DIE WURZELN DES ANIMISMUS, eine Studie über die Anfange der naiven Religion, nach den unter primitiven Malaien beobachteten Erscheinungen, VON Prof. Dr. A. W. NIEU WENHUIS, Leiden. EINLEITUNG. Nach meinen unter „Logisches Denken A" veröffentlichten Untersuchungen begann ich, den Erscheinungen des logischen Denkens an sich nachzuspüren, und bestrebte mich dabei, auf den verschiedenen Gebieten dér höheren menschlichen Kultur, ausserhalb der exaktenund der Naturwissenschaften, die logischen Elemente herauszufinden und die Art ihres Vorkommens in malaiischen Zusammenlebungen festzustellen. Beim Betreten des religiösen Gebietes war ich genötigt, mich eingehender mit dem Wesen der religiösen Erscheinungen unter den Malaien resp. mit dem Animismus zu befassen, als ich es bis dahin getan hatte. Es zeigte sich bald, dass wenn auch im Zusammenhang der Erscheinungen und in der Entwicklung des Animismus vieles erlautert und verstandlich geworden ist, die Ursachen und Entstehungsweise seiner Anfange dennoch bis jetzt ausserst unsicher blieben; die vielen bezüglichen Theorien über die Anfange dieser Form naiver Religion haben bis jetzt noch keine annehmbare Erklarung ergeben. Da es sich unter den Malaien wesentlich um eine animistische Form religiösen Denkens handelt, war es auch für meine psychologischen Untersuchungen wichtig, nachzuspüren, inwiefern die animistischen Kulturformen unter innen zur Lösung des Ratsels beitragen könnten. Hieraus hatte dann für das logische Denken dieser Stamme vielleicht ein neuer Beweis hervorgehen können. Die erhaltenen Ergebnisse werden nun in dieser Abhandlung veröffentlicht und beziehen sich also ausschliesslich auf die Anfange des Animismus und die Ursachen seines Entstehens. Bei der Untersuchung steilte es sich heraus, wie es zwar nach dem Charakter des Animismus als allgemein menschliche Kulturstufe zu erwarten war, dass sie sich nicht in den engen Rahmen der malaiischen "Welt einschranken liess; die Gültigkeit der Resultate erweist sich von viel grösserer Tragweite als für die malaiische Welt allein. Ich musste den Animismus konsequenterweise als eine Form naiver Religion behandeln; seine Entstehungsart bezieht sich also ebenfalls auf die Anfange des religiösen Empfindens der Menschen und dessen Ausserungen im allgemeinen. Diese letzteren Umstande haben mich zur selhstandigen Veröffentlichung* dieser Abhandlung veranlasst. I. A. f. E. .Bd. XXIV. Suppl. i — 3 - Schwierigkeit entgegen, dass die Religion in ihrem wirklichen Leben mit wissenschaftUchen Vorstellungen, Interessen und Beziehungen reichlich durchwachsen ist und daher gar nicht so ohne weiteres, auch beim besten Willen, eigene Deutungen und wissenschaftUche Theorieën zurückzuhalten, in ihrem von wissenschaftUchen Beimischungen irgendwelcher Art Ireien Wesen zu erfassen ist. Die primitive Religion ist vom primitiven wissenschaftUchen Denken grossenteils genau so durchwachsen wie jede KulturreUgion von dem Denken höherer Kulturstufen, von Philosophie und popularer Welterklarung. Zwar ist die Religion auch noch mit einer Fülle andersartiger Interessen, mit ethischen, künstlerischen, rechtlichen, poUtischen und sozialen durchzogen, aber hier ist überall die Scheidung leichter oder jedenfalls uns gelaufiger als bei der Verschmelzung der reUgiösen Funktionen der Gottesidee mit. ihren rationalen der Welterklarung und gegenstandlichen Ausmalung der Gottesidee. Ist es das Wesen der Wissenschaft, in irgend welcher Formen zu vergleichën, zu beziehen und zu verknüpfen und dadurch auf allgemeine, das Einzelne beherrschende und beleuchtende Begriffe zu kommen, so muss es das Wesen der von wissenschaftlicher Einwirkung freien Religion sein, dass sie naiv ohne Vergleiche und Beziehungen, ohne künstlich gesuchte Zusammenhange und allgemeine Vorstellungen den unmittelbaren Drang der religiösen Idee folgt. Wir haben die Religion in ihren naiven unmittelbaren Ausserungen zu suchen, wo sie in Verbind ungen mit dem übrigen Leben und Denken nicht weiter eingeht, als zur Beherrschung 'und Beeinflussung des Lebens notwendig ist, wo ihr aber Einheit und Zusammenhang der WirkUchkeit, Selbstbehauptung durch Vergleich und Apologetik gegenüber anderen religiösen Ideen, Befestigung durch Anschluss an allgemeine, objektive Weltbetrachtungen völlig ferne liegt oder doch ohne wesentliches Interesse ist. Naive Religion wird man überall treffen, wo der Sinn für Wissenschaft und allgemeine Zusammenhange wenig entwickelt ist, wo die alles ausdeutende Phantasie des Mythos sie nicht überflutet hat und wo andererseits doch ein starkes reUgiÖses Empflnden vorhanden ist. Die gewaltige Schöpfung der überall in gewissen Grundzügen analogen religiösen Ideenwelt durch die uns unbekannte Urmenschheit muss aus einem naiven starken Drang hervorgegangen sein, und so wird man vielfach, wo man diese Schöpfung etwa in ihren Ausklangen noch beobachten kann, naive Religion vermuten dürfen. Wirklich primitive Völker und die von Philologen und Archaeologen aufgedeckten, altesten erreichbaren Perioden werden daher Zeugnis ablegen von naiver ReUgion, wobei man nur sich hüten muss, das personifizierende Denken und den Mythos selbst schon überall für Religion zu nehmen und jedes Vorkommen religiöser Gebrauche als wirkUche Religion zu interpretieren. Natürlich sind hier überaU die göttUchen oder damonischen Machte in der Weise der allgemeinen Weltanschauung gedacht, aber darum sind nicht umgekehrt alle Vorstellungen unsichtbarer und das Geschehen bestimmender Machte reUgiös. ReUgiöse Bedeutung haben sie nur in dem Kult und durch den Kult, und ein Kult flndet nur da statt, wo diese Machte von sich aus eine Offenbarung und Kundgebung von sich gegeben haben, die die Verbindung mit ihnen im Kult eröffnet. An bestimmten Ereignissen und-Eindrückén entsteht erst der religiöse Gedanke, dass die in ihnen kundgegebene Macht reUgiöse Bedeutung hat und reUgiösen Verkehr, sei es vorübergehend, sei es dauernd wiU. Nur soweit dieser Offenbarungsglaube und diese kultische Beziehung starke, einfache und unmittelbare Geltung hat, kann von naiver Religion die Rede sein, und wir nahem uns ihr in dem Masse, als wir den Kult und die ihm vorangehenden und ihn begleitenden Gefuhle erraten zu können hoffen dürfen. In Kuiten, Gebeten und Liturgieën, sofern sie nicht auch hier zur blossen- — 4 — Konvention geworden sind und als Konvention betrieben werden, steekt der Sinn der primitiven ReUgionen, der all die grossen Kultstatten und Götterideen neben den zahllosen kleineren und wechselnden geschaffen hat. So ist die bloss ethnographische und anthropologische Religionsforschung zwar nur mit Vorsicht als Zeugnis für naive Religion zu verwenden, kann aber allerdings den Bliek für sie in unvergleichlicher Weise scharfen, weil hier das wissenschaftliche Interesse und die wissenschaftliche Kunst noch zu wenig ausgebildet ist, um die natürliche Selbstgewissheit und den natürlichen Instinkt der Religion zu beirren. Wohl ist auch das mythische Denken eine Art Wissenschaft und überdies geneigt zum Übergang in künstlerische Phantasie, und es hat in beiden Richtungen die Religion oft genug überwuchert. Aber sein Zusammenhang ist zu wenig geschlossen und so ist hier die Durchbrechung durch völlig naive Glaubensbildung leichter. Des weïteren ist die naive Religion in all den grossen, spezifisch religiösen Persönlichkeiten zu finden, die meistens den wissenschaftlich nicht belasteten Volksschichten entstammen und deren ganzes Leben und Wirken nichts als die völlige Hingabe an die sie durchaus beherrschende," zweifellose und beweislose reUgiöse Idee ist. Hier kommen die Stifter und Reformatoren, die Propheten und Seher, die Prediger und Missionare in Betracht, die wohl in ihrer religiösen Selbstvertiefung und in der Dialektik der religiösen Idee mehr oder minder reflektiert sein mögen, die aber in der ReUgion selbst nur auf den religiösen Gedanken sehen und in ihrer Selbstgewissheit keinerlei oder nur wenig Rückgang auf allgemeine Wahrheiten und Erkenntnisse bedürfen. Auch hier ist der Gottesgedanke selbst natürlich jnannigfach verwandt oder identisch mit überkommenen Vorstellungen und steht im aUgemeinen Rahmen der jeweiligen Weltanschauung, aber das Wesentliche ist doch auch hier jedesmal die Eröffhung des Verkehrs von seiten der Gottheit, Erleuchtung, Offenbarung, Erfasstwerden durch ein reales göttUches Sein und infolge davon Kultus, Gebet, Verkehr, Einheit mit dem göttlichen Wesen, Vorgange, die von eigentümlichen, spezifisch religiösen Gefühlen und Stimmungen begleitet sind. Des weiteren liegt das Studienmaterial in allen einseitig oder ausschUesslich religiösen PersönUehkeiten, Sekten und Grappen, in denen wissenschaftliche Einwirkungen nur lose aufliegen oder völlig abwesend sind, die aber auch nicht etwa durch den Kampf gegen die Wissenschaft ihre reUgiöse Unschuld verloren haben. SchUessUch kommen aus der inneren Erfahrang und Selbstbeobachtung des DarsteUers alle die Momente in Betracht, wo er sich bewusst ist, ohne Seitenblicke und Nebeninteressen, vor allem ohne philosophische Spekulation, rein den religiösen Impuls zu empfinden und sich in ihn zu vertiefen. Es gilt etwa, wie in Forschungen über die Kunst, das Phanomen mögUchst in seiner instinktsichersten Offenbarung zu fassen, eine „reine Erfahrang" von ihm zu gewinnen, wie die reine Erfahrang im Unterschied von der schon wissenschaftüch gedeuteten überall als Ausgangspunkt für jede neue Orientierung und Gewinnung wissenschaftlicher Deutung gesucht werden muss." Bei der Erforschung der Fundamente des naiven religiösen Glaubens, die man in Lauf der Zeit auf verschiedenster Weise feststeUen zu können gemeint hat, treten zwei Hauptfragen in den Vordergrund, namlich: 1) wie der Geist des Menschen sich diese Glaubensformen seiner naiven ReUgion ursprünglich hat ausbilden können und 2) wie weit die so überaus wichtigen religiösen Erscheinungen in unseren menschüchen Zusammenlebungen sich auf die Wirklichkeit stützen. Es handelt sich dabei um die Erklarang der Form und des Wertes der naiven Religionen. Eine befriedigende Beantwortung dieser für unsere Existenz so wichtigen Fragen, ist — 6 — es mir angezeigt, den Autor zuerst selbst reden zu lassen. Auf Seite 428 des ersten Bandes seines Werkes „Primitive Culture" vom Jahre 1903 lesen wir: „What the doctrine of the soul is among the lower races, may be explained in stating the animistic theory in its development. It seems as though thinking men, as yet at a low level of culture, were deeply impressed by two groups of biological pfoblems. In the first place, what is it that makes the difference hetween a living body and a dead one; what causes waking, sleep, trance, disease, death? In the second place, what are tbóse human shapes which appear in dreams and visions? Looking at these two groups of phenomena, the ancient savage philosophers probably made their first step by the obvious inference that every man has two things belonging to him, namely a life and a phantom. These two are evidently in close connexion with the body, the life as enabling it to feel and think and act, the phantom as being its image or second self; both, also, are perceived to be things separable from the body, the life as able to go away and leave it insensible as dead, the phantom as appearing to people at a distance from it. The second step would seem also easy for savages to make, seeing how extremely difficult civilized men have found it to unmake. It is merely to combine the life and the phantom. As both belong to the .body, why should they not also belong to one another and to be manifestations of one and the same soul? Let them then be considered as united and the result is that wellknown conception which may be des.-. cribed as an apparitional-soul, a ghost-soul. This, at any rate, corresponds' with the actual conception of the personal soul or spirit among the lower races, which may be defined as follows: It is a thin unsubstantial human, image, in its nature a sort of vapour, film or shadow; the cause of life and thought in the individual it animates; independently possessing the personal consciousness and volition of its corporeal owner past or present; capable of leaving the body far behind, to flash swifbly from place to place; mostly impalpable and invisible, yet also manifesting physical power and especially appearing to men waking or asleep as a phantom separate from the body of which it bears the likeness; continuing to exist and appear to men after the death of the body; able to enter into, possess and act in the bodies of other men, of animals and even of things." AusserMieser Zusammenfassung der animistischen Erscheinungen hat Tyloe in seinem Werke Voraussetzungen aufgestellt, um den Zusammenhang und dié Entwickl'ung derselben, zu einem Ganzen klarzulegen. Gerade gegen diesen Teil seiner Arbeit haben sich in spaterer Zeit mehrfach Stimmen erhoben und mehrere Autoren haben versucht, auf andere Weise eine einheitliche Erklarung für die animistische Philosophie des Menschtums in seinen verschiedenen Ausserungen zu finden. Um die wichtigsten Beschwerden und die Erklarungsweise von Tylok in die Erinnerung zurückzurufen, wird es am einfachsten sein, den Betrachtungen Durkheims in seinem oben erwahnten Werk zu folgen. Auf S. 69 gibt dieser als unumgangliche Anforderungen einer Erklarung oben angegebener Daten an: 1°. Puisque dans cette hypothese (Tylor's) 1'idée d'ame est la notion cardinale de la religion, il faut montrer comment elle s'est formée sans emprunter aucun de ses éléments a une religion antérieure; 2°. il faut faire voir ensuite comment les ames devinrent 1'objet d'un culte et se transformaient en esprits; 3°. enfin puisque le culte des esprits n'est le tout d'aucune religion il reste a expliquer comment le culte de la nature est dérivé du premier. - 14 — sorgsam vorbereitet wird, ist das Wachstum der Reispflanzen gering und dieselben sind für ungünstige Lebensbedingungen, wie zu wenig oder zu viel Regen, viel empflndlicher als unter einer besseren Kultur. Ausserdem wird von dem gesaten Reis, den man nicht mit Erde bedeckt, ein Teil von den Tieren aufgefressen und, falls es nicht gleich nach der Saat regnet, leidet die Keimkraft der Körner durch zu starke Sónnenbestrahlung. Von den wachsenden Halmen fordern die Waldtiere ihren Teil, falls man diese nur vorübergehend bebauten Felder nicht in mühsamer Arbeit mit starken Hecken umgibt. Ist der Reis reif, so rauben Vogel und Affen, gegen die sich der Dajak Tnur schlecht zu schützen weiss, wiederum einen Teil der Ernte. Auch wird diese noch dadurch sehr verschlechtert, dass das Brennen der neuen Felder in der Trockenperiode vorgenommen werden muss, wodurch die Erntezeit in die Regenperiode fallt. Zur Erlangung einer genügenden Menge Reis muss also nicht nur stets wieder ein neues Stück Feld gerodet werden, sondern infolge des ausserordentlich geringen Ertrags muss die bebaute Oberfiache auch viel grösser sein als dies bei einem rationellen Betrieb nötig ware. Ahnliche Zustande herrschen auch bei den anderen Kuituren. Auch ihr besonders auf den Landbau so lahmend wirkendes pëmali-System hangt mit ihrer mangelhaften kulturellen Entwicklung zusammen. Eine andere schadliche Folge dieser Raubwirtschaft ist, dass diese Stamme, infolge der Erschöpfung ihrer Felder in der Umgegend, nach ergiebigeren Feldern umzuziehen gezwungen sind, so dass die ganze Niederlassung nach einigen Jahren von neuem aufgebaut werden muss. Ein Solcher TJmzug bedeutet für eine Familie von wenig Gliedern eine Arbeit, die jahrelang alle ausserhalb des Ackerbaus zur Verfügung stenende Zeit in Anspruch nimmt, also Wiederum einen bedeutenden Arbeitsverlust. Auch die Ausübung von Jagd und Fischfangistbei dièsen niedrigentwickelten Völkern mit viel grösseren. Schwierigkeiten und mit mehr Arbeitsverschwendung verbunden, als bei höher entwickelten.. Für die Jagd besitzen sie weder gute Schiesswaffen noch starke gut dressierte Hunde, wahrend ihre Schlingen und Fallen meist sehr primitiv beschaffen sind oder viel Arbeit bei der Aufstellung erfordern. Der Mangel an praktischen Fischmethoden hat die meisten Stamme zu einem ausgebreiteten Gebrauch des Tubagiftes gebracht, wodurch der Fischstand in vielen Flüssen vernichtet wird und für den übrigen Teil des Jahres die verfügbare Menge Fischnahrung in vielen Gegenden sehr herabgesetzt ist. Nach der Nahrung kommt in zweiter Linie die Bedeckung zum Schutz gegen das Klima in Betracht, Kleidung und Wohnung. Zur Beschaffung derselben gebraucht der Dajak hauptsachlich die Zeit, die ihm die Sorge für die Nahrung übrig lasst. Auch hierbei zeigt es sich also, unter welchen ungünstigen Bedingungen er sein relativ geringes Kapital an Arbeitskraft ausnützen muss. Die Art und Weise, in welcher das erforderliche Material für den Hausbau in den Waldern gesucht, dort roh bearbeitet und an Ort und Stelle geschafft wird, erfordert wegen des Fehlens guter Hilfsmittel und Wege viel mehr Anstrengung als da, wo letztere vorhanden sind. Um ein Beispiel anzuführen, die Grundbalken des Hauses müssen nach der Bearbeitung oft über weite Strecken durch die Berg und Tal bedeckenden Urwalder geschleppt werden (s. weiter Q. d. B. Hausbau). Falls die Kleidung nicht von auswarts eingeführt wird, liefert die Umgebung die Rohstoffe, aus denen sie zu Hause hergestellt wird. Der zur Verfügung stehende Webstuhl ist sehr primitiv; der Stoff, den man webt, besteht entweder aus selbst gebauter Baumwolle, die man mit der Hand reinigt und zu Faden spinnt, oder aus den langen Fasern — 32 — KAPITEL III. ReUgiöse Vorstellungen der Bahau — Wichtigste Götter — Einteilung des Weltalls — Gute und böse Geister — Seelen der Bahau — Chardkter und Schicksal der bruwa und tön luwa — Seelen der Tiere, Pflanzen und Gesteine — Vorzeichen —. Erklarung der pëmali — Priester und Priesterinnen — Beseelung der dajung — Pflichten der dajung — Erklarung der méld — Bas Ei als Opfergabe. Um uns von den Verhaltnissen auf religiösem Gebiet bei diesen Stammen Rechenschaft geben zu können, betrachten wir uns zunachst das folgende zusammenhangende Bild ihres Gottesdienstes wie es in Q. d. B. ï. S. 96—127 zu finden ist: Um die Höhe der geistigen Entwicklung und die Eigenart eines Volkes beurteilen zu können, muss man vor allen Dingen die Vorstellungen kennen lerhen, die dieses sich von seiner Stellung gegenüber der urhgebenden Natur bildet. In höherern oder geringerem Masse sind diese Vorstellungen, die wir als Religion bezeichnen, jedem denkenden "Wesen eigen. Je widerstandsfahiger ein Volk sich seiner Umgebung gegenüber fühlt, desto verschiedener und erhabener wird es sich ihr gegenüber vorkommen. Ein Volk gewinnt aber nur dann eine gewisse Furchtlosigkeit und Unabhangigkeit gegenüber den auf sein Dasein einwirkenden Naturkraften, wenn es bewusst oder unbewusst so viel Kenntnis von der Natur. erlangt, dass es sein Leben mit deren Forderungen in Übereinstimmung zu bringen im stande ist. Berücksichtigen wir, dass die Bahau und Kënja von Borneo ackerbautreibende Stamme sind, deren Lebensunterhalt von der "Witterung und anderen sichtbaren Naturanderungen unmittelbar abhangig ist, dass ausserdem die schadlichen Einflüsse des Klimas ihr körperliches Befinden durch Krankheit so stark beeintrachtigen, dass sie an Zahl wenig zunehmen, so kann es uns nicht wundern, in den religiösen Überzeugungen dieser Stamme das Gefühl der Abhangigkeit von der sie umgebenden Natur stark ausgepragt zu finden- In der Tat ist die Stellung, die sich die Bewohner von Mittel-Borneo im Reiche der Natur anweisen, eine sehr bescheidene; denn sie kommen sich. selbst von den Pflanzen, Tieren und Gesteinen ihrer Umgebung nicht wesentlich, sondern nur graduell, verschieden vor. Charakteristischer Weise schreiben die Bahau nicht nur sich selbst, sondern auch allen # belebten und unbelebten Wesen den Besitz von Seelen (bruwa) zu. Nach ihrer Auffassung I reagieren die Seelen eines Baumes, eines Hundes oder eines Felsens auf dieselbe Art wie die eines Menschen, sie werden von denselben Empfindungen der Lust und Unlust bewegt. Daher suchen die Bahau die erzürnten Seelen der Tiere, Pflanzen und Steine, welche sie zu verletzen oder zu vernichten gezwungen sind, durch Opfer zu besanftigenj im übrigen aber empfinden sie vor ihnen keine besondere Angst. Die Wirkungen der Naturkrafte erscheinen ihnen dagegen für das Wohl und Wehe des Menschen viel bedeutungsvoller und auch gefahrlicher. Die wahren Ursachen von Donner, Blitz, Regen und Wind nicht kennend stellen sich die Bahau diese als Ausserungen von Wesen oder Geistern (tö) vor, die zwar machtiger sind als sie selbst, sonst aber Angenehmes und Unangenehmes auf die gleiche Weise wie die Menschen empfinden. Die Geister können daher einerseits durch Geschenke und Opfer — 36 — sind im stande, andringende Geister zu verscheuchen; sie werden daher in roher Form aus Holz geschnitzt haufig auf Treppen und Bretterstegen angebracht. Wie im Kapitel über Kunst gezeigt wurde, hat dieser Glaube den Bahau die eigenartigsten Mótive für die Verzierung ihrer Hauser, Waffen und Geratschaften geliefert. Aus der Schöpfungsgeschiehte der Kajan geht hervor, dass. ihre Götter und Geister vor geschlechtlichen Beziehungen ein Grauen empfinden; hieraus erklart sich die abschreckende Wirkung, die der Anblick von Genitaliën auf die bösen Geister übt. Dass auch das Pflanzenreich zur Abwehr böser Geister vielerlei Mittel liefert, ist bereits im vorhergehenden Kapitel gezeigt worden, ebenso dass die Zahne von Hunden, Wildkatzen, Baren und Panthern, besonders geformte Steine u. s. w. als Schreckmittel benutzt werden. Die bösen sowie die guten Geister besitzen einen viel weiteren Bliek als die Menschen und sind, wie wir gesehen haben, auch viel machtiger als diese; sie bilden für die meisten Bahau das religiöse Element, mit dem sie sich bei ihrem Gottesdienst hauptsachlich befassen. Da die guten Geister nicht nur an sich ungefahrlich sind, sondern den Menschen auch alles erdenkliche Gute anzutun bestrebt sind, die bösen Geister dagegen den Menschen, als Strafe für ihre Missetaten, alles Unglück übermitteln, haben diese für die Bahau begreiflicher Weise mehr Interesse als jene. Man hört sie daher viel haufiger von den gefürchteten bösen als von den harmlosen guten tö sprechen. Obgleich die Bahau an eine wenn auch beschrankte Unsterblichkeit der Seele glauben, sind sie doch der Überzeugung, dass Tamei Tingei ihnen durch seine Diener schon hier auf Erden das Los zuerteilt, das sie sich durch ihre Lebensweise selbst verdient haben. Diejenigen, welche die menschliche oder göttliche adat übertreten, erleiden Missgeschick oder werden krank; sind die Geister sehr erzürnt, so Jassen sie die Schuldigen im Kampfe fallen, verunglücken, sich selbst töten oder, wenn es Frauen betrifft, bei der Geburt sterben. Alle 'auf diese Weise Umgekommenen sind matei djd-dk, d.h. eines schlechten Todes gestorben. Es wird ihnen kein ehrenvolles Begrabnis zu Teil; auch gelangen ihre Seelen nicht in den Himmel Apu Kësio, sondern an einen anderen Ort; aber von einer weiteren Vergeltung ihrer auf Erden begangenen Missetaten im künftigen Leben ist keine Rede. Den guten Menschen sendet Allvater Glück und Wohlergehen; auch lasst er sie durch Krankheit eines schönen Todes (mdtei saju) sterben. Ihre Seelen gelangen nach Apu Kësio, wo sie in einem Überfluss an Nahrungsmitteln schwelgen und nicht zu arbeiten brauchen. Im Anfang dieses Kapitels ist bereits gesagt worden, dass die Bahau nicht nur sich selbst, sondern auch allen belebten und unbelebten Wesen auf Erden den Besitz von Seelen zusbhreiben; sie glauben, dass die Menschen und deren Haustiere: Schweine, Hunde und Hühner, ferner die Hirsche, grauen Affen und Wildschweine von zwei Seelen, die übrigen Tiere, Pflanzen und toten Gegenstande dagegen nur von einer Seele bewohnt werden. Betrachten wir zuerst die Seelen der Menschen, ihren Charakter und ihr Schicksal. Alle Leiden, von Angstgefühlen und qualenden Traumen au bis zu Missgeschicken und Krankheiten, schreibt der Bahau dem Umstande zu, dass ein Teil seiner Persönüchkeit zeitweise seinen Körper verlasst; er nennt diesen nur locker mit seinem Körper verbundenen Teil: bruwa (malaiisch: mata tewaw = rechtes Auge). Einen zweiten Teil seiner Persönlichkeit, der zeitlebens mit seinem Körper verblinden bleibt, nennt der Bahau: tön luwa (malaiisch: mata kiba = linkes Auge). Diese beiden geistigen Teüe des Bahau, seine beiden Seelen, spielen sowohl in seinem Leben als nach seinem Tode eine wichtige Rolle. Die stets unruhige bruwa entflieht dem menschlichen Körper, nach Aussagen der — 37 — Priesterinnen, in Gestalt eines ïieres: eines Fisches, Vogels oder einer Schlange. Die Fischform verspricht ein langes, die Scblangenform ein kurzes Erdenleben. Der wichtigste Wohnsitz der bruwa liegt im Haupte des Menschen, sie verlasst den Leib durch den Scheitel. Sehlagt man ein Kind daher aufs Haupt, so entflieht seine bruwa leicht. Eine der wichtigsten Aufgaben der Priesterinnen besteht darin, die bruwa, die den Menschen schon bei geringen Anlassen, wie Schreck und Verstimmung, besonders aber bei Krankheit, verlasst, wieder in den Körper zurückzulocken. Sie tun dies mit Hilfe der Geister aus dem Apu Lagan und zwar auf sehr verschiedene Weise. Bisweilen lasst sich die bruwa schon dadurch besanftigen, dass ein schönes Stück Zeug auf das Haupt des Patiënten gelegt wird; sonst spaltet die Priesterin in der Dunkelheit das Haupt zum Schein und lasst die entflohene Seele wieder in ihren alten Wohnsitz zurückkehren. Bei dem Tode des Menschen verlasst die bruwa den Körper für immer und ziebt nach Apu Kësio. So viel ich habe erfahren können, verweilt die Seele auch hier nicht ewig, sondern begiebt sich spater an einen anderen Ort, Langit Mëngun, und wird erst dort zu einem wirklichen, ewig fortlebenden Geiste. Der Weg, den die bruwa zum Apu Kësio zurückzulegen hat, ist ausserst mühe- und gefahrvoll; daher giebt man dem Verstorbenen alles mit, was seiner Seele auf der Reise und auch spater beim Aufenthalt im Jenseits von Nutzen sein könnte. Hierzu gehören: eine vollstandige und prachtige Kleiderausrüstung nach altem Muster; schone Schmucksachen; Waffen; Geratschaften aller Art ; Gonge, die neben dem Grabe aufgestellt oder bei Hauptlingen in die Prachtgraber (salong) gelegt werden; ferner eine winzige Leiter, um der Seele zu ermöglichén, Felsen zu erklimmen und Abgründe zu überschreiten und ein Vorrat von Nahrungsmitteln. Um die bruwa gegen Anfalle böser Geister unterwegs zu schützeB, giebt man ihr in einem Tragkorbe (briut) seltsam geformte Steine und Tierzahne mit, zur Anlockung der guten Geister dagegen ein Bambusgefass mit Zuckerrohrsaft. Die bruwa begiebt sich nicht sogleich nach dem Tode des Menschen auf die Wanderung, sondern halt sich, solange die Angehörigen die Trauer noch nicht abgelegt haben, in der Nahe des Leichnams auf. Die Seelen der Kapuas Dajak wahlen für diese Zeit den Berg Batu Tilung am Mandai als Aufenthaltsort. Beim Ablegen der Trauer ist es daher Aufgabe der Priesterin, durch Abbalten einer mëla dafür zu sorgen, dass die Seele sicher nach Apu Kësio befördert (anter) wird. ^ËféÈ Die bruwa beginnt ihre Reise unterhalb der Erde und Flüsse und hat ausser den gewöhnlichen Terrainschwierigkeiten auch noch Brücken aus heftig wippenden Baumstammen und Wege von der Scharfe der Schwerter zu überwinden. Kommt sie über diese Hindernisse nicht hinweg, so geht sie zu Grunde; stürzt sie z. B. von der Brücke in den Fluss, so tressen sie die Fische und sie ist vernichtet. Die Unsterblichkeit der bruwa ist somit eine begrenzte. . »V.«::. Die Seelen der matei saju, eines schönen Todes Gestorbenen, und der matei djit-Ok, eines schlechten Todes Gestorbenen, wandern zuerst auf gemeinschaftlichem Pfade, dann aber flndet Dreiteilung des Weges statt: rechts führt ein Weg zum Apu Kësio, links führen zwei Wege, von denen der eine durch Schwerter, der andere durch Gonge bezeichnet ist, zu anderen Anfenthaltsorten, die für die eines gewaltsamen Todes Gestorbenen bestimmt sind. Die Verunglückten, Erschlagenen, Selbstmörder u. s.'w. schlagen den Weg der Schwerter, die Frauen und Kinder, die wahrend oder kurz nach der Geburt gestorben sind, dagegen den der Gonge ein. i — 38 — Was die zweite Seele der Bahau, die lm luioa, betrifft, so ist sie zeitlebens mit seinem Körper fest verbunden. Erst wenn der Leib gestorben ist, verlasst auch diese Seele die stoffliche Hülle. Die tön luwa bleibt jedoeh auf dem Begrabnissplatz, wo sie solange herumirrt, bis sie endlich zu einem bösen Geiste wird. Gehen die Bahau daher an einem Begrabnisplatz vorüber, so werfen siè den tön luwa, um sie zu beruhigen; Stückchen Esswaren, Tabak u. dergl. zu, auch weisen sie nicht nach ihnen und sprechen nicht von ihnen. Die tön luwa haben die Fahigkeit, wahrend ihres Aufenthaltes auf der Totenstatte in Tiergestalt, als Hirsche und graue Affen, zu erscheinen. Deshalb essen die Bahau diese Tiere nur dann, wenn der Hunger sie dazu zwingt. Da die Malaien keine Schweine essen, glauben die Bahan, dass deren Seelen nach dem Tode bisweilen in Schweine übergehen. Als Beweise für den gelegentlichen Aufenthalt der tön luwa in Tieren fübrten mir die Mendalam Kajan die folgenden Erzahlungen an: Ein Mann zog aus um zu silèm, d. h. mit einem Blasrohr zu jagen. Obgleich er den ganzen Tag umherlief, hatte er doch keinen Erfolg, und so scblief er endlich müde und verstimmt auf einem Begrabnisplatze ein. Da erschien ihm ein wünderschönes Madchen, mit der er den Rest der Nacht verbrachte. Beim Erwachen in der Frühe bemerkte der Mann, . dass ein Hirsch, der neben ihm lag, eiligst aufstand und entfloh. Hieraus" ersah er, dass die Sëele des Madchens sich tagsüber in einem Hirsch aufhielt. Ein anderer Jager stiess an einer Stelle des Waldes, wo er lange Zeit nicht ge wesen war, auf. ein Haus, das von grossen, dunklen Menschen bewohnt wurde; etwas weiter stand ein zweites Haus, in dem schöne Frauen lebten, und in einem dritten Hause fand er Menschen noch anderer Art. Mit allen diesen Leuten plauderte der Jager, ass mit ihnen, kaute Betel und schlief. endlich an der Seite einer der Frauen ein. Als er in der Nacht vor Kalte erwachte und sich zur Erwarmung ein Feuer anzündete, bemerkte er, dass sich ein Waffenhalter an der Wand in einen Baumast und die Hausbewohner in graue Affen verwandelten. Darauf ergriff er eiligst die Flucht. Im Vorüberlaufen sah er noch, dass sich die Menschen in den beiden anderen Hausern in Hirsche verwandelten. Wenden wir uns jetzt den Seelen der Tiere, Pflanzen und leblosen Gegenstande zu. Die Bahau bezeichnen diejenigen Tiere, die nur eine einzige Seele besitzen, als tulSr Mn (wirkliche Tiere); die Haustiere, ferner die Hirsche, grauen Affen und Wildschweine dagegen sind im Besitze der gleichen Seelen wie die Menschen, einer bruwa und einer tön luwa; sie können daher auch zeitweilig als,Menschen leben und wie diese Hauser bewohnen. Auch hierfür lieferten mir die Kajan durch eine Erzahlung den Beweis: Ein Mann, der sich mit seinem Blasrohr auf die Jagd begeben hatte, irrte lange im Walde umher, bis er an ein Haus gelangte, das von schönen Frauen bewohnt wurde. Mit einer dieser Frauen lebte er mehrere Monate zusammen; eines Morgens erklarte sie ihm jedoeh, dass sie eigentlich ein bawui (Wildschwein) sei und dass sie von nun an nicht langer in ihrer menschlichen Gestalt weiterleben dürfe, sondern In den Wald zurückkehren müsse. Sie hatte den Mann aber inzwischen sehr'heb gewonnen und legte ihm ans Herz, stets dabei zu sein, wenn die Jager seines Stammes Wildschweine erlegten, da es leicht geschehen könne, dass auch sie sich unter den Jagdopfern befinde. Darauf nahm sie Abschied und begab sich mit vielen anderen Frauen an das Ufer eines Weihers, der vor dem-Hause lag; in diesen tauchten sie unter und kamen am gegenüberliegenden Ufer in Gestalt von Wildschweinen wieder zum Yorschein. Die Tiere liefen einen Hügel hinan und verschwanden im dichten Walde. — 39 — Bald nachdem der Mann in sein Dorf zurückgekehrt war, erlegten seine Stammesgenossen wirklich ein Wildschwein. An einer Narbe an der Seite des Tieres erkannte der Mann seine frühere Geliebte und bemachtigte sich daher der Leiche. Gross war sein Erstaunen, als er beim Aufschlitzen von Brust und Bauch das ganze Tier mit Gold gefüllt fand. So wurde er zum reichsten Manne im ganzen Dorfe. Die Bahau jagen daher nie mehr Wildschweine, ohne deren Seelen zuvor ein Opfer gebracht zu haben. Haben die Bahau einen kulè, den gefürchteten borneoschen Panther geschossen, ■ so sind sie für ihr Seelenheil sehr besorgt; denn die Pantherseele ist beinahe machtiger als die ihre. Sie schreiten daher acht Mal über das getötete Tier unter der Beschwörungsformel: „kulè, bruwa ika hida bruwa akui" — „Panther, Seele deine unter Seele meine". Zu Hause angelangt werden Jager, Hunde und W affen mit Hühnerblut eingerieben, um ihre Seelen zu beruhigen und am Entfüehen zu verhindern. Die Bahau essen namlich Hühnerfleisch so gern, dass sie den gleichen Geschmack auch bei ihrer Seele voraussetzen, auch glauben sie, dass ihr schon der Genuss des Blutes allein genüge. Ausserdem müssen die Manner acht Tage lang sowohl tags als nachts baden. Nach Verlauf dieser acht Tage müssen sie sich aufs neue auf die Jagd begeben. >)b>MK Haben die Jager bei der Wildschweinjagd der Beute den Schwanz abgehauen, so müssen sie vorschriftsgemass ebenfalls nach acht Tagen wieder jagen gehen; haben sie einen Baren erlegt, so gehen sie bereits nach sechs Tagen wieder auf die Jagd. Die Pflanzen besitzen nach Auffassung der Bahau zwar nur eine Seele, diese ist aber oft sehr anspruchsvoll und racht sich für jede Verletzung oder Vernachlassigüng an den Menschen. Daher tun die Kajan nach dem Bau eines Hauses, wobei sie zahlreiche Baume haben misshandeln müssen, ein Jahr lang Busse, d. h. es folgt eine Zeit, in der ihnen vieles verboten (Mi) ist, unter anderem das Töten von Baren, Tigerkatzen, Schlangen u. s. w. Bei den Ulu-Ajar Dajak am Mandai, südlich vom oberen Kapuas, bestehen ahnliche, aber noch strengere Vorschriften für den Hauserbau. Dort hangt die Dauer der Busse von den hauptsachlich gebrauchten Baumarten ab; für ein Haus aus wertvollem Eisenholz muss man sich drei Jahre lang verschiedener Leckerbissen enthalten; die Seelen geringerer Baumarten machen dagegen bescheidenere Ansprüche. Eine derartige Verbotszeit wird durch eine Festlichkeit abgeschlossen (bet Mi). Dabei spielt die Kopfjagerei, allerdings nur pro forma, auch noch eine Rolle; man entlehnt namlich einen alten Schadel bei einem benachbarten Stamme. Sehr verschieden geartet sind auch die Seelen der die Pfeilgifte liefernden Baume; der Tasembaum (Antiaris toxicaria Lesch.) scheint schwer zu befriedigen zu sein; denn nur selten ist das Kernholz dieses. Baumes wohlriechend; dies ist nur dann der Fall, wenn derjenige, der ihn fallt, die richtigen Opfer zu bringen versteht. Das Gleiche gilt für den in Ost-Borneo vorkommenden Kampferbaum. Auch der Reis ist beseelt und die gute Gesinnung seiner Seele ist für den Ernteausfall von grosser Bedeutung, daher müssen die Priesterinnen, wie wir in der Folge sehen werden, beim Reisbau ein sehr kompliziertes Zeremoniell erfüllen. Eigentümlicher Weise stellen sich die Bahau, wie schon gesagt, auch die toten Gegenstande ihrer Umgebung beseelt und mit menschlichen Eigenschaften begabt vor. Aus diesem Grunde wirft ein- Kajan, der schwer dazu zu bewegen ist, einen Gegenstand durch Yerbrennen zu vernichten, ihn anstandslos in den Fluss, in der Überzeugung, dass er sich im Wasser doch noch durch Schwimmen retten könne. — 48 — als Opfer für die bruwa parei, etwas Zuckerrohrsaft auf das Ei zwischen den Spannen zu giessen. Wahrend sie den Deckel des Korbes abhebt, die kleine Matte herausnhnmt, aut den Boden breitet und einen Beishalm darauf legt, erklart sie den Reisseelen den Zweck ihres Kommens. Darauf kniet sie, einige Sprüche murmelnd, vor der Matte nieder und isst ein einziges Korn von dem Reishalm. Nachdem sie das barang Mi sorgfaltig geborgen, geht die Frau mit der erforderlichen Menge Reis ruhig nach Hause. Matten spielen beim Trocknen und Stampfen des Reises eine wichtige Rolle, es ist daher wahrscheinlich, dass das barang Mi und das Verzehren des Reiskorns den Reisseelen die bevorstehende Behandlung andeuten sollen. Beim Beginn einer neuen Ernte werden die gebrauchten pëmali durch andere ersetzt, nur das barang Mi und kahè parei werden sorgfaltig mit einer mit Reis gefüllten Eierschale bewahrt und bei jeder neuen Jahreszeit wieder zum Vorschein geholt. Wenn diese pëmali verloren gehen, ist eine mëJM der dajung erforderlich, um die Reisseelen wieder anzulocken. Beim Beginn des Reisschnitts stimmt man die Geister dadurch günstig, dass man ihnen Esswaren und Wasser, vielleicht einen Aufguss auf Gemüseblatter, darbietet. Das Opfer, tawè lali lunb genannt, wird von Kindern auf das Reisfeld getragen. Die Esswaren: gekochter Reis, Fisch und Huhn, beflnden sich in drei von den dajung mit einfacher Schnitzerei verzierten Bambusbehaltern, das Wasser in einem vierten, niedrigeren Behalter; an alle Gefasse werden kawit gehangt. Abends*werden die Reishalme des ersten Schnittës in einem geweihten Korbe {ingan Mi) unter Beckensehlag feierlich ins Haus getragen. Aus der Wohnung sind Hunde und Katzen vorher entfernt worden, auch hat man die amin gereinigt und den Eingang mittelst einer Tür aus Rotanggeflecht verschlossen. Die Tür (bilèt) besteht aus zwei durcb eine Rotangschlinge verbundenen Halften und einem hölzernen Handgriff. Soll der Korb in die Wohnung getragen werden, so streift man die Schlinge mit dem Handgriff ab, die beiden Flügel des Pförtchens springen auf und der Reis kann seinen Einzug halten. Die mit dem Saat- und Neujahrsfest verbundenen Festlichkeiten haben auf die Verehrung der Götter Tamei Tingei und Djaja Hipui Bezug, daher besitzen die bei dieser Gelegenheit gebrauchten pëmali .teilweise eine allgemeinere und wichtigere Bedeutung als die vorhin angeführten; denn nun gilt es nicht allein, die betreffenden Geister zufrieden zu stellen, sondern man verlangt von ihnen auch eine gute Ernte, Gesundheit und Wohlfahrt. Die dajung verfertigen für das Neujahrsfest ein besonderes pëmali, das sie auf dem geweihten Reisfeld (luma Mi), das als Ort der heiligen Handlung dient, aufrichten. Mit geringen gelegentlichen Abweichungen besteht dieses pëmali aus Stücken von Fruchtbaumholz, die durch ihre Form den Geistern die Bitten des Kajanvolkes übermitteln sollen. Die Konstruktion ist die folgende: Mitten im Reisfeld werden, mit ihren zugespitzten Enden in die Erde gebohrt, vier etwa 20 cm lange runde Pfahle dicht neben einander in einer Reihe aufgestellt. Die beiden mittelsten tragen oben je einen Kranz von acht kleinen, in das Holz eingesenkten Hakchen, wahrend zu den seitlichen Pfahlen je eine Treppe führt. Die Pfahle sind oben mit zwei schmalen Brettern gedeckt; vor und hinter ihnen stecken etwas langere Hölzer mit ihren hakenförmigen Enden schrag im Boden. Die Bedeutung des Ganzen ist diese: die vier aufrechten Pfahle bitten die Götter um langes Leben, die beiden Hakenkranze um ein Ansammeln von Reichtümern, die beiden Treppen um ein Übersteigen aller Schwierigkeiten, die schief im Boden steekenden Hölzchen um einen Boden, aus dem sich Reichtümer heben - 53 - auch die Macht besessen trotz weiter Entfernung auf die abgebildete Person Einfluss auszuüben. Eine Kinderseele wird für viel schwacher als die eines Erwachsenen gehalten, die eines Mannes kraftiger als die einer schwacheren Frau. Bei den Kajan bringt deshalb jeder Fremde, sobald er die Wohnung betrit in der sich ein kleines Kind befindet, ein kleines Geschenk (usut), Perlen oder etwas Zeug, mit; die Seele des Kinde^, durch die neue Erscheiniu^erschreckt, kann durch etwas Schönes beruhigt werden; geschieht dies nicht, so entflieht die Seele und das Kind erkrankt. Zum ümhertragen der Kinder besitzen die Bahau die sehr praktische httwttt, ein Liegebrett in Form eines beinahe völlig aufgeschlagenen Buches und eines senkrecht dazu angebrachten Sitzbrettes. In Anbetracht, dass das Kind einen grossen Teil des ersten Lebensjahres auf der hawat verbringt, nehmen die Bahau an, dass auch dessen Seele (bruwa) mit dem Tragbrett eng verbunden sei und dieses öfters als Aufenthaltsort wahle. Um nun eine standige Verbindung mit dem Kinde und dessen Seele zu unterhalten, versaumen die Mütter niemals, ihre Kleinen morgens und abends in innige Berührung mit der hawat zu bringen. Sie tun dies, indem sie einen Finger des Kindes in eine Schlinge von Lianenfasern, welche an der hawat befestigt ist, stecken, ihn hin- und herbewegen und einige Worte murmeln. Die Kinderseele wird durch diese Handlung aufgefordert, in ihren eigentlichen Wohnsitz zurückzukehren. An jeder hawat hangen drei oder vier derartiger Schlingen und zwar sind sie alle an Hakchen aus dem Holz von Fruchtbaumen befestigt, für die die Seelen und Geister eine grosse Vorliebe hegen sollen. Ausserdem ist die hawat mit vielen Abwehrmitteln gegen böse Geister, wie Muscheln, Tierzahnen, schlecht riechenden Bast u. s. w. behangt. Charakteristisch für die menschliche bruwa ist noch die folgende Szene bei meiner Rückkehr vom Scheidegebirge zwischen Mahakam und Batang Redjang an der Grenze von Sërawak: „Mein Aufnehmer richtete sein Messinstrument nach Süden, seine Bahau-Begleiter ergriffen die Masstabe, riefen „da, da" und waren nach wenigen Messungen den Abhang hinunter verschwunden. Auch wir hatten bald gepackt und das Essen gekocht; die Verteilung der Lasten ging schnell von statten, da die schwerste Last, der Reis, beinahe vollstandig aufgezehrt war. Bei unserem Aufbruch begannen auch meine Kajan: da, da, kè uli, kë uli" zu rufen. Sie setzten den Ruf bis 50 m. weit den Berg hinunter fort. Mit da riefen sie ihre Seelen an, die sie vor dem Zurückbleiben warnten, in dem sie ihnen erklarten: kë uli — ich gehe nach Hause." Aus allem, was im vorhergehenden über die religiösen Vorstellungen der Bahau gesagt worden ist, ersieht der Leser, dass die Besorgnis um die Ruhe ihrer Seelen ihr Tun und Lassen wahrend ihres ganzen Lebens beherrscht. Da die bruwa durch alles, was dem Menschen selbst fremd, unbegreiflich und gefahrvoll erscheint, erschreckt und zum Fliehen gebracht werden kann, was Krankheit oder Tod zur Folge hat, stösst derjenige, der mit Hilfe der Bewohner von Mittel-Borneo in unerforschten Gegenden wissenschaftliche Untersuchungen vornehmen will, auf bisweilen unüberwindliche Hindernisse. Das Betreten eines unbekannten Gebietes, das Besteigen eines gefürchteten Berges, die Photographie, die anthropologischen Messungen u. s. w. erschienen meinem Geleite als gefahrliche Experimente, die Wohlsein und Gesundheit aufs ernsteste bedrohten. Eine besondere Seelenunruhe veranlassten meine Nachforschungen nach ihren Überlieferungen und ihrem Gottesdienst; die Hindernisse, die man mir 'auf diesen Gebieten daher in den Weg legte, waren sehr grosse. Zum Glück hessen sich die beangstigten Seelen — 54 — der Bahau meisb mit allem, was diese selbst schön fanden, wie hübsches Zeug, Perlen und Geld, beschwichtigen. In bezug auf Mitteilsamkeit in religiösen Angelegenheiten machte sich übrigens, je nach Veranlagung und Höhe der geistigen Entwicklung bei den einzelnen Personen, Versehiedpnheiten geltend. Wahrend die einen sich völlig unzuganglich zeigten, konnte ich von den anderen doch mit Hilfe von allerhand Mitteln einiges erfahren. Indessén waren mir die religiösen Vorstellungen der Kajan am Mendalam auch nach elfmonatlichem Aufenthalt in ihrer Mitte ein Buch mit sieben Siegeln geblieben, wenn nicht gerade die Oberpriesterin von Tandjong Karang, Usun (Taf. IV Fig. 2), eine rühmliche Ausnahme gemacht und sich in. allem, was ihre heilige Wissenschaft betraf, zuganglicher gezeigt hatte. Trotz mancher unangenehmen Eigenschaften meiner alten Freundin kann ich nicht umhin, gerade an dieser Stelle mit Dankbarkeit ihrer zu gedenken. Usün gehorte zu den wenigen Bewohnern des langen Hauses, die den ganzen Schatz der Überlieferungen von .der Geisterwelt und der Stammesgeschichte kann ten. Nach der Überzeugung der Kajan war ihr Tun und Lassen daher für die Gesinnung der Geister, somit für das Wohlergehen und den Gesundheitszustand des ganzes Stammes, massgebend. Durch aussergewöhnliche Handlungen, wie es ihre Unterhaltungen mit meiner profanen Person über Religionsangelegenheiten waren, schadete Usun also nicht nur sich selbst, sondern ihrer ganzen Umgebung; begreiflicher Weise sah man unseren Verkehr daher nur sehr ungern. Usun selbst stand ihren Stammesgenossen durchaus nicht furchtlos gegenüjjer, auch spielte die Besorgnis um das Wohl und Wehe ihrer' eigenen Seele bei ihr eine grosse Rolle; ich musste daher jedesmal, wenn sie mir etwas Besonderes erzahlt oder gebracht hatte, ihre bruwa mit etwas Geld, Kattun oder Perlen besanftigen, um bösen Traumen oder gar Krankheiten zuvorzukommen. Den Geldstücken schien dabei eine besonders beruhigende Wirkung eigen zu sein, auch wurden sie, um in innige Berührung mit ihrer Seele gebracht zu werden von der Alten beim Abschied gebissen. Auch ihr Enkel, ein ungezogener zwölfjahriger Knabe, beangstigte ihr Gemüt ; denn er wollte, wie die übrigen Kajan, nichts von ihrem gefahrlichen Umgang mit mir wissen. Gegen alle diese Schwierigkeiten kampften in Usuns Seele eine sehr entwickelte Habgier und Eitelkeit auf ihre Wissenschaft und Stellung und, wenn ich mir sehmeicheln darf, eine grösse Eingenommenheit für meine Person. Unter diesen Verhaltnissen entwickelte sich unser Verkehr derart, dass Usun, um ihre Umgebung irre zu führen, abends, wenn alle Hausbewohner schliefen, zu mir schlich. Dann packte sie ihre pèmali, die heiligen Geratschaften, die sie für mich verfertigt hatte, aus und steckte die erhaltene Belohnung ein. Wenn sie sich im Dunkeln hie und da förchtete, nahm sie den Enkel mit, der'für die ausgestandene Seelenangst stets auch etwas bekam. In der Stille meiner Hütte; nur unterbrochen von einzelnen Lauten, die von dem schlummernden Kajanhause herüberdrangen und von dem Gezirp der ewig munteren Grillen, vernahm ich in einem entsetzlichen Gemengsel von Kapuas-Malaiisch und Busang die Geschichte von Usuns Geisterwelt. Das energische- Gesicht der alten Dajakfrau gab dem Bilde noch ein besonderes Geprage. Wurden wir durch Neugierige gestört, so hatte die Alte sogleich ein harmloses Thema bei der Hand und fand sie bei ihrem Kommen meine Hütte besetzt, so schob sie das Mitgebrachte von aussen durch die Mattenwand der Hütte auf meinen Schlafplatz — die Rechnung blieb spater nicht aus. Tagsüber liess Usun ihren Gefühlen freieren Lauf, sprach öfters beim Dokter vor und — 55 — liess sich zum Gaudium der ringsherum stehenden Jugend bald hier bald da auf allerhand Leiden untersuchen. Der pekuniare Vorteil, den Usun aus ihrem Handel mit ihrer priesterlichen Wissenschaft zog, weckte den Neid und die Konkurrenz ihrer Kolleginnen und diesem Umstande habe ich es zu verdanken, dass mir auch von anderer Seite religiöse Gegenstande geliefert wurden, von deren Existenz ich sonst nie etwas erfahren hatte. Die Schöpfungsgeschichte der Mendalam Kajan, wie ich sie aus dem Munde der alten Usun vernommen, möge dieses Kapitel abschliessen. Die Schöpfung der Erde, Geister und Menschen. Eine Spinne liess sich einst vom Himmel an einem Faden herab. Diese Spinne wob ein Netz, in welches ein Steinchen von der Grosse einer sehr kleinen Perle nel. Das Steinchen wurde grösser und grösser, erst wie eine owér anè (besondere Perlenart), dann wie eine këtobong apo parei (besondere Perlenart), dann wie eine kleine Muschel, wie ein Nagel (hulo), wie eine aus einer Muschelschale geschnittene Scheibe (barang hulo), wie ein Fussrücken, wie ein runder Teller (uivit), wie eine Sitzmatte, wie ein Sieb, dann wie eine grosse Matte u. s. f., bis es den ganzen Raum unter dem Himmel einnahm. Auf diesen Stein nel eine Flechte (orö napon) vom Himmel, die auf ihm kleben blieb; dann nel ein Wurm (halang) hernieder, aus dessen Exkrementen die ersten Erdteilchen entstanden. Auch diese Erde nahm immer mehr zu, bis sie den ganzen Stein bedeckte. Da hel der grosse Baum, kajö aja auch wohl kajö nangei (beim Neujahrsfest verwendet) genannt, vom Himmel; der Baum war anfangs nicht höher als ein Messerchen (nju) dick ist, dann wurde er so gross, als ein Beil (asè) dick ist, schliesslich erreichte er die Höhe eines Bananenstammes u. s. f. Darauf fiel eine Krabbe vom Himmel und begann mit ihren vielen Gliedmassen in der Erde zu graben, wodurch Berge, Taler und Flussbetten entstandeu, unter anderen der Kajan, Pëngian, Danum Pè (Flüsse im Apu Kajan Gebiet beim Batu Tibang) und schliesslich alle übrigen Flüsse von Borneo. Aus dem Boden wuchsen jetzt allerhand Pflanzen hervor, zuerst die verschiedenen Bambusarten: bulu buring; bulu pusa; bula tengun und bulu tan; dann die Baume, die das rote zahe Holz für Schilde liefern und die Fruchtbaume. (Alle diese Baumarten werden beim Neujanrsfest zum Bau der dangei-E.-a.tte verwendet). Schliesslich erschienen die Rotanarten: uwe nga; uwe haring; -bohong; -hawon; -kuUjo; -ngëlawdto; -pësëlüit; -sëlat; -sëputan und uwè maling, die alle im Haushalt ihre verschiedene Verwendung linden. Der Rotan wand sich an dem grossen Baum kajo aja hinauf und dér Wind trieb ihn derart, dass er in die vulva des Baume's gelangte, wodurch dieser sehr gross wurde. Zwei Geister, ein Mann, Bëlarè Adjè Awè, und eine Frau, Këtot Era Podè, kamen jetzt vom Himmel herab und hessen sich auf dem grossen Baum nieder; sie konnten sich aber als Geister nicht begatten. Als der Mann einst einen Schwertgriff schnitzte und die Frau am Webstuhl sass, fielen der Schwertgriff und das Weberschiffchen neben einander auf die Erde und paarten sich. Aus ihrer Vereinigung ging ein menschenahnliches Wesen, Këlowér Ga-aï (= schiebend sich vorwarts bewegen) hervor, dem aber Arme und Beine fehlten. Die Paarung und ihr Resultat erschreckten die beiden Geister jedoeh derart, dass sie eiligst in den Himmel zurückflogen. — 56 - Das gliederlose Monstrum bekam zwei Kinder verschiedenen Geschlechtes: Huwar Anè und Uti; deren beide Kinder: Klobè Angè und Klobè konnten sich auch noch kaum bewegen, sie hatten aber ebenfalls zwei Nachkommen: Ngujër Bawè und Lahndè, die beide nur sitzen {ngujër) konnten. Diese jedoeh zeugten richtige Menschen: einen Mann Parën Kèïiter Pulut Luwè und eine Frau Udjung Malen LëTcè. Die Tochter dieser ersten Menschen, Lahei Laiau, hatte so lange Arme und Beine, dass sie den Himmel berühren konnte. Sie bekam zwei Kinder: Amei Awi und Buring Unè, die hauptsachlich die Erde und ihre Erzeugnisse beherrschen und daher als die wichtigsten Götter des Ackerbaus verehrt wérden. Sie besitzen 2X8 Kinder, namlich: Frauen: Manner: Usun Keten Apui Bang Alang Tui Usun Keten Apui Lawan Bang Alang Lawar Ranja Ata Tërè Bang Alang Njè Hanja Ata Tujan Husun Djulu Bjëlè Jok Unè Hang Pidang Lè ferner noch vier Kinder, die als die wichtigsten Móndphasen am Himmel stenen: Kërëbsö — aufgehender Mond; Këlo-ong Pajang = Halbmond; Karnat = Vollmond und Pënjëröm Böm = dunklér Mond. Amei Awi und Buring Unè hessen ihre Kinder, um darüber zu entscheiden, wer von ihnen Hauptling, wer Freier und wer Skiave werden sollte, einen Berg hinauflaufen. Die Starksten, die die Spitze zuerst erreichten, machten sie zu Sklaven, die minder Starken, welche sich halbwegs befanden, machten sie zu Freien und einen Mann mit einem kranken Bein und eine schwangere Frau, die am Fuss des Berges zurückgeblieben waren, machten sie als die Schwachsten zu Hauptlingen. Sammtliche Kinder waren jedoeh mit der Entscheidung ihrer Eltern unzufrieden und gingen daher nach den verschiedensten Orten im Weltall auseinander, wo sie jetzt als Monde und ahnliche Gebilde ein glückliches Dasein geniessen. Die Eltern dagegen, die einsam zurückblieben, nahmen ein weisses Tuch und eine Matte und begaben sich zu dem grossen Baum kajo aja. Amei Awi kratzte von dem Baum eine grosse Menge Rinde ab und holte aus dem Walde .ein langes Stück Rotan. Nachdem er die beiden Enden über dem Boden befestigt hatte, baute er darauf ein Haus und streute mit seiner Gattin die Baumrinde auf den Fussboden, worauf Schweine, Hühner, Hunde und Menschen aus den Rindenteilchen entstanden. Die Menschen blieben jedoeh stumm, obgleich sie ihnen Ohrringe (isang), Ruder (bësè), und andere Dinge gaben. Daher begab sich Amei Awi auf den Fischfang, kochte die Fische und ass einen Teil mit Buring Unè. Als sie darauf auch den Menschen von den Fischen zu éssen gaben, begannen diese zu sprechen. Von diesen echten Menschen stammen die Bahau ab, die krank werden und sterben können, da sie, wie auch ihre Haustiere, eigentlich aus verganglicher Rinde {kul kajö) bestehen. In den verschiedeneu Kapitein von Quer durch Borneo ist in bezug auf die Religion der Bahau und Kënja noch manches oft ausfürlich erwahnt. Neue Gesichtspunkte eröffnet es aber wohl nicht. Nur giebt unterstehende Schöpfungsgeschichte der Kajan" am Mahakam eine einigermassen andere Version zur oberen: — 57 — Zwei alte Leute im Himmel Apu Lagan waren einst damit beschaftigt, sich mit einer kleinen Kupferzange, tsöp, die Augenbrauen auszuziehen. Sowohl die Frau Bua Langnji als der Mann Dalè Lili Langnji wurden aber bei ihrem hohen Alter von der Arbeit so müde, dass sie in Schlaf sanken, wobei ihnen die Zange entglitt und zur Erde niederfiel. Sie lag dort auf einem nackten Felsen am Ufer des Mahakam, als ein Reisen wurm (dukung) aus dem Wasser zum Vorschein kam, an dem ungewöhnlichen Gegenstand sog und dabei seine Exkremente absetzte. Dies sah eine Krabbe (kujo), die sich in der Mhe unter einem Stein verborgen hielt, und, sobald der dukung fortging, scharrte sie mit ihren Beinen den Kot auseinander, wodurch der Fels mit Erde bedeckt wurde. In dieser Erde trieb die tsöp Wurzeln, so dass die Schwester von Bua Langnji, als sie unten nach der Zange suchte, bereits ein Baumchen mit einigen kupfernen Blattern fand. Schnell wuchs das Baumchen in die Höhe; durch eine öffnung, die sich dabei im Stamm bildete und die der Himmelsgeist Uwang bemerkte, wurde es von diesem befruchtet. Als Folge hiervon entwickelten sich unten am Baumchen zwei Sprossen, ein mannlicher, Amei Klowon, und ein weiblicher Inei Klion. Es waren menschliche Wesen, aber ohne Arme und Beine, denn einer der Bewohner des Landes, in welches die Zange gefallen war, hatte den Baum verwundet, indem er mit seinem Schwert unten am Stamm einen Blutegel tötete, den er von seinem Bein gestreift hatte. Auf diese Weise waren die ersterschaffenen Menschen verstommelt worden. Sie waren immerhin noch sexueller Gemeinschaft fahig, und so gab Inei Klion 3 Kindern das Leben: Kiït la BÉLaLANG ka, kiït lui BÉLaLANG ubui und Kiït lang bellang uwang. Von diesen Dreien stammen die Bahau ab. Der kupferne Baum, Poön kawat, wuchs jedoeh weiter und lieferte noch viele Sprossen, aus denen von unten nach oben zuerst die bösen, dann die guten Geister hervorgingen, danach die Hauptgeister wie Djaja Hipui u. s. w., schliesslich, am Gipfel, Amei Tingei, der das Dasein der Bahau beherrscht. KAPITEL V. Die Form der animistischen Religion. FragesteUung; Denkweise des HamiUon'sehen Prinzips; erste Stufe des Seelenbegriffs; Entwicklung zum Begriff von zwei und mehr Seelen; Anthropomorphismus; leblose Gegenstande, Naturerscheinungen; Stoff und Kr aft in den Naturwissenschaften; nahere Betrachtung des Hamilton'sehen Prinzips; literarische Beweise; Anforderungen der Logik. In den vorhergehenden Kapitein habe ich versucht, eine eingehende Erörterung über die Existenzbedingungen und den Charakter der Dajakstamme in Mittel-Borneo zu geben, da ich jenen, wie auf S. 9 erwahnt, einen grossen Einfluss auf ihr physisches und psychisches Verhalten zuschreibe und die hier kennzeichnenden Zustande als typisch für die Existenzbedingungen primitiv entwickelter Völker betrachte. Für denjenigen Teil ihrer Kultur, der wie ihre ReUgion alle Ausserungen ihres Lebens durchdringt und oft beherrscht, müssen diese Umstande von grösser Wichtigkeit sein, wie sich im Folgenden zeigen wird. Betrachten wir jetzt die noch unsicheren Punkte in der Entstehung der animistischen Grundbegriffe von religionswissenschaftlichem Standpunkt naher, so zeigt es sich, dass die auf S. 6 von Durkheim formulierten Fragen etwas anders gruppiert werden müssen. Wie I. A. f. E. Bd. XXIV., Suppl. 8 — 58 — im ersten Kapitel erklart wurde, sind an den Erscheinungen naiver ReUgion, aus welchen auch die animistischen entstehen, zwei Gruppen zu unterscheiden, die am besten als naturphilosophische einerseits und als religiöse im engeren Sinn andererseits zu betrachten sind. Die Entstehungsursachen von diesen beiden sind denn auch gesondert zu betrachten und werden nach einander Gegenstand unserer Behandlung sein. Von diesem 'Gesichtspunkt aus erhalten die oben auf S. 6 von Durkheim aufgesteUten Fragen über die Entstehung des Animismus folgende Form: 1°. Da in dieser Hypothese (Tylor's) der Begriff Seele der Grundbegriff der animistischen Naturphilosophie ist, muss dargetan werden, wie er sich hat bilden können, ohne einem früheren Gottesdienst irgend einen seiner Bestandteile zu entleihen. 2°. Wie wurden die natürliche Umgebung und die Naturerscheinungen in diesen Begriff einbezogen? 3°. Wie wurden diese Seelen Gegenstande der Anbetung? 4°. Da in keiner Religion die Verehrung der Geister das Einzige ist, bleibt noch nachzuweisen, wie die Verehrung der Natur von der der Geister abzuleiten ist. Meiner Ansicht nach harrt 5°. die Eigenart der primitiven Menschen, ihrem Animismus den anthropomorphen Charakter aufzudrücken, noch-der Erklarung. Die ersten zwei Fragen beziehen sich auf den Werdegang der animistischen Naturphilosophie also der Form, die dritte und vierte auf die Entstehung des religiösen Bestandteils, also des Inhalts des Animismus. Die fünfte angegebene Frage gehort zur Form des Animismus, also zur Behandlung der ersten zwei. In diesem Kapitel werde. ich mich mit der Beantwortung der Fragen 1, 2 und 5, im nachsten mit der der Fragen 3 und 4 beschaftigen. Um eine Erklarung für die Entstehung des Seelenbegriffs zu flnden, ist Tylor und sind nach ihm viele Andere von den Vorstellungen, die sich bei den primitiven Völkern mit der ZusammensteUung des Menschen selbst verbinden, ausgegangen. In der Tat nehmen die primitiven Voraussetzungen über die lèbende und leblose Natur bei ihnen immer einen anthropomorphen Charakter an. Gelingt es, im Gegensatz zu dem Körperbegriff, die Entstehung des fundamenteüen Seelenbegriffes zu erlautern, so müssen die weiteren Schritte leicht zurückzulegen sein. Auch ich werde anfangen, die Entstehungsursache des Seelenbegriffs in Verbindung mit dem des Körpers in der Organisation des Menschen klar zu legen. Dazu werde ich von den bei den Bahau- und Kënjastammen von Borneo und den Toradja von Celebes vorherrschenden religiösen Auffassungen Gebrauch machen. Die ausführlichen Erörterungen in den Kapitein III und IV gestatten mir, ohne grosse Unterbrechungen meiner Abhandlung gelegentlich darauf zu verweisen. In meiner Arbeit über „das logische Denken A" im Band XXIII dieses Archivs habe ich zur Genüge bewiesen, weshalb im Ost-Indischen Archipel nur diese Stammgruppen zum Studium der ursprünglichen Gedankenkreise unter den dortigen Malaien Verwendung finden können, weil sie zu den wenigen malaiischen Stammen, die ihre Ursprünglichkeit dem Hinduismus und Islam gegenüber behauptet haben, gehören. f&t*^'; Ich glaube, dass es mir gelingen wird, zur Aufstellung meiner Erklarung nur von — 59 - voraussetzungslosen Daten Gebrauch zu machen und kann dazu im Folgenden u. a. auf früher für andere Untersuchungen Bewiesenes zurückgreifen. H-Als ich in meiner eben erwahnten Arbeit nachzuweisen versuchte, in wiefern die Grundlagen des mathematischen- und des naturwissenschaftlichen Denkens sich unter den malaiischen Völkern des Ost-Indischen Archipels finden, konnte ich mit Hilfe der Erkenntnistheorie feststellen, dass auch die primitivstèn Malaien nach demselben Prinzip, das als Basis unseres kausalen Denkens und unserer Naturwissenschaften dient, d. h. nach dem Hamilton'schen Prinzip, handeln. Dieses Prinzip sagt aus: „ein Etwas kann nicht aus einem Nichts entstehen und nicht in ein Nichts vergehen". Seitdem habe ich auf literarischem Gebiet eine Befestigung der Gültigkeit dieses Prinzips für primitive Völker im Allgemeinen gefunden; auf Grund des Fehlens eines einfachen, nicht zusammengesetzten Wortes für den Begriff „Nichts" wahrscheinhch in allen Sprachen (s. weiter unten S. 66) können wir schliessen, dass dieser allerdings abstrakte Begriff erst spat in den Sprachen der Menschen zum Ausdruck gekommen ist, also auch spat erst entstanden sein muss. Vorher kannten also die Menschen den Begriff „Nichts" nicht. Wir gehen denn auch wohl nicht fehl, wenn wir für die Deutung des animistischen Denkens speziell der Bahau- und Kënja-Dajak in seinem frühesten Stadium von dieser Grundeigenschaft ihres Denkens Gebrauch machen. Wir werden uns dabei eingedenk bleiben, dass eine solche Ursache für die Entstehung naiver ReUgion bis in unsere Zusammenlébung hinauf nachzuweisen sein muss, dann aber auch hierin eine wichtige Stütze für- ihre Richtigkeit findet (s. S. 8). Wie Tylor bereits hervorgehoben hat, muss der Gegensatz zwischen einem lebenden und einem toten Menschen oder Tiere, auch wohl zwischen einer lebenden- und einer toten Pflanze, schon sehr früh einen gewaltigen Eindruck auf den Menschen geübt haben. Sehen wir doch auch, dass viele Tiere lebende und tote Wesen von einander zu unterscheiden vermögen, was aus ihrem Betragen diesen gegenüber ersichtlich ist. Auch damals bereits galt das Sterben wohl als eines der schmerzlichsten Ereigmsse im menschlichen Leben, an erster Stelle in bezug auf Verwandte für die. Hinterbliebenen. Beim Sterben beobachtet der primitive Mensch das mehr oder weniger plötzliche Verschwinden der Lebenseigenschafben und das Zurückbleiben des stofnichen Körpers. In Übereinstimmung mit seinem Gedankenkreise muss der damalige Denker beim Grübeln über die \ Vorgange beim Ableben zum Schluss gekommen sein, dass die verschwun- \ denen Lebenseigenschaften, von ihm auch materialistisch aufgefasst, \ wohl den Körper verlassen hatten, aber nicht in ein Nichts verwandelt 1 sein könnten. Als logische Folge hiervon muss er die Überzeugung gewonnen haben, dass die Lebenseigenschaften irgend wo anders fortbestehen, wahrend der Körper zurückbleibt. Hiermit ist der Seelenbegriff im Gegensatz zum Körperbegriff gegeben. Das Sterben des Menschen muss also wohl am starksten zur Erjrtfstehung des Seelenbegriffs beigetragen haben.Q Die herangezogenen Daten liegen überaU vor, wodurch das aUgemeine Vorkommen des Seelenbegriffs eine einfache Erklarung findet. Der Umstand, dass diese Lebenseigenschaften in bezug auf ihre Ursachen damals vollkommen unverstanden waren, wie jetzt noch bei den Bahau- und Kënjadajak, hat ihre Auffassüng als ein Ganzes ermöglicht. Wir sprechen im tagUchen Umgang ja auch noch vom „Leben" des Menschen im Gegensatz zu seinem Körper. Dieser erste, ohne unbewiesené Voraussetzungen unternommene Schritt — 60 zur Erklarung der animistischen Naturphilosophie tragt bei den Bahau und Toradja gïücklicherweise keinen hypothetischen Charakter. Im Gegenteil, in dieser Form begegnen wir ihr bei den Bahau-Dajak, die sich ihre echten Tiere (tular lan, alle Tiere ausser ihren Haustieren, vergl. S. 32) als stoffliche Körper mit nur einer Seele (bruwa), die alle Lebensausserungen umfasst, vorstellen. Dasselbe gilt in bezug auf die Pflanzen, die ebenfalls eine bruwa besitzen und leblose Gegenstande, denen ein to eigen ist, und denen sie neben den sichtbaren Eigenschaften noch eine Menge anderé, anthropomorphischen Charakters andichten. Vergegenwartigt man sich, wie materialistisch sich diese Stamme, wie die Primitiven im Allgemeinen, die Naturerscheinungen als Ausserungen unsichtbarer üngeheuer zurechtlegen, so gehören auch diese Vorstellungen in den Rahmen des oben erkiarten ersten Stadiums der animistischen Naturphilosophie. In ihrem vorzüglichen, auf Grund einer zwanzigjahrigen Beobachtüngszeit abgefassten Werke über die Toradja von Mittel-Celebes, erwahnen die Herren Adriani und Kruyt ausdrücklich, dass diese Stamme sich wahrend ihres Lebens nur eine Seele, tanoana, zuschreiben. Die tanoana vergegenwartigt für sie alle Lebensausserungen des betreffenden Menschen im Gegensatz zu seinem Körper. Der Glaube an eine Existenz nach dem Tode muss also zu den ersten der Menschheit gehört haben. Die archaologischen Funde in sehr alten und primitiven Grabern bilden ebenso viele Beweise dafür. Bei unseren Bahau-Dajak erfuhr jener Begriff einer einfachen Seele eine weitere Entwicklung offenbar durch die Beobachtung des schlafenden und wachen Menschen. So wurde der Begriff Seele in zwei Teile mit verschiedenen Eigenschaften gespalten; es entstanden für den Menschen und dessen Haustiere (wahrseheinlich durch deren alleinigen Gebrauch als Opfertiere unterstützt) die zwei Seelen, bruwa und ton luwa (s. S. 36). Sie vergegenwartigen ziemlich genau, was wir unter psychisches und vegetatives Leben verstehen und im allgemeinen durch den Unterschied eines Menschen im wachen und schlafenden Zustand vorgestellt werden kann. So muss auch die Auffassung einer Seele, die zeitlich den Körper verlassen kann, entstanden sein. Der schlafende Mensch entbehrt, oberflachlich beurteilt, zeitlich seine geistigen Eigenschaften; scheinbar haben diese dann den Körper verlassen, um beim Erwachen in denselben zurückzukehren. Die relative Bewegungsfreiheit der geistigen Seele ist somit ein Gedankenschluss, der aus den natürlichen Verhaltnissen des schlafenden Menschen hervorgegangen ist. Die zweite Seele, das vegetative Prinzip unseres Lebens, wird als untrennbar mit dem lebenden Körper verbunden, gedacht. Auch dies ist ein logischer Schluss, da der Mensch seine Beweglichkeit, seine Atemholung u. s. w. auch wahrend des Schlafes nicht verliert. Ihr Entweichen aus dem Körper beim Tode gehört also zu derselben natürlichen Vorstellung. Nach der ausführlichen Behandlung in Kapitel Hl kann der Beschreibung dieser Seelen zur Vervollstandigung schwerlich noch etwas hinzugefügt werden; ausserdem kommen wir dann auf ein bereits sehr haufig behandeltes Gebiet der animistischen Theorie. Es verdient noch Erwahnung, dass dieses Stadium des animistischen Seelenglaubens im malaiischen Archipel eine weite Verbreitung findet. Es kommt in der ganzen Welt überhaupt so vielfach vor, dass Tylor sich veranlasst fühlte, es als Basis seiner Theorie zu verwenden. Einzelne Völker, wie die Batak auf der Insel Sumatra und der Insel Nias und die Sunda- — 61 — nesen auf der Insel Java, haben diese Spaltung noch weiter durchgeführt., Diese unterscheiden namlich bereits drei Seelen, die zusammen, im Gegensatz zum Körper, das Leben eines Indlviduums vergegenwartigen. Unter den Batak findet man auch Philosophien, die beim Menschen sieben Seelen unterscheiden. P. W. Schmidt hat daher wohl Unrecht, wenn er behauptet, es gebe im indonesischen Animismus keine Entwicklungsreihe und kein Stadium, das sich nur noch in Spuren nachweisen liesse („Grundlinien einer Vergleichung der Religionen und Mythologien der Austronesischen Völker" in Denkschr. d. kaiserl. Akad. der Wissenschaften, Philos.-histor. Klasse. Bd. LUI pag. 523). Können wir uns also erklaren, wie die Vorstellung von Körper und Seele der lebenden Wesen, die Grundform der animistischen Naturbetrachtung, entstand, so suchen wir weiter zu ergründen, wie der primitiv entwickelte Mensch dazu kam, nicht nur Tiere, sondern auch leblose Gegenstande und die Natu'rerscheinungen ahnlich aufzufassen, diese sogar mit mensenbenen Eigenschaften auszurüsten. Auf Grund dieses ebenfalls allgemein vorkommenden Zuges der primitiven Naturphilosophie haben mehrere' Autoren geglaubt, dem Naturmenschen einen Instinkt zuerteilen, zu können, der ihn zur anthropomorphischen Betrachtung seiner natürlichen Umgebung zwinge (s. S. TJ.lRichtiger ist es wohl, für eine Erklarung von bekannten Eigenschaften des Menschen Gebrauch zu machen und sich dazu zu vergegenwartigen, unter welchen Verhaltnissen sich die Überzeugungen der Naturmenschen bilden. Der uns hier am meisten interessierende Umstand ist die Eigenart ihrer Kenntniss der Natur, namlich ihr Mangel an Einsicht in die Organisation der lebenden Wesen, Menschen, Tiere und Pflanzen und ihre vollkommene Unkenntnis der wahren Art der Naturerscheinungen. Auch in bezug auf die heutigén Bahau- und Kënjastamme trifft dies noch ganzlich zu. Zwar besitzen sie mehr auf sich selbst stehende Beobachtungsdaten aus ihrer Umgebung als mancher Europaer, der noch so lange unter ihnen lebte, aber wie diese Tatsachen alle zusammenhangen oder aus einander folgen, das unsichtbare Geschenen oder die Existenz von Naturgesetzen, das alles ist für sie ein Buch mit sieben Siegeln. In ihren Augen geschieht dies alles willkührlich und ohne Zusammenhang. Es ist ausserdem bekannt genug, wie lange es auch bei höher zivilisierten Völkern dauert, bis sich bei ihnen ein Streben nach Zusammenfassung des Bekannten und nach Abstraktion kennbar macht. Die freie Entfaltung der Phantasie bei der Ausbildung ihrer Naturbetrachtung wird aber dadurch bei primitiven Völkern nicht in Schach gehalten und sie sind ausser Stande, an ihren Auffassungen Kritik auszuüben. t)Ais Beispiel eines lebenden Wesens kennen sie nur sich selbst mit ihren Leidenschaften, Gelüsten, Abneigungen, Angsten u. s. w., sowie die Mittel, durch welche diese bei den Menschen und ihren Haustieren erregt werden und durch welche man also im Stande ist, Einfluss auf sie auszuüben. Ihre eigene Persönlichkeit und Gefühlsleben sind somit das einzige ursachlich zusammenhangende Beobachtungsmaterial das ihnen zur Ausbildung ihrer Naturbetrachtung zur Verfügung steht; mit diesem Beobachtungsmaterial stellen sie sich ein Naturbild zusammen, wie auch wir es uns nach unserer Naturbetrachtung aufbauen. Wie sehr es dem Naturmenschen in seiner Kritiklosigkeit genügt, zeigen uns die animistischen Naturphilosophien der ganzen Welt und der Geschichte. Dass er den Pflanzen und hauptsachlich den leblosen Gegehstünden ein psychisches Leben zudichtet, das mit dem Tatsachlichen nicht übereinstimmt, bedrückt ihn nicht, da er dieses nicht kennt. Bei der Behandlung der Frage nach den Anlass der Naturverehrung werden wir auch die Lage dieser Naturmen- — 69 - Mit Hilfe dieses sogenannten Hamilton'schen Prinzips sollte man also im Stande sein, aus Pramissen, die den einfachsten Lebensverhaltnissen angemessen sind, die Grundbegriffe der animistischen Naturlehre als streng logische Schlüsse zu ziehen. Folgender Weise wird man diesen Anforderungen gerecht: 1°. Der Begriff „Seele". Wie oben angegeben, muss der Begriff Seele beim ergreifenden Ereignis des Todes entstanden sein. Die denkenden Köpfe haben sich .dabei zu folgendem Syllogismus gezwungen gesehen: Das Leben verlasst den Körper beim Tode, dieses Leben kann nicht ganz verschwinden (in unserer Sprache „nicht zu Nichts werden"), also besteht das Leben nach dem Tode selbstandig fort. Die erste Pramisse vergegenwartigt einfach die Beobachtung, die zweite ist durch die menschliche Denkart gegeben, der logische Schluss ist also wohl den einfachsten Lebensverhaltnissen angemessen. 2°. Die Organisation lebender Wesen (des Menschen z. B.) aus Körper und Seele (Leben). Sobald der primitive Denker anflng, über sich selbst zu grübeln, wird er zu folgendem logischem Schluss gezwungen worden sein: Der Mensch geht beim Sterben in den Körper und ein selbstandig bestehendes Leben (Seele) über, vor dem Tode besitzt der Mensch beide, deshalb muss der lebende Mensch aus einem Körper und einem mehr oder weniger selbstandigen Lebensprinzip (Seele) bestehen. Die erste Pramisse enthalt einfach das Ergebnis. der Beobachtung eines sterbenden Menschen, die zweite Pramisse ist nur das Ergebnis des vorigen Syllogismus, der logische Schluss also auch hier den einfachsten Verhaltnissen angemessen. 3°. Die Organisation lebloser Gegenstande: Es ist für uns bègreiflieli, dass der primitive Mensch durch das Absterben seiner Nachsten zum Nachdenken über das, was dabei vor sich geht, eher angerégt wird, als zum Grübeln über sich selbst in ungestörtem Wohlbefinden. So wird auch die Andacht des Primitiven wohl weniger durch das Fortbestehen als durch den Untergang eines Gegenstandes, eines für ihn wertvohen z. B., zum Nachdenken gebracht worden sein. Dann hat sich aber folgender einfacher Syllogismus ausgebildet: der Gegenstand besteht aus einem greifbaren Körper und wahre (und vermeintliche) Eigenschaften, bei der Vernichtung des Gegenstandes können diese Eigenschaften nicht ganz verschwinden (in unserer Sprache in „Nichts" übergehen), bestehen also selbstandig nach dem Untergang des Gegenstandes fort. Hieraus ergiebt sich dann die Auffassung dieser Eigenschaften als ein mehr oder weniger selbstandiges Ganze neben dem Stofflichen wahrend der Existenz eines Gegenstandes. 4". Die Auffassung der Naturerscheinungen. Um uns den Werdegang derselben zu vergegenwartigen, haben wir zu bedenken, dass die Naturerscheinungen selbst unter den jetzigen Primitiven noch als Ausserungen lebender Wesen angesehen werden. Auf sie bezieht sich also der unter 2". angegebene Syllogismus. 5°. Die Organisation des Menschen mit zwei Seelen. Hierbei handelt es sich im Allgemeinen um die Unterscheidung der Seele in geistige und körperliche Eigenschaften. Wie oben schon erwahnt, muss diese Unterscheidung sich dem denkenden Menschen durch den Schlaf aufgedrungen haben. Aus der einfachen Beo- — 70 - bachtung desselben folgt logisch dieser einfache SyUogismus: lm Gegensatz zu den körperlichen Eigenschaften sind die geistigen Eigenschaften des Menschen wahrend des Sehlafes aus dem Körper entfernt, diese geistigen Eigenschaften sind dann nicht vernichtet, also führen sie dann ein selbstandiges Dasein. Wahrend des Lebens führen die geistigen Eigenschaften also auch ein einigermassen von den körperlichen geschiedenes Dasein. 6°. Die Beweglichkeit der Seelen ausserhalb des Körpers. Auch hier wird der Schlaf zu dieser Auffassung des Menschen angeregt haben. Es ist wohl das scheinbare Verschwinden der geistigen Eigenschaften, das folgenden Syllogismus veranlasst hat: Die geistigen Eigenschaften verlassen den Körper wahrend des Sehlafes zeitlich, sie kehren beim Aufwachen zurück, also können sie sich frei vom Körper bewegen. Auch dieses so allgemein unter den Primitiven vorkommende Prinzip; des Animismus folgt also logisch aus der Beobachtung des Sehlafes und der Denkart des Menschen nach Hamilton. Hierdurch ist also er wiesen, dass sich die Grundlagen der animistischen Naturbetrachtungen zwanglos aus den Beobachtungen des primitiven Menschen und seinem Denken nach Hamilton's Prinzip ableiten lassen. # KAPITEL VI. Das Wesen der animistischen naiven Religion. FragesteUung; Entstehung der Damonenveréhrung; der Wahrheitsbegriff der animistischen Religion; die Existenzbedingungen der primitiven Stamme; Eindruck derselben auf die Primitiven, erlauteri an deren Legenden und pèmali, an ihrer SteUung den Tieren, Pflanzen und Gegenstanden gegenüber, an Fetischismus, Vorzeichen, Macht des Damonenglaubens; Rettungsversuche dagegen; verschiedene Art der Opfer; die SteUung des Kulturmenschen zur Wirklichkeit; Naturdienst und AhnenkuU. Im vorigen Kapitel habe ich getrachtet, eine dem Wissen und den fundamentellen Gedankenformen der Naturvölker èntsprechende Basis für die animistische Naturphilosophie auszubauen. Ich glaube, dass es mir gelungen ist, eine begreifliche Entstehungsart der Vorstellung von Seelen und damonischen und göttlichen Wesen in dem Rahmen ihrer allgemeinen Weltahschauung zu liefern. Religiöse Bedeutung haben diese aber nur im Kult und durch den Kult und ein Kult findet nur da statt, wo diese Wesen von sich aus eine Offenbarung und Kundgebung von sich gegeben haben, die die Verbindung mit ihnen im Kult eröffhet. Wenn wir den Animismus als eine primitive Ausserung naiver Religion behandeln, so liegt uns also der Nachweis. ob, wie diese Damonen und Götter zu Wesen der Verehrung und des Kults geworden sind (s. auch Durkheim oben S. 6). Ferner ist es für den Wesenbegriff der Religion überhaupt sehr wichtig, an dieser primitiven, naiven Religion zu bestimmen, in wie weit dieser Kult als eine rationelle Folge der vorherrschenden natürlichen Zustande betrachtet werden kann. Dieser Wahrheits-oder Wesenbegriff der Religion bildet dann die erste Stufe einer geschichtsphilosophischen Untersuchung, welche nicht beim gemeinsamen all- — 74 - Gebiet beschrankt sind, sondern mehr oder weniger ausgebildet bei fast allen niedrig entwickelten Völkern vorkommen. Für unsere Untersuchung liefert dies alles den Beweis, dass der jetzt auf Erden lebende, noch wenig entwickelte Mensch nicht nur in sehr schwieriger Lebenslage sein Dasein fristet, sondern auch schwer unter dem Eindruck dieser Verhaltnisse gebückt geht. Zur Erlauterung des tiefen Ernstes, der bei den Bahau- und Kenjastammen den religiösen Angelegenheiten, also ihrem Verhaltniss zur Natur, zu Grande liegt, sei es mir gestattet, zwei Erlebnisse mitzuteilen, die Dr. Furness in seinem Buche „The Home-Life of Borneo Head-Hunters" veröffentlichte. Wahrend seines Aufenthaltes unter diesen Stammen im Baram-District von Serawak hatte er Gelegenheit, einer „peace-making" zwischen benachbarten Stammen unter der Leitung des englischen Residenten Dr. Hose beizuwohnen. Diese Friedensstiftung schildert er ausführlich: ich entlehne derselben Folgendes von Seite 131 u.ff.: „At this stage, it was the host's clear duty to bring out his arrack; his guests might at once have pledged each other and friendship might have been cemented; but Tama Aping Buling was in his sleepingroom, probably buried beneath a pile of mats. Speeches were made by. Jamma, Aban Liah and Juman (Hauptlinge der Bahau und Kenja-Dajak), but they lackèd earnestness and cordiality, and, at their conclusion, the pigs whose livers were to foretell the issue of this Peace-making and the futurity of the parti- a cipants, were dragged into the centre of the assembly. As each one was brought in, it was ha'rangued by the dayongs and adjured to teil the truth and to intercede with the spirits to drive out all animosity from the people of the two rivers. The largest pig was reserved as the "Government's pig", and had been selected on account of its size and beauty, but it did not turn out to be exactly what the Gouvernment would have chosen as its fittest representative. It was an albino, with lack-lustre, whitish eyes and a pale, mottled snoute; it lay so still that I half expected it was about to cheat the sacrifice by dying a natural death. Of course, it feil to Dr. Hose's lot to exhort this pig ante mortem to proclaim truthfully post mortem by infailible omens of its liver,. whether or not the Government's course was right; but he gave the natives clearly to understand that, whatever the omens might be, they oould not in the least influence him in the management of Government affairs; and that he followed the custom merely to please them. Thereupon, he proddëd the pale-eyed and anaemic pig with his foot, to arouse its earnest attention, but no responsive grunt nor indignant squeal came from this cadaverous representative of the Government; it lay imperturbably still and blinked. As soon as his words ceased, the pig was dragged to one side, its throat cut, and its liver at once dexterously extracted. When this organ, which proved to be unusually large, was passed round among the chiefs and among those, who were skilied in the interpretation of auguries, it was pronounced with one accord to be in its every aspect most favourable; but in an unlucky moment, just as it was about to be taken away, some one inquisitively, lifted one of the lobes tö examine the undersurface, and instantly a convulsive horror and shuddering recoil run through the whole assemblage, — a large, foul abscess was disclosed! Dr. Hose, in solemn tones, again repeated the true interpretation of the blood-curdling portent: — a faithless, scheming Chief, who was secretly hostile to the Radjah and to his people, would very shortly die-a miserable, inevitable death! Again the liver was passed round the awe-stricken circle; in vain they summoned their best inge- - 75 — nuity in suggesting a less dreadful interpretation, but it was too clear, that Dr. Hose's words bore every impress of truth. Old Aban Liah, of whose hostility to the Government there had been such recent, proofs, sat a little outside the circle, and when the liver with its death-warrant was passed over to him, he waved it aside, and in tones that reminded vividly of Shylock, and almost in Shylock's very words, said, tremulously: „Let me go away; I am. not well". And he added apogetically: „the smell of that beastly, warm, raw flesh has made me UI. I must go". And he got up, with dazzled looks, and went with uncertain steps to his room. An hour or two later in the evening some of his freinds came and begged me to go and see him. To my surprise, I found him in a high fever and semi-delirious. I directed them to wrap him up warmly, to produce a sweat, and advised them to remove him to his own home as soon as possible. I supposed that he would be allright in the morning, when the effects of the feasting at his house the day before had passed off. I never dreamed that his illness would have a fatal termination Four day afterwards, when we left the Dapoi river and again turned into the Tinjarriver,. we stopped at the scène of thé Great Peace-making and there we learned the end of Abam Liah's tragic story. The fate foretold so clearly by the liver of the Government's albino pig had been fulfllled. The conscience-stricken soul of the faithless Aban Liah had, indeed, departed to the Fields of the Dead. From the moment that he saw that ulcerous üver, and realized its plain indication to himself he sickened, becamed delirious, and within forty-eight hours was dead!" Auf Seite .179 desselben Werkes wird ein etwas anderes Beispiel erzahlt, das ebenfalls sich auf den starken Eindruck ihres Glaubens auf die Eingeborenen bezieht: „After I had flnished photographing the Orang Kaya in' my own quarters, I left him busy talking to some of his freinds, and with my camera, strolled casually towards his house. After having taken a picture of the demon frighteners' erected near his dwelling, my attention was attracted to a collection, on his veranda, of uncouth, worm-eaten, water-worn, wooden idols, openly displayed on a shelf and draped with extremely dirty bits of coloured cloth. I had just finished photographing them, when the Orang Kaya himself suddenly hobbled up the notched log, and was at my elbow. He was exceedingly angry, I am sorry to say, at my' boldness in taking a picture of them during his absence, and I did my very best to soothe him, and apologized humbly for my intrusion b,y urging my ignorance. I succeeded at last in appeasing him, and had just calmed him into a fairly peaceable frame of mind, when, unwittingly and most unluckily, I undid all that I had done, by innocently offering to buy one of the worm-eaten flgures. Never shall I forget the violent, vehement, towering rage into which he feil, nor the flood of Malay which my proposal called forth. 'How dare Tuan ask such a thing?' he almost shrieked, his wrinkled and cross-wrinkled features working with rage. 'Shall I sell for money my gods of good fortune'. Those are gods, gods, I teil you! they are not wood! they are my honoured guests, my dearest freinds! from the broad sea they came to me! and they will bring me blessings, if their livers are not enraged by having a picture made of them. Never would I have suffered it had I been here; the people in the house should have stopped it. 'Surely, surely more misfortunes will now fall on me 1' He then stamped into his room and slammed the door. The evil my camera had done must be thwarted. Accordingly, from that sunset till dawn, and even into broad daylight, every gong, big and little, in the Orang Kaja's house was kept hot with beating. All - 77 — müssen wir uns in die psychische Verfassung des primitiven Menschen zu versetzen trachten. Wie wir oben auf S. 61 sahen, muss es dem ursprünglichen, primitiv entwickelten Menschen nur möglich gewesen sein, von sich selbst und seiner Umgebung in den Grundzügen übereinstimmende Vorstellungen zu entwerfen; ausserdem fehlt es ihm an Einsicht in den Verband der natürhchen Erscheinungen unter einander, in Naturprozesse oder in Naturgesetze, wenn es ihm auch nicht an Kenntnis dieser Erscheinungen selbst gebricht. Jene halt nicht davon ab, sich mit dem ihm zur Verfügung stehenden Gedankenmaterial, d. h. seinen eigenen Gefühlen und Gelüsten, ein anthropomorphisches Bild von den Eigenschaften der Geister und Götter zu entwerfen und zu versuchen, auf dieselbe Weise Hilfe und Schutz von ihnen zu erhalten, wie er es seinen Mitmenschen gegenüber versuchen würde. Wie ér sich selbst kennt mit seinem persönlichen Geistesleben, hervorgerufen durch die verschiedensten Vorkommnisse in seiner eigensten Umgebung, so glaubt der Naturmensch bis hinauf zu einem relativ hohen Kulturstandpunkt mit den namlichen Mitteln, die er selbst hoch schatzt, jenen Einfluss zum eigenen Heil ausüben zu können. Diese Umstande gelten ganz allgemein und ebenso allgemein sind die Mittel in ihren Grundzügen überall dieselben. Bekanntlich bringt der Naturmensch zu diesem Zweck die verschiedenartigsten Mittel in Anwendung; nicht nur versucht er es mit Bitten und willkommenen Geschenken als Opfer (bei diesen Bahau auch mit Erzahlungen), sondern auch mit Abwehrmitteln wie Drohungen, hauptsachlich wohl den niedrigeren Geistern gegenüber (s. S. 35), wohl auch mit unangenehmen Riechmitteln, mit Schreckfiguren, mit Betrügereien u. s. w. Bei der Behandlung der Vorzeichen und des pëmali auf S. 40 u. f. haben wir gesehen, dass der Ernst dieser Versuche, sich mit den höheren Machten in Einvernehmen zu versetzen, den Menschen wieder zum Schlachtopfer seines eigenen Strebens macht; das Joch, das er sich dadurch auferlegt, wird erst sehr allmahlich durch eingehendere Vermehrung der Naturkenntnis und Einsicht in die Mittel und Wege, welche gegen diese Natur anwendbar sind, abgeschüttelt. Beim Zeremoniell, das man beim Gottesdienst der Bahaustamme antrifft, lassen sich alle Stufen der Entwicklung unterscheiden: vom Kult des Einzelnen bei einfachen Vorzeichen, wobei ein Jeder eine einfache Gabe niederlegt, seine Beschaftigungen kurz unterbricht und mit einem einfachen Spruch dem Götterboten dankt, bis zu den tagelangen Feiern unter Vorgang von Priesterinnen und Priestern, die mit grossem Aufwaiid an Opfern, Kleidung u. s. w., stattfinden urid sich auf den ganzen Stamm und seine Ackerbaufestë beziehen. Diese Ausbildung des Zeremoniells ist von mehreren Faktoren abhangig: erstens von dem Ernst des Anlasses, zweitens von dem Umstand, ob es sich um ein Kind, einen Erwachsenén, eine ganze Familie oder den ganzen Stamm handelt; schliesslich sind auch der Stand und der Reichtum der Betreffenden hei der Ausführlichkeit der Zeremonien von Bedeutung. Dass auch aesthetische Momente hier sehr vielseitig in Betracht gezogen werden, bedarf keiner weiteren Erlauterung. In bezug auf die Opfer mag daran erinnert werden, dass sie auf diesem Entwicklungsstandpunkt des religiösen Kults und der Verehrung von verschiedenartiger Geistesverfassung der Opfernden zeugen. An erster Stelle wird der Bittende bei der Anbietung der angenehmen Dinge von dem Wunsch getrieben, die Geister und Götter günstig für sich zu stimmen; dies gilt z. B. in den Fallen, wo die beseelenden und anderen guten Geister zur Hilfe aufgerufen werden, oder wenn Gebrauchsgegenstande, Ackerbauprodukte, den Bodengeistern wahrend des Acker- oder Hauserbaus geopfert werden; Dankopfer werden — 79 — wichtigen Einfluss auf kommende Geschlechter aus. Auf diese Begebenheiten bezieht sich der auf Seite 4 aus Troeltsch's Abhandlung angeführte Passus: „Des weiteren ist die naive ReUgion in aU den grossen, spezifisch religiösen Persönlichkeiten zu finden, die meistens den wissenschaftUch nicht belasteten VoUcsschichten entstammen und deren ganzes Leben und Wifken nichts als die vöUige Hingabe an die sie durchaus beherrschende zweifeUose und beweislose religiöse Idee ist. Hier kommen die Stifter, Reformatoren, die Propheten und Seher, die Prediger und Missionaren in Betracht " Auf Grund dieser so überherrschenden weltgeschichtüchen Ereignisse steUt genannter Autor denn auch an die Erklarungsversuche für die Anfange der naiven ReUgion die Anforderung, zu beweisen, 'dass diese Ursachen in dem Verhaltnis des Weltgrundes oder absoluten Bewusstseins zu seinen Teilinhalten oder den endlichen Geistern, „die Möglichkeit bestandig neuer Anfange oder Wirklichkeiten behaupten". Dieses Auftreten von Personen, die, von naiver ReUgion beseelt, zu solchen folgenschweren Leistungen im Stande sind, müssen in der Tat immer wieder als eine Neuerscheinung dieses selben Phenomens betrachtet werden; zwar zeigen sie sich im Rahmen ihrer Zeit und deshalb mehr oder weniger in der Entwicklungsreihe kultureUer Formen, aber auf Grund des naiv religiösen Lnhalts ihres Auftretens sind sie ursprüngliehe Erscheinungen derselben religiösen Gedankenwelt. Es ist in dieser Hinsicht bezeichnend, dass sie meistens den nicht wissenschaftUch entwickelten Kreisen entstammen. Auch von der Seite der Religionsgeschichte wird also die Forderung gesteUt, dass die die naive Religion beherrschenden Ursachen im Laufe der Weltgeschichte wirksam bleiben, wenn vieUeicht auch dem Zeitwechsel entsprechend in etwas anderer Form. Bevor wir uns also bei unserer Auffassung über das Wesen des Animismus als naive Religion niederlegen können, werden wir nachzuweisen haben, dass' die bei den Bahau und Kenja vorgefundenen Existenzbedingungen im grossen Ganzen für das Individuum auch in spateren Zëiten vorgeherrscht haben und vorherrschend bleiben. Wie aus unserer Auseinandersetzung der Entstehungsursachen des Kults in animistischer Umgebung hervorgegangen ist, bilden sie die Folgen der natürüchen Verhaltnisse, die zwischen dem hüflosen Naturmenschen und seiner ihm sehr überlegenen Umwelt bestehen. In Kapitel II -wurden diese Verhaltnisse bei den Dajak von Borneo ausführlich erörtert. Dass auch andere Naturvölker unter ahnlichen Umstanden ihr Dasein fristen, ist übrigens bekannt genug. Wir waren also in unserem Forschungsgebiet im Stande, bereits aus den uns bekannten natürlichen Zustanden des Milieus die Schlussfolgerungen in bezug auf unsere Fragen zu ziehen. Nichtdestoweniger müssen wir eingedenk bleiben, dass dasjenige, was wir mit unseren Sinnen und Gedanken beobachten können, doch nur Ausserungen derjenigen objektiven WirkUchkeit sind, mit der unsere fortschreitende Entwicklung unser Tun und Lassen mehr und mehr in Einklang bringt, die wir aber nicht einmal ihrer Natur nach zu begreifen im stande sind. Wenn wir also ein uns befriedigendes Bild von der Abhangigkeit der Naturvölker von ihrer Umwelt zusammenstellen können, so müssen wir uns dabei vergegenwartigen, dass jene Abhangigkeit in der Tat dieser objektiven Wirklichkeit und nicht der von uns fassbaren natürlichen Umgebung gilt. Die Ursachen der Entstehung der naiven Religion müssen denn auch in bezug auf diese objektive Wirklichkeit betrachtet werden und der Nachweis dieser Ursachen in den höher entwickelten Zusammenlebungen bezieht sich denn auch auf diese. Ausserdem sind die Anfange der Erscheinungen naiver Religion in den hoch entwickel-. — 80 — ten Gesellschaften mehr persönlicher Art; sie entstehen ursprünglich bei Personen, spater erst aussern sie sich in Korporationen. Unsere anscheinend nicht leichte Aufgabe lauft also schliesslich darauf hinaus, dass wir uns zu vergegenwartigen haben, ob in der höheren Zivilisation eine Person den Ursachen der Entstehung naiver Religion unterworfen'bleibt. Es genügt, wenn wir im Stande sind, dies in bezug auf uns hoch entwickelte Menschen nachzuweisen. Die Zwischenstufen vergangener Zeiten oder Kuituren fallen dann innerhalb unsere BeweisfÜhrung. Stellen wir uns vor, in welcher Lage wir uns in bezug auf die "Wirklichkeit befinden. Wir ziehen dabei in Betracht, dass auch unsère Sinne und unsere Psyche uns nur in den Stand setzen, einen noch unbekannt kleinen Teil der Wirklichkeit zu spüren. Versuchen wir durch Wahrnehmung seiner Eigenschaften uns ein Bild von diesem Teil zu entwerfen, so gelingt uns dies stets besser, und können wir unser Leben den natürlichen Erforder- nissen anpassen und uns die günstigeren Lebenslagen schaffen, deren sich die höher zivilisierten Zusammenlebungen erfreuen. Es sind an erster Stelle die Naturwissensehaften, denen das Studium unserer Umwelt obliegt und welche grossartigen Errungenschaften auf diesen Gebieten erworben wurden und welchen Nutzen wir aus diesen ziehen, um uns eine gesichertere Stellung im Leben zu schaffen, ist bekannt genug. Diese Fortschrittsperiode ist relativ noch sehr jung und jeder Forscher, der an der Wissensgrenze einer Naturwissenschaft arbeitet, kann sich davon überzeugen, wie wenig wir noch begreifen sogar von dem, was wir übersehen zu können glauben. Auf diesen Gebieten arbeiten jetzt viele Tausende von Spezialuntersuchern zusammen, von denen jeder für sich nur einen Bruchteil seiner Wissenschaft wirklich beherrscht. Wie gering also der Anteil des Einzelnen, hauptsachlich der grossen Menge unserer zivüisierten Völker, am Durchgründen seiner so stark gegliederten Gesellschaft und seiner Umwelt ist, bedarf keines weiteren Beweises. Glücklicherweise spürt der moderne Mensch diese Sachlage kaum, so lange er sich nur in seinem ihm zugefallenen Kreis, dem er sich angepasst hat, bewegt. Dem Einzelnen liegt aber doch wohl nur höchstens eine Seite des grossen Buches offen, das das Verhaltnis der ganzen Menschheit zu ihrer Umgebung .umfasst und es ist nicht einmal jeder im Stande, auch nur diese eine Seite zu begreifen. Bedenken wir, dass wir durch unsere Organisation doch nur vereinzelte Ausserungen der Wirklichkeit wahrnehmen können, so dass wir als Menschheit genommen dieser noch wie vor einem grossen Ratsel gegenüberstehen, so erscheint die Stellung der entwickelten Menschen dieser sie beherrschenden Wirklichkeit gegenüber zwar etwas geschützter, doch ist der Einzelne von ihr in sehr hohem Masse abhangig. Um diese Sachlage mit den doch so eindrucksvollen Fortschritten unserer Entwicklung in Einklang zu bringen, ist es wünschenswert, sich die Eigenart unserer Zivilisation in bezug auf unsere Umwelt richtig vorzustellen. Diese Eigenart kann am besten so umschrieben werden, dass die Entwicklung der bezüglichen Kulturformen auf die stetige Ausbildung unseres Strebens, mit der Umwelt in Einklang zu geraten, und auf die stetige Verfeinerung unserer Fügung nach ihren Anforderungen hinauslauft. Jede gesellschaftliche Stellung ist in dieser Hinsicht mehr oder weniger speziellen Anforderungen unterworfen; das Gebiet der Hygiëne und der Medizin bezieht sich'aber mehr auf die Menschen im allgemeinen; — 81 — deshalb ist es wohl am beweisendsten, hier die kulturellen Beziehungen zwisehen Menseh nnd TTmwelt etwas genauer zu betrachten. DeT Mensch hat auf obigen Gebieten Triumphe gefeiert, indem er es verstanden hat, durch ^«1^0 Arbeit der Spezialisten in die Geheimnisse seiner eigenen Person u^dTÈroBBDde in bezug auf Nahrung, Kleidung, Wohnung ^ Z^enlelu seinem Gedeihen am nützlichsten sind, mit vielem Erfolg zu erforschen Unter FüUng der Naturwissenschaften ist es ihm gelungen, sich hier eine ^ets üefe ^etnde Ssicht zu eigen zu machen und deren Ergebnisse zu verwenden. Letzteres besteht abe dannTa s s e r L bisheriges Betragen nach den neuen Ansehauungen andert und Ïch ihnen zu Gunsten seiner Gesundheit und anderer Existenzbedingungen genau fugt. ^«ÏÏETbÏ^ kann man sich klar machen, innerhalb welcher engen Grenzen t^ WteüTL wf dem Gebiet der Medizin zn halten hat, wie bei der von Giften als Arznei, bei Operationen, bei der Behandlung von sehwiengen Krankheitsfallen, hoi der Beurteilung eines Trinkwassers u. s. w. * * * ' "t Lh es die hohe Ausbildung und Einsicht des Spezialisten, den vorliegen den YerhaLssen gerecht zu werden und genau das ,u tun ^J^ ZoK Kr die Sachlage erfordert. Dies gilt für alle Sondergebiete unserer Hochkultur gwoMfl* den ausgebüdeten Ackerbau als für die Industrie, die Schiffahrt, den Handel,, das Krie s wesen Wieeng oft das Gebiet ist, das der Spezialist zu beherrschen, dessen eigenartigen :UmsSnden er sich zu fügen und zu beurteilen versteht, weiss ein Jeder. Unsere Erzieh^fwurde eben darauf |erichtet, uns von Jagend an mit den Anforderungen unserer u!L^l^ bekannt zu machen und uns zn lehren, unser Betragen demgemass aMUAucShndas Leben in unserer engeren menschlichen Gesellschaft tragt denselben Charakter der Abhangigkeit von den vorherrschenden Um^ito. Ern jeder der der Ausübung einer Tatigkeit obliegt, hat eben das zu tnn, was ihm von den Menschen ruiden vor^schrleben wird. Dies mag mehr oder weniger ™^ können oder auch hohe Anforderungen an seine Fahigkeiten stellen, fur ^P«™"^ Bewegungsfreiheit ist dabei nur in so weit Spielraum, als er dabei den 7«^J«*m, unter welchen er zu arbeiten hat, Rechnung tragt. Man stelle sich ver, eu* chhalter ti ïebe Wmkuhr mit seinen Ziffem, ein Handier mit seinen Massen und Gewichten ein Maler mi lür^arben, ein berühmter Sanger oder Klavierspieler beim feinen Spiel seiner betreffenden Muskeln, ein Prediger mit dem Inhalt oder der Form seiner S u s w. So etwas könnte nur zum Schaden seiner selbst und seiner ihm anvertrauten Arbeit gereiehen. Je gewissenhafter Jemand seine Pflicht zu erfüllen traehtet und m t je ^«TSant er Lee tut, desto genauer wird er seine Willkühr dabei in Sehach zu halten wissen und sich nur von den Anforderungen seiner Arbeit leiten lassen. Wenn die tatsachlige Lage sich so verhalt, kann man die oben angegebenen Ursachen von der Entstehung der naiven Religion auch noch als für unsere Zusammenlebungen geilend betrachten, we'nn auch ihre Ausserungen den anderen kulturellen Verbaleen, gemass ganz andere sind. Wollen wir also den Wert des Inhalts der für höhere Zusammenlebungen bestimmen, so können wir feBtste;ien dass dieser Wert hoch anzuschlagen ist und die naive Religion fest in den gegebenen menschlichen Lebensumstanden wurzelt. Au diese Weise «Mit man eine wenig hypothetische Erklarung für die enorme ^Machtsentwicklung der religiösen I. A. f. E. Bd. XXIV., Suppl. - 82 — Erscheinungen in der ganzen Periode, wahrend welcher wir die Existenz der Menschheit übersehen können. Mit diesen Ergebnissen über das Wesen des Animismus sind wir unserem Kriterium für eine richtige Erklarung seiner Entstehungsursachen gerecht geworden; sie zeigen an, dass sowohl auf höherer wie auf niedriger Kulturstüfe der individuelle Mensch in so hohem Grade von der Wirklichkeit abhangig bleibt, dass das daraus entstandene Gefühl der Machtlosigkeit die Grundlage seiner naiven Religion bildet. Wenn man also auf Grund der vorliegenden Untersuchung zwischen Idealismus und Rationalismus in bezug auf das Wesen des Animismus und mit ihm auf das der naiven Religion zu entscheiden hat, so kommt ihm zweifeilos das Pradikat rationalistisch zu. Wenden wir uns nochmals unserer FragesteUung auf S. 58 zu, so zeigt es sich, dass unsere Untersuchung eine- Frage unerlautert gelassen hat, namlich: „Wie wurden diese Seelen Gegenstande der Anbetung in so weit Seele sich bezieht auf Seele des Menschen, oder mit anderen Wörten: wie entstand Ahnenkult?" Bei der Behandlung des Wesens der reUgiösen Erscheinungen bei den Bahau und Kënja war kein Anlass vorhanden, dieser Fiage naher zu treten; auch' bei genauerer Nachforschung wird die Meinung befestigt, dass es sich bei ihnen um einen reinen Naturdienst handelt. Da diese Stamme aber eine sehr entwickelte Totenpflege üben, ist es für die Richtigstellung der sich hier nahernden Begriffe erfordertich, ihr gegenseitiges Verhaltnis zu erörtern. Die in den Kapitein III und IV gegebene Beschreibung der Religion der Bahau und Kënja enthalt keine Daten, die sich auf Ahnenkult beziehen. Sie wurde meinem vor zehn Jahren erschienenen Werke „Quer durch Borneo" entnommen, das nur persönliche Erfahrungen wahrend einer fünfjahrigen wissenschaftUchen Untersuchung und ausgebreiteten arztlichen Praxis unter diesen Stammen enthalt. Weder beim mëla der Priesterinnen und Priester gegen Krankheit, Unglücksfalle, böse Traume u. s. w. in den Familien, noch beim Dienst gelegentlich der Ackerbau- und Neujahrsfeste begegnen wir dem Vorfahrenkult. In den zentralen religiösen Erscheinungen der Bahau- und Kënja fehlt dieser also völlig. Diese Stamme selbst führen auch eine schatte Trennung zwischen ihrer Toten- und Geisterwelt durch, da sie diese in geschiedene Regionen verlegen. Das Totenland Apu Kësio liegt unter dem Himmel des Hauptgottes und unter dem Himmel der Geisterwelt Apu Lagan, zwischen diesem und der Erde (s. S. 37). In der zweiten Schöprangsgeschichtë auf S. 57 wird die Entstehung von Göttern, Geistern und Menschen aus dem kajo aja erwahnt; sie bleiben dabei alle geschieden durch die verschiedene Höhe ihres Hervorspriessens. In der Mythe von Djaja Hipui (s. S. 34) werden die guten Geister auch von den Menschen getrennt; sie erscheinen als verschiedene Zweige eines selben Stammes. Eine Bestatigung dieser Sachlage gibt uns das von Dr. Ch. Hose in seinem Werke „Pagan Tribes of Borneo" Mitgeteilte. Auch er ist nicht im Stande, aus seinen langjahrigen Ërfahrungen im Umgang mit den Bahau und Kënja einen einzelnen Fall von „ancesterworship" zu schildern. Auf Seite 10 des zweiten Teiles verbreitet er sich über die Möglichkeit, dass ein Teil ihrer niederen Damonen von verstorbenen Vorfahren abgeleitet seien. Seine Anführungen beziehen sich aber auf mythologische Daten, die ganz heterogenen Stammen, zum Teil selbst den mit fremder Kultur schwer belasteten Sea-Dajak entUehen sind. Er spricht sich denn auch selbst auf S. 12 über die Zweifelhaftigkeit seiner Erörterungen aus. Wir gehen denn auch nicht fehl, wenn wir den Bahau- und Kënjastammen — 83 — in ihren zentralen religiösen Erscheinungen einen reinen Naturdienst zuschreihen. Daraus ergiht sich aber die höchst bemerkenswerte Erscheinung einer ausgesprochenen, nicht religiösen Totenpflege, die in grossartigen Totenfesten unter Auf wand von kostfjjaren Vorbereitungen und Herbeiziehung von Kopfjagden und Menschenopfern gipfelte, neben diesem reinen Naturdienst. Um uns eine Einsicht in die Bedeutung dieser Totenbrauche zu sichern, müssen wir an erster Stelle zu erforschen trachten, in welcher Gesinnung dieses Leichenzeremoniell abgehalten wird. Ziehen wir ausserdem Tradition, SchaustelluUg u. s. w. zu deren Entwicklung in Rechnung, so erhalten wir vielleicht eine Andeutung von der Grundlage dieses so auffalligen Nebeneinanders der oft verwickelten Kulturerscheinungen. Auch in dieser Hinsicht ergeben meine persönlichen Erfahrungen einen Anhaltspunkt, auf welchen die Beschreibung vom Tode des Bo Adjang Lëdjü in Q. d. B. Teil II hinweist; bei dieser Gelegenheit habe ich ausdrücklich festgestellt, dass von einer vorherrschenden Furcht vor dem Toten und dessen Seele nach dem Absterben nichts zu spüren war und Liebe und Sorge für den alten Hauptling sowohl bei seinen Angehörigen als Bekannten dabei lebhaft zum Ausdruck kamen (s. Q. d. B. Tl. II S. 469 und S. 19 dieser Arbeit). Zwar finden auch die Bahau Begrabnisplatze unheimlich und sie fürchten sich vor der Leiche derjenigen, deren plötzlicher Tod sie ers'chreckt hat, wie der Selbstmörder, Verunglückten, • Erschlagenen und Wöchnerinnen und erklaren ihn als Strafe der Geister für die Schuld der Verstorbenen, aber hierauf beruht bei ihnen kein anderer Kultus als das für diese Leichen bestimmte eigentümliche Begrabnis selbst. Bei diesen nóch ursprünglichen Dajakstammen erweisen sich also diese Totenbrauche als eine Fortsetzung des innigen Verhaltnisses, das bekanntlich unter niedrig stehenden Völkern zwischen Familien- oder Stammesmitgliedern so oft festgestellt werden konnte. Ziehen wir noch in Betracht, dass der Glaube an ein geistiges Fortbestehen nach dem Tode ein Ausfluss des ursprünglichen menschlichen Denkens ist, so wird das sehr frühe und weit verbreitete Vorkommen von Totenbrauchen dadurch genügend erklart. Man hat hier also mit ethischen, nicht mit religiösen Kulturerscheinungen zu tun, die aber, wie zahllose Beispiele erlautern, sich sehr leicht mit einander zu einem oft unentwirrbaren Komplex religiösen Lebens bei einem Volke verbinden. "Ein sehr nahe liegendes Beispiel liefern uns die mit den Dajak übrigens so sehr übereinstimmenden Toradja von Celebes. Adriani und Kruyt schildern sie uns in ihrem viel zitierten "Werke mit denselben Formen des Naturdienstes, vermehrt mit einem ausgesprochenen Ahnenkult, der mit den niederen Damonen das tagliche Leben der Masse der Bevölkerung ganz erfüllt. Versuchen wir uns davon Rechenschaft zu geben, wie der Übergang der Totenpflege zum Totenkuit sich hat vollziehen können, so vergegenwartigen wir uns, mit wie grösser AnhangUchkeit und Verehrung, gemischt mit Furcht, die Toten einer Familie betrachtet werden. Leicht begreiflich wird es dann, dass die Bemühungen der Hinterbliebenen zur Verbesserung ihres Loses sich auch auf diese wahrend ihres Lebens oft hoch angesehenen Personen richteten. Es sind wohl an erster Stelle Hauptlinge und .andere hochgescbatzte Toten, die solche Hoftnungen 'auf Hilfeleistung erweckten. Der Ahnenkult hat sich also als perifere' reUgiöse Erscheinung zur zentralen des Naturdienstes gesellt und sich dann mit dieser vereinigt. — 84 — ERGEBNISSE UND SCHLUSS. Den in der Geschichte sich stets wiederholenden Erscheinungen naiver ReUgion, deren eine Gruppe der Animismus bildet, entUeh ich ein schades Kriterium für die mögUche Richtigkeit vorgetragener Erklarungen ihrer Entstehung: Wenn naive Religion im Laufe der Geschichte immer wieder unter zeitgemassen Formen hervorbricht, so müssen dieselben Ursachen dazu sowohl zu allen Zeiten, als auch bei niedrigst und höchst kultivierten Men* sehen nachzuweisen sein. Nach der für die Religionswissenschaft üblichen Betrachtungsweise wurden erst die Form, dann das Wesen oder der Inhalt des Animismus bei den Malaien untersucht. Ihre ursprünglichen religiösen Vorstellungen konnten auch für diese Untersuchung nur bei Stammen wie den Bahau-Dajak und den Toradja, die den Einfluss von Hinduismus und* Islam am wenigsten gespürt haben, erforscht werden. Meine Endergebnisse zusammenfassend, darf ich in bezug auf die Form der animistischen Erscheinungen Folgendes aufstellen: Der animistische Begriff „Seele" lasst sich in seiner Entstehung zwanglos durch den Grundsatz unseres ganzen naturwissenschaftlichen Erkennens, namlich: „ein Etwas entstehe nicht aus einem Nichts und vergehe nicht in ein Nichts" erklaren. Beim Ableben eines Gefahrten verschwindet für den primitiven Menschen auf einmal das von ihm ganz unbegriffene Leben aus dem Körper; auf Grund jener auch ihm eigenen Denkweise, müssen diese Lebenseigenschaften selbstandig fortbestehen. In Übereinstimmung damit besitzen die materialistisch aufgefassten Seelen immer die Eigenschaften des Verstorbenen. Dieser ursprüngliche Begriff einer Seele blieb keine hypothetische Voraussetzung, sondern ihr Bestehen konnte bei den noch ursprünglichen Malaien, Bahau und Kënja, und den Toradja nachgewiesen werden. Erstére. schreiben eine einzige Seele ihren echten Waldestiere, ihren Pflanzen, leblosen Gegenstanden und Naturerscheinungen zu. Die Toradja von Celebes halten an dieser Auffassung ihres Selbst wahrend des Lebens noch fest. Der Begriff einer einfachen Seele hat sich weiter entwickelt zu der Annahme erstens von zwei Seelen; der Schlafzustand vom Menschen hat sicher dazu viel beigetragen. Sie vergegenwartigen im Allgemeinen auch die psychischen Eigenschaften, die im Schlafe verschwunden und die vegetativen Eigenschaften des Menschen, die dann noch fest mit dem Körper verbunden sind. Die relative Freiheit der psychischen Seele wird ebenfalls durch diesen Schlafzustand veranschaulicht. Da der primitive Philosoph nur sich selbst und sein Gefühlsleben als ursachUch zusammenhangendes Beobachtungsmaterial zur Erklarung der Natur und ihrer Erscheinungen zur Verfügung hat, nehmen seine VorsteUungen den anthropomorphen Charakter an, wie wir diesem bei aüen primitiven Völkern begegnen. Die animistischen Erscheinungen deV ganzen Menschheit zeigen an, wie sehr ihr der Anthropomorphismus dazu genügt. Dass die noch ursprünglichen Malaien nach der Denkweise: „ein Etwas entstehe nicht aus einem Nichts und vergehe nicht in ein Nichts" handeln, konnte ich wahrend einer früheren, zu einem ganz anderen Zweck geführten Untersuchung, namüch zur FeststeUung, ob in ihrer geistigen. Veranlagung auch die Grundlagen unseres naturwissenschaftlichen Wissens vorhanden seien, nachweisen. Es zeigte sich sogar damals, dass sie sich auch von diesem Gedanken Rechenschaft geben. Da sich auf diese Weise die animistische Auffassung der Seele bei diesen schon höher INHALT. Seite ElNLEITUNG 1 Kapitel I. UntersucJiungsweise.— FragesteUung. — Betrachtungen über Tylofs . ' und andere Theorien. — Anforderungen an guitige Erklarungsversuche.,-— Begren-' zung des Untersuchungsgebietes im, Malaiischen Archipel 2—9 Kapitel II. AUgemeines über die korperliche und geistige Entwicklung der Bajak auf Borneo. — Gründe für ihre geringe Bevölkerungsdichte: klimatische und hygiënische Einflüsse, Krankheiten. — Abhangigkeit 'des Gesundheitszustands von der Höhe des Landes. — Einfluss mangelhafter Entwicklung und Kenntnis auf die ökonomisehen Verhaltnisse und auf die religiösen Vorstellungen. — Geistige Fahigkeiten der Bajak. — Charaktereigenschaften. — Korperliche und geistige Überlegenheit der KënjaDajak über die Bahau-Dajak 10—31 Kapitel III. Religiöse VorsteUungen der Bahau. — Wichtigste Götter.'— Einteüung des WeltaUs. — Gute und böse Geister. — Seelen der Bahau. — Charakter und Schicksal der bruwa und tón luwa. — Seelen der Tiere, Pflanzen und Gesteine. — Vorzeichen. — Erklarung der pëmali. — Priester und Priesterinnen. — Beseelung der dajung. — Pflichten der dajung. — Erklarung der mëld. — Das Ei als Opfergabe 32—44 Kapitel IV. Opfergaben der Bahau: kawit. — Die pëmali: bei der mëld, beim Erntefest, in den Reisscheunen, auf dem Reisfdde, beim Saen, beim Neujahrsfest, bei der meld der Namengebung, bei der meld gegen Krankheit, bei der Rückkehr von grossen Reisen. — -Das lëgèn. — Schwierigkeiten bei den Nachforschungen auf religiösem Gebiet. — Usun, die Oberpriesterin. — Schöpfungsgeschichte der Mendalam Kajan 45—57 Kapitel V. Die Form der animistischen Religion. FragesteUung; Denkweise des Hamüton'sehen Prinzips; erste Stufe des Seelenbegriffs; Entwicklung zum Begriff , von zwei und mehr Seelen; Anthropomorphismus; leblose Gegenstande, Naturerscheinungen; Stoff und Kraft in den Naturwissenschaften; ndhere Betrachtung des Hamilton'sehen Prinzips; literarische Beweise; Anforderungen der Logik .... 57—70 Kapitel VI. Das Wesen der animistischen narren Religion. FragesteUung; Entstehung der Damonenverehrung; der Wahrheitsbegriff der animistischen Religion; die Existenzbedingungen der primitiven Stamme; Eindruck derselben auf die Primitiven, erlautert an deren Legenden und pëmali, an ihrer SteUung den Tieren, Pflanzen und Gegenstanden gegenüber, an Fetischismus, Vorzeichen, Macht des Damonenglaubens; Rettungsversuche dagegen; verschiedene Art der Opfer; die SteUung des KuUurmenschen zur Wirklichkeit; Naturdienst und Ahnenkult 70—83 Ergebnisse und Schluss 84 87 - 5 — bis jetzt noch nicht gefunden worden; nur hat man sich ihr in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr nahem können, seitdem die Ethnologie die Zulassigkeit der Kulturerscheinungen unter Naturvölkern als Erklarung für diejenigen unter Kulturvölkera hinreichend erwiesen hat. Man kann somit eine vorethnologische- und eine ethnologische Periode auf dem Gebiet der Religionswissenschaft unterscheiden. Die Leistungen in der ersteren wahrend der modernen Zeit gruppieren' sich um die Namen von Kant, Schleiebmacheb, Hegel und Comte. Obschon' diese Untersucher zum Teil zu entgegengesetzten Schlüssen über die Art der religiösen Erscheinungen gelangt sind, so weisen die Ergebnisse ihrer Studiën der Religionen höher zivilisierter Völker doch charakteristische Hauptzüge im allgemeinen religiösen Leben auf. Die hervorragendste Leistung auf dem Gebiet der Religionswissenschafb, welche der Ethnologie zu verdanken ist, ist zweifellos die Theorie des Animismus von Tyloe. Diese stützt sich auf die feststehenden Tatsachen, dass auf einem niedrigen Entwicklungsstandpunkt die verschiedensten Völker sich ihre religiösen Ideen nach jenem philosophischen System ausbilden und diese selben Formen des Gottesdienstes, wenn auch ofb entartet, in der Geschichte, Überlieferung oder Mythologie der Kulturvölker nachzuweisen sind. Die Veröffentlichung dieser Theorie eines niedrigen Stadiums der Religion und des Tatsachenmaterials, auf welches sie sich stützt, hat viele spatere Untersuchungen veranlasst; vielfach sind mehrere untergeordnete ' Schlussfolgerungen und Behauptungen dieser Theorie spater bekampft worden, im grossen Ganzen werden aber die jetzigen Studiën über die Anfange der Religion noch von der TvLOK'schen Auffassung béherrscht. Die weniger befriedigenden Elemente der Theorie finden sich denn auch mehr unber den Erklarungsversuchen der Erscheinungen, als unter dem Beobachtungsmaterial selbst. Dies ist doch so oft festgestellt worden, dass es als feststehende Errungenschafb unserer Wissenschaft betrachtet werden darf. Wahrend dieser zweiten, durch ethnologische Forschungen gestützten Periode der Religionswissenschaft ist man ziemlich einig darüber geworden, dass die höher ausgebildeten Religionsformen sich aus einem früheren, animistischen Stadium entwickelt haben, wenn auch der Weg der Entwicklung ofb ein sehr langer ge wesen ist. Die Fragen bezüglich der eigenartigen Formen des naiven religiösen Denkens und des Werbes oder der Wahrheit der Religion werden daher durch das Studium dieser Kulturerrungenschafben unter niedrig stehenden Völkem in hohem Masse gefördert. Wie so viele wissenschaftliche Fragen sind auch diese unter den hier vorherrschenden, einfacheren sozialen Verhaltnissen dem Studium viel leichter zuganglich. Das Ziel der jetzigen Untersuchung besteht in dem Versuch, das nicht wegzuleugnende Tatsachenmaterial des tylor'schen Animismus oder vielmehr eines ahnlich gestalteten einer neuen Prüfung zu unterwerfen und zu versuchen, dabei den Beschwerden, die gegen diese Theorie geaussert worden sind, Rechnung zu tragen. Es würde zu weit führen, andere, spater aufgestellte Erklarungsversuche ausführlich in Betracht zu •ziehen; ich werde nur gelegentlich darauf zurückgreifen mussen. Hinsichtlich eines Punktes schliesse ich mich ohne weiteres E. Dubkheim an, der in seinem Buche: „Les Formes élémentaires de la Vie religieuse" auf S. 132 u. f. die Überzeugung ausspricht, dass man sich im jetzigen Stadium unserer Wissensohaft bei der Durchführung eingehender Untersuchungen an eine einheitliche, gut begrenzte und untersuchte Völkergruppe halten soll. Wie aus den Titel ersichtlich, habe auch ich dieses Prinzip befolgt, indem ich ausschliesslich die Malaien des Indischen Archipels zum Gegensband meiner Untersuchung wahlte. Um sich einen richtigen Begriff von Ttlob's Theorie des Animismus zu machen, scheint Die wichtigsten Einwande, die gegen die tylor'sche Hypothese über die Ehtstehung und Entwicklung des animistischen Seelenglaubens erhoben worden sind, können in kurzer Form folgendermassen angegeben werden (ebenfalls nach Durkheim). a. Die primitiven Völker denken sich ihre Seele oder Seelen nicht als ein vollstandig vom Körper unabhangiges Gebilde, sondern betrachten sie als zu einem Ganzen fest; mit ihm vereinigt, wenn sie auch zeitlich frei herumirren können, was zum Schaden des Körpers gereicht. b. Wenn die Traume in der ganzen Welt den Begriff Seele und Körper veranlasst natten, so müsste dies doch wohl die einzig mögliche Art der Traumerklarung sein und noch dazu der Verschiedenartigsten Traume. Weder das Eine noch das Andere ist aber-der Fall, denn erstens ist es z. B. einfacher sich vorzustellen, dass man im Schlafe weiter sehen könne als im wachen Zustande; ferner gibt es Traume, die sich auf früher Erlebtes beziehen, oder wahrend welchen wir mit anderen Personen zusammen sind und handeln und sich daher dureh eine Voraussetzung einer herumirrenden Seele an sich nicht erklaren lassen. Ausserdem ist es nicht einzusehen, weshalb nun gerade diese Traume neben dem vielen Anderen, was sich primitiven Menschen als unverstandlich erweist, so allgemein zu einer derartigen Erklarung und zu einer solchen, alles beherrschenden Stellung geführt haben sollten. c. Nach der bis jetzt gültigen animistischen Theorie sollte die Verehrung, die die Seelen der Toten geniessen, durch das Absterben selbst verursacht worden sein und weiter zu der Verehrung von Geistern und Göttern geleitet haben. Dieses ist aber nicht im Einklang mit dem, was man öfters beobachtet. Im allgemeinen werden die Eigenschaften der Seelen nach denen der Lebenden beurteilt, die der Kinder sind schwacher wie die der Erwachsenen, die der alten und schwachlichen Individuen (von Frauen z. B.) schwacher als die der starken. Verwundete besitzen eine ahnlich verunstaltete Seele. Darum erscheint es sonderbar, dass solche verunstaltete Und geschwachte Seelen plötzlich nach dem Tode so gefürchtet und als erhaben verehrt werden sollten; und doch werden Geister und Götter unter wenig entwickelten Stammen mit ausführlichen Zeremonien und grossem Aufwand angebetet und um Hilfe angefleht. Ausserdem sehen wir, dass dieser Verehrung der Seelen' Verstorbener nicht gerade dort die grosse Rolle im Kultus zukommt, wo die kulturelle Entwicklung am niedrigsten steht. Im Gegenteil drangt sich vielmehr bei höher stehenden Völkern, wie den Chinesen, Egyptern, Griechen und Römern, der Ahnenkult in den Vordergrund. Es stimmt also nicht mit dem Beobachteten überein, dass gerade unter den primitivsten Stammen das Ableben des Menschen zu deren Vergöttlichung führen musste. d. Wenn auch viele den tylor'schen Animismus aus diesen Gründen mit einer gewissen Zurückhaltung betrachten zu müssen glauben, so wird doch von vielen unter ihnen wie Brinton, Lang, . Réville und Robertson Smith derjenige Teil nicht bestritten, der sich auf die anthropomorphische Naturauffassung des primitiven Menschen bezieht. Diese sollte dann von dem menschlichen Instinkt herrühren, sich seine ganze Umgebung mit.demselben Auge anzusehen, wie seine eigene Persönlichkeit. Jedoch bereits Spencer macht die Bemerkung, dass doch Tiere einen lebenden von einem leblosen Gegenstand zu unterscheiden vermögen, andererseits könnte man auch voraussetzen, dass diese Fahigkeit, wie so manche andere, auch den primitiven Menschen nicht zukame. Man sieht aber, zu wie vielen unbewiesenen Voraussetzungen man bei der vollstandigen Annahme der tylor'schen Theorie Zuflucht nehmen müsste. — 8 — e Die beste Zurückweisung des erklarenden Teiles von Tylor's animistischer Theorie ergeben aber die Konsequenzen, zu welchen sie führt. Man ist namlich im allgemeinen darüber einig, dass die höheren reUgiösen Begriffe sich aus dem Begriff der Seele mednger stehender Völker und unsere Kultformen aus den ihrigen entwickelt haben. Vergegenwartigt man sich dazu, welchen enormen Einfluss diese reUgiöse Überzeugungswelt und ihre Kultusformen im Lauf der Zeiten auf die Menschheit ausgeübt haben, welcher Einfluss im' grossen Ganzen auch jetzt noch andauert, so erscheint es einem ganz unbegreiflich, dass diese ganze Gedankenwelt sich im Grunde nur auf irrtümliche Auffassungen der Urmenschen stützen sollte und dass den religiösen Gefühlen und den ihnen entlehnten geistigen Kra'ften, die Menschen zu Heroen gemacht haben, kein reeller Grund zukame. • Aus Obigem erhellt, dass Tylok's Erklarungsversuch des Animismus den vorliegenden Verhaltnissen nicht entspricht; aus den vielen von anderen Autoren aufgesteUten Theonen geht genügend hervor, dass keine von diesen eine befriedigende Lösung des Problems geUefert hat. . b Meiner Meinung nach kann man sich aber auf folgende Weise ein Kntenum fur emen zulassigen und wohl richtigen Erklarungsversuch aufsteUen: Wie schon erwahnt, ist der Animismus eine primitive Form der naiven Religion, die im Lauf der Zeiten bei vielen Völkern bis hinauf zu unserer Kulturhöhe immer wieder in hervorragenden religiösen Persönlichkeiten u. s. w. (s. S. 4) zum Ausdruck kommt. Wenn dieses aber geschieht, so müssen die Entstehungsursachen der naiven Religion, also auch des Animismus, in allen Zeiten vorherrschend geblieben sei'n und sowohl unter den niedrigsten Animisten, als unter den höchsten Kulturvölkern wal ten. Nur eine Erklarung, die diesen Anforderungen entspricht, kann auf Wahrheit Anspruch erheben. Es ist ohne weiteres klar, dass alle diejenigen Theorien, die als Fundamente der naiven ReUgion oder seiner animistischen Form Magie, Totemismus u. s. w., die unter den Kulturvölkern nur noch in Spuren oder gar nicht mehr vorkommen, annehmen, als den geschichtUchen und kulturellen Verhaltnissen nicht entsprechend unzu- lassig sind. . Der Praeanimismus erfreut sich in den letzten Jahren einer steigenden Anhangerzaül. Er wird durch obige Betrachtungen nicht wie die animistischen Theorien getroffen. Nur wenn bewiesen werden kann, dass die zur Erklarung der Entstehung des Animismus herangezogenen Daten auch den Verhaltnissen der niedrigst entwickelten Menschen entsprechen oder gerade unter ihnen am starksten vorherrschen, ist der Vprrang des Animismus als erste Form der naiven Religion des Menschen wohl als bewiesen zu betrachten. Im Folgenden werde ich auch den oben von mir aufgesteUten Anforderungen zu genügen versuchen: 1°. sollen die Entstehungsursachen des' Animismus immer und überall unter den Menschen vorherrschen; 2°. sollen sie den Lebensverhaltnissen und der Gedankenwelt der niedrigst stehenden Menschen ganz entsprechen. Wie oben erwahnt, erheischen jene Einwendungen eine eingehende neue Bearbeitung des animistischen Tatsachenmaterials; mehrmals bereits hat man versucht, mehr oder weniger eingreifende Anderungen in den Auffassungen anzubringen; meiner Meinung nach bis jetzt noch nicht in befriedigender Weise. Beim Studium der animistischen Erscheinungen unter der malaüschen Bevölkerung des Ost-Indischen Archipels glaube ich jedenfalls zu anderen Schlüssen kommen zu müssen. In dieser ziemlich gut studierten und eng verwandten Gruppe hat man aber, um fremden Einflüssen zu entgehen, ziemlich enge Grenzen — 9 — zu ziehen, wenn man die Stamme wahlt, deren Glauben noch die ursprünglichen animistischen Züge rein enthalt. Wie man sich aus den früheren Teilen dieser Afbeit erinnern wird, darf diese Abhandlung sich deshalb nur mit den Bahau und Kënjastammen der1 Insel Borneo und mit den Toradj astamm en der Insel Celebes befassen. Zwar beherrscht der animistische Glaube bis jetzt das Tun und Lassen weitaus des grössten Teils der 45 Millionen Eingeborenen dieses Archipels, nur jene Stamme zeigen sich jedoch ziemlich frei von den fremden Einflüssen des Hindouismus und Islam. Da ich mit den Bahau viele Jahre zusammenlebte, habe ich mich in ihre Gedankenwelt glück licherweise gründlich vertiefen und dieselbe in meinem Werke „Quer durch Borneo" ausführlich beschreiben können. Das für diese Abhandlung notwendige Material werde ich vorzugsweise aus dieser Quelle und aus Adriani und Kruyt's „De Barée sprekende Toradja's" schöpfen müssen. 'T t Vergegenwartigt man sich, wie fremder Einfluss bereits vor zwei Jahrtausenden in den Malaiischen Archipel eingedrungen sein muss und jetzt fast überall eingedrungen ist, so wundert es einen nicht, dass nur so wenige der verborgen wohnenden Stamme von ihm freigebleiben sind. Es handelt sich hier denn auch um Gebirgsstamme, die die Urwalder im Herzen der beiden Insein bewohnen; die Bahau am Mahaham waren vor meiner Ankunft noch von keinem Europaer ausser dem im Jahre 1825 von ihnen ermordeten G. Müller besucht worden. ]Wie ihre ganze Existenz wird auch ihre Gedankenwelt überaus stark durch ihre Lebensbedingungen beeinflusst und es würde wohl nicht möglich sein, diesen in gebührender Weise Rechnung zu tragen, wenü ich im Folgenden auf sie zurückgréifen muss, bevor ich eine übersichtliche Beschreibung ihrer Lebensführung gegeben habe. Dies ist umsonötiger, als ich diesen Umstanden einen grösseren Wert beilege, als andere Forscher es bis jetzt zu tun pflegten. Sie sind auch gleichzeitig ein Beispiel ahnlicher Existenzbedingungen unter anderen niedrig entwickelten Völkern, die ebenfalls in hohem Masse. denselben zum Opfer fallen. Die Bildung der Religionsformen unter den Naturvölkern wird meines Erachtens in viel höherem Grade durch sie beeinflusst, als bis jetzt angenommen worden ist. Zugegeben werden muss, dass eine richtige Vorstellung von ihren ausserst schadlichen Lebensumstanden wohl nur demjenigen sich aufdrangt, der mit solchen Völkern lange genug intim verkehrte. Es möge hier somit die Beschreibung der Existenzbedingungen und der Charaktereigenschaften der Dajakbevölkerung folgen, so weit sie zu den Bahau- und Kenjastammen des Innern der Insel Borneo gehört. I. A. f. E. Bd. XXIV. Suppl. — 10 — KAPITEL IX AUgemeines über die korperliche und geistige Entwicklung der Dajak auf Borneo - Gründe für ihre geringe Bevölkerungsdichte: klimatische und hygiënische Einflüsse, Krankheiten —. Abhangigkeit des Gesundheitszustands von der Höhe des Landes — Einfluss mangelhafter Entwicklung und Kenntnis auf die ökonomischen Verhaltnisse und auf die religiösen Vorstellungen — Geistige Fahigkeiten der Dajak — Charaktereigenschaften — Korperliche und geistige Überlegenheit der Kënja-Dajak über die Bahau-Dajak. Für eine gerechte Beurteilung der Individualist der Stamme von Mittel-Borneo, eine Beurteilung, die nicht nur von .wissenschaftlichem Wert ist, sondern von der auch die Möglichkeit' eines erfolgreichên Eingreifens seitens zivilisierter Völker in das Los der Eingeborenen abhangt, genügt es nicht, deren Sitten, Gewohnheiten und Glauben an und für sich zu kennen, sondern man muss sich ausserdem ein möglichst unparteiisches Bild von ihren Lebensbedingungen und dem Einfluss, den diese auf physischem und psychischem Gebiet ausgeübt haben, zu schaffen suchen. Auf diese Weise erhalt man am besten eine Vorstellung davon, welche Verhaltnisse für ihr Bestehen am günstigsten waren und ïnwieweit die gegenwartigen einer Verbesserung fahig sind. Für einen derartigen Gedankengang liegt das Material wohl in dem in Quer durch Borneo Behandelten bereit, bevor wir jedoch in dieser Hinsicht ein Urteil fallen, wird es zweckmassig sein, die zerstreuten Notizen nochmals zu einem Gesamtbild zu. vereinigen. Eine der auffallendsten Erscheinungen ist die sehr geringe Dichte der Bevölkerung auf Borneo im allgemeinen und der von Mittel-Borneo im besonderen. Die Zahl von 2—3 Köpfen pro qkm, die man für die ganze Insel annimmt, ist für den mittleren Teil wahrscheinlich noch 'zu hoch; im Vergleich zu Java, das 250 Köpfe auf den qkm zahlt, also sehr niedrig Hieraus folgt bereits, dass die Bevölkerungszahl im Laufe der Zeit sicher nicht sehr gewachsen ist, viel eher abgenommen hat oder um ein sehr niedriges Mittel schwankt; iedenfalls müssen die Lebensbedingungen einer Menschenrasse sehr ungunstig sein, um zu einem derartigen Ergebnis zu führen. Doppelt bemerkenswert wird die Erscheinung, wenn wir berücksichtigen, dass eine derartige geringe Bevölkerungsziffer im Vergleich zu der eingenommenen Bodenflache bei allen auf niedriger Entwicklungsstufe stehenden Völkern des Festlandes oder sehr grosser Insein vorkommt. Demnach erscheint es nicht unwahrscheinüch, dass zwischen der Entwicklungsstufe und der Zahlstarke eines Volkes ein Zusammenhang besteht. Inbezug auf Borneo hat die Frage nach der Ursache. dieser geringen Bevolkerungs dichte bereits seit lange das Interesse erregt und man hat als Gründe hierfür öhne Zögern die schlechten Sitten dieser Stamme, die einander ausrotteten und ein ausschweifendes Leben führten, angegeben. Von solchen Grimden kann bei den hier beschnebenen Stammen der Bahau und Kënja keine Rede sein. Auch mag bemerkt werden, dass in Gebieten, die bereits seit vielen Jahrzehnten unter englicher oder niederlandischer Verwaltung stehen und wo mithin eine gegenseitige Ausrottung ünmöglich ist, die dajakischen Stamme durchaus nicht stark zunehmen. — 11 — Die Lebensbedingungen der ursprünglichen Dajak erscheinen, oberflachlich betrachtet, günstig genug. Bei einer früheren- Gelegenheit ist bereits die allgemeine Gestalt der Insel Borneo mit ihrer überwaltigend dichten Pflanzenbedeckung, die auf einen Überfluss an Warme, Licht und Regen sowie auf eine grosse Fruchtbarkeit deutet, beschrieben worden (Teil I Q. d. B. pag. 50). I In dieser Treibhausatmosphare leben die Stamme der Dajak schon seit Jahrhunderten. Ihr Kampf ums Dasein beschrankt sich auf die Sorge für Nahrung und die relativ sehr geringen Schutzmittel gegen das Klima. Für die Beschaffung der Nahrung bietet die Üppigkeit der Vegetation und die, Fruchtbarkeit des Bodens eben gefallter Walder sehr gunstige Gelegenheit und der Wald liefert für eine primitive Herstellung von Wohnung und Kleidung reichliches Material. So scheint alles zusammenzuwirken, um dem Menschen die Vorbedingungen zu einem üppigen Gedeihen zu schaffen — und doch vermisst man die erste Folge von solchen Umstanden, eine dichte und wohlhabende Bevölkerung. Sowohl am Kapuas als am Mahakam lebt nur eine geringe Anzahl Menschen, deren zerstreute Wohnplatze sich auf die Flussufer beschranken und deren Dasein in allgemeinen nichts weniger als üppig ist. Infolge ihrer geringen Kenntnisse verstehen sie die günstigen Faktoren in ihrer'Ümgebung nicht auszunutzen und gegen die ungünstigen sich nicht zu wehren. Welche Folgen hieraus für die Existenz des Volkes hervorgehen, kann aus dem Nachstehenden ersehen werden. | k Am meisten macht sich diese TJnkenntnis auf dem Gebiet der Ges und heitspf lege fühlbar indem diese Menschen nicht wissen, wann und wodurch sie krank weiden, und keine Mittel, zur Heilung ihrer Krankheiten kennen. Im Kapitel VDI des ersten Teils sind bereits die wichtigsten unter dieser Bevëlkerung herrschenden Krankheiten angeführt worden. Von diesen sind inbezug auf das Bestehen des Volkes am einflussreichsten die in Borneo endemischen Krankheiten und zwar in erster Linie die Malaria, in zweiter die sehr verbreiteten venerischen Leiden. Wann sich die letzteren eingebürgert haben, ist vorlauflg nicht festzustellen, aber von der Malaria kann man sicher annehmen, dass sie geherrscht hat, so lange das Land von diesen Dajakstammen bewohnt wird. Um den schadlichen Einfluss zu ermessen, den die Malaria auf das Allgemeinbefinden der Bevölkerung ausübt, muss man bedenken, dass diese dem weit und breit herrschenden Uebel gegenüber völlig machtlos ist. Die meisten Individuen sind daher wahrend einer grosseren Lebensperiode mehr oder weniger leidend, ein Umstand, der auch auf die noch ungeborene Nachkommenschaft schwachend einwirken muss (Teil I pag. 425). Von hervorragender Bedeutung, besonders in Bezug auf die Vermehrung der Rasse, sind die venerischen Krankheiten, die, wie ein zweiter Fluch, auf den Bewohnern von Mittel-Borneo lasten. Sowohl unter den Stammen des Kapuas als unter denen des Mahakam hat die Verbreitung von Syphilis einen entsetzlichen Umfang erlangt; am starksten tritt sie bei den Kajan vom Blu-u auf, wo ein Aufenthalt von 11 Monaten als praktizierender Arzt mich davon übérzeugte, dass keine einzige Familie von dieser Krankheit verschont geblieben war. Wie lange sie unter finnen schon geherrscht haben muss, lasst sich daraus ersehen, dass sie unter ihnen nur* in einer Form vorkommt, die von Mutter auf Kind übertragen wird (Teil I pag. 431). Die Hauflgkeit des Vorkommens von Genitalkrankheiten bei den Frauen der MendalamKajan setzte mich in Erstaunen. Da ich inmitten der grossen Bevölkerung von Tandjong Karang lange Zeit allein wohnte, überwanden die Frauen ihre anfangliche Scham und — 12 - suchten gegen allerhand Leiden meinen arztlichen Beistand. In den malaiischen Wohnplatzen am oberen Kapuas hatte ich ebenfalls hinreichend Gelegenheit, mich von dem Umfange zu überzeugen, den auch hier diese Leiden erreicht haben. Auch den venerischen Leiden gegenüber wissen die Eingeborenen nichts anderes anzuwenden als Beschwörungen. Von der Syphilis wissen sie nicht einmal, auf welchem Wege sie in der Regel entsteht. Für die von der Küste bequem erreichbaren Gebiete, also am Unter- und Mittellauf der grossen Flüsse, tritt noch ein anderer wichtiger Faktor hinzu, der auf die Dichte der Bevölkerung einen überwiegenden Einfluss ausübt, namlich die Infektionskrankheiten wie Cholera und Pocken, die, soweit ich habe verfolgen können, stets langs der grossen Flüsse von auswarts in die Insel eingeschleppt werden. In zilivisierten Landern bildet die Bekampfung dieser Krankheiten eine der grössten Segnungen, die man dem Fortschritt in der medizinischen Wissenschaft zu danken hat, denn welche Rolle diese Epidemien in einer unbeschützten Bevölkerung spielen können, lehrten mich einige Beispiele unter den Stammen Mittel-Borneos, wo diese Krankheiten gewöhnlich um so seltener vorkommen, je schwerer zuganglich die Gegenden von der Küste aus sind. Einige Jahre vor meiner Ankunft am Mendalam war in der damals noch vereinigten grossen Niederlassung der Kajan von Tandjong Karang und Tandjong Kuda die Cholera ausgebrochen. Nicht weniger als ein Viertel der Bevölkerung muss ihr damals zum Opfer gefallen sein; die Bedingungen hierfür waren durch das Zusammenleben des ganzen Stammes in einem grossen Hause gegeben. Inbezug auf eine Pockenepedimie, die durch Uma-Lëkën von der Küste nach Apu Kajan eingeschleppt worden war, teilte man mir mit, ein Drittel der Bevölkerung des inflzierten Dorfes sei damals gestorben. Es kann zahlenmassig nicht festgestellt werden, in welchem Grade diese Faktoren die Vermehrung der Bevölkerung hemmen; aber in Anbetracht, dass alle übrigen schadigenden Einflüsse der Malaria und den Genitalleiden gegenüber verschwindend klein erscheinen, glaube ich nicht zu weit zu gehen, wenn ich die geringe Zahl und den Rückgang der Bahau hauptsachlich diesen zuschreibe. Zur dieser Überzeugung war ich bereits auf meiner Reise 1896—97 gekommen und habe sie in meinem Werke „In Centraal Borneo (1897)" ausgesprochen. Einen Beweis für die Richtigkeit dieser Überzeugung erhielt ich aber erst am Ende meiner letzten Reise, wahrend meines Aufenthaltes unter den Kënjastammen von Apu Kajan. Seit Jahren daran gewöhnt, Malariafalle in meiner Praxis weitaus die Mehrheit bilden zu sehen, flel es mir sehr auf, in Apu Kajan ganz andere Verhaltnisse zu treffen. Eine grosse Zahl hydropischer alter Leute beanspruchte hier meine Hilfe, was in tiefer gelegenen Gegenden beinahe nié vorgekommen war, wahrend Malariafalle sehr zurücktraten und sich wahrend meines Besuchs auf einige akute Falie beschrankten. Es erwies sich, dass die Veranderung im Krankheitsbilde der Bevölkerung hauptsachlich durch das vielfache Vorkommen von Bronchitis mit Emphysem und Herzfehlern hervorgerufen wurde. Erscheinungen, die durch das rauhe Klima verursacht und durch das Rauchen von sehr schlecht zubereitetem Tabak gefördert werden. Mit dem Rauchen wird bereits in frühster Jugend begonnen, da man es als Heilmittel gegen Husten betrachtet. Obgleich in Apu Kajan mit dem Eintritt von rauhem, kaltem Wetter mit heftigen Regengüssen mehr akute Malanaanfalle vorkamen, war doch von einer chronischen Infektion der ganzen BevQlkerung, die sich in einer vergrösserten, harten Milz bei der grossen Mehrzahl der Kinder ausserte, — 13 — (Teil I pag. 427) überhaupt nicht die Rede. Dies stimmt mit der bekannten Tatsache überein, dass in einem karteren Klima die Malariainfektion im allgemeinen an Heftigkeit abnimmt. Da Bronchitiden und deren Folgen erst in spaterem Alter einen schwachenden Einfluss auf den Körper ausüben und hierin mit einer starken Malariainfektion nicht zu vergleichen sfnd, so glaube ich in dem Unterschied im Auftreten der Malaria, als eine Folge der Höhendifferenz zwischen dem Lande, der Bahau und dem der Kënja, einen Hauptgrund gefunden zu haben für die gegenwartige Verschiedenheit dieser beiden Stammgruppen inbezug auf ihre Dichte, ihre physische und wie wir spater sehen werden, auch ihre psychische Konstitution. Mit dieser kraftigeren Körperkonstitution der Kënja steht ihr grösseres Widerstandsvermögen anderen Krankheiten gegenüber in Verbindung; so glaube ich z. B. diesem zuschreiben zu müssen, dass Syphilis bei den Kënja zwar in derselben eigentümlichen Form wie bei den Bahau, aber mit geringerer Heftigkeit auftritt. Wahrend diese Krankheit unter einigen Bahaustammen so allgemein vorkam, dass ich die Tatsache, dass sich unter ihnen nur tertiare Formen zeigten, durch die Annahme einer ausschliesslich hereditaren Ausbreitung erklaren zu müssen meinte, standen die Falie unter den Kënja viel zu vereinzelt da, um an Erblichkeit überhaupt denken zu können. Die von mir beobachteten Falie schienen auf den Zustand der Kënja lokal und allgemein einen viel minder schadlichen Einfluss auszuüben als unter den Bahau. Es waren meistens tuberöse Syphiliden der Haut, die das Knochengerüst nicht angriffen und viele Jahre bestanden, ohne den Körper des Betreffenden emstliph zu schwachen. Einen schlagenden Beweis dafür, in welchem Masse Apu Kajan, das ebenso gross ist wie das Gebiet des oberen Makaham, seiner Bevölkerung günstigere Lebensbedingungen bietet als die tiefer gelegenen Flusstaler, liefert die Tatsache, dass seit Jahrhunderten zahlreiche Stamme aus dieser 600 m hoch gelegenen Gebirgsgegend nach allen Himmelsgegenden in die benachbarten niedrigeren Flusstaler weggezogen sind und die Bevölkerung dort doch noch dichter ist als irgendwo anders in dajakischen Gebieten. Anstatt 300—800, wie am Ober-Mahakam, zahlen die Dörfer in Apu Kajan 1500—2500 Einwohner, trotzdem sie dort sicher nicht weiter von einander entfernt liegen. Für mich war dies ein Beweis dafür, dass die herrschenden Krankheiten in der Tat einen überwiegenden Einfluss auf die Dichte der borneoschen Bevölkerung haben müssen. y. Krankheitsverhaltnisse, wie sie unter den Bahau auftreten, wirken nicht nur dezimierend auf die Anzahl der Individuen, sondern setzen auch die Lebensenergie und Arbeits-" kraft der Menschen so weit herab, dass diese auf niedriger Bildungsstufe wahrend eines grossen Teils ihres Lebens' sich selbst und anderen nicht von dem Nutzen sein können, wie ihnen dies unter günstigeren Gesundheitsverhaltnissen möglich ware. Der gleiche Mangel an Entwicklung und Kenntnissen, die den Bahau-Dajak daran verhindert, sich gegen die gesundheitsschadigehden Einflüsse seiner TJmgebung zu wehren, macht seine ungünstige Wirkung auch auf anderen wichtigen Gebieten seines Lebens geltend. Betrachten wir von diesem Gesichtspunkt aus vor allem die Art und Weise, wie er sich Nahrung verschafft. ^ÉÉr -JvEs ist dem Dajak unbekannt, dass dasselbe Feld, auf richtige Weise bearbeitet, Jahre hintereinander Produkte liefern kann; daher die mühselige Ausrodung immer neuer Waldstrecken und die Bearbeitung des Ackers für nur. 1 oder 2 Jahre. Da der Boden nicht - 13 bedeckten Borneo können diese Schleudern j edoch nicht für ernsthafte Zwecke verwendet werden. Die Ausleger, die den kleinen Böten an der Seeküste grosse Stabilitat verleihen, gebrauchen die Bahau nur beim Hinabfahren über die Wasserfalle in Form von Baumen, die sie an die Kahne binden. Die Ma-Suling bauen primitive aber starke Damme, um Fischweiher zu stauen; bei den übrigen Bahau sind sie nicht gebrauchlich, weil diese an fischreichen Stromen wohnen. Aus der Kajansage vom Mann und dem Sagobaum geht hervor, dass die Bahau sehr wohl wissen, dass sie die Henne der goldenen Eier wegen schlachten, wenn sie beim Kautschüksammeln den ganzen Baum fallen, statt ihn nur anzuzapfen. Sie wissen aber auch, dass nur andere den Gewinn davontragen, wenn sie den Baum, der oft weit ab im Urwald steht, nur anzapten und sich mit dem Teil des dabei ausfliessenden Saftes zufrieden geben. Sparsamkeit ist jedoch ihrer Ansicht nach unter diesen Bedingungen gar nicht angezeigt. Auch die Fahigkeit zu zahlen ist bei den Dajak auf niedriger Entwicklungsstufe stehen geblieben. "Weder die Bahau noch die Kënja können ohne Hilfe ihrer Finger und Zehen oder kleinerer Gegenstande wie Hölzchen zahlen oder rechnen. Da sie ihre Hande und Füsse stets zur Verfügung haben, werden diese beim Zahlen am meisten gebraucht und zwar für Zahlen unter zehn die Finger, für Zahlen zwischen zehn und zwanzig auch die Zehen: Für grössere Berechnungen wiederholen sie das Zahlen mit den Fingern und Zehen oder sie gebrauchen von Anfang an Hölzchen, Steinchen u. s. w. Berechnungen mit grossen Zahlen sind sie nicht imstande auszuführen, was die Malaien und Buginesen sich in ihrem Handel mit innen sehr zu Nutze machen. In einem vom Kontrolleur festgestellten, Falie bezahlte eine Buginese den Kënja, von denen er 1500 Packen Rotang gekauft hattè, nur 900. Nicht nur körperlich sondern auch geistig sind die Bahau also durch ihre Lebensbedingungen hintangehalten worden. Dass auch ihr Charakter hiervon das Geprage tragt, davon überzeugten wir uns bereits bei der Betrachtung ihrer religiösen Überzeugungen und Gebrauche (s. Kap. Hl). In den Charaktereigenschaften der Bahau macht sich hauptsachlich ein durch die Verhaltnisse hervorgerufener Mangel an Energie geltend, wovon wir uns im folgenden bei einer Vergleichung mit den Charaktereigenschaften der Kënja überzeugen werden. Natürlich darf hierbei nicht übersehen werden,' dass unter den vielen Individuen eines Stammes grosse Untersehiede vorkommen, die allerdings nicht so gross sind wie in einem höher entwickelten Gemeinwesen, das seinen Gliedern verschiedenere Verhaltnisse zum Leben und zur Entwicklung bietet; doch treten auch bei den gleichförmigeren Existenzbedingungen der Bahaugesellschaft einzelne Persönlichkeiten stark vor der Umgebung hervor. Der Bahau ist im allgemeinen nicht tapfer; nie bin ich jemand begegnet, der sich für irgend etwas aufgeopfert hatte, und sobald mit einer Sache grosse Gefahr einer Verwundung oder gar Lebensgefahr verbunden ist, zieht er sich zurück. Charakteristisch ist sein Ausdruck für einen Mut,_ der keine Gefahren kennt, namlich „lakin ujow (dummer oder verrückter Mut)." Am besten lasst sich der Mut der Bahau an dem ermessen, was er selbst für besonders mutig und mannlich halt. Vor allem das Unternehmen einer Kopfjagd gegen feindliche Stamme, wobei unter grossen Entbehrungen durch das versteckte Leben im Walde und mit Aufopferung von viel Zeit mit einer Übermacht einzelne Individuen, bisweilen Frauen und Kinder, überfallen werden und der Angreifer selbst ein Minimum an Gefahren riskiert. I. A. f. E. Bd. XXIV. Suppl. 3 — 48 — Das Unternehmen einer Kopfjard an und für sich könnte schon als eine mutige Tat angesehen werden, wenn man nicht wüsste, dass diese Stamme hierzu durch ihren Glauben und ihre Liebe zu verstorbenen Hauptlingen, denen sie einen Schadel ins Grab geben müssen, gezwungen würden. Schon die Berührung eines solchen Schadels ist ein Beweis von grossem Mut, den nur wenige zu erbringen wagen. Das Unternehmen einer solchen Kopfjagd ist einigermassen mit der freiwilligen Verbrennung der Witwen der Hindufürsten auf Bali vergleichbar, aus der ersichtlich ist, wie weit der Glaubensfanatismus führen kann. Der Abscheu vor Blutvergiessen ist bei den Dajak im Grunde so gross, dass selbst ein auf die feigste Weisé ausgeführter Mord noch als eine besonders mutvolle Tat betrachtet wir. Für Hauptlingssöhne am oberen Mahakam ist es -bei ihrem Eintritt ins Mannesalter wünschenswert aber nicht absolut notwendig, einen Menschen getötet zu haben; deshalb werden haufig alte Sklavinnen am oberen Murung gekauft und dann unversehens niedergemacht. (Lasa Tëkwan Tl. 1 pag. 399 und Ibau Li Tl. II pag. 82). Sehr bezeichnend ist auch die Tatsache dass bei Gefechten, die zwischen diesen Stammen geliefert werden, der Tod oder die ernsthafte Verwundung nur eines Mannes den ganzen Stamm in die Flucht treiben kann. Dies wird allerdings auch als ein Zeichen von Zorn seitens der Geister aufgefasst, doch beweist es nicht minder den starken Eindruck, den ein derartiger Vorfall auf den ganzen Stamm ausübt. Einigermassen im Widerspruch hiermit steht, dass relativ haufig Fremde von Bahau ermordet werden, wenn auch auf verraterische Weise: Bei naherer Betrachtung erweist es sich aber, dass die Eingeborenen dann durch ihr Schlachtopfer oder dessen Stammesverwandte aufs ausserste gereizt worden waren und die geübte Rache, von ihrem Standpunkt aus, durchaus nicht übertrieben ist. Diesem furchtsamen Charakter und Mangel an Selbstvertrauen ist es denn auch zuzuschreiben, dass man unter den Bahau so wenig Wahrheitsliebe antrifft. Zwar ist auch hierin die individuelle Verschiedenheit gross und ein Kind und ein Skiave Hunkert z. Bviel leichter als ein Èrwachsener und Höherstehender, aber weitaus die meisten Personen können der Versuchung nicht widerstehen, eine Lüge vorzubringen, falls sie sich hierdurch leicht aus einer Verlegenheit retten zu können glauben. Hierdurch wird natürlich der Urngang mit ihnen sehr erschwert und beim Einholen von lachlichten muss man hierin stets auf der Hut sein und besonders die Person, an die man sich richtet, m Rechnung ziehen. In Übereinstimmung mit ihrer Abneigung gegen Gewaltsakte steht auch die Tatsachë, dass, obgleich das gegenseitige Verhaltnis zwischen den Stammen z. B. am Ober-Mahakam nichts weniger als harmonisch ist, dennoch ein Kampf zwischen ihnen zu Lebzeiten der gegenwartigen Bewohner nicht mehr vorgekommen ist. Überdiés sei hier daran erinnert,dass in einem Stamm selbst ein Zank oder gar ein ernsthafter Zwist unter normalen Verhaltnissen nicht vorkommt. Anfalle von Heftigkeit oder Wut sind bei den Bahau nur als Ausserungen Geisteskranker bekannt; daher ihre Angst vor Europaern, die leichter heftig werden. Roh und rachsüchtig sind sie ebenfalls nicht, sie verraten vielmehr ein zart entwickeltes Gefühl, was man von Kopfjagern wohl nicht erwartet hatte. Ihr Abscheu vor Gewalttatigkeit, der sich schon in dem Verhaltnis der Stamme untereinander zeigt, tritt noch viel starker hervor im Betragen der Familienmitglieder untereinander. Hier aussern sie ein grosses Mass von Selbstbeherrschung und Mitgefühl für ihre nachste Umgebung im Gegensatz zu den nicht durch Verwandtschaft mit ihnen verbundenen Menschen. Besonders - 19 — massgebend. für ihre Haitung ist der Verwandschaftsgrad, in dem der Bahau zu jemand steht, und der Umstand, ob dieser ein völlig Fremder ist oder nicht. Am innigsten ist das Band zwischen Eltern und Kindern; Roheiten kommen zwischen diesen nie vor. Schon die jahrelange Versorgung des kleinen Kindes durch die Mutter mit Aufopferung beinahe aller .ihrer Arbeit auf dem Felde oder im Walde zeugt von liebevoller Fürsorge. Obgleich die Kinder bei allzugrossen Unarten ab und zu' wohl einen Schlag erhalten, so ist doch von Strenge, übrigens auch von ernster Erziehung nicht die Rede. Die Eltern sind bisweilen aus übertriebener Zartlichkeit so schwach, dass sie schliesslich von den Kindern tyrannisiert werden. Das beste Beispiel eines solchen verzogenen Kindes war der elternlose Enkel der Priesterin Usun, der seine Grossmutter entsetzlich plagte und ihr die Sorgen, die er ihr bereitete, schlecht vergalt. Da er standig krank war, genoss ich taglich das Vergnügen ihn zu behandeln, und wenige zeigten sich so ungeduldig wie die Alte, bis dem Bengel geholfen wurde. Es scheint, dass eine derartige milde odei; schwache Erziehung vollkommen ausreicht, um einen Kajan für die Erfüllung der Forderungen, die das Zusammensein an ihn stellt, vorzubereiten; denn unter den Erwachsenen findet man wenige, die in ihrer Umgebung ernstlich Anstoss erregen. Über die Innigkeit der Gefühle, welche Eltern ihren Kindern entgegenbrihgen, überzeugte ich mich am leichtesten wahrend meiner arztliehen Praxis. Bei so ergreifenden Momenten wie Krankheit und Tod zeigten auch so zurückhaltende Charaktere wie die Kajan ihre wahre Natur. Ich kannte Eltern, welche ihre kranken Kinder mit unermüdlicher Hingabe Tag und Nacht verpflegten. Obgleich bei ihnen selbst gute Heilmittel unbekannt sind, griffen sie doch nach allem, was nach ihrer Meinung den Leidenden Linderung verschaffen konnte. Ich erinnere mich eines Falies in Tandjong Karang, wo meine arztliche Hilfe nicht ausreichte und wenige Tage nach meiner Ankunft ein Kind nach monatelangem Leiden starb. Das verzweifelte Jammern der Frau blieb mir noch lange in den Ohren, und ich sah die Eltern, die sich aus Kummer über den Verlust ihres einzigen Söhnchens nur sehr selten zeigten, einen Monat lang nicht wieder. Als die Mutter eines Abends wieder zu mir kam, erzahlte sie mir mit tranenden Augen von ihrem Kleinen. Ich hatte sie früher als lebhaft^ ftöhliche Frau gekannt, jetzt stand sie als ein Bild des Jammers vor mir, mit eingefallenen bleichen Wangen und tonloser Stimme. Sie berichtete, dass ihr Mann das Haus noch nicht verlassen wolle, weil der Anblick von Kindern im gleichen Lebensalter wie das seine ihn zu sehr angreife. Diesem sehr entwickelten menschlichen Empfinden sind wohl auch zum Teil die strengen Vorschriften für die Trauer und die Sorge, dem Toten durch eine gute Ausrüstung den Weg nach Apu Kèsio und seinen dortigen Aufenthalt so angenehm als möglich zu gestalten, zuzuschreiben. Von einer Angst vor den Seelen ihrer Vêrstorbenen habe ich bei diesen Stammen nie etwas gemerkt. Als die Leiche des alten Bo Adjang Ledjü wochenlang über der Erde in der Wohnung stand, wurde sie dreimal taglich liebevoll mit Speise versorgt, seine Frauen schliefen nachts ohne Fufcht neben dem schön verzierten, gut geschlossenen Sarg, junge Marnier wurden» gebeten, dem alten Manne auf der klèdi vorzuspielen, und zogen Fremde vorüber, die sich im Rezitieren alter Überlieferungen auszeichneten, so wurden sie hierzu aufgefordert. Das tagliche Leben ging in dieser Zeit seinen gewöhnlichen Lauf. — 20 — Wenn die Frauen der Kajan am oberen Mahakam hinter dem Sarge eines Verstorbenen, der zu Grabe getragen wird, einhergehen und den Geist der früher verschiedenen Mutter zu Hilfe rufen: Inë alë kë (Mutter, hole mich!), so zeugt auch dieser Zug von Furchtlosigkeit gegenüber der Seele der Verstorbenen. Die guten Geister von Apu Lagan werden als die Vorfahren aus langst vergangener Zeit- aufgefasst und stets wieder um Hilfe angerufen. Von einem Ahnenkultus, der nur auf Angst beruht, ist bei diesen Stammen nichts zu merken. Sie fürchten sich zwar vor Begrabnisplatzen und vor den Leichen derjenigen, deren plötzlicher Tod sie erschreckt hat, wie Selbstmörder, Verunglückte, Erschlagene, Wöchnerinnen und erklaren dies als Strafe der Geister für die Schuld der Verstorbenen, aber hierauf beruht bei ihnen kein anderer Kultus als das diesen Leichen eigentümliche Begrabnis selbst. Von ihrem Mitgefühl für das Leiden eines Familiengliedes lassen sich alle Angehörigen so weit fortreissen, dass bei einem einigermassen ernsten Krankheitsfall alle Arbeiten vernachlassigt, die Felder schlecht bebaut werden und für das Essen kaum gesorgt wird; daher bedeutet die Krankheit eines Gliedes ein Unglück für die ganze Familie. Öfters kommt es vor, dass diese sich durch den Kauf von allerlei schlechten dajakischen, malaiischen und chinesischen Heilmitteln zu Grunde richtet; es war daher sehr begreiflich, dass ich mir durch die Behandlung ihrer Kranken ihr Vertrauen in einem Mass erwarb, wie ich es durch kein anderes Mittel erreicht hatte. Handelt es sich jedoeh um Personen, die nicht zur Familie gehören oder sogar von èinem anderen Stamme sind, dann tritt ein kleinlicher Gharakter und ganzlich Fremden gegenüber grosses Misstrauen und selbst Feindschaft bei den Bahau zum Vorschein. Bei der Beurteilung dieser Eigenschaft darf nicht vergesseh werden, dass die Gesellschaft, in der diese Stamme leben, zu einem solchen Misstrauen gegen Fremde viel Anlass gibt. Bei Fremden der eigenen Rasse müssen sie sich meistens vor Verrat in Acht nehmen, bei fremden Malaien sind sie am starksten Schwindel, Diebstahl und Grabschanderei ausgesetzt, so dass ihre Zurückhaltung Fremden gegenüber bereits hieraus erklarlich ist. Ausserdem ist ihre Furcht vor Krankheiten, welche die Frèmden als böse Geister begleiten, einem sympathischen Empfang bei ihnen auch nicht förderlich. Um den Charakter der Bahau anderen gegenüber zu studieren, bot mir der Einkaut von Ethnographica gute Gelegenheit. Eigentümlich war z. B. die Beobachtung bei den Mendalam Kajan in Tandjong Karang, dass kleinlicher Neid und Eifersucht sich geltend machten, sobald es sich um Konkurrenten aus dem eigenen Dorf handelte, dass sich die Leute meines Wohnplatzes jedoeh denen von Tandjong Kuda gegenüber solidarisch verhielten. Wenn die Jüngeren nicht durch Verfolgung gleicher Interessen auseinander gehalten wurden, waren sie untereinander solidarisch, um einer Freundin zu helfen, mich etwas so teuer als möglich bezahlen zu lassen, und dann war die Bande mit berechtigten und unberechtigten Anpreisungen auch nicht sparsam. Besonders machte die Verlegenheit junger Madchen solche Hilfe der Freunde und Freundinnen wünschenswert. Sobald ein Vorübergehender merkte, dass jemand aus einer anderen Ursache als um zu schwatzen oder seine Neugier zu befriedigen in meiner Hütte stand, trat er ein, ohne dass die beinahe jeden Kauf begleitenden Auseinandersetzungen durch das Hinzutreten interessierter Zeugen irgendwie gestort worden waren. Wenn die Neuangekommenen auch in der Lage waren, selbst Gleiches oder Ahnliches zu liefern, so bewahrten sie doch tiefes Schweigen, und erst wenn die Besprechungen ohne Ergebnis endigten, versuchten sie, - 25 — die Jugend auch bei ihnen gern das grosse Wort führt, so schweigt sie doch in Gegenwart alterer Leute. Bei öffentlichen Versammlungen des Stammes ergreifen junge Manner daher nur ausnahmsweise das Wort, gewöhnlich sagen sie Ja und Amen zu allem, was die Alten verlangen. Die Frau spielt in der Kajan-Gesellschaft eine wichtige Rolle. Wahrend bei andern Völkern die Frau oft die Beute des Starksten wird und in die Verhaltnisse ihres Gemeinwesens nicht genug Einsicht besitzt, um sich nicht durch die eine oder andere glanzende Eigenschaft eines Mannes blenden zu lassen, steht die Frau im Staate der Kajan am Mendalam z. B. ebenso selbstandig da wie der Mann, bestimmt mit derselben Einsicht wie dieser ihr Tun und Lassen und bietet ihren Neigungen dadurch einen festeren Halt. Die besonders bevorzugte Stellung der Frau unter den Mendalam-Kajan muss aber wohl dem Nebenumstande zugeschrieben werden, dass die Manner dieses Stammes besonders langdauernde Handelsreisen unternehmen, wodurch die Frauen zu Hause mehr Einfluss bekamen als die der Stamme am Mahakam. Auch am Mendalam hat das starkere Geschlecht die Neigung, das schwachere auf den zweiten Platz zu drangen. Bald nach meiner Ankunft sprach Akam Igau in einem Gesprache unter vier Augen sein Bedauern darüber aus, dass die Frauen seines Stammes sich so viel Geltung verschafft natten. Der alte Herr war in seinem Leben viel gereist und sah die Zustande seines Stammes mit anderen Augen. an als die meisten; die bevorrechtete Stellung, welche die Manner bei den Malaien einnehmen, genei ihm weit besser. Bemerkenswerter Weise scheint diese Gleichstellung der Geschlechter mit einer beinahe yollstandigen Abwesenheit geschlechtlicher Entartungen, wie man sie in den Stammen vom Barito beobachtete, zusammenzufallen. Auch "wenn die heftigsten menschlichen Leidenschaften, wie die Liebe, im Spiele sind, kommt es in der Bahaugesellschaft nicht zu Handeln. Man erzahlte mir, dass die Kajanfrauen, wenn sich ihre Neigungen kreuzen, bisweilen mit einander in heftigen Konflikt geraten; wahrend meines Aufenthaltes bemerkte ich aber nichts davon. Es ware jedoeh falsch, diesen Mangel heftiger Ausserungen einer gegenseitigen Gleichgültigkeit der Geschlechter zuzuschreiben. Ich hatte im Gegenteil öfters Gelegenheit zu beobachten, dass sowohl Manner als Frauen in ihren Neigungen eine grosse Standhaftigkeit zeigen und imstande sind, ihnen viele yund langdauernde Opfer zu bringen. So gab mir einst ein junger Hauptling seine Entrüstung darüber zu erkennen, dass sein Madchen sich wahrend seiner Abwesenheit zu viel mit einem andern abgegeben hatte; für ihn war dies Grund genug, mit ihr zu brechen. Als Akam Igau einst das Bedürfhis fühlte, sein bedrücktes Gemüt von einem Teil seiner Sorgen zu ontlasten, erzahlte er mir die rührende Liebesgeschichte seiner zweiten Tochter Paja. Diese, ein auffallend schönes, ungefahr 18 jahriges Madchen, liebte seit 4 Jahren einen jungen Hauptling, Tékwan, dessen Haus sich in der Nahe der Ma-Suling am Oberlauf des Mendalam befand. Es war mir schon auf unserem Zuge nach dem Mahakam aufgefallen, wie sehr sich der junge Mann bemühte, dem alten Igau bei jeder Gelegenheit behüflich zu sein. Leider standen der Vereinigung der jungen Leute grosse Hindernisse im Wege. Tékwans Vater gehörte bedauerlicher Weise nicht zu den Gescheidten seines Stammes; und so wollte seine Matter Ping nicht zugeben, dass er, die wichtigste Stütze des Haushalts, die elterliche Wohnung verlasse, um bei seiner jungen Frau Einzug zu halten. Nach ihrer Beredsamkeit zu urteilen, war sie übrigens sehr wohl imstande, ihre ganzê" I. A. f. E. Bd. XXIV., Suppl. 4 — 26 — Umgebung allein zu beherrschen; wenigstens wohnte ich einer Unterhandlung zwischen ihr und Akam Igau über diesen Gegenstand bei, die 3 Stunden dauerte und für die meine Hütte, als neutrales Gebiet, zum Zusammenkunftsort gewahlt wurde. Aber Igau sah sich als Hauptling noch besonders vcrpflichtet, die alten Gebrauche hoch zu halten, und duldete > daher nicht, dass Paja gegen alle gute Sitte sogleich ihrem Manne in sein Haus folgte. Tëkwan wiederum war zu arm, um die Busse für die Cbertretung der adat zu bezahlen. Die Familien beider Parteien hatten bereits die Geduld verloren, aber Paja und ihr Liebhaber Hessen nicht von einander und widerstanden allen Verlockungen von anderer Seite. Adat und Liebestreue gewannen aber zum Schluss doch den Sieg; denn Tëkwan zog in Akam Igaus Wohnung und bei meinem zweiten Besuche fand ich das Paar vereint in Tandjong Karang; kurz vor meiner Abreise wurde Tëkwan glücklicher, aber etwas unbeholfener Vater eines kraftigen Sohnes. An starkem und tiefem Liebesempfinden fehlt es den Kajan also nicht. Wenn die Leidenschaft sie nicht zu ernsten Konflikten mit ihren Nachsten hinreisst, so ist der Grund dafür in ihrem Charakter zu suchen, der wenig zu heftigen Ausbrüchen geneigt ist. Mit den Ausserungen der Dankbar kei t den vielen Wohltaten gegenüber, welche sie von mir genossen, hatte es unter diesen Stammen eine besondere Bewandtnis. . Die Erklarungen, die die Bahau über Zweck und Ziel meiner Reiseu und meines Lebens in ihrer Mitte gaben,, waren für ihre Denkweise sehr cbarakteristisch. Den wissenschaftlichen Zweck meiner Reisen und das Sammeln ihres Hausgerates und anderer Artikel ■konnte ich ihnen absolut nicht begreiflich machen. Trotz meiner Gegenversicherungen blieben sie bei dem Glauben, dass ich auf einem Handelszuge begriffen sei und dass mir die Sammlungen bei meiner Rückkehr grossen pekuniaren Gewinn bringen würden. Mit der Zeit merkten sie jedoeh, dass ich mich anders als die malaiischen Kaufleute betrug, und da fügten sie dem ersten Reisemotiv noch ein zweites, spezifisch Bahauisches hinzu, dass mir daran gelegen sei, bei meiner Heimkehr als grosser Reisender gefejert zu werden. Dass jemand auf die Idee kommen konnte, sich Menschen und Natur aus Interesse an sich anzusehen, ging über ihren Horizont. Logischêr Weise heuchelten sie auch keine Dankbarkeit dem Fremden gegenüber, der nach ihrer Überzeugung aus den ihnen erwiesenen Wohltaten spater genügend Vorteil ziehen würde. Sie boten mir auch auffallend wenig materielle Zeichen ihrer Anerkennung, Das ungewöhnliche Vertrauen, das mir besonders von Frauen und Kindern entgegengebracht wurde und das Malaien und Chinesen nie genossen, musste mich für alles andere entschadigen. Die Kajan machten in ihrem Betragen meinem Bedienten und mir gegenüber einen grossen Unterschied. Midan stand mit ihnen zwar auch auf freundlichem Fusse, aber sie. zogen von ihm lange nicht so viel Vorteil,' als von mir, und doch sah ich anfangs mit Verdruss, dass sie freiwillig alles für ihn taten und ihm sogar Sirih und selbstgebauten Tabak schenkten, wofür sie von mir so viel als möglich zu erpressen suchten. Das Wohlwollen einzelner Manner erkannte ich daraus, dass sie ihr Ausserstes taten, um etwas Schönes für mich herzustellen. Sie hessen sich aber spater eine gute Summe dafür bezahlen, selbst dann, wenn ich ihren Familien meine arztliche Hülfe, wie immer, umsonst zu teil werden liess. >, Ganz gleich betrug sich die Bevölkerung am Mahakam. Nur brachte diese von Anfang an kleine Geschenke als Gegenleistung für meine medizinische Behandlung mit. Hier machte aber Kwing Ibang dadurch alles gut, dass er allein mir im Gegensatz zu meinen — 27 — Reisegefahrten beim Afschied Waffen zum Geschenk brachte, was am Mendalam nicht geschah. Es ist jedoeh- möglich, dass Akam Igau mir Dankbarkeit genug zu erzeigen glaubte, indem er mich für 100 Dollar zum Mahakam begleitete; es ware dies der Auffassung der Bahau gemass, die zwar nie als Kuli auf Reisen gehen, aber den Fremden und seine Sachen doch gegen eine Entschadigung weiter führen. In gewissem Grade fühlen sie sich dann auch für seine Sicherheit verantwortlich. Im Gegensatz zu den Mannern, von denen keiner sich überwindeh konnte, mir seine Dankbarkeit durch ein inaterielles Opfer zu bezeigen, suchten einige junge Frauen, so wenig Gunstbezeigungen sie von mir auch erhalten hatten, mir alles zu verschaffen, wovon sie glaubten, dass es mir Freude bereiten könnte. Eine altere Frau brachte mir öfters Naschwerk und freute sich, wenn es meinen Beifall hatte; spater trotzte sie dem Unwillen ihrer fanatischen und unliebenswürdigen Schwester, indem sie mir reUgiöse Gegenstande verfertigte, die ich noch nicht besass. Die Bestimmung des Preises überliess sie dabei vollstandig meinem Gutdünken. Die zweife war zü jung, um sich durch Herstellung von Leckereien und Arbeiten verdient zu machen, aber sie verkaufte mir einige alte Sachen, ohne auf den Preis zu sehen. Ulo Embang war in Tandjong Karang auch die einzige Frau, die mir am Abend vor der Abreise als Zeichen ihrer Zuneigung ein Huhn brachte. Ganz gegen ihre Gewohnheit, abends das Haus zu verlassen und unbegleitet zu mir zu kommen, erschien sie, als die Nacht bereits eingebrochen, mit ihrem Huhn in meinem Zelte und stand dabei so sehr unter dem Eindruck des bevorstehenden Abschieds, dass sie kaum ein Wort hervorbringen konnte. Ich versuchte, sie zu zerstreuen und zu trösten, und wurde dabei spater durch ihre Tante, nach Usun die alteste und oberste Priesterin von Tandjong Karang, unterstützt. Auch sie hatte mir viele Beweise ihrer Erkenntlichkeit gegeben, aber schon ihr Ausseres verriet die ernste Matrone, die sich z. B. über ihre spezielle Wissenschaft nie gqaussert hatte. Bemerkenswert war der Takt, mit dem sie ihre Nichte.dazu brachte, sich unserem peinlichen Zusainmensein zu entziehen. Sie sprach zuerst über'das Zeichen der Zuneigung, das mir Ulo gegeben, dann über meine eventuelle Rückkehr und die Schwierigkeiten der Mahakamreise;. dabei legte sie voll Mitgefühl die Hand auf Ulos Arm und geleitete sie so nach Hause. Aus Furcht, in meiner Achtung zu sinken, hatte mir Ulo bis zuletzt ein Leiden verschwiegen, das ich bei anderen Frauen ihres Stammes mit Erfolg kuriert hatte. Die übrigen Kajanfrauen gaben mir bei der Abreise ihre W^tschatzung auf sehr| eigentümliche Weise zu erkennen. Sie fürchteten, dass die Seelen ihrer Kinder ihrem I Wohltater folgen kömrten, und hielten mir daher beim Abschied die hdwüt hin, um die 1 Seelen der Kinder durch Gebetssprüche zu bewegen, von mir wieder auf die Tragbretter j zurückzukehrèn. An jede h&w&t hatten sie eine Schnur befestigt, um die Seele bei ihrer Rückkehr mittelst eines Knotens zu binden. In den Knoten steckten sie darauf ein Fingerchen der KLeinen, damit die Seele endlich in ihren richtigen Wohnplatz zurückgeleitet werde. Hauptsachlich die einflussreichen alten Manner besitzen ein stark entwickeltes Ehrgefühl, das sie bisweilen einen eigenen Vorteil übersehen lasst, nur um sich nicht haè zu fühlen. So bot mir einst einer der vornehmeren Manner einen durch sein Alter wertvollen Hammer zum Kaufe an. Gewöhnt übervorteilt zu werden und den wahren Wert des Stückes nicht kennend bot ich viel zu wenig. Der Mann hielt aber das Feilschen für unter seiner Würde und liess mir den Hammer für den gebotenen Preis. Erst viel spater erfuhr - 31 — ihres Glaubens willen die auf ihr Bestehen drückenden Bande der pèmali und Vorzeichen nicht so geduldig gefallen, wie die körperlich und geistig schwacheren und daher angstlicheren Stamme. Der Unterschied zwischen Bahau und Kënja ist hierin am bemerkenswertesten. Beide Stammgruppen haben ja den gleichen Gottesdienst und ihre pèmali und Vorzeichen sind im Grunde dieselben, nur sind diese bei den Bahau mehr bis in Kleinigkeiten entwickelt als bei dén Kënja. Unter ersteren sind alle Erwachsenen verpflichtet, den pèmali streng nachzuleben, unter letzteren ist dies mehr den Priestern aufgetragen, so dass die Masse der Bevölkerung sich freier bewegen kann. Bei den Bahau z. B. darf niemand Hirschfleisch essen, bei den Kënja ist dieses nur den Priestern verboten. Wahrend die. Bahau sich bei ihrem Reisbau nur wenig nach Trockenheit und Regen oder nach dem Zustand ihrer Felder richten, sondern alle Stammesglieder sich dem Hauptlinge fügen, der die erforderlichen Zeremoniën für bestimmte Feldarbeiten verrichten lasst, beachten die Kënja diese sehr hinderlichen und nachteiligen Vorschriften nur in viel geringerem Masse. Zwar lasst auch bei diesen der Hauptling die nötigen Zeremonien ausführên, doch ist dann jeder frei, mit seinem Felde vorzunehmen, was ihm gutdünkt, wodurch die Ernteaussichten wesentlich gebessert werden. Die Bahau klammern sich ganz allgemein viel angstlicher an ihre pèmali als die Kënja. Trotz eines jahrelangen Zusammenwohnens mit jenen fühlte ich mich doch verpflichtet, mich ebenso streng an ihre Auffassungen zu halten wie sie selbst. Nur in sehr dringenden Fallen wagte ich, in ihrer Verbotszeit auf Reisen zu gehen oder einen Kranken zu empfangen und war daher ebenso wie sie von der Aussenwelt abgeschlossen. Ihre eigenen Dorfgenossen hessen sie einst nach einem 8 monatlichen Zuge bei der Rückkehr lieber im Walde bleiben und hungern, als dass sie das lali im Dorf geschandet hatten, indem sie die Heimkehrenden einliessen oder ihnen Essen brachten. Als ich dagegen, wie in der Reiseerzahlung berichtet, mit meinen Begleitern bei den Kënja ankam, und im Hause des vornehmsten Hauptlings ebenfalls Mi herrschte, liess er für die priesterliche Familie, die sich in seinem Hause befand und die Haupttragerin der pèmali bildete, schnell ein neues Haus bauen, wonach er uns bei sich aufhehmen durfte. Anliche Beispiele sind an anderer Stelle in Q. d. B. bereits erwahnt worden. Die Kënja suchen vor jeder Unternehmung ebenso gewissenhaft wie die Bahau nach guten Vorzeichen, aber sobald diese mit den Forderungen des Augenblicks in Konflikt geraten, wagt man sie zu vernachiassigen. Droht eine Gefahr, liegt z. B. der Feind in der Nahe versteekt, so achten die Kënja überhaupt nicht auf die Omina. Wir sehen also, dass bei den Bahau die strengere Befolgung eines entwikkelteren Systems religiöser Gebrauche gleichen Schritt halt mit ihrem Rückgang in vielen physischen und psychischen Eigenschaften. Auf Grund der vorhergehenden Ausführungen glaube ich für die Dajak von MittelBorneo bewiesen zu haben, dass ihre geringe Volksdichte hauptsachlich von den ungünstigen hygienischen Verhaltnissen, unter denen sie leben, und ihrem niedrigen Entwicklungsstandpunkt abhangig ist, ferner, dass diese Umstande nicht nur in körperlicher sondern auch in geistiger Hinsicht höchst nachteilige Folgen für sie gehabt haben. Eine kraftige Stütze für diese Behauptung fanden wir in den Kënja, die, was die Bevölkerungszahl und geistige Entwicklung betrifft, so viel günstigere Verhaltnisse aufweisen, was schwerlich einem anderen Umstand zugeschrieben werden kann, als der höheren Lage ihres Wohnplatzes, wo vor allem die Malaria so viel weniger heftig auftritt. — 33 — von lebenden oder toten Wertgegenstanden gunstig gestimmt werden, andererseits durch diejenigen Dinge, die auch den Menschen Abscheu und Angst einflössen, in die Flucht geschlagen werden. Ich beobachtete einige Male, dass der Sohn Kwing Ibangs, des Hauptlings der Mahakam Kajan, bei heftigem Sturme aus- dem Hause stürzte und, um den> Geisterri zu imponieren und sie gleichzeitig zu besanftigen, das erste beste Tier, das ihm in den Weg kam, einmal ein Schwein, einmal ein Huhn, mit Schwertschlagen tötete. Ein anderes Mal stürzte ein Mann, in der einen Hand ein gezogenes Schwert in der andern einen Schadel haltend, wahrend eines Sturmes aus dem Hause, um den Sturmgeist in die Flucht zu schlagen. Auch durch Schreien suchèn die Bahau die Wind- und Regengeister zu vertreiben; hilft dieses Mittel nicht, so stellen sie zur Abschreckung einen Schadel vor das Haus. Als wir auf einer Reise mit den Mendalam Kajan von einem heftigen Gewitter überfallen wurden und sehr nahe Donnerschlage uns erschreckten, zogen die Kajan sogleich ihre Schwerter halb aus der Scheide, um die gewaltigen Geister zu verjagen. Diese Naturgeister üben auch direkten Einfluss auf das Leben der Menschen aus; so werden bestimmte Vergehen durch die tö bëlarè, Donnergeister, bestraft. Das Lachen über Tiere z. B., das bei den Bahau als Verbrechen gilt, wird durch die tö bëlarè sogleich gestraft, indem sie dem Schuldigen den Hals umdrehen. Es ist daher sehr unvorsichtig, mit einem Huhn, Hund oder Schwein etwas vorzunehmen, was die Leute zum Lachen bringen könnte. Als am Mahakam plötzlich ein kleines Madchen, wahrscheinlich an Vergiftung, starb, schrieben die Dorfbewohner ihren Tod dem Umstand zu, dass sie über irgend ein Tier gelacht haben sollte. L Ausser diesen Naturgeistern, die sich als Bütz, Donner, Wind und Regen aussera, kennen die Bahau noch eine Schar anderer tö, die, je nachdem wie sie sich den Menschen gegenüber verhalten, als gute und böse bezeichnet werden. An jene wendet man sich bei Krankheit, Unglücksfallen und bösen Traumen um Hilfe, diese, als die Unglückstrager, sucht man durch Gewaltmittel zu vertreiben oder durch Ópfer zu beschwichtigen. Die tö werden, je nach der geistigen Entwicklungsstufe, welche die einzelnen Bahau einnehmenr verschieden aufgefasst. Wahrend man die gewöbnlichen Leute nur von den tö, als den Urhebern ihrer Freuden und Leiden, sprechen hört, betrachten die höher Stehenden, wie die Hauptlinge und Priester, die tö nur als die direkten oder indirekten Werkzeuge eines obersten Gottes Tamei Tingei (= unser hoher Vater). Wenden wir uns, bevor wir naher auf die tö eingehen, im folgenden den höheren geistigen Machten der Bahau zu. Lhr ganzes Weltall wird von dem eben genannten Tamei Tingei, dem Allvater, beherrscht, der mit seiner Gemahlin Uniang Tënangan über allen anderen von Geistern und Menschen bewohnten Regionen lebt. Ausser dem Allvater erkennen die Bahau noch andere hohe Götter an, die unter Tamei Tingeis Oberherrschaft im Weltall bestimmte Rollen zu erfüllen haben. Es sind dies: Bjaja Hipui (= alter Hauptling), die Mutter der Kajanwelt und Beherrscherin der guten Geister, jetzt mit Howong Hwan vermab.lt und Amei Awi (= Vater Awi) und dessen Gemahlin Buring Unè, welche die Erde und ihre Erzeugnisse beherrschen. Götter, Geister, Menschen und Seelen der Verstorbenen wohnen im Weltall nicht durcheinander, sondern in bestimmten Schichten oder Regionen, die zum Teil besondere Namen tragen; es existieren deren fünf, namlich: I. A. f. K. Bd. XXIV., Suppl. 5 - 34 S- •1. oberste Region, bewohnt von Tamei Tingei und dessen Gemahlin üniang Tënangan; .2. Apu Lagan, bewohnt von Djaja Hipui und dessen Gemahl Howong Hwan; 3. Apu Kësig, bewohnt von den Seelen der Verstorbenen; 4. die Erde, bewohnt von den Menschen; 5. unterirdische Region, bewohnt von Amei Awi und dessen Gemahlin Buring Unè. Für die gebildeteren Bahau ist Tamei Tingei derjenige Gott, w'elcher das Lebenslos der Menschen beherrscht, der bereits hier auf Ërden denjenigen straft, der sich Übertretungen der adat und andere Übeltaten zu Schulden kommen lasst, und denjenigen belohnt, der sich durch gute Werke auszeichnet. Er ist allwissend und hat zur Vollstreckung seines Willens eine Schar böser, die Erde bewohnender Geister' zur Verfügung. Man sollte vom Allvater, der nicht nur straft, sondern auch belohnt, erwarten, dass ihm ausser den bösen Geistern' auch gute direkt zu Diensten stehen. Ich habe aber letztere nie erwahnen hören; es ist daher wahrscheinlich, dass Tamei Tingei sich für seine Zwecke der im Apu Lagan unter Djaja Hipuis spezieller Aufsicht stehendeh guten tö bedient. Amei Awi und Buring Unè beherrschen die Erde und den Ackerbau. Da das Gelingen der Ernte von ihnen abhangt, wird ihnen besonders bei den Saatfesten und beim Beginn der Erntefeste geopfert. Sie leben in aller Herrlichkeit auf einer Erde, die unter derjenigen der Menschen liegt und so fruchtbar ist, dass sie nahrhaften Reis und Früchte aller Art in Hüile und Fülle hervorbringt. Wahrend Tamei Tingei, Amei Awi und ihre Gemahlinnen von Anbeginn an Gottheiten gewesen sind, lebte. Djaja Hipui, die Beherrscherin der guten Geisterwelt Apu Lagan, einst als menschliches Weib auf Erden und zwar im Stammland aller Bahau, im Apu Kajan, als Ehefrau von Tamei Angoi, einem Hauptling am Kajanufer. Djaja Hipuis Vorgeschichte ist folgende: lm Apu Kajan, wo für gewöhnlich ein Überfluss an Reis und herrlichen Früchten herrschte, trat einst Hungersnot ein. Daher begab sich Tamei Angoi, Djaja Hipuis Gatte, mit seinem Sohne Tëkwën, auch wohl Sunung KuU genannt, in das Land Lagan Pau, um dort für Gonge, Schwerter und Perlen Reis einzukaufèn. Aber auch dort herrschte Reisnot, so dass sie sich unverrichteter Sache auf den Rückweg machen mussten. Zum Übermass des Unglücks ertrank Tëkwün unterwegs in den WasserfaUen des Flüsschens Lirong. Tiet gebeugt kehrte der Vater in sein langes Haus am Kajan zurück; sein Kummer wurde von Djaja Hipui und dem ganzen Volke geteilt. Als Tamei Angoi nach Ablauf der Trauerzeit zufallig auf eine Leiter stiess, die nach oben in die Geisterwelt Apu Lagan führte, beschloss er in seiner Not, von dort mit Hilfe seiner Tauschartikel Reis für seine hungerndeü Untertanen zu holen. So stieg er denn voller Hoffnung die Leiter hinauf und gelangte vor Buring Bango, die Frau, die damals den Apu Lagan beherrschte. Tamei Angoi wurde für seinen Mut belohnt; denn er fand hier nicht nur einen Überfluss an Reis, sondern feierte auch Wiedersehen mit seinem Sohne Tëkwën, Leider durfte ihm dieser aus dèr Geisterwelt nicht wieder auf die Erde folgen, was die Freude des Vaters, der im übrigen sehr befriedigt von dem Erfolg seiner Unternehmung in sein Land zurückkehrte, etwas beeintrachtigte. Kaum hatte Djaja Hipui erfahren, dass ihr altester Sohn im Apu Lagan wohnte, als sie sich auf Erden nicht mehr halten liess; trotzdem weder Tamei Angoi noch ihr jüngerer Sohn Imu Djoatut d&s Land, in dem sie bis jetzt so glücklich gelebt hatten, verlassen wollten, beschloss die Mutter dennoch, zu ihrem Tëkwan überzusiedeln. Ein grosser Teil — 35 - der Dorfbewohner schloss sich Djaja Hipui an und so stiegen sie geméinsam auf der Leiter nach oben, worauf sie diese zerbrachen. Buring Bango jedoeh wollte die Neuangekommenen in 'ihrem Reiche nicht aufhehmen, daher entbrannte ein heftiger Kampf. Buring Bango wurde besiegt und gezwungen, nach Pu-u Siu zu flüchten und ihr Reich Djaja Hipui zu überlassen. Von Tamei Angoi und Imu Djoatut, den auf Erden Zurückgebliebenen, stammen sammtliche Bahau ab. Djaja Hipui lebt mit den Ihren'im Apu Lagan nach der Weise der Bahau auf Erden, in langen Hausern, an einem Flussufer. Ober- und unterhalb von Djaja Hipuis Hause stenen je zwölf dieser langen Hauser und zwar heissen die zwölf ersten, von oben gerechnet: Ingan I; Bua Kudjd; Ulo Lawing; Paren Tingin; Parën Balui; Batang; Uniang Awang; Utan; Ingan II; Bua Kaping; Tijung und Apu Lagan. Die Namen der flussabwarts .gelegenen Hauser sind mir nicht bekannt. . Djaja Hipui greift auch in das Lebenslos der Menschen ein; wird sie z. B. zu haufig oder zu ungelegener Zeit, besonders durch Fluchen, angerufen, sa straft sie. Die guten Geister des Apu Lagan sind den Bahau gunstig gesinnti sie beseelen.die Priester und helfen ihnen dadurch, die in Krankheitsfallen entflohenen Seelen der Menschen zurückzurufen; sie beseelen auch die Tatowierkünstler, Hirschhornschnitzer, Schmiede und ahnliche Leute; auch sind sie es, die mit Hilfe von Tieren, Traumen und Begebnissen aller Art die Bahau auf das, was sie tun und lassen müssen, aufmerksam machen. Über die Vorstellung, die sich die Bahau von den Aussehen der guten tö machen, habe ich nie etwas vernommen. Dagegen schreiben sie den strafenden Geistern, die sie daher als die' „bösen (djd-dk)" bezeichnen, alle Körpereigenschaften zu, die sie selbst an ihren Nebenmenschen unangenehm und hasslich finden. Die bösen tö sind menschenahnliche Wesen mit grossen, dicken Leibern, riésigen Augen in grossen Köpfen, schweren Hauern, dichter langer Behaarung und aussergewöhnlicher Starke. Die den Donner und Blitz verursachènden tö bëlarè sind z. B. so stark, dass man glaubt, vom Blitz getroffene Baume seien von ihnen auseinander gerissen. Das Blitzen erzeugen sie durch das Funkeln ihrer Augen, das Donnern durch das Tonen ihrer Stimmen. Sie bewohnen gewöhnlich Höhlen an Bergabhangen und bilden ahnliche Gemeinwesen wie die Bahau. Auch die übrigen bösen Geister suchen sich als Wohnplatze die Orte aus, .die auf das Gemüt der Menschen einen beangstigenden Eindruck hervorbringen, wie stark bewachsene Berge, dunkle Waldgebiete, Felshöhlen und eigentümlich geformte Felsen und Steinklumpen. Viele Berge werden von den Eingeborenen wegen der dort hausenden Geister genheden und auch mir gestatteten sie öfters nicht, in die NShe einer Berghöhle zu gehen. Bei der Besteigung des Batu Kasian hörte ich den Hauptling Kwing .Irang unseren Pflanzensucher fragen, ob er nicht'die Höhle des dort lebenden bëlarè entdeckt habe. Wahrend der Reise warfen meine Trager mit Steinen und Holzstücken nach allen. Höhlen und Felsen, die für Wohrisitze von Geistern galten. Einst sah ich einen Mann den Mond anspeien, ich weiss nicht aus welchem Grunde. Als weitere Abschreckungsmittel für böse Geister dienen auch menschliche Phantasiegestalten, deren Genitaliën übertrieben gross dargestellt werden. Derartige Figuren, mit Schild, Schwert und Speer bewaffnet, werden, besonders wenn Krankheiten im Lande herrschen, an den Pfaden langs des Flussufers aufgestellt. Auch Genitaliën an und für sich — 42 — Epilepsie, sie gehörten aber nie zu den dajung, die alle als brave Hausmütter und -vater ihren Pflichten auf ruhige Weise nachkamen. Die dajung gêniessen seitens des Völkes grosse Achtung; selbst wenn. die Ungeschickteren unter ihnen bei den religiösen Tanzen oft unverstandüche und komische Sprünge und Bewegungen ausführen, erregen sie doch nie die Heiterkeit der Zuschauer. In sexueller Hinsicht spielen die dajung auch durchaus nicht die Rolle der blian (Priesterin) und des basir (Priester) am Barito; ihr sittliches Leben ist untadelhaft. Das Priesteramt verschafft an und für sich keine .besonderen Vorrechte und Vorteile. Die eifrigen und gewandten dajung können allerdings,-trotzdem sie einen Teil ihrer Einnahmen den sie beseelenden Geistern und höheren Göttern opfern müssen, sich durch ihr Amt eine reiche Erwerbsquelle erschliessen. Die Priesterinnen sind verpflichtet, den Verbotsbestimmungen strenger als die Laien nachzukommen. Ausserlich unterscheiden sich die dajung von den Laien nur, wenn sie ihres Amtes walteh, durch ein bis mehrere besondere Armbander und bei festlichen Gelegenheiten durch schöne, auf besondere Weise geschlungene Schale. Jede Niederlassung am Mendalam besitzt ihre eigenen dajung, die mit emander in keiner Verbindung stehen; auch sind die reUgiösen Gebrauche selbst bei benachbarten, verwandten Stammen von' einander etwas verschieden. Die dajung bedienen. sich wahrend ihrer Amtshandlungen einer besonderen, alteren Sprache, die von der gegenwartigen verschieden ist und dahaun tö (Geistersprache) genannt wird. Ausser durch die Sprache treten die dajung mit den Geistern auch durch Hersteilung verschiedener Gegenstande in Verbindung, die sie selbst teils als Ausdruck ihrer WünsChe, teils als Opfergaben betrachten. Diese symbolischen Gegenstande sind alle aus sehr einfachem dem Pflanzenreiche entnommenem Material verfertigt und werden, wie weiter oben bereits 'ausgeführt ist, mit allen Gegenstanden, Vorschriften und Verbotsbestimmungen,'die auf den Gottesdienst Bezug haben, als pëmali zusammengefasst. Sobald die Priesterschaft mit der Geisterwelt in Verbindung treten will, benachnchtigt sie diese durch Schlage auf alte, kupferne Becken oder runde, kupferne Platten, die 3—4 dm Durchmesser haben und mit einem 5 cm hohen Rande versehen sind. Die vibnerenden Töne dieses Instrumentes begleiten jede religiöse Handlung, man hört sie aber me bei anderen Gelegenheiten. In der Wirksamkeit der dajung lassen sich zwei Hauptaufgaben unterscheiden: die erste besteht darin, die bruwa des Menschen zu dessen Lebzeiten am Entfliehen zu hindern oder wenn sie bereits entflohen ist, sie zurückzuholen und sie nach dem Tode des Menschen sichèr nach Apu Kësio zu geleiten (anier); die zweite verlangt eine Vermittelung zwischen der Menschen- und Geisterwelt in allen Dingen, die den Ackerbau, die eigenthche Lebensquelle der Bahau, betreffen. Betrachten wir zunachst, wie sich die Priester ihrer ersten Aufgabe ontledigen. Unter einer mëlti verstehen die Bahau eine religiöse Handlung, die den Zweck hat, die beunruhigte Seele eines Menschen, die im Entfliehen begriffen oder bereits entflohen ist, durch besanftigende Mittel und mit Hilfe der guten Geister zum Bleiben bzw. zur Rückkehr in den Menschen zu bewegen: Sobald ein FamiliengUed schlecht getraumt hat, sich krank.fühlt oder Unglück erlitten hat, wird eine dajung zur Vornahme einer solchen — 43 — mêtit herbeigerufen. Auch mit gesunden Menschen wird eine mëlü vorgenommen, wenn es sich darum handelt, ihre Seele für ein bevorstehendes, beunruhigendes Ereignis, wie z. B. eine Reise, feierliche Handlungen u. s. w. vorzubereiten. Soll ein körperlich oder geistig Kranker geheilt werden, so findet die mëUt stets in seiner Wohnung statt. Der gewichtige Tag wird morgens gegen acht Uhr mit einer besonders guten Mahlzeit, an der sowohl die Familie als auch die Priesterin teilnimmt, eingeleitet. Die Mahlzeit besteht aus Huhn, Fisch, Reis, Ei und einer Gemüsesuppe. Von allen diesen Herrlichkeiten wird für die Geister etwas auf die Seite gelegt und spater zu einer Geisterspeise verarbeitet, welche, je nachdeni es sich um Krankheit, böse Traume oder einen Unglücksfall handelt, mit besonderen Zutaten versehen zu einer bliïkti,, dem materiellen Ausdruck des von dem leidenden Teil Gewünschten, vereinigt wird. Einige dieser Geisterspeisen werden an die Kindertragbretterund die Dachfenster, durch welche die guten Geister eintreten sollen, gehangt. Ausser durch Leckerbissen erfreuen die dajung die guten Geister auch durch Geschichtenerzahlen; am Boden hoekend berichten sie ihnen stundenlang die Stammesgeschichte oder sie erzahlen ihnen allerlei Sagen, wie die von Bèlawan Buring, von denen sie apnehmen, dass auch die (6 sie mit Interesse und Vergnügen ahhören. Mit allerhand derartigen Vorbereitungen verstreicht der Vorrhittag; nachmittags schlachtet einer der m|innlichen Hausgenossen ein Ferkel, dessen Blut auf Bananen- und sawangBlattern (Cordyline javanica BI. /3,) aufgefangen wird, um spater bei der eigentlichen mëlti als Geistertrank zu dienen. Unterdessen hat sich die Priesterin auf einer schonen Rotangmatte vor dem offenen Dachfenster, durch welches die Geister eintreten sollen, niedergelassen und zwar nach Kajanweise mit gekreuzten Beinen hoekend, das Haupt auf die rechte Hand gestützt. Vor ihr stenen allerhand schöne Dinge: hübsche Zeugstücke, Perlenketten, alte Schwerter und Gonge, ausserdem die bliïkë. Am Dachfenster hangt die alMn bruwa, der Seelenweg, eine Schuur mit Lockmitteln, welche der entflohenen Seele bei der Rückkehr den Abstieg durch das Fenster erleichtern soll. Die singende Priesterin sucht nun mit Hilfe der Geister von Apu Lagan die vérirrte Seele des Patiënten langs des Man bruwa zurückzuholen. Glaubt sie ihr Ziel erreicht zu haben, so befördert sie die Seele in ein Körbchen mit Geisterspeise (Taf. II Fig. 22) und setzt dieses, nachdem es sorgfaltig geschlossen worden, in einer. dunklen Ecke der Wohnung nieder. Hierauf geniesst die Familie wieder ein kraftiges Mahl, bei dem das Ferkelchen das Hauptgericht ausmacht. Der Einbruch der Dunkelheit giebt das Zeichen für den Beginn der eigentlichen meTM. Türe und Fenster werden geschlossen, ein altes Schwert und eine Speerspitze-(Taf. II Fig. 23) werden mit der Geisterspeise und den mit Ferkelblut besprengten Blattern versehen und der Patiënt niedergesetzt. Er stützt den einen Fuss auf das Schwert, wahrend ihm die Priesterin den Arm von oben nach unten mit der Speerspitze streicht. Die Handlung hat den Zweck, die verirrte Seele, welche die Priesterin vorher aus dem Korbe genommen und in das Haupt des Kranken geblasen, in dessen Körper fest zu halten. Naclfdem der Patiënt wieder in den Besitz seiner bruwa gelangt ist, werden auch seine Angehörigen auf die gleiche Weise behandelt, um für ihr Gesundbleiben zu sorgen. Hiermit ist die mëlM zu Ende und die Priesterin kehrt heim, belohnt mit einem Schwert und vier bis fünf Perlen, deren Wert, wenn die behandelte Familie reich ist, 7'/a fl das Stück betragen kann. Wie im folgenden Kapitel gezeigt werden wird, führen die dajung die meVt, je nach — 44 — dem Zweck, den sie erfüllen soll, auf verschiedene Weise aus; das Prinzip ist aber stets das gleiche: eine Beruhigung der Seele mittelst ihr angenehmer Dinge. An dem Tage nach der rnëUi ist den Hausbewohnern jede Arbeit verboten, auch dürfen sie mit den Dorfgenossen nicht verkehren, ihre Wohnung ist Mi. Als Zeichen hiervon legen sie sich ein besonderes Perlenarmband (lëku mëld) um, in dessen Mitte sich acht rote Perlen, an den Seiten je vier gelbe, vier blaue und vier schwarze, kleinere Perlen befinden; abgeschlossen wird die Kette durch zwei braune Früchte einer Coïx-Art, welche die bösen Geister zu vertreiben im stande ist. Dieses Armband wird erst am Ende des zweiten Tages abgelegt. Ungefahr auf die gleiche Weise wird die mëld vorgenommen, wenn es sich um jemand handelt, der sich beunruhigt fühlt, der schlecht getraumt oder Missgeschick erlebt hat. Gilt es das Wohlsein eines Hauptlings oder das des ganzen langen Hauses, so genügt eine Priesterin für die mëld nicht, sondern es vereinigen sich drei bis vier der altesten, um ihren Einfluss auf die Geisterwelt geltend zu machen. Sowohl bei der mëld als bei anderen Gelegenheiten spielt das Ei als Opfer eine besondere ïtolle. Augenscheinlich liegt der Grund darin, dass ein Ei einen leicht zu beschaffenden und billigen Opfergegenstand bildet; die Kajan jedoeh leiten den Ursprung dieses Gebrauches von folgendem Begebnis ab: Umico, das Kind eines Elternpaares Tëdjülong Apong und Buro Ling, flel einst in den Fluss und kam nicht wieder zum Vorschein. Darüber entstand so viel Jammer und Verzweiflung im Hause, dass selbst die Geister oben aufmerksam wurden und untersuchten, was eigentlich geschehen war. Zwei grosse Geister, Bëlarè Kingan Tuman Tana und Bëlarè Tuman Langit, sandten mitleidsvoll aus ihrem Himmel ein Ei herab, um mit dessen Hilfe die entflohene Seele des Kindes zurückzurufen. Die Eltern wussten jedoeh nicht, was mit dem Ei zu beginnen sei, wickelten es in ein Tuch und legten es unter ihre Schlafstatte. Nachts traumte ihnen, dass es gut sei, das Ei an den Fluss zu bringen und ins Wasser zu werfen. Das taten sie denn auch in aller Feierlichkeit und, als sie nach Hause zurückkehrten, fanden sie zu ihrer Freude das Kind auf der Galerie sitzen. Als die Eltern ihr Kind badeten, trat das Ei an die Oberflache des Wassers und trieb den Fluss hinab,. sie erkannten es jedoeh nicht und stiessen es weg. Das Ei schwamm aber langsam den Fluss wieder hinauf; da nahmen die Eltern es als Spielzeug für das Kind mit nach Hause und bewahrten es in Tüchern. Nach Verlauf einiger Zeit, wahrend welcher das Kind immer gesunder wurde, krochen aus dem Ei ein Hahn und eine Henne hervor. Da merkten die Eltern, dass das Ei ihnen von den Geistern gesandt worden war und eine besondere Bedeutung hatte, und seit der Zeit bringen die Kajan den tö Eier und Hühner als Opfer dar. — 46 — Die Priesterin hat für diese mëld, die abends stattfindet, tagsüber drei pëmali zu verfertigen: das kahè parei, das tuhè Mi und das aö Mi. Das kahè parei (Taf. I Fig. 1) ist ein Stück einer Fruchtschale, an der zwei kawit und einige usut, jede aus zwei an eine Schnur gereihten Perlen bestehend, befestigt sind. Die usut, fünf an Zahl, heissen: usut parei (Eeis), usut baha (entspelzter Reis), usut kanën (gekochter Reis), usut ata (Wasser) und usut apui (Feuer); für alle diese usut verwendet man am liebsten alte Perlen. Unter usut wird im allgemeinen ein Geschenk oder eine Busse zur Besanftigung einer erzürnten Seele verstanden; man bringt z. B. ein usut mit, wenn man als Fremder zu einem kleinen Kinde kommt. Tuhè Mi (Taf. I Fig. 2) heisst ein aus einem Kürbis verfertigter Löffel von altmodischer Form, an den vier kawit mit Mehl, Ei, Fisch und gekochtem Reis gehangt werden. Aö Mi (Taf. I Fig. 3) ist ein hölzerner Spatel, wie man ihn beim Reiskochen stets gebraucht: auch er wird mit einer kawit versehen. Mit dem kahè parei werden bei der stattfindenden mëld alle Famüienglieder von der Priesterin berührt, erst ihr Gesicht, dann ihre Brust. Der Vorgang wird mit pëlesat bezeichnet. Darauf ist jeder mit dem aö Mi ein paar Reiskörner und trinkt mit dem tuhè Mi etwas Wasser. Dann beginnt die Festmahlzeit. Wie alle Gegenstande, welche bei religiösen Handlungen gedient haben, werden auch diese pëmali sorgfaltig aufbewahrt. ■ Der eben erwahnte Reis ist der erste der neuen Ernte. Er muss, nach alter Sitte, in einer auf Backsteinen ruhenden Pfanne gekocht werden. Die Backsteine (Taf. I Fig. 4), drei an Zahl, zwei grosse (dngdn bango) und ein kleiner (dngdn tëpd), werden für diese Gelegenheit besonders hergestellt. Die zwei grossen Steine stehen, auf eine Kante gestützt, auf dem Herde und tragen die Pfanne; der kleinere Stein wird an einen der grösseren gelehnt und tragt eine kawit. Zur Abwehr böser Geister dient ein mit Haken versehener Bambusstab (udak awdk), der beim Gebrauch an den kleinen Stein gelehnt wird. Diese Backsteine sind so ziemlich das einzige Überbleibsel der früheren Töpferkunst, die bei den verwandten, aber von den malaiischen Handlern seltener besuchten Stammen jetzt noch im Schwange ist. Bei der Festmahlzeit wird der neue Reis für alte tapfere Manner auf besondere Weise zubereitet; man kocht ihn, in Bananenblatter eingewickelt, in Form von langlichen Packchen, welche aufgerollt werden. Jeder der Tapferen erhalt acht solcher an einer Schnur befestigten Rollen. Auch das erste Einbringen des Reises in die Scheune findet mit Hilfe dér dajung statt, welche mit den Reisseelen unterhandeln muss, um sie für ihren künftigen Aufenthalt in der Scheune gunstig zu stimmen. Die hierfür verwendeten pëmali sind bei den verschiedenen Stammen verschieden. Die dajung von Tandjong Karang gebrauchen das barang bulit, die von Tandjong Kuda den tëlu mit hiköp bulit und die der Ma-Suling den san Mi. Alle diese pëmali dienen dem gleichen Zweck, dem Anlocken, Auffangen und Aufbewahren der Reisseelen. Zum barang bulit (Taf. I Fig. 5) gehort eine winzige Leiter 5a, ein Spatel 5b, beide mit kawit versehen, und ein geschlossenes Körbchen 5c. In diesem beflnden sich, ausser einer kawit M, Haken und Dornen von Pflanzen 5e und Schnüre aus Pflanzenfasern, um die Reisseele nötigenfalls gewaltsam festzuhalten. Bei der Handlung streift die Priesterin die Reisseele mit dem Spatel langs der Treppe in den Korb, soll heissen: sie bringt die Seele in die auf Pfahlen ruhende Reisscheune. ^^V- INT. ARCHIV F. ETHNÓGR. Suppl. Bd. XXIV. TAF. I. KultgegenstSnde der Bahau am Mendalam. s. S. 46 u. 47. Gr. 1:3. — 51 — auch in Tandjong Karang, werden die Füsse des Kindes in Wasser gebadet, das in zwei hierfür bestimmten Bambusgefassen' mit kawit mitgebracht worden ist. Kürbis und Bambusgefasse heissen zusammen: tawè anak ök = Seelenbefriediger einés kiemen Kindes. Wenn die Kajan durch Vermittlung der Priesterinnen die Hilfe der Geister anrufen, stellen die Priesterinnen für die mëla folgende Gegenstande her : pëmali kaja, kawit mëla" und malat kddjd. Der pëmali kaja ist eine besondere Art von Seelenweg, welchen: die dajung benützt, wenn es eine verirrte Seele mit Hilfe der guten Geister zurückzurufen gilt. Dieser Seelenweg, welcher an dem offenen Dachfenster angebracht wird, besteht in einer kostbaren Perlenschnur mit zwei gelben Perlen als usut. Auf die Schnur folgt ein aus acht Schlingen zusammengesetzter Knoten, der mit einem Packchen von acht Haken aus Fruchtbaumholz vier Perlen, vier' kleinen kawit, einer Hühnerfeder und einem Stück daun hugul (DracaenaBlatt) verbunden ist. Die Perlen, die kawit und das in Schweineblut getauchte Blattstück dienen als Beruhigungsmittel für die herankommende Seele; die Haken bitten um Reichtum; die Hühnerfeder wird bei der eigentlichen mëld verwandt. Die Priesterin streift bei der mëld die zurückkehrende Seele langs des Seelenweges auf den Knoten, den sie in einem Sackchen und. dieses wieder in einem Körbchen bis zum Abend aufbewahrt. Mit der Hühnerfeder bestreicht die Priesterin den Patiënten, nachdem sie ihm vorher im Dunkeln die Seele in das Haupt geblasen hat. Kawit mëld (Taf. H Fig. 23) wird das alte Speereisen genannt, mit dem die dajung den Arm des Patiënten streicht; vier kawit und zwei mit Schweineblut bestrichene Blatter von hugul werden an ihm befestigt. Malat kddjd ist der Name des alten Schwertes, auf welches der Patiënt wahrend der mëld seinen Fuss setzen muss; auch dieses ist mit kawit versehen. Die bldkd (Taf. II Fig. 24), die, wie die anderen pëmali, morgens vor der eigentlichen mëld hergestellt wird, bittet die aufgerufenen Geister um alles, was dem Menschen not tut; sie besteht im wesentlichen aus einem dünnen Flechtwerk in Form einer l'/jGdm gróssen Matte 24a, welche um folgenden Inhalt geschlagen wird: acht sorgfaltig hergestellte kawit 24b, ein Packchen von vier Hühnerfederh {ukur manok) 24c, ein gewundènes Stück Rotang (ukur uting) 24d und zwei Bambusstabe (tawè) 24e. Die drei letzten Gegenstande haben folgende Bedeutug: ukur manok = Mass für Hühner, bitftet die Geister um viele Hühner und giebt zugleich die gewünschte Grösse derselben an; ukur uting = Mass für Schweine, bittet um viele Schweine, ebenfalls mit Grössenangabe; tawè bittet um langes Leben. Kehren die Bahaumanner von einer langen Reise zurück, so müssen sie, bevor sie das Haus betreten dürfen, vier Tage lang in einer für diesen Zweck besonders hergerichteten Hütte abgesondert leben. Der Anführer der Gesellschaft lasst für diese Zeit durch die dajung eine bldkd ajö (Taf. IH Fig. 25) herstellen; sie besteht aus einer 2 Q dm grossen Rotangmatte, auf welcher mittelst eines Rotangstückes 2x8 Blatter von daun long befestigt werden; diese dienen zur Abwehr böser Geister. Zwischen die Blatter wird Reis gestreut. Die bldkd ajö wird 'spater in der Galerie (dwd) afgehangt. Einen wichtigen Gegenstand für die Zeit dieser Absonderung bildet ferner ein alter Feuermacher (Taf. IH Fig. 26) der Bahau, der im taglichen Leben schon langst durch Stahl und Feuerstein ersetzt worden ist. Zwischen den Zalmen einer Gabel aus leichtem trockenem Holz wird ein halbiertes Stück Rotang hin- und herbewegt. Durch die bei der Reibung entstehende Warme werden die abgeriebenen Holzteilchen zum Glühen gebracht und entzünden die feinén Baumbastteile, welche — 52 - unter der geriebenen Stelle auf eine Matte aus tika gelegt werden. Die Gabel wird mit den Füssen festgehalten. Mit dem bereits mehrmals erwahnten lëgèn (Taf. III Fig. 27) möge'die Reine der pëmali abgeschlossen werden. Das lëgèn, ein aus tika geflochtenes Körbchen 27, enthalt alle Gegenstande, die im Leben des Kajan eine Rolle gespielt haben und nicht vernichtet werden dürfen, weil ihre Seelen sich sonst an dem Menschen rachen könnten. Man findet im Körbchen folgende Gegenstande: 1. Einen Bambusbehalter 27a mit dem abgefallenen Nabelstrang (obut) und einen zweiten mit einem habung awut, einem pëmali, das vèrhindern soll, dass das Kind zu viel isst Und dadurch eine zu schnelle Verdauung erhalt. 2. Ein Messerchen 27b aus Bambus (haling obut) und eine hölzerne Unterlage, die für das Abschneiden des Nabelstranges benützt wurden. 3. Die tëwMng 27c, eine ïïalskette der Mutter, welche aus Perlen und 2X4 Früchten zur Abwehr böser Geister besteht und an welcher die hind ana, die Schlinge vom Kindertragbrett, hangt. Ferner sind an der Halskette befestigt: das lëku krawa, das Armband, das gegen Krampfe schützen soll und das lëku pëld, das Armband, welches das Kind zwischen der ersten und zweiten Namengebung tragt. 4. Das.foZ27d, ein Stöckchen, mit dem das Kind zum ersten Mal für die Reissaat LöCher in die Erde bohrte. 5. Ein Kreisel (asing), mit dem das Kind zum ersten Mal beim Saatfest spielte. 6. Die Eierschalen (tëlo Mi), mit welchen das Kind gelegentlich der ersten Namengebung bei der mëld gestrichen worden ist. 7. Das Röckchen (ta-d) und 8. Das Jackchen (bdsong), welche bei der ersten Namengebung zum ersten Mal angelegt wurden. 9. hapin hdwdt 27f, ein Zeugstück, das als Unterlage in dem Tragbrett benützt wurde. 10. Ein Tellerchen aus Kürbisschale (weit Mi) 27e, auf welchem dem Kinde bei der Mahlzeit von Vater und Mutter einige Reiskörner gegeben wurden. 11. Ein Instrument zum Durchbohren der Ohrlappen (natap tëlinga). 12. Ein Stückchen Baumbast mit den Ersten Exkrementen des Kindes 27g. 13. Das lawong tika akar 27h, das Kopfband, welches die Mutter wahrend des ersten Lebensjahres des Kindes trug. 14. Das Bambusgefass, in welchem das erste Badewasser für das Kind geholt wurde. Als bezeichnend für die Denkart der Bahau über ihre bruwa mögen noch die folgenden, persönlichen Erlebnisse und Beobachtungen dienen. Die Angst der Bahau vor photographischen Personenaufnahmen war sehr schwer zu überwinden. .Wahrend meines Aufenthaltes unter den Bahau am Mendalam, der ± 12 Monate dauerte, habe ich deswegen auch keine machen lassen können; am Mahakam gelang es nur nach monatelangen Bemühungen. Auch i durch angemessene Belohnung hatte sich ihre Augst nicht überwinden lassen, da die Bahau überzeugt waren, dass ihre Seele (bruwa) vor Schreck den Körper verlassen köhnte, was Krankheit und Tod zur Folge gehabt hatte. Noch eine andere Eigenschaft der Bahauseele schreckte die Leute von der Photographie ab; die Seele hatte namlich Bild und Original verwechseln und ersteren, somit auch mir folgen können, was natürlich grenzenloses Elend veranlasst hatte; denn es ware dadurch nicht nur der Körper erkrankt, sondern ich hatte — 62 — sehen berühren und dabei sehen, welch ein machtiger Trieb sie dazu zwfngt, sich durch eine solche Naturbetrachtung eine innere Befriedigung zu sichern. Ohne unbewiesene Behauptungen sind wir somit im Stande, uns von dem Werdegang der animistischen Naturphilosophie und des Anthropomorphismus Rechenschaft zu geben. Zur Erlauteïung des Gesagten und der Wichtigkeit dieser Unterabteilung wegen, werden wir uns aber im folgenden noch eingehender mit den Naturerscheinungen befassen. Tylor widmet diesen einen wichtigen Teil seiner Theorie, dem u. A. Durkheim widerspricht; wie bereits auf S. 6 erwahnt, rechnet dieser die Entstehung der primitiven Betrachtungsweise der Naturerscheinungen wie Donner, Blitz, Wind u. s. w. und deren Kult zu den Grundfragen, die der Lösung harren. Von dieser Betrachtungsweise geben wir uns Rechenschaft, wenn wir uns mit der Auffassung der Bahau-Dajak bekannt machen, wie sie auf S. 35 wiedergegeben worden ist. Es leuchtet sofort ein, wie materiell diese primitiv entwickelten Menschen sich das Bild dieser für sie vollkommen unverstandlichen Naturerscheinungen zurechtgelegt haben. Die Blitz- und Donnergeister werden dort als menschenahnliche Ungeheuer mit grossen, dicken Leibem, riesigen Augen in dicken Köpfen, schweren Hauern und furchtbaren Griffen beschrieben. Mit diesen und ihren Zalmen können sie Baume auseinander reissen; man sagt dann, dass dieselben vom Blitz getroffen seien; denn diese Monstra, bëlarè, fliegen beim Sturm durch die Luft und verursachen durch ihr Stimmengelaut den Donner, «darch das Funkeln ihrer Augen den Bhtz.' Deshalb trachten die Bahau sich bei nahen Donnerschlagen mit ihren Schwertern zu verteidigen (In Centr. Borneo II S. 90). Es wurde mir erzahlt, dass man in ganz 'alten Baumen Steinbeile eingewachsen gefunden hatte; diese wurden als ausgebrochene Zahne eines bëlarè betrachtet. Für gewöhhliche Menschen bleiben diese Ungeheuer unsichtbar, ihren dajung nur gelingt es, gelegentlich mit ihnen zu verkehren. Auch ihre Götter und ihre guten und bösen Geister stellen sie sicb wie machtige menschahnliche Wesen mit Körpern vor. Wie aus der Schöpfungsgeschichte S. 57 ersichthch, entsprossen nicht nur die Bahau aus dem pohon hawat, sondern auch ihre Geister und Götter; diese allerdings höher am Stamm, bis endlich ihr Hauptgott Tamei Tingei am Gipfel entstand. •Sie stellen sich die Körper ihrer Geister mit den ihnen Furcht einflössenden Eigenschaften vor, ungefahr wie die oben beschriebenen Donnergeister. Bezeichnend ist in dieser Hinsicht die Verkleidung der Bahau-Manner bei den Tanzen wahrend der Saatfeste (s. Q. d. B. I S. 324); sie wünschen sich dann die grössere Macht der Geister zu eigen zu machen und ahmen zu diesem Zwecke deren Ausseres nach. Ein Mann beschrieb mir einmal den Leichnam eines Geistes, den er im Walde gefunden hatte; die Beschreibung passte am besten auf einen Orang Utan, der im Lande der Bahau nur verirrt vorkommt und den dortigen Menschen also unbekannt ist. Nur einzelne haben ihn in der Nahe der Kuste gesehen. Die ursprünglichen Bahaustamme kennen also weder Naturerscheinungen. noch Geister oder Götter ohne Körper und sind daher im Stande, ihre Naturbetrachtung von Körper und Seele auch auf diese anzuwenden, ohne ihre Philosophie zu andern. Selbst die Krankheitsursachen stellen sie sich körperlich vor, da ihre Priester sie in der Form eines Gegenstandes aus dem Kranken herauszubefprdern behaüpten. In diesem Stadium der materiellen Betrachtung der Natur mit Einschluss der Götter, Geisterwelt und Naturerscheinungen ist der Anthropomorphismus der Naturbetrachtung eine — 63 — logische Folge der Denk- und VorsteUungsart dieser primitiven Stamme. Zwanglos reihen sich seine Ausserungen in das primitive Gedankensystem ein. K Wichtig für die Deutung der Entwicklung des Seelenglaubens ist seine Lokalisierung unter denjenigen Geschöpfen, die Schlaf und Wachen am auffallendsten zu erkennen geben. Weder bei den Pflanzen, noch bei den Gegenstanden, noch bei den Naturerscheinungen wird die Differenzierung in mehrere Seelen, ebenso wenig wie bei den „tular lan" durchgeführt. Ein Schlaf war bei den ersteren auch nicht zu beobachten. Man begegnet ihm nur bei Menschen und ihren mit ihnen oft, wie in der Schöpfungsgeschichte, gleichgestellten Tieren. Nur in der Namensbezeichnung ist ein Unterschied eingetreten, indem man bei den Pflanzen noch von „bruwa" wie bei Menschen und Tieren, bei den Gegenstanden und Naturerscheinungen aber von „tö" spricht. Ein gleichzeitiges Auftreten eines Unterschiedes in der Bedeutung findet dabei aber nicht statt; beide Namen vergegenwartigen die Vorstellungen der diesen Gegenstanden und Naturerscheinungen zugedichteten menschlichen Eigenschaften, hauptsachlich eines menschlichen Gefühlslebens. Diese Scheiduüg hat sich spater -, vertieft; der tö-Begriff muss als ein Schritt in der Entwicklung des. Geister- und Götterglaubens betrachtet werden; die weitere Ausbildung des bruwa-Begriffes fand ebenfalls mehr gesondert statt und trat nur gelegentlich z. B. durch den Ahnenkult auf höherer Stufe mit ersterem in Verbindung. Der springende Punkt in diesem für die Malaien aufgesteUten Werdegang ihres animistischen Glaubens besteht in der Gedankeneigenschaft, die in dieser Abhandlung mit dem Namen des Hamilton'schen Prinzips (s. S. 59) angedeutet wurde. Da sie ein Gültigkeitsgesetz für die niedrigst entwickelten Malaien, für welche sie aus wissenschaftUchen Rücksichten bewiesen werden musste, vorstellt, so lasst sie sich auch zwanglos für die hoch entwickelten Völker dieser Rasse verwenden. Bevor nach diesem Erklarungsversuch für die Form des Animismus dié Rationalitatsfrage studiert werden kann, werden wir uns mit dem auf S. 8 angegebenen Kriterium einer gültigen Erklarüng noch in bezug auf die hier behandelte Formfrage auseinahder zu setzen haben. Gerade anderen Erklarungsversuchen gegenüber hat dieses Kriterium einen besonderen Wert und wir behandeln es deshalb hier einigermassen' gesondert. Vergegenwartigen wir uns namlich den Standpunkt der Religionswissenschaft in bezug auf naive Religion, wie er im Anfang dieser Abhandlung auf S. 2 u. ff. durch einen Abriss aus Prof. Troeltsch's Aufsatz angegeben wurde, so haben wir den Animismus als • eine primitive Ausserung naiver Religion aufzufassen. Es wird sich spater zeigen, wie vollkommen die hier behandelte Form des malaiischen Animismus zu den dort von theologischer Seite aufgesteUten Kriterien naiver Religion passt. Wenn im Lauf der Zeiten unter den verschiedensten Völkern immer aufs Neue naive Religion, den örtlichen Verhaltnissen gemass, in wechselnder Form, zur Ausserung kommt (s. S. 3), so müssen die Grundursachen der Bildung dieser persönUchen, innigen Überzeugung der Anwesenheit einer göttlichen Macht, eines reellen göttlichen Seins mit denjenigen im animistischen Stadium der Völkerentwicklung übereinstimmen. Gerade bei den nicht wissenschaftlich gebildeten Personen, um welche es sich hier meistens handelt, muss eine spontane Entstehung der naiven Religion angenommen werden; für ihre Seelen- und Götterbegriffe kann von einer Entwicklung aus den ursprünglichen, animistischen, verwandten Auffassungen keine Rede sein, da sie diese nicht kennen und dieselben oft in schroffem Gegensatz zü den mit ethischen und — 64 — aesthetischen Elementen verbundenen Seelenglauben der üblichen kirchUchen Lehren stehen. Ist die oben gegebene Erklarung der Entstehung des animistischen Seelenglaubens richtig, so müssen die Ursachen sich auch auf höherer Entwicklungsstufe, ja sogar in unserer Zusammenlebung, geltend machen. Ware eine solche Geistesverfassung jetzt nicht möglich, so würde auch ein essentielles Element, die Form der naiven ReUgion, und damit auch diese selbst nicht mëhr entstehen können. Das reUgiöse Leben unserer Zeit zeigt aber das Gegenteil. In bezug auf das Hamilton'sche Prinzip und seine Existenz in der europaischen Wissenschaft seit den altesten Zeiten habe ich mich bereits auf Seite 90 vom XXILI Bande dieses Archivs ausgesprochen. Dort heisst es: „Von den ersten griechischen Naturphilosophen berichtet Aristoteles, dass sie nichts sorgfaltiger vermieden als die Annahme, etwas sei aus einem nicht vorher Vorhandenen entstanden; vielmehr sei es ihre gemeinsame Überzeugung gewesen, dass Nichts aus Nichts entstehe und Nichts in Nichts vergehe. Im weiteren Verlauf der griechischen Philosophie haben dann alle Schulen für dasjenige, was sie als das wahrhaft Seiende betracht et en, die Pradicate des Unentstandenen ünd Unverganglichen in Anspruch genommen; und von den Systemen der neueren Philosophie gilt genau dasselbe". Wenden wir uns jetzt zu unserer Naturphilosophie, die am besten an unseren Naturwissenschaften studiert werden kann, so begegnen wir folgender Sachlage: auf diesém Gebiet.haben unsere Denker zum allgemeinèn Wohl Grossartiges geleistöt "und fahren immer fort, neue Einblicke in die Natur für uns zu gewinnen. Betrachten wir aber ihr Verfahren etwas naher, so zeigt es sich, dass sie, jeder auf seinem Gebiet, nach genau derselben Methode vorgehen, wie wir diese oben in bezug auf die BUdung des Seelenglaubens der Naturphilosophie also bei den Animisten angetroffen haben. In der Physik, der Chemie u. s. w. sind es einerseits. Stoff und anderseits Kraft, die in Betracht gezogen werden, wo'bei unter Kraft physische oder Naturkraft, nicht mechanische Kraft, verstanden sein will. Will man die Erscheinungen in der Natur studieren, so untersucht man eine jede an sich so genau wie eben möglich und versucht nachher die m gewissen Eigenschaften übereinstimmenden, unter einem einheitlichen Gesichtspunkt, entweder Hypothese oder Naturgesetz zu vereinigen. Forschen wir aber neben diesem Bekannten nach den weiteren Ursachen, nach dem WirkUchen, von welchem die Naturereignisse nur unsere Sinneseindrücke vorsteUen, dann zeigt es sich, dass wir oft gegenüber etwas ganzUch Unbekanntem stehen. Ein einfaches Beispiel möge die Sache erlautern. Zwei Körper im Raume erteilen sich gegenseitig Beschleunigungen in der Richtung der Verbindungslinie; als Antezedentien kennen wir bloss die beiden ruhenden oder sich langsamer bewegenden, als Sequentien die beiden sich schneller bewegenden Körper. Zwischen diesen beiden Erscheinungskomplexen lasst sich aber keine Gleichung aufstellen: es müssen also noch weitere, verborgene Umstande an der Sache beteiligt sein. Das Wesen dieser verborgenen Umstande ist uns unbekannt. Vielleicht ist die wirkliche Natur desjenigen, was wir als ruhende oder bewegte Körper vorstellen, durch den Inhalt unserer Vorstellung keineswegs erschöpft, und würde eine vollstandige Einsicht in dieselbe uns die Identitat zwischen Vorhergehendem und Folgendem erkennen lassen. VieUeicht auch müssten, um die scheinbare Veranderung auf ein Unveranderliches zurückzuführen, nicht unbekannte Eigenschaften ihres Subjektes, sondern ünbekannte WirkUchkeiten neben demselben (etwa stossende Atherteilchen) mit in Rechnung gezogen werden. In dieser Ungewissheit setzen wir für die unbekannten, zur Erklarung des Gegebenen geforderten Faktoren ein x: die Naturkraft; wir sagen, dass die - 65 — spatere schnellere Bewegung der beiden Körper sich aus ihrer. früheren langsameren Bewegung in Verbindung mit der „Schwerkraft" ergeben habe. Und wir verstehen unter dieser Schwerkraft nichts weiter als die Gesammtheit der entweder in dem einen Körper oder in dem anderen, oder in beiden, oder ausserhalb derselben anzunehmenden un bekannten Umstande, welche, in Verbindung mit den bekannten, die Unterordnung der gegebenen Erscheinungen unter eine Identitat, unter das Hamilton'sche Prinzip, dass ein Etwas nicht aus einem Nichts entstehe oder in ein Nichts vergehe, ermöglichen würden. Aus diesen bekannten Umstanden lassen sich nun die Bedingungen, denen jene unbekannten genügen müssen, leicht bestimmen; und so gelangen wir zur Deflnition der Schwerkraft als einer Kraft, derzufolge jeder Körper samtlichen anderen Körpern Beschleunigungen in der Richtung der Verbindungslinie erteilt, welche seiner Masse proportional und dem Quadrate seiner Entfernung von den anderen Körpern umgekehrt proportional sind. Offenbar ist damit die eigentliche Lösung des Problems nur gefordert, nicht gegeben; das Wort Schwerkraft vertritt bloss die Stelle derjenigen wirklichen Eigenschaften oder Beziehungen, welche die wahrgenommene Veranderung verstandlich machen, d. h. auf ein Unveranderliches zurückführen würden". (aus Heymans). Für dieses ganze weite Feld der unbekannten Ursachen führen'wir die Naturkrafte ein. So besitzen wir jetzt Naturkrafte wie Elektrizitat, Schwerkraft, Magnetismus, Lebenskraft u. s. w. Auf alle diese ist mit Recht Schopenhauer's Auffassung anzuwenden: „Kraft ist Ursache, sofern sie unbekannt ist". Eine solche Zurückführung einer Erscheinung auf eine Naturkraft ist ebensowenig eine Erklarung, als das Aufstellen einer Gleichung mit der Lösung derselben identisch ist. Die Naturkrafte sind desbalb keine Erkiarungshypothesen; sie bezeichnen bloss die Stellen, wo eine Erklarung Not tut. Als Galilei eine Reihe physikalischer Erscheinungen aus dem „horror vacui" herleitete, war damit nichts erklart; es war einfach ein Problem erkannt worden. Dieses: wurde dann spater durch die Entdeckung des Luftdrucks, noch spater durch diejenige des Stosses bewegter Luftteilchen umschrieben und eingeengt. Die primitiven Denker haben also bei dem Versuch, sich eine Vorstellung ihrer eignen Person zu bilden, wohl unbewusst dasselbe getan, was auf den Gebieten der Naturwissenschaften noch jetzt geschieht und in Europa von Alters her üblich war. Der Animist besitzt ebenso wie unsere Naturforscher Namen für dasjenige, was als Ursache der wirklichen oder der vermeintlichen Eigenschaften des Stoffes unbekannt bleibt. Ein solcher Name wird oft unbewusst als etwas Bestimmtes, Gegenstandliches aufgefasst und gebraucht. Wie wenige begreifen es jemals, dass Namen wie Elektrizitat, Schwerkraft u. s. w. nur die Zusammenfassungen für das Ursachliche, das unbekannt geblieben ist und vielleicht für uns Menschen unergründlich bleiben wird, bedeuten? Vielfach wird auch im taglichen Leben ein ahnlicher physischer Kraftbegriff ohne Kenntnis seiner wahren Bedeutung verwendet. Man denke nur an Wörter wie Lebenskraft, Kraft eines Giftes oder einer Medizin, Geisteskraft u. s. w. Hieraus ergibt sich, dass auch wir diesem selben Gedankengang, selbst bei unseren systematischen Naturuntersuchungen unterworfen bleiben; diese Vorbedingungen für die Entstehung naiver Religionsformen mit Charakterzügen, die dem Seelen- und Götterglauben des Animismus ahnlich. sind, stimmen also mit der gegebenen Erklarung überein und verleihen ihr eine wichtige Stütze. Den Seelenglauben unserer hoch entwickelten Religionen kann man zum Vergleich L A. f. E. Bd. XXIV. Suppl. 9 — 78 — z. B. bei den grossen Festlichkeiten nach der Ernte, nach Vorzeichen, nach der glücklichen Rückkehr von Kopfjagden gebracht; Abwehropfer gelten den Sturm- und Donnergeistern. Sühnopfer kommen bei der Pflege der Schadeltrophaen vor; Pietatopfer finden statt, wenn man langst Verstorbenen noch Kleider u. s. w. gelegentlich eines neuen Begrabnisses zukommen lassen will. In seiner sehr ausführlichen und vorzüglichen Abhandlung über „das Opfer bei den Toba-Batak auf Sumatra" (Arch. für Reügionswissenschaft Bd. XVIII) schreibt Herr Missionar J. Warneck auf Seite 359: „Aus dem Gesagten ergibt sich bereits, dass es verschiedene Arten von Opfern gibt: Abwehropfer, solche aus Pietat, Bittopfer, Dankopfer, Sühnopfer". Diese Toba-Batak sind in bezug auf Kulturhöhe unseren Dajakstammen sehr ahnlich, wenn jene in früheren Jahrhunderten auch mehr dem Hindueinfluss ausgesetzt gewesen sind. Legen wir jetzt den religiösen Erscheinungen dieser primitiven Malaien den Masstab der auf Seite 3 erwahnten Anforderungen einer naiven Religion an, so können wir wohl nicht umhin, diesen Kult der Bahau- und Kënjastamme als „eine rationelle Folge der vorherrschenden, natürlichen Zustande" zu erklaren. Da der Wahrheitsgehalt der Religion als die rationelle Ausserung der Einwirkung der Wirklichkeit auf die Persönlichkeit des Menschen betrachtet werden muss, so springt uns in den einfachen Verhaltnissen dieser Zusammènlebungen die unmittelbare Demonstration einer solchen Wahrheit in die Augen. Der Kult, der der Geister- und Götterwelt dieser Dajak zu Teil wird, bildet ihren rein persönlichen und menschlichen Rettungsversuch gegenüber der wirklich überwaltigenden Übermacht ihrer natürlichen, ausserlichen Existenzbedingungen. Gerade diese Rettungsversuche sind offenkundig auf ein vom Willen dieser Menschen gestaltetes Ziel, die Verbesserung ihrer Lebenslage, gerichtet; sie beanspruchen also vollkommen die Erkenntnis, dass es sich hier um eine durchsichtige, rationelle Form der naiven Religion handelt. Es leuchtet also ein, dass der Inhalt dieser naiven animistischen Religion ebenso wenig wie ihre früher behandelte Form auf falsche Voraussetzungen beruht, wie es in der Tylor'schen Theorie den Anschein hatte. Dieser Kult ist im Gegenteil ein rationeller Versuch zur Erlangung von Befreiung und Schutz der zum Nachdenken veranlagten Köpfe der Urgesellschaft dieser Dajak. Hieraus können wir uns auch den machtigen Einfluss, den dieser Glaube in der primitiven Gesellschaft ausübt, erklaren. Bevor wir uns dem Stadium der periferen Erscheinungen dieser animistischen ReUgion zuwenden, um nachzuspüren, in wie fern die Grundlagen der ethischen und aesthetischen Entwicklung der höheren Religionen hier schon in Anlagen anwesend sind, ist es zur Befestigung obiger Erklarung nötig, uns dem neu von mir aufgesteUten Kriterium einer richtigen Erklarung der Entstehungsweise des Animismus (s. S. 8) zuzuwenden. Einer der auf den Vordergrund tretenden Züge der Weltgeschichte ist das Auftreten immer neuer Religionsformen und neuer Formen alterer Religionen; er erweist sich nicht weniger wichtig als die ökonomischen und staatlichen Erscheinungen. In der früheren Geschichte der Völker treten diese Hauptfaktoren dér menschlichen Existenz immer gemischt auf; erst im vorigen Jahrhundert konnte von einer mehr getrennten Entwicklung die Rede sein. Dieses periodische Auflodern des reUgiösen Lebens ist fast immer an das Auftreten einzelner Persönlichkeiten gebunden. Durch die Macht ihrer inneren Überzeugung und ihrer besonderen Eigenschaften sind sie im Stande, das Denken kleinerer und grösserer Teile der Völker ihrer Zeit in die von ihnen gepredigte Richtung zu führen und üben so oft einen — 86 — ihrer tief empfundenen Verehrung und Furcht, mittelst welcher sie ihre Existenz zu bessern versuchen, was ihnen in bezug auf ihre innere Beftriedigung in der Tat gelingt. Die anthropomorph gedachte natürliche Umgebung dieser Menschen offenbart sich ihnen also als die übermachtige Leiterin ihres Schicksals, was 'die Verbindung mit ihr im Kult eröffnet. Wie verschieden die Gefühle sind, die sich in diesem religiösen Kult aussern können, eriauterte uns die nahere Betrachtung der Opfer und Beschwörungen. Wir lernen also das reUgiöse Leben dieser Bahau und Kenja als eine rationeUe Kulturerscheinung, veranlasst durch wirklich vorherrschende Umstande, betrachten. Ihr Gottesdienst ist im Lauf der Zeit gebildet worden und am allerwenigsten als eine Neuschaffung religiöser Erscheinungen anzusehen. Da aber die erkannten Vorbedingungen dieses Naturdienstes sich verscharfen, je tief er man die Entwicklungsstufe 'der Menschheit hinuntersteigt, liegt hier desto eher ein Grund vor, sie als gültig anzuerkennen. Nach der von vornherein in dieser Abhandlung aufgesteUten Forderüng für eine richtige Erklarungsweise der Entstehung naiver Religion, sollen die festgestellten Vorbedingungen bis auf die höchste Stufe der menschlichen Entwicklung nachzuweisen sein. In Anbetracht, dass die Erscheinungen naiver ReUgion anfangs persönlicher Art sind, galt es darüber eine Vorstellung zu gewinnen, wie sich die Stellung des hoch zivilisierten Menschen der WirkUchkeit gegenüber gestaltet. Zu diesem Zweck wurde nachgewiesen, dass wenn auch die moderne GeseUschaft als Ganzes sich eine geschütztere Lage ihrer natürlichen Umgebung gegenüber zu sichern gewusst hat, doch jedes ihrer Mitglieder so wenig alles Wissen seiner Rasse in bezug auf die Natur beherrscht und unser ganzes Naturerkennen relativ noch so wenig einem wirklichen Ergründen dieser Natur sich nahert, dass man zweifellos eine ahnliche Abhangigkeit, auch des gebildeten Menschen von der erkennbaren Natur voraussetzen darf; desto mehr, wenn man in Betracht zieht, dass es sich dabei wohl um die für uns noch nicht zu erfassende Wirklichkeit, nicht aber um den von unseren Sinneswerkzeugen und Gedanken bemerkbaren Teil derselben handelt. Auch die aufgestellte Vorbedingung für den Inhalt des Animismus entspricht also diesem für ihre Richtigkeit nötigen Erfordernis. Diese Ergebnisse stützen sich an erster Stelle auf die Religion der selteneiweise noch ursprünglichen Malaien wie Bahau und Kënja. Bei ihnen fand sich ausserdem noch ein interessantes Verhaltnis zwischen dem vorherrschenden Naturdienst und der doch sehr entwickelten Totenpflege. Anstatt wie gewöhnlich zu einem unentwirrbaren Ganzen mit einander verbunden zu sein, béstehen sie bei diesen Dajakstammen als religiöse und als ethische Kulturerscheinungen nebeneinander. Diese Sachlage bildet einen bemerkenswerten Gegensatz zu. der unter den übrigens mit ihnen so übereinstimmenden Toradja; bei diesen ist die Totenpflege zum Ahnenkult geworden', der sich als perifere ideaüstische religiöse Erscheinung zu der zentralen rationeUen des Naturdienstes gesellt hat. Übersehen wir noch unsere Ergebnisse als Ganzes und betrachten wir die Entstehungsursachen ihrer primitiven animistischen Form als charakteristisch für naive Religion im Allgemeinen, so tritt die Tatsache in den Vordérgrund, dass diese sowohl was Form als was Inhalt betrifft eine rationelle Kulturerscheinung darstellt. Die Vorbedingungen zu ihrer Entstehung liegen in bezug auf die Form in der rationeUen Denkart des Menschen nach dem Hamilton'schen Prinzip; auf niedriger Entwicklungsstufe bestimmt diese kausale Denkart die Entstehung des Seelen*, Geister- und Götterglaubens, bei Zunahme der Naturerkenntnis bildet sie ebenfalls die Basis unserer Naturwissenschaften. — 87 — In bezug auf das Wesen der naiven Religion ergab sich, dass seine Entstehung die rationelle Folge der wirklich vorherrschenden Existenzbedingungen des Menschen darstellt. Bei den niedrig entwickelten Völkern lasten diese auf jedem empfanglichen Individuum infolge seiner ungeschützten Stellung in seiner Zusammenlebung; bei den hochkultivierten Völkern kommen sie durch die geschütztere Stellung, der sich der Mensch in dieser Gesellschaft erfreut, nur bei denjenigen zur Geltung, die entweder durch ihre Veranlagung besonders dafür empfanglich oder durch ihre Lebensart mehr mit der Natur und der Wirklichkeit verbunden sind. Von religionswissenschaftlichem Standpunkt ist die hier gefundene zentrale Stellung des Naturdienstes als rationelle, religiöse Kulturerscheinung sehr bemerkenswert. Wenn in der Tat die in ihm zum Ausdruck kommenden Rettungsversuche der Menschen ihrer Umgebung gegenüber das Wesen der naiven Religion darstellen, so ergibt sich daraus ein fester Anhaltspunkt für das Studium der zentralen und periferen religiösen Erscheinungen der sehr komplizierten Formen verschiedener Religionen. In dieser Hinsicht ist das Beispiel des Ahnenkults, das oben untersucht wurde und sich als perifere, idealistische Erscheinung erkennen liess, sehr bemerkenswert. Da die naive Religion nach den an ihren animistischen Ausserungen festgestellten Besonderheiten tief in der kausalen Denkart und den Existenzbedingungen der Menschen wurzelt, erklart es sich, dass sie sich in der Geschichte unter stets der Kulturhöhe angemessenen Formen immer wieder geltend macht. Zugleich findet der enorme Einfluss der sich aus ihr entwickelnden Religionsformen dadurch eine ungezwungene Erklarung. Zum Schlusse bezeuge ich meinen Collegen, die sich für meine Arbeit interessiert haben und deren Rat mir wertvoll gewesen ist, meinen herzlichen Dank. DIE WURZELN DES ANIMISMUS. DIE WURZELN DES ANIMISMUS, - % * eine Studie über die Anfange der naiven Religion, nach den unter primitiven Malaien beobachteten Erscheinungen, VON Prof. Dr. A. W. NIEUWENHUIS, Leiden, Holland. MIT 4 TAFEL N. Supplement zu^BandXXIV von ..Internationales Archiv für Ethnographie". BUCHHANDLUNG und DRUCKEREI voemals E. j. BRILL LEIDEN E RN EST LEROUX, PARIS. CF. WINTER'SCUE VERLA6SHAN DLUNG LEIPZIG On sale by KEGAN PAUL, TRENCH, TRÜBNER & Co., (Limd), LONDON ' ' 1917 — 2 — KAPITEL I. Untersucliungsweise. — FragesteUung. — Betrachtungen über Tylor's und andere Theorien. — Anforderungen an guitige ErUarungsversuche. — Begrenzung des Untersuchungsgebietes im Malaiischen Archipel. Beim Versuch, das Logische im Denken auf verschiedenen Gebieten der Kultur festzustellen und dann zu erforschen, oh diese Denkform auch unter den Malaien vorkomme, drangt sich das Gebiet der Religion unmittelbar in den Vordergrund. Werden doch die Zusammenlebungen im Ost-Indischen Archipel dermassen vom religiösen Glauben beherrscht, dass dort kein Gebiet des psychischen Lebens an Wichtigkeit ihm gleichkommt. Die höheren Religionen sind nun aber mit dem Animismus, der im taglichen Leben den wesentlichen Teil des Glaubens der Malaien bildet, nur in sofern vergleichbar, als sie alle mehr oder weniger auf naive Religion zurückzuführen sind. In dieser Hinsicht bilden sie alle höhere oder niedrigere Stufen des fundamentellen religiösen Lebens der Menschheit. Für meine Untersuchungen waren die vergleichbaren, möglicherweise logischen Elemente aus dén verschiedenen Religionsformen herauszufinden; ich durfte deshalb nicht den Animismus an sich, sondern nur als eine einfache Form der naiven Religion betrachten. Dadurch bin ich auf den Weg geführt, der mich zu vorliegenden Resultaten leitete. Die Religionswissenschafb behandelt die grossen Gottesdienste der Gegenwart nicht nur in bezug auf ihre Symptomatologie, sondern die Frage nach dem rationellen Wert derselben bildet zu gleicher Zeit einen überaus wichtigen Teil der FragesteUung. Dies hat mich dazu geführt, mich nicht nur mit einer Erklarung der animistischen Erscheinungen zu beschaftigen, sondern mir auch zu vergegenwartïgen, welch ein rationeller Wert ihnen in der malaiischen Welt zukommt. Bald sah ich ein, von welch einer grundlegenden Bedeutung für die Religion im Allgemeinen eine wahre Auffassung der naiven, also auch der animistischen Religion in bezug auf Idealismus und Rationalismus im Gottesdienst ist. Für deren richtigen Begriff ist es aber angezeigt, sich erst kurz die FragesteUung der Religionswissenschafb zurechtzulegen, urn desto leichter die sich in den Vordergrund drangenden Fragen übersehen zu können. Zusammenfassend gibt uns E. Teoeltsoh in seiner: „Phüosophie und Erkenntnistheorie in der Religionswissenschaft" und in seinem „Wesen der Religion und der Religionwissenschaft" hierfür eine sehr brauchbare Übersicht. So führt er auf Seite 6 des ersteren Buches an: „Die Ethnologen und Archaeologen schildern den grossen Grundstpck reUgiösen Denkens, der von der primitiven Psyche in ungezahlten Jahrtausenden prahistorischer Entwicklung gebildet worden ist und dessen Denkformen noch heute bis in die innerlichsten und sublimsten ReUgionen hineinreichen." Auf Seite 465 der zweiten Arbeit spricht er sich folgender Weise aus: „Naive und wissenschaftlich bearbeitete Religion. Urn die reügionswissensehaftlichen Fragen beantworten zu können, ist es vor allem nötig, eine von jeder wissenschaftUchen Deutung und Bearbeitung unabhangige Anschauung von der Religion zu gewinnen, wo mögüchst ohne jede Einwirkung unserer wissenschaftUchen Einreihungen, Vergleichungen, Erklarungen und Zurüekführungen der Gegenstand selbst zur Sprache kommt. Aber nun steht dem freiüch die — 15 — der auseinander geraffelten Lianenstamme, die aneinander geknüpft oder zu Faden ineinander gedreht werden. Hieraus webt man grobe Stoffe, deren Herstellung viel mehr Arbeit und Zeit kostet als die viel brauchbareren Gewebe, die in Europa verfertigt werden. Ferner erleidet eine Bevölkerung auf so niedriger Kulturstufe noch einen besonderen Nach teil durch ihre mangelhafte Arbeitsteilung. Es zeigt sich ni'rgends besser' als in unserem modernen Gesellschaftsleben, wie geeignet dieses Mittel ist, der so geringen körperlichen und geistigen Fahigkeit des Individuums in der Beherrschung und Verwendung der Materie nachzuhelfen. Wo aber jede Famiüe darauf angewiesen ist, sich selbst durch Ackerbau, Jagd und Fischfang zu yersorgen, wo sie ihre Kleidung selbst herstellen, ihre Wohnung selbst bauen und bisweilen alle hierfür erforderlichen Geratschaften selbst verfertigen muss, da stenen ihre Glieder notwendigerweise infolge mangelnder Übung an Fertigkeit weit hinter denen zurück, die aas einer dieser Tatigkeiten ihren Lebensberuf machen. Fasst • man diese oben geschilderten Lebensverhaltnisse ins Auge, so nimmt es nicht Wunder, dass die Bahau nicht zu den kraftigen Menschenrassen gehören; weder sie noch die meisten andere dajakischen Stamme, denen ich begegnete, machten den Eindruck von Menschen mit grosser Lebensenergie. Damit hangt es auch zusammen, dass ein solches Volk sich in höherern Masse als einen Spielball ausser ihm stehender Machte fühlt, als dies bei einem entwickelteren Gemeinwesen der Fall ware. Daher wird auch die Gedankenwelt der Dajak in viel höherern Grade von einem Gefühl der Abhangigkeit gegenüber der Umgebung beherrscht und einige ihrer gesellschafblichen Einrichtungen sind ein unmittelbarer Ausfluss hiervon. Bezeichnend dafür sind ihre Vorstellungen von sich selbst und der Stellung, die sie ihrer Umgebung gegenüber einnehmen. Jene kommen z. B. in ihrer Schöpfungsgeschichte zum Ausdruck, nach der sie selbst gleichzeitig mit ihren Haustieren aus Baumrinde gebildet wurden; auch schreiben sie diesen Tieren und einigen anderen wie sich selbst zwei Seelen zu, und die ganze Umgebung ist von ahnlichen Seelen belebt, welche auch menschliche Eigenschaften besitzen. s. Kap. III Ferner aussert sich dieses Ohnmachtsgefühl in ihrer Überzeugung, dass mit grösserer Macht als sie selbst begabte Geister. sie von allen Seiten umlagern, um sie auf Befehl ihres Hauptgottes bei 'einem Vergehen mit Unglück, Krankheit oder Tod zu strafen. Ihre Angst vor diesen bösen Geistern hat den lebhaften Wunsch in ihnen erweckt, diesen keinen Anlass zu emem Eingreifen in ihr Los zu bieten; hieraus ging ihr Streben hervor, Gesetze zu flnden, nach denen sie in allen Lebenslagen zu handeln hatteji, und so entstanden die zahllosen Bestimmungen, die als pëmali ihr Tun und Lassen in so hohem Masse beschranken. Die Bahau klammern sich mit um so grösserer Angstlichkeit an diesen Glauben, als sie einen Schutz gegen die höheren Machte nicht in sich selbst, sondern in den pïmali zu finden meinen. Da diese ein Ausfluss ihrer Einbildung sind und so wenig auf der richtigen Kenntnis ihrer wahren Interessen beruhen, wird ihre Freiheit, nach den Forderungen des Augenblicks zu handeln, auf sehr unpraktische Weise gebunden. Auch leitet dieser Glaube ihr Streben nach einer besseren Existenz in falsche Bannen und verhindert eine freie Untersuchung der natürlichen Verhaltnisse. In Krankheitsfallen z. B. verhindert er den Bahau, Krankheiten wie wir durch Naturprodukte oder auf der Naturkenntnis beruhende Massregeln erfolgreich bekampfen zu lernen. Ihrem- Mangel an Selbstvertrauen, ihrer Hoffhung auf Hilfe von aussen, ihrer Unkenntnis des Zusammenhangs der Ereignisse, infolge deren bei ihnen alles aus willkürlichen Taten — 16 — der Geister hervorgeht, die nicht anders, sondern nur machtiger als sie selbst sind, ist es zuzuschreiben,'dass der Glaube anVorzeichen sich unter ihnen so entwickelt hat und mit den eigentlichen pëmali ihrer Handlungsfreiheit ein doppeltes Hindernis in den Weg stellt. Geht aus diesem allem bereits hervor, unter welchen höchst ungünstigen Bedingungen der Bahau durch die Eigentümlichkeiten seiner Umgebung und durch seinen Mangel an Kenntnis lebt, und welch einen Hemmschuh letzterer für . seine Handlungen und seine Entwicklung bildet, so ist es wissenschaftlich interessant und von kolonialem Standpunkt wichtig, nachzuforschen, wie der geistige Mensch sich in ihm unter diesen Verhaltnissen ausgebildet hat.' Es hiesse die Tatsachen auf den Kopf stellen, wollte man die physische Schwache der Bahau, die sie zu Sklaven der umgebenden Natur macht, als Folge einer geringen geistigen Begabung auffassen. .Aus dem folgenden werden wir vielmehr ersehen, dass bei den Bahau gute geistige Fahigkeiten vorhanden sind, dass die Verhaltnisse jedoch nur einige wenige gut entwickelt haben, wahrend die übrigen latent geblieben oder, viel wahrscheinlicher, degeneriert sind. Es hat sich z. B. durch haufiges Reisen und vielfache Berührung mit anderen Stammen das Sprachtalent der Bahau besonders entwickelt. Die meisten gereisten Leute sprechen mehrere Sprachen, obgleich man sich im ganzen nordöstlichen Teil von Borneo* sehr gut mit dem Busang verstandigen kann. Hier einige Beispiele unter vielen: Akam: Igau unterhielt sich mit Punan, Taman, Pnihing und Kajan am Blu-u in deren eigenen Sprachen, dazu bediente er sich des Busang und Malaiischen taglich und kannte wahrscheinlich auch noch 1—2 SërawaMsche Sprachen. Eine Frau der Long-Glat, Uniang Pon, sprach gut Busang, Blu-u Kajanisch, Long-Glatisch und verstandlich Malaiisch. Auch die übrigen Frauen lernen Malaiisch, sobald sie mit Malaien in Berührung kommen. Obgleich die verschiedenen Sprachen der Bahau auch dem Laute nach sehr verschieden sind, scheint deren Erlernung ihnen keine Schwierigkeiten zu bieten. Dafür spricht die Tatsache, dass die kleineren Stamme, auch nachdem sie sich politisch mit den grosseren, wie den Long-Glat, verbunden haben, ihre ursprüngliche Sprache beibehalten und sich zum Verkehr mit ihren neuen Stammesgenossen einer ihnen beiden fremden Umgangssprache bedienen. Wie leicht sich die Kajan allerhand Kenntnisse aneignen können, beobachtete ich beim Unterrichten eines Sohnes Akam Igaus, der zwar Malaiisch lesen und schreiben konnte, es aber auch mit hollandischen (lateinischen) Buchstaben erlernen wollte. Obgleich dieser Unterricht einer Kritik schwerlich Stand gehalten hatte, las und schrieb mein'Zögling doch schon im Verlauf eines Monats 'so gut, dass er sich allein weiter helfen konnte und auch imstande war, einen leserlichen Brief zusammenzustellen. In noch einer anderen, vom Kampfe ums Dasein beinahe oder völlig unabhangigen Richtung haben sich, wie wir gesehen, die Dajak, besonders die Bahau, sehr gut entwickelt, namlich in der Kunstfertigkeit und im Kunstsinn. Sowohl Manner als Frauen zeichnen sich hierin aus und ihre Leistungen sind für ihre Entwicklungsstufe bewunderungswürdig. Das dndividuum geniesst in ihrem Gemeinwesen die vollste Freiheit zur Ausbildung seiner verschiedenen Anlagen; die allgemeine Verbreitung dieser Kunstfertigkeit setzt daher den Weissen, der gewohnt ist, sie als das Vorrecht einzelner zu betrachten, in Erstaunen. Manche in anderen Gegenden entwickelten Kunstfertigkeiten gelangten unter dem Einfluss ihrer besonderen Umgebung bei ihnen nicht zur Entfaltung. So sah ich am Mandai Kinder mit Schleudern aus langen Grasblattern spielen, mit denen sie Erdstücke so weit als möglich über den Fluss warfen. In dem mit Waldern — 21 — nach Fortgang des Verkaufers, dieselben Gegenstande anzubieten oder erklarten sich bereit, sie für mich herzustellen. Hierbei gewahrte ihnen die Geheimhaltung des Auftrages, vor allem aber des Preises, eine grosse Genugtuung und spornte sie an, das Beste zu leisten. Den Preis jedoeh lernte ich bald, erst nach Empfang des Kaufgegenstands zu bestimmen; denn die Kajan zeigten eine starke Neigung, sich ihrer Verpflichtungen auf möglichst bequeme "Weise zu ontledigen. Eigentlich lag in ihrer Geheimtuerei viel Naivitat; denn ihre Umgebung, in der jeder von seinem Nachsten alles sehen und hören kann, ist dazu nichts weniger als geeignet. So lange jedoeh der vereinbarte Preis noch nicht allgemein bekannt war, machte es den Kajan besonderen Spass, durch Angabe eines höheren Betrages beim Hausgenossen Neid zu erwecken, vor allem aber, als grosser Geschaftsmann oder als besonders in meiner Gunst stehend zu' gelten. Denen, die mit besonderen Talenten begabt waren, steilte ich auch besondere Aufgaben und dabei war es auffallend, wie selten ein schön gearbeitetes Stück bei den anderen Beifall oder Lob erntete. Viele schwiegen, doch manche fanden bald einen Tadel heraus und der Preis erschien ihnen stets zu hoch. Die gegenseitigen Beziehungen der Beteiligten spielten dabei eine grosse Rolle, und man musste über sie genau unterrichtet sein, um den "Wert ihres Urteils über Personen oder Sachen richtig einzuschatzen. Galt es Personen, die in meiner Gunst standen und hieraus ihren Vorteil zogen, so geschah es nicht selten, dass der eine oder andere nach harmloser Einleitung darauf hmaus zielte, meine Aufmerksamkeit auf deren nachteiligen Seiten zu richten, und einige unter ihnen verstanden dabei sehr geschickt von ihrer Kenntnis europaischer Auffassung gewisser Dinge Gebrauch zu machen. So suchte einst ein bereits betagter Mann ein paar junge Madchen, die4ch gerade gut leiden'mochte, dadurch in meinen Augen herabzusetzen, dass er mich auf ihren intimen Verkehr mit diesem oder jenem jungen Manne aufmerksam machte. Ein anderes Mal versuchte mich ein Kajan am Mahakam wahrend der weitlaufigen Vorbereitungen, die meinem Zuge vom Blu-u nach der Küste vorangingen, zu überreden, mit ihm und > den Seinen statt mit Kwing Ibang und den Mannern des ganzen Stammes die Fahrt zu unternehmen. Als bei einer Beratschlagung die Geschichte ans Licht kam, "ehtstand eine allgemeine Entrüstung. Im übrigen zeigten sich die Kajan beim Leisten von Kulidiensten stets solidarisch, was bei den malaiischen Kuli nie der Fall ist. Sogar vornehme Hauptlinge wie Akam Igau und Kwing Ieang waren über einen derartigen kleinlichen "Wetteifer anderen Hauptlingen gegenüber durchaus nicht erhaben, ja nicht einmal gegenüber ihren Stammgenossen. Bei anderer Gelegenheit habe ich bereits darauf hingewiesen, wie sehr ich mit dieser Eigenschaft bei den Reisezurüstungen rechnen musste. Am Mendalam gewann ich das Herz Akam Igaus, indem ich bemerkte, dass sein Haus im Vergleich zu allen bisher besuchten stark und hübsch gebaut sei. Höchst wahrscheinlich in Folge dieser Bemerkung; begann Tigang, der Hauptling von Tandjong Kuda, einen Monat spater. seine ganze Wohnung mit farbigen Bildern zu schmücken, was in der Tat sehr hübsch aussah. Unglücklicherweise jedoeh baute er in dieser "Wohnung, in der eine gute Lüftung unbedingt notwendig war, nette aber geschlossene Kammern, wie er sie in Pontianak gesehen hatte. Um nicht allzu sehr hinter ihm zurück zu bleiben, liess nun Akam Igau wieder durch seine Hauskünstler eine prachtvolle Tür für seine "Wohnung schnitzen. An Anlassen, einander zu überbieten, fehlt es somit den Kajan nicht. . Für einen intimeren Verkehr mit den Dorfbewohnern schien mir ein langerer Aufent- — 22 — halt am gleichen Orte sehr wünschenswert, daher liess ich mich unter den Mendalam Kajan nur in Tandjong Karang nieder. Die Dajak sehen jedoeh das Schlafen unter ihrem Dache als ein Zeichen von Wohlgeneigtheit an, daher wurde Tigang neidisch und bemühte sich, mich durch allerhand ■' schone Versprechungen zu bewegen, für langer als die eine Nacht, die ich bei ihm verbrachte, zu ihm nach Tandjong Kuda zu ziehen. Da ich seinen Lockungen widerstand,- suchte er mich spater an der Ausfuhrung des Zuges nach dem Mahakam, von dem ich ihn und die Seinen wegen seiner Feindseligkeiten mit Tandjong Karang hatte-ausschliessen müssen, zu verhindern, indem er meine Leute aufwiegelte und sie zu hohen Forderungen veranlasste. Ausserlich liess sein Benehmen jedoeh nichts zu wünschen übrig. Er suchte beim Yerkauf verschiedener Proben der grossen Kunstfertigkeit seines tauben Bruders Adjang so viel als möglich von mir zu profitieren; dabei beging er die dumme Flunkerei, die Gegenstande als seine eigene Arbeit auszugeben. Einen auch bei den Weissen nur zu gut bekannten Charakterzug fand ich auch bei den Bahau wieder. Wenn sie namlich auf alle erdenkliche Weise die schlechten Eigenschaften ihrer Nebenmenschen mir gegenüber hervorgehoben natten, endeten sie mit der Erklarung: „aber ich bin nicht so"; dabei diente ihnen diese Erklarung oft als Einleitung für irgend eine ünterhandlung, bei' der ich mich vor einem Betrug ihrerseits hüten musste. Bei einer der seltenen Gelegenheiten, wo ich mit Akam Igau allein war, musste ich sogar von ihm diese mit grossem Ernst gegebene Erklarung hören. Solche kleinliche Reizbarkeit tat aber dem Frieden keinen Eintrag, da sie durch eine andere,Eigenschaft im Schach gehalten wurde. Diese beruht eigentlich auf ihrem schwach entwickelten Selbstgefühl und besteht in ihrer grossen Empflndlichkeit gegenüber der Meinung- anderer, hauptsachlich ihrer Angehörigen und Dorfgenössen, über ihre Person. Diese Eigenschaft verhindert die Bahau in viel höherern Masse etwas zu tun, was ihre Stammesgenossen nicht billigen würden, als ihre adat, welche dem Hauptling das Recht gibt, Vergehungen mit Bussen zu strafen. Sie fürchten sich sehr davor haè, beschamt, zu .sein vor ihrer Umgebung, und auch sobald sie mit einem angesehenen Fremden, z. B. einem Europaer, verkehren, ist dieses Gefühl eines der unangenehmsten, das sie empfinden können. So erzahlte man mir spater am Mahakam, bei meiner Ankunft habe für sie eine der grössten Schwierigkeiten darin bestanden, nicht zu wissen, wie sie mit mir umzugehen natten. Es nel ihnen denn auch ein Stein vom Herzen, als ich ihnen durch meine ungezwungene Art des Umgangs zeigte, dass ich mit ihrem Benehmen zufrieden sei, und sie trotz ihres Mangels an europaischen Manieren nicht haè vor mir zu sein brauchten. Noch in spateren Jahren verwunderte ich mich darüber, wie viel Gewicht sie auf meine Erklarung legten, dass mir an meinem Zuge nach Apu Kajan so sehr viel gelegen sei, um mich vor meinen Landsleuten spater nicht haè fühlen zu müssen, falls ich unverrichteter Sache zurückkehrte. Diese Erklarung übte bei vielen Unterhandlungen eine starkere Wirkung als eine Auseinaridersetzung der für sie damit verbundenen Vorteile. Bezeichnend hierfür war auch der Kummer eines armen Tropfs, der an einer Hautkrankheit leidend sich mit einer schwarzen sirupartigen Flüssigkeit behandelte und nach ihrer Gewohnheit mit einem Lendentuch von etwas zu kleinen Dimensionen herumlief. In diesem Kostüm hatte er sich einem weissen Beamten aus Putus Sibau, der ihr Dorf besu.chte, prasentiert und dafür einen Verweis erhalten. Bei meiner Ankunft am folgenden Tage hatte er das noch nicht vergessen und gab mir seine Befriedigung darüber zu erkennen, dass ich mich durch seine Erscheinung in meiner Würde nicht gekrankt fühlte. — 23 — In ihren Vorstellungen von Schicklichkeit spielt dies stark entwikkelte Gefühl der Scham eine grosse Rolle, und es war merkwürdig zu sehen, wie die Auffassung' sich auch unter diesem Volk bei verschiedenen Individuen und unter wechselnden Umstanden anderte. Glücklicherweise ermhren diese Begriffe der arztlichen Praxis gegenüber ~ eine gewisse Milderung, sonst ware ich bei der Behandlung dieser beinahe nackten Gestalten auf den gleichen Widerstand gestossen wie bei den stark bekleideten zivilisierter Lander. Bitten um Heilmittel gegen venerische Krankheiten wurden mir, besonders von den Frauen, nur dann vorgetragen, wenn sich niemand in der Nahe befand, und auch dann so geheimnisvoll, wie in einem europaischen Sprechzimmer. Die Malaien von Mittel-Borneo behandeln ahnliche Angelegenheiten dagegen öffentlich und fest ohne Scham. Obgleich die Frauen ihre in unseren Aügen sehr primitive Kleidung beim Baden völlig ablegen, stösst die Besichtigung der für gewöhnlich bedoekten Teile doch auf heftigen Widerspruch. Wenn sie in meiner Hütte am Boden hoekten, zogen sie anfangs die Röcke angstlich über die schön tatowierten Beine, spater, als sie sich heimischer fühlten, durfte hie und da wohl auch ein Knie zum Vorschein kommen, zuletzt kam es ihnen, wie in ihrer Wohnung, nicht mehr darauf an, wie die Rockfalten fielen. Anders verhielt es sich, wenn ich ihre Tatowierung naher besichtigen wollte; ich musste die Frau gut kennen, um sie zur Entblössung eines Beines zu bewegen, bemerkte aber, dass ihr dann ein bewunderndes Wort über das schöne Muster oder die gute Ausführung sehr angenehm war. Eine eigenartige Szene erlebte ich bei der Behandlung eines jungen Madchens, das an einer Schenkelverletzung litt. Sie musste mich in meiner offenen Hütte besuchen, die unter-anderem auch als Sprechzimmer diente. Meist kam sie, wenn sie mich allein wusste, aber einmal erschien sie in Begleïtung einer kleinen Freundin, als die Hütte mit schwatzenden jungen Leuten gefüllt war. Nachdem sie eine Weile im Hintergrunde gewartet, gab sie mir einen Wink, und ich sah an ihren sprechenden Gebarden, dass sie sich vor den vielen Zuschauern verlegen fühlte. Ich musste die fröhliche Schar erst entfernen, bevor sie sich behandeln liess. Vor dem Arzte aber zeigte sie kein falsches Schamgefühl. Wie verschieden dieses Gefühl haè zu werden unter den verschiedenen Klassen der Gesellschaft entwickelt ist, kann man am besten in den Fallen beobachten, wo ihr Egoismus stark gereizt wird. Dieses zeigt sich z. B. bei der Bettelei, deren sich ein jeder im Stamme, vom Hauptling bis zur niederen Sklavin, schuldig macht: die Manner sind im allgemeinen sowohl in ihrer Art zu bitten als in ihren Ansprüchen bescheidener als die Frauen. Unter diesen wussten nur die aus der Hauptlingsfamilie sich zu massigén; das Betteln der Sklavinnen und Kinder dagegen war fast unertraglich. Um alles, was ihnen schön und wohlschmeckend erscheint, betteln sie alle und, obgleich sie oft mit einer Kleinigkeit zufrieden sind, können sie dem Reisenden durch ihr bestandiges Betteln vom frühen Morgen bis zum spaten Abend den Aufenthalt völlig verleiden. Am praktischsten ist es, sich für diese Gelegenheit mit billigem Tand und leicht teilharen Leckereien zu versehen. Ab und zu bietet es übrigens einen angenehmen Zeitvertreib, so vielen Menschen glücklich zu machen; man erschliesst sich dabei viele Herzen und veranlasst manche interessanten Gesprache. Wenn mir die endlose Bettelei bisweilen ganz unertraglich wurde, steilte ich mir vor, was in einem zivilisierten Staate aus einem Menschen werden würde, der so gut wie schutzlos in einer offenen Hütte mit grossen Reichtümern leben wollte, und dann söhnte ich mich mit der Bettelsucht meiner Gastherren wieder aus. Denn wenn auch neben dieser Bettelei eine ungezügelte Neugier zu — 24 — den charakteristischen Eigenschaften der Bahau gehort, so ist es für alle, die mit den Bahau zu tun haben, noch ein Glück, dass dieses Interesse für alles, was ihr Auge Neues erblickt, nicht wie bei anderen Stammen in Diebereien ausartet, wodurch der Aufenthalt gefahrlich wird. Im Gegensatz zu den Europaern sind die Bahau frei von dieser Untugend, das spricht schon aus der Tatsache, dass ich in Tandjong Karang beihahe 11 Monate in einer völlig offenen, beinahe wandlosen Hütte wohnte, in der Schatze nur so zum Greifen bereit lagen, und dass wahrend der Zeit nur ein einziges Mal ein kleines Kind einen blinkenden Löffel fortnahm, der mir gleich darauf wieder zurückgebracht wurde. Unter ihnen selbst nimmt einer Früchte und Sirihblatter vom andern; jetzt wird das fast wie ein kleiner Diebstahl aufgefasst; wenn man aber bedenkt, dass diese Sitte zu den ganz erlaubten Gewohnheiten der Kënja gehöit und auch unter den Bahau vor hundert Jahren noch herrschte, so kann man es schwer als Diebstahl betrachten. Ein Aufbewahren wertvoller Gegenstande hinter Schloss und Riegel ist nicht notwendig. Viele bergen einen Teil ihres Besitzes gegen Brand in kleinen Scheunen, ahnlich den Reisseheunen vor ihren Hausern, und einem geschickten Diebe würde es nicht die geringste Mühe kosten, alle diese Lagerplatze zu plündern; aber diese Sitte selbst spricht für die Seltenheit eines solchen Missbrauches. Obgleich sich die Bahau im allgemeinen kein Gewissen daraus machten, von mir und meinem Besitz nach Möglichkelt Nutzen zu ziehen, zeigten doch einige ihrer Manner öffentlich, dass ihnen das Treiben der Frauen und Kinder offc zu arg schien. Ein alterer Mann tröstete mich einst damit, dass ich mir auf diese Weise lauter Freunde gewinne und dass es viel schlimmer ware, wenn die Leute auf Stehlen statt auf Betteln ausgingen. Sie sehen namlich aus nachster Nahe, wie die Malaien stehlen und haufig sogar vor brutaler Grabschandung nicht zurückschrecken. Als bei meinem zweiten Aufenthalt in Tandjong Karang mein Zug nach dem Mahakam beschlossen war, hielt es Akam Igau für seine Pflicht, mich vor allzu reicher Beschenkung seiner Stammesgenossen zu warnen aus Furcht, dass für die spater Kommenden nicht genug übrig bleiben möchte. Selbst als die eigenen Töchter den Versuch machten, jede noch ein schönes Stück Zeug zu kauf en, liess er seine warnende Stimme hören und ich machte ihm, wie spater noch öfters, das Vergnügen, seinem Rate zu folgen. In ihrer eigenen Gesellschaft wird ein solches Gerechtigkeits- und Ehrgefühl hoch gesch&tzt; bei den Hauptlingen schatzt man es höher als Tapferkeit oder Reichtum. Unter den Mahakam Kajan am Blu-u hatte einer der Mantri, Kwaï genannt, den Ruf ein Jakè marong" (rechtschaffener Mann) zu sein. Zwar kam ich wegen der grossen Entfernung seines Wohnplatzes nur sehr wenig mit ihm in Berührung, aber ich hatte doch einige Male Gelegenheit zu. bemerken, wie gut er sich den Ansprüchen der Seinen gegenüber in meine Verhaltnisse zu versetzen und zwischen beiden Parteien einen Vergleich zustande zu bringen wusste. Er war es auch, mit dem ich wegen des Lohnes der Kajan für die Fahrt den Mahakam hinunter verhandelte. Er fand bei dieser Gelegenheit, dass es von mir zu . viel verlangt heisse, ihnen ausser allem, was sie von mir erhalten hatten, auch noch das grosse Boot zu geben, um welches Kwing Lhang mich gebeten hatte. Als man mir eimnal über die Kënja zu viel auf binden wollte, erklarte er, dass man wenig anderes von ihnen wisse, als dass sie Menschen seien wie sie selbst. Die Ehrfurcht vor dem Alter und die Stelling, welche die Frau im Bahau-Staate einnimmt, scheinen mir Ausserungeh des sanften Charakters dieser Menschen zu sein. Obgleich — 28 — ich, dass der Mann mir den Hammer für % des wahren Preises überlassen hatte, und beeilte mich, ihm den Rest zukommen zu lassen. Ein anderer nahm ohne Widerrede das Geld an, das ich ihm für einen eigenartigen Schwertgriff bot; auch er hatte, wie ich spater hörte, viel zu wenig erhalten. Viele Kajan hielten es auch für unter ihrer Würde, in einem Büche abgebildet zu werden, wovon sie wahrscheinlich durch die Malaien gehört hatten; für die Aufnahme von Photographieen war dies mit ein erschwerender TJmstand. Hieraus geht hervor, dass die Bahau sowohl am Kapuas als am Mahakam für meinen Aufenthalt unter ihnen dankbar waren, in der Ausserung einer Anerkennung jedoeh so sparsam zu Werke gingen, dass ich sie leicht für undankbar hatte halten können. Bei meinem spateren Besuch bei den Kënja merkte ich, dass die Bahau auch im Aussern von Dankesbezeugungen weit hinter diesen zurückstanden. Aus dieser Skizze ihrer Persönlichkeit geht hervor, dass die Bahau psychisch keine . kraftigen, vielmehr furchtsame, reizbare Naturen sind. Einzelne gute Eigenschaften der V Menschen kommen bei ihnen nur ihren Familiengliedern gegenüber zum Vorschein; anderen 1 Stammesgenossen und besonders Fremden gegenüber beherrscht der kleinliche Egoismus I ihrer schwachen furchtsamen Persönlichkeit alle ihre Handlungen. In dieser Hinsicht steht I ihr geistiges Wesen völlig in Übereinstimmung mit dem leiblichen und wir können hieraus 1 den Schluss ziehen, dass die. höchst ungünstigen LebensTaedingungen, unter \denen die Bahau leben, auf ihre psychischen Anlagen ebenso nachteilig 'gewirkt haben wie auf die physischen. Einen Beweis für die Richtigkeit dieser Annahme finden wir in dem Bilde, das wir von den Kënjastammen erhielten,.die unter so viel günstigeren klimatischen Einflüssen leben und daher nicht nur körperlich, sondern auch geistig viel kraftiger als die Bahausfamme gediehen sind. Die Bahau müssen in früherer Zeit, als sie unter dem degenerierenden Einfluss des Talklimas noch nicht gelitten hatten, körperlich und geistig ebenso kraftig gewesen sein wie ihre Stammverwandten, die Kënja. Nach ihrer Geschichte waren sie am Anfang des 19 Jahrhunderts sowohl durch ihre Kopfjagden als durch ihre grossen Kriegszüge bis weit in das Stromgebiet des Kapuas, Barito und Mahakam bekannt geworden und kein Stamm konnte ihnen widerstehen; gegenwartig sind, wie wir gesehen haben, solche Unternehmungslust und Tapferkeit unbekannte Eigenschaften bei ihnen geworden. Für einen europaischen Reisenden, der auch nach langdauerndem Verkehr fortwahrend mit Kleinlichkeit, Angstlichkeit und Misstrauen bei den Bahau zu kampfen gehabt hat und der in seinen Unternehmungen standig durch die eigentümlichen religiösen und anderen Überzeugungen dieser Umgebung gehindert worden ist, erscheint der Unterschied gegenüber den Kënja natürlich sehr auffallend. Bereits bei meiner Ankunft in Apu Kajan bemerkte ich, dass die 150 Kënja, die mir unter ihren vornehmsten Hauptlingen zu Hilfe gekommen waren, in ihrem Auftreten viel freier und lauter waren als mein Bahaugeleite, dass ihre Hauptlinge viel energischer ihre Befehle erteilten und man ihnen auch besser gehorchte. Bei meinem Aufenthalt in ihren Dörfern wurde dieser Eindruck auch durch das freimütige Auftreten 'der Frauen und Kinder sehr verstarkt. Schon die jungen Kënja zeigten einen auffallenden Unterschied gegenüber den jungen Bahau. Bemerkenswert ist die grössere Ausdauer der Kënja bei der Arbeit; sie fiel mir — 29 — hauptsachlich hei unseren langen Fahrten in den Böten bei der für sie ungewöhnlichen Hitze des Mahakam auf. Obgleich sie in ihrer Gebirgsheimat mehr an das Gehen als an das Rudern gewöhnt waren, ruderten sie doch Tage lang viel besser als die Bahau und kamen auch stets viel früher an als diese. Für unangenehme Gerüche waren die Kënja viel weniger empfindlich als die Bahau, die lieber einen grossen Umweg machen, als dass sie an einem ■ Kadaver vorübergehen, und durch Gebarden und Spucken heftig auf schleclite Luft reagieren. Wahrend ich bei der Erzahlung von den Merkwürdigkeiten unserer europaischen Gesellschaft bei den Bahau auf ein absolutes Unvermögen der Vorstellung stiess, was Unglauben verursachte und sie dazu veranlasste, zu versuchen, mich oft erst viel spater auf einer Unwahrheit zu ertappen, bemerkte ich sehr bald an den Fragen der Kënja, dass sie sich doch wenigstens bemühten, sich Eisenbahnen und Ahnliches vorzustellen, und dass sie manche Dinge auch wirklich begriffen. Hauptsachlich lieferte die Erklarung der Bewegung der Sonne und der Sterne und der Entstehung von Tag und Nacht, sowie eine Sonnen- und Mondünsternis ein gutes Kriterium. Natürlich glaubten auch die Kënja nicht sogleich, dass die Erde rund ist und sich bewegt, ebensowenig, dass nicht ein Ungetüm bei der Finsternis Sonne oder Mond verschlingt, aber sie begriffen doch wenigstens meine Erklarung. Praktisch sehr wertvoll für uns waren das grössere Interesse, das die Kënja ihrer Umgebung entgegenbrachten, und die besseren Kenntnisse, diè sie von ihr besassen. Wahrend wir von den Bahau bei der topographischen Aufnahme des Mahakam nicht einmal die Namen der wichtigsten Berge und Flüsse in der ümgegend erfahren konnten, führte mich der KënjafÜrst Bui Djalong auf den Gipfel eines Berges und nannte mir bis zum Horizont zu alle Namen der Berge, auch derer im Mahakamgebiet, die» wir unterscheiden konnten; er gab die zu den verschiedenen angrenzenden Gebieten führenden Wege an, ebensogut als dies ein Europaer getan haben würde. Bei niedrigstehenden Völkern ohne Schr#t»gent die Er inner ung an frühere Ereignisse gewöhnlich schnell verloren, so wussten die Bahau kaum noch etwas über ihre Vorfahren, die Kënja dagegen kannten sogar. noch die Überlieferungen der Bahau aus der Zeit, wo auch sie noch in Apu Kajan wohnten. Mit ihrer starker entwickelten Psyche stehen bei den Kënja auch Erscheinungen in Verbindung, die auf eine kraftigere Behauptung der Persönlichkeit ihrer Umgebung •gegenüber schliessen lassen. So sind sie mutiger als die Bahau und üben daher nicht deren hinterlistige, feige Art der Kriegsführung. Sie kampfen, wie bereits gesagt, in Banden, Mann gegen Mann, wobei hauptsachlich das Schwert gebraucht wird und erst der Tod vieler Kampfer die Schlacht beendet. Obgleich auch bei ihnen Kopfjagden üblich sind, so treten sie doch mehr in den Hintergrund und zeugen auch mehr von persönlichem Mut. Ich erinnere hier an den Fall, wo ein junger Kënjahauptling bei einem Besuche am Maha- ^ kam wahrend eines Kriegstanzes einem der zahlreichen Zuschauer plötzlich den Kopf abschlug und mit diesem die Flucht ergriff. Verraterisch war diese Tat sicher, aber es gehörte doch Mut dazu, um sie auf einer grossen Galerie unter vielen Menschen auszuführen. Wohnt man unter den Bahau, so ist es einem argerlich mit anzusehen, wie sie sich von den Malaien ausbeuten lassen, die auf ihre Kosten von Betrug, Diebstahl und Grabschandung leben. Die Kënja sind weniger langmütig; wenn die Malaien es zu arg bei ihnen treiben, werden sie einfach niedergemacht. - 30 — Infolge ihres grossen Misstrauens gegen uns und die eigenen •Stammesgenossen brachten wir die Bahau nur ab und zu einmal unter vier Augen zu einer freien Ausserung ihrer Gedanken; einen unvergessüchen Eindruck auf uns Europaer machte dagegen das pffene Auftreten der Kënja bei ihren politischen Versammlungen, wo so wichtige Angelegenheiten wie das Zusammengehen mit dem Radja von Sërawak oder der niederlandiscljen Regierung öffentlich behandelt wurden. Eigentümlich ist es zu verfolgen, welchen Einfluss das lebhaftere, mutigere, rohere und weniger empfindliche Wesen der Kënja auf deren Zusammenleben geübt hat. Wahrend die Bahau am Mahakam eine ganz unzusammenhangende Gruppe von Stammen bilden, in welchen jedes Individuum sich frei und berechtigt fühlt, den eigenen Vorteil als das Höchste zu betrachten, wodurch die Hauptlinge machtlos sind und auf die gemeinsamen Stammesinteressen keinen Einfluss ausüben können, bilden die Kënjast&mme ein zusammenhangendes Ganzes unter der anerkannten Oberherrschaft eines Stammes und eines Oberhauptlings und jedes Glied fühlt sich abhangig und verantwortlich für die Interessen der anderen. In der geordneteren Gesellschaft der Kënja machte sich auch déren höhere Moral mehr geltend. Ihre Hauptlinge waren selbstloSer, besassen mehr sittlichen Mut und genossen mehr Vertrauen seitens ihrer Untertanen. Wagten die Bahauhauptlinge z. B. nicht, bei einer Löhnung ihrer Stammesgenossen in Form von verschiedenen Artikeln die Austeilung vorzunehmen, so rechneten die Kënjahauptlinge 'ohne Furcht vor Unzufriedenheit und Streitigkeiten selbst aus, wieviel jedem zukam, und führten dann die Verteilung im eigenen Hause aus. Als sich bei meiner Rückkehr zum Mahakam Hunderte von Kënja zu meiner Begleitung vorbereiteten, mussten die meisten von ihnen wegen schlechter Vorzeichen zurückkehren; auch die Hauptlinge hatten dies tun müssen, doch schickten sie nur ihre Untertanen zurück und gingen selbst mit wegen der Wichtigkeit einer Fortführung der Unterhandlungen. Bei den Bahau hatte kaum je ein Hauptling sich verpflichtet gefühlt, die allgemeinen Interessen zu vertreten, vollends bei ungünstigen Vorzeichen. Auch das Betragen ihrer Untertanen unterwegs war ganz anders als bei den Bahau. Die 80 Kënja, denen es doch noch gelang, alle guten Zeichen zu finden und mitzufahren, bildeten, obgleich sie aus verschiedenen Dörfern stammten, auf der Reise eine Gemeinschaft, die ihre Lebensmittel gemeinsam verbrauchte und sogar mit uns und unseren Bahau teilte, als unser Vorrat erschöpft war; auch vertrauten sie meiner Versicherung, ihnen am Mahakam neue Lebensmittel kaufen zu wollen. Die zahlreichen Gruppen meines Bahaugeleites dagegen teilten niemals freiwillig ihren Reis und, als meine Malaien auf der Hinreise in grosse Reisnot gerieten, suchten sie aus dieser kritischen Lage ihren Pront zu ziehen. Trotz der sehr grossen Vorteile, die die Bahau aus unserem Aufenthalt bei ihnen zogen, gaben sie mir, wie schon gesagt, höchst selten ein Zeichen von Dankbarkeit, nur schenkten sie mir ein grösseres Vertrauen als anderen Fremden. Als ich dagegen einen Kënjastamm nach sechstagigem Besuch verliess, kam die Familie des Hauptlings, um sich bei mir für alles zu bedanken, was ich ihrem Stamm an Tauschartikeln, Geschenken und Arzneien gegeben hatte. Die kraftigere Persönlichkeit der Kënja aussert sich auch noch in dem Grade, in welchem ihre religiösen Begriffe auf ihr Leben einwirken. Wie auch nicht anders zu erwarten ist, lassen sich diese körperlich und geistig kraftigeren Stamme um — 40 - Eine besonders rücksichtsvolle Behandlung erfahren bei den Mendalam Kajan und allen Busang sprechenden Stammen am Mahakam die Seelen derjenigen Gegenstande, die im Leben des Menschen eine wichtige Rolle gespielt haben; sie werden zu Lebzeiten gesammelt und auch nach dem Tode ihres Eigentümers in einem grossen Packen, lëgèn genannt, aufbewahrt. Zwar kümmert sich keiner weiter um den Packen, auch lasst -man ihn beim Verlassen des Hauses unter dem Dache zurück; niemand würde jedoeh wagen, ihn zu vernichten. (Siehe folg. Kap.) Im vorhergehenden haben wir die Vorstellungen kennen gelernt, die sich die Bahau von sich selbst, ihrer irdischen Umgebung und den über ihnen stehenden Machten gebildet haben; betrachten wir jetzt die Beziehungen, die zwischen der Geister- und Menschenwelt bestehen. Das Bedürfnis,.für ihren Lebenswandel eine Richtschnur und über ihre Zukunft einige Gewissheit zu erlangen, hat in den Bahau die Überzeugung entstehen lassen, dass ihnen die guten Geister des Apu Lagan durch die Vermittlung von Tieren und auffallenden Ereignissen den "Willen und die Plane Allvaters mitteilen. Aus dieser Überzeugung hat sich ein ausgebreitetes System von Vorzeichen entwickelt, das nicht nur bei wichtigen Unternehmungen, sondern auch im taglichen Leben, und zwar bei den verschiedenen Stammen in verschiedenem Masse, eine grosse Bedeutung erlangt hat. Die Zahl dieser Vorzeichen ist eine sehr grosse und ihre Arten sind sehr verschieden; die wichtigsten, welche unter allen Umstanden bei den Bahau Gültigkeit haben, werden dem Vogelfluge entnommen. Es handelt sich hierbei hauptsachlich darum, ob gewisse Vögel rechts oder links vom Beobachter auffliegen oder ihre Stimme hören lassen. Die beiden massgebendsten der wahrsagenden Vögel der Bahau sind der hisit oder sit (Anthreptes malaccensis) und der fêlandjüng (Platilophus coronatus), beides auf Borneo sehr verbreitete Honigvögel. Die Kënjastamme legen ausserdem viel Gewicht auf das Erscheinen einer roten Trogonart (Trogon elegans) und eines verbreiteten braunen Falken mit müchweissem Kopt (Habiastur intermedia). Zu den wahrsagenden Tieren gehören ferner auch das Reh, kidjang (Gervulus muntjac) und eine schwarze Schlange mit 4 weissen Langsstreifen und einem lackroten Kopf, Bauch und Schwanz (Doliophis bivirgatus Boie). Da auch ein sorgfaltiges Befragen und Befolgen der Vorzeichen den Bahau nicht genügend erschien, um sich Tamei Tingeis Wohlwollen und somit ein glückliches Leben ohne Krankheit und Unglück zu verschaffen, erfanden sie ein System von Verbotsbestimmungen, eine religiöse adat, die ihnen zwar jede Freiheit des Handelns benimmt, ihren angstlidhen Gemütern jedoeh eine grosse Beruhigung gewahrt. Es würde zu weit führen, an dieser Stelle auf die zahlreichen Arten der Verbotsbestimmungen naher einzugehen; sie durchziehen das ganze Leben -der Bahau derart, dass der Leser mit den Bewohnern von Mittel-Borneo gleichzeitig auch diese religiöse adat kennen lernen wird. Einige Beispiele mögen aber erlautern, was die Bahau im allgemeinen mit den standig bei ihnen wiederkehrenden Worten „pëmali" und „lali" bezeichnen. Unter pëmali (Hauptwort) und lali (Eigenschaftswort) wird in der •Busangsprache alles, was sich auf reUgiöse Verbote bezieht, verstanden. Das "Wort Mi hat die gleiche Bedeutung wie das polynesische tabu, wie das malaiische pantang und das buling im Kapuas-Malaiisch. Die Dajak legen dem Mi einen doppelten Sinn bei: das eine Mal bedeutet es „verboten" im allgemeinen, so wird z. B. beim Tode eines Hauptlings die Mederlassung Und der Fluss- — 41 - lauf für Mi erklart, d. h. sie dürfen von keinera Fremden betreten werden; ferner ist es Mi, zu bestimmten Zeiten etwas Bestimmtes zu essen, zu tun, zu sagen. Das andere Mal wird Mi in dem Sinne von „geweiht" gebraucht, z. B.: „luma Mi" = „geweihtes Reisfeld", das nur für religiöse Zwecke benutzt werden darf; „haung Mi" = „geweihter Hut", der nur bei religiösen Zeremonien aufgesetzt werden darf u. s. f. Wie dem Eigenschaftswort „Mi" kommt auch dem zugehörigen Hauptwort „pèmali" eine doppelte Bedeutung zu. Mit „pèmali" werden sowohl alle durch die religiöse adat vorgeschriebenen Verbotsbestimmungen als auch geweihte Gegenstande bezeichnet. Alle symbolischen Gegenstande, durch welche die Priesterinnen den Geistern ihre Wünsche vortragen, heissen „pèmali"; desgleichen alle Gegenstande, die überhaupt beim Gottesdienst gebraucht werden. Obgleich die Bahau. mit Hilfe der guten Geister und der Vorzeichen selbstandig mit Allvater in Verbindung treten können, halten sie unter Umstanden doch noch eine besondere Vermittlung durch berufene Personen für notwendig. Durch die Erfahrung belëhrt, dass auch eine gewissenhafte Beobachtung der Vorzeichen und Verbotsbestimmungen nicht im stande ist, sie vor Krankheit und Unglück zu schützen, wenden sie sich in schwierigen Fallen lieber an Menschen, die ihrer Meinung nach der Geisterwelt naher stehen als sie selbst, um Rat und Hilfe. ^-i Eine eigentliche Priesterkaste existiert bei den Bahau nicht; die Personen, die eine Vermittlung zwischen Volk und Geisterwelt übernehmen, behalten ihre sonstigen Berufe als Ackerbauer, Hausfrauen u. s. w. stets bei. Die Zahl der weiblichen Priester ist eine weit grössere als die der mannlichen; sie alle werden dajung (singen = dajung) genannt. Die Pflichten der dajung sind sehr mannigfaltig; ihre Hilfe wird bei bösen Traumen, Krankheit, Tod und Unglücksfallen von ihren Stammesgenossen beansprucht; eine wichtige Rolle spielen sie auch, wie wir spater sehen werden, bei den Ackerbaufesten. Die dajung sind zugleich auch die Gebildeten und Weisen des Stammes; denn sie sind es hauptsachlich, welche die Überlieferungen des Stammes bewahren, ausser der göttlichen auch die weltliche adat kennen, sich stets auf der Höhe der medizinischen Wissenschaft erhalten und diese auch praktisch anwenden. Die dajung halten Versammlungen und Lehrstunden, in welchen die Jüngeren zwei Jahre lang unterwiesen werden. Die jungen Priester haben eine Probezeit zu überstehen, in welcher sie allerhand unangenehme Dinge tun müssen, wie z. B. Erde essen. Wahrend der Lehrzeit tragen die Priesterinnen bei Festen Röckchen mit weissem Mittelfelde. Trotzdem ich alle Ackerbaufeste bei den Mendalam Kajan mitmachte, beobachtete ich exaltierte Zustande der dajung nur in rudimentarer Form. Es war beim Neujahrsfeste, als eine der Hauptpriesterinnen, Tipong Igau, den Geistern die auf einem Opfergerüst (lasa) (Taf. IV Fig. 1) ausgebreiteten Geschenke als Opfer anbot. Sie umkreiste in immer schneller werdendem Tanze das Opfergerüst, bis sie zuletzt an ihm emporkletterte und es schüttelte, als wollte sie die Opfer 'gen Himmel steigen lassen. (Siehe Kap. VII Q. d. B.). Um ihr priesterliches Amt antreten zu können muss die junge dajung zuvor durch einen guten Geist beseelt werden. Der Vorgang der Beseelung wurde mir erst bei den Mahakamstammen klar; ich beobachtete indessen bereits bei den Mendalam Kajan, dass einer jungen Priesterin eine am Opfergerüst befestigte Schnur in die Hand gegeben wurde, langs welcher der Geist sich auf sie herablassen sollte; eine altere Priesterin weihte sie unterdessen in die Geheimnisse der priesterlichen Wissenschaft ein. j Bei den Bahau fehlt es zwar nicht an Frauen mit allerhand Nervenkrankheiten wie I. A. f. E. Bd. XXIV., Suppl. 6 KAPITEL IV. - 45 - Opfer gaben der Bahau: kaunt — Die pëmdli: bei der mëld, beim Erntefest, in den Reisschennen, auf dem Reisfelde, beim Saen, beim Neujahrsfest, bei der meld der Namengebung, bei der meld gegen -.Krankheit, bei der Rückkehr von grossen Reisen — Das lëgèn — Schwierigkeiten bei den Nachforschungen auf religiösem Gebiet — Usun, die Oberpriesterin — Schöpfungsgeschichte der Mendalam Kajan. Ihre zweite wichtige Tatigkeit, die Vermittlung zwischen dem Volke und der Geisterwelt, von welcher der Ausfall der Ernte abhangig ist, entwickeln die Priesterinnen bei den Ackerbaufesten; diese liefern daher die beste Gelegenheit, um in den Gottesdienst der Bahau einen Einblick zu gewinnen. Betrachten wir im folgenden die Art und Weise, in welcher die Priesterinnen ihre vermittelnde Rolle auszuführen suchen. Als das wirksamste Mittel zur Anlockung der Geister betrachtet man das Anbieten verschiedener Esswaren. Schweine, Hühner, Eier, Fische und Reis Werden als die wahren Götter- und Geisterspeisen angesehen. Bei einer gewöhnlichen mëld werden nur Ferkel und Hühner geschlachtet, wahrend die grossen Schweine, und zwar nur die mannlichen, für die grossen Festlichkeiten aufbewahrt werden. Ungeteilt werden den Geistern nur Ferkel, Küchlein und Eier angeboten, von den Schweinen und anderen Speisen erhalten sie nur -kleine Teile. Die Geister begnügen sich hamlich mit dem geistigen Teil, der in dem Opfer steekt, das nach Auffassung der Bahau auch beseelt ist, und überlassen den körperlichen dem Gèüuss des Menschen. Die Opfergaben werden in Form von kawit gereicht, die bei keiner religiösen Handlung fehlen dürfen. Es sind dies kleine Rollen aus Bananenblattern, in welche Esswaren eingewickelt werden. Jede Rolle enthalt, der bei dén Bahau heiligen Zahl acht entsprechend, acht Lagen. Jede dieser Lagen wiederum besteht aus einem viereckigen, handgrossen Blattstück, auf welches ein zweites, kleineres, ausgefranstes Blatt und dann etwas Hühneroder Schweinefleisch, Fisch, Reis oder Mais gelegt wird; das Ganze wird mit einem fingerbreiten-Blattstreifen bedeckt. Liegen acht derartiger Schichten aufeinander, so werden sie in Form einer Zigarre zusammengerollt und mit ungedrehten Bastfasern, deren Enden nicht geknüpft, sondern nur verschlungen werden dürfen, gebunden und die kawit ist fertig. Flüssige Opferspeisen werden den Geistern gewöhnlich in Bambusgefassen gereicht. Eine gleich wichtige Rolle wie die kawit spielen bei religiösen Handlungen die anderen pëmali, mittelst derer die Priesterinnen den Göttern und Geistern die Wünsche des Volkes auszudrücken suchen. Die Herstellung dieser pëmali kostet den Priesterinnen viel Zeit; denn sie sind, je nach der Gelegenheit, für welche sie verwendet werden sollen, verschieden, ausserdem ofb sehr kompliziert und zahlreich. Befassen wir uns zunachst ausführlich mit den pëmali und deren Anwendung. Bevor der Reis geerntet (ngëlunö) wird, lasst jeder Bahau in seinem Hause eine mëld, stattfinden und sich und die Seinen für die bevorstehende gewichtige Arbeit vorbereiten; tut er dies nicht, so darf er an der gemeinsamen Festmahlzeit nicht teilnemen. Die Sorge für die Vorbereitungen zum Erntefest überlasst er dem Hauptling. INT. ARCHIV F. ETHNOGR. Suppl. Bd. XXIV. TAF. II. Kultgegenstande der Bahau am Mendalam. s. S. 47, 49 u. 51. Gr. 1 :3. Gr. d. N™ 12—15 1 :5. - 47 - Das tëlu (Taf. I Fig. 6) mit dem hiköp bulit ist eine mit einem weissen Kattunstreifen gebundene Bambusdose, in der sich einige kawit, eine Schnur und eine winzige Leiter befinden. Auf dieser Leiter wird die Reisseele mit dem hiköp bulit (Schöpfnetz) in das Bambusgefass befördert, hier von der dajung mit der Schnur festgebundeh und das Ganze in der Scheune aufgehangt. Netz und Leiter sind ebenfalls mit kawit versehen. Neben dieser Form existiert in Tandjong Kuda noch eine andere (Taf. I Fig. 8): zwei Bambusgefasse mit kawit, die neben einander an einer Schnur in der Scheune hangen; man unterscheidet an diesen die: tawè (Schnur) lëpo (Scheune)'.porei (Reis), welche als Seelenweg dient,, und das ma hatö tökö hawö, Gefass für die Aufbewahrung der eingefangenen Seele. Die san (Leiter) Mi (Taf. I Fig. 7) der Ma-Suling besteht aus einer Leiter, einem Bambusgefass und einer Hühnerfeder, die zur Überführung der Seele in das Gefass dient. Das Bambusgefass enthalt die kawit und wird mit weissen Kattunstreifen umwickelt, man nennt es: njirië bruwa parei wörtlich: Beruhigung der Reisseele. Unter njind wird das tagliche Anlocken, Liebkosen und Beruhigen der Kinderseelendurch die Mütter verstanden. Eine genaue Wiedergabe des Wortes ist unmöglich (Über den Vorgang siehe pag. 27). - Um sich auch für das folgende Jahr eine gute Ernte zu sichern, halten es die Bahau für notwendig, nicht nur in den Besitz der Seelen des augenblicklich vorhandenen Reises zu gelangen, sondern auch der Seelen des auf den Boden gefallenen, von Hirschen, Affen und Schweinen gefressenen Reises habhaft zu werden. Auch hierfür haben die Priester 'ein Mittel erfunden: sie stellen ein tëlu hina (Hauptwort zu njina = beruhigen) (Taf. II Fig. 1% her, das ist ein Bambusgefass (têlu) mit kawit, an welches vier Haken aus Fruchtbaumholz befestigt werden, mit deren Hilfe die verlorenen Reisseelen, falls solche vorhanden, aus der Ferne herbeigelockt werden können. Nachdem die Seelen im Behalter geborgen worden, hangt man ihn in der Wohnung auf. Die Ma-Suling haben für den gleichen Zweck ein anderes pëmali, die usu bruwa = Seelenhande (Taf. H Fig. 13a). Es sind zwei aus Fruchtbaumholz geschnitzte Hande, zwischen welche acht kawit gesteckt werden; man umwickelt sie mit Kattun und bindet sie mit einer Perlenschnur fest. Die Hande haben die gleiche Bedeutung wie die Gefasse, sie sollen die herbeigelockten Reisseelen festhalten. Auch dieses pëmali wird im Wohngemach aufgehangt. Ein anderes pëmali, das barang usut (Taf. H Fig. 9), wird erst dann in die Reisscheune gebracht, wenn diese bereits gefüllt worden ist; es ist ein Korb9a, dessen Inhalt die Reisseelen, falls diese erzürnt sind, beruhigen soll. In dem Korbe beflnden sich noch drei andere, kleinere Körbe 9b, in denen kleine und grosse rote Perlen 9c als eigentliches usut (Geschenk) liegen; ausserdem enthalt das Körbchen noch die Endtriebe eines Krautes und als Symbol für das Festhalten der Seele einige gekrümmte Dornen9d. Wenn eine Kajanhausfrau für den taglichen Gebrauch Reis aus der Scheune holt, sorgt sie dafür, dass die Reisseelen hierüber nicht in Zorn geraten. Zu diesem Zweck hat sie das barang lali (Taf. II Fig. 10) stets in der Scheune hangen; seine wesentlichen Bestandteile sind ein Bündel Spanne aus Fruchtbaumholz 10a und ein viereckiges Körbchen 10b aus tika. Mitten zwischen die Spanne wird ein Ei gesteckt und unten am Bündel ein kleines Bambusgefass mit Zuckerrohfsaft (tëlang tëwö) als Opfergabe angehangt. Das Körbchen enthalt eine geweihte Matte 10c für das Holen des Reises'. brat (Matte) Mi (geweiht) Mm (holen) parei (Reis) und vier kawit lOé, die besondere Namen tragen:. barang bal ök; pakan lëpö halam; pakan lëpö parei; bal ök a dësak; ausserdem einen Reishalm 10e. Die Frau beginnt damit, — 49 - lassen. Dieses pëmali, als pëlMè bezeichnet, wird beim Saatfest und spater beim Neujahrsfest am Fuss des dangei aufgorichtet, nachdem man die Erde vorher mit dem Blut eines Küchleins als Opferspeise befeuchtet hat (Siehe Kap. VIII Q. df B.). Das pëmali bliang unterscheidet sich vom pëlalè hauptsachlich dadurch, dass die Hakenkranze durch acht langere Haken, die man rings um die vier Pfahle steekt, ersetzt werden. Zwischen die Haken werden als Opfergaben kleine Fische gelegt. Die Pfahle und Haken des pëmali bliang stecken nicht, wie beim pëlalè, in der Erde, sondern in einem Körbchen mit Klebreis, das mit einem Deckel verschlossen wird. Nachdem das Körbchen mit einem Streifen weissen Kattuns umwickelt worden, befestigt man an ihm ein winziges tëkok (Taf: II Fig. 12), 'zwei Bambusstabe und eine Matte, mit denen beim Neujahrsfest die Geister angerufen werden; augenscheinlich ein Mittel, um die Aufmerksamkeit der Geister des Apu Lagan zu erregen. Jede dajung verfertigt am dritten Tage des Neujahrsfestes ihr eigenes pëmali bliang und stellt es am folgenden Tage mit denen der anderen Priesterinnen gemeinschaftlich an den Fuss des Opfergerüstes (lësa) (Taf. IV Fig. 1); nach dem Feste bewahrt jede ihr pëmali. Für das grosse Neujahrsfest werden ausserdem auch noch andere pëmali verfertigt. Das eben erwahnte tëkok wird dann taglich an Stelle eines Gongs zum Anrufen der Geister gebraucht. Es besteht aus einer geweihten Matte (brat Mi) aus tika und zwei Bambusstaben von 3 dm Lange, welche am unteren Ende durch einen Halmknoten geschlossen sind. Beim dangei-Feste ruft die Priesterin morgens und abends die Geister an, indem sie in bestimmtem Rhythmus mit den Bambusstaben abwechselnd auf die Matte schiagt und den Geistern halb singend, halb rezitierend die Leiden und Wünsche des Stammes zu kennen giebt. ' An das Gestell (lasa), an welches die Opfergaben gehangt werden, wird stets eine Rotangschnur und an diese wiederum eine tawè nangan (Leitbahn) (Taf. II Fig. 14) befestigt, welche als alan tö (Weg der Geister) dienen soll. Der alan tö hangt an einem kupfernen Haken und besteht aus einem weissen Kattunstreifen, der in einige rote und blaue Streifen ausiauft, an welche jede der anwesenden dajung ein Bambusgefass mit Zuckerrohrsaft, eine Art" Halskette aus Perlen und verschiedene usut (Geschenke) und Schleifen, von mir unbekannter Bedeutung, bindet. Neben dem weissen Kattunstreifen hangt eine Perlenschnur mit kawit, die mit einer Schlinge endet. Bei der Beseelung kommt der gute Geist langs dieser Schnur auf die darunter stehende dajung herab. Die Art und Weise, in welcher die Bahau ihren Dorfgenossen ihre Neujahrswünsche ausdrücken, ist sehr eigentümlich. Die dajung verfertigen namlich vor Beginn des Festes für die ganze Bevölkerung das hatö kawit bruwa (Taf. III Fig. 20), ein Bündel von acht Haken aus Fruchtbaumholz und drei kawit, die zusammengebunden in einem Sackchen aus weissem Kattun stecken. In eine Schlinge aus ungedrehten Pflanzenfasern, welche aus dem Sackchen herVorragt, muss der Nachbar bei der Begrüssung seinen Finger stecken, der dann hin- und herbewegt wird (njina); bisweilen wird auch der gute Einfluss, der von der Schlinge ausgeht, auf das Haupt des Betreffenden geblasen. Indem man die Seele des Freundes mittelst der Schlinge mit dem wohlschmeckenden Inhalte des Sackes in Berührung bringt, erwéist man ihr etwas Angenehmes, ausserdem wünschen die hölzerneh Haken ein Sammeln von Reichtümern für das folgende Jahr. Beim marong uting (Schweinefleischessen, siehe Kap. VHI Q. d. B.) verfertigen die dajung in der Wohnung des Hauptlings das böwö nangan (Taf. H Fig. 15), ein Gestell, auf I. A. f. E. Bd. XXIV. Suppl. 7 — 50 - welchem den Geistern das Schweinefleisch in kawit angeboten wird. Das bbwö nangan ist ein mit Schnitzwerk etwas verziertes Bambusrohr, das horizontal an einer Perlenschnur hangt, irtnen und aussen mit kawit versehen ist und in der Mitte acht usut tragt, deren Bedeutung mir nicht klar ist. Zu beiden Seiten des Bambusrohres hangen gekreuzte Stöckchen mit kleinen Schnüren, an welche die kawit mit Schweine- und Hühnerfleisch gebunden werden. Tagsüber hangt • das böwö nangan in der ctawoet'-Hütte, abends wird es aber stets in die amin des Hauptlings zuriickgebracht. Statt der Speerspitze und des Schwertes, welche die dajung bei einer gewöhnlichen mëla gebraucht, verwendet sie bei der gelegentliclr des ■marong utmg stattflndenden mëla die Mingan uting (Taf. III Fig. 21), eine geschliffene Muscbelschale (Mo), an der eine alte Perlenschnur und eine kawit hangen. Diese von Nautilus-Arten stammenden Schalen und die alten Perlen werden bei den Bahau sehr'geschatzt und sind daher, gleich wie alte Waffen, sehr geeignet, die Seele in gute Stimmung zu versetzen, besonders in Verbindung mit dem geliebten Schweinefleisch. Nach der Sitte aller. Stamme von Mittel-Borneo wechseln auch die Kajan am Mendalam ihren Wobnsitz, sobald für den Reisbau kein geeigneter Boden in der Nahe mehr vorhanden ist. Beim Binzug in das neue Haus erbittet die Oberpriesterin den Segen Tamei Tingeis und'zwar drückt sie ihre Bitte durch das bëtungul (Taf. I Fig. 16), ein für den Hauptling bestimmtes pëmali aus. Dieses beflndet sich, wie das pëmali bliang, in einem Körbchen aus tika und besteht aus einem selbst gebrannten irdenen Töpfchen (taring ladang) mit unregelmassigen Vertierangen am Boden, in welche 2X8 Haken aus Fruchtbaumholz gesteckt werden; auch diese bitten um eine Anhaufung von Schatzen. Zwischen den Haken werden in geknickte Bambushölzer kleine Fische als Opfer geklemmt. Das Töpfchen bittet Tamei Tingei wahrscheinlich um Nahrungsmittel. Mit. den Backsteinen, die beim Kochen des ersten Reises verwendet werden (s. S. 46), bildet es das einzige Überbleibsel der alten Töpferkunst. Beim Umzug bleibt das bëtungul, wie auch das lëgèn der Verstorbenen, im verlassenen Hause zurück. Ein wichtiges pëmali, das speziell für die dajung bestimmt ist, heisst hlèn lali (Taf. I Fig. 17) und ist ein langliches Kissen aus weissem Kattun. Das Kissen wird von den Frauen bei ihrer Aufnahme unter die dajung hergestellt und bei jedem Saatfest zum Vorschein'geholt und mit einer kawit versehen. Neben den kawit, welche die Zahl der Amtsjahre der Priesterin angeben, sind verschiedene Perlenschnüre angebracht. Ein Armband (kamang tukan oder TMu dajung) wird nur auf dem Kissen der altesten Priesterin befestigt und darf nie entfernt werden. Auf jedem Kissen findet man drei usut: eine rote, eine gelbe Perle und einen Knopf Qiuló). Die Besitzerin tragt diese usut, sobald sie ihres Amtes waltet. Die gelbe Perle dient zugleich für die mëla der Priesterin selbst; fühlt diese sich namlich krank oder fürchtet sie ein Entfliehen ihrer Seele, so sucht sie ihre. bruwa zu beruhigen, indem sie die gelbe Perle fest in die Hand drückt. Neben den erwahnten drei usut wird das usut lali angebracht, das aus kleinen Perlen besteht und wahrend des Saatfestes taglich angefasst werden muss. Bei dieser Gelegenheit werden auch die Hausgenossen gesegnet, indem die dajung ihr Haupt mit .' dem Kissen, das für gewöhnlich sorgfaltig in einer Kiste bewahrt wird, in Berührung bringt. Je 'nach der Gelegenheit, bei welcher eine mëla vorgenommen wird, benützt die dajung zur Beruhigung der Seele verschiedene Gegenstande. Bei der mëla, welche wahrend des Saatfestes bei der zweiten Namengebüng des Kindes stattfindet, streicht die Priesterin dieses in Tandjong Kuda mit einem durch kawit und Perlen. geweihten Kürbis. Gleich wie INT. ARCHIV F. ETHNOGR. Suppl. Bd. XXIV. TAF. III. KultgegenstSnde der Bahau am Mendalam. s. S. 49—52. Gr. 1:3. INT. ARCHIV F. ETHNOGR. Suppl. Bd. XXIV. TAF. IV. Fig. 1. Lasa, Opfergestell der Bahau am Mendalam. s. S. 49. Fig. 2. Usun, Hauptpriesterin der Bahau am Mendalam s. S. 54. — 66 — nur schwerlich heranziehen. Er ist dermassen mit ethischen und aesthetischen Begriffen verwebt, dass nur seine Bestandteile, so weit sie auf naive Religion zurückzufübren sind, in unsere Betrachtungen einbezogen werden konnten. Jedenfalls besitzen diese Bestandteile für ibn einen hoben reellen Wert und deshalb sind die Ergebnisse dieser Untersuchungen über die Form des animistischen Seelenglaubens auch in dieser Hinsicht wichtig. Wir fanden als Basis der animistischen Naturphilosophie einen Gedankenvorgahg, der durch eine typische Gedankeneigenschaft des Menschen, hier als Harailton'sches Prinzip bezeichne't, verursacht wird. Unsere Sinneseindrücke von der Wirklichkeit, ob vom Menschen, von anderen lebenden Wesen, von Naturerscheinungen oder von leblosen Gegenstanden, werden dadurch auf eine bestimmte Weise geistig verarbeitet, die sich auf niedrigem Standpunkt der Entwicklung als animistische Philosophie dokumentiert. Anstatt eines ausschliesslich geistigen, fiktiven Traumgebildes, als welches sich die Basis des Animismus nach Tylor's Theorie erweist, konnte ich im Vorhergehenden feststellen, dass auch dem animistischen Seelenglauben eine grosse Realitat und Rationalitat zukommt, da sie sich ganz als die Ausserung der Einwirkung der Wirklichkeit auf den menschlichen Geist offenbart. Eine der Folgen der Abwesenheit gelaufiger Grundvoraussetzungen der animistischen Theorie, namlich der Zweifel an ihr als ursprüngliche Form der Religion, hat in spateren Jahren zu der Entstehung von verschiedenen Theorien über diese Ursprungsfrage geführt. Wenn man sich vergegenwartigt, dass sehr alte, hochentwickelte Religionen wie die der Babylonier und Egypter, auch die spateren der Griechen und Römer, zu den animistischen Glaubensformen gehören, so ist in der Tat ein Zweifel an ihrer Ursprünglichkeit in der Bedeutung eines ersten menschlichen Versuches zur Ausbildung einer Religion recht erklarlich. Zwar vermindert dieser Zweifel beim Studium der einfachsten animistischen Glaubensformen, wie die der hier behandelden primitiven Malaien, aber ohne weiteren Beweis findet man für die Überzeugung, dass die Grundform des Animismus eine sehr primitive Art des menschlichen Denkens vergegenwartigt, keinen festen Halt. Dieser Zweifel gilt speziell der Form des animistischen Glaubens, die wir als eine einfache Form der Naturphilosophie kennen gelernt haben und die in ihrem Seelenglauben gipfelt. Um den Beweis zu liefern, dass die animistische Naturphilosophie eine sehr ursprüngliche und dem Gedankenleben der niedrigst stehenden Menschen vollkommen angemessen ist, haben wir ihre oben entdeckte Grundvoraussetzung, dass ein Etwas nicht aus einem Nichts entstehe und nicht in ein Nichts yergehe, naher zu betrachten. Zeigt es sich, dass dieses Hamilton'sche Prinzip den Verhaltnissen in der einfachsten menschlichen Zusammenlebung vollkommen entspricht, oder der primitive Mensch durch seine Existenzbedingungen gezwungen ist, so zu denken, so können wir schwerlich umhin, die Zulassigkeit dieses Satzes als ursprüngliche Philosophie anzunehmen. Wir müssen dazu versuchen, uns die einfachsten Lebenslagen der Urmenschen, in welchen sich Begriffe und Auffassungen bilden können, vorzustellen. Die Formen eines einfachen Sammellebens, wie das der Australiër und der Stamme an der Südspitze Süd-Amerika's nahern sich einer solchen Vorstellung wohl sehr. Der Unterschied zwischen ihren Existenzbedingungen und denen der höchsten Tiere ist auch nicht gross. Stellen wir uns jetzt vor, - 67 - auf welche Berührung mit der Natur die Lebensverhaltnisse auf diesem Stadium der Existenz hinauslaufen, so beziehen sich diese hauptsachlich auf das Sammeln von Nahrung, eventuell auch von Kleidung, auf das Suchen einer Rast- oder Wohnungstatte und den Schutz gegen Angriffe von Tieren, Menschen, Naturereignissen u. s. w. An diesen Tatigkeiten müssen sich die Begriffe der primitiven Menschen ausgebildet haben. Beim Suchen nach Nahrung, Kleidung oder Aufenthaltsorten u. s. w. muss der Mensch von der Überzeugung geleitet und in dieser durch seine tagliche Erfahrung bestarkt worden sein, dass die gesuchten Dinge wohl irgend wo vörhanden sein müssten, wenn sie auch augenblicklich nicht zur Stelle seien. In bestimmten Fallen weiss er, wo er einen Aufenthaltsort, wo er Früchte oder wo er Tiere an einer Tranke oder bei Fruchtbaumen finden könne u. s. w. Ês muss sich bei ihm also der Begriff eines unsichtbaren Gegenstandes an einem anderen Orte, nicht der einer Neuentstehung aus einem Nichts ausbilden. Entwischen ihm die Tiere des Waldes, so kann er sie meistens an anderen Orten wiederfinden; sie gehen also für ihn nicht in ein Nichts über. "Muss der ursprüngliche Mensch sich gegen Angriffe von Menschen oder Tieren schützen, so hat er auch dabei mit etwas sehr Körperlichem zu tun und von Menschen und Tieren weiss er ganz gut, dass diese nicht aus einem Nichts entstehen. Dort, wo die Sachlage noch am ehesten zu der Bildung eines Begriffes von der Entstehung aus einem Nichts oder eines Übergangs in ein Nichts, wie bei Naturerscheinungen, führen könnte, sehen wir allgemein, wie materiell die .Primitiven sich diese vorstellen. Auch bei unseren niedrigen Malaien war die Vorstellung von Donner und Blitz z. B. ganz materiell. Gerade diese Zuhilfenahme der Materie zur Erklarung von ganz unbegriffenen Erscheinungen beweist genügend, wie weit entfernt der Begriff eines Nichts von der Gedankenwelt eines primitiven Menschen steht. Er kann sich diesen Begriff eines Nichts aus seiner Erfahrung nicht bilden; nur höhere Entwicklungsstufen veranlassen die Entstehung und den Gebrauch solcher abstrakter Begriffe. An erster Stelle waren es die Legenden der noch ursprünglichen, von keinem Hinduismus berührten Dajak und Toradja, die uns einen festen Halt für die Volksüberzeugung lieferten. Aus diesen ist nun leicht nachweisbar, dass sie uns nie die Schöpfung der Erde und seiner lebenden Welt als eine Schöpfung aus einem Nichts schildern. Sie werden immer als von etwas vorher Anwesendem herstammend vorgestellt. Noch bedeutungsvoller als die dieser stofflichen Welt,, sind einzelne Legenden, die sich auf immaterielle Zustaade beziehen. Die Erklarungsversuche der Bahau für die Entstehung der'Beseelung, des Talents und der Dunkelheit, von ihnen ganzlich unbegriffene Erscheinungen, sind deshalb wohl sehr bezeichnend. Sie sind nur im Stande, sich diese ganz materiell zu denken ; die Geister, die die zwei ersten verursachen, existieren schon vorher und kommen aus ihrem Himmel herab; die taglich zurückkehrende Dunkelheit ist der Legende nach, wie so vieles auf Erden, der Dunkelheit im Himmel entliehen. Es fanden sich in der Literatur ferner sehr eigenartige Stellen, die anzeigen, dass die Dajak sich bestimmt Rechenschaft zu geben vermögen, dass ein Etwas nicht in ein Nichts übergehen könne. So antwortete ein KënjaHauptling Herrn Furness auf dessen Zweifel an das von ihm getraumte, glückselige Leben im Jenseits nach seinem irdischen Leben als geschickter Kopfjager: „Nothing really dies, it changes from one thihg to another". Bei allen diesen Stammen geht die eine ihrer Seelen, die bruwa, die die geistigen Eigenschaften des Menschen vergegenwartigt, nach ihrem Tode nicht in ein Nichts über, sondern lebt in einem Himmel weiter. Selbst durch Verbrennung verschwinden nach ihrer Auffassung die von einer Seele — 68 — dargestellten Eigenschaften des Reises nicht; denn ein Bahauhauptling Bëlarè (Donner) sprach von der Flucht der Seelen seines im früher verbrannten Hause mit verbrannten Reises. Unter diesen, schon einen höheren Kulturstandpunkt einnehmenden Stammen, ist also selbst bei ganz immateriellen Dingen von einer Entstehung aus einem Nichts oder einem Übergang in ein Nichts keine Rede. Wo die Begriffe fehlen, können auch die bezüglichen Wörter nicht, anwesend sein. Eine Untersuchung der Sprachen primitiver Völker kann uns in dieser Hinsicht also einen weiteren Anhalt für ihre Gedankenwelt eröffhen. Ein einfaches, unzusammengesetztes Wort für „Nichts" kommt in den meisten (vielleicht in allen) Sprachen nicht vor. Der Begriff. „Nichts" wird in der Regel durch die Verneinung von „Etwas" ausgedrückt. Dieses gilt z. B. für zahllose amerikanische Sprachen. Aber auch selbst in unseren indogermanischen Sprachen sind die Wörter für „Nichts" aus „nicht -+- Etwas" zusammengesetzt. In bezug auf unser Untersuchungsgebiet ist es wertvoll feststellen zu können, dass auch in den austronesischen Sprachen kein einfaches, unzusammengesetztes Wort für „Nichts" vorkommt, und auch hier „Etwas" sammt einer Verneinung dafür verwendet werden muss. Diese Abwesenheit eines Wortes für den Begriff „Nichts" zeigt genügend an, wie relatif spat dieser abstrakte Begriff unter den Menschen aufgekommen sein muss. In ihren Betrachtungen über die Ereignisse ihrer Umwelt können die primitiven Denker also unmöglich mit den Begriff eines „Nichts" Rechnung getragen haben. Aus allem diesen erhellt zur Genüge, dass das Hamilton'sche Prinzip, hier angewandt, den primitivsten Lebensverhaltnissen vollkommen entspricht und zu den ursprünglichsten Denkformen des Menschen gerechnet werden muss. Man kann dann auch wohl nicht umhin, die animistische Naturphilosophie als in den ursprünglichsten Lebensverhaltnissen fussend anzunehmen. Damit ist aber der Animismus in die Gedankenwelt des Urmenschen eingeordnet und es wird wohl schwer sein, eine Betrachtungsweise zu ersinnen, die mit so wenig VorauSsetzungen eine Erklarung für die Entstehung dessen,, was wir noch jetzt, nach Jahrtausende langer Entwicklung, beobachten, zulasst. Ausserdem ist es wichtig, sich zu vergegenwartigen, dass ich mich gelegentlich eines zu einem ganz anderen Zweck unternommenen Studiums, namlich bei der Untersuchung, ob die Grundlage der Naturwissenschaften bei den primitiven Malaien aufzufinden sei (s. S. 62 des Int. Arch. f. Ethn. Bd. XXDI), überzeugen konnte, dass die verschiedenartigsten kulturellen Erscheinungen dieser Stamme uns anzeigen, dass sie ganz nach dem Satz, dass „ein Etwas nicht aus Nichts entstehe und nicht in Nichts vergehe", handeln. Wenn in Obigem auf verschiedene Weise nachgewiesen worden ist, dass das Hamilton'sche Prinzip als Gedankeneigenschaft des primitiven Menschen bei der Bildung seiner Naturphilosophie vorgelegen haben muss, so bieibt uns schliesslich übrig, den Beweis zu erbringen dass dieses Prinzip den Anforderungen streng logischer Schlüsse im Rahmen der primitivsten Lebensverhaltnissen wirklich genügt. Verschiedene Autoritaten, wie Tylor, Lévy-Bruhl u. a., die sich ausführlich mit den animistischen Erscheinungen befasst haben, sind nahmlich einstimmig zu dem Schluss gekommen, dass die animistische Naturphilosophie ein auf logischen Gründen beruhendes System bilde. Wie man diesen Ausspruch auffassen soll, wird in der folgenden Arbeit über das logische Denken 'selbst erörtert werden; jedenfalls gilt er als Fundament der animistischen Philosophie. - 71 — gemeinen Wahrheitsgehalt stehen bleiben kann, sondern die innere Bewegung dieses Wahrheitsgehaltes durch die Geschichte hindurch auf ein von unserem Willen zu gestaltendes Ziel zu erkennen geben muss (Troeltsch). In der Kant'schen und Schleiermacher'schen Sprache dieses Autors besteht ein Hauptproblem darin, im Verhaltnis des Weltgrundes oder absoluten Bewusstseins zu seinen Teilinhalten oder den endlichen Geistern die Möglichkeit bestandig neuer Anfange oder Wirklichkeiten zu behaupten. Wie wichtig eine solche Lösung Professor Troeltsch erscheint, spricht er im folgenden Satz aus (1. c. S. 438): „Wird aber dieses Ziel erreicht, so ist diese Metaphysic der Religion nicht bloss eine Apologetik, die einer feststehenden Gottesidee Schutz und Deckung verschafft, sondern zugleich eine. TJmgestaltung der religiösen Gottesidee und eine Konformierung mit dem modernen wissenschaftUchen Weltbild, die in die herkömmliche Gottesidee tief genug einschneidet, wie sie auch bisher immer in die religiöse Ideenwelt tief hineingewirkt hat". In unserer Untersuchung handelt es sich darum, uns Rechenschaft zu geben, welcher Wahrheitsgehalt der primitiven Form der naiven Religion, dem Animismus, zukommt. Meine Forderung aber, dass die zur Erklarung und Feststellung dieses Wahrheitsgehaltes herangezogenen, ursachlichen Momente bis auf unseren Standpunkt der Entwicklung nachgewiesen wurden, sichert ihnen auch ihre grundlegende Bedeutung in der geschichtlichen Entwicklung der Religionen. Die Beobachtung einer völligen Urzeugung einer naiven Religion wird uns auch bei der weiteren Behandlung derselben unter den primitiven Malaien versagt sein und auch unter diesen muss als Ursache ihres Bestehens in erster Linie die Fortsetzung und Macht der Tradition anzunehmen sein. Sollte es aber gelingen, als beherrschende Momente Ursachen anzugeben, die, je niedriger die Entwicklung des Menschen ist, desto machtiger wirken und sich bis auf der höchsten Kulturstufe behaupten, so ist es doch fraglich, ob wir dann nicht berechtigt sein würden, uns eine Vorstellung von dieser Urzeugung zu bilden. Nachdem wir im vorigen Kapitel erfahren haben, dass die Form des Animismus, der Seelen- und Götterglauben, ein Ausfluss der geistigen Organisation des Menschen in Verband mit seiner natürlichen Umgebung ist, wenden wir uns jetzt seinem Inhalt und seinem Wesen oder Wahrheitsgehalt zu. Wir werden diesen aber nicht genügend würdigen können, wenn wir nicht die zentralen von den peripherischen reUgiösen Erscheinungen bei der Untersuchung scheiden. In bezug auf die zentralen ReUgionserscheinungen werde ich mich mehr mit der Entstehung der göttlichen Macht und des Kults zu befassen haben. Unter den peripherischen erscheinen überall die ethischen und sozialen Elemente der Religion und vor allem der Mythos, der nicht selbst Religion ist, sondern nur eng mit ihr zusammenhangt. In der primitiven Gesellschaft der Bahau und Kënja kommen diese zentralen und peripherischen Erscheinungen dermassen leicht verbunden vor, dass sie einer gesonderten Untersuchung sehr wohl unterworfen werden können. An erster Stelle gilt es also, sich mit der Erklarung der Entstehung der göttlichen Macht und des Damonenkults zu befassen. Zu diesem Zweck vergegenwartige man sich die Skizze von den Existenzbedingungen der Bahau im Anfang dieser Abhandlung (s. Kap. II). Wie auch dort bereits erwahnt, soll sie nicht als Einzelfall aufgefasst werden, eher als Prototyp ahnlicher Zustande unter anderen primitiven Völkern. Ohne weiteres ist es klar, dass solche Lebenslagen unendUch schwerer sind als die in unseren Zusammenlebungen vorkommenden. Man kann nicht umhin, sich davon zu überzeugen, dass die (Jbermacht der Natur für sie recht fühlbar ist und sich kein Glied dieser Dajakstamme diesem Eindruck entziehen kann. — 72 — Man könnte denken, und zweifellos ist es oft gedacht worden, dass auf solche rohen Gemüter diese Gewissheit nicht so schwer lasten würde, als auf unsere verfeinerten. Demgegenüber verweise ich nach der Schilderung der Charakterzüge dieser Bahau (s. Kap. III), die zeigen, dass wenn ihre Empfindungen sich auch anders aussern als die unsrigen, das menschliche Gefühl bei ihnen dennoch sehr entwickelt ist. Wir dürfen also sicher erwarten, dass dieses Naturvolk unter dem Eindruck seines Leidens die Übermacht seiner Umwelt in drückender Weise spührt. Um uns von dem tatsachlichen Verhalten dieser Stamme der Natur gegenüber zu überzeugen, liefern uns wieder ihre Legenden, die glücklicherweise bei den Bahau- und Kënjastammen unvermischt geblieben sind, in dieser Hinsicht die besten objektiven Dokumente für ihre Gedankenwelt. Das Bemerkenswerteste in dieser ist die Stellung, die sich die Bahau ihrer natürlichen Umgebung gegenüber zuweisen. Dass diese Stellung sehr untergeordnet ist, sogar vielen Tieren und Pflanzen gegenüber, dafür liegen zahlreiche Beweise vor, erstens aus ihren Legenden, zweitens aus dem taglichen Leben. Die Schöpfungslegèhde der Kajan am Mendalamfiuss dichtet dem Menschen dieselbe und gleichzeitige Herkunft wie ihren Haustieren: Schweinen, Hunden und Hühnern zu, überdies werden sie alle aus keinem edleren Stoft als Baumrinde gebildet (s. S. 56). Im taglichen Leben giebt es wohl keinen besseren Beweis für die Grosse der Macht, welche die Bahau verschiedenen Tieren zuschreiben, als ihr Glaube an Omentierb und der Ernst, mit welchem sie sich nach diesen Orakeln richten. Zwar werden diese Tiere, wie im Aufsatz Vorzeichen (s. Kap. IV) erwahnt wurde, mehr als Boten der Götter aufgefasst, aber die wichtigsten Vorzeichenvögel und -Schlangen werden auch an sich verehrt, hauptsachlich von der grossen Menge der Bahau, wie auch die bösen Geister, welche nach dem Volksglauben ja ebenfalls unter göttlichem Befehl stehen. In jenem Aufsatz ist über den Eifer, mit welchem den Vorzeichen Gehorsam geleistet wird, bereits genügend mitgeteilt worden. Auch in manchen pëmali-Bestimmungen dürfen wir als Ausserungen des Volksglaubens sehr besondere Beweise für die Scheu, mit welcher die Bahau verschiedene Tiere betrachten, sehen. Man muss sich dabei daran erinneren, wie sehr die Bahau fürchten, beschamt (haè) zu werden (S. 22). Sonst erschiene es unbegreiflich, warum gerade das Lacherlichmachen von Tieren, wie Katzen, Hunden und Schweinen, von den Donnergeistern (tö bëlarè) sehr schwer mit dem Tode bestraft wird. Als z. B. bei den Kajan am Mahakam plötzlich ein kleines Madchen, wahrscheinlich an Vergiftung, starb, schrieben die Dorfbewohner ihren Tod dem Umstand zu, dass es über irgend ein Tier gelacht haben sollte. Weiter gilt Folgendes: Das Batu Ajo Gebirge am Mahakam, dessen höchster Grat gerade wie ein Dachfirst verlauft, hat den Bahau nach sein Entstehen dem Umstand zu danken, dass ein grosses Wohnhaus mit seinen Bewohnern dort versteinert wurde, weil letztére eine Katze angekleidet und ausgelacht hatten. Bei den Toradja findet sich eine ahnliche Auffassung (s. u. a. Adriani en Kruyt. De Barée Toradja. Bd. Hl pag. 395). Eine der Kulturformen, die deutlich zeigt, wie hilfesuchend der primitive Mensch sich seinen Lebensverhaltnissen gegenüber aussert, werden durch die Gruppe der als Fetichismus bekannten gebildet. Diese beruhen im allgemeinen auf der Überzeugung, dass die bezüglichen Gegenstande, von einem machtigen Geist beseelt, im Stande sind, das Los ihrer Besitzer gunstig zu beeinflussen. Auch im Malaiischen Archipel ist der Fetischismus in verschiedenster Form allgemein verbreitet; bei den Bahau-Dajak und verwandten Stammen — 73 — hat er noch eine ursprüngliche Form beibehalten. Die als Fetische verwendeten Gegenstande entnehmen sie haufig dem Tier- und Pflanzenreich, besonders wenn sie durch ihren anormalen Wuchs die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Ebenso sind Steine mit Löchern und besonderer Krümmung sehr gebrauchlich. Auch verfertigte Gebrauchsgegenstande, besonders wenn sie alt sind, werden oft als Fetische verehrt. Wertgegenstande spielen dabei eine sehr untergeordnete Rolle. Folgendes persönliches Erlebnis ist bezeichnend für das Verhalten der ursprünglichen Dajak in dieser Beziehung: „Wenige Tage vor unserer Abreise kam Usun, die Priesterin von Tandjong Karang, mit einigen Mannern und Frauen zu uns herunter und bat um die Erlaubnis, bis zu unserer Abfahrt bei uns bleiben zu dürfen. Zugleich gab sie zu verstehen, dass sie, da es nun doch zum Scheiden kam, beschlossen hatte, ihren kostbaren oder besser gesagt, ihren heiligsten Besitz zwischen ihrem Enkel und mir zu teilen, damit diese geweihten Gegenstande mich vor allen Gefahren, denen ich entgegen ging, beschützten. Sie übergab mir ein sehr altes Schwert, das nach Aussage meiner 70 jahrigen Freundin bereits in ihrer Jugend sehr alt gewesen war, ferner Kieselsteine von aussergewöhnlicher Form in einem kleinen Sackchen und ein steinernes Flaschchen mit etwas Kokosnussöl. In diesen ernsten Abschiedstagen wurde Usun gestattet, ihre Schlafmatte in der kleinen Kammer auszubreiten, in welcher der Kontrolleur Barth auf einer Seite und ich auf der anderen unsere Moskitonetze aufgehangt hatten. Beim Erwachen am anderen Morgen sah ich, dass Usun bereits alle ihre Vorbereitungen getroffen hatte: an der Stelle, wo sie geschlafen hatte, lagen auf einer kleinen Matte neben einander die für mich bestimmten Sch&tze, ausserdem das Geldstück und die Perlen, die ich ihr als usut gegeben hatte, d. h. damit diese Dinge in gleicher Weise in ihre Hande übergehen könnten, wie ihre Talismane in die meinen und die Geister, die in letzteren steckten, nicht erzürnt würden. Darauf sprach sie, vor der Matte hoekend, die Geister an, die in den Gegenstanden hausten und trug ihnen auf, mich gegen alle Angriffe böser Geister zu schützen, mich vor Anstrengungen sowie vor einem Fall in den Bergen oder Talern zu behüten und zu verhindern, dass meine Seele sich von mir entfernte. Weiter berichtete sie den Geistern der geweihten Gegenstande, dass ich die Absicht habe, sie zum Mahakam und weiter bis zum Apu Kajan zu bringen. Auch erzahlte sie ihnen, dass ich ihr das Geldstück und die Perlen .gegeben hatte, damit sie an Stelle der alten Gegenstande in ihren Handen zurückblieben". (Q. d. B. I S. 39 u. 40). Nicht weniger beweisend für ihr Gefühl der Machtlosigkeit der Natur gegenüber ist das Verhaltnis zwischen den Bahau und den von *ihnen so gefürchteten bösen und so verehrten guten Geistern und Göttern, die nach' ihrem Glauben die auf ihr Lebenslos einwirkenden Machte vorstellen. Die Durchdringung und Emengung aller ihrer Lebensausserungen durch die pëmali und Vorzeichenbestimmungen, die das schwerste Joch bilden, das eine Menschengruppe sich auferlegen kann, um mit den höheren Machten in Einvernehmen zu geraten, sind ein vorzüglicher Beweis dafür, wie sehr diese Stamme ihre niedrige und schwierige Lage in der Tat empfinden. Sowohl die pëmali als die Vorzeichenbestimmungen sind oben (s. Kap. Hl) in allgemeinen Zügen beschrieben worden und unter anderen Stammen und aus anderen* Himmelsgegenden bekannt genug. Wollte man eine ausführliche Beschreibung von ihnen geben, so könnte man das ganze Leben des Individuums und der Gesellschaft bis in Besonderheiten dafür gebrauchen. Ich bin daher genötigt, nach den in meinem Werke „Quer durch Borneo" vorkommenden Beispielen und nach den Kapitein III und IV zu verweisen. Wir haben hier nicht mit Kulturerscheinungen zu tun, die auf das hier behandelte I. A. f. E. Bd. XXIV. Suppl. 10 — 76 — through the weary, vigils of that night we heard this incessant din. 'The good that's done we may compute, hut not the ill prevented'; therefore, who can say what suecess attended this fervent zeal? That it was not successful, the Orang Kaja himself probably believed. For certain it is, that he sickened and died within three or four weeks. His death was really due, I believe, to old age, hastened by an unbridled temper and a life of avarice, so strong that, as I have mentioned, he was willing his neighbors and even his own höusehold should die of starvation if only he could add to his wealth". Es handelte sich hier offenbar um altere, schwachliche Personen, doch sind diese Falie überzeugende Beweise für den Ernst, mit welchem die Eingeborenen ihrem Glauben anhangen. Hat man nur kurze Zeit und nicht intim mit diesen Menschen verkehrt, so ist es oft nicht leicht, sich dieses immer genügend lebhaft vorzustellen und sich dessen bei seinen Betrachtungen zu erinnern. Die vorgeführten Verhaltnisse herrschen unter den von Alters her in ihrer Umgebung und in weiter Ferne gefürchteten, als Kopfjager berüchtigten, ansessïgen und ackerbauenden Bahau- und Kenjastammen. Obschón sie eben so wenig wie ihre Religion zu den niedrigst stehenden gehören, so ist ihre Entwicklung doch sehr gering. Wenn aber diese bereits so stark unter dem Eindruck ihrer erdrückenden Lebensverhaltnisse gebückt gehen, wie sehr müssen letztere dann auf die Gemüter noch primitiverer und schwachlicherer Stamme einwirken. Zu solchen niedrigst entwickelten Stammen gehören die Punan und verwandten Bekatan, Ukit, Oio Ot u. s. w., die als Jagerstamme in den Gebirgswaldern derselben Gegenden umlrerirren. Dr. Ch. Hose, der ihnen oft begegnete und sich mit ihnen zu beschaftigen hatte, besdhreibt sie wie folgt: „They live in small groups of twenty or thirty persons, which wander in the jungle. They are found throughout the interior of Borneo, but are difücult to meet with, as they remain hidden in the depths of the forests. Mentally they are characterised by extreme shyness and timidity and reserve. They are quite inoffensive and never engage in open warfare; though they will avenge injury by stealthy attacks on individuals with the blow-pipe and poisoned darts". Furness schildert sie uns auf dieselbe Weise. Auch ich habe öfters mit ihnen verkehrt und dabei denselben Eindruck erhalten. Sehr zahlreich sind im taglichen Leben der Bahau die Vorsichtsmassregeln und pëmaliBestimmungen, die sie befolgen, um zu verhüten, dass sie bei der Behandlung ihrer Ackergewachse und verschiedener Holzarten, sowie bei Jagd und Fisóhfang durch die den Pflanzen und Tieren innewohnende Macht Unglück heraufbeschwören. Es sind dies also ebenso viele Ausserungen der Scheu, welche sie vor der Macht dieser Tie^e und Pflanzen hëgen. Dass sich die Bahau als nichts 'weniger als Herren der Schöpfung betrachten, folgt aus allem diesen sehr überzeugend. Haben wir die richtige Einsicht in das Verhaltnis dieser Stamme zu ihrer Umgebung erhalten, so ergiebt dies zwanglos eine Erklarung für die Verehrung und Anbetung mit oft sehr zusammengestelltem Zeremoniell, die sie ihrer Geister- und Götterwelt entgegenbringen. Sie hatten keine Menschen sein müssen, wenn sie bei ihrer Auffassung von den Schwierigkeiten ihrer Lebenslage nicht mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln versucht hatten, dieselbe zu verbessern. Allgemein geschieht dies, indem die primitiven Menschen durch Bitten, Opfer und Beschwörungen mit den auf sie einwirkenden Geistern und Göttern in Verbindung zu treten versuchen, da sie diesen Wesen ahnliche Gefühle, wie sie selbst sie verspüren, zuschreiben. Zur Erklarung dieser anthropomorphen Auffassung — 85 — entwickelten, Ackerbau treibenden Völkern erklaren liess, war es von Wichtigkeit klarzulegen, ob diese Vorstellungen auch den Lebensverhaltnissen der niedrigst stehenden Völker und ihrer Gedankenwelt entsprechen. Dabei steilte sich heraus, dass auch die ein Sammelleben führenden Menschen nie zur Fassung des Begriffs „Nichts" gelangen. Wie spat dieser abstrakte Begriff bei den Menschen aufgetreten sein muss, beweist das Fehlen eines nicht zusammengestellten Wortes für den Begriff „Nichts" in weitaus den meisten (vielleicht in allen) Sprachen. Man bezeichnet ihn durch Wörter, die aus der Verneinung + Etwas gebildet wurden. Vom Standpunkt obigen Kriteriums ergab sich in bezug auf unsere Erklarung der Entstehung des animistischen Seelenbegriffs, dass in unseren Naturwissenschaften von dem Begriff Naturkraft im Gegensatz zum Stoff auf ahnliche Weise Gebrauch gemacht wird, wie der Animist sich seinen Begriff Seele im Gegensatz zum Körper zurechtlegt. In der einen wie in der anderen Naturphilosophie wendet man sie für den Teil der Erscheinungen an, den man nicht weiter in seinen oft metapby3ischen Ursachen zu erfassen iin Stande ist. Um mit Schopenhauer zu reden: „Kraft ist Ursache, so fern sie unbekannt ist". Die animistische Seele und die Naturkraft stellen also ein Stück unbegriffener Wirklichkeit dar, ein Problem, das sowohl auf niedriger wie auf höherer Stufe der Zivilisation der weiteren Entwicklung unterworfen ist. So konnte bewiesen werden, dass der animistische Seelenbegriff, der die Grundlage der Form dieser naiven Religion bildet, einen Ausfluss der menschlichen kausalen Denkweise über die' Zusammenstellung seiner natürlichen Umgebung darstellt und deshalb zu den rationellen Erscheinungen der Existenz des Menschen gehört. Der Inhalt der animistischen naiven ReUgion der Bahau und Kenja, namlich die Verehrung und der Kultus, steilte in bezug auf seine Entstehung an uns die Anforderung, die Frage zu lösen, wie die Verehrung und der Kult der unter der Form von Geistern und Göttern waltenden Naturmachte und Naturerscheinungen zustande gekommen seien. Dazu galt es erstens sich deutüch zu machen, wie schwer die Existenzbedingungen primitiver Völker durch die versehiedenartigsten nachteiligen Einwirkungen ihrer Umwelt und durch ihre eigene geringe Entwicklung sich gestalten und wie hilflos sie denen gegenüber stehen. Zweitens zeigte es sich aber, dass auch die als Kopfjager berüchtigten noch ursprünglichen malaiischen Bahaustamme von Mittel-Borneo ein sehr entwickeltes, menschliches Gefühl besitzen. Aus ihren Legenden, aus ihrem Fetischismus, aus der gewaltigen Macht ihres Damonenglaubens, weiter aus dem Einfluss ihres pèmali- und ihres Vorzeichensystems trat bezeichnend hervor, wie gut sich diese Stamme von jenen schweren Existenzbedingungen Rechenschaft geben. Weiter wurde dabei in Betracht gezogen, dass diese Menschen ohne den Einblick in das Wesen und den Zusammenhang der ihnen an sich bekannten Erscheinungen ihrer Umwelt zur Erklarung derselben nur die ihnen gelaufige VorsteUung von ihrem eigenen Gefühlsleben als ursachlich zusammenhangendes Ganzes anwenden können. Wie wir wissen, reichen ihre anthropomorphen Auffassungen dazu vollkommen für sie aus. Da sie sich also in überwaltigender Weise von Göttern und Damonen mit menschlichen Eigenschaften belagert denken, wenden sie sich zur Besserung ihrer Lage, zur Besanftigung und günstigen Beeinflussung von deren Stimmung, weiter aüs Dankbarkeit oder aus Fürsorge mit Mitteln, die sie ihren menschlichen Verhaltnissen entnehmen, diesen Machten zu. So entstehen die ihrer Zusammenlebung entsprechenden Opfer und andere Ausserungen