nikolaus einerseits und dem Mönchs- und Nonnenkonvent andrerseits, die den Abt für wenig brauchbar in geistlichen und weltiichen Dingen hielten. Der Bischof habe deshalb dem Nonnenkloster für 15 Jahre einen Propst bestellt, um in demselben eine Reform durchzuführen. Nach zwei Jahren aber habe sich herausgestellt, daB die Verweltlichung der Nonnen nur arger geworden sei. Der Bischof sei deshalb auf seinen Beschlufi zurückgekommen und habe perspectis privilegiis ipsarum den Abt und Konvent in aile Rechte über das Nonnenkloster wieder eingesetjt und bestimmt, ut quamdiu moniales predicte manserint in fundo matris ecclesie videlicet monachorum in Oostbroek, ipsi abbati et conventui in spiritualibus sint subiecte et de provisione ipsarum sanctimonialium ordinetur per eos, secundum consuetudinem ante nostra tempora observatam. Es ist also vor der bischöflichen Entscheidung von 1231 von Abt Nikolaus die Urkunde Brom 272 vorgelegt worden, nach der Abt Ludolf den Sanctimonialen mansionem singularem in fundo ecclesie, que Nova Curia vocatur, ad habitandum angewiesen hat.. Die Urkunde Brom 826 ist aus der bischöflichen Kanzlei hervorgegangen; ihre Arenga findet sich fast wörü.ch auch ih Bischof Wilbrands Urkunde von 1230 Sloet 533; ebenso die Corroboratio ,Ut autem hec rata maneant in futurum, presens scriptum eis dedimus'1). Es gibt aber noch eine zweite Urkunde Bischof Wilbrands für Ostbroek von 1231, Nr. 14 = Brom 825. Sie bestatigt die unechte Urkunde des Abtes Ludolf von 1113 unter Inserierung derselben, und ist im übrigen in eiiger Anlehnung ') Vgl. auch Brom 810 (Arenga n. Corroboratio). 142 Erganzende Untersuchungen. an ein püpstliches Privileg verfaBt. DaB das in der bischöflichen Kanzlei geschehen und Brom 825 somit unbedingt echt ist, ergibt sich beim Vergleich mit Bischof Wilbrands Urkunde für Kloster Loosduinen vom 19. Februar 1230 OB I 326, für welche dasselbe papstliche Privileg noch ausgiebiger herangezogen worden ist1). Unter diesen Umsjanden kann gegen die Echtheit von Brom 825 auch nicht ins Gewicht fallen, daB in der Inscriptio als Abt Heinrich genannt wird, der sonst erst 12592) urkundlich bezeugt ist, wührend am 3. September 1231 nach Ausweis von Brom 826 noch Nikolaus Abt war. Offenbar handelt es sich in Brom 825 nur um einen Überlieferungsfehler, der dadurch entstanden sein mag, daB im OriginaL in Nachahmung des Brauches der papstlichen Kanzlei, der Name des Adressaten nur mit dem Anfangsbuchstaben bezeichnet war. Die Bezeichnung ,ecclesia s. Laurentii in Nova Bethlehem', die in den unverdachtigen Urkunden Nr. 2. 3. 7. 10. 1L 12 nicht vorkommt, findet sich auBer in Brom 272 auch in Nr. 4. 5. 6 und 9. Es erheben sich gegen diese Stücke denn auch noch andere Bedenken. Die Urkunde Nr. 4 = Brom 313, durch welche Graf Dietrich (VI.) von Holland eine Schenkung von Fastraad Scherebard und seiner Gattin Sophia, Tochter des Grafen von Jülich, verbrieft, zeigt auf weite Strecken Ubereinstiramung des Diktates mit Nr. 3 = Brom 315, der oben behandelten Urkunde des Bischofs Godebald von 1125: Brom 315. virtute sancti spiritus accensi seculo abrennutiantes et in melius vitam commutantes quendam locum solitarium in palude que Oistbroick antiquitus vocabatur elegerunt ibique ecclesiam in honore sancte Marie dei genitricis et beati Laurentii construxerunt. Brom 313. virtute sancti spiritus accensi seculo abrennutiantes et in melius vitam commutantes quendam locum qui Nova Bethleem vel Oestbruch est nuncupatus sub regulari disciplina mutato habitu ad conversandum elegerunt. *) Vgl. oben S. 79. 2) CDHG 2. Serie IV 2 S. 22. BIJDRAGEN VAN HET INSTITUUT VÖQj| ÉÏ'PDELEEÜWSCHE GESCHIEDENIS DER IpVUKS-UNIVERSITEIT TE UTRECHT Ü Ui :> t 3EVEN DOOR PROF. DR. O. OPPERMANN IV 0 OPPERMANN, ÜNTERSUCHÜNGEN IJM NORDNIEDERLANDISCHEN (iESCHICHTE DES 10. BIS 13. JAHRHUNDERTS ZWElTEk TRIL aiE GRAFSCHAFT* HOLLAND UND i DAS REICH. BIS;^^y^Ë- UTRECHT - A OOSTHOEK — 1921 ÜNTERSUCHÜNGEN ZUR NORDNIEDERLANDISCHEN GESCHICHTE DES 10. BIS :: 13. JAHRHUNDERTS :: VON OTTO OPPERMANN .ZWEITER TEIL DIE GRAFSCHAFT HOLLAND UND DAS REICH BIS 1256 UTRECHT — A. OOSTHOEK — 1921 VOORWOORD. Men vindt in dit boek, behalve de in den titel aangeduide verhandeling, eenige „Ergünsende Untersuchungen"', die met het onderwerp daarvan gedeeltelijk geen innerlijk verband hebben. Zij sijn voortgekomen uit mijn medewerking aan het Oorkondenboèk van het Sticht Utrecht. De bewerker daarvan, Dr. Mr. S. Muller Fs., heeft gemeend van een stelselmatig critisch ondersoek der uit te geven stukken te moeten afsien. Ik heb mij met dit plan niet kunnen vereenigen en van de onderzoekingen, die ik op dit gebied sedert eenigen tijd onder handen had, soo veel mogelijk trachten aj te werken, om de resultaten daarvan aan het Oorkondenboèk ten goede te laten komen. Door hun hier in dit boek een plaats aan te wijsen wensch ik echter allerminst te ontkennen, dat ook nu op dit gebied nog veel te doen blijft. De bewerking van de chronologische oorkondenljst aan het eind van het boek dank ik aan de goedheid van Dr. C. D. J. Brandt te Utrecht. Utrecht, 15 October 1921. O. O. INHALT. Seite l DIE ANFANGE . 1—11 It ENTSTEHUNG DER BISCHÖFLICHEN LEHNS- GRAFSCHAFT HOLLAND. X ■ • • '■ 12—21 ffl. BIS ZUM FRIEDENVON VENEDIG (1177). . 22— 33 IV. BIS ZUM TODE DIETR1CHS VII. (1203) . . . 34— 44 V. DIE ZEIT WILHELMS I. (f 1222) . . . . . 45— 60 VI. DER KAMPF UM UTRECHT BIS 1234 . . . 61— 77 VII. HOLLAND UNTER FLORENS IV. UND WILHELM II. (1222—1256) . . ".' 78— 94 Vin. ERGANZENDE UNTERSUCHUNGEN .... 95—175 1. Die Utrechter Kanzlei in der zweiten Halfte des 12. Jahrhunderts und die unechten Urkunden für die Stadt Utrecht St. 3179 und OB I 113 95 2. Unechte Urkunden aus dem Altmünsterstift zu Utrecht .. . . ... . . ... . . 104 3. Die Zutphener Falsa und die Slieren geldrischen Stadtrechtsurkunden \. '. . . 110 4. Unechte Urkunden aus Kloster Oostbroek . 137 5. Zu den alteren Urkunden aus Kloster'Ruinen 149 6. Zur Beurteilung der Utrechter Falsa aus dem Codex Hannoveranus 152 7. Drei unechte Bischofs-Urkunden aus Kloster Oudwijk.............. 157 8. Der Jahresanfang des Egmonder Annalisten C 161 9. Nordniederlandische Diktate des kaiserlichen Notars Bruno-Philippus B 164 10. Der Anteil des Egmonder Annalisten D an den Annalen und den Urkundenfalschungen 172 CHRONOLOGISCHES VERZEICHNIS DER BE- SPROCHENEN URKUNDEN . \ 176—183 Die Faksimiles zu beiden Teilen sind als Teil III = Band V der Bijdragen van het Instituut voor Middeieeuwsche Geschiedenis 1920 erschienen. VII Berichtigungen und Nachtrage zum ersten Teil. S. 5, Zeile 9 von unten lies statt „1126": Uil, S. 26, Zeile 3 von unten fst hinter „1167" hinzuzufügen: 1169. S. 28, Zeile 4 von unten lies statt „1133": 1153. s! 219, Zeile 2 von unten. Die Förmel ,salva sedis apostolice auctoritate et in predictis ecclesiis et capella dyocesanorum episcoporum canonica iustitia' ist ihrem ganzen Wortlaute nach echt. Vgl. G. Schreiber, Kurie und Kloster im 12. Jahrhundert I S. 62. Aber sie zeigt, daB in dem echten üüterverzeichnis von Colmjon 73 nur eine Kapeïle genannt war, die zu Vlie; die uns vorliegende Fassung aber zahlt eine lange Reihe von Kirchen auf, die nach Ausweis von Brom 978 im Jahre 1243 gleichfalls noch Kapellen waren. S. 247, Zeile 16 lies statt „confirmanus": conh'rmamus. S. 255, Zeile 17 Hes statt „quarundarum": quarundam. Zum zweiten Teil. S. 1. Anm. 1. Das Römerkastell bei Voorburg ist nicht Forum Hadriani nach Holwerda, IV. Bericht der römisch-germanischen Koramission (1908) S. 89 Anm. 1. S. 39. Der Kontext der Urkunde OB I 180 ist unecht. Naheres an anderer Stelle. Zu S. 42 'ind 71. Die Datierung der Urkunde Hansisches UB I 57 zu 1201 ist unrichtig; sie ist mit van den Bergh OB I 181 zu 1200 zu sotjen nach Ausweis von OB I 188. S. 52. Anm. 3. Die hier gegebene Interpretation der Annalenstelle ist irrig; es handelt sich urn einen römischen Sarkophag. Doch ist nicht daran zu zweifeln, daB det Bericht über Reinald von Dassel nicht dem C-Text angehört. Vgl. S. 173. S. 61 ist vor der Überschrift die Ziffer VI hinzuzufügen. S. 63, Zeile 5 lies statt „gar nicht": als Zeüge. S. 89, Zeile 15 lies statt „Utrechten": Utrecht./ S. 110, Zeile 4 ff. Die Klausel des Privilegs von 1179 „salva... dyocesani episcopi canonica iustitia" bedeutet nicht, daB die Kanoniker dem Bischof Gehorsam schulden. Sie findet sich beispielsweise auch in den Privilegiën Alexanders III. für Kloster St. Vaast von 1161 und 1170 Guimann, Cartulaire de 1'abbaye de St. Vaast ed. van Drival (1875) S. 88 und 97, wahrend in den Mandaten ebenda S. 84 und 90 der Papst ausdrücklich feststellt, daB der Abt nur ihm und der römischen Kirche Gehorsam schuldet. VIII AuBer den in Band I S. VIII verzeichneten Büchern und Zeitschriften sind in diesem Band II abgekürzt angeführt: CDHG 2. serie IV = Codex diplomaticus Neerlandicus, uitgegeven door het Historisch Genootschap te Utrecht. 2. serie IV. 1857.1860. Kn. oder Knipping = U Knipping, Die Regesten der Erzbischöfe von KöUi II 1901. III. 1909. 1913. OGr oder OBGrDr =' Oorkondenboèk van Groningen en Drente bewerkt door Prof. Dr. P. J. Blok en anderen. I. 1896. I. DIE ANFANGE. Die Geschichte der spater in der Grafschaft Holland vereinigten Gebiete beginnt in der Normannenzeit, und mit den Kampfen gegen die Normannen ist das Emporkommen des hollandischen Grafenhauses oft in Verbindung gebracht worden. Doch muB gleich die erste Nachricht, die wir über diese Dinge besiljen: dafi Thietbold und Gerolf im Kampfe gegen die Normannen gefallen seien, verworfen werden1). ') lm AnschluB an die Zerstörung Utrechts duren die Normannen im Jahre 857 berichtet Beka (ed. Buchelius S. 28): His itaque gestis Dani cum Nordtmannis omnes Hollandiae populos nimis acriter affligentes devenerunt ad Kenemariam, ubi sancti confessoris Adelberti dilapidaverunt ecclesiam, beatum Ieronem presbyterum in Noertich ut traditur capite truncantes et castrum Aurindulii quondam regis prope Voerburch, Vorenburg destruentes. Hollandenses autem incolae prendiderunt econtra confèstim arma bellica committentes in diversis pagis multa praelia; sed Dani deo permittente praevalentes Thietboldum et Gerolfum egegrios equites cum infinitis Hollandinis cruenter necavemut ac mulieres cum parvulis captivas ad exteras partes et provincias abduxerunt. Die Zerstörung der Adalbertskirche und die Ermordung des Priesters lero zu Noordwijk kann nach unseren früheren Ergebnissen ohne weiteres ins Gebiet der Fabel verwiesen werden, und auch daB das castrum Aurindulii regis, d. h. Forum Hadriani, den Normannen zum Opfer gefallen sei, ist sicherlich nichts als eine gelehrte Spekulation Bekas, dessen Phantasie ja auch sonst durch das römische Altertum lebhaft angeregt worden ist. (Vgl. Coster, De Kroniek van Johannes de Beka, S. 281 f.). Unter diesen Umsttoden verliert die Nachricht über Thietbold und Gerolf jeden Anspruch auf Glaubwürdigkeit. Vielmehr muB derganze hollandische Normanneneinfall von 857 aus der Überlieferung gestrichen werden. Mit einigem Vorbehalt hat über ihn Van Bolhuis, De Noormannen in Nederland (1834) S. 111 f., bestimmter W. Vogel, Die Normannen und das frankische Reich (1906) S. 159 f. berichtet. Oppermann, Untersuchungen zur nordniederlandischen Geschichte. 1 2 Die Anfange. Allerdings ist ein in Mittelfriesland begüterter Vasall Ludwigs des Frommen namens Gerulf durch ein Diplom vom 8. Juli 839 bezeugt *f. Aber dieser Gerulf ist nicht gegen die Normannen gefallen, sondern spatestens 856 in das Kloster Korvey eingetreten und als Mönch daselbst gestorben. Das Diplom Ludwigs des Frommen ist durch ihn in das Archiv des Klosters Korvey gelangt2). Es ist wahrscheinlich, aber nicht erweislich, daB dieser altere Gerulf ein Vorfahr der comités Fresonum Gerulfus et Gardulfus war, die 885 unter dem Normannenherzog Gottfried walteten3). Jedenfalls ist der jüngere Gerulf der Empfanger des Diplomes König Arnulfs vom 4. August 889 OB I 21. Dies Diplom ist als das alteste der holiandischen Geschichte oft besprochen, aber, wie uns scheinen will, in seiner politischen Bedeutung noch nicht ausreichend gewürdigt worden. König Arnulf zahlt darin eine Reihe von Besitjungen auf, die er seinem Getreuen, dem Grafen Gerulf, in dessen zwischen Rhein und Suithardeshag gelegener Grafschaft, das heiBt in Kennemerland, überwiesen hat, und fahrt dann fort: Et iussimus ei inde hoe nostre auctoritatis fieri preceptnm, per quod volumus firmiterque iubemus, ut antetitulatus fidelis noster de hiis omnibus ab hodierna die et deinceps omni tempore liberam securamque habeat potestatem tenendi, donandi, vendendi, commutandi vel quicquid exinde voluerit faciendi absque ullius impedimento. Es ist bekannt und zuletjt von R. Sohm *) dargelegt worden, daB eine solche Landvergebung durch Königsürkunde ein engeres Treuverhaltnis zwischen dem Schenker und dem S ') Wilmans, Kaiserurkunden der Provinz Westfalen I, S. 65 Nr. 20 = Böhmer-Mühlbacher, Regesta imperii 997. 2) Vgl. Wilmans a. a. O. S. 66 f. 3) Vgl. Reginonis Chronicon ed. Kurze S. 123 und H. Jükel, Die ürafen von Mittelfriesland S. 47 f. *) Zeitschrift der Savignystiftung für Rechtsgeschichte. Qerm. Abt. XXX (1909), S. 114. Die Anfönge. 3 Beschenkten in s*ich schloB. Die Absicht des Königs Arnulf muB demnach gewesen sein, sich durch die Schenkung von ) 889 der Treue des Grafen Gerulf zu versichern. In der Tat boten die politischen Verhaltnisse jenes Jahres zu einer solchen MaBregel AnlaB. Im Mai 889 war der König, der keine ehelichen Nachkommen hatte, auf einem Reichstag zu Forchheim mit dem Ansinnen hervorgetreten, die Franken und Bayern sollten sich eidlich verpflichten, seine beiden unehelichen Söhne Zwentibold und Ratold als seine Nachfolger in der Herrschaft anzuerkennen. Ein Teil der Franken hat sich anfangs gestrüubt, sich aber schlieBlich doch zu einem Versprechen durch Handschlag bereitfinden lassen1). Die Handlung des Diplomes OB I 2i muB schon Ende Juni oder Anfang Juli fallen, wo der König in Frankfurt weilte. Es ist also deutlich, daB seine Schenkung an Graf Gerulf mit den Verhandlungen von Forchheim im Zusammenhang steht. Schon der Anfang der holiandischen Geschichte ist eng mit der Reichspolitik verflochten, die auch spater maner wieder für die staatsrechtlichen Verhaltnisse des Landes von entscheidender Bedeutung gewesen ist. Königliche Landschenkungen der gekennzeichneten Art vererbten nur auf Söhne oder doch nur im Mannesstamm, sofern darüber nicht ausdrücklich anders bestimmt wurde. Unser Diplom enthalt eine solche Bestimmung; durch die üblïche Formel wird jede Beschrankung der VerauBerung und Vererbung ausgeschlossen. Doch kann man daraus nicht folgern, daB Gerulf ohne mannliche Erben gewesen sei; findet sich doch dieselbe Formel auch in dem Diplom des Königs Otto III. für Graf Dietrich II. von 985, dem unten zu besprechenden DO III 19. DaB der 889 beschenkte Graf Gerulf der Vater des in der Reihe der holiandischen Grafen als Dietrich I. gezahlten Grafen war und mit Gerulf somit die lückenlose Reihe dieser ') Dttmmler, Geschichte des ostfrankischen Reiches III3 3311; Böhmer-MühlrJacher, Regesta imperii 1813 a. 4 Die AnfSnge. Grafen beginnt, habe nach dem Vorgang anderer Forscher») auch ich schon früher angenommen2). Diese Abstammung erscheint dadurch gesichert, daB Dietrich É aus dem Grafenregister als frater Waldgeri und Waldgerius Friso aus Regino als filius Gerulfi bekannt ist*). Denn diese Verwandtschaftsangabe kommt doch zu der Tatsache hinzu, daB Gerulf sowohl wie Dietrichs l Sohn Dietrich H. als Grafen in Kennemerland bezeugt sind. Auch der Urnstand, daB sowohl das für Gerulf ausgefertigte Diplom von 889 wie das für Dietrich t bestimmte von 922 in der Kirche zu Egmond aufbewahrt wurde, weist auf einen verwandtschaftlichen Zusammenhang zwischen den beiden Empfangern. Die Grafschaft Gerulfs erstreckte sich inter Renum et Suithardeshaga, das heiBt vom Unterlauf des Alten Rheins, der bei Katwijk mündete, nach Norden bis in die Gegend von ) Schoort und Scharwortde. DaB Gerulf auch schon bei Leiden j begütert war, hat Gosses dargelan durch den Nachweis, daB die in Ratbods Güterverzeichnis der Utrechter Kirche vorkommende piscatio quam Gerulfus habet in extrema parte Rheni fluminis bei Leiden lag und somit der Inhaber dieser piscatio in der Tat, wie man langst angenommen hat, der Empfanger des Diplomes von 889 ist4). Für die Frage nach der Entstehung der Grafschaft Holland ist damit aber^nichts gewonnen. Wenn die Utrechter Kirche zahlreiche Fischereigereehtsame ganz unabhangig von der Grafschaft in den belreffenden Gebieten besaB, warum muB Gerulf die Grafschaft in Rijnland besessen haben, weil er die piscatio bei Leiden hatte? Das Gebiet von Leiden war noch 1108 wie sich unten zeigen wird, eine von der Grafschaft Holland abgesonderte Herrschaf*. Diese Herrschaft ist, mag sie immerhin im Besitje des Grafen Gerulf von 889 gewesen >) Jakel, Die Grafen von Mittelfriesland (1895), S. 87 ff.; Parisot, Le royaume de Lorraine (1S99), S. 590; W. Vogel, Die Normannen und das frankische Reich (1906), S. 307. 2) Westdeutsche Zeitschrift XXVIII, 171. s) Vgl. Gosses, Holland, S. 26. - — «) Gosses, Holland, S. 16 ff. Vgl. oben Bd. 1, S. 91 ff. Die AnfSnge. 5 sein, nicht an dessen Sohn Dietrich I. und seine ngchsten Nachfolger gekommen, sondern erst um 1130 in den Besitj j des Grafen Dietrich VI. übergegangen. Wenn die fragliche piscatio 1316 als die vischerie van den vroen twischen Leyden ende Haerlem ende in den Gheerlike vorkommt, so sagt die Bezeichnung ,dat vroon' nur, da8 in diesem Gebiet die Fronschuld entrichtet wurde, das heifit der ursprünglich dem König zustehende Hauszins, der schon frühzeitig in andere Hande, und zwar keineswegs nur in die des Grafen, übergegangen ist'). Die piscatio ist dadurch also j nicht schon für das 9. oder 10. Jahrhundert als graflich gekennzeichnet. Von Dietrich I. wissen wir aus dem oben (Bd. I, S. 90 ff.) besprochenen Diplom von 922, daB ihm König Karl der Einfaltige Besiè in der zwischen dem Suithardeshag und Kinnem auf Terschelling gelegenen Grafschaft, also in der Grafschaft Texel, zuwies. DaB Dietrich diese Grafschaft innehatte, könnte man schon daraus entnehmen; übérdies ist sein Sohn Dietnch II. 985 in ihrem Besig bezeugt. Das lettere gilt auch von der Grafschaft Kennemerland; Gerulf wird sie auf seinen Sohn Dietrich I. und dieser auf Dietrich II. vererbt haben. ^ ' Nach 922 liegt die Geschichte des von Graf Dietrich I verwalteten Gebietes langer als ein halbes Jahrhundert völlig im Dunkeln. Denn auch das Diplom des französischen Königs" Lothar von 969 OB I 43, welches dem Grafen Dietrich (II) dem Sqfane Dietrichs I., den Königsforst im Lande Waes uberweist, bereichert unser Wissen vón den Schicksalen der nordmederlandischen Grafschaft doch nur indirekt- die Herrschaft des holiandischen Grafenhauses muB sich unterde&en nach Süden ausgebreitet haben. Mit dieser Ausbreitung stenen die Beziehungen des Grafen Dietrich II. zu Graf Arnulf I. von Flandern (918-964) in Zusammenhang, die hier nicht naher erörtert werden können, weil die in Betracht ') Vgl Hamaker, Bijdragen voor Vaderlandsche Geschiedenis 3 reeks V (1889) 157 ff. «rauucuems, j. 8 Die Anfange. Über die Heeresorganisation des karolingischen Herzogtums Friesland hatte ein Kapitulare Karls des GroBen von wahrsGheinlich 807 folgendes bestimmt1): De Frisonibus volumus, ut comités et vasalii qui beneficia habere videntur, et caballarii omnes generaliter ad placitum nostrum venient bene praeparati; reliqui vero pauperiores sex septimum praeparare faciant et sic ad condictum placitum bene praeparati hostiliter veniant. Das placitum condictum wird im Herzogtum Friesland von dem legatus regis vel ducis gehalten worden sein, den die Lex Frisionum durch neunfaches Wergeld und neunfachen Fredus schügt2). Nichts war natürlicher, als daB die auBerordentliche Amtsgewalt eines solchen legatus ducis vel regis sich in der zweiten Halfte des 9. Jahrhunderts dauernd mit dem Amte der einzelnen Grafen verband, aus deren Grafschaften sich das friesische Herzogtum zusammensetjte. Als Inhaber derartiger Grafschaften werden 885 unter dem normannischen Friesenherzog Gottfried die comités Fresonum Gerolf und Gardolf genannt, deren ersterer der Ahnherr des holiandischen Grafenhauses ist. Man kann also, glaube ich, den Weg verfolgen, auf dem die ersten Grafen aus diesem Hause zur Heerbanngewalt gelangt sind. Das Botding ist auBer in Niedersachsen und in Friesland auch in Flandern bezeugt. Eine Urkunde desjGrafen Robert II. von 11108) besagt: equites in villa de Popringehem habitantes in expeditione comitis proficisci debent. Et ni porrexerint, comes super abbatem placitando emendationem vel bot accipiet ab ipso abbate, quod remanserint. Mi vero, qui in praedicta villa ad banwerc consjituti sunt, debent comiti tantum utlandes-banwerc et landwere, et placitum inde erit abbatis. ') MG Legum sectio II Bd. I, S. 136, § 3. -) Vgl. Westdeutsche Zeitschrift XXVIII, 165. 8) Warnkönig, Flandrische Staats- und Rechtsgescbiehte II 2 (1837), Urkunden S. 101 No. 179. fOyÉa Die AnfUnge. 9 És ist deutlich, daB dieses Gericht des Grafen der Sache nach dasselbe ist wie das im Dienstrecht des Liber s. / Adalberti erwahnte buttink zu Aagtenkerk und das Botding in der Gegend von Jerichow und Werben. Das Botding war also eine Einrichtung der karolingischen Grenzmarken, die natürlich in den verschiedenen Gegenden in verschiedener Weise ausgebaut worden ist, ihrem Ursprung j nach aber ins 9. Jahrhundert zurückreicht. Gosses hat die Zusammenfassung mehrerer Grafschaften zu einer höheren Einheit, die urn 1100 unter dem Namen . Holland hervoitritt, zurückgeführt auf eine Übertragung der 1 Botding-Gewalt über das Gebiet zwischen Maas und Vlie > fan Dietrich I. durch den westfrankischen König im Jahre 922. } Hatte eine solche tatsachlich stattgefunden, so stünden wir vor der bemerkenswerten Tatsache, daB ein Territorium, dessen Geschicke mit denen des deutsehen Reiches bis ins 15. Jahrhundert hinein auf das engste verflochten waren, durch einen Akt des westfrankischen Königs ins Leben gerufen wurde. Aber wir wissen: das Diplom von 922 ist ganz anders zu deuten, und die Nachricht des Grafenregisters von der Verleihung einer Prafëktur an Dietrich I. rührt ebenso wie eine ahnliche auf Dietrich III. (oder Dietrich II.) bezügliche von einem Kompilator des 12. Jahrhunderts her, den wir vielfacher Falschung überführt haben. Die Prafëktur wird also aus der Verfassungsgeschichte der 2 Grafschaft Holland endgültig v^chwinden müssen, und auch das von Gosses aus Alpert von Met*1) herangezogene Beispiel des Prüfekten Gottfried vermag sie vor diesem Schicksal nicht zu retten. )i Von den Anfangen des holiandischen Grafenhauses wissen wir demnach dies: im Jahre 985 besaB Dietrich II. die Grafschaften Maasland, Kennemerland und Texel, und er erhielt in diesem Jahre die königlichen Lehen, die er dort innehatte, zu eigen. In Kennemerland und wahrscheintich auch in Texel *i hatte schon der GroBvater Dietrichs II., Gerulf, als Graf ge- ') MG. SS. IV 702. 704. 709. 10 Die Anfange. waltet, in Texel jedenfalls Dietrich I., der Vater Dietrichs II. In allen drei Grafschaften hatte dieser auBer dem Grafenamt die Heerbanngewalt inne, die kraft auBerordentlicher königlicher Vollmacht ausgeübt wurde, ohne daB deshalb die drei Grafschaften zu einer höheren staatsrechtlichen Einheit zusammengefaBt waren. Das Territorium Holland ist also nicht, wie S. Hirsch meint (oben S. 6), durch das Diplom von 985 gegröndet worden. Immerhin kommt diesem eine besondere politische Bedeutung zu. Ebenso wie das Diplom des Königs Arnulf für Graf Gerulf von 889 bezweckt es, den Grafen durch ein beson'deres, auf königlicher Landschenkung beruhendes Treueverhaltnis an die Krone zu fesseln. Das war notwendig angesichts der Verbindung, in welcher der Graf nach Ausweis des Diplomes von 969 OB I 43 mit König Lothar von Frankreich gestanden hatte. Lothar war noch 984 mit dem Herzog von Bayern, Heinrich dem Zanker, verbündet gewesen, der dem jungen König Ótto die Krone streitig machte. Erst zu Anfang 985 hatte Heinrich ihn anerkannt1); er ers(toeint neben Erzbischof Egbert von Trier als Intervenient in dem DO III 19. Auf Betreiben des Erzbischofs Egbert und des Herzogs Heinrich sind somit die Beziehungen Dietrichs II. zum Westreich durch eine feste Verbindung seiner Grafschaften mit dem Ostreich ersefet worden. Durch das DÖ III 19 war die Grundlage für eine Eigenkirchenpolitik geschaffen, die auf Lösung oder qóch Lockerung der kirchlichen Abhangigkeit vom Bistum Utrecht bedacht sein konnte. Man geht also schwerlich fehl in der Annahme, daB die Übertragung der Reliquien des hl. Adalbert nach Egmond durch Erzbischof Egbert nicht lediglich erbaulichen, sondern auch kirchenpolitischen Zwecken dienen sollte. Wenn auch der Inhalt von Ruperts von Mettlach vita Adalberti, deren Abfassung doch wohl von Egbert veranlaBt ist, ganz unbekannt bleibt, so ist doch deutlich, daB im Schutje eines J) v. Qiesebrecht, Geschichte der deutsehen Kaiserzeit I6 612 ff. Die Anfange. 11 solchen Heiligen altere kirchliche Rechte mit Erfolg zurückgedrangt werden konnten1). i) lm September 1920 hat J. H. Holwerda, anscheinend durch meine Ausführungen über die Sitesten Egmonder Kirchen Bd. I S..32L angeregt, beim St. Adalbertsbrunnen westlich von Egmond Ausgrabungen veranstaltet, über deren Ergebnisse er in Oudheidkundige Mededeelingen van 's Rijks Museum van Oudheiden te Leiden Nieuwe Reeks I 2 (1920) S. LXVII-LXXVI und schon vorher einem gröBeren Leserkreis in der Nieuwe Rötterdamsche Courant vom 26. Oktober 1920 Avondblad berichtet hat. Es sind Mauerreste zum Vorschein gekommen, die im Viereck von einem breiten Graben umzogen sind. Die ersteren hat H. zu dem GrundriB einer etwa 25 m langen Kirche rekonstruiert, deren Apsis den Bronnen umschlieBt. Wenn diese Rekonstruktion richtig ist — der teilweise nicht mit ihr übereinstimmende Verlauf der Mauerreste und die Form des Grundrisses erwecken einige Zweifel -, so ist damit eine befestigte Kirche des 9. Jahrhunderts aufgedeckt. Aber daB dort der hl. Adalbert begraben gelegen hat, ist damit doch keineswegs bewiesen. Mit allem Nachdruck muB gegenüber den sehr zuversichtlichen Ausführungen H.s darauf hingewiesei» werden, daB man Adalberts Grab im 12. Jahrhundert beim Rurikspüji zu Obinghem suchte. Ebensowenig vermögen die Ausgrabungen für die Echtheit des Diplomes von 922 etwas zu beweisen; wenn im 12. Jahrhundert beim St. Adalbertsbrunnen eine verfallene Kirche lag, so kann das doch gerade AnlaB zu der Verfalschung des Diplomes geworden sein. 16 Entstehung der bischoflichen Lehttsgrafschaft Holland. urn den Besig von Süd-Nieder-Maasland gekampft wurde Gleichwohl hat Dietrichs Bruder Horens I. (1049-1061) sein Gebiet noch weiter südwarts auszubreiten vermocht; er hat im Juni 1061 zu Neder-Hèmijert in der Nahe von Zalt-Bommef seinen Tod gefunden »). DaB Dietrich IV. und Horens I. das Kennemerland zurückgewonnen haben, darf man der Urkunde des Bischofs Wilhelm von 10632) entnehmen. Jedenfalls aber haben sie die Grafschaft dort nicht vom Reiche empfangen, sondern sie aus eigenem Recht besessen, ebenso wie die bischöflichen Grafschaften Rijnland und Westvlieland, als deren Inhaber das Diplom von 1064 St. 2644 nur Dietrich III. anerkennt. Denn es betrachtet die königliche Grafschaft Kennemerland als gar nicht vorhanden, sondern behandelt alle Regalien in dieser Gegend und die Abtei Egmond als Pertinenz der benachbarten bischöflichen Grafschaften. Eine solche Verleugnung der königlichen Rechte in einer Königsurkunde kann man schwerlich allein daraus erklaren, daB König Heinrich ein Knabe war und von bischöflichen Ratgebern geleitet wurde; oifenbar steht es so, daB Dietrich IV. und Horens i. die' Grafschaft nicht aus der Hand des Königs empfangen haben3). Auch sind wir nicht zu der Annahme berechtigt, daB Robert der Friese, mit dem sich Gertrud, die Witwe Florens I., 1063 vermahlte, mit dessen Grafschaften vom König oder vom Utrechter Bischof belehnt worden sei. Die Nachricht ') Der Egmonder Nekrolog BMHG. XXXV 51 sagt: ,in bello ocdsus mt'; der Bericht der Egmonder Annalen, er habe im Schatten einer Weide seinen Mittagsschlaf gehalten und sei dadurch von seinen temden überrascht worden, ist sagenhaft.' ") Muller, Cartularium S. 99 Nr. 63. ?) Die Vermutung von de Geer van Jutfaas, BVG. 3. reeks IX (1896) S. 74, Florens 1., der anfangs nur Graf von Westfriesland gewesen sei sei zu Ostern 1050 in Utrecht auch mit der Grafschaft Holland belehnt worden, findet in der Überlieferung keine Stülje. Die Nachricht Hermanns von Reichenau über einen Aufenthalt Heinrichs III. apud Traiectum zu Ostern 1050 ist auf Maastricht zu beziehen; vgl. Steindorff, Jahrbücher des Deutsehen Reichs unter Heinrich III, Bd. I (1881) 106 Anm. 1. Entslehung der bischöflichen Lehnsgrafschaft Holland. 17 der Egmonder Annalen zu 1063, Robert habe durch seine Heirat comitatum Hollandiae et Fresiae erworben, ist erst urn 1176 aufgezeichnet. Ihre Quelle ist der Sigebert C, der an dieser Stelle, nach Ausweis des Codex B 3*1), die den Annales Blandinienses entstammenden Worte enthielt: Rodbertus, Baldwini potentissimi iunior filius, Frisiam subintrat. Von Galbert, dem Verfasser der Passio Karoli comitis2), wird Robert als consul Aquaticus oder comes Aquarum bezeichnet und die Agitation geschildert, die er im Gebiet von Oostburg, Ijsendijk, Aardenburg und Brugge und in Seeflaridern gegen die Herrschaft seines Neffen, des Grafen Arnulf III. von Flandern, entfaltete.. Robert herrschte demnach in Zeeland, und es ist nicht erweislich, daB ihm die Heirat mit Gertrud mehr als die Grafschaften in Nord- und Süd-NiederMaasland einbrachte. Lampert von Hersfeld, der freilich auch für diese Dinge eine sehr trübe Quelle ist, aber ihnen doch zeitlich sehr nahesteht, sagt denn auch8): in Fresiam, quae confinis est Flandriae, cui Thidericus quondam comes et post hunc Florentius frater eius imperaverat, irruptionem fecit. Es ist demnach nicht wahrscheinlich, daB die Herrschaft Roberts sich gleich anfangs auch über die nördlicheren Gebiete, Kennemerland, Westvlieland und Texel, erstreckte, und wir haben demgemaB das Diplom vom 30. April 1064 nicht nur als eine Rückgabe der bischöflichen Lehnsgrafschaften Rijnland und Westvlieland an die Utrechter Kirche zu deuten, sondern auch anzunehmen, daB sie damals in den tatsachIichen Besi£ dieser Gebiete und der Abtei Egmond gelangt ist. Sie hat sich dieses Besiges allerdings nicht lange zu erfreuen gehabt. DaB urn 1070 Robert der Friese auch im Kennemerland herrschte, .ergibt sich aus der schon oben*) herangezogenen Nachricht der Annalen von St. Bavo, Stephanus de Ecmundis sei 1073 diesem Kloster als Abt aufgedrangt worden. Er gehorte also zu den Anhangern •) Vgl. oben Bd. I S.J12?" I jjK a) MG. SS. XII 598 == ed. Pirenne S. 110. s) Ed. Holder-Egger S. 122. *) Bd. I S. 77. Oppermann, Untersuchungen zur nordniederl&ndlschen Geschichte. 2 18 Entslehung der bischöflichen Lehnsgrafschaft Holland. Roberts des Friesen und hatte Egmond verlassen müssen, als dieser von Herzog Gottfried III. von Lothringen und Bischof Wilhelm von Utrecht 1071 aus Holland vertrieben l worden war'). Nach dem Egmonder Nekrolog8) ist wahrend I dieser Kampfe von Herzog Gottfried die Burg Delft erbaut ' worden. £ / Einen Umschwung brachte erst die Ermordung des Herzogs Gottfried im Februar 1076. Sie veranlaBte den König Heinrich, selbst nach den Niederlanden zu kommen, so daB der Utrechter Dom am Ostersonntage Schauplag der Exkommunikation und Verfluchung des Papstes Gregor VII. wurde, die Bischof Wilhelm zugleich im Namen seiner Mitbischöfe als Antwort auf die Beschlüsse der römischen Fastensynode verkündete3). Schon hier kann man sagen, daB der Kampf zwischen Imperium und Sacerdotium auf die Machtverhaltnisse in den Niederlanden zurückwirkte. Denn die Briefe des Papstes an die Bischöfe, Herzöge und Grafen des Deutsehen Reiches4) muBten der Erhebung des Grafen Dietrich V. gegen Wilhelms Nachfolger, den Mainzer Kammerer Konrad (1076—1099), der vom König ernanntmnd erst 1085 geweiht wurde, eine starke Stütze bieten. Vom 10. November 1076 besitjen wir einen Brief Gregors, der Robert den Friesen zur Durchführung der Zolibatsgesege ermahnt6). Von seinem Stiefvater unterstütjt, erfocht Graf Dietrich noch in diesem Jahre bei Ijsselmonde einen entscheidenden Sieg über Bischof Konrad, der in die Gefangenschaft seines Gegners fiel6). Das Land von Ijsselmonde wird infolgedessen wieder in grüflichen Besilj übergegangen sein. Nicht vor 1076 kann Stephan als Abt nach Egmond zurück- J) Annales Egmundani. Die Verwerfung dieser Nachricht durch ■ Kappeijne van de Coppello BVG. 3. reeks V 50 ff. halte ich nicht für . gerechtfertigt. 2) BMHG. XXXV 51. 3) Meyer v. Knonau, Jahrbücher des Deutsehen Reiches unter Heinrich IV. und Heinrich V. Bd*. II S. 660 ff. 4) Jaffé-Wattenbacb, Regesta pontificum I 4998. 4999. 5001. 5002. e) Ebenda 5012. 6) Annales Egmundani S. 20. Entslehung der biscmflichen Lehnsgrafschaft Holland. 19 gekehrt sein. Aber noch zu Ende der 1070 er Jahre war nicht Egmond oder Leiden, sondern Vlaardingen der Mittelpunkt der Herrschaft des Grafen Dietrich V. Das ergibt sich aus dem Bericht des schwabischen Annalisten, es seien zu Pfingsten 1078, als der Gegenkönig Rudolf in Goslar Hof hielt, Gesandte des Königs Philipp von Frankreich sowie der Fladirtingi et Lotharingi und des Königs von Ungarn erschienen, die ihm propter deum et sanctum Petrum ad dpfensionem sanctae -aecclesiae et regni totius Theutonicorum eifrigst ihren Beistand versprochen, ihre Versprechungen freilich nicht gehalten harten1). Dreiiwdzwanzig Jahre lang erfahren wir dann aus der Geschichte der Grafschaft nur, daB 1091 Dietrich V. starb und sein Sohn Florens II. (1091—1121) ihm folgte. Im Jahre 1101 aber wird in einer Urkunde des Bischofs Burkhard von Utrecht, OB I 94, Florentius comes de Holland an der Spige der Laienzeugen genannt; der Name Holland taucht damit in der Überlieferung zum ersten Male auf. Wie in Bd. I, 189ff. dargelegt wurde, rechnete man im Anfang de"s 12. Jahrhunderts zur Grafschaft Holland das Gebiet, das sich von der unteren Maas die Nordseeküste entlang nordwarts bis Alkmaar erstreckte, also die alten Grafschaften Nord-Nieder-Maasland, Rijnland und Kennemerland. Die erste und die dritte waren alter Eigenbesitj der Grafen, die dann als Grafen von Holland erscheinen, wahrend Rijnland bis 1024 und dann wieder seit 1064 eine Lehnsgrafschaft der Utrechter Kirche war. Unzweifelhaft ist durch die Zusammenfassung dieser Gebiete unter dem1 Namen Holland auch eine staatsrechtliche Einheit hergestellt worden und war das staatsrechtliche Verhaltnis aller drei Grafschaften . zu Königtum oder Bistum seitdem einheitlich geordnet. Für . die Annahme einer Zusammenfassung als bischöfliche Grafschaft spricht die Erwagung, daB sowohl Bischof Konrad ') Bertholdi annales MG. SS. V 311. Vgl. Meyer v. Knonau a. a. O. III 133 f., wo auch auf die Stelle bei Alpert von Meg II 21 ,Flaridingun, sic enim haec regio Frisioriim vocatur' verwiesen ist. 20 Entstehung der bischöflichen Lehnsgrafschafi Holland. (1076—1099) wie Bischof Burkhard von Utrecht (1100—1112) zu den treuesten Anhangern Heinrichs IV. zahlten. Von ihm ist Konrads bischöfliche Macht planmaBig gegenüber dem nordniederlandischen Laiénadel begünstigt worden; 1077 ist die Grafschaft Staveren, 1086 die Grafschaft Ijsselgo, 1086 und 1089 sind die mittelfriesischen Grafschaften Ostergo und Westergo, alle vier durch Markgraf Ekbert verwirkt, dem Bischof zugesprochen worden1). Es ist nicht gerade wahrscheinlich, daB der Kaiser gegenüber Dietrich V. oder Florens II. eine entgegengesetjte Politik verfolgt und ihnen die Grafschaften überlassen hat, die seit 1064 bischöflich waren. Dazu kommt, daB Graf Florens II. in der oben erwahnten Urkunde des Bischofs Burkhard von 1101 OB I 94 unter den Zeugen genannt wird. Zwar kann eine derartige Erwahnung für ein Lehnsverhaltnis an sich nicht als unbedingt beweisend gelten2); aber schwerlich würde doch der Graf unter den Zeugen des Bischofs erscheinen, wenn die kurz zuvor erfolgte Errichtung der Grafschaft Holland eine Lösung des Lehnsverhaltnisses zur Utrechter Kirche bedeutet hatte. Endlich ist auf den Ansiedlungsvertrag von 1106 Hamburgisches UB I 129 = OB I 196 hinzuweisen. In ihm berichtet Erzbischof Friedrich von Hamburg, quidam cis Rhenum commanentes qui dicuntur Hollandi harten mit ihm einen Vertrag geschlossen und ihm unter anderem versprochen ad synodalem iustitiam et institutionem Traiectensis ecclesiae nobis se per omnia obtemperaturos. - Danach galten als Hollander Leute, die in dem Gebiet des Alten" Rheines wonnen und Synodalen des Bischofs von Utrecht sind. Auch das beweist für Lehnrechte des Utrechter Bischofs an sich nichts; aber auch hier wird doch nicht die Unabhangigkeit der Grafschaft Holland vom Bistum Utrecht, sondern ein Zusammenhang mit demselben betont. *) Stumpf 2807. 2879. 2880. 2893 A Muller, Cartularium S. 106. 107. 108. 113. 2) Vgl. darüber M. Bendiner, Die Reichsgrafen, Münchener Dissertation 1888, S. 51 f. Entstehung der bischöflichen Lehnsgrafschaft Holland. 21 Die Grafschaft Holland ist somit als eine bischöfliche Graf- ; schaft ins Leben getreten; sie ist in derselben Weise Lehn der Utrechter Kirche geworden wie die Grafschaft Hennegau seit 1071 Lehn der Lütticher Kirche war1). Die Zuweisung der Grafschaft Holland an die Utrechter Kirche hangt offenbar mit der Neuregelung der niederlothringischen Herzogsgewalt zusammen, die Kaiser Heinrich nach dem Tode Gottfrieds von Bouillon (18. Juli 1100) vornahm. Bisher war es die Aufgabe der lothringischen Herzöge gewesen, den friesischen Grafen gegenüber des Reiches Frieden zu wahren. In Ausführung dieses Amtes hatte Herzog Gottfried I. durch Graf Dietrich III. die Niederlage von 1018 erlitten und war Gottfried III. 1076 von einem Leibeigenen Dietrichs V. ermordet worden. Gottfried von Bouillon, der seit 1087 Herzog von Lothringen war,* befand sich seit 1096 im Heiligen Lande. Die Herzogsgpwalt in Niederlothringen war, seitdem verwaist; als .Kaiser Heinrich sie zu Weihnachten 1101 an den Grafen Heinrich von Limburg gab, wurde sie nicht in dem früheren Umfang hergestellt. War die Grafschaft Holland ursprünglich eine bischöfliche. Lehnsgrafschaft, so laBt sich nun auch ihr Name befriedigend erklaren. Nach der Güterliste, die in Bischof Ratbods Kopiar überliefert ista), besaB die Utrechter Kirche im 10. Jahrhundert unter anderem in Holtland MI mansa, in prima Leithon II, in secunda I, in iertia I. Ein bei Leiden gelegener Besitj ist demnach bei der Belehnung dem Grafen mit der Grafschaft als Stammgut überwiesen worden und hat ihr den Namen gegeben. *) Chronicon s. Huberti A'ndaginensis MG. SS. VIII, 583f. Daraus die irreführende Darstellung in Gisleberti Chronicon Hanoniense c. 8, ed. Vanderkindere S. 11. Er spricht von einem feodum ligium, was erst für die zweite Halfte des 12. Jahrhunderts zutrifft. Vgl. Meyer v. Knonau a. a. O. II, 56. 65. D. Zeglin, Der homo ligius und die französische Ministerialitat (1915) S. 18 f. ') Muller, Cartularium S. 40. IH. BIS ZUM FRIEDEN VON VENEDIG (1177): Eine Urkunde des Bischofs Burkhard von 1108, OB I 99, zeigt den Grafen Florens von Holland wiederurn an der ! Spitje der Zeugen und gibt uns zugleich wichtige Aufschlüsse über den Umfang der graflichen Herrschaft in Rijnland. Das Eschatokoll, für dessen Echtheit wir uns oben (Bd. I, S. 2fJÉ*)"*"ausgesprochen haben, lautet wie folgt: """Actum est hoe in urbe Traiectensi VI. kal. iulii presentibus prepositj Rodulfo (s. Martini), Herïmanno (s. Bonüjpüi), Ansfrido (s. Petri), Liutardo (s. Marie), Adelhelmo (de Tiela); principibus Florentio comité de Hollant, Gerardo de Wassenberge, Hugone de Vorne,*Adelwino de Ledene cum filiis suis, Dudone de Furneholt, Reinardo de Melin, Harberone de Bucstelle, Theoderico de Herlar, Gisleberto de Welle, Gerardo de Vene, Reinzone de Vene, Willelmo de Goe et aliis multis. Aus der Zeugenreihe erhellt, daB Adelwin von Leiden und i Dudo von Voorhout nicht etwa Lehnsmannen des Grafen von Holland, sondern edelfreie Mannen des Bischofs von Utrecht sind. Erscheinen doch Hugo von Voorne und Gisek bert von Welle auch in einer anderen Urkunde des Bischofs Burkhard von 1108, OB I 101, unter dem laici liberi. Von den übrigen ist Gerhard von Wassenberg der spatere Graf j Gerhard II. von Geldern und Stifter von St. Georg zu ' Wassenberg (f 1131); Dietrich von Herlaar 1087 im Königsgericht Vogt von St. Servatius zu Maastricht gegen Gerhard von Wassenberg1), Wilhelm von Goie wohl ein Vorfahre des 1190 bezeugten gleichnamigen Grafen2). Die anderen sind sonst nicht nachzuweisen. Keiner von ihnen allen aber J) Sloet 193. 2) Sloet 376. Bis sum Frieden von Venedig (1177). 23 und keiner ihrer Nachkommen begegnet vór 1156 als Zeuge in einer holiandischen Grafenurkunde. Die Urkunde OB I 99 lehrt demnach, daB im Jahre 1108 in der früheren Grafschaft Rijnland zwei Herrschaften, Leiden und Voorhout, bestanden, deren Inhaber Lehnsmannen des Bischofs von Utrecht waren. Rijnland ist also, nachdem es 1064 der Utrechter Kirche zugesprochen war, von ihrem Bischof nicht .wieder an die holiandischen Grafen, sondern an zwei kleine Dynasten vergeben worden, so daB sich ihr Besife wie ein Keil zwischen den Norden und den Süden des graflichen Gebietes hineinschob. Der Besitj, den Adelwin von Leiden zu Anfang des 12. Jahrhunderts innehatte, ist leicht zu erkennen auf dèm alten Stadtplan von Leiden und der alten Karte von Leiden und Umgebung, die Blok der zweiten Auflage seines Buches ,Eene Hollandsche stad in de Middeleeuwen' (1910) beigegeben hat, und mit Hilfe der Angaben von Blok, von dessen Auffassung wir freilich vielfach abweichen. Die Burg Leiden auf der Rheininsel gehorte zum Kirchspiel Leiderdorp, das oberhalb der Insel gegenüber Rodenburg liegt1). Nach der Güterliste in Ratbods Kopiar besaB die Utrechter Kirche im 10. Jahrhundert in prima Leithon H, in secunda I, in tertia I, in Rodenburg quinque mansa2). Roomburg stellt, seinem Namen und der Überlieferung nach, einen alteren Befestigungstypus dar als die Burg Leiden; diese ist, wahrscheinlich im 11. Jahrhundert, wohl zum Ersat} für die Roomburg errichtet worden. Jedenfalls aber war jdie Burg Leiden urn 1100 keine grafliche Burg, sondern als Lehn der Utrechter Kirche an Adelwin von Leiden ausgetan. Einen Kastellan von Leiden gab es damals noch nicht. Dieses Amt ist erst eingericrftet worden, nachdem die Herren von Leiden Lehnsmannen der Grafen von Holland geworden waren. Graflicher Besig in Leiden war der Grafenhof in der Altstadt Leiden gegenüber der Burg am linken Rheinufer. ') Blok S. 64 f. -) Muller, Cartularium S. 40. 24 Bis zum Frieden von Vettedig (1177). Beim Grafenhof lag die Peterskirche, die am 11. September 1121 geweiht worden istDa der Graf an ihr das Patronatsrecht hatte, ist sie wohl als grafliche Eigenkirche erbaut. Der Graf war also schon um 1120 Grundherr in Leiden. Wann er seine Herrschaft auch über die Burg Leiden ausgedehnt hat, wird sogleich zu erörtern sein. Von Beziehungen des Grafen Florens II. zu seinem bischöflichen Lehnsherrn erfahren wir seit 1108 nichts mehr. Doch wird sich Florens unter den universi occidentis principes befunden haben, die sich dem König Heinrich V. eidlich zur Heerfahrt nach Italien verpflichteten, als er zu Ostern 1110 seine Verlobung mit Mathilde, der achtjahrigen Tochter des Königs Heinrich I. von England, feierte. Auch Graf Robert II. von Flandern, der Sohn Roberts des Friesen, hatte sich zu diesem Hoftag eingefunden2). Florens',Sohn, der junge Graf Dietrich VI., hat die Verbindung mit dem Bischof von Utrecht anscheinend wieder mehr gepflegt. Er erscheint an der Spitse der laici liberi in Urkunden des Bischofs Godebald von 1121 und 1127s). Am 7. September 1130 hat Bischof Andreas den von Dietrichs Mutter, der Grafin-Witwe Petronella, berufenen Genter Mönch Walther zum Abt von Egmond geweiht. Doch konnte der Umschwung, der 1125 in der deutsehen Reichspolitik eingetreten war, indem Herzog Lothar von Sachsen zum deutsehen König gewahlt wurde, auch auf die nordniederlandischen Verhültnisse nicht ohne EinfluB bléiben. Die Grafin-Witwe, die in Hölland die Regentschaft für ihre unmündigen Kinder führte, war eine Halbschwester Lothars. Er hat die Grafschaft Holland zum Nachteil der Utrechter Kirche ganz offen begünstigt; die mittelfriesischen Grafschaften Westergo und Ostergo hat er ihr entzogen und sie an Holland gegeben. '\~u Angesichts dieser Politik Lothars halten- wir für höchst wahrscheinlich, daB unter seiner Regierung die Grafschaft >) Blok S. 13. J) Me., er v. Knonau a. a. O. VI 119. 3) Sloet 236; OB I 115. Bis zum f rieden von Venedig (1177). 25 Holland, das heiBt das Gebiet von Nord-Nieder-Maasland, Rijnland und Kennemerland, aus dem Lehnsverband der Utrechter Kirche wieder gelost und in eine reichsunmittelbare Grafschaft umgewandelt worden ist1). Süd-Nieder-Maasland und Westvlieland blieben bischöfliche Lehnsgrafschaften. In Süd-Nieder-Maasland hat dies LehnsverMltnis, wie wir sehen werden, noch 1168 bestanden, und daB Westvlieland im 12. Jahrhundert nicht zu Holland gehörte, zeigt der Bericht der Egmonder Annalen zu 1155, die Friesen von Drechterland hatten fines comitatus Holtlandensis invadentes einige Dörfer verbrannt. Erst nachdem die Grafen von Holland auch für Rijnland die Reichsunmittelbarkeit erlangt hatten, kann die Burggrafschaft Leiden errichtet worden sein, deren InhaberTn der unechten Urkunde von 1143 OB I 124 und dann in der echten von 1156 OB I 133 genannt wird2). Wie der bischöfliche Lehnsmann von 1108 heiBt er Adelwinus, Var also ein Nachkomme von ihm. Der Graf von Holland muB seine Herrschaft über die Burg Leiden ausgedehnt haben, indem er das Lehnsverhaltnis des Herren von Leiden zur Utrechter Kirche löste und ihn als graflichen Kastellan einseljte. DaB die Leidener Burggrafschaft eine Nachahmung der flandrischen ist, hat mit Recht schon Rietschei als sehr wahrscheinlich bezeichnet3), und zur Zeit Lothars HL hat eine solche Übertragung nichts Unwahrscheinliches. Grafin Petronella hatte zu Flandern nachweisbar politische Beziehungen; nach der Ermordung Karls des Guten im Jahre 1127 hat sie ') Niedersachsische Einflüsse sind in dieser Zeit in Holland auch in kirchlichen Dingen wahrzunehmen. Grafin Petronella hat nach dem von ihr gestifteten Kloster Rijnsburg Nonnen aus Stótterlingenburg bei Hildesheim verpflanzt (Annales Egmundani S. 37). l) Die Erwahnung des castellanus in der Egmonder Güterliste BMHG. 35, 17 (vgl. Bd. I, S. 109) gehört in die Zeit des Abtes Wibold (1161—1176); denn der neben dem Kastellan genannte Dodo ist 1162 (OB I 143) und 1174 (GB I 149) bezeugt. s) Das Burggrafenamt und die hohe Gerichtsbarkeit (1905) 201. Vgl. jet[t auch W. Blommaert, Les chatelains de Flandie (1915). 26 Bis zum Frieden von VeneAig (1177). sich bemüht, für ihren Sohn Dietrich VI. die Herrschaft in Flandern zu gewinnen, auf welche die Bürger von Brügge ihr Hoffnung gemacht hatten. Als sie diese Hoffnung als trügerisch erkannte, ist sie für ihren Halbbruder Dietrich von ElsaB eingetreten, der denn auch Graf von Flandern wurde. Den flandrisclïen Kaufleuten hat sie dabei sichere und freie Durchfuhr durch ihr Land versprochen'). /' Die niederlandische Politik des Staufers, der als Konrad III. im Marz 1138 den deutsehen Thron bestieg, lenkte in die Bahnen Heinrichs IV. wieder ein; schon am 9. April 1138 wurden die mittelfriesischen Grafschaften an die Utrechter Kirche zurückgegeben')• Wie der König bemüht war, die bischöfliche Herrschaft in den nördlichen Niederlanden mit Unterstütjung seiner Pralaten aufrechtzuerhalten, zeigt eine Urkunde des Bischofs Andreas von 1139, Brom 375, nach der eine Streitsache zwischen dem Stift St. Peter zu Utrecht und Dietrich, dem Sohne Giselberts, auf Klage des ersteren vor dem Bischof und vor den GroBen des Reiches verhandelt und schlieBlich in Gegenwart des Bischofs und der Boten des Königs Konrad entschieden worden ist. Als solche werden genannt Bischof Werner von Münster, der Kölner Dompropst und königliche Kanzier Arnold (spater als Arnold II. Erzbischof von Köln), der Dompropst Heinrich von Münster und Propst Dietrich von St. Aposteln in Köln. Zu diesen Vertretern kirchlicher Reichspolitik gehorte auch der Utrechter Dompropst Hartbert, der 1139 Nachfolger des Bischofs Andreas wurde. Als Widerstand gegen die Utrechter Kirchenpolitik, die an dem staulischen Königtum einen Rückhalt hatte, wird die Eigenkirchenpolitik des Grafen Dietrich )X. erst völlig verstandlich. DaB das Kloster Egmond auch nach seiner Herstellung eine grafliche Eigenkirche war, sagt unter Florens II. Abt Adelhard (1105—1120) in einer Urkunde, OB I 106, mit aller ') Galbert von Brügge c. 24. 99. ed. Pirenne S; 56. 144. a) St. 3370 = Muller, Cartularium S. 127, Nr. 84. Bis zum Frieden von Venedig (1177). 27 Deutlichkeit. Er erklart, mit Erlaubnis des Grafen Florens einen Tauschvertrag über Güter der Abtei abgeschlossen zu haben, und am SchluB heiBt es: Hec mutuatio confirmata ac stabilita est presidente ac favente domino nostro Florentio comité legitimaque coniuge sua domina nostra Petronilla volente. Nachdem 1139 die schon unter Abt Ascelinus (1122—1130) begonnene neue Egmonder Klosterkirche vollendet worden war, hat Graf Dietrich VI. im Februar 1140 zugleich im Namen seiner Mutter, der Grafin Petronella, in Rom die Abteien Egmond und Rijnsburg in das Eigentum der römischen Kirche übertragen *). Die Beweggründe der grundherrlich-territorialen Kirchenpolitik jerter Zeit sind 1910 von G. Schreiber2) dargelegt worden. Das Eigenkirchenrecht lieB sich an einem Kloster auf die Dauer nur schwer behaupten; durch Ubertragung in das Eigentum der Kurie aber sicherte sich der Grundherr die Vogtsgewalt, die von der Kurie zwar niemals formell zugestanden wurde, aber gleichwohl als conditio sine qua non galt, und ferner ein Erbbegrabnis, das auch durch die Verhangung des Interdikts nicht gestort werden konnte. Die Wahrung des Klosterbesitjes, die durch den vogteilichen Schut; des bisherigen Eigentümers gewahrleitet wurde, verbürgte diesem aber auch die Sicherurig und Vermehrung der Einkünfte, welche mit der Vogtei verbunden waren3). An dem Egmonder Privileg ist noch bemerkenswert, daB sich in ihm die Gewahrleistung der freien Abtwahl und der AusschluB jeder Einwirkung eines Laien auf dieselbe, die durch ') OB I 142 = Jaffé 8083. 2) Kurie und Kloster im 12. Jahrhundert Bd. I S. 9 ff. (65. und 66. Heft der kirchenrechtlichen Abhandlungen, herausg. v. U. Stufe). 3) Die Ubertragung der Klöster Egmond und Rijnsburg erwahnt Schreiber a. a. O. I, S. 14, sefet sie aber zu 1141 und behauptet ohne Quellenangabe, ersteres sei 851 gegründet worden. Die Ausführungen von Gosses a. a. O. S. 39—66 sind dadurch beeintrachtigt, daB sie die unechten Urkunden OB I 98 und 103 als echt und die Egmonder Annalen, den Evangelientext und die vita Adalberti als glaubwürdig verwerten. Bis zum Frieden von Venedig (1177), 29 Dietrich von Holland aber hat sich am Hofe des neuen Königs bereits im Juni 1153 eingefunden'). Es muB also in diesen Jahren der AnschluB der Grafschaft Holland an die Staufer erfolgt sein. Urkunden von 1204 und 1213, die unten zu besprechen sind, nennen als die Grafen von Holland, die feoda ab imperio besessen haben, nur Florens III. (1157—1190) und Dietrich VU. (1190—1203), nicht aber des ersteren Vater Dietrich VI. Danach hatte dieser seine Grafschaft noch nicht vom Reiche zu Lehen getragen. Doch wird man sich «rinnern mussen, daB nach der zu Anfang des 13. Jahrhunderts herrschenden Rechtsanschauung nur der Kaiser, nicht auch der König fürstliche Reichslehen vergeben konnte3). Dietrich VI. kann also in den- angeführten Urkunden deshalb nicht genannt worden sein, weil er schon vor der Kaiserkrönung Friedrichs I. (Juni 1155) belehnt war, seine Grafschaft nicht vom imperium, sondern vom regnum hatte. Somit steht der Annahme nichts im Wege, daB Graf Dietrich VI. 1151 oder bald nachher seine Grafschaft aus staufischer Hand zu Lehen empfangen hat. Nachdem der schwachliche Bischof Hermann von Utrecht (1151—1156) gestorben war, ist die Wahl und Investitur seines Nachfolgers, des Domprostes Gottfried von Renen (1156—1178), im April 1156 in Gegen wart des Kaisers Friedrich erfolgt, der einen Zwiespalt nicht aufkommen lieB8). AuBer Erzbischof Arnold von Köln und Bischof Heinrich von Lüttich waren auch die Grafen von Kleve, Geldern und Holland in Utrecht anwesend4). Auf das Verhaltnis der Grafschaft zum Bistum Utrecht konnte die neue Ordnung der Dinge nicht ohne Rückwirkung J) Westdeutsche Zeitschrift XXVII, 213. Stumpf 3671. 3673. In den Jahrbuchern des Deutsehen Reiches unter Friedrich I. von H. Simonsfeld Bd. I (1908) sind Dietrich von Flandem und Dietrich von Holland unbegreiflicherweise zusammengeworfen. Vgl. H. Bloch, Die staufischen Kaiserwahlen S. 129. 3) Annales Egmundani S. 54. *) OB I 135. 30 Bis zum Frieden von Venedig (1177). bleiben. Noch Graf Dietrich VI. hat in der zweiten Halfte des Jahres 1156 die Rechte, welche die Abtei Echternach noch an zahlreichen Pfarrkirchen besaB, durch einen Tauschvertrag an sich gebracht1). Die Entscheidung einer zwischen Utrecht und Holland schwebenden Streitfrage, das Diplom des Kaisers Friedrich I. von 116§2), das auf Grund eines Reichsurteils das alte Reichsrecht herstellt, quatenus aqua, Rheni libera et regia strata sine omni obstaculo ibidem omni tempore fluat et decurratb), ist lehrreich, weil in ihm die veranderte reichsrechtliche Stellung des Grafen von Holland wahrnehmbar ist. Der Kaiser erklart, er habe sich der Sache angenommen pro petitione fidelium principum nostrorum Godefridi videlicet episcopi Traiectensis et Florentii comitis Hollandie, Heinrici etiam comitis .Gelrensis, Theoderici comitis de Cleve et pro fideli servitio aliorum hominum plurimorum de episcopatu Traiectensi. f\ Schon Ficker hat seinerzeit 4) auf diese Stelle hingewiesen, in der der Graf von Holland den Reichsfürsten zugezahlt werde. Dem jüngeren Reichsfürstenstande hat er freilich spater nicht angehört, denn noch Dietrich VII. hat, wie wir sehen werden, einen vergeblichen Versuch gemacht, in ihn aufgenommen m werden. Aber unverkennbar ist doch, daB die Urkunde den Grafen von Holland gleichberechtigt neben den Bischof von Utrecht stellt. Aber auch an einer andern Stelle steht die grafliche Herrschaft urn diese Zeit bereits ebenbürtig neben der bischöflichen. Durch den Vertrag des Grafen Florens III. mit den ') OB I 133. 134, nach Jurii 18 wegen des zweiten Kaiserjahres Friedrich s. 2) St. 4056 = OB I 145. 3) . Gosses, Holland S. 22 f. bringt die Falschung St. 2645 mit dieser Entscheidung in Zusammenhang und spricht demgemaB S. 87 von dem falsum van 1156/65. Ich hatte dies_Stück allerdings zu 1156 angese^t, aber gleichzeitig darauf hingewiesen, daB das Privileg des Papstes Hadrian IV. vom 28. Juni 1159 OB I 139 eine sichere Spatgrenze für dasselbe bildet. Im übrigen vgl. je&t oben Bd. I4S. 180 ff. *) Vom Reichsfürstenstand I 112. IV. BIS ZUM TODE DIETRICHS VII. (1203). Der Zug nach Italien hatte dem Grafen Florens III. zwar, nicht die Reichsfürstenwürde, aber doch einen kaiserlichen Gunstbeweis eingebracht, der einen entscheidenden Schritt nach diesem Ziele hin bedeuten konnte. Auf dem Reichstag zu Worms im Januar 1179, an dem der Graf teilnahm1), wird es gewesen sein, daB ihm der Kaiser den eintraglichen Zoll zu Geervliet oberhalb Brielle an der unteren Maas zu Lehen gab2). Der Zollsatz betrug 5°/o! vom Geldwerte jeder Schiffsladung und muBte in Mark, also in gemünztem oder ungemünztem Silber, entrichtet werden. Hier ist offenbar die Einnahmequelle zu suchen, die dem Grafen die Errichtung einer Münzstatte ermöglichte; wir besitzen-zahlreiche Demare und Obolen, die seinen Namen tragen3). Mit Kaiser Friedrich I. ist Graf Florens III. bis zu dessen Tode in engster Verbindung geblieben. In Gemeinschaft mit seinem zweiten Sohne, dem Grafen Wilhelm I., zog er 1189 dem kaiserlichen Kreuzheere zu und nahm im Mai 1190 an der Erstürmung von Iconium durch die Armee, die des Kaisers altester Sohn, Herzog Friedrich von Schwaben, befehligte, hervorragenden Anteil4), starb aber am 1. August 1190 zu Antiochien am Fieber, wenige Wochen nach dem Tode seines kaiserlichen Lehnsherrn. Herzog Friedrich nahm sich des jungen Grafen Wilhelm anB). r~~ • ') v. Giesebrecht a. a. O., S. 904 Anm. *. 2) Diplom Heinrichs VI. vom 20. Oktober 1195, St. 4966, OB I 173. 3) van der Chijs a. a. O. (oben Bd. I S. 109) S. 67 und Tafel I. *) v. Giesebrecht a. a. O. VI, S. 226. 244. 273. 5) turn propter patris ipsius ad invicem habitam dilectionem, turn propter eiusdem iuvenis acceptabilem sibi strenuitatem. Annales Egmundani, S. 79. Die Zeit Wilhelms I. ff 1222). 47 Der Übertritt des Brabanters erfolgte zugleich mit dem des Erzbischofs Adolf von Köln im November 1204 Es wurde dabei in Aussicht genommen, die Grafschaft Holland als Reichslehn herzustellen; König Phüjpp versprach, quod Willelmo comiti Hollandiae feuda que pater suus et frater ab imperio tenuerunt, libre conferre debemus. Also nur Florens III. und Dietrich VII. werden als Inhaber von Reichslehen genannt. Am 6. Januar 1205 ist dann Philipp in Aachen auch von den niederrheinischen Fürsten zum König gewahlt und von Erzbischof Adolf gekrönt worden2). Ob Graf Wilhelm an dieser Wahl teilgenommen hat, bleibt ungewiB; aber daB er ihr zugestimmt hat, darf man auf Grund der vorausgegangenen Abmachungen des Brabanters wohl annehmen. Wenn eine Belehnung Wilhelms durch König Philipp erfolgt ist, so hat sie sich jedenfalls nicht auf Mittelfriesland erstreckt. Graf Wilhelm führt namlich 1205 und 12063) ein Gegensiegel mit der Umschrift .Willelmus comes Fresie', das die Belehnung Wilhelms durch einen Engel darstellt4). Erst nach der Belehnung Wilhelms durch Kaiser Otto im Jahre 1213 macht es einem den holiandischen Löwen zeigenden Wappenschild Plat}, auf dem der Reichsadler sujt5). Die Grafschaft Friesland wurde also vor diesem Zeitpunkt von ihrem Inhaber als Gotteslehn angesehen. Der Kampf um die Grafschaft Holland war aber noch lange nicht zu Ende. Ein neuer Angriff des Grafen von Looz^ führte zu einer Niederlage Wilhelms, deren Umfang wir aus dem Friedensvertrag von Brügge vom 14. Oktober 12066) zu erschlieBen vermögen. J) Regesta imperii V 86 b. 87. 88; vgl. Winkelmann, Philipp von Schwaben und Otto IV. von Braunschweig I S. 335. 8) Regesta imperii V 89 a. 8) OB I 203 und OB I 206. 4) Schlechte Abbildungen bei Kluit, Historia critica II 1, tab. X und XI. B) OB I 237, vom 22. Dezember 1213; Faksimile mit Siegelabbildung bei Kluit op. cit. tab. XII. «) OB I 206. 48 Die Zeit Wilhelms I. ff 1222). Er betrachtet als Reichslehn nur den Zoll zu Geervliet, von dem Graf Wilhelm eine Rente von 400 Pfund, Graf Ludwig das übrige ab imperatore seu rege Romanorum zu Lehen tragen soll. Die Grafschaft Holland wird mit Ausnahme des Dotalgutes von Wilhelms Mutter dem Grafen Ludwig zugesprochen. Wilhelm verpflichtet sich, in der curia des Bischofs von Utrecht und in der des Herzogs von Brabant seine Lehen feierlich aufzugeben und zu Dordrecht, Vlaardingen, Leiden und Haarlem seinen Mannen zu befehlen, dem Grafen von Looz und Holland zu huldigen. Dordrecht war, wie wir wissen, seit 1200 brabantisches Lehn; die drei anderen Orte deuten demnach den Umfang an, in dem Holland seit 1202 Lehn des Bischofs von Utrecht war. Doch wird jetjt für die Burggrafschaft Leiden und alles in ihr gelegene Allodialgut ebenso wie für vier zeelandische Insein der Graf von Flandern als Lehnsherr anerkannt; alles andere Land südlich der Maas, also die alte Grafschaft Strijen mit Geertruidenberg, soll Wilhelm von Flandern zu Lehen tragen (§ 3, 15). Aber damit nicht genug: Ludwig muB auch beim Bischof von Utrecht die terra Hollandiae zum Pfand für die richtige Einhaltung des Vertrages setjen; ebenso .seine flandrischen Lehen sowie beim Bischof von Lüttich und beim Herzog von Brabant, was er von ihnen zu Lehen tragt. Dieselbe Verpflichtung nimmt Wilhelm für sein flandrisches Lehn auf sich. Graf Ludwig aber erneuerte am gleichen Tage den Vertrag von 1167, der dem flandrischen Kaufmann freien Handel in Holland sicherte1). Dieser Friede bedeutete nicht nur die Depossedierung Wilhelms und die erneute Befestigung der bischöflichen Lehnsherrschaft über Holland, sondern die Aufteilung der Grafschaft unter die benachbarien Fürsten: in Dordrecht sollte der Herzog von Brabant, in Leiden der Graf von Flandern, im übrigen Holland der Bischof von Utrecht Lehnsherr sein. ') OB I 207. 54 Die Zeit Wilhelms I. (f 1222). eine Rente von 400 Mark bereiterklart, ihm auf Wunsch mit 25 Gewappneten und 500 bis 1000 Knechten zu Hilfe zu ziehen1). Herzog Heinrich von Brabant, der noch im November 1212 am kaiserlichen Hofe geweilt2), im April 1213 aber mit dem Gegner der Welfen, König Philipp Augustus von Frankreich, ein Bündnis geschlossen und sich mit seiner Tochter Maria verlobt hatte8), yerstandigte sich ein Jahr spater wieder mit Otto-und vermahlte am 19. Mai 1214 seine Tochter Maria dem mit denrTluche der Kirche beladenen Kaiser4). Seite an Seite haben dann Herzog Heinrich und Graf Wilhelm im Juli 1214 bei Bouvines für die englisch-welfische Sache gekümpft. Aber der Sieg blieb den Franzosen, und Herzog Heinrich beeilte sich, daraus mit der ihm eigenen Gewandtheit seine Folgerungen zu ziehen. Am 2. September schloB er einen Vertrag, der ihm die Belehnung mit Maastricht eintrug, mit König Friedrich8). Zwei Monate spater, am 5. November 1214, hat der Herzog seine Tochter Mathilde mit Florens, dem ültesten Sohne des Grafen Wilhelm, verlobt6). König Johann von England suchte die Verbindung mit djesem gleichwohl noch eine Zeitlang aufrechtzuerhalten; noch am 16. Marz 1215 hat er einen Bevollmachtigten an ihn abgefertigt7). Bald darauf aber finden wir den Grafen Wilhelm wieder an der Seite des staufischen Königs; eine von diesem arn^ 2. August 1215 in NeuB ausgefertigte Urkunde8) nennt neben Heinrich von Brabant auch ihn unter den Zeugen. 1) OB I 232. 233. 2) Regesta imperii V 491. 8) Recueil des historiens des Gaules XXVIII, S. 657 note. 4) Regesta imperii V 498ai. Es gesdiah non per episcopum vej per sacerdotem, sed per Wilhelmum Hollandie comitem. Reiner von Lüttjch SS. XVI 671. 6) Regesta imperii V 745. 6) OB I 245. ') OB I 246. 8) Lacomblet UB II Nr. 52. 58 Die Zeit Wilhelms I. (f 1222). erkennen können, wie es durch entsprechende Bestimmungen in dem Dordrechtér Privileg gedeckt ist1). - von OB I 235 teilweise erst aus der Zeit der Bestatigung lierrührt, wenn auch eine vergleichsweise frühzeitige Entwicklung des Stadtrechts von Geertruidenberg vorausgesegt werden kann, da schon von 1260 mit dem Stadtsiegel versehene Schöffenbriefe vorliegen (OB II Nalezing 33. 34). Aber auffallend ist doch, daB schon 1213 den Bürgern solle gewahrt worden sein, quod hereditas eorum ad proximum de directa linea consanguinitatis cuiuscunque conditionis extiterint, debeat devolvi. Die entsprechende Bestimmung in den Stadtrechten von Haarlem von 1245 OB I 412 und von Delft von 1246 gehört gewiB nicht zu den echten Bestandteilen dieser Urkunden (vgl. unten S. 83ö.). Ferner gibt OB 1235 die Heerbannleistung der Stadt in sol. Hollandenses an; es ist dies das erstemal, daB der hollandische Schilling urkundUich genannt wird. Aber noch 1261 wurden, wie aus OB II 74 hervorgeht, die Einkünfte aus der Pfarre zu Geertruidenberg in librae Lovanienses berechnet Endlich verleiht OB IJ235 den Bürgern völlige Zollfreiheit im ganzen graflichen Gebiet: in iurisdictione comitis nee in nundinis nee extra nundinas theiorüa exsolvent. Aber noch 1271 (OB II 216) nat Graf Florens V. den Bürgern zugestanden, quod infra Zuuthollandie nulla causa vel ratione precedentibus salva semper libertate ville nostre de Dordraco et iure nostri thelonii impeti, arrestari vel detineri possint in personis vel in bonis suis. Zu diesen inhaltlichen Anzeichen spaterer Überarbeitung kommen Übereinstimmungen des Formulars mit der 1273, also kurz vor der Bestatigungsurkunde OB II 284, entstandenen unechten Stadtrechtsurkunde für Haarlem von 1245 OB I 412 und der echten Urkunde Florens' V. für Haarlem vom 13. Dezember 1274 OB II 279. Man vergleiche: OB I 235 statutum est*%a scripto perhennare. Sane ego Wilhelmus Hollandie comes notum facio tam modernis quam posteris, quod opidanis de Monte s. Gertrudis concessi. OB I 412 scripturarum memoria ac ydoneorum virorum testimonio solent perhennari. Notum igitur sit tam presentibus quam posteris, quod ego Wilhelmus comes Hollandie... (S. 222 rechte Spalte): Preterea tale ius oppldanis memoratis concessi. OB II 279.... scripturarum memoria et ydoneorum virorum solent testimonio perhennari. Noscant quiquetam presentes quam posten, quod. Über die Diktatbeziehungen zwischen OB I 412 und OB II 279 vgl. Brandt (unten S. 83 Anm. 3) S. 17 ff. ') Der Text des Dordrechtér Privilegs, von dessen Or'ginal nur einige Bruchstücke erhalten sind, ist mit Hilfe der Nachurkunde von Die Zeit Wilhelms I. (f 1222). 56 Noch ein "drifter Ort hat vielleicht schon von Graf Wilhelm f. ein Stadtrechtsprivileg erhalten: Leiden. In der Bestatigung, die Graf Florens V. 1266 den Leidener Bürgern gewührt hat, OB II 151, erwahnt er antiquas eorum ipsis a meis progenitoribus concessas libertates, was mindestens bis zu Florens IV. zurückführt. DaB aber schon Wilhelm I. Aussteller des ersten Leidener Privilegs war, darf man vermuten auf Grund einiger Bestimmungen des Leidener Stadtrechts, die ahnlich schon in Wilhelms I. Privileg für Dordrecht erscheinen:. OB I 550 (aus der Vorurkunde). Si quis aiiquem leserit ad sanguinis èffusionem, 20 sol. Holl. persolvet iudici, nee non leso satisfactionem secundum scabinorum sententiam exhibebit. Preterea nee burgensis burgensem nee hospes hospitem nee aliquis ad duellum alium provocabit; nee aliquis aliuni de lite vel de pugna reum probare poterit nisi scabinus vel consiliarius vel in Durdrecht aliquis heredetatus. OB II 151. Qui alterum clava vel baculo percusserit, duarum librarum pena plectitur, et leso totaliter satisfaciet iuxta consilium iuratorum. ... nee ad examen duelli poterit aliquatenus provocari. Als wesentlichster Inhalt der von Wilhelm I. verliehenen Stadtrechtsprivilegien erscheinen Ablösung der Heerbannleistungen durch Geldzahlung, Abschaffurig oder doch Beschrankung des gerichtlichen Zweikampfes und Schut} des Stadtfriedens durch ein System maBiger GeldbuBen. Die harten Leibesstrafen nach dem Grundsafe der Talion sind in 1252 OB I 550 hergestellt worden von P. Van den Brandeler, Kronijk van het Historisch Genootschap 23. jaargang (1867) S. 16 ff. Die Androhung der Todesstrafe auf Totschlag, die sich in OB I 550 findet, hat in der Vorurkunde nicht gestanden. Ob Van den Brandeler die Strafe für schwere Verwundung ,perdet manum suam vel decem lb. Hollandenses' aus OB I 550 mit Recht in die Vorurkunde eingesefjt hat, scheint uns daher sehr zweifelhaft. 60 Die Zeit Wilhelms I. (f 1222). das stadtische Strafrecht in dieser Zeit allem Anscheine nach noch nicht eingedrungen. Eine Ratsverfassung und stadtische Selbstverwaltung besteht nur in Dordrecht. Der Graf verpflichtet sich, die von Justitiar, Schöffen und Ratmannen dieser Stadt erlassenen Verordnungen und die von den Schöffen gefallten Urteile anzuerkennen. DER KAMPF UM UTRECHT BIS 1234. In der weiteren Geschichte der Grafschaft Holland tritt das Problem der Entstehung des hollarfdischen Bürgertums allmahlich in den Vordergrund. Das hollandische Bürgertum des 13. Jahrhunderts ist in seinen führenden Schichten nicht aus der einheirnischen Bevölkerung hervorgegangen, sondern aus jzugewanderten Kaufleuten. Und zwar kreuzen sich zwei |Strömungen der Einwanderung und des politischen Einflusses:' eine niederfrankische von Flandern und Brabant her und eine niedersachsische, die von Stade, Hamburg, Lübeck ausgeht. Dieser Gegensatz ist aber nicht erst in der bürgerhchen Bewegung des 13. Jahrhunderts und nicht auf holiandischem Boden zuerst hervorgetreten; er ist in der politischen und iWirtschaftsgeschichte des ganzen niederfrankisch-niedersachsischen Gebietes auf Schritt und Tritt wahrzunehmen. Wir sind seinen Spuren auch in der bisherigen Geschichte Hollands schon begegnet; aber was sich hier abspielt, ist nur lAuslaufer einer weit umfassenderen Bewegung. Da nun die Entwicklung in Holland nicht unbeeinf luBt durch das benachbarte Utrecht geblieben ist, wo das Bürgertum schon seit Anfang des 12. Jahrhunderts eine politische Rolle spielt, so wird es dienlich sein, hier vorerst einen Bliek auf die Verhaltnisse in der nordniederlandischen Bischofsstadt zu werfen1). ^ Die mittelalterliche Geschichte Utrechts bewegt sich, wie die aller Bischofsstadte des Reiches, in einem steten Gegensatz von Bischofsstadt und Königsstadt, die als zwei ursprüng'lich getrennte Verwaltungszentrtn nebeneinanderliegen. Die Bischofe sind mit Erfolg bemüht, der bischöflichen Verwaltung ») Ich greife dabei auf manches zurück. was ich in Band XXVTI (1908) und XXVIII (1909) der Westdeutschen Zeitschrift ausgefuhrt habe. 62 Der Kampf um Utrecht bis 1234. auch die Königsstadt einzugliedern; aber ihre Bewohner zeigen sich stets geneigt, das unmittelbare Verhaltnis zur königlichen Gewalt herzustellen. Solche Bestrebungen treten jedoch erst hervor, seitdem ein neues Element zu der Bevölkerung hinzugekommen ist: das kaufmannische. Als sich Kaiser Heinrich V. zu Pfingsten 1122 in Utrecht aufhielt, erhoben sich die durch couiuratio verbundenen Bürger und bischöflichen Ministerialen gegen- ihn und nötigten ihm Zugestündnisse ab, die in dem Diplom vom 2. Juni 1122 '} verbrieft wurden. Der Kaiser bestatigt da non solum Traiectensibus ac Mudensibus, sed etiam omnibus, qui in illorum ambitu continentur, ius et consuetudinem ac privilegium ab episcopo Godebaldo concessum. Die Utrechter und Muidener verpflichten sich dagegen eidlich, das Bistum Utrecht in der l Treue zum Kaiser zu erhalten. Aus dem Inhalt dieses Diploms ist vor ailem die enge Verbindung der Utrechter mit den Muidenern hervorzuheben. Gemeinschaftlich haben sie von Bischof Godebald eine Ver- / briefung ihres Gewohnheitsrecht.es durch Privileg und von Kaiser Heinrich eine Bestatigung dieses Privilegs erlangt. Nicht stadtrechtliche Bestimmungen, sondern nur handelspolitische Vergünstigungen können also den Inhalt dieses Privilegs gebildet haben. Es muB an eine Gruppe von Kaufleuten verliehen worden sein, deren Mitglieder sowohl in Utrecht wie in Muiden die führende Schicht der Bevölkerung bildeten. Da diese Kaufleute auBer in Utrecht auch in Muiden ansassig waren, so waren sie die Trager des Einfuhrhandels, der sich von der Mündung der Elbe und Weser her durch das Wattenmeer bewegte und bei Muiden den Eingang des Binnenschiffahrtweges erreichte. Es waren also Kaufleute niedersachsischen Stammes; durch ihre Niederlassung ist in Utrecht zum ersten Male stadtisches Leben emporgeblüht. Die Form des Aufruhrs von 1122 ist die Schwurvereinigung, die coniuratio. Sie richtet sich nicht gegen den Bischof, sondern gegen den Kaiser: aber sie führt schlieBlich doch zu 3) OB I 111 = Stumpf 3178. Der Kampf um Utrecht bis 1234. 63 dem Ergebnis, daB eine direkte Beziehung der Stadt zur kaiserlichen Gewalt hergestellt und die bischöfliche Stadt- ' herrschaft ganz ausgeschaltet wird. Bischof Godebald, der bei dem Aufruhr in die Gefangenschaft des Kaisers gefallen war, wird in der Urkunde vom 2. Juni gar nicht erWühnt; aber ihre Worte lassen keinen Zweifel darüber, daB die Utrechter und Muidener auch gegen ihn dem Kaiser die Treue halten sollen. Wir erfahren aus dem kaiserlichen Diplom aber auch, daB die von den niedersachsischen Kaufleuten geleitete Utrechter Bürgerschaft damit beschaftigt war, eine Stadtbefestigung anzulegen. Eine in St. 3178 erst nach Aufzahlung der Zeugen, aber von derselben Hand wie das übrige hinzugefügte Bestimmung besagt darüber: Omnes etiam, qui Traiectensem , civitatem munire debent vallo, ab omnimodo theloneo liberos esse concedimus, quandocunque civitatem causa mercandi adierint. Die Neigung der Königsstadt zum ZusammenschluB gegen die bischöfliche Stadtherrschaft macht sich im Laufe des 12. Jahrhunderts noch mehrfach bemerkbar. Gegen Bischof Andreas (1128—1139) verbinden sich seine Ministerialen, von Kaiser Lothar begunstigt, mit Florens, dem Bruder Dietrichs VI. von Holland, und verschanzen sich im Marienstift westlich der Marktparochie, die 1131 zuerst erwühnt wirdJ). Im Jahre 1159 aber erlebt die Stadt eine neue coniuratio; im Bunde mit dem Grafen von Geldern, "Mem Vogt des Marienstiftes, schlieBen sich Bürger und Ministerialen zum Aufruhr gegen Bischof Gottfried (1156—1178) zusammen2). In den 1170 er Jahren kann man nun audTni Utrecht das Vordringen des flandrischen Handels wahrnehmen. Es erfolgt anscheinend vom Niederrhein her. Aus einem Diplom Friedrichs I. vom 29. Mai 11738) erfahren wir, daB der Kaiser auf Bitten des Grafen Philipp von Flandern den Kauf- J) Annales s. Mariae MO SS. XV 1302; vgl. meine Ausführungen Westdeutsche Zeitschrift XXVII 208. 2) Ebenda S. 214 f. a) St. 4146 = Hansisches UB I 23. 64 Der Kamp/ um Utrecht bis 1234. leuten dieses Landes zwei Jahrmarkte zu Aachen für den Verkehr zu Lande und zwei Jahrmarkte zu Duisburg für den Verkehr zu Wasser gewahrt hat. Es wird zugleich angeordnet: Quicumque mercatores sive Flandrenses sive alii bona sua cuiquam crediderunt, coram iudice et scabinis haéc faciant, qui testimonium rei creditae perhibeant. Keine Beziehungen zum flandrischen Handel lassen sich um diese Zeit bei den Thieler Kaufleuten nachweisen. DaB sie unter dem Schutze kaiserlicher Privilegierung schon im Anfang des 11. Jahrhunderts ihr Kaufmannsrecht zu festen Formen ausgebildet hatten, ist aus der oft erlauterten Stelle bei Alpert von Metz x)f zur Genüge bekannt, ebenso aus anderen Quellen2) ihr auch im 12. Jahrhundert blühender Handel mit England. Um 1174 aber lebten auch sie nach frankischem Schöfienrecht; als sich die Bürger von Utrecht bei Kaiser Friedrich über unrechtmaBige Erhebung von Zoll in Thiel beschwerten, sandte er sie an seine Schöffen in Thiel, um die Wahrheit festzustellen3). Verwandtschaft mit der flandrischen und der Thieler Wirtschaftspolitik la£t sich nun in den unechten Utrechter Urkunden St. 3179 und OB I 1134) aufzeigen, die um 1178 entstanden sind. In St. 3179 heiBt es: Quicunque mercandi causa civitatem intraverint, tam ipsi quam bona eorum sub iudicio illorum maneant, qui pubhce iuraverunt iustum iudicii dare sententiam, id est scabinorum. Es ist dies die erste Erwahnung von Utrechter Stadtschöfien. Die Absicht des Falschers geht also dahin, allen Kauüeuten und ihren Wareu Rechtsprechung nach frankischem Schöifenrecht zu sichern. Andrerseits fordert er, daB bei Zollhinterziehungen der Betrag des Königsbanns in Thieler Münze entrichtet werden soll5). ') MG SS. IV 718 ff. ;2) Zum Beispiel Hansisch.es UB III S. 391. » 8) Diplom vom 2. August 1174, St. 4168 = Hansisches UB I 24. *) Vgl. über sie unten ErgSnzènde Untersuchungen 1. s) Quicunque infra teiminum huius thelonei venerit et de hoe convictus fuerit, quod iustum theloneum dolose detulerit, tria talenta Tielensis monetae solvat. Der Kamp/ um Utrecht bis 1234. 65 Das Talent ist nach den einleuchtendenDarlegungenHilligers*) ein Zahl- odor Rechnungspfund, welches angewendet wurde, um den Betrag von 20 Schillingen, der in 'karolingischer Zeit auch dem Gewichte nach einem Phmd gleichgekommen war, unabhangig von dem stark gesunkenen Gewichtswert des Denars auszudrücken. Die Summe von 3 Talenten bedeutet also 60 Schillinge oder den Betrag des Königsbannes; sie ist für Zuwiderhandlungen gegen die Anordnungen der örtlichen Regalienverwaltung zu entrichten. Versuchen wir nun den wirtschaftspolitischen Zielen der beiden Falschungen noch naher zu kommen, so iönnen wir an unsere Ausführungen von 1908 über diese beiden Stücke8) anknüpfen. St. 3179 beschaftigt sich mit den finanziellen Leistungen der fremden Kaufleute an die Utrechter Marktverwaltung. SchultheiB, Kastellan und honestiores cives Traiectensium führen Klage de violenta iniuria, quam in theloneo Traiecti constituto sustinuerunt, dicentes, quod contra antiquam et ratione subnixam consuetudinem a mercatoribus civitatem illam frequentantibus graves cotidie f ierent exactiones. Es werden darauf die Zollsatze für die Kaufleute aus den verschiedensten Landern festgestellt, und zum SchluB wird die oben schon angeführte Bestimmung über den gerichtlichen Schutz getroffen, den die fremden Kaufleute bei den Stadtschöffen genieBen sollen. Die Belastung der fremden Kaufleute mit zu hohem Zoll wird demnach von den honestiores cives von Utrecht, aus deren Kreisen die geschworenen Schöffen hervorgehen, als unrechtmaBig verworfen. Sie befinden sich im Gegensatz zur Zollverwalturg. Die in St. 3179 vertretene Wirtschaftspolitik war dem Handel der Küstengebiete mit dem skandihavischen Norden von der Zeit Heinrichs des Löwen her vorgezeichnet. Er hatte 1158 den Kaufleuten aus Danemark, Schweden, Norwegen und RuBland freien Handelsverkehr in Lübeck und 1163 den Gotlandern, in Bestatigung eines Privilegs des Kaisers Lothar, ) Historische Vierteljahrsschrift III 171. 'Ó Westdeutsche Zeitschrift XXVII 206 f. 223 f. Oppermann, Untersuchungen zur nordniederlandischen Geschichte. 5 66 Der Kampf um Utrecht bis 1234. Zollfreiheit in seinen Stadten zugesichert. Lübeck lieB sich 1181 von Friedrich I. und noch 1226 von Friedrich II. bestatigen, daB Russen, Gotlander und Skandinavier absque theloneo et hansa in der Stadt sollten Handel treiben dürfen*). Das ist auch der Standpunkt der Fülschung St. 3179, die Friesen, Sachsen und Danen gegen willkürliche Erhöhung der von ihnen bisher gezahlten Zölle schützt und den Handel der Norweger für ganz zollfrei erklart. I Die Handelspolitik des Utrechter Patriziates, die das Patriziat der Regalienverwaltung bekampft, ist demnach darauf gerichtet, dem nordisch-niederdeutschen Handel günstige Absatzbedingungen in Utrecht zu sichern. Natürlich nicht um der fremden Kaufleute willen, sondern um die Zufuhr zu den vier Messen zu heben, die nach OB I 113 alljahrlich in Utrecht gehalten werden. In dieser Falschung sagt Bischof Godebald, er habe sich durch die Bitten einiger Bürger bewegen lassen, zwei dieser Jahrmarkte, den zu Maria Geburt und den zu Martini stattfindenden, die bisher ebenso wie die beiden andern im Utrechter Marktviertel, dem vicus Stathe, gehalten worden seien, nach dem Novum fossatum zu verlegen, das heiBt nach der heutigen Oude Gracht , die im westlichen Burggraben des Kastells Utrecht nach Norden verlief und nördlich dieses Kastells in den Schiffahrtsweg nach der Zuiderzee einmündete2). Der neue MeBplatz, dem gegenüber der vicus Stathe als inferior pars civitatis bezeichnet wird, lag demnach offenbar an der Stelle des heutigen Fischmarktes, das heiBt innerhalb des Kastells bei der Maartensbrug. So daB also die an den Festtagen des Domes abgehaltenen Markte durch die Verlegung zu grundherrlichen Markten des Domstiftes wurden. OB I 113 berichtet nun weiter, der gröBte Teil der Stadt und alle Kaufleute hatten sich gegen diese Neuerung gewehrt und geltend gemacht, alle vier Messen seien unter allen Vorgangern des Bischofs im vicus ') Vgl. meine Ausführungen Westdeutsche Zeitschrift XXVII 226 und R. Hapke, Hansische Geschichtsblatter XIX (1913) S. 167 f. a) Man vergteiche den Stadtplan Westdeutsche Zeitschrift XXVII189. Der Kampf um Utrecht bis 1234. 67 Stathe gehalten worden, und Godebald habe daraufhin, auf Vorstellung des Herzogs von Löwen, der Herren von Kuik und anderer Getreuer, die Rückverlegung der Septemberund November-Messe dorthin angeordnet. Ob die vier Jahrmarkte tatsachlich schon unter Bischof Godebald und seinen Vorgangern bestanden, kann man diesem Inhalt eines unechten Textes natürlich nicht entnehmen. Jedenfalls aber handelt es sich um eine Einrichtung, die durch den nach Utrecht vordringenden niederfrankischen Handel hervorgerufen worden ist. Die Vertreter dieses Handels suchen auch in Utrecht den Grundsatzën der flandrischen Wirtschaftspolitik: freier Durchgangsverkehr und Unterstellung aller Kaufleute und ihrer Waren unter frankisches Schöffenrecht, Geltung zu verschaffen, und sie wehren sich zugleich gegen die fiskalischen Bestrebungen der bischöflichen Beamten. Im Einverstandnis mit diesem kaufmannischen Patriziat befinden sich, wie aus OB I 113 hervorgeht, der Herzog von Brabant und die Herren von Kuik, welch letztere Inhaber der Grafschaft waren; ferner aber auch, wie sich aus der Schrift der beiden Falschungen ergibt, die hollandische Partei in Utrecht, die ihren Mittelpunkt im Marienstift hatte. Der kommunalen Unabhangigkeitspolitik des seiner Herkunft nach niedersachsischen Patriziates ist somit in Utrecht seit den 1170 er Jahren eine durch niederfrankische Kaufleute bestimmte Politik gegenübergetreten, welche die Stadt unter Schöffenrecht zu bringen suchte. Es war zugleich ein wirtschaftspolitischer Gegensatz. Das Patriziat hatte unterdessen den Zoll an sich gebracht, dessen ursprünglicher Verwalter, der Ministerialenzöllner, noch 1116 und 1127x) genannt wird, dann aber aus der Uberlieferung verschwindet. Die von dieser Gruppe geleitete Kommunalpolitik war demgemaB darauf bedacht, die Fremden kraftig zu den finanziellen Leistungen der Stadt heranzuziehen. Für die frankischen Kaufleute dagegen war Utrecht in erster Linie MeBplatz; ihnen *) BMHG XXX S. 204; OB I vtf! .V/f 5* Der Kampf um Utrecht bis 1234. 71 gegen Entwertung durch Erzeugnisse der friesischen Münzstüiten dadurch geschütjt, daB sie eine feste Beziehung der dort geschlagenen zu den Utrechter Denaren ausbedungen haben. Hinter dieser Münzpolitik muB natürlich eine Gruppe | des Utrechter Patriziates gestanden haben, welche enge Beziehungen zu den Münzem hatte oder sie mitumfaBte. Diese Utrechter Münzreform entsprlcht der Wirtschaftspolitik, die um dieselbe Zeit das Lübecker und Hamburger Bürgertum verfolgte. Durch kaiserliches Privileg hatte sich Lübeck 1188, Hamburg 1189 das Recht gesichert, die von den dortigen Münzern gepragten Denare auf Gewicht und Feingehalt prüfen zu lassen*). Man darf es angesichts dieses Zusammerihangs als wahrscheinlich bezeichnen, daB das Utrechter Patriziat schon zur Zeit der Errichtung des Stadtrates von 1196 durch niedersüchsische Kaufleute maBgebend beeinfluBt war2). Die Wirtschaftspolitik dieser Reichskaufleute muBte darauf bedacht sein, sich des italienischen Kapitalismus zu erwehren, der von der Kurie als Hilfskraft im Kampfe gegen die reichstreue Kirche aufgeboten wurde. Die neue Kapitalmacht war vermöge ihrer überlegenen Organisation und der ihr von den Püpsten bereitwillig gewahrten Unterstütjung durch Kirchenstrafen ein auBerordentlich gefahrlicher Gegner. Geschaftliche Verbindungen reichsdëutscher Pralaten mit italienischen Bankhausern sind seit dem Ende des 12. Jahrhunderts nachweisbar8), und der früheste uns bekannte Fall betrifft das Bistum Utrecht. Infolge^ der Verschuldung, in die der 1196 verstorbene Bischof Balduin II. durch seine vielen Kriege das Land gestürzt hatte, war der Elekt Dietrich von Holland genötigt gewesen, für den Rechtsslreit, den er an der Kurie um das. ') Vgl. Bloch, Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte XVI (U\A) S. Hf. 2) Vgl. auch F. Rórig in derselben Zeitschrift XVII (1915) 27 ff. ') Vgl. die Zusammenstellung bei A. Sohulte, Geschichte des mittelalterlichen Handels und Verkehrs zwischen Italien und Westdeutschland I S. 247 ff. 76 Der Kampf um Utrecht bis 1234. 19. April 1234 durch scultetus, scabini, consules ac iurati civitatis Traiectensis ausgestellten Urkunde, deren Inhalt in letjter Zeit mehrfach erörtert worden ist1). Sie zeigt die Stadtverwaltung von der Hanse beherrscht; die Rheinkaufleute sprechen im AnschluB an die Ratsverordnung ihre Zustimmung zu derselben aus und fügen ein Hansestatut hinzu. Die Ratsverordnung sichert allen Utrechter Bürgern, und nur ihnen, das Recht des Weinzapfens. Aus der Gesamtheit der Bürger, die auf diese Weise begünstigt werden, ist demnach offenbar der Rat durch Zuziehung der iurati erganzt worden. Nach dem Hansestatut besitjt die Hanse das Monopol der Weineinfuhr auf dem Rhein; von W. Stein wird das unseres Erachtens zu Unrecht bestritten. Das Statut rechnet allerdings mit dem Fall, daB einer, der aus der Hanse gestoBen ist, allein in Köln Wein einkauft, boykottiert aber diese Ware. Der Rat erkennt das alles an, indem er das Statut in seine Verordnung aufnimmt. l) Vgl. meine Ausführungen Westdeutsche Zeitschrift XXVII (1908) 256ff.; W. Stein, Hansische Geschichtsblatter 1909 S. 74ff.; H. BachtJhold, Der norddeutsche Handel im 12. und beginnenden 13. Jahrhundert (1910) S. 51 ff. Die Urkunde ist in den bisherigen Drucken (Codex diplomaticus Neerlandicus I Nr. 15 = Hansisches UB I 254) nach Circumcisionsstil datiert und demgemSB zum 30. Marz 1233 angesegt. Ich habe a. a. O. dargelegt, daB dies Datum nicht annehmbar ist. Die Zuziehung von Geschworenen zur Körperschaft der Schöffen und Rate bedeutet doch, daB Bevölkerungskreisen, die bisher keinen Anteil am Stadtregiment besaBen, ein solcher je&t zugestanden ist. Es ist nun durchaus unwahrscheinlich, daB noch zu Lebzeiten des Bischofs Wilbrand, unter dem die Ratsverfassung wieder aufgekommen war, eine Gegenbewegung gegen sie Erfolg gehabt haben solle. Sind doch auch im Jahre 1267 die oudermanni confratei nitatum zum Stadtregiment von Schöffen und Konsuln kurz nach dem Tode des Bischofs Heinrich zugezogen worden (vgl. meine Ausführungen Westdeutsche Zeitschrift XXVIII 210 ff.). Diese Erwagungen nötigen zu der Annahmè, daB die Urkunde in das erste Jahr des Elekten Ottos III. fallt, der nachweisbar seine Urkunden nach Osterstil datiert hat. Ich muB demnach gegen Stein und Bachthold an dem Datum: 19. April 1234 festhalten. Der Kampf um Utrecht bis 1234. 77 Als Ganzes richtet sich demnach die Ratsverordnung gegen Kaufleute, die nicht der Hanse angehören; sie sollen vom Weinhandel in Utrecht ausgeschlossen sein. Die unter Zustimmung des Utrechter Stadtrates durchgeführten kommunalpolitischen Grundsatje der Utrechter Hanse von 1234 sind dieselben wie die der Dordrechtér Hanse von 1201x); wie diese Nichtmitgliedern den Tuchhandel verwehrt, so jene den Weinhandel. Die brabantisch-niederfrankische Kaufmannspartei, dieselbe, von der die Falschungen von 1178 ausgegangen sind, hat somit in der Utrechter Kommunalverwaltung 1234 die Herrschaft. Diese Herrschaft ist, wie die Zuziehung von Geschworenen zeigt, wieder errungen oder befestigt worden, indem einer breiteren Bevölkerungsschicht Zugestandnisse gemacht worden sind. Wührend der 15jahrigen Regierung des Bischofs Otto III. von Holland hören wir vom Utrechter Bürgertum nichts. Im folgenden Jahrzehnt aber tritt die niedersachsische Partei desselben wieder hervor, und zwar im Bunde mit Giselbert III.' von Amstel. ') Vgl. oben S. 42. VIL HOLLAND UNTER FLORENS IV. UND WILHELM II. (1222-1256). Graf Florens IV. (1222—1234), der anfaiigs unter Vormundschaft des Grafen Balduin von Bentheim regierte, hat trotz der für Holland ungünstigen Entscheidung in der zeelandischen Frage die Beziehungen zur Reichsgewalt nicht abgebrochen. Im Mai 1222 war er auf dem Reichstag zu Coblenz anwesend, als der junge König Heinrich dem Herzog von Brabant die von König Philipp und König Friedrich (1219) empfangenen Lehen bestatigte *). Die Herstellung des Lehnsverhültnisses zu Flandern ist denn auch von den für die hollandische Politik maBgebenden Persönlichkeiten anscheinend als wünschenswert empfunden worden. Für die Einhaltung des Lehnsvertrages, der 1226 und 1227 erneut wurde, haben sich die Grafen von Bentheim und Geldern und eine Reihe von holiandischen Edeln verbürgt2) Mag bei einigen dieser Herren der Wunsch, mit der Reichsgewalt im Einvernehmen zu bleiben, maBgebend gewesen sein, so ist doch von einem Eingreifen derselben in niederïandische Verhaltnisse seit der ErmordungdesReichsverwesers Erzbischof Engelbeft (November 1225) nichts mehr zu spüren. Der Streit des Grafen Florens mit dem Bischof von Utrecht über Mittelfriesland und andere Dinge wurde im Januar 1226 durch einen Schiedsspruch de's papstlichen Legaten Kardinal Konrad von Urach geschlichtet8). >) van Mieris, Charterboek I S. 180. 2) OB i 298. 305. Vgl. L. Pabst, Die aufiere Politik der Grafschaft Flandern unter Ferrand von Portugal, Bulletins de la Commission royale d'histoire de Belgique LXXX (1911) 152 f. 3) OB I 294. Winkelmann, Kaiser Friedrich II., Bd. I 400 f. Holland unter Florens IV. und Wilhelm 11. (1222— Doch kann von einer selbstandigen holiandischen Politik des jungen Grafen kaum gesprochen werden; bei der Utrechter Bischofswahl von 1227 erscheint er durchaus als Miflaufer seines Oheims, des Grafen von Geldernx). Die Anlehnung Hollands an die östlichen niederlandischen Territorialfürsten tritt auch sonst hervor. Bischof Wilbrand, der sich, wie wir wissen, durch Gefügigkeit gegen Rom nicht auszeichnete, nahm am 19. Februar 1230 auf Bitten des Grafen und seiner Gemahlin das neugestiftete hollandische Hauskloster Loosduinen, obwohl es mit Mönchen des sonst allenthalben von Rom privilegierten Zisterzienserordens besetzt war, in den Schutz der Utrechter Kirche auf durch ein Privileg, das die püpstlichen Formen in ostentativer Weise nachahmt2). Für den jungen Grafen Wilhelm II (geb. 1227) wurde die Regierung zunachst in Gemeinschaft mit einem Rat von Edeln von Florens' IV. Bruder Wilhelm geführt, der aber schon 1238 starb; dann noch kurze Zeit von Florens' ültestem Bruder, dem Elekten Otto von Utrecht3). Neben ihnen hatte Graf Dietrich von Kleve, wohl als Verwandter der noch immer lebenden Witwe Dietrichs VU. von Holland, der tatkraftigen Aleidis von Kleve, entscheidenden EinfluB. Die Witwe Florens' IV., Mathilde von Brabant, die sich von der Grafin von Flandern die vcrmundschaftliche Regierung über Zeeland hatte übertragen lassen, wuBte er zum Verzicht auf dieselbe zu bewegen4), und im Februar 1238 zog ihm eine hollandische Flotte rheinaufwürts zu Hilfe, als er einen Angriff auf das Gebiet des Erzbischofs Heinrich von Köln unternahm5). Aus der Zeit der Selbstregierung des jungen Grafen verdient ein Mandat vom 2. Juni 1244 an die SchultheiBen und Justitiare des ganzen Landes Erwahnung'. Alle, die gegen die Zisterziensermönche der Abtei Dunes eine Sachforderung >) Vgl. Westdeutsche Zeitschrift XXVII 253. a) OB I 326 (zu 1231). 3) OB I 353. 361; de Frémery, Cartularium der abdij Marienweerd Nr. 59. Vgl. Bolhuis van Zeeburgh, BVG. Nieuwe reeks X 74 ff. *) OB I 355 (1235). T') Chronica iegia ed. Waig S. 272. 80 Holland unter Florens IV. und Wilhelm II. (1222—1256/. haben, sollen dahin beschieden werden, daB sie Recht und Gericht des Landes, in dem der Streitgegenstand sich befindet, anerkennen sollen. In Verbindung mit der am gleichen Tage erfolgten Erneuerung des Zollprlvilegs vom Dezember 1231 bedeutet das für die in Holland handelnden Mönche des Klostere dieselbe gerichtliche Sjonderstellung, die seit 1167 den flandrischen Kaufleuten zugestanden war. Von Beziehungen Hollands zum Reiche findet sich unter Graf Wilhelm II. auch nicht die leiseste Andeutung. Und doch hat man noch in der ersten Halfte des Jahres 1246 schwerlich daran gedacht, sich den Pflichten gegen das staufische Kaisertum zu entziehen. Sonst würde nicht in dem graflichen Privilesg für Delft vom 14. April 1246, das unten zu besprechen ist, die Fahrt in curiam imperatoris vorgesehen sein1). Allerdings hat Papst Innozenz IV. schon einige Monate vorher, gleich nachdem er die Absetzung des Kaisers ausgesprochen hatte (17. Juli 1245), mit den beiden altesten Klöstern des Landes, Egmond und Rijnsburg, angeknüpft. Am 31. August 1245 erneuerte er ihnen das Privileg von 1140, durch das sie in den papstlichen Schutz aufgenommen worden waren2). Am 4. und 5. Juni 1246 hat dann Egmond einen AblaBbrief für die Besucher des Grabes des hl. Adalbert sowie ein groBes Privileg erhalten; wir wiesen schon darauf hin, wie damit der politischen Agitation der Kurie gedient werden sollte8). Aber daB es ihr damit auch schon gelungen ware, die grafliche Regierung von der staufischen Sache abzuziehen, ist doch nicht erweislich; Abt Lubbertus erscheint in einer Vertrauensstellung zum Landesherrn erst nach dessen Königswahl4). ') V^ unten S. 84 Anm. 3. 2) OB I 411. fMM 8) OB I 423. 424. Vgl. oben Bd. I S. 172 f. 4) Die Nachricht Bekas (S. 79), König Wilhelm habe gleich nach seiner Krönung den ^Vbt von Egmond zu seinem Vizekamler bestellt, hat Hintje, Das Kiinigtum Wilhelms, von Holland (1385) S. 27 mit Recht völlig verworfen. Das von Beka S. 87 ohne Datierung mitgeteilte Schreiben des Königs, das den Abt als Vizekanzler bezeichnet, gehört zu 1255: Regesta imperii V 2, 5239. Hólland unter Florens IV. und Wilhelm II. (1222—1256). 81 Der Umschwung, der diese schlieBlich herbeiführte, ist vielmehr erst seit dem Herbst 1246 angebahnt worden, und zwar von Brabant her. Johann von Avesnes, Sohn der Grafin Margarete von Flandern und Hennegau aus deren erster, nicht zweifellos legitimer Ehe, wollte sich mit der Grafschaft Hennegau nicht zufrieden geben. Er erstrebte auch Reichsflandern und Zeeland, und die Ehe, die er um die Wende des Jahres 1245 mit Aleidis, der Schwester des Grafen Wilhelm von Holland, geschlossen hatte, sollte ihn seinem Ziele naher bringm. Die Verwirklichung dieses Planes hatte das Aufhören der flandrischen Lehnsherrschaft über Reichsflandern und Zeeland bedeutet und damit eine ungemein günstige Veranderung der Lage für Brabant. Sehr möglich deshalb, daB Hersog Heinrich an dem Plane der Avesnes von vornherein nicht unbeteiligt war; jeden'alls hatte er maBgebenden EinfluB auf ihre Politik. Nachdem ihnen im Juli 1246 ein Schiedsspruch des Königs von Frankreich und eines papstlichen Legaten nur den Hennegau zugesprochen hatte1), versprachen am 20. August 1246 Johann und sein Bruder Balduin, in allen die Ehe Johanns mit Aleidis von Holland, des Herzogs Nichte, betreffenden Angelegenheiten sich seinem Rat und seiner Entscheidung fügen zu wollen2). Da Herzog Heinrich auch mit dem Grafen Otto von Geldern und dessen Bruder Heinrich im Einvernehmen war, der im folgenden Jahre zum Bischof von Lüttich gewahlt wurde und den Avesnes alsbald mit dem Hennegau belehnte3), so treten die Linien der brabantischen Politik mit genügender Deutlichkeit hervor: sie waren auf eine niederlandische Vormachtstellung, auf Erneuerung der lothringischen Herzogsgewalt gerichtet, die der Herzag noch immer in seinem Titel führte*).. ') OB I 427. 2) OB I 430. Formell wurde der Graf von Looz zum Schiedsrichter bestellt, was aber praktisch auf die oben angeführte Regelung hinauslief. f) H. Brosien, Der Streit um Reichsflandern (1884) S. 5f. 4) OB I 430: ob dilectionem quam gerimus erganoLilem virum Henricum ducem Lotharingie et Brabantie. Oppermann, Untersuchungen zur nordniederlandisch'en Geschichte. 6 Holland unter Florens IV. und Wilhelm M (1222—1256). 85 Einschrankungen und Beschrankung der Heerfahrtpflicht gegen eine jahrliche, an Richardis und nach deren Tode an den Landesherrn zu zahlende Abgabe von 50 Pfund. Die strafrechtlichen Bestimmungen schützen, ahnlich wie in 's Gravezande, gegen Totschlag durch ein Wergeld von 32 oder, wenn er im eigenen Hause erfolgt, 64 Pfund. Über Alkmaar berichtet eine Urkunde des Grafen Wilhelm vom 5. November 1248'), daB der Abt von Egmond in seinem und seiner Kirche Namen auf die Halfte der Stadt Alkmaar, die mit Simon von Haarlem von den graflichen Bevollmachtigten abgeteilt worden sei, sowie auf den Zoll und das MaBgeld zugunsten des Grafen verzichtet habe. Ob Simon von Haarlem die andere Halfte der Stadt besaB oder als grafücher Bailli verwaltete, wird nicht deutlich. In jedem Fall ermöglichte erst diese Erwerbung dem Landesherrn die Verleihung des Privilegs vom 11. Juni 1254, von dem spater die Rede sein soll. Eine auf bestimmte politische Ziele gerichtete Politik des Bürgertums ist in diesen bescheidenen Zeugnissen stadtischen Lebens erkennbar. Man ist darauf bedacht, in den Stadten ein einheitliches Schöffenrecht zur Anerkennung zu bringen und die PUichten gegen den mittelalterlichen Militarstaat durch Geldzahlungen ganz oder doch teilweise abzulösen. Angesichts der spateren Entwicklung kann behauptet werden, daB diese Bestrebungen von brabantischen Kaufleuten ausgegangen sind, wo die Stadte schon 1244 eine politische Rolle spielen2) und noch 1312 im Brief von Cortenberg ganz entsprechende Forderungen vertreten3). Von einer be- !) OB 1476. Vgl. über sie Brandt, Nederl. Archievenblad 1920—21, S. 41. *) lm Marz 1244 verbürgen sich Löwen, Brüssel, Antwerpen, 's Hertogenbosch, Léau und Thienen unter ihren Siegeln für den von Herzog Heinrich mit Graf Dietrich von Hochstaden geschlossenen Vertrag über die Burg Dalhem. Bondam, Charterboek S. 443 Nr. 37. 8) Miraeus, Opera II S. Iul3; Nos aut heredes aut successores nostri nullas unquam oblat.ones, subsidia, indicUones aut exactiones populo irrogabimus nisi occasione et causa equestris militiae, conjugii aut captivitatis. 86 Holland unter Florens IV. und Wilhelm II. (1222—1256/. herrschenden Stellung des brabantischen Kaufmanns im holiandischen Wirtschaftsleben aber kann noch keine Rede sein. Selbst in Delft, wo der brabantische EinfluB am deutlichsten sichtbar wird, ist das Wergeld noch nicht durch die Talion verdrangt. Sie erscheint erst einige Jahre spater, als am 28. Januar 1252 den Bürgern von Dordrecht ihr Privileg von 1220 erneuert wurde1). Dem Inhalt der Vorurkunde wurden bei dieser Gelegenheit strafrechtliche Bestimmungen eingefügt, die schwere Verwundung mit Verlust der Hand, Totschlag mit dem Tode bedrohen. Ein Privileg, das einerseits dem für Delft, andererseits dem für Dordrecht verwandt war, muB Graf Wilhelm in Bestatigung einer Vorurkunde Wilhelms I. oder Florens' IV. für Leiden ausgefertigt haben. Wir können es aus der Nachurkunde Florens' V. von 1266 OB II 151, die wir oben (S. 7) schon anführten, erschlieBen. Auf die in ihr vorkommende Ablösung der Heerbannleistung, die der im Delfter Privileg entspricht, hat Brandta) schon hingewiesen; mit dem Dordrechtér Privileg berühren sich einige Strafrechtssaljungen8). Mit Hilfe der Handfeste Florens' V. für Vlaardingen vom 14. Mai 1273 OB II 249 lassen sich ferner mindestens zwei altere Privilegiën für diese Stadt feststellen. Florens gewahrt den Bürgern von Vlaardingen, progenitorum nostrorum vesjtigia imitantes, ab omnibus exactionibus, tributis et taliis libertatem, et ut ipsi in suis negotiationibus per totum nostrum *) OB I 550. 2) a. a. O. S. 47 Anm. 1. 3) OB I 550. OB II 151. Siquisaliquemgravivulnerevul- Qui alteri vulnus intulerit quod neraverit vel aliquem percusserit natewonde vulgariter dicitur, matale vulnus quod athebare dicitur, nus amputatione plectetur, si in et hoe scabinis notum fuerit, perdet ipso facto fuerit deprehensus manum suam vel decem libras Qui alteri manum, pedem vel Hollandenses. brachium amputaverit vel oculum extraxerit, decem hbrarum pena plectetur, et ego leso emendarï faciam iustitia mediante. Holland unter Florens IV. und Wilhelm II. (1222—1256). 87 districtum Hollandie et Zeelandie cum bonis propriis absque teloneo libere valeant proficiscix). Sie haben also Abgabenund Zollfreiheit, wenn nicht schon von Wilhelm L, so doch von Florens IV. und Wilhelm II. erhalten. Wie die Leidener Stadtverfassung unter Wilhelm II. eingerichtet war, bleibt ungewiB. In jedem Falie nimmt Dordrecht gegenüber Haarlem, Delft, Alkmaar2), 's Gravezande eine Sonderstellung ein. In Dordrecht herrscht nicht, wie in allen diesen Stadten, Schöffenrecht, sondern Ratsrecht. In diesem Punkte berührt sich Dordrecht mit Utrecht, wo eine Ratsverfassung schon 1196 errichtet worden war und seit 1229/30 ununterbrochen bestand. Unter diesem Umstanden verdienen die politischen Beziehungen Utrechts zu Holland unsere besondere Aufmerksamkeit. Sie sind verflochten mit dem Aufstieg der Herren von Amstel8). Im Marz 1226 hat Giselbert II. von Bischof Otto II. die Gerichte zu Muiden, Weesp und Diemen, die er bisher gemeinschaftlich mit Heinrich von Velden innehatte, allein in Erbpacht erhalten4); mit dem Gericht zu Muiden war die Verwaltung des dortigen Zolles verbunden. Schon Giselbert II. besaB wohl auch das steinerne Haus in Utrecht, das Giselbert III. 1232 dem Grafen Florens IV. von Holland zu Lehen auftrug5). Durch die doppelte Beziehung zu den Kaufleuten in Muiden und Utrecht, die untereinander, wie wir wissen, in enger Verbindung standen, und zum Grafen von Holland ist die Politik Giselberts III. bestimmt. }) Der Wortlaut ist dem des Leidener Privilegs OB II 151 nahe verwandt, wo es heiBt: Opidani in Leyden nullas talgias, tributa vel exactiones quocunque nomine teneantur michi vel aio dabunt... Per totum districtum meum Hollandie videlicet et Zelandie in omnibus suis negociationibus absque theloneo eis liceat libere proficisci. Doch bleibt ungewiB, ob diese Übereinstimmung auf gleichlaütende Vorurkunden zurückgeht. 2) Über Alkmaar vgl. unten S. 92. ») Zum Folgenden H. Brugmans, Achtste jaarboek der vereeniging Amstelodanum (1910) S. 47 ff. *) OB I 296. ») OB I 336. Vgl. OB 1 288. 88 Holland unter Florens IV. und Wilhelm ff. (1222—1256). In Gemeinschaft mit dem jungen Grafen Wilhelm II. von Holland erscheint er an der Spitje der Laienzeugen in der Urkunde vom 23. August 12441), in der Bischof Otto die Kaufleute von Lübeck und Hamburg in seinen Schutj nimmt und den von ihnen zu entrichtenden Zo!l festsetjt. Sie sollen mit ihren Schiffen unter denselben Bedingungen wie die übrigen Kaufleute bei Muiden in die Vecht einfahren dürfen9), so daB also der Zoll zu Muiden von diesen Bestimmungen nicht berührt wird. In Utrecht hat Graf Wilhelm am 1. Juli 1245 den Bürgern von Lübeck Geleit und Schug in der Grafschaft Holland zugesichert3); im Februar 1247 hat Giselbert dort mit Bevollmachtigten der Stadt Lübeck wegen Entschadigung einiger beraubter Lübecker verhandelt4). Mit der Wendung, welche die hollandische Politik durch ihren vorbehaltlosen AnschluB an die der Kurie nahm, war man in Utrecht keineswegs einverstanden. Bischof Otto, des jungen Königs Oheim, verhehlte seine MiBbilligung nicht,' und auch in der Bürgerschaft trat, als der König 1248 nach Utrecht kam, starke Abneigung gegen ihn hervor6). Um so bemerkenswerter ist, daB wiederum in Utrecht am 8. Februar 1249 des Königs Bruder Florens, der in seinem Auftrage in Holland die Regierung führte, für Lübeck und Hamburg das Privileg vom 1. Juli 1245 erneuerte6). Aus dem Umstande, daB diese Urkunde an beide Stadte gleichzeitig gèrichtet ist'), erhellt, daB Lübecker und Hamburger Bürger in Utrecht anwesend waren. *.VÓ'^ J) Hansisches UB I 334. 2) Per omnia iure et theloneo, quo solent alii intus Muden secus Vecht cum navibus superius pergere. 8) OB I 410. *) OB I 434. 5) Westdeutsche Zeitschrift XXVIII 194 ff. Den Bericht Bekas über einen Besuch und ehrenvollen Eirpfang des KCnigs in Utrecht im Januar 1249 hat jefet Tenhaeff, Diplomatische Studiën (1913) S. 125 ff., in das Reich der Fabel verwiesen. •>) OB I 489. 7) Consulibus ac universitati in Lubeke et in Hamburch. 98 Erg&nsende Untersuchungen. St 4168 = Sloet 337. Dieses gibt das Inkarnationsjahr um zehn Einheiten zu hoch an, MCLXXXIIII statt MCLXXUII. Denselben Fehler hat Sloet 350, und auch die Pön beider Urkunden berührt sich in den Worten „quicumque . . . infringere attemptaverit". Gleichhandig sind die beiden Stücke nicht, aber die Echtheit weder des einen noch des anderen laBt sich anfechten. Demnach bleibt nur eine Erklarung: der Verfasser von Sloet 350 muB das kaiserliche Zollprivileg vor sich gehabt haben. Beide Urkunden müssen von derselben Interessengruppe erwirkt worden sein. Durch Sloet 350 wird der Lehnsbesitj des Hauses Horst den Herren von Kuik gesichert; da Heinrich von Kuik Graf von Utrecht war, stand er offenbar mit der Utrechter Börgerschaft in Verbindung. Der Geistliche aber, der in der Lage war, das Zollprivileg für Sloet 350 heranzuziehen, kann nur im Marienstift gesucht werden, das, anders wie die anderen Utrechter Kapitelkirchen, im Amtsbereich des Grafen von Utrecht gelegen war. In Sloet 350 heiBt es denn auch: trinitatem sanctam et matrem Virginem et beatum Martinum cum omnibus sanctjs dei invocavi. Die Hand H ist uns in Egmond schon begegnet; es ist die Hand Clt die an der Herstellung der Egmonder Falschung OB I 124 durch Hinzufügung der Abkürzungszeichen und des Eschatokolls sich beteiligt hat. Diese Hand hat sich auch in Utrecht durch Anfertigung unechter Stücke betatigt. Von ihr rührt die unechte Zollurkunde des Kaisers Heinrich V. von 1122 St. 3179*) sowie eine bisher nicht als unecht erkannte Utrechter Urkunde her, die des Bischofs Godebald vom 2. Oktober 11272), deren angebliches Original ebenso wie das von St. 3179 im Utrechter Stadtarchiv beruht. Als nicht zeitgemaB ist die Schrift von OB I 113 an den unten verkürzten und oben haufig mit einem spit} angesetjten Haken versehenen f und s, an den durchweg scharf nach *) Wie wir Westdeutsche Zeitschrift XXVII (1908) S. 202 ff. dargetan haben. s) OB I 113 = Hansisches UB I Nr. 9. Erg&nsende Untersuchungen. 99 rechts umgebrochenen Schaften der m, ji und r sowie ah den Abkürzungen zu erkennen. Vorgeschrittene Kontraktionen wie nöïa und pmü könnte man in einer Originalurkunde von 1127 allenfalls géiten lassen, nicht aber die gewohnheitsmaBige Kürzung cö statt c oder con. Das Siegel von OB I 113, auf dem der Bischof stehend mit Krummstab und Buch abgebildet ist, kommt auch an anderen, zweifellos echten Urkunden Godebalds vor. Die Originalitat des Siegels von OB I 113 ist damit aber nicht bewiesen, sondern nur, daB dem Falscher ein echtes Siegel Godebalds zur Verfügung gestanden hat. Für die Bemrkung einer echten Vorlage spricht auch die Corroboratio, die Zeugenreihe und die Datierung: Actum est autem anno. dominice incarnationis MCXXV1I indictione V. regnante domino Lothario III. anno regni eius III., anno vero episcopatus domini Godeboldi XIII. Data Traiecti VI. nonas octobris feliciter in Christi nomine Amen. Aber die Fassung der letjteren bedeutet auch einen entscheidenden Beweis gegen die Echtheil von OB I 113. Die sogenannte feierliche Datierung, die mit „Acta sunt haec" die Jahresangaben einleitet und ihnen, mit „Datum" eingeführt, Orts- und Tagesangabe sowie SchluBgebet anfügt, hat sich, wie wir seit 1878 aus Fickers Untersuchungen wissen1), in den Königsurkunden, von vereinzelten Fallen abgesehen, erst seit 1159 eingebürgert. In den Urkunden der Bischöfe von Utrecht kommt sie bis zum Jahre 1200 nicht vor2). Die Datierung von OB I 113 ist demnach zu ») Beitrage zur Urkundenlehre II 327 ff. 2) Auch geteilte Datierungen, die anders zusammengesetjt sind, sind vor diesem Zèltpunkt in ihnen sehr selten. Ich habe nur zwei derartige Falie notièrt: die Urkunde des Bischofs Godebald von 1126 Sloet 244 — Muller, Cartularium S. 136 Nr. 88 und die des Bischofs Gottfried vom 11. April 1169 OB Groningen en Drente I 35. Beide sind nur abschriftlich überliefert. Die Echtheit der ersteren ist 1843 von Jaffé (Geschichte des Deutsehen Reiches unter Lothar dem Sachsen S. 231) und 1879 von W. Bemhardi (Lothar von Supplinburg S. 116, Anm. 38) angefochten, 1877 von Ficker (Beitrage zur Urkundenlehre I S. 79) verteidigt worden. Angesichts ihres Inhaltes, der auf ein von 7* 100 Erg&nsende Untersuchungen. verwerfen. Als Vorlage hat ihr offenbar das Diplom Friedrichs I. für die Utrechter Bürger von 1174 St. 4168 gedient, dessen Datierung lautet: Acta sunt hec anno d. i. MCLXXXIIII (!) indictione VII. regnante domno Friderico Romanorum imperatore gloriosissimo anno regni eius XXIII., imperii vero XXI. Datum apud castrum Trivels IIII. non. augusti feliciter. Amen. ^ Gegen die Echtheit des Formulars von OB I 113 sind die Intitulatio ,Traiectensium episcopus', die Bezeichnung des Herzogs von Brabant als dux Lovanie ohne Namensangabe und die BeschluBfassung in einer stadtischen Angelegenheit mit Rat des Herzogs, der Herren von Kuik und anderer Getreuer statt mit den Utrechter PrSlaten anzuführen. Ein Zusammenhang mit der Urkunde von 1177 Sloet 344 ergibt sich auBer durch die Schrift durch die Worte, welche die Zeugenreihe abschlieBen. In OB I 113 liest man: „et alii multi, quorum nomina causa breviandi non scripsimus"; in Sloet 344: „Fuerunt plures quoque huius rei nobiles viri, quos propter fastidium non scripsimus". DaB die Hand H eine Hand aus St. Marien ist, würde man schon auf Grund ihrer nahen Verwandschaft mit der von Sloet 348 und Sloet 350 annehmen dürfen. Uberdies aber hat ja H gleichfalls das Diplom St. 4168 benutjt und steht gleichfalls in Beziehung zu dem Grafen von Utrecht, Heinrich von Kuik, da seine Vorfahren in OB T 113 als Intervenienten für die Bürger eintreten. So ergibt sich hier einmal eine Bestatigung unserer früheren Wahrnehmung *), daB H = Q Beziehungen zu Propst Balduin von St. Marien hatte. Sodann aber tritt jetjt die enge Verbindung der Utrechter Bürgerschaft mit der holiandischen Partei in der Utrechter Geistlichkeit deutlich hervor. Lothar und den ReichsfUrsten gefalltes Urteil des Königsgerichts Bezug nimmt, konnte man vermuten, daB eine Königsurkunde zu einer Bischofs urkunde umgearbeitet worden ist. Vgl. aber unten S. 166. Über die Urkunde des Bischofs Gottfried vom 11. April 1169 vgl. unten S. 149f. ') Vgl. Bd. I S. 149. 102 Ergctnaende Untersuchungen. wuBte, tritt auch bei der doppelten Bischofswahl von 1195 wieder scharf hervor. Dem entspricht, daB auch in dieser Zeit und noch/ spater die grafliche Regierung fortdauernd in enger persönlicher Fühlung mit Kanonikern des Marienstifts steht, die ihrerseits an der Verwaltung des Bistums beteiligt sind. Wir wissen schon, daB Florens' III. und Dietrichs I. Kaplan Allinus 1198 Kanonikus in St. Marien und ein gleichnamiges jüngeres Mitglied dieses Konvents zwischen 1200 und 1208 als Verfasser bischöflicher Urkunden und gleichzeitig als graflicher Kaplan tatig war1). Es verlohnt sich unter diesen Umstanden, dem Personal der Utrechter Kanzlei noch eine Strecke weiter nachzugehen. Der bischöfliche Kaplan Heinrich von Groningen und der bischöfliche Notar Anton, die 1195 in Deventer tatig sind*), sowie der Kaplan Arnold und der Notar Dietrich von 1206, die nicht zu den Kanonikern gehören8), können Hier auBer Betracht bleiben. Ein Kanoniker von St. Marien, Heinrich, wird 1204 als bischöflicher Kaplan, neben ihm Kanonikus Gerhard von St. Johann als bischöflicher Notar genannt4). 1206 ist Johannes Calvus, Kanonikus von St. Peter, bischöflicher Kaplan6); er erscheint noch 1226 auf dem Hoftage zu Frankfurt als Vertreter des Bischofs Otto II. und der Utrechter Kirche und wird als soldier von König Heinrich mit der Vogtei in Salland belehnt6), und 1227 als notarius7). Als Diktate eines Verfassers sind zu erkennen Sloet 395 (1200), OBGrDr. I 43 (1206), Brom 577 (1203) und Sloet 428, (Dompropst Otto 1211)8)'J). J) Bd. I 158 ff. ) Brom 537. 3) OB Groningen en Drente I 44. Über das Datum vgl. unten S. 151. ■j OB GrDr. I 42. | Ebenda I 43. B) Sloet 492. '•) Brom 772. 8) Sloet 395 und Sloet 428, beide für Kloster Doetinchem, sind in der vorliegenden Gestart nicht echt; doch ist das Protokoll für Diktatuntersuchungen brauchbar. 9) Es sei bei dieser Gelegenheit bemerkt, daB aus Broms Regesten die Nummern 514. 525. 535. 612 und 724 zu streichen sind. Der an den drei ersten Stellen eingereihte Scholaster Magister Henricus de Ergattsende Untersuchungen. 103 Ob der Kaplan Heinrich von St. Marien dieser Diktator ist, bleibt ungewiB. Doch ist zu bemerken, daB die Urkunde von 1211 mit Rat des Domdechanten Reimbold ausgefertigt ist, der früher Kammerer des Bischofs Balduin II., eines Bruders des Grafen Florens III., war. Reimbold war auch Propst von St. Marien und hielt die beiden einfluBreichen Würden bis zu seinem Tode (1227) in seiner Hand vereinigt. Noch im ersten Viertel des 13. Jahrhunderts hat demnach unter der Utrechter Kapitelgeistlichkeit eine hollandische Partei bestanden, die ihren Mittelpunkt im Marienstift hatte und auf die Leitung der Utrechter Kirche nicht ohnë EinfluB war. Traiecto, kaiserlicher Notar und Protonotar, Propst zu Aachen und 1192—1195 Bischof von Worms, war Scholaster in Maastricht; das Chronicon Wormatiense bei Boos, Quellen zur Geschichte der Stadt Worms III (1893) S. 42 sagt von ihm: Henricus de Traiecto superiori scilicet Mastricht succedens Conrado secundo in episcopatu obiit X. cal. ian. (1195). Die Zeugen der Urkunde Brom 535 = Westfalisches UB II S. 229 Nr. 79, von 1193 indictione XI. datiert, unter denen er noch als magister Heinricus Traiectensis erscheint, mussen zu einer vor dem 23. Februar 1192 liegenden Handlung gehören; denn an diesem Tage wurde Heinrich schon zum Bischof von Worms geweiht. Als Utrechter Scholaster bezeichnen ihn irrtümlich auch Boos selbst a. a. O., Toeche, Kaiser Heinrich VI. (1867) S. 111 und noch BreBlau, Handbuch der Urkundenlehre Ia (1912) S. 512. Die Urkunde Brom 612, in der es sich um eine Rente von 10 Pfund schwarzer Turnosen handelt, kann dieser Münze wegen nicht ins Jahr 1210 gehören. Der in Brom 724 genannte kaiserliche Notar ist Magister Johannes von Traetto in Neapel, gehört also nicht nach Utrecht. Vgl. Winkelmann, Kaiser Friedrich H. Bd. I (1889) S. 151 Anm. 2. 213. 215. Ferner ist gegenüber den Urkunden von 1180 Brom 499, von 1190 Brom 526 und von 1191 Brom 532 und Brom 533 Vorsicht geboten im Hinblick auf die Falschungen des Zisterzienserabtes Chr. Butkens (t 1650), über die Baron A. van Linden in De Navorscher, Nieuwe serie 24 (1891) 564 ff.; 25 (1892) 10 ff; 29 (1896) 399ff. und 33 (1900) 317 ff. schon manches beigebracht hat. 104 Ergcinsende Untersuchungen. 2. Unechte Urkunden aus dem Altmünsterstift zu Utrecht. 1. 1108. Bischof Burkhard. Muller, Cartuiarium S. 210 Nr. 1. — Brom 268. *2. 1131. Bischof Andreas. Kronijk van het Historisch Genootschap 13 jaargang 1857 S. 106 — Brom 337. *3. 1134. Bischof Andreas. OB I 119; Muller, Cartuiarium S. 215 Nr. 5. — Brom 351. 4. 1138. Bischof Andreas. BMHG XXX S. 210. — Brom 368. *5. 1139. Bischof Andreas. OB I 123; Muller, Cartuiarium S. 214 No. 4. — Brom 372. *6. 1139. Bischof Andreas. Muller, Cartuiarium S. 212 Nr. 3. — Brom 374. 7. 1156—1178. Bischof Gottfried. Muller, Cartuiarium S. 217 Nr. 6. — Brom 418. 8. 1164—1168. Kapitel von Altmünster. Brom 440. 9. 1178. Bischof Gottfried. Muller, Cartuiarium S. 221 Nr. 8. — Brom 489. 10. 1179. Juni 27. Papst Alexander III. OB I 159. Muller, Cartuiarium S. 218 Nr. 7. — Jaffé 13439. Brom 496. Von diesen Urkunden liegen zwei, Brom 440 und das papstliche Privileg Brom 496, in unanfechtbarem Original vor. Das Original der Urkunde von 1138 Brom 368 ist fragmentarisch erhalten in Gestalt eines Pergamentblattes, auf dem von den ersten 10 Zeilen je ein Bruchstück von 101/2 cm vorkommt. Die sieben übrigen Stücke sind nur abschriftlich erhalten; Brom 337 in dem um 1345 zusammengestellten Liber presentiarum, die andem im Liber Catenatus, einem um 1380 angelegten Kopiar, beide aus dem Altmünsterstift. Von den abschriftlich überlieferten Urkunden sind die des Bischofs Burkhard Brom 268, die sich beim Vergleich mit Burkhards Urkunden vom gleichen Jahre OB I 100 und OB I 101 als Kanzleidiktat erweist, sowie die des Bischofs Gottfried Brom 418 und Brom 489 völlig einwandfrei. Vier Urkunden des Bischofs Andreas aber muB ich anfechten. Ergdnsende Untersuchungen. 105 In Brom 337 sagt Bischof Andreas: visum est mïhi et omnibus eius temporis prioribus, quod modus investiture praebendarum, qui eo tempo re in usu publico agebatur, aliqua dubia et quaestionis haberet. Die Urkunde ist also nicht zur Zeit des Bischofs Andreas verfaBt, sondern erst, als diese Zeit bereits zurücklag. Das Diktat ist überdies darin anstöBig, daB die Konsensformel an zwei verschiedenen Stellen in verschiedenem Wortlaut erscheint. Erst heiBt es: cum propria industria cum consjuftu priorum meorum nee minus totius cleri consensu pertractassem. Und dann in der Dispositio: Ergo ego annuentibus et ad ipsum consulentibus omnibus prepositis et canonicis . . . sub anathemate immu- * tabiliter exclusi. Es wird in der Urkunde für die Kanoniker von Altmünster fesfgesetzt, daB die Inhaber von halben Prébenden bei Ausscheiden der Inhaber voller Prabenden durch Tod oder Weggang in deren Stellen völlig kostenlos einrücken sollen, und daB niemand über seine volle Prébende zugunsten eines anderen Konventsmitgliedes auBer der Reihe verfügen soll. Dasselbe soll auch für die Kanoniker von St. Peter gelten. Ob eine echte Urkunde von 1131 zur Herstellung von Brom 337 benutzt worden ist, bleibt ungewiB, weil keine Corroboratio und, abgesehen von einer kurzen Datierung, kein Eschatokoll überliefert ist. Bestatigt wurde die Falschung in enger Anlehnung an ihren Wortlaut durch das papstliche Privileg von 1179. Eine Verbindung zwischen den Stiftern von Altmünster und St. Peter kann 1179 durch die Person des spateren Dekans von Altmünster und Propstes von St. Peter Walther* bestanden haben, der in beiden Würden nicht vor 1190 bezeugt ist1), aber natürlich schon geraume Zeit Mitglied beider Konvente gewesen sein kann. Seine Vorganger in beiden Würden werden schon 1181 zuletzt genannt. Die Urkunde von 1134 OB I 119 hat ein echtes Eingangsund SchluBprotokoll mit einwandfreier Zeugenreihe. Der J) Pijnacker Hordijk, Nederl. Archievenblad 1911—12, S. 86. 91. 114 Erganzende Untersuchungen. Unter Hunepe ist der Ort dicht bei Deventer zu verstenen, wo 1225 das Zisterzienserkloster Horst oder ter Hunnepe gestiftet wurde (Sloet 481. 482). Anfangs- und Endpunkt der Linie sind also dieselben; wie aber sollte man in der papstlichen Kanzlei dazu gekommen sein, für den Endpunkt Deventer den Endpunkt Hunepe einzusetjen, der doch, zumal vor der Gründung des Klosters daselbst, in weiteren Kreisen ganz gewiB nicht bekannt war? Diese Abweichung von der Vorurkunde ist nur erklarlich, wenn die Ortsbeschreibung der Papsturkunde von demselben Verfasser herrührt wie die der Vorurkunde, also ebenso unecht ist wie diese. In Sloet 173 hat denn auch die Pön eine Fassung,-die an die inkorrekte von Sloet 425 anklingt: violatores excommunicavimus ex auctoritate patris et filii et spiritus sancti et omnium sanctorum et nostra. _ Nach alledem muB den Zutphener Falschungen auch die Papsturkunde von 1209 Sloet 425 zugezahlt werden, und die ganze Gruppe kann erst nach 1209 entstanden sein. Für ihre Entstehungszeit bieten die Urkunden vom 10. September und 20. November 1232 S!oet 556 und Sloet 559 einen sicheren Anhaltspunkt. Die erstere entscheidet einen Streit zwischen dem Kapitel von Zutphen und Giselbert von Bronkhorst super decima novali cuiusdam insule que^protenditur ab antiqua insula Brunchorst usque Nierstal. Der Zehnt soll vom Kapitel an Giselbert in Pacht-gegeben werden ita quod, si per alluvionem aliquid dicte insule accreverit vel per imminutionem decreverit, dictus nobilis in eadem tenebitur pensione. In ühnlicher Weise wird durch Sloet 559 zwischen dem Kapitel von Zutphen und dem Ritter Dietrich von Heteren ein Streit super decimis insule de Hetere geschlichtet, der sich schon lange hingezogen und bereits zur Exkommunikation Dietrichs durch die Richter des Propstes von Emmerich geführt hatte. Bronkhorst liegt an der Ijssel oberhalb Zutphen, Heteren am Rhein unterhalb Arnheim. Die Falschungen Sloet 173 und Sloet 425, die den Zehnt der FluBinseln im Rhein zwischen Rhenen und Arnheim und in der Ijssel zwischen Arnheim und Deventer dem Kapitel von Zutphen zuweisen, Ergünzenae Untersuchungen. 115 entsprechen also genau den Bedürfnissen, die sich für dieses aus dem Streit mit Giselbert von/Bronkhorst und Dietrich von Heteren ergaben. Nicht lange vor 1232 sind demnach die beiden unechten Stücke hergestellt worden. Für die Zeit um 1230 lassen sich nun auch aus dem Diktat der Falsa Anzeichen beibringen. Kennzeichnend für dasselbe sind, wie Tenhaeff (S. 276) gezeigt hat, unter anderem die Bezeichnung der Urkunde als cedula und die Bannformel ,excommunica(vi)mus ex auctoritate patris "eTfdii et spiritus sancti'. Beides findet sich in Sloet 173 und Sloet 208. Das erstere ist besonders verrüterisch, weil es zugleich einen Anachronismus bedeutet *); die Anrufung des Vaters, Sohnes und Heiligen Geistes begegnet auBerdem auch in der Invokation von Sloet 174 und Sloet 268 sowie in der Bannformel von Sloet 229. Wenn beides in einer spüteren echten geldrischen Urkunde vorkommt, so ist damit eine sichere Spur aufgedeckt. Eine solche Urkunde laBt sich nun in der Tat beibringen. Die Vereinbarung des Grafen Otto von Geldern mit dem Stift Emmerich vom 12. Mai 1233 Sloet 562 hat die Invokation ,In nomine patris et filii et spiritus sancti. Amen', und- in der Corroboratio: ,presentem cedulam sigilli mei appensione et ecclesie mee Zutphaniensis sigillo feci roborari'. Die Mitbesiegelung durch das Walburgis-Stift lüBt zugleich darauf schlieBen, daB ein Geistlicher desselben die Urkunde verfaBt hat. Auch eine Urkunde des Grafen Gerhard III. von 1227, Sloet 504, berührt sich an einer Stelle mit einer der Falschungen. Dort heiBt es ,de quacunque condicione sive de libera genealogia sive ad advocatiam pertinentes'; in Sloet 174: ,cereales, quoniam de libera genealogia processerunt." Man wird demnach die ganze Gruppe der Zutphener Falsa bis um 1230 herabrücken müssen. Das Jahr 1190 hat Tenhaeff als Spatgrenze angenommen, weil sich eine solche durch die Stadtrechtsurkunde des Grafen Otto II. Sloet 376 zu ergeben schien. Für ihre Echtheit >) Vgl. unten S. 140. 8* 116 Erganzende Untersuchungen. haben sich auBer Tenhaeff (S. 331 Anm. 1) 1856 Tadama1), 1881 Pijnacker Hordijk ') und 1914 H. Bloch") ausgesprochen, welch letjterer die Urkunde im AnschluB an K. Hegel*) zu etwa 1207 angesegt hat. Es fragt sich, ob dieses gunstige Urteil gerechtfertigt ist. Die Schrift von Sloet 376 ist der der Urkunde des Grafen Otto von Geldern von 1204, Sloet 410, deren Original im Staatsarchiv zu Lüttich ruht5), nahe verwandt, rührt aber bestimmt nicht von derselben Hand her. Der ganze Schriftcharakter von Sloet 376 ist spiger, die Züge der verlangerten Schrift sind steilenweise unsicher, der Hakenansag des 1, die i-Striche und die Fahnenornamente an den unzialen d fehlen bei Sloet 410; die Fahnenornamente an den übrigen Oberlangen sind hier ganz schlicht, ebenso die Abkürzungsstriche; verkürzte Unterlangen wie in ,facta' Zeile 2 und jtestimonio' Zeile 4 von Sloet 376 finden sich in Sloet 410 nicht. Sloet 376 ist demnach einer mit Sloet 410 gleichhandigen Urkunde nachgezeichnet. \Unter Berücksichtigung dieses Umstandes laBt sich aber die Hand von Sloet 376 noch naher bestimmen: sie steht der Urkunde von 1232 Sloet 556 sehr nahe (vgl. Bd. III Faksimile 14 b). Mit der Besiegelung von Sloet 376 ist es folgendermaBen bestellt: An einem gelben Seidenstrang, der von der Mitte des unteren Pergamentrandes herabhangt, hing noch zu Sloets Zeit das Siegel, das jetjt lose beiliegt. Doch rührt es, wie schon Sloet milgeteilt hat, nicht von dem Aussteller, dem Grafen Otto, her; sondern es ist das Siegel und Gegensiegel seines Nachfolgers, des Grafen Gerhard III. (1207-1229). An der Echtheit dieses Siegels ist nicht zu zweifeln; es findet x) Geschiedenis der stad Zutphen S. 75 ff. s) Rechtsbronnen der stad Zutphen Inleiding S. 10. 3) Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte XVI S. 25 Anm. 80. 4) Die Entstehung des deutsehen Stüdtewesens (1898) S. 189. fi) Ich konnte eine Photographie dieser Urkunde benutjen; meine an das Lütticher Staatsarchiv gerichtete Bitte, sie veroifei.tlichen zu dürfen, ist unbeantwortet geblieben. 122 Erganzende Untersuchungen. gebraucht wurden, den die Umschrift als Inhaber nennt, sondern auch von seinen Blutsverwandten. Gerade bei den Grafen von Geldern ist diese Auffassung schon im 12. Jahrhundert nachweisbar: Gerhard, Sohn des Grafen Heinrich von Geldern, hat 1177 eine Urkunde zugleich im Namen seines Vaters mit dessen Siegel bekraftigt*). So würde sich sehr einfach erkiaren, daB zur Bekraftigung von Sloet 37t> das Siegel von Ottos II. Sohn und Nachfolger für ausreichend gehalten wurdeT In der Urkunde von 1133 Sloet 264 berichtet Bischof Andreas, er habe mit Zustimmung dey Propstes Philipp von Deventer dem Pelegrimus gestattet, alle Toten seines Hauses Hanhorst in Zutphen zu begraben. Unter Hanhorst ist Horst bei Deventer zu verstenen, wo von Roermond aus 1225 ein Zisterzienser-Nonnen-Kloster gestiftet wurde (oben S. 114). Über die Herren von Horst geben die Urkunden folgende Auskunft. Zwischen 1129 und 1138 werden unter den ministri des Grafen von Geldern, die von den ingenui ausdrücklich geschieden werden, Pilegrim und Drohtward ohne Geschlechtsnamen genannt (Sloet 246.) 1134 erscheinen Pelgrinus de Suthfania und Drothwardus de Horst unter den Zeugen der unechten Urkunde Sloet 268, die auch an dieser Stelle für die Zustünde von 1134 keinerlei Beweiswert hat. Rotherus de Hurst, Zeuge in einer Urkunde des Erzbischofs Arnold von Köln, Kn. 405, gehort offenbar ebenso zu den erzbischöfiichen Ministerialien wie Rutgerus de Horst, der zwischen 1168 und 1173 unter ihnen genannt wird (Kn. 998. 999). Zweifelhaft bleibt der Stand von Otto de Horst, Zeuge in einer Urkunde des Erzbischofs Philipp von 1170, Kn. 952. Dagegen wird Pelegrimus de Hurste in der Zutphener Stadtrechtsurkunde von 1190 Sloet 376 unter den geldrischen Dienstmannen angeführt. Dieser Peregrinus ist vielleicht derselbe, der in der Urkunde von 1212 als canonicus de Sutphania erscheint; mit seines ') Sloet 344: patris mei sigillo que prescripta sunt pater meus et ego confirmavimus. Erg&nsende Untersuchungen. 127 von Geldern und Zutphen nennt, Otto I., zu seinem Reitersiegel, auf dem er mit erhobenem Schwert erscheint, ein Gegensiegel, das ihn gleichfalls zu,Pferde, aber mit Fahne zeigt, und das Bild dieses Siegels und Gegensiegels hat auch Graf Gerhard III. beibehalten. Die im Gegensiegel erscheinende Fahne kann als Sinnbild eines fürstlichen Fahnlehns natürlich nicht gedeutet werden; der Graf von Geldern war nicht Reichsfürst. Sie muB vielmehr ein lehnrechtliches Verhaltnis anderer Art andeuten, und das kann nur die der Utrechter Kirche geschuldete Lehnsmannschaft sein. AuBer der bischöflichen Lehnsgrafschaft Zutphen besaBen die Grafen von Geldern den Zoll daselbst; im Jahre 1203 hat Graf Otto I. dem Kloster Bedbur freie Durchfahrt per thelonia nostra Arnhem atque Sutphene gewahrt1). Von der Grafschaft und den Regalien ist aber in der Zutphener Falsa niemals die Rede, sondern immer nur von der Schirmvogtei der Grafen von Geldern über das WalburgisStift. Sie ist im Laufe des 13. Jahrhunderts mit der Grafschaft verschmolzen; der grafliche Landrichter in der terra Zutphaniensis, die neben Veluwe, Betuwe und der terra de Lochem 1226 zuerst als Teil der Grafschaft Geldern genannt wird'% halt im Chor der Walburgiskirche das landesherrliche Gericht8). Treten wir von hier aus nun wieder an die Stadtrechtsurkunde Sloet 376 heran, so laBt schon ihr diplomatischer Zusammenhang mit den Urkunden des Walburgis-Stifts von 1207 und 1212 Sloet 421 und 431 und mit den Zutphener Falsa erwarten, daB sie eine Eingliederung der Stadtverwaltung in die mit der Schirmvogtei des Stifts verschmolzene grafliche Landesherrschaft anstrebt. So ist es in der Tat. Stadtgericht und Stadtverfassung von Zutphen werden durch Sloet 376 in folgender Weise geregelt. Der Graf segt in der Stadt zwölf Schöffen ein, quorum consilio eadem civitas regatur. ') Sloet 404. ») Sloet 489. «) Sloet 551 (1231); Sloet 894 (1266). Erganzende Untersuchungen. 133 Sehen wir uns nun die Urkunden von 1233 und 1235 naher an. Nach der Übereinkunft der Kirche von Emmerich mit dem Grafen von Zutphen und Geldern vom 12. Mai 1233 Sloet 562 hat dieser die dispositio iudicii Embricensis. Er ernennt den Richter, der aber vor Antritt seines Amtes mit seiner Bestallung1) bei Propst, Dekan und Kapitel die Erlaubnis zur Rechtsprechung nachsuchen und vor Dekan und Kapitel einen Fidelitatseid leisten muB. Von diesem Gericht, von Münze, Zoll, Jahrmarkten und allen Einkünften in Geld, die in der Stadt dem Propst zustehen, soll der Graf die HaMfte erhalten. Graf und Richter haben die Laienbevölkerung von Emmerich gegenüber den Kanonikern zu der Ehrfurcht anzuhalten, die ihnen als ihren domini principales zusteht. Schon diese Urkunde tragt den Rechten, die der Bischof von Utrecht in Emmerich hatte, sehr wenig Rechnung. Es wird nur am SchluB der schon erwahnte Vorbehalt bezüglich des Rechts der Kirche und des Bischofs von Utrecht in der üblichen Form gemacht. Davon abgesehen aber erscheint als Stadtherr nur das Stift Emmerich; daB auch der Bischof von Utrecht Anteil an der Stadtherrschaft hat, erfahren wir nur aus anderen Quellen. Ohne seine Zustimmung werden die Gerichtsverhaltnisse in Emmerich auf eine Weise geregelt, die eine wichtige Veranderung und eine Ausbreitung der Rechte des Grafen von Geldern bedeuten. Berichtet doch die Urkunde einleitungsweise von einem langen Fehdezustand, aus dem die Kanoniker des Stifts einen Ausweg gesucht haben, indem sie suorum homjnum advocati principalis Sutphaniensis et Gelrensis comitis in amplioris defensionis necessitatem potius quam in alterius defensionem se perpetuo subdiderunt. Die Erweiterung der Rechte des Grafen von Geldern aber besteht darin, daB er zum principalis advocatus des Stifts angenommen wird. Der Graf übernimmt die Schirmvogtei über das Stift Emmerich, indem er im Chor der Martinskirche ') cum litteris comitis. 134 Ergdnnende Untersuchungen. mit seinen Mannen einen Eid leistet, die in Sloet 562 verbrieften Artikel zu halten1). Dieser Anerkennung des Grafen als Schirmvogf entspricht die Anerkennung der Stiftsherren als domini principales durch die Bürger. Beides geschieht unter Ignorierung der Rechte des Bischofs von Utrecht, trotz des anders lautenden Vorbehaltes. Dureh Urkunde vom 31. Mai 1233, Sloet 563, hat dann Graf Otto mit spezieller Ermüchtigung des Kaisers und des deutsehen Königs sowie mit Rat und Zustimmung der GroBen des Reiches die villa Emmerich zu einer regia seu imperialis civitas erhoben und ihr die Freiheit von Zutphen verliehen. Doch soll der Kirche und dem Propst von Emmerich die bisherige Gerichtsbarkeit verbleiben und der vom Grafen eingesetzte Richter, ohne ihm einen Eid zu leisten, im Namen des Propstes und der Kirche Recht sprechen. Der Betrag des Königsbanns (bannus imperialis), der bisher 3 Mark betrug, wird mit Rat von Propst, Dekan und Kapitel auf 10 sol. herabgesetzt. Erst in dieser Urkunde ist auch von stadtischen Schöffen die Rede: die Bürger sollen ihrer zwölf wahlen und einsetzen secundum morem Zutphaniensem, quorum consilio civitas regatur; doch sollen die gerichtlichen Entscheidungen durch den graflichen Richter, wenn auch auf Rat und auf Urteilsvorschlag der Schöffen, erfolgen und die Gefaile zu gleichen Teilen dem Grafen und dem Propst zustehen. Demnach dingte der Richter des Grafen bis zum 31. Mai 1233 in Emmerich unter Königsbann; er war Marktschulze und Verwalter der Regalien, Münze und Zoll. Diese Ordnung der Dinge wird durch eine neue, in Sloet 563 verbriefte ersetzt. Die Erhebung Emmerichs zu einer regia seu imperialis civitas bedeutet nicht Unterstellung der Stadt unter königliche, sondern unter kaiserliche Gewalt; die Urkunde bekundet ein ') Prestito iuramento super predictis omnibus secundum formam prescriptam a comité Ottone personaliter bona fide se in omnibus quibus posset ecclesiam Embricensem emendaturum promisit et personas ecclesie honorare. Postmodum secundum eandem formam iuraverunt sui homines et ministeriales. Erganzende Untersuchungen. 135 Eingreifen des Kaisers, der, wie man weiB, der Politik seines Sohnes, des deutsehen Königs Heinrich, immer und immer wieder entgegentrat. AuBerdem aber richtet sich auch Sloet 563, ebenso wie die vorhergehende Urkunde, deutlich genug gegen den Bischof von Utrecht. Der Graf spricht von seiner Stadt Emmerich1) und erwahnt mit keinem Wort den Bischof. Und doch war dieser Inhaber der Grafschaft und der Regalien in Emmerich. Am 21. Juli 1235 hat sich der neue Elekt Otto von Holland darüber durch die Urkunde Sloet 580 mit dem Grafen auseinandergesetzt. Danach hat der Elekt ihm die Stadt Emmerich zu Lehen gegeben. Das Gericht halt der Richter des Grafen; doch darf ihm der Richter des Elekten beiwohnen, und dieser selbst sitzt zu Gericht, wenn er in der Stadt anwesend ist. Die Gefalle stehen dem Elekten und dem Grafen zu gleichen Teilen zu, unbeschadet des Anteils, den dieser und die Kirche von Emmerich (auf Grund der Vereinbarung vom 12. Mai 1233) erhalten; ebenso Münze, Marktzoll, Arealzins und Ertrag von Bede und Prekarie, nur daB dieser in gewissen Fallen dem Grafen allein verbleibt. Von groBer praktischer Bedeutung waren diese Rechte des Bischofs in Emmerich offenbar nicht mehr; 26 Jahre spater hat Bischof Heinrich L auf sie gegen eine jahrliche Pachtsumme verzichtets). Aber eben dadurch wird begreiflieh, daB der Graf von Geldern schon 1233 auf die völlige Beseitigung der bischöflichen Rechte in Emmerich ausgehen konnte. Demnach war dort bis 1233 der Rechtszustand der, daB der Graf von Geldern die Grafschaft in Emmerich als bischöfliche Grafschaft und das Marktgericht als Regalienverwalter des Bischofs besaB. Im Mai 1233 ist an Stelle der vom bischöflichen Grafen wahrgenommenen königlichen Amtsgewalt eine kraft kaiserlicher Ermachtigung ausgeübte Landes- *) in civitate Embricensi mea. £) Comes Gelrensis, heiBt es in der Urkunde vom 25. Juli 1261 Sloet 844, Embricam sine impetitione optinebit et annuam pensionem, scilicet quinque libras Davantriensis monete, episcopo ratione ipsius oppidi in die Omnium Sanctorum persolvet. 136 Erganzende Untersuchungen. gewalt getreten und die bischöfliche Oberherrschaft damit beseitigt worden. Kraft kaiserlicher Ermachtigung hat dann Graf Otto am 15. Juli 1233 die Freiheit von Zutphen auf Arnheim, am 16. Juli 1233 die von Emmerich und Gend auf die villa Lochem übertragen. Das letztere Privileg, das keinerlei nahere Bestimmungen enthalt, bedeutet wohl nur ein Experiment, wahrend in dem Arnheimer Privileg der Inhalt der Zutphener Urkunde wörtlich wiederholt wird. So sehen wir das geldrische Bürgertum seit etwa 1225 in raschem Vordringen zu einem politisch einfluBreichen, durch Privilegiën gesicherten Stand aufsteigen. Die groBen Veranderungen der Reichsverfassung, die durch das Statutum in favorem principum ihren AbschluB erreichen, haben diesen Aüfstieg ohne Zweifel erst ermöglicht. Doch würde er sich wohl weniger glatt vollzogen haben ohne das Zusammenwirken mit einfluBreichen Kreisen der Geistlichkeit, wie es in der Herstellung der Zutphener Falsa durch Geistliche des Walburgisstifts zum Ausdruck kommt1). Noch in einen anderen Zusammenhang aber muB diese mit dem neuen Landesfürstentum aufstrebende bürgerliche Bewegung eingegliedert werden. jj8r%* Die Vereinbarung vom 12. Mai 1233 nennt auBer den Vertretern der beiden Parteien als anwesend noch eine dritte Gruppe, an deren Spitze der Kölner Domkanoniker Konrad von Hochstaden steht. Er also hat durch seine Vermittlung den Vertrag zustande gebracht, und wahrscheinlich war er auch der Überbringer der kaiserlichen Ermachtigung vom 31. Mai. Konrad hat, wie man weiB, seine Laufbahn als Parteiganger des Kaisers begonnen; aber sein Ziel war von vornherein eine politische Vormachtstellung der Kölner Kirche am ') Bemerkenswert ist in dieser Hinsicht, daB auch in Doetinchem zwischen dem Kloster und der Bürgerschait enge Beziehungen bestehen, und daB auch dort um 1230 unechte Urkunden, Sloet 395 (1200) und Sloet 428 (1211), hergestellt worden sind. Ich kann dies hier nurvorlaufig mitteilen. Erganzende Untersuchungen. 137 Niederrhein. Vogt der Kölner Kirche aber war der Graf von Geldern1), so daB also ein Vordringen des niederrheinischen Bürgertums in dessen Territorium zugleich eine Ausdehnung der EinfluBsphare der Kölner Kirche bedeutete. 4. Unechte Urkünden aus Kloster Oostbroek. *1. 1113. Abt Ludolf. Neuere Abschrift. CDHG 2. Serie IV 2 S. 3; Brom 272. 2. 1122. Mürz 14 Königin Mathilde. Vidimus von 1346. CDHG 2. Serie IV 2 S. 5; Brom 296. 3. 1125. Bischof Godebald. Vidimus- von 1346. CDHG 2. Serie IV 2 S. 5; Brom 315. *4. 1125. Graf Dietrich VI. von Holland. Abschrilt des 14. Jahrhunderts im graflichen Register EL 24. BMHG XXX S. 205; Brom 313. * 5. 1131. Bischof Andreas. Vidimus von 1347. CDHG 2. Serie IV 2 S. 7; Brom 330. *6. 1133. Bischof Andreas. Vidimus von 1307. CDHG 2. Serie IV 2 S. 8; Brom 342. 7. 1165. Kaiser Friedrich I. Vidimus von 1346. CDHG 2. Serie IV 2 S. 13; St. 4055. *8. 1179. Heinrich Erbe der Stadt Zutphen. Vidimus von 1262. Sloet 352. *9. 1200. Bischof Dietrich. Vidimus von 1347. CDHG 2. Serie IV 2 S. 9; Brom 566. 10. 1219. Abt Nikolaus. Original. Brom 681. 11. 1222. St. Lorenz zu Lüttich und Kloster Oostbroek. Neuere Abschrift. CDHG 2. Serie IV 2 S. 16; Brom 713. 12. 1226. August 14. Bischof Otto. Neuere Abschrift. CDHG 2. Serie IV 2 S. 17; Brom 763. J) Wilh. de Berchem, De nobili principatu Gelrie ed. Sloet (1870) S. 59: (Fredricus comes de Ysenburch) in diocesi Leodiensi perquendam Balduwinum de Genepe capitur ac Gerardo comiti Gelrie qui erat advocatus ecclesie Coloniensis presentatur (1226). Erganzende Untersuchungen. 143 cum censUj decimis maioribus et minoribus ac omnibus aliis sibi pertinentibus, cultis et incultis, iusticiis acquisitis et acquirendis, pratis, pascuis, campis, silvis, mobilibus et immobilibus libere ac legitime eidem ecclesie tradidimus. Et ut hec omnia omnino rata permaneant per succedentia successorum nostrorum tempora, hanc cartam sigilli nostri impressione signavimus subter consignatis idoneis testibus. Meingotus ad s. Martinum, Hermannus prepositus ad s. Johannem ... Ryquyn de Malberga, Godefridus de Reni,Arnoldus castellanus, Ghyselbertus. Anno d. i. 1125 anno regni domini Henrici regis XXVII. anno episcopatus nostri XII., indictione III. feliciter data. cum villis, censu, litonibus, decimis tam maioribus quam minoribus, iusticiis, pratis, pascuis, campis, cultis et incultis, silvis, piscariis, tractibus aquarum, mobilibus et immobilibus, acquisitis et acquirendis ... eidem ecclesie in honore s. Marie dei genitricis ets. Laurentii preciosi marty ris Christi fundate... tradiderunt. Ut autem hec rata et inconvulsa per succedentia successorum nostrorum tempora permaneant, sigilli nostri impressione signavimus subtemotatis idoneis testibus. ... Meingotus maior in Traiecto prepositus, Hermannus ad s. Johannem prepositus. Laici: Theodericus Weneger. Riquinus de Malberga. Godefridus de Rein Ghiselbertus et alii quamplures. Acta sunt hec Traiecti anno i. d. 1125 regnante Henrico Romanorum imperatore anno regni eius XXVII., imperii vero XII., indictione XII. feliciter. Das ware an sich nicht zu beanstanden. Aber an der Sphje der geistlichen Zeugen steht in Brom 313 Abt Walther von Egmond, der erst 1130 zur Regierung gekommen ist. Ferner wird Fastraad Scherebard von Graf Dietrich als propinquus noster et speciali dilectione familiaris bezeichnet, was doch eine unmögliche Ausdrucksweise ist. Ebenso anstöBig ist die vom Grafen als dem Inhaber der Vogtei gegebene eidliche Versicherung, quod nulli homines neque nos neque successores nostri eam in feodum traderemus, nullas omnino exactiones in homines eorum faceremus, sed pro remedio anime nostre et omnium successorum eam in defensione et tuitione nostra fideliter haberemus. 144 Erg&nsende Untersuchungen. Pijnacker Hordijk») hat Fastraad Scherebard in Fastradus de Uutwicht wiederzufinden geglaubt, der in einem vom ersten Abt von Oudwijk besiegelten Akt als Wohltater der Kirche zu Postel genannt wird2). Doch laBt sich diesem Akt für urfsere Urkunde nicht mehr entnehmen, als daB der Name eines Mönches Fastraad in den ültesten Aufzeichnungen des Klosters vorgekommen sein muB. Das Eschatokoll der Urkunden Nr. 5 = Brom 330 und Nr. 6 = Brom 342 laBt Diktate aus der bischöflichen Kanzlei erkennen. Ebenso wie in Brom 330 lautet die Promulgatio in der Urkunde des Bischofs Andreas von 1131 Jungius CD S. 357a), wo auch die Datierung gleichfalls mit ,Data' eingeleitet wird, und die Corroboratio dieser Urkunde, Et ut hec traditio firma et inconvulsa permaneat, hanc cartam scribi iussimus et sigilli nostri impressione signari' ist fast wörtlich dieselbe wie die von Brom 342. Aus diesem Sachverhalt ergibt sich zunachst ein formeller Einwand gegen Brom 330. Statt einer Corroboratio hat diese Urkunde den befremdlichen Safe: Quapropter procellas nostras statuat in auram et deducat nos in portum voluptatis sue qui dives est in misericordia. Der Bischof überweist in Brom 330 dem Kloster terram cum lignis fructuosis sive infructuosis que dicitur Hengescoten (Heischoten bei Woudenberg) a decimis, a "censu, denique ab omni exactione liberam. Potestatem etiam, que vulgo dicitur werscap omnimodis eandem quam circum.acentes terre habent in pratis vel in silva que dicitur Westerwolt secundum suam quantitatem pariter habere concessi. s Heischoten ist eine der vier forestes zu beiden Seiten der Eem, die Karl der GroBe durch Diplom vom 8. Juni 777*) der Utrechter Kirohe überwiesen hat. Doch ist die Bezeichnung ,terra cum lignis fructuosis sive infructaosis' auffallend. ') BMHQ XXX 205 Anm. 1. s) Miraeus, Opera I S. 709. a) Oben S. 138 Anm. 3. *) Muller, Gariularium S. 12 Nr. 7. Erganzende Untersuchungen. 145 Nach Brom 342 hat Bischof Andreas 1133 dem Abt Ludolf und dem Konvent zu St. Lorenz in Bethlehem sowie einem gewissen Gerbert und zwei anderen, die beide Gottfried heiBen, 40 Mansen im Westerwald verkauft und ihnen gemeinsam einen Wassergraben anzulegen gestattet, wo es ihnen am zweckmaBigsten erscheinen würde. Dem Abt und den Brüdern aber hat er allen Zehnten, Zins und Gerichtsbarkeit über die genannten Mansen überwiesen. Dieser Verkauf an ein Kloster und drei Laien, ohne daB über den Preis und die Verteilung des Besitjes unter die Kaufer ein Wort gesagt wird, ist in hohem MaBe befremdlich. Noch merkwürdiger wird die Sache dadurch, daB nach der Urkunde Nr. 9 = Brom 566 das Kloster im Jahre 1200 alleiniger Beshjer der 40 Mansen und diese ganze Flache damals noch unbebaut war. Bischof Dietrich gestattet den Mönchen, quia sepedicta ecclesia minus utilitatis consequitur in prediis que possidet in Westerwalt, quadraginta videlicet mansorum, eo quod inina sunt et inculta, ut, si quos invenire poterint colonos qui eandem terram infructuosam colant et fratribus inde pensum reddant, maneant sub nostra defensione liberrimi ab omni exactione, sub abbatis tarnen ditione. Für die zu erwartenden Colonen wird also hier dasselbe Rechtsverhültnis festgesetjt wie für die drei angeblichen Mitkaufer von 1133. Es ist völlig deutlich, daB diese in Wirklichkeit gar nicht existiert haben, sondern Ansiedler sind, die sich erst nach 1200 im Westerwald niedergelassen haben; ihnen gegenüber sucht Brom 342 die Rechte des Klosters zu wahren. Wir müssen aber auch die Echtheit der Urkunde Nr. 9 = Brom 566 anfechten. Zwar entstammen Eingangs- und SchluBprotokoll, wie schon Bd. I S. 177 gezeigt ist, einer von Kaplan Allinus verfaBten echten Urkunde des Bischofs Dietrich II.; aber dieser kann seine Vorganger nicht ais iilustres viros bezeichnet haben, und die Pertinenzformel ,in pratis seu pascuis, in lignis fructuosis vel infructuosis, decimis census' laBt sich nicht durch den EinfluB der Vorurkunde Brom 330 erklaren, sondern verrat denselben Diktator wie diese. Oppermann, Untersuchungen zur nordniederlfindischen Geschichte. 10 146 Erganzende Untersuchungen. Die Urkunde Brom 566 ist somit in ihrer jefjigen Fassung erst nach 1200 entstanden; dieses Jahr bedeutet für die in ihr bestatigten Urkunden Brom 330 und Brom 342 keine Spütgrenze. Eine solche ergibt sich für alle drei Stücke vielmehr aus der Urkunde Nr. 15 = Brom 934 von 1240. Nach ihr hat Abt Dietrich von Oostbroek an Ritter Philipp von Riningen und seine Erben 40 Mansen im Westerwald für jahrlich zwei Pfund Utrechter Münze zu Erbpacht gegeben, retento nobis hoe iure quod tegulas et ligna, que dicuntur balkensliete, et cannas ad opus curtis nostre Hengestscote, sudes etiam et virgas ad omnes alias curtes citra Leccam ütriusque conventus in Oestbroich semper excipiemus inoffense. Pascua quoque retinebimus ad omnia animalia prefate curtis Hengentstscoten cuiuscunque sint speciei, exceptis capris. Wenn Philipp im Westerwald eine Wiese anlegen und sie für das Vieh abschlieBen will, soll er das tun dürfen, sofern es dem Kloster keinen groBen Schaden bereitet; doch soll diesem kein Vieh weggefangen oder unter Verletjung ausgetrieben werden. Wenn im Westerwald Land urbar gemacht wird, soll der groBe Zehnt dem Kloster, der kleine dem Erbpachter zustehen. Man ersieht, daB noch im Jahre 1240 die 40 Mansen im Westerwald aus unbebautem Land bestanden, daB aber damals gelegentlich ihrer Vererbpachtung das Kloster sich in diesem Gebiet genau die Rechte vorbehielt, die ihm in Brom 330 und Brom 342 durch Bischof Andreas verbrieft und in Brom 566 durch Bischof Dietrich bestatigt werden. Bis zületjt haben wir die Urkunde des legitimus heres Sutphaniensis oppidi Heinrich von 1179 Nr. 8 = Sloet 352 aufgespart. Sie kompromittiert sich nicht wie die übrigen Falsa durch die Bezeichnung ,ecclesia in Nova Bethlehem' für die Oostbroeker Kirche, dafür aber durch den engen Zusammenhang ihres Diktates mit einer der Zutphener Falschungen, der Urkunde des Bischofs Burkhard von' 1105 Sloef 208. Man vergleiche: Erganzende Untersuchungen. 147 Sloet 208. In nomine sancte et individue trinitatis, Quoniam temporis successione ea que a principibus statuuntur plerumque a memoria hominum labuntur, nisi scriptorum monimentis reserventur, idcirco per presentia scripta notum sit omnibus ... invenimus quedam ex eis turn antiquitate temporis tinearum morsibus corrosa tum ex vicinitate tlammarum incendii contracta. Ad huius autem rei testimonium confirmandum cedulam hanc sigilli nostri impressione denotatam conscribi iussimus. Sloet 352. In nomine sancte et individue trinitatis. Quoniam ea que proborum virorum consultu a principibus geruntur plerumque tum temporis successione a thesauro memorie relegantur tumque corrosivo invidorum dente ... in exterminium precipitantur nisi scriptorum monimentis reserventur, idcirco opere pretium est, ne bonarum rerum oblitteratio surrepat, ut posteritati hominum veritatis vestigia scripturarum testimonio imprimantur. Ad huius igitur rei testimonium roborandum presentium litterarum apices sigilli mei impressione muniri iussi. Aus diesem Verhaltnis ergibt sich auch, daB die Intitulatio von Sloet 352 ,divina gratia legitimus heres Sutphaniensis oppidi' Erfindung eines Fülschers ist. Schon an sich wird man beanstanden, daB Graf Heinrich eine Urkunde als Erbe der Stadt Zutphen solle ausgefertigt haben, noch dazu, ohne sich Graf von Geldern zu nennen, wie er vorher und nachher1) urkundlich genannt wird, und obwohl sein Kaplan unter den Zeugen von Sloet 342 als Geldulfus capellanus comitis eiusdem erscheint. Erst die Zutphener Falsa 'aber liefern den Beweis für die Unechtheit jener Titulatur: in Sloet 229 nennt sich Bischof Dietrich von Münster Mimigardevordensis episcopus et oppidi Sutphaniensis heres legitimus, und in Sloet 268 wird Grafin Ermengardis als comitissa illustris heres legitima oppidi Suthfaniensis bezeichnet. Was den Inhalt von Sloet 352 anlangt, so hat Heinrich, legitimus heres Sutphaniensis oppidi, dem Kloster Oostbroek 30 Pfund Utrechter oder Deventersche Münze für eine ') Sloet 343 Erzbischof Philipp von Köln 1176; Sloet 360 Kaiser Friedrich I. 1182. 10* 148 Erganzende Untersuchungen. Memorie aller Verstorbenen, seiner Eltern und besonders seiner jüngst verstorbenen Gattin Agnes zu stiften gelobt und zur Ausgleichung dieser Summe mit Zustimmung seines Sohnes Gerhard die Insel bei Gomecenorde und die Fischerei um die Insel zu beiden Seiten des Ufers dem Kloster zu eigen gegeben. Den Ertrag der Insel und der Fischerei hat er dem Klosterhof Spankeren zugewiesen. Am Wortlaut befremdet die Uberweisung der Insel in allodium et proprietatem absque ulla servitii conditione quia liberam eam habui, und der Fischerei an das Kloster quia asilum omnium transeuntium esse multi ex liquido cognoverunt, pio cum effectü filii mei Gerardi. Sachlich ist die Zuweisung der Einkünfte an einen bestimmten Klosterhof zu beanstanden; in einer echten Schenkungsurkunde wird doch ahnliches niemals ausgesprochen. Doch ist zur Herstellung von Brom 352 eine echte geldrische Urkunde von 1179 verwendet worden, der Zeugen und Datierung entnommen sind. Von den Zeugen kommen Heinrich von Dudenwert und Gerhard Mummo auch 1177 in Sloet 344 vor. Nicht nur S'oet 352 steht mit den Zutphener Falschungen im Zusammenhang; ihre Spur laBt sich, nachdem sie einmal aufgefunden ist, auch sonst in den Oostbroeker Falschungen erkennen. Die anachronistische Bezeichnung der Urkunde als cedula hat der Zutphener Falscher in der Corroboratio von Sloet 173 und Sloet 208 angewendet, der Oostbroeker in Brom 272 (oben S. 115. 140). Daraus erhellt zugleich, daB Sloet 352 mit den übrigen Oostbroeker Falschungen eine einheitliche Gruppe bildet. Was ihre Entstehungszeit anlangt, so ist für Brom 272 durch Brom 825 und 826 der September 1231, für Brom 330, 342 und 566 durch Brom 934^, der 28. Marz 1240 als Spatgrenze gegeben. Wir werden somit die ganze Gruppe um 1231 anzuseljen haben. Der Diktatzusammenhang mit den Zutphener Falsa, den wir aufgezeigt kaben, laBt auf Beziehungen des Klosters Oostbroek zum Zutphener Walburgis-Stift schlieBen. Sie Erganzende Untersuchungen. 149 könnten durch das Utrechter Marienstift vermittelt sein, dem der einfluBreiche Zutphener Kanonikus Pilgrim von Horst angehörte1), und dessen Vogt der Graf von Geldern war. 5. Zü DEN ALTEREN ÜRKUNDEN AUS KLOSTER RUINEN. Die Urkunde des Bischofs Gottfried für Kloster Ruinen vom 11. April 1169 (nicht 1170) Oorkondenboèk van Groningen en Drente I (1896) Nr. 352), die am 4. Okt. 1244 (OGr I 102) durch den Elekten Otto III. vidimiert worden, aber ebenso wie alle anderen ülteren Urkunden des Klosters nur in einem um 1490 angelegten Kopiar überliefert ist, ist in mehr als einer Hinsicht bemerkenswert. Sie weist hinter der Zeugenreihe eine Signum-Zeile .Signum domini Godefridi Traiectensis episcopi' auf, so daB also im Original ein Monogramm des Ausstellers vorausgesetjt werden muB, und eine zweiteilige Datierung: Datum Volnho III. idus aprilis anno d. i. 1169 regnante domino glorioso Frederico invictissimo Romano imperatore, anno regno eius XVIII., anno autem episcopi Godefridi Traiectensis episcopi XIII. Actum autem in Anlo. Ferner aber steht die Urkunde in engen Diktatbeziehungen zu zwei andern Urkunden aus demselben Kloster, der des Bischofs Dietrich II. von 1211 OGr I 52 und der des Elekten Otto III. vom 4. Juli 1241 OGr I 101. Das Formular der letjteren stimmt mit dem von OGr I 35 so vollstandig überein, daB fast nur die Personen- und Ortsnamen sowie die Datierung anders lauten; aber auch OGr I 52 lehnt sich stark an dieses Formular an. Die Frage, wie diese Diktatbeziehungen zu erklaren sind, ist zugleich die Frage nach der Echtheit von OGr I 35. Da ist nun darauf hinzuweisen, daB Eingangs- und SchluBprotokoll denselben Verfasser haben wie eine andere Urkunde des Bischofs Gottfried, die Sühne mit Egbert von Amstel OB I 155, die van den Bergh vor 1177, Brom 471 ver- >) Oben S. 123. 3) Dieses Werk wird künftig angeführt als OGr I. 150 Erg&nsende Untersuchungen. mutungsweise zu 1172, aber schon vor ihm Knipping, Regesten der Erzbischöfe von Köln II 930 richtig zu 1169 angesetjt hat. Man vergleiche: OB I 155 In nomine sancte et individue trinitatis. Amen. Notum facio tam futuris quam presentibus, quod ego Godefridus dei gratia Traiectensis humilis antistes ... testibus qui aderant subternotatis quorum nomina hec sunt OGr I 35 In nomine sancte et individue trinitatis. Amen. Godefridus dei gratia humilis sancte Traiectensis ecclesie minister ... coram ydoneis testibus, quorum nomina subter notata habentur Die Sühne mit Egbert von Amstel ist durch Erzbischof Philipp von Köln herbeigeführt worden, und unter ihren Zeugen erscheinen drei Kölner Pralaten. DaB Kölner Einflüsse auf die Abfassung nicht nur dieser Urkunde, sondem auch auf die von OGr I 35 eingewirkt haben, zeigt ein Vergleich mit zwei Urkunden des Erzbischofs Philipp von 1169, für Stift Rees Knipping 929 = Lacemblet UB I 432 und für St. Ursula zu Köln Knipping 939 = Zeitschrift des berg. GV. XXII (1866) S. 236. Beide haben eine Signum-Zeile mit Monogramm, und die erstere hat die mit OGr I 35 übereinstimmende Intitulatip ,dei gratia sancte Coloniensis ecclesie humilis minister'. Damit ist erwiesen, daB Eingangs- und SchluBprotokoll von OGr I 35 echt und Diktat des Ausstellers sind; man wird unter diesen Umstanden auch gegen den Rechtsinhalt der Urkunde nichts einwenden. Fünf andere Urkunden aus Kloster Ruinen, Bischof Dietrich II. 1206 (nicht 1207 oder 1208!) OGr I 44, Bischof Otto EL 1217 OGr I 61 und OGr I 62 und 1218 OGr I 64 sowie Bischof Otto III. von 1246 OGr I 109 stehen untereinander in derselben Weise in formalem Zusammenhang wie die drei bisher behandelten. In allen fünf begegnet die Formel ,constitutus (constituta) in presentia nostra'; drei sind auBerdem durch die Fassung der Pön verwandt. Die Formel ,constitutus in praesentia nostra', die ja spater in den Urkunden der geistlichen Gerichte vollstandig ein- Erganzende Untersuchungen, 151 gebürgert ist und von da zum Beispiel in Groningen auch in die stadtischen Urkunden übergeht, ist in der ersten Halfte des 13. Jahrhunderts noch nicht sehr haufig und kann demnach in dieser Zeit als Diktatkriterium gelten. Es laBt sich auch hier in einer dieser fünf Urkunden ein Aussteilerdiktat aufzeigen. OGr I 44 stimmt mit der 1206 von Bischof Dietrich geïallten Entscheidung eines Streites zwischen dem Stift St. Johann zu Utrecht und den Parochianen von Wercunde Brom 590 nicht nur auf groBe Strecken des Diktates überein, sondern hat auch fast dieselbe Zeugenreihe, so daB wir zwei Entscheidungen derselben Gerichtstagung vor uns haben. Das Inkarnationsjahr von OGr I 44 ist demgemaB in 1206 zu verbessern, wozu auch das Bischofsjahr paBt. Brom 590 (1206). Theodericus dei gratia Traiectensis episcopus omnibus tam futuris quam presentibus salutem in domino. Constituti in presentia nostra dilectus noster decanus s. Johannis et parrochitani de Werkunde Igitur dum sentenciaretur pro eo et post decem dies sententia transisset in rem iudicatam, ne decetero ei vel alicui successorum super his moveri possit questio, presentem paginam conscribi fecimus et sigilli nostri impressione muniri, ratam habentes et confirmantes dictam sententiam. Si quis vero quod absit eam in posterum infnngere vel mutare temptaverit, omnipotentis dei iram et bannum nostrum incurrat. Amen. Acta sunt hec anno d. i. 1206 pontificatus nostri anno VIII. testibus his presentibus Reinboldo s. Marie in Traiecto, Ottone de Tyele OGr I 44 Theodericus dei gratia Traiectensis episcopus omnibus tam futuris quam presentibus salutem in domino. Universitati vestte notum esse volumus, quod constitutus in presentia nostra dilectus in Christo Fredericus eas omnipotentis dei auctoritate et nostra confirmavimus et ad earum confirmationem presentem paginam conscribi fecimus et sigilli nostri impressione muniri Si quis vero contraire presumpserit, omnipotentis dei iram incurrat. Amen. Acta sunt hec anno d. i. 1207 pontificatus nostri anno VIII. sub hüs testibus Remboldo s. Marie in Traiecto, Ottone Tylensi prepo- 152 Erg&nsende Untersuchungen, prepositis, Baldewino et Perègrino s. Johannis, Theoderici de Brüke s. Bonifacü, Johanne Calvo s. Petri, Qerardo s. Johannis canonicis, Elya de Rininge, Wemero de Duingelo, Qerardo de Westerwrth et aliis quam pluribus tam clericis quam laicis. sitis; Henrico decano s. Marie, Theoderico de Bruke s. Bonifacü et Johanne Calvo s. Petri in Traiecto canonicis; Everhardo pastore in Volnho, Arnoldo capellano, Theoderico notario; laicis etiam Gherardo de Westerwrth, Her-manno de Nurberghe et aliis quam pluribus tam clericis quam laicis. Das Formular von OGr I 44 ist dann in die Bestatigung dieser Urkunde von 1217 OGr I 61 und durch deren Vermittlung in die Urkunde OGr I 62 und OGr I 64 übergegangen. Der Kontext von OGr I 61 ist allerdings spüter durch eine Einschiebung erweitert worden. Das Besitjverzeichnis von OGr I 44 schlieBt mit den Worten „in duabus domibus in Volnho", wahrend es in der Bestatigung OGr I 61 an dieser Stelle heiBt: „in domibus tribus in Volnho, quarum unam contulit ecclesie predicte Gherardus Leo" und dann noch eine lange Reihe von Besitzungen folgt. Sie nennt unter anderem decimam unius domus in Emesere. Aber das Haus Eemster ist, nach Ausweis von OGr I 101, erst 1241 vom Kloster erworben worden. Das Besitjverzeichnis von OGr I 61 ist mithin durch eine Interpolation nachtraglich erweitert worden. Für den Zeitpunkt derselben gibt die Urkunde von 1247 OGr I 109 einen Anhaltspunkt; ihr Verfasser ist mit dem Formular von OGr I 44. 61. 62. 64 offenbar dadurch in Berührung gekommen, daB er OGr I 61 interpoliert hat. 6. Zur Beurteilung der Utrechter Falsa aus dem Codex Hannoveranus. Die unechten Utrechter Urkunden des Bischofs Balderich von 940 Brom 99, des Bischofs Adelbold von 1021 Brom 168, des Bischofs Konrad von 1088 Brom 249, diese mit Bestatigung des Papstes Calixt II. von 1121 Brom 295, und die des Königs Konrad DL von 1145 St. 3504 mit Bestatigung des Papstes Eugen Hl von 1146 Brom 386 sind nur ab- Erganzende Untersuchungen. 153 schriftlich überliefert in einem Utrechter Kopiar aus der ersten Halfte des 14. Jahrhunderts, das im Staatsarchiv zu Hannover beruht, und in anderen Kopiaren. Die angebliche Urkunde des Bischofs Adelbold Brom 168 kommt auch in einem wahrscheinlich 1322 angelegten^Register des Grafen Wilhelm III. von Holland vor sowie in Hugo Wstincs 1342 verfaBtem Rechtsbuch der Utrechter Domkirche1). Nach diesen Handschriften sind die merkwürdigeh Urkunden 1892 von S. Muller herausgegeben worden, der auch ihre Unechtheit überzeugend nachgewiesen hat2). Ihre Entstehung, die Muller in der ersten Halfte des 14. Jahrhunderts sucht, hat dann 1913 Tenhaeff auf Grund eingehender Unteïsuchung zu etwa 1250 angesetjt und sie "in Verbindung gebracht mit dem Streit um den Utrechter Bischofsstuhl nach dem Tode des Bischofs Otto III. (27. Marz 1249)3). Dieser Ansatj ist in den Besprechungen von Tenhaeffs Buch nicht unangefochten geblieben; Joosting4) hat ihn für zu spat, Gosses6) für zu früh erklart. Die Falsa würden, wenn im Jahre 1250 entstanden, eine wichtige Quelle für die damals in Utrecht herrschende politische Strömung bedeuten; der wir oben (S. 88 f.) nachzugehen versucht haben— Es ergab sich somit für uns die Notwendigkeit Tenhaeffs Ergebnis nochmals nachzuprüfen. Wir gehen dabei aus von dem unechten Diplom Konrads III. St. 3504 und seiner Bestatigung durch Papst Eugen III. Brom 386. Für die Kritik dieser beiden Stücke können wir ein neues Moment beibringen durch Konfrontierung des Diktates mit König Wilhelms Privileg de non evocando vom 18. Juni 1252 Brom 1223. ») ed. S. Muller Fz. (1895) S. 237 ff. s) Cartuiarium S. 222 233. Vgl. Inleiding S. LI—LXIX. Die angebliche Urkunde Calixts II. Brom 295 jefet im vollstandigen Wortlaut in Mullers Oorkondenboèk van het Sticht Utrecht Nr. 299. _ *) Diplomatische Studiën S. 91 - 183. *) Nederlandsch Archievenblad 1913-14, 166. 8) Museum 1915, 343 f. 154 Erg&nsende Untersuchungen. König Konrad III. St. 3504. nostra regalis excellentia aliquam honoris prerogativam concedere considerantes quod regalem decet excellentiam illos honorari debere prerogativa ampliori nostram regalem excellentiam volentes eandem ecclesiam maiorem Traiectensem honoris prerogativa specialis sublimare Papst Eugen III. Brom 386. . inhibentes... ne ... ipsam ecclesiam Traiectensem contra huiusmodi privilegii et nostre confirmationis tenorem molestare aut... audeat attemptare'). Die Echtheit von Brom 1223 ist unanfechtbar. Das Privileg ist von einem Diktator der königlichen Kanzlei verfaBt, der in ihr schon seit 1248 tatig war. Zur Wendung ,volentes ... prerogativa gaudere', die ich in Wilhelms Urkunden sonst nicht nachweisen kann, vergleiche man zum Beispiel König Rudolfs Privileg für die Stadt Zürich vom 20. September 12742): volëntes dilectos cives nostros . . . hac gratie prerogativa gaudere. Der Zusammenhang des Diktates von Brom 1223 mit den Falschungen erstreckt sich nur auf St. 3504 und die papstliche Bestatigung, nicht auch auf die ünechten Bischofsurkunden. Aber Tenhaeff hat überzeugend dargetan, daB die samtlichen Falsa eine einheitliche Gruppe bilden, und daB jedes dèrselben mit Benugung echter Utrechter Urkunden hergestellt ist. ') Die Pön ,Nulli ergo hominum liceat... se noverit incursurum' entstammt dem Brief Honorius' III. von 1223 Muiier, Cartuiarium S. 190 Nr. 4. Tenhaeff hat (S. 113) diesen Zusammenhang geleugnet, weil der Brief im Liber donationum nicht steht. Aber die Benugung der Urkunde von 1196 für St. 3504 (Tenhaeff S. 110) zeigt, daB das vom FSlscher gebrauchte Kopiar nicht der Liber donationum war. " a) UB der Stadt und Landschaft Zürich IV Nr. 1571. König Wilhelm 1252 Brom 1223. quotiens regalis excellentia volentes ipsos speciali prerogativa gaudere inhibemus, ne quis ipsos contra hanc concessionem nostram impedire audeat seu etiam molestare. Erganzende Untersuchungen. 155 Können unter diesen Umstanden die Diktatbeziehungen von Brom 1223 zu St. 3504 und Brom 386 so erklart werden, daB für diese Falschungen auBer andern echten Urkunden auch Brom 1223 benutjt worden ist? Das ware an sich ein sehr unwahrscheinlicher Hergang. Er wird aber dadurch ganz unmöglich, daB die Falsa nicht über das Jahr 1250 herabgerückt werden können. Zu ihrer Herstellung hat ein Streit um die Beseljung des bischöflichen Stuhles ohne allen Zweifel den AnlaB gegeben, und ein soldier Fall könnte erst 1267 wieder eingetreten sein. Damals waren die Herren von Goor, die nach Brom 168 das SchloB Goor zu Lehen vom Bischof tragen und seine Fahnentrager sind, seit mindestens 12 Jahren depossediert. An der von Tenhaeff gefundenen Datierung der Falsa ist also festzuhalten1), und sie sind demnach, wenn nicht von demselben Verfasser wie König Wilhelms Privileg Brom 1223 angefertigt, so doch aus dem Kreise der Personen hervorgegangen, die im Jahre 1250 des Königs Politik bestimmten. Dann aber können die Falsa nicht, wie Tenhaeff annimmt, gegen Erzbischof Konrad von Köln und dessen Kreatur Heinrich von Vianden gerichtet, sondern müssen zur Unterstütjung von Heinrichs Anspruch auf den Utrechter Bischofsstuhl bestimmt gewesen sein2). ') Gosses ist freilich anderer Ansicht; nach ihm (Museum 1915, 344) kann die Adelbold-Urkunde erst geraume Zeit nach 1256 entstanden sein, da sonst der gesunde Menschehverstand des Falschers mit dem Einwand gedüchtnisstarker Leser hatte rechnen müssen, daB der Graf von Geldem, der nach der Urkunde die Halfte von Emmerich besitjt, sie ja erst 1235 erhalten habe, und daB die Herren von Kuik, die in der Urkunde als Schenken des Biscrofs aufgeführt werden, bis 1220 Grafen von Utrecht waren. Ich bekenne, daB mir für diese psychologischen Erwagungen das Verstandnis abgeht. 2) Zur Geschichte des Formulars von Brom 1223 vergleiche man beispielsweise das Privileg des Papstes Eu?en III von 1152 Lacomblet UB 1372 (amplioris ac specialioris gratie prerogativa) und die Urkunde des Königs Heinrich von 1227 Huillard-Bréholles, Historia diplomatica UI S. 319 (singulari gaudere dinoscitur prerogativa), aber auch die des Erzbischofs Konrad von 1248 Beyer UB III 961 (ea specialiter ipsos gratia gaudere volentes). 156 Erg&nsende Untersuchungen. In diesem Sinne müssen sie, wie ich glaube, in der Tat ausgelegt werden. In Brom 249 sagt Bischof Konrad, er habe die Privilegiën und Statuten eingesehen, die dem Domkapitel von den Bischöfen Friedrich, Ratbod, Balderich, Adelbold und mehreren anderen seiner Vorganger verliehen worden seien. Danach sollen alle Kollegiatkirchen, die im Laufe der Zeit in Stadt und Diözese Utrecht mit Zustimmung des Domkapitels errichtet worden sind, dieser ihrer Mutterkirche unterworfen » sein und ihre Pröpste zum Zeichen dieser Abhangigkeit nur aus den Domkanonikern wahlen dürfen. Nur das Altmünsterstift hat das Recht, seine Dompropstei frei zu vergeben. Der Domdekan soll befugt sein, den Bischof, die Archidiakone und die (Kapitel-)Kirchen der Stadt und Diözese Utrecht zum Kapitel zu berufen. Das alles bestatigt Bischof Konrad und bestimmt seinerseits, daB die von ihm gegründete Marienkirche in allem dem Domkapitel unterworfen und gleichfalls gehalten sein solle, den Propst aus ihm zu wahlen. t!^ - Die Falschung sichert also dem Domkapitel ein starkes Übergewicht über'die andern Kapitelkirchen. Im Domkapitel aber hatte um 1250 die Partei Konrads von Hochstaden aller Wahrscheinlichkeit nach die Oberhand, nachdem 1246 der Dompropst Gobert von Perweis durch Heinrich von Geldern und der Domdekan Heinrich von Breda durch Dietrich von Wickrath ersetjt worden war; letjterer war seit 1247 auch Propst von Altmünsterl). Schon deshalb kann die Falschung nicht von der Partei Goswins von Randerath ausgegangen sein, der Propst von St. Johann war. Wenn nun ferner die falsche Urkunde Konrads III. St. 3504 das Recht der Wahl und Einseljung des Bischofs, das-bisher den römischen Königen und Kaisern zugestanden hat, den Kapitein des Domes und Altmünsterstiftes, und nur ihnen, übertragt, so bedeutet auch dies eine Zurückdrangung der andern Kapitel-Kirchen und damit der Partei Goswins, und nur scheinbar eine Abwehr kurialer Übergriffe in das Recht J) Pijnacker Hordijk, Nederlandsch Archievenblad 1911—12, S. 68. 75. ( Erganzende Untersuchungen. 157 der Krone. Denn die Krone entauBert sich ja ihres Rechts völlig, und dieser Verzicht wird durch den Papst bestatigt. Ebenso hat der Falscher für die Urkunde des Bischofs Konrad Brom 249 eine papstliche Bestatigung in Gestalt von Brom 295 beizubringen für nötig gehalten. Die Adelbold-Urkunde endlich, Brom 168, fordert die persönliche Teilnahme der groBen Lehnmannen an der Synode des Bischofs. Auch das bedeutet eine Stürkung der Partei Konrads von Hochstaden, dem um 1250 der Herzog von Brabant und die Grafen von Holland, Geldern und Kleve nachweisbar anhingen. Die Falsa sind demnach von einer Partei ausgegangen, die das Utrechter Bischofswahlrecht zugunsten der Anhanger Heinrichs von Vianden beeinflussen will. Erst nach dem Umschwung von 1252 (oben S. 91) hat König Wilhelm der Gegenpartei seine Gunst zugewendet, wie sein Privileg für St. Marien vom 3. April 1253 Brom 1245 zeigt. 7. Órei unechte Utrechter Bischofs-Urkunden aus Kloster Oudwuk. 1. 1164. Bischof Lindo, Legat des Papstes Paschalis III. BMHG XXX 214 Nr. VI; Brom 439. 2. 1165. Kaiser Friedrich I. BMHG XXX 217 Nr. VII; Brom 446. 3. 1173. Weihenotiz und Traditionsnotiz. BMHG XXX 220 Nr. IX. X. *4. 1174. Bischof Gottfried. BMHG XXX 224 Nr. XII; Brom 476. *5. 1174. September 8. Bischof Gottfried. BMHG XXX 222 Nr. XI; Brom 475. *6. 1217. Bischof Otto II. Archief voor de geschiedenis v. h. aartsbisdom Utrecht X (1882) S. 259; Brom 658. 7. 1217. S*eptember 1. Papst Honorius III. Ebenda S. 264; Brom 655. 8. 1246. Juni 4. Papst Innocenz IV. Brom 1059. 158 Erganzende Untersuchungen. Die alteren Urkunden des Benediktiner-Nonnenklostërs Oudwijk bei Utrecht sind samtlich in einem schmalen Heft mit Abschriften von Buchelius überliefert; die beiden Stücke von 1217 waren auch in Offizialatstranssumpten von 1389 und 1414 vorhanden, nach denen sie an der angegebenen Stelle gedruckt sind. Das Kloster ist nach den Notizen Nr. 3 von Wilhelm von Voorn, der in Brom 476 unter den bischöflichen Ministerialen genannt wird, und seiner Gattin gestiftet worden. Ihre Tochter Hedwig trat als Nonne in das Kloster ein. Am Tage der Weihe der Klosterkirche, dem 25. Juli 1173, überwies ihr der Stifter einen Mansus zu Marre am Rhein. Damals bestand das Kloster schon seit einigen Jahren; nach Brom 439 stand 1164 Abtissin Sophia an seiner Spitje; nach Brom 446 hat es Kaiser Friedrich I. 1165 in seinen kaiserlichen Schulj genommen. Im Jahre 1217, als der mit dem Banne der Kirche beladene Welfe Otto IV. die kaiserliche Krone trug und in Utrecht der im Jahre zuvor von dem Staufer König Friedrich investierte Bischof Otto II. regierte, wurde aus dem kaiserlichen Schutjverhaitnis ein papstliches1); es ist 1246 von Papst Innocenz IV. erneuert worden2). ;V->',> Die Angaben der Notizen von 1173 sind völlig unverdachtig, und die Echtheit der vier angeführten Urkunden ist gegen jeden Zweifel gesichert. In Bischof Gottfrieds Urkunde Brom 475 erregt die Formel ,autoritate dei omnipotentis ét beati Petri et nostra precipimus' Bedenken, sowie die Besiegelung propter malorum importunitatem. DaB der Kontext in der Tat verfalscht ist, zeigt eine Untersuchung der zweiten Urkunde des Bischofs Gottfried, Brom 476, und der des Bischofs Otto II., Brom 658. Die letjtere ist, abgesehen von Intitulatio, Inscriptio mit GruBformel und Datierung eine wörtliche Wiederholung der ') Brom 655. *) Brom 1059. Erg&nsende Untersuchungen. 159 papstlichen Urkunde Brom 655, nur daB in der Güterliste den einzelnen Ortsnamen die Zahl der Mansen oder jugera hinzugefügt sind. Die starke Abhangigkeit eines bischöflichen von einem papstlichen Diktat ist an sich nicht befremdend und in echten Urkunden von Ottos II. Nachfolger Wilbrand mehrfach wahrzunehmen1). Hier aber steht einem solchen Verhaltnis zunachst das Datum von Ottos II. Urkunde entgegen, in dem das erste Bischofsjahr angegeben ist. Es lief spatestens am 27. Juli 1217 ab, da der Todestag Ottos, der 28. Juli 1228, bereits in sein 12. Bischofsjahr fiel2). Demnach kann bei Abfassung einer echten Bischofsurkunde des angeführten Datums die Papsturkunde vom 1. September 1217 noch nicht vorgelegen haben. Zweitens ist eine derartig wörtliche Wiederholung eines ' papstlichen Briefes, wie sie in Brom 658 vorliegt, formell unmöglich; die Aufnahme in den Schutj des Bischofs von Utrecht kann nicht mit den Worten ausgesprochen worden sein: sub beati Petri et nostra protectione suscipimus. Drittens aber erhebt sich gegen einen solchen Akt auch ein sachliches Bedenken. Das Kloster ist ja am 1. September 1217 in den papstlichen Schut; aufgenommen worden. Wie kann dem eine Aufnahme in den bischöflichen Schut; mit genau denselben Worten unmittelbar gefolgt sein! Die Urkunde Brom 658 ist demnach eine Falschung, von der nur Eingangs- und SchluBprotokoll "einer echten Urkunde des Bischofs Otto II. von 1217 entstammen. Und zwar ist, da das Güterverzeichnis der benutjten Papsturkunde nur spezialisiert, aber nicht erweitert ist, die Unterstellung des Klosters unter bischöflichen Schutj offenbar der Zweck der Falschung. Eingangs- und SchluBprotokoll von Bischof Gottfrieds Urkunde von 1174 Brom 476 sind zweifellos echt und nicht etwa aus Brom 475 übernommen. Aber der Kontext ist ebenso unecht wie der von Brom 475 und 658. >) Vgl. oben S. 79. 2) Vgl. Pijnacker Hordijk, Nederl. Archievenblad 1911—12, S. 51. 160 Erganzende Untersuchungen. Die Aufnahme in den bischöflichen Schut} wird auch hier ausgesprochen, mit ganz anderen, aber nicht minder auffallenden Worten: monasterium . . . cum suis pertinentiis in protectione mea suscepi et eius advocatus esse statui, idem successoribus meis imponens, quatenus ipsi in propriis personis eiusdem loei venerandi advocati sic existant, ut advocatiae curam in nullum transferant, sed tanquam iugum domini in suis humeris ad honorem dei perferant. DaB dies nicht nur formell, sondern auch sachlich unmöglich ist, bedarf weiter keines Beweises; das Kloster war ja seit 1165 ein kaiserliches, und Bischof Gottfried hat mit Kaiser Friedrich stets in engster Verbindung gestanden. Wie kann er in einer nach ihm datierten Urkunde dieses Scnutjverhaltnis einfach ignoriert haben! Nach weiteren Ausführungen über dieses Schuëverhaltnis heiBt es dann in Brom 476: Ut autem omnia hec rata persistant, in testimonium facti presentem cedulam proprio sigillo impressi et, qualiter et a quibus predicta domus fundata est et meo tempore dotata, subscribi feci, sicut sequens litera legentibus eam manifestis titulis declarat. Es wird nun berichtet, die Burggrafin Mathilde habe im Jahre 1135 — wozu eine völlig unrichtige Indiktion, VI statt XIII, angegeben wird — auf eigenem Grund und Boden das Kloster errichtef und mit fünf Mansen — darunter zwèi in campo qui vulgo Vene dicitur — ausgestattet; ihr Sohn Burggraf Otto habe weitere Grundstücke geschenkt, darunter vier mansos cultos in Vene. Dann wird noch ein Besigverzeichnis des Klosters angefügt, worauf eine lange Pönformel zum Eschatokoll überleitet. Schon formell enthalt dieser zwischen Corroboratio und Pön eingefügte Passus sowie die Pön selbst viel AnstöBiges. Die hauptsüclJichsten seiner sachlichen Angaben aber werden durch die oben angeführten Weihe- und Traditionsnotizen von 1173 Lügen gestraft: das Kloster ist nicht von der Burggrafin Mathilde und ihrem Sohne, sondern von dem bischöihchen Ministerialen Wilhelm von Voorn gestiltet worden. DaB Erganzende Untersuchungen. 161 der Verfasser von Brom 476 unter der Burggrafin Mathilde die Witwe des Burggrafen Arnold verstanden wissen will, der zuletjt 1135 urkundlich genannt wird, und als dessen Nachfolger seit 1139 der castellanus Otto vorkommt1), ist wahrscheinlich. Aber die Behauptung der Urkunde wird dadurch nicht glaubwürdiger; sie laBt nur erkennen, daB der Falscher sich irgendwie mit Rechten oder Ansprüchen des Utrechter Burggrafen auf das Kloster oder seine Vogtei auseiriandersetjen wollte. Enthalt doch Brom 475 auch eine Anweisung an die Bischöfe von Utrecht, die Vogtei stets in der Hand zu behalten. Die Entstehungszeit der Falschungen kann mit Rücksicht auf das papstliche Privileg von 1246 Brom 1059 nicht vor die zweite Halfte des 13. Jahrhunderts fallen. Vielleicht stehen sie irgendwie im Zusammenhang mit dem Übergang der Utrechter Burggrafschaft an das Haus Utengooi im Jahre 1307s). Der seit 1305 regieiende Graf Johann II. von Bentheim, der legte Inhaber der Burggrafschaft aus diesem Hause, war mit Grafin Mathilde von Lippe vermahlt; ihr zweiter Sohn Otto folgte 1347 seinem Bruder Simon^). 8. Der Jahresanfang des Egmonder Annalisten C. Berichtigung zu Bd. I s. 25 f. Band I S. 25 f. habe ich feststellen zu können geglaubt, daB der Egmonder Annalist C das Jahr mit Ostern beginnt und das zur Bestimmung der Berichte verwertet, die in dem uns vorliegenden Annalentent über die Jahre 1112—1173 von C herrühren. Doch ergibt eine nahere Untersuchung, daB diese Annahme unzutreffend ist. Der Annalist C hat die Jahresangaben der von ihm benutten Quellen stellenweise ziemlich willkürlich behandelt. ') Vgl. Pijnacker,Hordijk bvg 4. reeks II (1902) s. 5 f. 2) Jungius, Historiae comitatus Benthemiensis hbri tres (1773) Codex diplomaticus s. 102 Nr. XL1X. P) Ebenda s. 113 f. Nr. LVIII. Hopf, Historisch-genealogischer AÜas (1858) s. 289. Oppermann, Untersuchungen zur nordniederlündischcn Geschichte. 11 162 Erganzende Untersuchungen. Sein Bericht zu 1047 zum Beispiel besteht aus drei Sagen, von denen der erste und dritte zu 1048, der zweite zu 1046 bei Sigebert vorkommt. Dann bringt C zu 1049 die Zerstörung der Pfalz Nymwegen durch Herzog Gottfried, die nach Sigebert schon 1047 geschenen ist. Den Einfall des Herzogs Gottfried in Friesland setjt C zu 1072, obwohl er bei Sigebert zu 1071 steht. Das Todesjahr des Bischofs Ansfrid, das die Annalen von St. Marien zu 1009 bringen, obwohl es richtig 1010 heifien müBte, hat C auf 1008 verschoben. Unter diesen Umstanden kann der Bericht über den am 26. Februar 1076 erfolgten Tod des Herzogs Gottfried, den C mit Tagesangabe zu 1075, Sigebert ohne eine solche zu 1076 bringt, nicht dahin gedeutet werden, daB C das Jahr mit Ostern beginnt. Um so weniger, weil C in unmittelbarem AnschluB an Gottfrieds Tod mit Tagesangabe den Tod des Bischofs Wilhelm meldet, der am 27. April 1076, also nach Ostern dieses Jahres (27. Marz) gestorben ist. Nicht beweiskraftiger für den Oster-Jahresanfang sind die Berichte zu 1126 über die Ermordung Karls von Flandern in der Fastenzeit 1127 und zu 1170 über die Ermordung des Erzbischofs Thomas am 29. Dezember dieses Jahres. Ubrigens könnte der legtere einer Quelle entstammen, die das Jahr nicht mit dem 25. Dezember, sondern mit dem 1. Januar beginnt. Zur Kontrolle der Angaben von C über die Mitglieder des holiandischen Grafenhauses und die Abte von Egmond wird man die Egmonder Chronik und den Egmonder Nekrolog (BMHG XXXV 48 ff.) heranziehen wollen. Aber beide sind in dieser Hinsicht unzuverlassiger als C. Den Tod Dietrichs IV., der am 9. Januar 1049 erfolgte, hat C ohne Tagesdatum zu 1049, die Chronik ebenso zu 1048, der Nekrolog mit dem falschen Datum V. id. mai. (statt: ian.) zu 1048 (vgl. schon Bd. I 198). Da nun C den Tod der Grafin Othilhildis, der nach dem Nekrolog am 9. Marz 1044 eingetreten war, ebenso wie die Chronik ohne Tagesdatum zu diesem Jahre berichtet, so müssen auch die Berichte über das Ableben des Abtes Stephan am 3. Januar und des Grafen Florens II. am 2. M3rz, Erganzende Untersuchungen. 163 die C zu 1105 und 1121 bringt, auf diese Jahre und nicht mit Oster-Jahresanfang auf 1106 und 1122 bezogen werden. Allerdings hat die Chrönik ohne Tagesdaten zwar für Stephan 1105, aber für Florens II. 1122 und der Nekrolog mit Tagesdaten zwar für Stephan 1106, aber für Graf Florens 1121. Aber schon diese Widersprüche zwischen den beiden Quellen beweisen ihre Unzuverlassigkeit. Abt Stephan ist also am 3. Januar 1105, Graf Florens DL am 2. Marz 1121 gestorben. Für das legtere Datum, an Stelle dessen man bisher seit Kluit allgemein 1122 angenommen hat1), gibt es auch einen urkundlichen Beweis. In einer Urkunde des Bischofs Godebald von 1121, Sloet 236, wird an der Spige der Laienzeugen Florens' II. Sohn Theodericus comes Hollandensis aufgefülïrt. Da er beim Tode seines Vaters noch unmündig war, hat er keinesfalls schon zu dessen Lebzeiten den Titel geführt. Hat C ebenso wie F das Jahr mit dem 25. Dezember begonnen, so ist dem in einzelnen Berichten nachweisbaren Jahresanfang kein Argument für die Verfasserschaft von C zu enthehmen, und es entfallt damit auch der Bd. I S. 26 versuchte Beweis, daB der C-Text bis 1173 herabgereicht habe. Doch ist daran angesichts der Reihe der reichsannalistischen Nachrichten bis 1166 (oder vielmehr 1167, da erst im Juli dieses Jahres die zu 1166 berichtete Inthronisierung Paschalis III. stattfand) ohnehin nicht zu zweifeln. *) Kluit, Historia critica I 1 S. 67 Anm. 100. Arend, Geschiedenis des Vaderlands II 1 (1841) S. 112. Auch in der vielgebrauchten Regententafel im zweiten Bande von Pirennes Histoire de Belgique. In Bloks Geschiedenis van het Nederlandsche volk I- (1912) wird Florens II. nur einmal genannt, S. 165, wo berichtet wird, der Graf von Kuik habe zur Sühne für den Tod des alten Grafen Florens II. ein Kloster bauen müssen, was 1128 zu Marienweerd geschehen sei. Blok meint hier aber anscheinend Florens I., mit dessen Ermordung (1061) die Herren von Kuik übrigens gar nichts zu tun haben. Die diesbezüglichen Berichte Bekas, der Annales Tielenses (SS. XXIV 24) und des Klerken uten laghen landen (ed. de Geer S. 40) sind fabulos. 11 * 164 Erganzende Untersuchungen. 9. NORDNIEDERLANDISCHE DlKTATE DES KAISERLICHEN Notars Bruno-Philippus B. Zugleich Nachtrag zu Bd. I S. 312 ff. Aus den Kaiserurkunden in Abbildungen IV 28—30 kennen wirv einen Notar Heinrichs V., der von 1120—1125 unter den Kanzlern Bruno und Philippus tatig war und demgemaB als Bruno B = Philippus B bezeichnet wird. Seit 1122 hat er, wie die hier folgenden Diktatproben zeigen, auch Urkunden der Kaiserin Mathilde für nordniederlandische Empfanger sowie Utrechter Bischofsurkunden verfaBt1). 1122 Marz 14. Kaiserin Mathilde. Brom 296. Ut autem hec traditio rata et inconvulsa permaneat, cartam hanc inde conscribi et sigillo nostro insigniri iussimus. Philippus cancellarius vice Aelberti archicancellarii recognovi. Data II. id. martii. .. imperii vero XII. Actum est Traiecti in dei nomine feliciter. Amen. 1122 Mai 20. Bischof Godebald. Brom 299. In nomine sancte et individue trinitatis, patris et filii et spiritus sancti. Cum semper pium sit iustis petitionibus annuere, procul dubio impium esse non dubitatur, si religiosis pie petentibus non annuatur, presertim cum pro laude dei amplificanda, ad quod omnibus per omnia summopere studendum est, aliquid patiatur. Hanc vero traditionis paginam, ut firma et inconvulsa permaneat, testamentali astipulatione corroboravimus. 3) Anlehnung an das Formular der Königsurkunde ist in den Utrechter Bischofsurkunden dieser Zeit nichts Ungewöhnliches. Schon in der Urkunde des Bischofs Konrad von 1094 für St. Johann zu Utrecht OB I 92 ist sie wahrzunehmen. Bemerkenswert ist die Verwandtschaft dieses Formulars mit dem der Bd. I 133 ff. besprochenen Grafenurkunden von 1108 und 1116 OB I 98 und OB I 103: OB I 92 (1094). Et ut huius mee traditionis auctoritas stabilis semper et inconvulsa permaneat, hanc cartam fieri et sigilli mei impressione roborari precepi. OB I 98 und OB I 103: Et ut ista nostrae concessionis auctoritas stabilis et inconvulsa permaneat omni tempore ... hanc cartam conscribi et sigillo nostro... praecepimus corroborari. Erg&nsende Untersuchungen- 165 1122 Mai 26. Kaiser Heinrich V. St. 3176. Que a predecessoribus nostris pie memorie imperatoribus sive regibus sanctis ecclesiis dei collata sunt et postea imminuta sive neglecta comperimus, decet regalem iusticiam ea supplere et restaurare ob spem eterne remunerationis, et hoe acceptabile credimus coram deo et hominibus. Ut autem haec traditio nostrae auctoritatis rata permaneat, hanc paginam inde conscriptam manu propria roborantes sigillo nostro insigniri iussimus. Data VII. kal. junii . . . imperii vero XII. Actum est Traiecti in dei nomine feliciter. Amen. 1122 Juni 2. Kaiser Heinrich V. St. 3178. ^(Geschrieben von Bruno B = Philippus B.) Dum fidelium nostrorum utilitati benigne consulimus digneque eorum petitioni acquiescimus, antecessorum nostrorum regum sive imperatorum morem exsequimur et tanto maiorem futurorum nobis nostrisque successoribus benivolentiam spe remunerationis captamus. Ut autem huius nostre condicionis sive confirmationis auctoritas stabilis et inconvulsa permaneat, hanc inde cartam propria manu corroboratam scribi et sigilli nostri impressione iussimus insigniri. * 1123 August 2. Kaiser Heinrich V. St. 3193. Ut autem huius nostre concessionis decretum ratum et inconvulsum remaneat, hanc inde cartam conscribi iussimus nostrique sigilli auctoritate insignivimus. Data Traiecti anno i. d. 1123 indictione XIII., Uil. non. augusti1). (1123—1125). Kaiser Heinrich V. St. 3225. Cuius rei testem hanc cartam conscribi iussimus quam ut infra videtur manu propria corroboratam nostrique sigilli impressione insignitam omnium seculorum noticie reliquimus. Heinrich V. für Staveren. St. 3214. Quod si quis eis infregerit, iugiter sit inimicus regis. Sicut pater meus ipsis Staurencibus scripsit et consignavit, et nos etiam consignamus et confirmamus. Et ut hec semper rata permaneant, hanc cartam sigilli nostri impressione signamus et Coloniensem episcopum suo sigillo sub banno consignari fecimus. ') Vgl. über diese für Bruno-Philippus B kennzeichnende Form der Datierung Kaiserurkunden in Abbildungen Text S. 87. 156 Erganzende Untersuchungen. Et ut hec in perpetuum inconvulsa permaneant, hanc cartam iussu imperatoris nostri nostro sigillo sicut ipse consignamus. Data anno ab i. d. MCXVTII. Acta Maguncie feliciter. 1125 Bischof Godebald. Brom 315. Et ut hec omnia omnino rata permaneant per succedentia successorum nostrorum tempora, hanc cartam sigilli nostri impressione signavimus subter consignatis idoneis testibus. Philippus cancellarius . . . Anno d. i. 1125, anno regni domini Henrici regis XXVII anno episcopatus nostri XII indictione III. feliciter data. 1125 Mai 26. Kaiserin Mathilde. Brom 314. Que ecclesiis et deo famuiantibus conferuntur, conferentibus ad eternam retributionem proficiunt. iugiter die ac nocte lumen cere ad idem sepulchrum in medio choro permaneat. Ut autem hec traditio nostre auctoritatis rata permaneat, hanc paginam inde conscriptam manu propria roborantes sigillo nostro insigniri iussimus. Philippus cancellarius vice Adelberti archicancellarii recognovi. Data VU. kal. junii . . . imperii vero XV. Actum est apud Wachoningon. 1126 Bischof Godebald. Sloet 244»). Que perperam a potestatibus per negligentiam sive per suggestionem aliquorum geruntur, cognita veritate in melius commutanda sunt; hoe enim beneplacitum est coram deo et coram hominibus. Ut autun hec rata permaneant, cartarnhanc eis conscripsimus et sigilli nostri impressione consignavimus. Data anno d. i. 1126 . . . Actum Traiecti feliciter. * 1127 Oktober 2. Bischof Godebald. OB I 113. In nomine sancte et individue trinitatis, patris et filii et spiritus sancti. Amen. Quod ut ratum atque inconvulsum permanere possit in posterum, cartam hanc conscribi et sigilli nostri impressione corroborari iussimus. Huius rei testimonio testes idonei quamplures interfnerunt. Actum est autem . . . episcopatus domini Godeboldi XUI. Data Traiecti VI. non. octobr. feliciter in Christi nomine. Amen *). Vgl. über diese Urkunde oben S. 99 Anm. 2. 2) Über die Unechtheit dieser Datierung vgl. oben S. 99 f. Erganzende Untersuchungen. 167 1131 Bischof Andreas. Brom 334. Et ut hoe ratum et inconvulsum permaneat, hanc cartam % scribi iussimus et sigilli nostri impressione eam signavimus. Huic traditioni testes interfuerunt idonei. 1131 Bischof Andreas. Brom 333. Quod ut ratum et inconvulsum in posterum permaneat, hanc eis inde testamenti paginam in munimen . . . conscnbi et sigilli nostri impressione confirmari iussimus. Huic confirmationi hi testes affuerunt. 1131 Bischof Andreas. Brom 336. Et ut haec traditio firma et inconvulsa permaneat, hanc cartam seribi iussimus et sigilli nostri impressione signan. Huic autem traditioni interfuerunt idonei. 1132 Bischof Andreas. Sloet 262. Sciant fideles tam futuri quam presentes Statuimus preterea . vi^ci. Et ut haec illis rata permaneant, hanc cartam sigillo nostro insignitam eis tradidi Interfuerunt huic nostrae traditiom. 1132 Mai 29. Bischof Andreas für Kloster Staveren. Brom 338. banno nostro eidem ecclesiae consignavimus et confirmavimus Praeterea statuimus. , Et ut supradicta omnia rata et inconvulsa permaneant, hanc cartam inde conscribi et sigüli nostri impressione iussimus msigmn Data autem Traiecti. . . praesentibus testibus idoneis 1133 Bischof Andreas. Sloet 265. Volumus, ut sciant posteri quique sunt et presentes. , Quod ut eis eorumque successoribus nunc et in posterum ratum et inconvulsum permaneat, paginam hanc eis de sigilli nostri impressione firmatam dedimus. DaB unser Notar noch 1126 in Utrecht tatig war, zeigt -die Urkunde Sloet 244, die als sein Diktat durch die mit St. 3176 nahe verwandte Arenga gesichert ist. Ob die aus den Jahren 1131—1133 angeführten Stücke von ihm verfaBt sind, mag man bezweifeln; die Originale Brom 333 und Brom 336 sind jedenfalls nicht von ihm geschrieben. Die Entscheidung darüber hangt von dem Urteil über zwei in 168 Erg&nsende Untersuchungen. unsere Reihe aufgenommenen Urkunden ab, die für Staveren m St. 3214 und Brom 338, die wir Bd. I S. 212 ff. behandelt haben. Eine übereirstimmende Wendung ihres Diktates — St. 3214 consignamus et confirmamus, Brom 338 consignavimus et confirmavimus — hat uns dort als Argument gegen die Echtheit beider Stücke gedient. Es fragt sich, ob diese Übereinstimmung nicht jetjt ganz anders gedeutet und unser Urteil über beide Urkunden demgemaB revidiert werden muB. Zunachst ergibt sich, daB St. 3214 in die 1120er Jahre gehört und die überlieferte Jahreszahl MCXVIII demgemaB nicht in MCVIII verbessert werden darf, wie es bisher wegen der Intitulatio ,Heinricus rex' nach dem Vorgang von Waig geschehen ist, sondern MCXXIII lauten muB. Im Mai dieses Jahres hat der Kaiser nach Ausweis von St. 3191 in Begleitung des Erzbischofs Friedrich von Köln am Mittelrhein geweilt >). Daraus folgt aber weiter, daB die Intitulatio von St. 3214 unecht ist. Unser Diktator hat zwar den Kaiser gelegentlich als König bezeichnet, wie die Datierung der Bischofsurkunde von 1125 Brom 315 zeigt. Aber daB er in einem Diplom von 1123 dem Aussteller den Kaisertitel solle vorenthalten haben, ist doch nicht annehmbar. Die Intitulatio von St. 3214 rührt also von einem Falscher her; heiBt doch auch Karl der GroBe in der Urkunde Karolus rex. Zu diesem Ergebnis führt auch ein anderer Weg. Als Spatgrenze für die Entstehung von St. 3214 habe ich Bd. I S. 223 die Urkunde vom 30. Juni 1290 Matthaeus, Analecta III2 S. 472 angenommen. Sie bestimmt, daB die Bürger innerhalb des Stadtgebietes wegen Totschlags nicht mit Hausbrand, Hauszerstörung, Gefangenschaft, Verlust der Fahrhabe oder Einfall in Haus oder Schiff bestraft werden sollen. Im allgemeinen aber sollen die iura seu libertates a... Heinrico et eius patre imperatoribus augustis civibus Stauriae *) Für das Jahr 1123 hat sich schon Heek, Neues Archiv XVII (1892) 581 ausgesprochen, der für die Echtheit der Urkunde eingetreten ist, ohne aber für den Königstitel der Intitulatio eine befriedigende Erkiarung zu geben. Erg&nsende Untersuchungen. 169 indultae et conscriptae seu consütutiones ab eisdem civibus inveniendae in Geltung bleiben. Nach St. 3214 sollen die Bürger Hausbrand .oder Hauszerstörung nicht dulden müssen auBer in vier Fallen: Mord, Bruch des Landfriedens durch Totschlag im Hause, Bruch des Stadtfriedens, Notzucht. Die strafrechtlichenBestimmungen beider Urkunden sind dann in die Handfeste Florens' V. vom 1. April 1293 übergegangen. Damals war also die Urkunde St. 3214 in der uns vorliegenden Fassung jedenfalls vorhanden; daB sie aber auch schon die Vorurkunde für die Urkunde von 1290 abgegeben habe, laBt sich doch nicht behaupten. Wenn damals die Falie, in denen Hauszerstörung eintreten sollte, schon festgesegt waren, so brauchte doch nicht erst noch bestimmt zu werden, daB bei gewöhnlichem Totschlag innerhalb der Stadt diese Strafe unterbleiben solle. Umgekehrt aber werden die in St. 3214 enthaltenen Bestimmungen als nahere Ausführung zu der Festsegung von 1290 erst recht verstandlich. Es ergibt sich also, daB St. 3214 im Jahre 1290 den jegigen Inhalt noch nicht hatte, das heiBt: noch in echter Gestalt vorlag. Darauf deutet aber auch in der Urkunde von 1290 die Erwühnung der von Heinrich und seinem Vater, den imperatores augusti, verliehenen Rechte und Freiheiten. Würde auch die Bezeichnung Heinrichs V. als imperator an sich nicht so sehr ins Gewicht fallen, so muB doch .imperator augustus' auf die Intitulatio der angeführten Urkunde zurückgehen. St. 3214 hatte also noch nicht die jetjige Intitulatio, die wir schon oben als unecht verworfen haben. Steht somit fest, daB St. 3214 eine Falschung ist, die zwischen 1290 und 1293 auf Grund eines echten, von BrunoPnilippusB verfaBten Diplomes von 1123 hergestellt wurde, so ist nun aüch ein sicheres Urteil über die Wendung ,consignamus et confirmamus' möglich, die sich mit einer Stelle der Urkunde von 1132 Brom 338 berührt, aber in keinem der übrigen oben angeführten Diktate vorkommt. Auch die Ankündigung des Bannes — St. 3214 sub banno consignari facimus, Brom 338 banno nostro consignavimus et con- 170 Erganzende Untersuchungen. firmavimus — findet sich nur in diesen beiden Stücken. Ware das alles Bestandteil des echten Diktates, so müBte, auch wenn beide Urkunden von demselben Diktator verfaBt waren, St. 3214 neun Jahre spater zur Abfassung von Brom 338 herangezogen worden sein. Das ist aber nicht annehmbar, weil die Fassung der letjteren Urkunde, wie wir wissen, sich auf das engste an die von 1125 Brom 315 anlehnt1). Nun ist ja aber durchaus fraglich, ob Bruno-Philippus B auch der Diktator von 1131—1133 ist; nur eben die Verwandtschaft von St. 3214 und Brom 338 schien ernstlich dafür ins Gewicht zu fallen. Wir haben diese Verwandtschaft also anders zu erkiaren: sie ist das Ergebnis der an beiden Urkunden vorgenommenen Verfalschung2). Ist sie kurz vor dem 1. April 1293 erfolgt, so bieten die damaligen politischen Umstande auch eine Erklarung dafür, daB als Bekraftiger der königlichen Anordnungen der Erzbischof von Köln erscheint, der Bischof von Utrecht aber gar nicht erwahnt wird. St. 3214 erstrebt AnschluB der Stadt an den Grafen von Holland8), der mit dem Utrechter Dompropst und den fünf Kapitein im Marz und April 1293 in enger Verbindung stand4). Mit Bischof Johann ist Graf Florens V. zwar am 7. Mai 1293 zu einer Vereinbarung gekommen6); aber mit dem Dompropst und dessen Anhang lag jener noch im Februar 1294 in so heftigem Streit, daB Erzbischof Siegfried von Köln sich, um ihn zu schlichten, nach Utrecht begeben muBte6). Ein Gegensag zum Bischof kann !) Oben Bd. I S. 215 f. * s) Zu der Bd. I S. 221 behandelten unechten Bestatigurigsurkunde des Domkapitels vom 14. Februar 1243 Brom 978 sei noch auf ein Beispiel einer echten derartigen Urkunde hingewiesen, den Konsens des Domkapitels zu einer PrSbenden-Schenkung des Dompropstes Dietrich vom 9. September 1243 in H. Wstincs Rechtsboek van den Dom, uitg. door S. Muller Fz. (1895) S. 21. 3) Er ist offenbar zu verstehen unter dem comes superior, der allein einen Anteil an den BuBen für Totschlag erhalten soll. *) Brom 2496. 2497. 2504. B) OB II 845. «) Brom 2495, zu 1293. Vgl. aber Knipping, Regesten III 3406.3407. Erganzende Untersuchungen. 171 jsomit auch in der Geistlichkeit von Staveren für das Frühjahr 1293 vorausgesegt werden. Das echte Diplom von 1123, die Vorlage von St. 3214, mag auBer einem Zollprivileg die eine oder andere stadtrechtliche Bestimmung, etwa die Abschaffung des Zweikampfes, enthalten haben; etwas Sicheres laBt sich darüber nicht sagen. Noch eine der oben unter den Diktaten des Bruno-Philippus B angeführten Urkunden bedarf einer Erlauterung, das Diplom vom 2. August 1123 St. 3193, durch das Heinrich V. den Einwohnern von Deventer die Abgaben für Taufe und Begrabnis sowie den Hauszins erlaBt. Ich habe dieses Diplom Bd. I S. 138 als unecht bezeichnet und möchte daher hier Naheres über dasselbe mitteilen. Das jegt im Reichsarchiv zu Zwolle ruhende (angebliche) Original ist von einer Hand geschrieben, welche die Schrift des Bruno-Philippus B nachahmtx). Der seinigen ist die von St. 3193 sehr ahnlich, weicht aber von ihr doch in kennzeichnender Weise ab. St. 3190 hat abwechselnd aufrechtes und unziales d, St. 3193 nur das legtere. St. 3190 hat lang unter die Zeile hinabgezogenes r, St. 3193 fast regelmaBig interlineares, nach rechts umgebrochenes r, an das die Verlangerung nach unten erst nachtraglich angesegt ist. Die Unterlangen des langen s reichën bei St. 3190 weit unter die Zeile, bei St. 3193 sind sie kurz abgestrichear St. 3190 hat in Intitulatio und Signumzeile: Heinricus, St. 3193: Henricus. Das Monogramm ist bei St. 3190 viel flüchtiger gezeichnet; im Datum steht ,Traiecti' auf Rasur. Das Siegel von St. 3193 zeigt den Abdruck eines echten, mit dem von St. 3190 übereinstimmenden Stempels, vermag aber angesichts des Schriftbefundes die Originalitat des Stückes nicht zu verbürgen. Denn es erheben sich auch gegen das Formular mannigfache Bedenken, zumal da doch ein Diktat des Philippus B vorausgésegt werden muB. Die Promulgatio lautet: „Notum •) Vgl. St. 3187. 3190 = Kaiserurkunden in Abbildungen IV 29. 30. 172 Erganzende Untersuchungen. habeant omnes tam presentes quam futuri", der NachlaB der Tauf- und Begrabnisgebühren geschieht consilio et iudicio episcoporum et principum catholicam fidem tenentium, und dann heiBt es nochmals: ne ulterius apud illos puerorum baptisma mortuorumque sepultura conducatur, consensu Godebaldi Traiectensis ecclesie episcopi districtione imperiali interdiximus. Propst und Kapitel von St. Lebuinus, denen zur Entschadigung für den NachlaB des Hauszinses die Kirche zu Raalte überwiesen wird, werden als prepositus et confratres ohne jede nahere Angabe bezeichnet. In der Corroboratio bezeichnet sich die Urkunde als huius nostre concessionis decretum, steht „remaneat" statt „permaneat" und „nostri sigilli auctoritate" statt „impressione". Was den Inhalt des Diploms anlangt, so erscheint der zweite Teil desselben, der NachlaB des Hauszinses und die Entschadigung des Lebuinus-Stifts durch die Kirche zu Raalte, unverdüchtig. Abschaffung der Tauf- und Begrabnisgebühren kommt in den südlichen Niederlanden schon zu Anfang des 12. Jahrhunderts vor, zum Beispiel 1104 in Brügge1); in den nördlichen Niederlanden aber bedeutet St. 3193, abgesehen von den unechten Urkunden des Grafen Florens' II. von Holland von 1108 und 1116 OB I 98 und OB I 103, den einzigen derartigen Fall vor 11752). Man wird diesen Teil des Inhaltes unseres Diploms demnach als unecht verwerfen müssen. Als Entstehungszeit der Fülschung ist die zweite Halfte des 12. Jahrhunderts wahrscheinlich, ohne daB sich darüber etwas Naheres sagen lieBe. 10. Der Anteil des Egmonder Annalisten D an den Annalen und den Urkundenfalschungen. Zu den Kapitein dieses Buches, die am allerwenigsten mich selbst befriedigen, gehört das über die Verfasser der Egmonder Annalen Bd. I S. 24 ff. DaB in dem über die *) Vgl. oben Bd. I S. 231. a) Oben Bd. IS. 138 f. Erganzende Untersuchungen. 173 Jahre 1112—1173 laufenden Teile die Texte zweier Autoren ineinandergeschoben sind, kann ja nicht zweifelhaft sein, da in mehr als einem Falie über dasselbe Ereignis zweimal, aber zu verschiedenen Jahren berichtet wird: der Tod Florens' des Schwarzen zu 1132 und 1133, die Zerstörung Mailands zu 1160 und 1162, die Erhebung des kaiserlichen Papstes Paschalis DB. zu 1166 und 1167. Der ültere dieser beiden Autoren ist C; den jüngeren habe ich a. a. O. mit F gleichgesetet, dem der von D herrührende Annalentext als stilistisches Muster gedient habe. Diese lettere Annahme, obwohl nicht sehr befriedigend, war wegen der S. 29 angeführten Parallelstellen zu 1130 - 1176 und 1158—1177 erforderlich. Eine bessere Lösung ergibt sich aber, wenn man den jüngeren Teil der Annalen von 1112-1173 nicht F, sondern D selbst zuweist. Der Unterschied ist sachlich unerheblich, weil auch unter dieser Vorausseteung die jüngefe Schicht der Berichte über diese Jahre nicht vor 1212 eingefügt worden ist. Denn wenn wir D für F einseteen, so rührt von D auch der zu 1197 eingeschobene lange Bericht über Graf Wilhelm her. Dieser Bericht aber ist erst niedergeschrieben, als die Regierung der Aleidis von Kleve ihr Ende erreicht hatte, da von ihr gesagt wird: non tune solum, sed toto dominatus sui tempore claustrum Egmundense saepe et graviter oppressit. Offenbar erst zur Zeit dieser Aufzeichnung ist auch der von 1112 bis 1173 laufende Text zu dem jeteigen Umfang erweitert worden. Zu den eingeschobenen Partien diet.es Teiles, die als solche besonders deutlich zu erkennen sind, gehort der Bericht zu 1162 über die Rückgabe der Kirche zu Vlaardingen1), der ]) Vgl. Bd. I 41 f. R. Fruin hatte die Liebenswürdigkeit, mich auf einen Aufsag von Bolhuis van Zeeburgh in BVG. Nieuwe reeks VI (1870) hinzuweisen, wo (S. 311) die Worie des Annalisten „quam (ecclesiam Flardinge) Arnulfus comes cum f halus suis eidem ecclesiae Egmundensi contulerat" dahiri gedeutet sind, daB unter den fihe nicht Tochter Arnulfs, sondern die fochterkirchen von Vlaardingen, Hargen und Schie, zu verstehen seien. Sie werden im Evangehentext (BMHG XXXV 12) und auch in dem Echternacher Sakramentar des 11. Jahrhunderts (oben Bd. I 83) genannt. Doch halte ich diese Deutung, die mir aus einer handschriftlichen Eintragung in das Exemplar der 174 Erganzende Untersuchungen. mit der unechten Urkunde yon 1162 OB 1143 in Zusammenhang steht. Es fragt sich also, ob nicht auch diese Urkunde von D geschrieben und D demnach mit Fj (oben Bd. I 127) gleichzuseteen ist. Eine mittelalterliche Hand nach ihrer Buchschrift in einer unechten Urkunde wiederzuerkennen, die nicht nur in diplomatischer Minuskel geschrieben, sondern auch durch eine altere Vorlage stark beeinfluBt ist, wird immer eine schwierige Aufgabe sein. Man wird dabei weniger die Formen der einzelnen Buchstaben wie bestimmte unverwischbare Eigenheiten der Schrift berücksichtigen müssen. In solchen Eigenheiten stimmt nun die Schrift von D (Bd. III Facs. 4) mit der von OB I 143 (Bd. III Facs. 9) überein. Auf die hier vorkommende ungewöhnliche Suspension com für comité haben wir Bd. 1 127 schon hingewiesen; D hat solche Suspensionen sehr haufig: Frith(ericus) Z. 22, Flor(entius) Z. 5 v. unten, d(omini) Z. 4 v. unten, Phyl(ippus) Z. 3 v. unten. OB I 143 hat ferner im In- und Ausland haufig Majuskel-N und -R: TheodeRici Z. 3, AdalbeRto Z. 5, ARnoldo Z. 5, PersiN Z. 14, MauriN Z. 16. D schreibt: Nobilissime Z. 3, iNcidit Z. 9, QodefRidus Z. 19, FRith(ericus) Z. 22, FloR(entius) Z. 5 v. unten. Auch die übereinstimmenden Formen der Majuskel-Buchstaben G, V, W, für deren Studium die Facsimiles freilich nicht ausreichen, machen die Gleichung D = F, = Schreiber von OB I 143 sehr wahrscheinlichx). Damit würde sich nicht nur ein deutlicher Einblick in die gemeinschaftlidie Tatigkeit von D und F ergeben, sondern Utrechter Universitatsbibliothek von Kluits Ausgabe der Egmondér Chronik (Historia critica I 1 S. 110) bereits bekannt war, mit Rücksicht auf die vorausgehenden Worte des Annalisten „obtulit eam cum fratre suo Robberto ecclesiae Egmundensi" nicht für annehmbar. Aber auch wenn sie richtig ware, würde das nichts andern an der Tatsache, daB der Bericht eingeschoben ist. l) Viélleicht darf man auch anmerken, daB der D-Text der Annalen ebenso wie OB I 143 die Namensform Lydolfus hat: frater Lydolfi de Dasle Annalen 1159 S. 58; Lydulfus prior, Lydolf de Uitgeest OB 1143. Erganzende Untersuchungen. 175 wir könnten die Persönlichkeit von D auch noch naher bestimmen. D hat nach Ausweis des Berichtes zu 1167 zu Köln enge Beziehungen und war andrerseits, nach Ausweis der Annalen von 1202—1205, schon damals in Diensten des Grafen Wilhelm I. In ihnen stand von 1204—1215 ein Kaplan Heinrich (Bd. I 159); er war 1215 Geistlicher der Pfarrkirche Vlaardingen, um die es sich in der Urkunde OB I 143 handelt, oder der Pfarrkirche Noordwijk. AuBerdem gab es 1215 einen Egmonder Mönch Henricus de Colonia, der dasselbe Interesse für Reliquien hatte, wie es im D-Text der Annalen mehrfach hervortritt (Bd. I S. 22. 164). So wird man, glaube ich, die Gleichung D == F: = Kaplan Heinrich 1204—1215 = Heinrich von Vlaardingen = Heinrich von Köln wagen dürfen. Zum SchluB noch eine Bemerkung über das Dienstrecht des Liber s. Adalberti. Ich habe seine Aufzeichnung Bd. I 109 f. in den Anfang des 13. Jahrhunderts verlegt. Für diese Datierung, die auch für die Kritik der Urkunde von 1174 OB I 149 von Bedeutung ist (vgl. Bd. I S. 143), kann ich hier noch eine Beobachtung anführen. Dem Dienstrecht ist die Wendung „in vulgari dicitur" gelaufig; ut in vulgari dicitur te huerware, que in vulgari pandinc dicitur, quod in vulgari evelganc dicitur. Dasselbe ist der Fall bei der Bd. I Beilage 4 gedruckten Urkunde des Abtes Lubbertus von 1215: quod in vulgari te lene dicitur, quod in vulgari livethuch dicitur. Ihr Vergasser ist also auch der Verfasser des Dienstrechts. CHRONOLOGISCHES VERZEICHNIS DER BESPROCHENEN URKUNDEN. AuBer den drei Teilen meiner Untersuchungen (1, II, III) sind in diesem Verzeichnis, um eine Übersicht über den derzeitigen Stand der nordniederlandischen Urkundenforschung zu geben, die aus meinem Seminar hervorgegangenen Arbeiten N. B. Tenhaeff, Diplomatische Studiën over Utrechtsche Oorkonden. Bijdragen van het Instituut voor Middeleeuwsche Geschiedenis I 1913 (Thf.), A. C. Bouman, Over de oudste oorkonden voor de abdij Mariènweerd. Bijdragen voor Vaderlandsche geschiedenis 5. reeks I 1920 S. 273 -293 (Bn.), und C. D. J. Brandt, Bijdrage tot de krietiek van Hollandsche Stadsrechten der 13. eeuw. Bijdragen van het Instituut voor Middeleeuwsche Geschiedenis VI 1921 (Br.) berücksichtigt. Unechte und interpolierte Stücke sind mit * bezeichnet. Die^telle, an der das betreffende Stück in diesen Schriften besprochen ist, wird jeweils hinter dem letjten Gedankenstrich angeführt Hinter dem vorletjten steht bei Falschungen in fettem Druck die Entstehungszeit, soweit sie festzustellen ist. 1. V 88Q August 4. König Arnulf — OB I 21 — I 89 ff.; II 2f. 2. X*922 Juni 15. König Karl von Frankreich — OB I 26. 1176. — I 89 ff. 3. *<940 Juli 1>. Bischof Balderich — Muller, Cartuiarium S. 222 Nr. 1. — 1250. — Thf. 91 ff.; II 152ff. 4. 943 Juni 24. Bischof Balderich — Muller, Cartuiarium S. 47 Nr. 25. — Thf. 8 ff. 5. *961 Juli 31. Markgraf Arnulf von Flandern —- Gilliodts van Severen, Coutume de la prévoté de Bruges II S. 3 Nr. 1 — 1183. — I 226 ff. 6. ^*969 April 13. König Lothar — OB I 43 — 1176. — I 89 ff. Chronologisckes Verseichnis. 177 7. "980 (Mai-Juli). Graf Arnulf (von Holland) — Ver¬ lorene Urkunde — I 23. 8. * 985 August 25. Kaiser Otto III. — OB I 64. DO III 19. — I 94f.; II 5. 9. 996 September 20. Fretheboldus. -— Muller, Cartuiarium S. 67 Nr. 35. — I 121. 10. * 1006 Bischof Ansfrid — Sloet 132 — 1270. — Thf. 213 ff. 11. *<1021 Januar 2>. Bischof Adelbold — Muller, Cartuiarium S. 224 Nr. 2. — 1250. — Thf. 91 ff.; II 152ff. 12. *1026 Juli 21. Frau Berta — Muller, Cartuiarium S. 79 Nr. 45 (zu 1050). — I 121. 13. 1028 Februar 3. Kaiser Konrad II — DC II 115 — Thf. 217 ff. 14. *1040 Dezember 7. Bischof Bernold — Brom 189. —' 1240. — Thf. 184, 194 ff. 15. *1050 Juni 26. Bischof Bernold — OB I 83. — Thf. 217 ff. 16. *1059 Bischof Wilhelm — Sloet 173 — Faksimües: Sloet S. 170; Thf. Bijl. I A — 1227. — Thf. 249, 257ff.; II 112f., 115, 119. 17. 1063 Dezember 28. Bischof Wilhelm — OB I 85. — I 32, 82, 134. 18. *1064 Bischof Wilhelm — Sloet 174. — Faksimile: Sloet S. 172; Thf. Bijl. I B. — 1227. - Thf. 250ff.; II 112, 124 f. 19. 1064 April 30. König Heinrich IV. — St. 2644. Muller, Cartuiarium S. 101 Nr. 64. — I 187 f., II 13 f., 16. 20. *1064 Mai 2. König Heinrich IV. — St. 2645. Muller, Cartuiarium S. 134 Nr. 87. — II29. - I 186ff.; II 30 Anm. 3. 21. *1067 Graf Balduin V. von Flandern — Miraeus I S. 511. — I 235 Anm. 1. 22. *1076 Graf Robert der Friese von Flandern — Cham- pollion-Figeac, Documents historiques inédits III S. 441 f. — I 74 Anm. 1. Oppermann, Untersuchungen zur nordniederlandischen Geschichte. 12 178 Chronologisches Verseichnis. 23. (1076—1091). Graf Dietrich V. (von Holland). - BMHG XXXV S. 13. - I 81 f., 117 f. 24. *1083 Juli 26. Graf Dietrich V. (von Holland) — OB I 89. — Faksimile: III Nr. 5. — 1176. — 170ff., 114ff. 25. *1085 Bischof Konrad — OB I 91. — I 189 Anm. 26. *1086 Graf Balduin II. von Hennegau — Jacques de Guyse, Histoire de Hainaut XI S. 232. — I 203 ff. 27. 1086 Juni 25. Bischof Ratbod von Noyon-Tournay — Callewaert, Annales de la société d'émulation de Bruges LVI S. 396 — I 226, 234. 28. *<1083 Oktober 29>. Bischof Konrad — Muller, Cartuiarium S. 227f. Nr. 3. - 1250. — Thf. 91 ff.; II 152ff. 29. *1088 Oktober 31. Markgfaf Robert II. von Flandern — Gilliodts van Severen, Coutume de la prévoté de Bruges II S. 10 Nr. H. — 1183. — I 226, 236 ff. 30. *1089 Graf Balduin II. von Hennegau Duvivier, Actes et documents intéressants la Belgique, Nouvelle série S. 19 Nr. 7. — I 203 ff. 31. 1089 Dezember 28. Bischof Ratbod von Noyon-Tour¬ nay— Callewaert, Annales de Ia société d'émulation de Bruges LVI S. 397. — I 226, 234. 32. *1089 Dezember 28. Bischof Ratbod von Noyon-Tour¬ nay — Miraeus III S. 19 (zu 1090). — 1183. — I 226, 228 ff. 33. *1093 Bischof Konrad — Dumbar, Kerkelyk en Wereltlyk Deventer I S. 341. — 1730. — Thf. 185 ff. 34. *1096 Grafin Ida von Boulogne — Marneffe, Cartulaire d'Afflighem S. 13 Nr. VI. — I 209. 35. *1101 Markgraf Robert II. von Flandern — Gilliodts van Severen, Coutume de la prévoté de Bruges II S. 20 Nr. III. — 1183. — I 226, 235 ff. 36. *1105 Bischof Burkhard — Sloet 208. — 1227. — Thf. 251, 271 ff.; II 111 f. 37. * 1106—1120 Abt Adalhard von Egmond — OB I 107. - 1213/15. — I 142 ff. Chronologisch.es Verseichnis. 183 106. *1245 November 23. Graf Wilhelm II. von Holland — OB I 413. — Faksimiles: Handvesten en Privilegiën der stad Haarlem S. 1; Br. Faksimile Nr. II. — 1274. - Br. 5ff.; II 84 Anm. 2. 107. *1245 November 23. Graf Wilhem II. von Holland — OB I 412; Faksimiles: Handvesten en Privilegiën der stad Haarlem, S. 1; Br. Faksimile Nr. I. — 1274. — Br. 5ff.; II 84 Anm. II. 108. *1246 April 14. Graf Wilhelm II. von Holland — OB I 418. — Faksimile: Br. Faks. Nr. III. — 1274. — Br. 5 ff.; II 84 Anm. 3. 109. *1248 November 5. König Wilhelm — OB I 476. — II 85 Anm. 1. 110. *1252 April 6. König Wilhelm — UB der Stadt Goslar II S. 116 Nr. 13. — II 90 Anm. 2. 111. *1254 Marz 11. König Wilhelm — OB I 590. — Br. 65 ff. 112. *1254 Juni 11. König Wilhelm - OB I 595. — 1274. — Br. 11 ff. Altenburg Piercrschc Hofbucfadruckerei Stephan Qeibel ft Co. *1 Ckronologisches Verzeichnis. 179 38. * 1107 Dezember 28. König Heinrich V. — St. 3023. Sloet 214. — Facsimiles: Thf. Bijl. II und III. — 1227. — Thf. 250, 257ff.; II 111 f., 120, 126. *<1108 (Januar)). König Heinrich V. — St. 3214. Vgl. unten Nr. 46. 39. *1108 April 13. Graf Florens II. von Holland — OB I 98; I Beil. 2. - 1213/15. — I 133ff.; II 164 Anm. 1. 40. *(1108) Juni 26. Bischof Burkhard — OB I 99. — I 200 ff. 41. *1113 Abt Ludolf — CDHG. 2. Serie IV 2 S. 3. — 1231. — II 137, 139 ff. 42. * 1116 Juli 16. Graf Florens II. von Holland — OB I 103; I Beil. 3. 1176. — I 133 ff.; II 164 Anm. 1. 43. *(1118—1127) Bischof Dietrich von Münster — Sloet 229. — 1227. — Thf. 252, 284ff.; II 111 f., 124ff. 44. *<1121 Oktober 30>. Papst Calixt II. — Muller, Oorkonden- boek van het Sticht Utrecht Nr. 299. — 1250. — Thf. 91 ff.; II 152ff. 45. *1122 Juni 2. Kaiser Heinrich V. — St. 3179. — Faksi¬ mile: Westdeutsche Zeitschrift XXVII Tafel 1 a. — 1178. — II 64, 98. 46. *(1123 Mai). Kaiser Heinrich V. — St. 3214. I Beil. 1. — 1293. — I 212ff.; II 168ff. 47. *1123 August 2. Kaiser Heinrich V. — St. 3193. — 2. Halfte des 12. Jhdts? — I 138; II 170 ff. 48. *1125 Graf Dietrich VI. von Holland. — BMHG XXX S. 205. - 1231. — II 137, 142 ff, 49. 1126 Bischof Godebald - Muller, Cartuiarium S. 136 Nr. 88. — II 99 Anm. 2, 166, 168. 50. *1127 Oktober 2. Bischof Godebald — OB I 113. — 1178. — II 64 ff.. 98 ff. 51. 1129 Bischof Andreas — Dumbar, Kerkelyk en Wereltlyk Deventer I S. 343. — Thf. 185, 191 ff. 52. (*)1129 Bischof Andreas — Sloet 249. — Bn. 273 ff. 53. (*)(1129-1138) Bischof Andreas - Sloet 246. — Fak¬ simile: Thf. Bijl. IV. — 1227. — Thf. 251, 257ff.; II 111 f., 123 f. 12* 180 Chronologisches Verseichnis. 54. *(1130—1161) Abt Walther von Egmond - BMGH. XXXV S. 30. - 1213/15. — I 110 ff. 55. * 1131 Bischof Andreas CDHG. 2 Serie IV 2 S. 7. — 1231. — II 137, 143 ff. 56. *1131 Bischof Andreas — Brom 337. — 1179. — II104 ff. 57. *1132 Mai 29. Bischof Andreas — Brom 338. — Faks.: III Nr. 7. — 1287. — I 212, 214ff.; II 167, 169ff. 58. *1133 Bischof Andreas — CDHG. 2. Serie IV 2 S. 8. — 1231. — II 137, 143 ff. 59. *1133 (nach Juni 25). Bischof Andreas — Sloet 264. — 1227. — Thf. 252, 288ff.; II 121 f. 60. * 1134 Bischof Andreas — Muller, Cartuiarium S. 215 Nr. 5; OB I 119. — 1179. — II 104 ff. 61. *1134 Bischof Andreas — De Fremery, Cartuiarium Marienweerd Nr. 2. — 1275. - Bn. 273, 280 ff. 62. *1134 Bischof Andreas — Sloet 268. — Faksimile: Thf. Bijl. V. — 1227. — Thf. 251, 257 ff.; II 111 ff. 63. *1137 Juni 17. Abt Sugerius von Saint-Denis — Fak¬ simile: Album paléographique de 1'école desChartes (1887). — I 209 Anm. 1. 64. * 1138 Bischof Andreas — De Fremery, Cartuiarium Marienweerd Nr. 4. — 1275. — Bn. 274 ; 280 ff. 65. *1139 Bischof Andreas — Muller, Cartuiarium S. 214 Nr. 4; OB I 123. — 1179. — II 104, 107ff. 66. *1139 Bischof Andreas — Muller, Cartuiarium S. 212 Nr. 3; Brom 374. — 1179. - II 104, 107 ff. 67. *1143 Oktober 7. Bischof Hartbert — OB I 124. - Faksimile.: III Nr. 8. — 1176. — I 122 ff. 68. *<1145 Oktober 18). König Konrad III. — St. 3504. Muller, Cartuiarium S. 230 Nr. 4. — 1250. Thf. 91 ff.; II 152 ff. 69. *<1146 Marz 28). Papst Eugen III. — Muller, Cartuiarium S. 230 Nr. 4. — 1250. - Thf. 91 ff.; H 152ff. 70. *1148 Bischof Hartbert — De Fremery, Cartuiarium Marienweerd Nr. 5. — 1275. — I 124 Anm.; Bn. 274, 280 ff. Chronologisches Verzeichnis. 181 71. Ml^Kapitel von St. Johann in Utrecht — OB 1129. — 13. Jahrhdt. — I 110 Anm. 1. 7?. *1148 April 23. Papst Eugen III. — De Fremery, Cartuiarium Marienweerd Nr. 6. — 1275. — Bn. 274, 280ff.; I 124 Anm. $. 73. *(1151—1161) Abt Walther von Egmond — OB 1140. — 1213/15. — I 110 ff. 74. *1160 Juli 25. Bischof Heinrich von Lüttich — De Fre¬ mery, Cartuiarium Marienweerd Nr. 11. — 1275. — Bn. 274, 280 ff. 75. *1162 August 28. Graf Florens III. von Holland — OB I 143. — Faksimile: III Nr. 9. — 1213/15. — I 126 ff., II 174. 76. *1166 Bischof Gottfried — Sloet 316. — 1275. — Bn. 274, 286 ff. 77. 1169 April 11. Bischof Gottfried — OBGrDr. I 35. — II 99 Anm. 2, 149f. 78. (1169 Mai-Juni) Bischof Gottfried. — OB I 155. Kn. II 930. — II 149 f. 79. * 1174 Bischof Gottfried — Brom 476. — 1307 ? — II158 ff. 80. *1174 September 8. Bischof Gottfried — Brom 475. — 1307? — II 158. 81. *1174 Oktober 3. Graf Florens III. von Holland — OB . I 149. - 1213/15. — I 143 ff. 82. *1179 Heinrich Erbe der Stadt Zutphen — Sloet 352. S. 1231. — II 137, 146 ff. 83. *U90 Graf Otto II. von Geldern — Sloet 376. — 1227 — Thf. 331 Anm. 1; II 111, H5ff., 127ff. 84. 1198 Graf Dietrich VII. von Holland — OB I 177. — I 211; n 39. 85. *1199 Graf Dietrich VII. von Holland — OB I 180. — II 39. Vgl. Nachtrag S. VII. 86. * 1199 Januar 21. Graf Dietrich VII. von Holland — OB I 179. — II 120 Anm. 2. 87. '*1200 Bischof Dietrich — Sloet 395. — 1230. — II 102, 136 Anm. 1. 182 Chronologisches Verseichnis. 88. *1200 Bischof Dietrich — CDHG 2. Serie IV S. 9. — 1231. - I 160f.; II 137, 142, 145 ff. 89. 1200 November 3. Graf Dietrich VII. von Holland — OB I 183. — II 38 Anm. 1, 41 Anm. 1. 90. 1206 Bischof Dietrich II. — OGr I 44. — II 150 ff. 91. *1209 Marz 27. Papst Innocenz III. — Sloet 425. — 1227. — II 111 ff. 92. *1210 Bischof Dietrich II. — Sloet 427. — 1275. — Bn. 274, 286 ff. 93. *1211 Dompropst Otto — Sloet 428. — 1230. — II102, 136 Anm. 1. 94. *1213 Graf Wilhelm I. von Holland — OB I 235. — 1275. — II 57 Anm. 5. 95. *1213 Oktober 14. Elekt Otto — OB II Nalezing 9. — 1275. — Bn. 274, 291 ff. 96. *1213 Oktober 18. Dompropst Otto — De Fremery, Cartuiarium Marienweerd Nr. 26. — Ï275. — Bn. 274, 291 ff. 97. *1217 Bischof Otto II. - OGr. I 61. — 1247 — II 150ff. 98. *1217 Bischof Otto II. — Brom 658. — 1307? — II 158 f. 99. (1220) Juli Graf Wilhelm I. von Holland — OB I 271. — II 58 Anm. 1. 100. *1231 Bischof Wilbrand — Sloet 539. - 1275. — Bn. 274, 286 ff. 101. 1234 April 19. Keure der Stadt Utrecht — Hansisches UB I 254. — II 76 Anm. 1. 102. *1238 November 11. Elekt Otto III. — De Fremery, Cartuiarium Marienweerd Nr. 59. — 1275. — Bn. 274, 293 ff. 103. *1243 Januar 21. Elekt Otto — I Beil. 5. — 1287. — I 212, 217 ff. 104. *1243 Februar 14. Utrechter Domkapitel — I Beil. 6. — 1287/89. — I 212, 221 ff., II 170 Anm. 2. 105. *1245 August 29. Papst Innocenz IV. — Colmjon, Register van oorkonden 73. — 1287. — I 212, 217 ff.