9407 C 1 ' KONINKLIJKE BIBLIOTHEEK 2289 9063 i UEBER DEN GEBRAUCH DES KONJUNKTIVS IM DEUTSCHEN von Prof. Dr. FRANTZEN UiTGAVE P. NOORDHOFF — 1920 — GRONINGEN UEBER DEN GEBRAUCH DES KONJUNKTIVS IM DEUTSCHEN VON Prof. Dr. FRANTZEN Overdruk uit Drie Talen 1920. UITGAVE P. NOORDHOFF. - GRONINGEN. Über den Gebrauch des Konjunktivs im Deutschen. Die Mitteilung der Redaktion, daB meine in der Zeitschrift De drie Talen vom 1. Nov. 1890 bis 1. Mai 1891 erschienene Abhandlung: De leer van den conjunctief in het Hoogduitsch vergriffen sei, und daB die dauernde Nachtrage einen Neudruck wünschenswert mache, steilte mich zunachst vor die Frage, ob heute nach 28 Jahren ein einfacher Abdruck genüge, und wenn nicht, inwiefern eine Erneuerung, resp. Umarbeitung geboten sei. In seiner ursprünglichen Fassung entsprach jener Aufsatz dem von Lernenden, wie von Lehrenden hierzulande gefühlten Bedürfnis, die Theorie des nhd. Konjunktivs auf eine festere Grundlage zu stellen, und in den verworrenen Lehrstoff Licht und Ordnung zu bringen. Wie sehr dies nottat, wissen besonders die altera Fachgenossen aus Erfahrung, aber es mag hier noch einmal erinnert werden, wie mangelhaft die damals vorhandenen und allgemein benutzten Lehrbücher gerade im Bezüg auf die Syntax des Konjunktivs waren. Was die niederlandischen Arbeiten dieser Art betrifft — ich denke hier zunachst an Sprüyt und Leopold — so lieBen sie, trotz einzelner guter Bemerkungen über das Verhaltnis des Deutschen zum Niederlandischen, selbstandige Auffassung und tieferes Eindringen durchweg vermissen, und gaben hauptsachlich die sich manchmal widersprechenden Darstellungen ihrer deutschen Quellen wieder. Von diesen waren, neben dem damals modernen .kleinen' Wilmanns. zu nennen: Beyse und besonders Blatz. Inwiefern das letztere vielgebrauchte Buch sich in seinen Neuauflagen moderneren Anschauungen über Syntax genahert had, habe ich nicht untersucht, aber von dem alten Blatz ist zu sagen, was für die schulmaBige Behandlung der deutschen Syntax jener Zeit überhaupt gilt: sie beruht einerseits auf dem System der lat. und griech. Schulgrammatik, anderseits auf der allgemeinen Grundlage logischer Begriffe, wie sie besonders unter Hegel'schem EinfluB von Beoker (1829 Organism der Sprache) in die deutsche Grammatik ein- 4 geführt worden sind. Im Gegensatz dazu steht die neuere, aus der historisch-psychologischen Sprachbetrachtung gewonnene Anschauung, nach welcher 1°. der Gebrauch jeder Sprache nicht aus fremdsprachlichen grammatischen Systemen, sondern zunachst aus ihrer eigenen historischen Entwicklung zu erklaren ist, und 2°. das Resultat einer solchen jahrhundertelangen Entwicklung, wobei die verschiedensten Faktoren mitwirken, nicht den Gesetzen der Logik entsprechen kann, ganz abgesehen davon, daB die menschliehe Rede überhaupt nie ein „Bild des Denkprozesses" gewesen ist. Da diese Erkenntnis vor dreifiig Jahren noch nicht in Schulkreise durchgedrungen war, so standen mir bei meinem Versuch über den deutschen Konjunktiv keine Vorarbeiten zu Gebote. Ich hatte freilich Erdmaxns Grundzüge der deutschen Syntax, 1. Abt. 1886 benutzen können, aber ich muB gestehen, daB ich auf diese ersté historische Darstellung erst spater aufmerksam wurde. Immerhin mag die meinige durch dieses Versaumnis an Selbstandigkeit gewonnen haben. Seitdem hat freilich das historischpsychologische Studium der Syntax groBe Fortschritte gemacht. Was das Deutsche betrifft, sind besonders zu erwahnen: Behaghels gründliche und gediegene Arbeit: Der Gebrauch der Zeitformen im konjunktivischen Nebensatz des Deutschen, 1899, in welcher die historische Entwicklung des Gebrauchs der deutschen Konjunktivformen zum ersten Mal klar zu Tage tritt, und 1906 Wn manks grofl angelegte Deutsche Grammatik, Bd. III, wo S. 180—301 der Gebrauch der Tempora und Modi in der erschöpfendsten Weise vom Gotischen ausgehend durch das Alt- und Mitt^hochdeutsche nindurch bis zum Nhd. entwickelt wird. So war es also geboten, meine Darstellung im Hinblick auf die von diesen Forschern gewonnenen' Resultate aufs Neue zu prüfen. Glücklicherweise ergab der Vergleich fast vollstandige Ubereinstimmung in den Hauptpunkten, sodaB an der Grundanlage kaum etwas zu andern war. Im Einzelnen freilich ist manches anders gefaBt, einiges gekürzt oder gestrichen, anderes eingehender erörtert, und besonders sind ïnzwischen eingetretene Neuerungen im Sprachgebrauch berücksichtigt. In der Einleitung meines Aufsatzes (Drie Talen VI, 6. S. 163) sprach ich die Hoffnung aus, es werde mit Behülf der histori- 5 schen Methode gelingen, innerhalb der Grenzen dieser Zeitschrift, ohne gelehrte Zutat, einige bisher dunkle Punkte zu erhellen, wobei auch auf die Bedürfnisse der A-Kandidaten Rücksicht genommen sei. Dementsprechend ging die Darstellung zwar vom alt- und mittelhochdeutschen Gebrauch des Konjunktivs aus, gab aber tiie betr. Satztypen in nhd. Fassung. Heute, nach 28 Jahren, ist wohl das A-Studium soweit vorgeschritten, daB einfache mhd. Beispiele mit beigefügter Ubersetzung keine erhebliche Schwierigkeit machen werden. Aus demselben Grande erscheint nun auch die neue Fassung in deutschem Gewande. Zunachst ein Wort über die Bezeichnung ,Konjunktiv'. Unsere Konjunktivform h'at die Funktion zweier alterer Modusformen übernommen, die z. B. im Griechischen als ,Konjunktiv' und ,Optativ' unterschieden werden. Die erstere ist durch einen gedehnten Endungsvokal charakterisiert, die zweite durch das Element i der Endung; aus ihr ist unser .Konjunktiv' hervorgegangen, wie der Umlaut in würde, ware, dachte (aus ahd. wurdi, wari, dahti) bezeugt, Aus diesem Grande wird in wissenschaftlichen Darstellungen vielfach, z.B. von Wilmanns, der Name ,Optativ' gebraucht. Wir halten uns an den hergébrachten, aus der lat. Grammatik entlehnten Namen ,Konjunktiv', womit freilich das Wesen dieses Modus nicht als nur ,anfügend', ,satzverbindend' bezeichnet warden soll, ebensowenig wie der Ausdrack .Optativ' schlechthin eine .Wunschform' bedeutet. Unter .Konjunktiv' verstehen wir also lediglich jene, historisch betrachtet, aus dem alten JOptativ' hefvorgegangene Verbalform, ohne daB damit etwas über ihre Bedeutung ausgesagt wird. Methodisch ist diese scharfe Scheidung von Form und Funktion zur Förderung klarer Begriffe wichtig; ihre Vermischung hat zumal in den alteren Lehrbüchern allerlei Konfusion angerichtet; so z.B. wenn das Wort ,Konditionalis' bald das Prat. Konj., bald den Inf. mit würde, bald überhaupt die bedingte Rede bezeichnen sollte. Auch Wilmanns ist bei aller Scharfe der Auffassung dieser Zweideutigkeit nicht ganz entgangen: sein .Irrealis' erscheint haufig als gleichbedeutend mit .Optativ Prateriti', obgleich er z.B. im §135 ausdrücklich betont, daB-diese Form auch den .Potentialis der Vergangenheit' bezeichnen kann. So steht 8148. 2: 6 Selbstverstandlich gilt der Opt. Prat. in den Satzen, denen er als Modus Irrealis an sich schon zukommt, wo es heiBen sollte: als Ausdruck des Modus Irrealis, und § 104. 3 schlieBt mit dem Hinweis: Uber den EinfluB des Irrealis auf das Tempus (eigentlich Modus) des abhangigen Satzes s. § 148. Der erste Punkt, der hiernachst in Betracht kommt, ist der Gebrauch der Zeitformen des Konjunktivs. Vergleichen wir das Pras. Ind. er fahrt mit dem Prat. Ind. er f uhr, so ist kein Zweifel, daB mit ersterem die Vorstellung einer gegenwartigen, mit letzterem die einer vergangenen Handlung verknüpft wird. Stellen wir jedoch die entsprechenden Zeitformen des Konj. er f ahre und er führe neben einander, so fühten wir einen solchen Unterschied nicht heraus, obgleich er in gewissen Fallen bestehen kann. In dem Satze: Ich führe lieber, wenn ein Wagen zur Stelle ware wird tatsachlich die Vorstellung einer gegenwartigen *), wenn auch nur bedingungsweise eintretend,en Handlung ausgedrückt. Das Prat. Konj. bezeichnet also im Allgemeineh das selbe Zeitverhaltnis, wie das Pras. Konj., und von den mit Hülfsverben umschriebenen Formen: er sei und er ware gefahren; er w e r d e und er würde fahren gilt ein Gleiches. DemgemaB bleibt also in dem Satze: Ob ich fahre oder gehe, ist mir sonst gleichgültig, aber diesmal fahre ich lieber trotz des Wechsels der Zeitform der Gedahke auf die Gegenwart (resp. nachste Zukunft) gerichtet. Im Hinblick hierauf müssen wir also die heutigen acht Zeitformen in zwei Reihen von vier trennen, die sich je zwei und zwei zeitlich entsprechen: *) Hierbei ist freilich zu berücksichtigen, daB die Grenzen von ,Gegenwart' und nachster .Zukunft' flieBend sind, zumal wo es sich um ein nur vorgestelltes Geschenen handelt. Im Gotischen wird demgemaB das griechische Futurum gewöhnlich durch die Prasensform wiedergegeben, und auch uns sind ja Satze wie: Ich komme morgen; Es geht gewifl schief u. dergl. ganz gelaufig. I Tras. ichfahre ich führe Prat. ich sei ge- ich ware gefahren f a h r e n fëfjfS Fut. ich werde ich würde fahren f ah ren Fut. Prat. ich werde ge- ich würde gefahren fahren sein sein. Ganz rein ist allerdings diese Scheidung nur für Hauptsatze durchzuführen; in Nebensatzen kommen, wie sich zeigen wird, Prateritalformen des Konjunktivs vor, die im Gegensatz zu der entsprechenden Prasensform die Vergangenheit bezeichnen: Ich sage dir das, damit du alles w i s s e s t „ sag te „ „ „ „ „ wüBtest. Um diese Abweichung zu verstehen, ist es notwendig, auf den altera Sprachgebrauch zurückzugreifen. Im Ahd. galt die obige Regel, nach welcher das Prat. Konj. immer eine gegenwartig gedachte Handlung bezeichnet, noch nicht; es konnte überall sowohl auf die Vergangenheit, als auf die Gegenwart (oder Zukunft) bezogen werden, z.B. genuoge getrunchin gerno=Viele natten gern getrunken, aber ni wari therêr gotes drüt, ni dati er sulih wuntar = Ware dieser nicht Gottes Freund, so tate er nicht solches Wunder. Im Mhd. gilt sie nur für Hauptsatze, ausgenommen die konditionalen Gefüge1), in welchen das Prat. Konj. noch immer unterschiedslos Vergangenheit und Gegenwart bezeichnen kann, z.B. gerne sliefe ich iemer da, wan ein unsaeligiu kra, diu begunde Bchrlen = Gerne hatte ich da immerfort geschlafen, wenn nicht eine verwünschte Krahe geschrieen hatte, aber: waere min schulde groezer iht, so belibe mir der lip niht = Ware meine Schuld gröBer, so bliebe mir das Leben nicht. Indessen macht sich schon in mhd. Zeit das Bedürfnis geltend, *) Diese nehmen überhaupt, wie sich zeigen wird, eine Sonderstellung ein. 8 die Zweideutigkeit des Tempus zu heben, indem zur Bezeichnung der Vergangenheit die zusammengesetzte Zeitform benutzt wurde, z.B. hete er gewest, daz davon übel künftec waere, so hete er wol underkomeri des rlches swaere = Hatte er gewuBt, daB daraus Uebles kommen würde, so hatte er des Reiches Unglück wohl verhindert. — Was aber die Zeitform der konjunktivischen Nebensatze betrifft, so gütfüjr/ das Mhd. die sogenannte consecutio temporum, fr. concordance des temps, d. h. für die Zeitform des abh. Satzes ist der Standpunkt des Sprechenden im Hauptsatz maBgebend: es entspricht also der Gegenwart (oder Zukunft) im Hauptsatz das Pras. Konj. im Nebensatz, der Vergangenheit in jenem das Prat Konj. in diesem. Vergl. fr. Je crains (craignais) qu'il ne soit (füt) malade. Quoiqu'il soit (füt) malade, il viendra (vint). II n'y a (a v a i t) personne qui le s a c h e Is ü t). Also mhd. nhd. Ich v ü r h t e, daz er krank si. Ich f ü r c h t e, d a B er krank ist. Ich v o r h t e, daz er krank Ich fürchtete, daB er waere. krank sei. Hier ist nhd. die cons. temp. durchbrochen. Swie starc er si, ich en Wie stark er sei, ich vürhte sin niht. fürchte ihn nicht. Swie starc er waere, ich en .Wie stark er war, ich vorhte sin niht fürchtete ihn nicht Hier ist nhd. ware unmöglich. Man saget, im sin kunt Man sagt, alle Dinge seien alliu dinc. ihm kund. Man seite, im waeren Man sa gte , alle Dinge kunt alliu dinc. s e i e n ihm kund. Durchbrechung wie oben. Ez en i s t niemen, der daz Es ist keiner, der das w i z z e. wüfite. 9 Ez en w as niemen, der daz Es war keiner, der das wesse. gewuflt hatte. Cons. temp. mit Verschiebung, indem das Prat. wüBte nur Gegenwart bezeichnen kann. Lat mich an den wint, daz LaBt mich hinaus, daB die der luft erküele mich. Luft mich kühle. Ich was von der sunnen ge- Ich war aus der Sonne zum gangen zuo dem brunnen, Brunnen gegangen, Daz diu linde maere mir damit die liebe Linde mir küelen schate baere. kühlen Schatten brachte. Das letzte Beispiel entspricht eben der obenerwahnten nhd. Konstruktion, in welcher das Prat Konj. damit du alles wüfltest noch Vergangenheit bezeichnet. Wie schon bemerkt, wird diese Übereinstimmung der Zeitformen in Haupt- und Nebensatz durch den Standpunkt des Sprechenden bedingt. Hieraus folgt sofort, daB die Regel dann nicht gilt, wenn der Sprechende in der Aussage des Nebensatzes auf eine andere Zeit Bezug nimmt, als in der des Hauptsatzes. Doch wil ich niht gelouben, Doch will ich nicht glaudaz ez w u r d e1) l&n. ben, daB man es u n t e rlieB (= unterlassen hatte). Man saget, daz kein twerc Man sagt, daB kein Zwerg kurzer waere. kleiner war, gewesen sei. Ob ieman spreche, der nu Sage Einer, ob er je reichere lebe, daz er gesaehe ie Spanden sah, gesehen groezer gebe. hat, habe. Dannoch sei te si mir dabi, Sodann sagte sie (die daz min düme ein vinger s i. Traumdouterin) mir dazu, daB mein Daumen ein Finger sei. In letzterm Verse Walthers steht die Aussage der abh. Satzes im Pras. Konj., weil sie allgemein guitig, an keine Zeit gebun- *) Wurde steht hier, wie haufig im Mhd., für würde. 10 den ist. In solchen Fallen kann aber auch cons, temp. stattfinden: daz min düme ein vinger waere. Nur auBerlich ist die Übereinstimmung, wenn der Hauptsatz im Prat. steht, und die Aussage des Nebensatzes sich auf die Vorvergangenheit bezieht. Mich dühte, daz mir nie lieber wurde. Mir war, alsob mir nie seliger gewesen ware. Fassen wir das Resultat für das Mhd. zusammen, so ergibt sich, daB in abh. S&tzen (Konditionalsatze ausgenommen) die Prateritalform des Konj. (waere, wesse, vüere, naeme) im Gegensatz zur Prasensform wirklich die Vergangenheit bezeichnete, wahrend* sie die modale Funktion mit ihr gemein hatte. In Hauptsatzen dagegen war die obenerwahnte Spaltung der Zeitformen schon durchgeführt; d.h. zwischen Pras. und Prat. Konj. war kein zeitlicher Unterschied mehr, sondern nur noch ein modaler. Das Pras. Konj. bezeichnete den Inhalt der Aussage als gefordert, gewünscht, beabsichtigt, in Aussicht stekend, wahrend das Prat. denselben als nicht wirklich, unwahrscheinlich, ungewifi oder schlechthin möglich, denkbar hinstellte; in beiden Fallen aber war der Gedanke auf etwas Gegenwartiges Tesp. Zukünftiges gerichtet. Die Vergangenheit konnte also in solchen Hauptsatzen (abgesehen wieder von konditionalen Fügungen) nur durch zusammengesetzte Zeitformen, das sogenannte Perfektum und Plusquamp. Konj., ausgedrückt werden. Mit jener éinen Ausnahme (Konditionalsatz) also galt im Mhd. für konj. Hauptsatze dieselbe Regel, wie im Nhd., wahrend im Nebensatz die alte consecutio temporum jetzt fast ganz aufgegeben ist. Bevor wir aber auf diesen ProzeB eingehen, wollen wir zunachst den Gebrauch des Konjunktivs im Hauptsatz betrachten. Der Konjunktiv in Hauptsatzen. Wie gesagt, dient hier das Prfis. Konj. dazu, den Inhalt der Aussage als gefordert, gewünscht usw. zu bezeichnen. Er steht demgemaB in solchen Hauptsatzen, die einen Befehl, eine Forderung, einen Wunsch, dessen Erfüllung erwartet wird, ausdrücken. Für die zusammengesetzten Formen: Fut. und Perf. Ist in diesen Satzen kein Raum, weil einerseits der Wunsch usw. 11 sich immer auf etwas noch zu Verwirklichendes, also Zukünftiges bezieht, keiner Bezeichnung durch werden bedarf, anderseits aber eine Vergangenheit hier undenkbar ist. Das einzige von Veknaleken (Deutsche Syntax 1863) gefundene Beispiel: Ein Bettler habe nur gelernt, mit guter Weise Bettlern geben (Lessing, Nathan I, 3) ist kein ,Optativ', sondern indirekte Rede, wie der Zusammenhang von selbst ergibt. Ware aber auch dieses Perfektum ein ,Optativ', so würde es sich doch nicht auf etwas Vergangenes, sondern auf einen gegenwartigen Zustand beziehen, etwa: Ein Bettler verstehe nur, usw. Man kann diese Redeweise Itnperativ, Jussiv, Adhortativ, Precativ nennen, je nach der mehr oder weniger starken, entschiedenen WillensauBerung des Redenden. Ein* scharfe Grenze ist nicht zu ziehen: vom Befehl zum Wunsch und zur Bitte führt nur allmahliche Abstufung; Wilmanns faBt alles als Voluntativ zusammen. Geht man noch einen Schritt wëiter, so gelangt man zur konzessiven Rede, welche die Verwirklichung des Ausgesagten nicht wünscht, sich ihr aber auch nicht widersetzt, sie zulaBt oder einraumt, wie folgende Beispiele zeigen: Braut von Messina. Bleibe die Blume dem blühenden Lenze, Scheine das Schone, und Hechte sich Kranze, Wem die Locken noch jugendlich grünen! Aber dem ernsteren Alter ziemt's, Einem strengeren Gotte zu dienen. Hier stehen wir auf der Grenze zwischen Voluntativ und Konzessiv: der Chor raumt nicht nur das Recht der Jugend auf Freude ein, er wünscht es auch selbst zu wahren. Was aber Maria Stuart (I, 7) mit Bezug auf Elisabeth sagt, kann nur als Konzessiv gefaBt werden: Wohl, Sie brauche die Gewalt, sie tSte mich! Doch sie gestehe dann usw. Der konzessive Konjunktiv Prasens ist also nicht, wie die Lehrbücher anzunehmen scheinen, auf den Nebensatz beschrankt. Erscheint er doch auch in solchen Ausdrücken, wie 12 Sei's drum! Es höre, wer es will! Dem sei nun, wie ihm sei! Das Prat. Konj. im Hauptsatz dient zunachst nicht zum Ausdruck einer Willehsstrebung, obschon diese hinzutreten kann (in Wunschsatzen), sondern einer geistigen Stellungnahme zu dem Ausgesagten. Dieses wird gefaBt als nichtwirklich, unmöglich, zweifelhaft, ungewifi, oder auch möglicherweise eintretend. Auch hier findet also ein allmahlicher Übergang von einer Nuance zur andern statt. Man kann z. B. Irrealis, Dubitativ und Potentialis trennen; immerhin haben diese Namen nur relative Geltung, wie die folgende Übersicht der hiehergehörigen Hauptsatze zeigen mag. Beim Prat. Konj. in Optativ- oder Wunschsatzen ist es vielleicht noch immer nicht überflüssig, an den Unterschied zu erinnern zwischen dem Wunsch des Redenden und dem des Subjekts, sofern diese nicht in der 1. Person zusammenfallen, also beispielsweise zwischen: Kdme er doch! und Er kame gerne. Natürlich sind Satze, wie der letztere, keine Optativsatze, weil der Wunsch nicht durch den Konjunktiv, sondern durch das Adverb gerne ausgedrückt wird. Darauf weist auch schon der Umstand, daB hier kein Ausrufungszeichen stèhen, und daB für das Prat. Konj. die Umschreibung mit würde eintreten kann. Diese Umschreibung zeigt, daB wir hier mit einem Konditionalsatze zu tun haben, wpbei eine Bedingung oder Voraussetzung verschwiegen ist, etwa: Er kame gerne, wenn es möglich ware. Ahnlich verhalt es sich mit dem Prat. Konj. der optativen Hülfszeitwörter, wie wollen, mogen, von welchen das Erwünschte im Prat. Konj. als Objektssatz abhangt: Ich wollte, daB ich eswüBte; Wir wünschten, daB es damit aus ware.; Ich möchte, daB wir etwas Ruhe bekamen. Diese Konjunktivformen werden in Lehrbüchern noch haufig als ,Optativ' bezeichnet. Sehen wir aber naher zu, so wird uns sofort klar, daB sie mit dem Ausdruck des Wunsches nichts zu schaffen haten. Der Wunsch wird durch das Verbum selbst ausgedrückt und ist eine Tatsache, die jeden Gedanken an Zweifel oder Möglichkeit ansschlieBt. Das Prat. Konj. ist vielmehr durch Ubertragung aus dem jetzigen Nebensatz zu erklaren, welchem als ursprünglich selËstandigem Wunschsatz diese Form von Anfang an 13 zukam. Eine altertümliche lose Nebeneinanderstellung: Ich wünsche (das): kame er (doch)! wnrde im Laufe der Zeit zu einem Satzgefüge: Ich wünsche, dafi er kame. Eine solche Verbindung aber verletzte das Sprachgefühl, das, nach dem oben Gesagten, vom Standpunkt des Redenden aus, für welchen Wunsch und Erwünschtes gleichzeitig war, consecutio temporum verlangte. Da nun die Ausgleichung nach dem Prasens hin: Ich wünsche, daB er kom me einen abh. Forderungssatz ergab, so blieb nichts anderes übrig, als Ausgleichung nach dem Prat Konj. hin: Ich wünschte, daB er kame. Wir haben hier also nur mit Ausrufungssatzen zu tun, wie WfiBte ich es doch! Das Prat. Konj. drückt hier aus, daB dem Redenden das Gewünschte nicht als verwirklicht oder zu verwirklichen vorschwebt; es erscheint ihm entweder als unwirklich, unmöglich, wie in: Hatte ich das doch gewuflt! Ware es doch besseres Wetter! (Irrealis), oder als nur möglich (Potentialis), z.B. GSbe uns der Himmel zu diesem Feste doch schönes Wetter! Vergleicht man letztern Satz mit dem Precativ: Der Himmel gebe uns zu diesem Feste schönes Wetter! so fühlt man heraus, daB hier der Gedanke auf die Verwirklichung in der Zukunft gerichtet ist, wahrend gabe die Vorstellung der unsichern Gegenwart ausspricht. SchlieBlich sei noch bemerkt, daB in Wunschsatzen nur das Prat. und Plusquamp. Konj. statthaben; das mit würde umschriebene Fut. Prat. Konj. ist hier ebenso unmöglich, wie das entsprechende Fut. Pras. Konj. in Forderungssatzen, weil dann ja die Wunschform an und für sich schon futurische Bedeutung hat. Sehr haufig ist dagegen das Plusquamperf., da man natürlich wohl wünschen kann, daB etwas früher Geschehenes nicht eingetreten ware. In diesem Falie liegt, wie gesagt, immer Irrealis vor. Das eigentliche Gebiet des Prat. Konj. in Hauptsatzen ist der Konditionalsatz. Gewöhnlicn besteht derselbe aus zwei Teilen: dem Nebensatz, der eine Bedingung oder Voraussetzung enthalt und dem Hauptsatz, dessen Inhalt vom Eintreten dieser Bedingung oder Annahme. abhangig gemacht wird. Steht nun der Nebensatz (meist Vordersatz!) im Prat Konj., so nimmt auch die Aussage des Hauptsatzes diese Form an. Ausnahmen, wie 14 (Jungfrau v. Orleans): Fürwahr, wenn dieser starke Arm euch nicht herein geführt (hatte), Ihr sahet nie den Rauch von einem frankischen Kamine steigen sind Stijfreiheiten: der Affekt des Herzogs laBt ihm das nur Gedachte plötzlich als wirklich erscheinen. Ebensowenig, wie in Wunschsatzen, hat das Prat. Konj. in Konditionalsatzen schlechthin irreale Bedeutung: der Inhalt der Aussage kann zwar als unmöglich, nicht wirklich, unwahrscheinlich, aber auch als möglich, wenn auch ungewifi, hingestellt werden, je nach der modalen Farbung des Nebensatzes. Das Plusquamperf. freilich bedingt auch hier immer den Irrealis, z.B. Ja, war' der Kreuzweg nicht gekommen Und hatt' ich nicht gedacht, es schneit', Ich ware jetzt, wer weiB, wie weit; aber in: Trate Tauwetter ein, so würde unsere Schlittenfahrt zu Wasser wird die Möglichkeit des Eintretens keineswegs in Zweifel gezogen. Manchmal ist zweierlei Auffassung möglich. Wenn z. B. ein' Wanderer zu seinen Reisegefahrten sagt: Gabe es in diesem Dorfe ein ordentliches Wirtshaus, so könnten wir Rast halten, so kann er schon erfahren haben, daB ein solches nicht vorhanden ist (Irrealis), es kann aber auch sein, daB er nichts davon weiB, und nur den Vorschlag macht, womöglich zu rasten, in welchem Falie derselbe Konj. als Potentialis zu gelten hat. DaB im kond. Hauptsatze überall die Umschreibung mit würde -f- Infinitiv (resp. Part. und Inf.) eintreten kann, ist allbekannt, und für diesen Einzelfall könnte der bloBe Hinweis genügen. Da wir aber in der Folge dieser Konstruktion noch haufiger begegnen werden, zumal bei der indirekten Rede, und der Gebrauch von würde in solchen Fallen für Auslander grofie SChwierigkeiten bietet, so werden einige allgemeine Bemerkungen über das' Entstehen, die ursprüngliche Bedeutung und die heutige Anwendung dieser Form nicht ohne Nutzen sein. Geschaffen ist sie zur Bëzeichnung der Zukunft, für welche die germanischen Sprachen keine eigene Form hatten. Die altera Dialekte brauchen für das Futurum entweder das Prasens, wie zumeist das Gotische, oder sie umschreiben es durch allerlei Hülfsverben, die an und für sich ein Wollen, Mussen oder Werden bezeichnen. 15 1) Wollen, beabsichtigen, beginnen, gehen (an, zu), vergl. engl. I will, am going to, ndl. ik ga,.fr. je vais. Mhd: si wellent schiere komen — sie werden bald kommen; uns wil schiere wol gelingen = es wird uns bald gut gehen. Nhd. Es will Abend werden; Es scheint regnen zu wollen; Was Will das werden? Ich will Ihnen schon helfen. 2) Mussen, sollen, haben (zu). Mhd. der ie an anegenge was und muoz ö.n ende sin =c der von jeher ohne Anfang war und ohne Ende sein wird; ich sol dich wol behüeten = ich werde dich wohl schützen. Bei Luther noch u.a.: Es müssen aufhören die Weissagungen. Die Umschreibung mit sollen ist besonders im Niederd. und Angelsachs. gebrauchlich, daher auch jetzt ndl. zal, engl. s h a 11; nhd. und mhd. in rein futurischem Sinne seltener; auch nhd. ist die urspr. Bedeutung noch mehr oder weniger fühlbar in Ausdrücken, wie: das soll mich wundern; du solist mir willkommen sein; das sollte mir leid tun. Die Umschreibung mit haben kommt vereinzelt schon got. und ahd. vor; in den romanischen Sprachen ist sie allgemein geworden zur Bezeichnung des Futur und Conditionnel: die Pras.- und Prat.-Endungen von lat. habere, fr. a v o i r sind mit dem Inf. des Hauptverbs zusammengewachsen: fr. j'aimer-ai, as, a — ais, ait usw., also eigentlich: ich habe (hatte) zu lieben. Im engl. I have to go, im nhd. Der Abmarsch hat um drei Uhr zu erfolgen tritt die futurische Bedeutung weniger stark hervor, als die Notwendigkeit, der Befehl. 3) Die futurische Bedeutung von werden mit Inf. entwickelt sich natürlich aus der Vorstellung, daB ein Zustand, eine Handlung usw. noch nicht ist, sondern w i r d , ~d*. n. entsteht, ëin tritt. Diese Entwicklung ist Sber "nur auf hd. Sprachgebiet zu Stande gekommen, daher sie auch jetzt dem Ndl., Plattd., Engl. und Skandinavischen fremd ist. Im Mhd. erscheint seit dem 13. Jhr. werden mit Part. Pras. oder Infinitiv: ja wirt ir da dienende vil manec waetlicher man = mancher stattliche Mann wird ihr da dienen; sie werdent got sehende = sie werden Gott schauen; ich waene, ir werdent mir es 16 jehen = ich hoffe, daB ihr mir zugeben werdet. Die Part. Pras.-Formen erhielten sich bis ins 16. Jhr.; darauf verschwinden sie aus der hd. Schriftsprache, wahrend die Umscnreibung mit Inf. seitdem immer haufiger wird, und die mit dem Inf. mit s o 11 und will fast ganz verdrangt. Dabei ist zu beachten, daB in verschiedenen Dialekten nd assimiliert wurde zu nn, wie umgekehrt nd für nn eintrat (niemand aus n i em a n n (e)), sodaB 1 e s e n d e und 1 e s e n (n e) leicht verwechselt werden konüten.*) Da nun die Konstruktion: sie werden Gott sehend einleuchtender erscheint, als: sie werden Gott sehen, so ist man geneigt, die Konstruktion mit Part. Pras. für die ursprüngliche zu halten. Zu diesem Futurum wurde nun auch ein Prat. gebildet: dó er daz sach, dó wart er lachen (de) = als er das sah, fing er an zu lachen (wurde er lachend), und daraus entwickelte sich die konditionale Fügung: Saehe er daz, er würde lach en (de). Der Infinitiv mit würde ist also der Konj. des Fut. Prat. und: bèzeicnnet ursprünglich etwas Zukünftige? vom Standpunkt der Vergangenheit aus betrachtet: Hatte er das gesehen, er würde lachend geworden sein. Aber wie überhaupt in selbst. Satzen, so hat auch hier das Prat. Konj. seine zeitliche Bedeutung eingebüBt, und bezeichnet nur noch eine nicht Wlrkliche oder unsichere Zukunft (Irreal, Potential) vom Standpunkt der Gegenwart aus, daher denn das Nhd. den Vergangenheits-Standpunkt durch das Plusquamperf. 'Konj. ausdrücken muo: Hatte er das gesehen usw. Ein solcher Satz kann aber nie anders als irreale Bedeutung haben: das Lachen hat eben nicht stattgefunden. Will man dagegen ausdrücken, daB etwas in der Vergangenheit, von welcher die Rede ist, noch wirklich oder möglicherweise bevorstand, wie z.B. im nl. Zij zouden hem tegemoet gaan, als hij kwam, so muB man, da die alte Konstruktion: Sie wurden *) So ist in der nhd. Schriftsprache das sogen. Gerundivum {Part. Pass. Fut.) ze lesenne übergegangenin zu lesende: das zu lesende Buch = ndl. het te lezen b oek. Die niederd. Schriftsprache des 15. u. 16. Jhrs. braucht nd und n regellos durch einander, und in der heutigen danischen Schrift gilt nd ebenfalls für n. ihm entgegengehen(d), wenn er kam erloschen ist, seine Zuflucht nehmen zu den altgebrauchlichen Hülfsverben wollen oder sollen: Sie wollten (sollten) ihm entgegengehen, wenn er kame. Diese dem wurden entsprechenden Verben stenen also im Indikativ, und sind nicht zu verwechseln mit den gleichlautenden Konjunktiven in Satzen wie: Das sollte man kaum glauben. Das wollte ich mir doch verbitten. Der Konj. im Nebensatz: wenn er kame erklart sich aus der ursprünglichen Bedeutung von wollen, sollen, die sich noch fühlbar macht: Wenn er kame gibt nl. einen Gedanken desjenigen wieder, von denen das sollen oder wollen ausgeht; es liegt hier also eine Art indirekter Rede vor. Sehr deutlich tritFdïëses Fut. Prat. hervor in folgenden Satzen aus Goethe's Dichtung und Wahrheit: Nun sollte aber eine Zeit kommen, wo das Dichtergenie sich selbst gewahr würde, sich seine eigenen Verhaltnisse selbst schüf e, und den Grund zu einer unabhangigen Würde zu legen verstünde. — Nun sollte aber unsere Liebe noch eine sonderbare Prüfung ausstehen. In beiden Satzen sagt der Verfasser, was auf das vorher Erzahlte folgte, ohne noch seinen Bericht fortzusetzen; er steht einen Augenblick still und wirft von dem erreichten Zejtpunkt aus einen Bliek in die Zukunft, die jedoch für den Leser schon Vergangenheit ist Er drückt also mit sollte das Fut ^>rat Ind. aus. Der Niederlander ist- natürlich geneigt, in solchen Fallen sein zoude durch würde wiederzugeben z.B. De trein zou juist vertrekken, toen wij aan het station aankwamen: Der Zug würde gerade abfahren, als wir am Bahnhof arnkamen. Schon ein Ver- gleich mit fr. Le convoi allait partir und engl. The train was going to start könnte ihn belehren, daB ein Konjunktiv hier nicht am Platze ist. Im Allgemeinen ist also zu merken, daB — bis auf eine gleich/ zu besprechende Neuerung — Würde mit Inf. im Hauptsatz nie etwas Vergangenes bezeichnet, sondern immer Konditional ist Will man sich also vergewissern, ob zoude in einem gegebenen Falie mit würde zu übersetzen ist, so hat man nur zu fragen, ob es sich um etwas Bedingt e s handelt; in diesem Falie ist würde angebracht. 2 18 DaB sollte in diesen Fügungen nicht rein temporale, sondern auch modale Funktion hat, indem es ursprünglich eine Absicht, Vorschrift, Verabredung ausdrückt (Voluntativ), wurde schon erwahnt. Dieses modale Element kann denn auch in ganz gleich gebauten Satzen ohne jede futurische Beimischung hervortreten, so z.B., wo Goethï mit Bezug auf Lessiko's Laokoon sagt: Der bildende Künstler sollte sich innerhalb der Grenze des Schonen halten, wenn dem redenden auch darüber hinauszuschwelfen vergönnt ware. Der Grund, weshalb würde m. Inf. nur in konditionalen Hauptsatzen für das Prat. Konj. eintreten kann, liegt offenbar in dem "futurischen Charakter, der diesen Folgesatzen eignet. Man vergleiche: Er tut (tfite) es, wenn Sie ihn darum bitten (baten). Er wird (würde) es tun, wenn Sie ihn darum bitten (baten). DaB die Bedingung oder Voraussetzung haufig verschwiegen und nur aus dem Zusammenhang zu erschlieBen ist, tut nichts zur Sache. Auf das Konditionale des Gedankens in Satzen, wie Ich kame gern wurde schon S. 12 hingewiesen. Mitunter kann es auch zweifelhaft sein, ob ein Satz konditional aufzufassen ist. Das hatte ich nicht geglaubt kann bedeuten: Das würde ich nicht geglaubt haben, wenn man es mir erzahlt hatte, aber auch: Ich sehe, daB es so ist, aber es wundert mich sehr. In letzterem Falie ist würde ausgeschlossen; der Konj. hat hier wohl irreale Bedeutung. So kónnen die unpersönlichen Fügungen: Es ware schade, nützlich, erfreulich, betrübend, billig. recht usw., daB dies oder das geschahe konditional sein, wie man ja auch sagen kann: Es würde schade usw. sein, wenn das geschahe. Dagegen lassen die Satze: ES ware zu wünschen, ratlich, daB es geschahe keine Umschreibung mit würde zu, wie auch die Konjunktion daB nicht durch wenn ersetzt werden kann. Die Umstellung in den Indikativ zeigt sofort, daB hier kein Konditional-, sondern Finalsatz vorliegt: Es ist zu wünschen, daB es geschehe. Aus diesen Beispielen erhellt nebenbei, daB Konditionalis einerseits und Irrealis oder Potentialis anderseits 19 nicht gleichartige Begriffe sind: das Konditionale liegt in der Verknüpfung zweier Gedanken: Voraussetzung und Folgc, welche an und für sich von dem ,Modus' unabhangiglst, und ebensogut im Ind., wie im Konj. stehen kann. Wie oben «schon im Vorbeigehen angedeutet wurde, ist die Regel, nach welcher würde mit Inf. in selbst. Satzen immer konditionale Bedeutung hat, durch eine Neuerung im nhd. Sprachgebrauch durchbrochen. Auf diese Erscheinung hat im Jahre 1903 der Schwede Elis Hekmn zuerst in einem Artikel der Zeitschr. f. d. d. U. XVII, 191 ff. über: würde + Inf. als Ind. Fut. Prat. gebraucht aufmerksam gemacht. Zwei Jahre spater ging daraus eine den ganzen Stoff umfassende und erschöpfende Abhandlung hervor, welche unter dem Titel: Studiën über Bericht und indirekte Rede im modernen Deutsch, in Uppsala als Inauguraldissertation erschien. Ich hebe das Wesentlichste heraus. Es handelt sich um eine in der Romanlitteratur der letzten vierzig Jahre (etwa seit 1875) aufgekommene und immer weiter um sich greifende Darstellungsweise, nach welcher der Verfasser Worte oder Gedanken seiner Personen nicht i n d i r e k t von seiner eigenen Rede abhangig und im Konjunktiv, sondern direkt im Prat Ind. mitteilt, alsob er Tatsachliches erzahle. .Nehmen wir die folgenden Beispiele aus Spielhagen's Roman Noblesse oblige (Herdin S. 23 und 40-41): Warburg, dessen Tochter Minna wider seinen Willen mit dem unter Napoleon in RuBland dienenden Marquis von Héricourt verlobt ist, hat einen Brief desselben an Minna erbrochen und liest: „lm Biwak usw. — den 20. Juli 1812. Erst heute habe ich.... Ihren lieben Brief vom 30. Marz erh al ten. —" Dann fahrt Spielhagen fort: Hier stutzte der Leser abermals. Wie denn? Minnas Brief vom 30. Marz — es war der erste ihrer Briefe gewesen — er hatte ihn selber expediert — hatte Herr v. H. erst am 20. Juli erhalten? S o natten die folgenden Brief e Minnas bis zu dem Datum dieses Briefes auch nicht in seinen Handen sein können, es ware denn gewesen, daB der eine Brief schneller ging als der andere. S o musste es sein. Es waren ja doch inzwischen die anderen 20 Briefe von ihm eingetrof f en. Gleichviel: bei einer so grofien Unsicherheit der Post konnten ebenso gut alle Briefe verloren gehen wie einer. Dahinter konnte man sich im schlimmsten Falie verschanzen. r Wenn der Autor dieses Selbstgesprach in direkter Rede mitgeteilt hatte, so ware es offenbar folgendermaBen ausgef allen: Wie denn? Minnas Brief vom 30. Marz — es ist der erste.... — Ich habe ihn.... hat Herr v. H ? So natten.... sein können, es ware denn gewesen, daB der eine Brief schneller ging als der andere. So muss es sein. Es sind ja doch.... eingetroffen. Gleichviel,.... können ebenso gut alle Briefe verloren gehen.... Dahinter kann man sich verschanzen. Wir sehen also, daB für das Prasens des mit sich selbst Redenden in dem Berichte des Scnriftstellers das Prat. Ind. eingetreten ist, (nur der Konditionalsatz ist ganz in direkter Form erhalten) woBei'ich habe zu er hatte wird; m.a.W.: Der Erzahler berichtet die nach einander im Geiste seines Helden auftauchenden Gedanken in derselben Reihenfolge — man bemerke die Unterbrechung im ersten Satze: es war.... er hatte — aber von seinem Standpunkt aus; daher die Personenverschiebung von ich zu er, welche auch der indirekten Rede eignet, daher die Vergangenheitsform des Verbums. Versucht man nun aber, diese Gedankenreihe in die Form der indirekten Rede zu übertragen, so widerstrebt gleich der erste Satz. Das direkte Wie denn? ist indirekt nur durch ein pedantisch schleppendes: Er fragte sich, wie das doch zugegangen sei wiederzugeben, und wenn wir dann auch unentwegt- indirekt weiterkonstruieren, wie ein Prüfungskandidat in Übersetzernöten, so kommt etwa Folgendes heraus: und ob Herr v. H. Minnas Brief vom 30. Marz erst am 20. Juli erhalten habe — aber die Zwischensatze gehen dabei rettungslos in die Brüche. Es wird uns nun deutlich, welches Bedürfnis die modernen Erzahler unwillkürlich auf diese Darstellungsart geführt hat: die Scbilderung des Seelenlébens, das Hin- und Herwogen der Gedanken und Gefühle, die 21 bald regelmafiig auf einander folgen, bald sich blitzschnell ablösen und durchkreuzen — auftauchen und verscbwinden. Das halt keine grammatisch Korrêkte oratio obliqua aus! Es ist allgemein anerkannt, daB diese Neuerung durch die moderne französische Romantechnik beeinfluBt ist; dazu stimmt auch das Datum: Ende der 70er Jahre d.i. ungefahr der Anfang des fr. Einflusses auf die jungdeutsche Litteratur. In der G e r m. Rom, Monats schrift IV, 549 u. 597 ff. (1912) hat Halls vom fr. Standpunkt aus diese Erscheinung beleuchtet in dem Aüfsatz: Le style indirect libre, auf welchen Kai.epky ebenda V, 608 ff. einen weitern Beitrag: Zumstyleindirect libre (,Verschleierte Rede') hat folgen lassen. Für diejenigen, die sich genauer zu unterrichten wünschen, mag dieser Hinweis genügen. Uns interessiert hier zunachst die Ubertragung des Futurums in die Form des ,Berichts'. Wir nehmen wieder ein Stück aus Spielhagen (Herdin 41). Ein fr. Offizier hat die von Warburg seiner Tochter vorenthaltenen Briefe konfisziert. W. beruhigt sich durch folgende Erwagungen: Und der Franzose hatte das Paket, als sich herausstellte1), daB es nur Liebesbriefe enthielt1), zweifelsohne wütend iris Feuer geworf en. Und förderte sie wirklich ein unglücklichster Zufall spater doch zu Tage, nun, dann war Minna langst Frau Billow und würde ihrem alten, guten Vater Dank wissen, d aJJ er si e damals aus der Gefahr so klüglicherrettet hatte. Schade, daB der Billow sich hatte bestimmen lassen, die Hochzeit so lange hinaus zu schieben. Aber die paar Wochen würden ja auch noch hingehen. So lange würde es freilich dauern. "SSÏche Beispiele finden sich massenhaft. Dies eine genügt, zu zeigen, daB dem Fut. der dir. Rede ein w ür de^j- In f. des Berichtés entspricht. Wie ist aas zu erklaren? Wir haben gesehen, daB für das Pras. der dir. Rede das Prat. Ind. eintritt: Er ward oder wurde für Er wird. Dann ware also für *) Dies ist auch. in dir. Rede Vergangenheit gewesen! 22 das Fut. Es wird dauern das alte Fut. prat. ind. Es ward d a u e r n zu erwarten. Da dies aber im Nhd. erloschen ist, tritt die entsprechende Konjunktivform an seine Stelle. Zwei Um' stand e haben dazu mitgewirkt: l6. das Vorbfla des fr. style indirect libre, der für das Futur den Conditionnel brauchtTZ8. das BewuBtsein des Erzahïers (und der Leser), daB sem scheinbar tatsachlicher Bericht doch nur ein Referat fremder Gedankengange und aus dem Geiste seiner Personeh heraus gesprochen, m. a. W. indirekte Rede in (bis auf die Personenverschiebung) direkter Förmist. Das Prat. Ind. in solchen Satzen hat also dieselbe modale Funktion, wie das Fut. Prat. Konj. Letzteres hat hinwieder mit jenem die Vergangenheitsbedeutung gemein, die sie sonst im Hd. verloren hat, weshalb es auch nicht, wie in der indirekten Rede durch das Fut. Pras. Konj. ersetzt werden kann. Alles in Allem können wir also sagen, daB die besprochene Neuerung ein Mittelding zwjschen direkter undindirekter Rede ist. ■ lm Anschlufi hieran ist noch eine Konstruktion zu erwahnen, die der indirekten Rede nahe verwandt, aber doch von ihr zu unterscheiden ist, da sie nicht von einem Verbum des Sagens oder Denkens abhangt, und sich nur des Prat. Konj. bedient. Der Redende teilt im Bezug auf irgend einen Gegenstand die Meinung eines Andern mit, ohne derselben zuzustimmen; es liegt also etwas Dubitatives darin: Nach seiner Ansicht lage diesem Berichte überhaupt keine historische Tatsache zu Grunde. Das Ganze verriete unv-erkennbar Anlehnung an alte Sagen, und hatte sich aus diesen entwickelt usw. Das Ndl. braucht hier zou und das Fr. den Conditionnel. Es liegt in der Tat etwas ,Konditionales' darin: man könnte etwa erganzen: wenn er Recht hatte. Wir kehren jetzt wieder zum Prat. Konj. in wirklich selbstandiger (direkter) Rede zurück. Es würde auch weiter keinen Zweck haben, Potentialis, Irrealis usw. zu scheiden. Dieselbe Konstruktion kann je nach Umstanden verschiedene modale Farbung haben: Irreal in: F ast ware ich gef allen. Potential in: Es lieBe sich fast sagen. Dubitativ in: Sollte das wahr sein? 23 Potential in: Das solltest.du nicht tun. Wie der konditionale Konj. mit würde, kann der Potentialis mit dürfte, sollte und möchte umschrieben werden, und diese Umschreibungen sind sogar viel haufiger, als das einfache ' Prat. Konj., dessen Gebrauch in solchen Satzen auf gewisse stenende Forn^ln'TSëlschïahKr ist, wie: ïch dachte; Das 116 üjé~"s ich wohl machen; Du warest Vohlsögut, mir zu helfen. Anstatt: Di e Sache verhielte sich woTnl^nders sagt man lieber: dürfte (möchte) sich wohl anders verhalten, und für: Er dürfte sich wohl einer Tauschung hingeben kann man nicht sagen: Er gabe sich wohl einer Tauschung hin, wenn es nicht konditional gerne int ist. Überhaupt hat das nicht mit Hülfsverben umschriebene Prat. Konj. in Hauptsatzen meist konditionale - Farbung. Der Dubitativ oder Deliberativ kann in rhetorischen Fragen, die einen Zweifel, eine Uberlegung ausdrücken, durch das Prat. Konj. von sollen umschrieben werden: Ware das wohl richtig? oder Sollte das wohl richtig sein? — Hatte sich das alles so zugetragen? oder Sollte sich d. a. s. z. haben? Es ist zu beachten, daB diese potentialen und dubitativen Hülfsverben stets im Prat., nie im Plusquamperf. Konj. stehen. ^IstdocK dér Gectanke an die TvlÉtóichkeit des^Ausgesagten für ^eTrïpaenaBTi immer etwas auf die Gegenwart oder Zukunft Bezügliches. sou nicKt'~dTe^!fï6glichkeit oder WahrschelmicEkeit, sondern die Handlung selbst als vergangen hingestellt werden, so geschieht dies durcIT den Infinitiv des Perfektums: Sollte der Feind den Sieg davongetragen haben? Sobald ich namlich sage: Hatte der FeindtTeTT"SlTJ'g"davontragen sollen, so ist sollen nicht mehr dubitativ, sondern bezeichnet etwas als notwendig "^fetlachtes, etwat Will (wünscht) man, daB d. F. d. S. davongetragen hatte? Ahnlich verhalt es sich mit folgenden Gebrauchsweisen von sollen, die in Lehrbüchern meist mit der dubitativen zusammengeworfen werden: Das sollte man nicht sagen — hatte man nicht sag newer_>_neur > nur. 42 Eine Verneinung im Nebensatze hebt natürlich diese negative Beeinflussung nicht auf: Ich bin nicht so krank, daB ich nicht ausgehen könnte (kann), aber das Resultat für die Aussage des Nebensatzes ist positiv: Ich kann ausgehen, was das Niederlandische ausdrückt durch: of ik kan wel uitgaan. Auf nicht s o kann ferner auch ein durch a 1 s oder w i e eingeleiteter negativer vergleichender Nachsatz im Prat. Konj. folgen. Diese Konstruktion ist jedoch, was in Lehrbüchern nicht immer genügend hervorgehoben wird, auf einen bestimmten Fall beschrankt. Wo zwei Aussagen mit einander verglichen werden, und für die erste eine geringere Gültigkeit festgestellt wird (nicht s o), da wird keineswegs die Realitat der zweiten geleugnet, im Gegenteil; es kann also kein irrealer Konjunktiv stenen: Der Sieg freute den Feldherrn nicht so sehr, als die erlittenen Verluste ihn betrübten. Nur da, wo eine Tatsache verglichen wird mit der Vorstellung, die men sich davon gemacht hat, und diese als jener nicht en^rechenderEannt wTraTTtannïn dem vergleichenden Nebensatz das Prat. Konj. gebraucht werden: Er war nicht so kalt, als ich mir gedacht hatte (hatte, d a c h t e). Daraus folgt aber nicht, daB wir hier mit einem Irrealis zu tun natten; die Handlung des Denkens wird keineswegs in Abrede gestellt oder bezweifelt; im Gegenteil: man hat sich sogar einen hohen Kaltegrad vorgestellt, und die Verneinung gilt hier, wie in dem vorhergehenden Beispiel, nur.für den Inhalt des Hauptsatzes. Das Prat. Konj. kann also nicht die grammatische Abhangigkeit bezeichnen; es ist ein selbstandiger Konjunktiv, der ebensogut im Hauptsatz stehen könnte: Ich hTtTe gedacht, da Bes kalt er ware, d. h. Ich h attë" nicht geda cht, daB es so warm ware. Der Konjunktiv in diesen und ahnlichen Satzen gehort demnach zu den auf S. 22 fg. besprochenen Fallen, wie: D a s ^atte ich nicht geglaubt, und hat nichts mit den negativ bedmgtè1iK6nj]mkuven zu tun. Ueberhaupt beschrankt sich die ganze Konstruktion auf Satze mit den Verben denken, meinen, erwarten u. a. im Prateritum und mit 43 bestimmtem Subjekt. Man kann wohl sagen: Es war doch nicht so schlimm, als du (vielleicht) gedacht hattest; Es ging nicht so leicht, als er (wohl) gehofft hatte, aber kaum: Es ist nicht so schlimm, als man gedacht hatte. In letzterm Falie steht entweder der Indikativ oder der Konj. Prat. des Hülfsverbs sollen (Sieh S. 21—22): Es ist nicht so schlimm, als man meinen sollte. Die Genesung ging nicht so schnell von Statten, als man hatte erwarten sollen. Dieselben Beschrankungen gelten für die von einem Komparativ im Hauptsatze abhangigen Vergleichungssatze, was leicht zu verstehen, da nicht so ja gleichbedeutend ist mit dem Komparativ weniger; also: Es fiel besser aus, als ich erwartet hatte. „ „ „ „ „ man hatte erwarten sollen. Die Sache ist umstandlicher, als ich geglaubt hatte. „ „ „ i) „manglau b e n sollte. „ „ „ „ „man hatte glauben sollen. DaB in dem letzten Beispiel sowohl Imperf. als Plusquamp. Konj. gebraucht werden können, ist ein weiterer Beweis für die Selbstandigkeit des Konj. in Bezug auf den Hauptsatz. Mit dem Komparativ verwandt ist z u in Satzen, wie: Die Frage ist zu verwickelt, als dasz man sie im Vorbeigehen erledigen könnte. Der Konstruktion liegt ein Vergleich zu Grunde zwischen der Kompliziertheit der Frage und der Möglichkeit, sie im Vorbeigehen zu erledigen. Da nun der Vergleich als Resultat die Verneinung dieser Möglichkeit ergibt, so haben wir hier mit einem Irrealis zu tun, dem das Prat. Konj. entspricht. Den Vergleich bezeichnet die Konjunktion als; das folgende daB stellt den Inhalt des Nebensatzes als beabsichtigt oder erwünscht hin. Solche Nebensatze sind demnach sowohl 44 vergleichend, wie zielsetzend. Dementsprechend können sie auch die Form eines Infinitivs mit u m z u annehmen. Es sind demnach drei Konstruktionen möglich: als daB sich darüber urtei- r>-o u ■ * lenlaBt. Die Sacheistzu . , , t als daB sich darüber urtei- verwickel t len lieBe. um darüber zu urteilen. Auch hier kann das Hülfsverb sollen (neben können dürfen) im Prat. Konj. gebraucht werden, in der S. 24 besprochenen, von der Satzform unabhangigen Bedeutung: Es weht zu stark, als daB man die Fahrt wagen sollte (dürfte, könnte). Hierher gehören schlieBlich noch Satze, wie: Es fehlte wenig; Es fehlte kein Haar; Was fehlte daran u. dergl., welche den darauf folgenden abhangigen Gedanken verneinen und also das Prat. Konj. nach sich ziehen. Hauptund Nebensatz können durch daran daB verbunden werden, in welchem Falie die Konstruktion sich den nicht daflSatzen nahert: Es fehlte wenig daran, daB die Fahrt gelungen ware (gelang). In der Regel fallt jedoch daran weg, und der zweite Teil nimmt die Form eines mit s o eingeleiteten Hauptsatzes an: Es fehlte wenig, so ware die Fahrt gelungen (gelang die F.). Das Bindewort s o beweist, daB der Nachsatz eine Folgerung enthalt; der Vordersatz ware demnach als das erste Glied eines konditionalen Gefüges zu betrachten. Und so verhalt es sich in der Tat, trotz der scheinbaren Hauptsatz-Form. Dieses Es fehlte wenig ist ebenfalls ein Rest der oben Note S. 40 besprochenen Nebensatze mit dem exzipierenden e n oder n e, und bedeutet also urprünglich: Wenn nicht wenig fehlte (Imperf. Konj.). Wenn nicht wenig gefehlt hatte, so ware die Fahrt gelungen ist also ein Konditionalsatz, und durchaus verschieden von der Konstruktion mit daran, daB, welche einen Adverbialsatz zu f e h 1 e n enthalt. Die Funktion des 45 Konjunktivs ware gelungen als Irrealis wird dadurch aber nicht berührt, wiederum ein Beweis, daB dieselbe überhaupt unabhangig ist von der Satzform. Das Ganze kann auch die Form eines Hauptsatzes mit irrealem Konjunktiv annehmen, indem das Fehlen durch fast oder beinahe bezeichnet wird (sieh das Beispiel auf S. 22). Die verneinenden Konjunktionen, die den Konj. "Prat. als Ausdruck des Irrealis nach sich ziehen, sind ohne daB, geschweige (denn) daB und (an) sta11 daB. Für die zwei ersten versteht es sich von selbst, daB sie notwendigerweise den Inhalt der folgenden Aussage verneinen. Dem Satz: Er trat herein, ohne daB er den Hut abgenommen hatte (abnahm) liegt der Gedanke zü Grunde: indem er den Hut nicht abnahm, weshalb dieser Typus wohl als ,negativer Modalsatz des begleitenden Umstands' bezeichnet wird. — In geschweige daB, wie tenzij, nur ein erstarrter Satz, liegt eine Steigerung des negativen Gedankens: „ist schon das erste nicht wahr oder möglich, so schweige ich (oder schweige man) vom zweiten: Er wollte die Bittsteller nicht einmal anhören, geschweige (denn) daB er ihnen ihre Bitte gewahrt hatte (gewahrte). Von sollen in derartigen Satzen: Ich sah fast nichts, geschweige daB ich die Gesichter hatte unterscheiden sollen (können) gilt ebenfalls das auf S. 24 Gesagte. Im Gegensatz zu ohne und geschweige ist der Gebrauch des Konj. nach anstatt auf gewisse Falie beschrankt. Wahrend jene immer verneinen, kann dieser sich auch auf etwas wirklich Geschehenes beziehen; z. B.: Warum schrieb er nicht, statt daB er uns in UngewiBheit lieB? wo natürlich gel assen hatte ausgeschlossen ist. So schreibt Göthe ganz richtig: Wie gerne hatte ich mit dieser Darstellung ein B u c h angefangen, anstatt daB ichs damit ende. Der Hauptsatz enthalt einen Irrealis der Vergangenheit, der Nachsatz spricht eine gegenwartige Tatsache aus. Gelaufiger ware freilich der Infinitiv: anstatt es damit zu enden. 46 Bei der Besprechung des Konj. Prat. in Wunschsatzen haben wir (S. 13) dargelegt, daB in Fügungen, wie: Ich wol 1 te, daB er kame der Konj. des abhangigen Satzes ursprünglich ein selbstandiger Optativ (irreal oder potential) war, dem sich das Verbum des Hauptsatzes angeglichen hat. Dagegen ergab sich weiter (S. 18), daB in unpersönlichen Fügungen, wie: Es ware schade, bil lig, daB es geschahe (konditional) oder Es ware zu wünschen, erstreben, daB es geschahe (final) der Modus des Nebensatzes durch das Prat. Konj. des Hauptsatzes bedingt wird. Von Satzen, wie: Ich wüBte nicht, daB dem so ware; Ich wüBte vielleicht Einen, der die Arbeit unternahme gilt ein gleiches. Aus einer solchen Beeinflussung erklart sich auch die Stelle in Götzvon Berlichingen (II, 1), wo Liebetrautden Ausruf des Bischofs von Bamberg: Wem wird auch das einfallen! in folgender Weise erwidert: Einem zum Exempel, der schwach ware und ein stark Gewisse n hatte. Es ist natürlich zu erganzen: Das könnte (möchte, würde) Einem einfallen, der schwach ware u.s.w. III. Indirekté Rede. Der Ausdruck indirekté Rede (oratio obliqua) kann in weiterem oder engerem Sinne gefaBt werden. Die lateinische Grammatik z. B. versteht unter oratio obliqua jeden Nebensatz, der nicht eine selbstandige Aussage des Redenden enthalt, sondern zur Erganzung seiner Aussage dient. Nach dieser Auffassung ist demnach der Nebensatz in: Die Katze hat die Eigentümlichkeit, daB sie im Dun kein s i e h t als indirekté Rede' zu betrachten. Die grammatische Terminologie der modernen Sprachen beschrankt jedoch diesen Begriff auf solche Objektsatze (resp. Subjektsatze in passiver Konstruktion), die von einem Verbum oder Verbalnomen des Fühlens, Denkens oder Sagens (verbum sentiendi, cogitandi, diccndi) abhangen. Aber auch innerhalb dieser Grenzen ist nocb verschiedene Auffassung möglich. Bei Wilmanns ist die Rede von Satzen, „die eine Aussage oder Frage, eine Behauptung oder Vermutung, eine Hoffnung oder 47 Befürchtung, eine Bitte, Forderung oder Absicht ausdrücken." Wir mochten hier, wo es sich um den Gebrauch des Konjunktivs handelt, alles ausschlieBen, was als beabsichtigt, gefordert, gewollt u.s.w. hingestelh' wird, da der Konj. in diesen Fallen nicht rein als Ausdruck der ind. Rede erscheint, sondern auch final (voluntativ) ist. Unter dem Namen indirekté Rede begreifen wir also nur solche Nebensatze, die den Inhalt der im Hauptsatz ausgesagten Tatigkeit (Fühlen, Denken, Sagen u.s.w.) angeben, ohne daB dieser Wiedergabe des Inhalts irgendwelche modale Farbung anhaftet. So aufgefaBt bezeichnet die i. R. nur die grammatische Abhangigkeit des Nebensatzes vom Verbum des Hauptsatzes. Aus dieser Definition ergibt sich sofort, daB der Konjunktiv der i. R. in unserer Darstellung nur als ein Mittel erscheint, die Abhangigkeit oder Unselbstandigkeit des Gedankens, also das was man wohl als Subjunktiv d.h. unterordnend bezeichnet, zum Ausdruck zu bringen. Sobald aber der Konj. in solchen Satzen eine bestimmte modale Bedeutung erhalt, z. B. einen Zweck, Wunsch oder Zweifel ausspricht, wird er final, optativ, dubitativ u.s.w. und ist als solcher nicht. mehr an die i. R. gebunden, welcher er nur zufallig angehört, vergl.: Ich hoffe, daB es dir gelingen möge und: Möge es dir gelingen! Wenn wir trotzdem die Verben h o f f e n und fürchten von unserer Retrachtung nicht ausgeschlossen haben, so geschieht dies, weil sie sonst in ihrer Konstruktion ganz mit der i. R. übereinstimmen. Eine erschöpfende Behandlung aller die i. R. berührenden Fragen würde die Grenzen dieses Aufsatzes weit überschreiten. Wir' beschranken uns auf die zwei für die Praxis wichtigsten Hauptpunkte: den Gebrauch des Konjunktivs überhaupt, und den Gebrauch der Zeitformen (Prasens- und Praterialform) des Konjunktivs. Was den ersten Punkt betrifft, sind drei Falie zu unterscheiden: 1°. der Konj. ist a u s g e s c h 1 o s s e n, 2°. er ist in einzelnen Fallen oder allgemein zulassig oder gebrauchlich, 3°. er ist notwendig. Beginnen wir mit den Verben des Sagens und Denkens. Es ist dabei zu achten auf das S u b j e k t des Sagens oder Denkens und auf die Zeitform dieser Verben, 48 1. Person Prasens. Ich sage,teile mit u.sw., daB er nicht kommen kann. Ich behaupte, versichere u.s.w., daB es sich so verhalt. Ich meine, vermute u.s.w., daB es zu spat ist. Ich nehme an, setze voraus u.s.w., daB er Recht hat. 1. Person Prateritum. Ich sagte u.s.w., daB er nicht kommen könne (könnte).1) Ich behauptete ujs.w., daB es sich so verhalte (verhiel t e). Ich m ein te u.s.w., daB es zu spat sei (ware). Ich n a h m a n u.s.w., daB er Recht habe (hatte). Aus diesen Beispielen ergibt sich die einfache Regel: Nach einem reinen Verbum des Sagens oder Denkens in der 1. Person folgt auf das Prasens stets der Indikativ, auf das Prat.2) stets der Konjunktiv. Es sei hier gleich angeschlossen, daB die Regel: Kon j unkt iv nach Prateritum auch für die 2. und 3. Person gilt, also: Du sagtest, meintestl u.s.w., I daB es nicht gehe (ginge). Er sagte, meinte u.s.w., I M. a. W. der Konj. findet überall da Statt, wo ein früherer Gedanke, eine vorhergegangene AeuBerung wiedergegeben, ahgefïïhrt wird. 2. und 3. Person Prasens. Du sagst, behauptest, m e i n s t u.s.w. daB ich es nicht weiB, Er sagt, behauptet, i wisse, wüBte. m e i n t u.s.w. DaB hier im Allgemeinen sowohl Indikativ als Konjunktiv 1) Unter Prateritum ist hier nicht die ,vollendete Vergangenheif, das ,Perfektum' zu verstenen. Diese Zeitform laBt namlich Bezugnahme auf die Gegenwart des Sprechenden, wie auf die Vergangenheit zu, daher sowohl Indikativ, wie Konjunktiv folgen kann. Also: Ich habe gesagt, daB er nicht kommen kann oder könne. 2) Uber die Konstruktion ohne Fügewort sieh weiter unten! 49 statthaft ist, erklart sich aus demselben Gesichtspunkt. Strenggenommen sind eben erst gesprochene Worte eines Andern für den Redenden, der sie gleich wiedergibt, schon etwas Vergangenes; anderseits aber ist das Prasens auch eine durative Aktionsform: dann bleibt die wiedergegebene Behauptung oder Meinung noch wahrend der Mitteilung des Redenden für ihn und den (die) Angeredeten gegenwartig, und diese Vorstellung schliefit den Gedanken an eine Anführung, einen Bericht aus. Völlig erschöpft ist jedoch durch diese Darstellung die Funktion des Konjunktivs der L R. nicht. Sie laBt sich noch etwas weiter fassen. Wenn der Redende einen früheren Gedanken oder Ausspruch wiedergibt, so scheidet er bewuBt oder unbewuBt seine Zeit von jener andern, aus der er berichtet, indem er sich rückblickend ihr gegenüberstellt. Eine solche Scheidung kann der Redende jedoch auch ohne Zeitunterschied machen zwischen seinen eigenen Gedanken und der in der i. R. enthaltenen Vorstellung, welche dadurch als etwas ihm Fremdes, auBer ihm Liegendes bezeichnet wird. Es ist klar, daB ïüerdüi-ch die Funktion des Konjunktivs der i. R. allgemeiner gefaBt wird, als durch Ausdrücke wie Anführung,Bericht,Referat. Jener ScheMung zwischen demGedanken des Redners und einem andern, den er ,objektiv' mitteilt, entspricht die Konstruktion des Objektsatzes ohne Fügewort und in der Wortfolge des Hauptsatzes: Du behauptest, ich wisse es nicht, durch welche auch auBerlich die Verbindung zwischen beiden Satzen gelockert wird. Aus diesem Gesichtspunkt erklart es sich nun, daB in gewissen Fallen auch nach der 1. Pers. Pras. eines Verbums des Sagens oder Denkens der Konj. dêrirl^vorkommt. Das Prasens kann namlich erstens erzahlend sein, sodann bezeichnet es manchmal eine GewohUlielt, ein'e wiederholte Tatigkeit, endlich auch wohl eine nur vorausgesetzte WirkliehkeltTIn allen diesen Fallen kann der Inhalt des Nebensatzes für den Redner Gegensiana einër objektiven Mitteilung werden. So z. B. Oft traume ich, daB ich wiedér j u n g bin oder ich sei wieder jung; Nehmen wir an, A sei gleich B (oder: daB A gleich B ist), so folgt hieraus u.s.w.; Damit will ich keineswegs behaupten, daB jeder Irrtum ausgeschlossen ist oder: jeder Irrtum 4 50 sei ausgeschlossen. Natürlich kann auch in den d a BSatzen Konj. stehen. Eine zweite Anwendung findet unser Prinzip bei solchen Verben des Denkens, wie glauben, überzeugt sein, wissen, die eine mehr oder weniger subjektive Farbung haben können. Wenn die beiden ersten bedeuten: von einer Tatsache überzeugt und das letzte: einer Tatsacne gewiB sein, so teilt der Redende eben im Neben- wie im Hauptsatz von sich aus eine Tatsache mit, und braucht also den Indikativ, z.B. Er weiB, daB er Unrecht tut; Ich wuBte, daB es zu spat war; Er war endlich überzeugt, daB es nicht anging; Erst als er sich durch den Augenschein überzeugt, glaubte er, daB man ihn nicht getauscht hatte; Er konnte nicht glauben, daB ich es war. So auch bei b e g r e ifen, einsehen, beweisen, zeigen u. a. z.B. Er sah ein, daB ich Recht hatte; Der Tatbestand bewies, daB hier ein Einbruch geschehen war. Will dagegen der Redende durch diese Verben nicht die GewiBheit einer Tatsache, sondern nur die persönliche Meinung des Subjekts, dessen subjektive Auffassung, ausdrücken, so wird er dem Konj. den Vorzug geben. Am haufigsten geschieht dies bei glauben, das ja gewöhnlich synonym mit m e i n e n gebraucht wird; dann folgt überzeugt sein, das ebenfalls oft eine stark subjektive Farbung hat; darauf begreifen, einsehen u. a.; und endlich wissen, wobei der Konj. natürlich verhaltniBmaBig selten ist. Man muB auclr*hier, wie bei den reinen Verben des Denkens, Prasens- und Prateritalsatze unterscheiden, jedoch sind einige Abweichungen von der gewöhnlichen Regel zu bemerken. Zunachst kann auf die Vergangenheit sowohl Indikativ, wie Konjunktiv folgen: Er glaubte, war überzeugt, begriff, wuflte, daB es so sei oder war. Ferner ist die lose Fügung ohne Konjunktion nur nach glauben und überzeugt sein zulassig, nicht aber nach begreifen, einsehen, wissen, was mit der oben aufgestellten Stufenfolge zusammenhangt; also Er glaubte, war überzeugt, es sei so, aber besser nicht: Er begriff, sah ein, wuBte, es sei so. — Für das Prasens von glauben und 51 überzeugt sein gilt dieselbe Regel, wie bei den anderen Verben des Denkens: Ich glaube, bin überzeugt, daB es so ist; Er glaubt, du bist überzeugt, daB es so ist oder sei. Dagegen nach einsehen, begreifen und besonders nach wissen braucht man besser nur den Indikativ, ausgenommen etwa wenn ein Hülfsverb, wie wollen, können, vorangeht, das dem Verbalbegriff etwas Subjektives mitteilt, wie: Er will nicht einsehen, daB er sich irren könne; Man will wissen, daB die Unterhandlung sich zerschlagen habe, wo will wissen sich mit behaupten berührt. So kann auch auf das Prasens von beweisen, dartun, zeigen der Konj. folgen, wenn dem Redenden die Vorstellung: beweisen wollen vorschwebt, etwa wie in F a u s t, Schülerszene: Der P h i 1 osoph, der tritt herein, und beweist euch, es müBt' so sein u.s.w. Der Gebrauch des Konjunktivs nach diesen Verben hangt also haufig von der Willkür oder persönlichen Auffassung des Redenden ab, und man wird bei klassischen Schriftstellern, namentlich bei Goethe, öfter einen solchen finden, der den aufmerksamen Leser stutzig macht. So habe ich mir aus ,Dichtung und Wahrheit' XI, 3 beilaufig angemerkt: Sie kannten mich genug, um zu wissen, wie leicht bestimmbar ich sei; Ich brauche kaum zu sagen, daB hier Shakespeare gerne int sei; Wie unertraglich ein solcher Zustand sei, entging seinem hohen Geiste nicht; Ich wuBte noch nicht, wie unmöglich es sei. Solche Konjunktive tragen dazu bei, Goethes Altersprosa eine leise pedantische Farbung zu geben; sie sind wohl auf den EinfluB der lat oratio obliqua zurückzuführen. Nicht-Deutschen sind natürlich solche Kühnheiten abzuraten; es gehort schon ein sehr feines Sprachgefühl dazu, hier die Grenze nicht zu überschreiten. Auch bei den Verben, die ein Gefühl (Sinnesempfindung oder Seelenregung) bezeichnen, spielt der Konj. eine ahnliche Rolle. Nehmen wir beispielsweise: sehen, merken, hören, vernehmen, fühlen, empfinden, spüren. Wo diese Verben im gewöhnlichen Wortsinne gebraucht werden: ,etwas mit dem Gesicht, Gehör oder Tastsinn wahrnehmen', da spricht der abhangige Satz die wahrgenommene Tatsache aus und 52 steht also im Indikativ: Er sah, merkte, spürte, daB es zu regnen anfing; Man hörte, daB die Tür sich schloB u.s.w. Aber diese Verben können auch eine subjektive Empfindung ausdrücken, zumal f ü h 1 e n und ahnliche. Man kann ebensogut sagen: Er fühlte, daB es mit ihm zu Ende gene, als zu Ende ging. Sq kann: ich höre, vernehme, lese gleichbedeutend sein mit man berichtet mir, in welchem Falie die allgemeine Regel der i. R. gilt, und s e h e n nahert sich mitunter der Bedeutung einsehen, merken: Ich lese, höre so eben, daB er gestorben sei (ist). Er sah wohl, daB er sich geirrt habe (hatte). Für die Verben hoffen, fürchten, besorgen u. dergl. gilt bis auf einen Fall die allgemeine Regel: Ich fürchte, daB es zu spat ist (nicht sei!); Ich hoffe, daB du zufrieden bist (nicht seist!,). Sobald aber Hoffnung und Furcht ausdrücklich auf die ZukühTt^ bezogen werden, kann auch auf die LPers. l^rasfdërKonjTlolgen. Diese Abweichüng von der Norm der i. R. erklart sich aus der Zielstrebigkeit von hoffen und fürchten, deren Objektsatz sichaem Finalsatz nahert: Ich hoffe, daB es gelingt (nicht ge li n ge!), gelingen wird, werde, möge. Ich hoffte, daB es gelange (selten!), gelingen würde (selten werde), möchte. Ich fürchte, daB es nicht geht (auch wohl gehe), gehen wird, werde (nicht möge!) Ich fürchtete, dafi es nicht ginge, gehen würde (selten werde), gehen möchte. Zu beachten ist also 1°. daB nach ich hoffe nicht Konj. Pras., wohl aber Konj. Fut. zulassig ist, 2°. daB nach ich fürchte das Hülfszeitwort möge ausgeschlossen ist, weil es in dieser Stellung einen Wunsch ausdrücken würde (möcjrte nach ich fürchtete ist potential), 3°. daB auf die VerKangenherr*von"rü^n^^ kein Pras. \ Konj. folgen kann. In den bisher besprochenen Beispielen ist (ungenau, aber kurz gesagt) die Gleichzeitigkeit von Haupt- und Nebensatz angenommen. Wo sich eine gegenwartige Mitteilung, 53 Meinung u.s.w. auf etwas Ver gangenes bezieht, muB natürlich der Regel gema.fi Ind. oder Konj. der Vergangenheit stehen: Ich sage dir, daB ich dabei war und alles mit a n s a h (kein Konj.). Du behauptest, daB man die Tür verschlossen fand (gefunden habe). Der Vorsitzende bemerkt, daB nach dem Protokoll der Vorschlag einstimmig abgelehnt wurde (worden sei). Man wird fühlen, daB in dem letzten Satz der Konj. weniger gut angebracht ist. Es handelt sich dort nicht um eine persönliche MeinungsauBerung, sondern um eine amtlich festgestellte Tatsache. So ist der Konj. auch da nicht am Platze, wo geschichtliche Berichte mitgeteilt werden, es sei denn, daB man ausdrücklich die Wahrheit des Berichtes dahingestellt lassen will. So z.B.: Ein römischer Geschichtsschreiber berichtet, daB der Gotenkönig durch Altersschwache und Siechtum auBer Stande war, dem Ansturm der Hunnen zu widerstehen und sich aus Verzweiflung darüber selbst den Tod gab. Von poetischen Erzahlungen, Bomanen u.s.w. gilt ein Gleiches, da hier ja die Frage nach dem Tatsachlichen ganzlich ausgeschlossen ist. Also etwa: Der Verfasser erzahlt, daB in einem kleinen weltvergessenen Ort sich ein Künstler niederliefi u.s.w. Es ist sogar denkbar, daB ein solches Referat im Ind. auf ein Prat. folgen kann: GroBmutter erzahlte, daB einmal ein König war, der eine über aus schone Tocht ér hatte u.s.w. Der Inhalt des Marchens steht als eine feste, nicht von der GroBmutter herrührende, Tradition da. Für die indirekté Frage (Entscheidungs- und Erganzungsfragen) gelten im heutigen Hochdeutsch dieselben Regeln, wie für die i. R. überhaupt. Wir brauchen dabei also nicht langer zu verweilen, und besprechen nur noch den heutigen Gebrauch der Prasens- und Prateritalformen des Konjunktivs der indirekten Rede. Wie auf S. 27 fgg. dargelegt wurde, hat dié neuere Sprachentwickelung dahin geführt, daB beide Formen durch einander in denselben Fügungen. gebraucht werden: 54 direkte Rede: er kommt ind. Rede: er komme, kame „ erkam „ ersei, ware ge¬ kommen „ er wird „ er werde, würde kommen kommen DaB bei der Wahl dieser Formen auch mundartliche Einflüsse mitwirken, wurde ebenfalls S. 29 schon angedeutet. In dem für Auslander maBgebenden Muster-Hochdeutseh aber gilt die Prasensform für f einer, ge wahl ter, als das Prat. Konj., ausgenommen wenn die erstere mit dem Pras. Ind. zusammenfallt; in diesem Falie schreiben die Grammatiken den Gebrauch der Imp. Konj. vor. Es ist dabei jedoch zu beachten, daB die 1. Pers. Pras. Konj., wiewohl fast immer dem Pras. Ind. gleich, gerade in gewahlter Rede vorzugsweise gebraucht wird: Er b e hauptete, ich habe kein Recht darauf und aus Goethes'D.u.W. XI, 3: Der Augenschein hatte mir gezeigt, daB ich mich auf altem Meeresgrund bef inde1). Dagegen ist für das Futurum die Prateritalform überall gebrauchlicher, als das Prasens. Zu erklaren ist dieser Vorzug einerseits hieraus, daB die Prasensformen des Futurums samtlich bis auf zwei (du werdest, er werde) mit dem Ind. zusammenfallen, anderseits aus dem EinfluB der zahlreichen früher besprochenen würde- Satze. Abgesehen von diesen Einschrankungen ist es sowohl für die grammatische Richtigkeit, wie für die logische Bedeutung einerlei, ob man in der i. R. die Prasens- oder Prateritalform der Konj. braucht. Es ist dann also wesentlich eine Geschmacks und Stilfrage. In Grammatiken wird haufig gelehrt, daB die Prateritalform einen Zweifel des Redenden an der Richtigkeit der ind. Aussage andeute. Das kann freilich zutreffen, aber dann ist diese Form als Bezeichnung des Dubitativs aufzufassen, und hat als solche mit der ind. Rede nichts zu tun. *) Es scheint fast, alsob die Endung e der 3. Pers. Pr. K. er werde, bef inde, die so stark gegen wird, befindet absticht, hier das Gefühl für die Konjunktiv-Endung der 1. Pers. verstarkt hatte. 55 IV. Modalsatze. Mit diesem Namen haben wir oben S. 29 die mit als, a 1 s o b, als wenn, wie wenn anfangenden Nebensatze bezeichnet, die eine scheinbare Aehnlichkeit oder Gleichheit ausdrücken. Wir haben hier also mit verg 1 eichenden Adverbia 1s at zen zu tun, und da die Gleichheit oder Aehnlichkeit nur angenommen resp. verneint wird, so isiSerlïon junktiv in solchen Satzen als potential oder irreal zu tassen. Infolgedessen ist schon im Althochdeutschen die Regel der consecütio temporum: Er tut, alsob er nichts davon wisse, Er tat, „ „ „ „ wüfite, mitunter1) dadurch gestort, daB die Nichtwirklichkeit der Aussage des Nebensatzes nach prasentischem Hauptsatz durch das Imp. Konj. ausgedrückt wird. Im Mittelhochdeutschen freilich isF dies so gut wie nie der Fall: Erdmann kennt keine Abweichungen, Behaghel gibt nur zwei Beispiele 2) aus Bertholds Predigten (13. Jhr.); aber schon bei Albrecht tonEtb (15. Jhr.) findet er sechs Beispiele des Prat. gegenüber zwei mit Pras. Konj. In der nhd. Schriftsprache werden, wie auch Behaghels Beispiele (S. 92—93) deutlich zeigen, die Prasens- und Prateritalformen unterschiedslos durcheinander gebraucht; in der tlmgangsprache freilich mogen wohl letztere überwiegen. Begünstigt wurde das Vordringen des Prat. Konj. ohne Zweifel durch den EinfluB der Konditionalsatze: da namlich als = wie und ob ursprünglich = w e n n, so ist es klar, daB dem Satze: E r t u t, ») Erdmann gibt S. 153 nur zwei Belege aus Notkers Psalmen (± 1000): daz chlt ecclesia, samo só si chade zi iro c h i n d e n (Piper II S. 10, 3; die andere Hs. III S. 9, 7 hat spreche!)= ,das spricht die Kirche, alsob 'sie sprache zu ihren Kindern' und 220, 19: daz er chlt: ferslindet sie, daz ist also er chade usw. = ,dafl er spricht: verschlingt sie, das ist alsob er sprache'. Der dritte Beleg: Otfried II, 2, 3, 7 gehort nicht hieher. z) Das erste ist zweifelhaft: Berthold kann gesagt haben: sprechest; das andere ist falsch zitiert und unauffindbar! 56 alsob er nichts* davon wüBte der Gedanke zu Grunde liegt: Er tut, wie er tun würde, wenn er nichts davon wüfite. Da ferner der hypothetische Satz auch die invertierte Wortstellung ohne Konjunktion annehmen kann, so ergibt sich daraus die beliebte Konstruktion: Er tut, als wüfite er nichts davon. Wie das Imp. Konj. an Stelle des Prasens, so kann das Plusquamperfekt an Stelle des Imperfekts treten. Das Resultat der Verschiebung ist also: Er tut, alsob er nichts davon wüfite. Er tat, gewufit hatte. Neben dem Konditionalsatz hat aber auch die indirekté Rede die nhd. Konstruktion des Modalsatzes beeinflufit. Das mag anfangs Wunder nehmen, da ja zwischen Modalsatz und indirekter Rede auf den ersten Bliek keinerlei Verwandtschaft zu bestehen scheint. Sehen wir aber von dem hypothetischen ob (wenn) ab, und achten an erster Stelle auf die einleitende Konjunktion als (wie), die das Ganze zum vergleichenden Nebensatz stempelt, so erinnern wir uns, daB mehrere Sprachen die Anknüpfung der i. R. an den Hauptsatz durch eine vergleichende Konjunktion kennen. Wir denken an das plattniederlandische: Hij zei, als dat ie 't niet wist; an platt-englische Ausdrücke, wie: Coxwain says as how he didn't (Marryat, The three cutters); an die sehr gelaufige fr. Konstruktion: lis me racontèrent comme quoi ils avaient réussi d s'enfuir. Auch in der deutschen Schriftsprache ist die Einführung der i. R. durch als mit folgendem Verbum ganz gebrauchlich, wo es sich um eine falsche Meinung oder Behauptung handelt; so Goithe in Dichtung und Wahrheit mit Bezug auf die Rheinschnaken im Elsafi: (Ich sagte scherzend), daB diese Schnaken allein mich von dem Gedanken abbringen könnte n, als habe ein guter und weiser Gott die Welt erschaffen, und anderswo: der Vorwurf.als urteile ich wie ein Provinzler. Der Zusammenhang zwischen Modalsatz und i. R. dürfte sich wohl so. erklaren, daB bei jenem der Hauptsatz meist eine Handlung ausdrückt, die zum Zweck hat, den Schein des im Nebensatz Ausgesagten zu erwecken. Der Satz: Er tut, alsob er krank sei bedeutet ungefa.hr: Er gibt vor, heuchelt 57 daB er krank sei, was natürlich zur \. R. gehort. Dieser Bedeutungsübergang iaBt sich, wie" mir scheint, an dem bei Bkiiaghel S. 93 angeführten Satz von Heyse nachweisen: (Sie) ging die Fahrstrafie hinan, als ware sie ein abgeschiedener Geist. Das lieiflt: ,es sah so aus, machte den Eindruck'. Lese ich aber: als sei sie ein abgeschiedener Geist, so klingt das, wie: ,sie steilte sich so'. In welcher Weise hat nun die LR. die Konstruktion des Modalsatzes beeinflussen können? Als Resultat der bisherigen Entwickelung hatten wir gefunden: Er tut, alsob er nichts davon wisse (wüfite). „ tat, „ „ „ „ wüBte (gewufit hatte). An dem ersten Satz ist nichts zu andern: er entspricht durchaus der Regel der oratio obliqua. Im zweiten würde das Plusquamperfektum dieser Regel widersprechen, wenn es nur, wie wüfite, die Gleichzeitigkeit von Haupt- und Nebensatz, also die Vergangenheit des Potentialis oder Irrealis ausdrücken könnte. Es IaBt sich aber auch als Vorvergangenheit auffassen, was einem Prat. der direkten Rede: ich wüfite nichts davon ent sprache, und mit einem indirekten: gewufit habe gleichstünde. Auch hier also findet die Konstruktion der LR. sozusagen keinen Widerstand; nur fügt sie das Prasens wisse hinzu, sodaB nunmehr nach Vergangenheit des Hauptsatzes drei Konjunktivformen möglich sind: wisse, wüBte, gewufit hatte. Bei letzterer Form freilich wird die zeitliche Beziehung zweideutig, soweit sie sich nicht aus dem Zusammenhang ergibt. So ist in dem Beispiele Behaghels (aus Jean Paül): (er) antwortete so, als hatte dieser gar nicht geredet ohne weiteres klar, daB die beiden Handlungen zeiüich getrennt sind, wie denn hatte geredet hier nicht durch redete zu ersetzen ist. Ebenso etwa: Er steilte sich, alsob er geschlafen hatte, was nicht mit schliefe gleichwertig ist. Vernaleken (Deutsche Syntax S. 297) sagt ganz allgemein: ,Fast in allen diesen Fallen kann statt des Konj. imp. auch der Konj. des plusquamp. steben', und bringt ein Beispiel aus Tiecks Novellen: Mir war, alsob ich aus der Hölle in ein Paradies getreten ware, das allerdings zweierlei Auffassung zulafit, da tra te und trete hier ineinanderfliefien. 58 Der dritte und jüngste EinfluB ist die Neigung der neuern Sprache, den Konjunktiv durch den Indikativ zu ersetzen, die sich besonders in mündlicher Rede und zwar zunachst nach Prasens des Hauptsatzes bemerklich macht. Ausdrücke wie: E r tut, alsob er nichts weiB; Es scheint, alsob man den Kopf verloren hat kann man taglich hören; aber auch wohl: Er tat, alsob er nichts wuBte; Es schien, alsob man den Kopf verloren hatte, je mehr die Lage sich verwickelte, wobei gewiB die Gleichheit der Ind.- und Konj.-Formen der zahllosen schwachen Verben zur Verwischung der Grenzen mitwirkt. Die Schriftsprache freilich verhalt sich gegen diese letzte Neuerung noch ablehnend. Die von Wilmanns §. 139 angeführten Beispiele: Dem Knaben war's, als ob er der Wellen Flüstern verstand (Körneb) und: Mir ist, als safl ich winterlange ein Kr ank er in dunkier Krankenstube (Heine), sind wohl als AuBerungen poetischen Affekts aufzufassen, wie Ihr s a h e t S. 14. An den Modalsatzen IaBt sich besonders die weitgehende Zerrüttung der Konjunktiv-Konstruktionen im Neuhochdeutschen wahrnehmen. Ein ahnliches Bild bieten die Finalsatze, mit weichen wir unsere Uebersicht beschliefien. V. Finalsatze. Unter dem Namen ,Finalsatz' fassen wir alle diejenigen Nebensatze zusammen, die ein Ziel, einen Z w e c k, eine F o rderung, Absicht, kurz eine Willensstrebung ausdrücken. Wir haben hier also mit derselben Redeweise zu tun, die in Hauptsatzen von uns (S. 11) als Imperativ» Jussiv u.s.w., von Wilmanns als voluntativer Optativ bezeichnet wurde. Ihrer syntaktischen Funktion nach sind diese Satze: 1. Subjektsatze, z.B. Es ist billig, daB man dem Angeklagten Gelegenheit gebe, sich zu verteidigen. So auch nach: es ist notwendig, erf orderlich, wünschenswert, gut und ahnlichen Wendungen. DaB 59 •diese auch die Form eines Potentialsatzes annehmen können: Es ware zu wünschen, daB es geschahe ist schon S. 46 erwahnt. 2. Objektsatz e, z. B. DasVaterlanderwartet, daB Jeder seine Pflicht tue. Sie hangen von Verben ab, die eine Forderun g, einen Wunsch bezeichnen, wie befehlen, genieten u. a. Obschon solche Satze sich also nahe mit der indirekten Rede berühren, haben wir sie (S. 47) bei der Besprechung derselben ausgeschieden, weil sie im Gegensatz zu der Regel der i. R. auch nach der 1. Pers. Prasens den Konjunktiv zulassen. Man kann sagen: Ich will, wünsche, daB der Spanier stolz sei, aber nicht: Ich sage, glaube, daB er stolz sei. Eine scharfe Grenze freilich ist zwischen finalem Objektsatz und ind. Rede nicht zu ziehen; je mehr die Zielstrebigkeit zurücktritt, um so mehr nahert sich der Objektsatz der Mitteilung eines Gedankens oder einer Vorstellung, m. a. W. der indirekten Rede. In dem Satze: Ich er war te, daB es bald 1 osgeht bedeutet erwarten etwa vermuten, glauben; es mufi also Pras. Indikativ (resp. Futurum) folgen. Sage ich jedoch: Ich erw&rte, dlaB der Befehl ungesaumt vollzogen werde, so ist erwarten gleichbedeutend mit wollen, fordern, was den finalen Konjunktiv nach sich zieht.. 3. Adverbialsatze, die den Zweck der Handlung des Hauptsatzes bezeichnen. Eingeleitet werden sie durch damit, auf daB oder einfach daB, manchmal auch durch bis, ehe, b e v o r. Am haufigsten wird damit gebraucht; auf daB ist mehr der gehobenen Rede angemessen: Ehre Vater und Mutter, auf daB es dir wohl ergehe, und du lange lebest auf Erden! Was die drei letztgenannten Konjunktionen betrifft, so sind sie eigentlich zeitbestimmlend; da sie aber das Ende der Handlung angeben, so kann dieses als zu erreichen (bis), oder zu verhindern (ehe, bevor) aufgefafit werden, was denn auch im Französischen den Subjonctif nach jusqxTa ce que und avant que bedingt In diesem Sinne steilt sich bis zu damit und ehe, bevor zu damit nicht. 4. Relativsatze, z. B. Er hat auf Erden keine Statte, wo er sein Haupt niederlege. Der Inhalt des Relativsatzes muB noch verwirklicht werden: das Niederlegen 60 des Hauptes ist der Zweck der gesuchten1) Statte. Dieser im altera Deutsch, wie im Lateinischen und Französischen, sehr gebrauchliche Konjunktiv ist im Nhd. fast ganz auf die feierliche Rede beschrankt, wenigstens was Prasenssatze betrifft; das Imperf. Konj. hat nichts Ungewöhnliches; so sagt Goethe: Ich war nun genötigt, mich auf irgend ein Allgèmeines zu werfen, und etwas zu wahlen, was mir gelaufig ware. Wie verhalt es sich nun schlieBlich mit dem Gebrauch des finalen Konjunktivs im Neuhochdeutschen? Wir gehen wieder von der alten consecutio temporam aus, wie sie in den zwei folgenden Satzen erscheint: Er e i 11 heim, damit er die Frist nicht v e r f e h 1 e. „ e i 11 e „ „ „ „ „ „ v e r f e h 11 e. Was den ersten, prasentischen, Satz betrifft, sehen wir sofort, daB keine Aenderang eingetreten ist: das Prat. Konj. wird hier nie gebraucht, auch da nicht, wo das Pras. Konj. dem Ind. gleich ist. Konstraktionen, wie: Er sagt dies, damit alle es wüBten oder: Er fordert, daB die Leute zeitig erschienen sind unmöglich, m. a. W. die indirekté Rede hat hier keinen Einflufi ausgeübt. Dagegen greift der Ind. Pras. zumal in der Verkehrssprache immer mehr um sich; so ist ganz gewöhnlich: Ich beeile mich, damit es nicht zu spat wird. Es wird öffentlich bekannt gegeben, damit Jeder sich danach richtet (richten kann). Auch in die Schriftsprache ist dieser Gebrauch des Indikativs eingedrangen, obwohl die gewahlte oder gehobene Rede immerhin den Konjunktiv bevorzugt. Wenn Schiller im Lied von der Glocke sagt: Dazu ward ihm der Verstand, daB er im innern Herzen spüret, so erklart sich das aus dem Reimzwang. Uebrigens kommt es hier auch auf die Gattung des Finalsatzes an: in Adverbial- und Objektsatzen ist das Pras. Konj. der alltaglichen Rede gelaufiger als in Subjektsatzen, wahrend er in Relativsatzen entschieden nur der gehobenen Rede *) Vergl. in dem bekannten Minneliedchen Dtetmm s von Ei-t: (37, 10) du erkiusest dir in dem walde / einen boum der dir gevalle mit franz. tu choisis dans la forét un arbre qui te convienne. 61 eignet. Kein Deutscher wird sagen: Ich suche einen Hut, der mir passé, wie der Franzose: Je cherche un chapeau qui m'aille. Will er den Zielbegriff ausdrücken, so bedient er sich eines Hülfsverbs, z.B. Ich werde ein Stück wahlen, das Ihnen besser ge f a 11 e n soll (wird). Ich suche einen stillen Ort, wo ich mich sammeln kann. Ich wünsche ihm etwas ruhige Ueberlegung, die ihn zu der Einsicht bringen möge, daB er ins Verderben r e nn t. Etwas anders hat sich der Verlauf gestaltet bei den prateritalen Absichtssatzen. Hier ist der Indikativ viel seltener, auch in der mehr oder weniger nachlassigen Umgangssprache. Dem Auslander also, der tadelloses Deutsch sprechen oder schreiben will, ist der Gebrauch des Imperf. Ind. überall da abzuraten, wo nicht der Inhalt des Finalsatzes ausdrücklich als etwas wirkliches hingestellt werden soll. Also nicht: Ich sagte diés, damit alle es wuszten. Er forderte, daB die Leute zeitig kamen. Ich beeilte mich, damit es nicht zu spat wurde. Ich wollte ein Stück wahlen, das Ihnen besser gefiel, obgleich man allerdings ziemlich haufig dergleichen hort. Dagegen kann man anstandslos schreiben: Ich wollte einen Hut haben, der mir besser stand. Ich suchte einen Ort, wo ich mich sammeln konnte, weil an dem Vorhandensein des Gesuchten nicht gezweifelt wird. So auch: Der Befehl wurde öffentlich bekannt gemacht, daB jeder sich danach richten konnte, wo der Zweck von selbst erreicht wird, und also die Konjunktion diaB sich konsekutiver Bedeutung nahert Haufiger jedoch^ als der Indikativ/Tritt nach prateritalem Hauptsatz das Pras. 'Konj. im finalen Nebensatz auf, aber nur wenn dieser Adverbial- oder Objektsatz ist Schon diese Einschrankung IaBt auf ËfiifluB der ind. Rede schliefien. Man lese z.B. den folgenden Satz Golthes: Damit ich aber dabei symbolisch erführe, wie sehr man sich auch im AeuBeren in die Gesellschaft zu schicken hat, so ward ich zu etwas genötigt, welches mir das Ünangenehmste von der Welt war. Niemand wird hier wohl das Pras. Konj. erfahre erwarten. Wenn es dagegen bei Goethekurz vorher heifit: Auch 62 richtete ich mich im Aeufleren nach ihm, damit er mich für seinen Gesellen erklaren könnte, so ware könne ebenfalls passend, indem dadurch die Vorstellung des zu Erreichenden als im Geiste des Handelnden gegenwartig bezeichnet würde. Dasselbe gilt für Objektsatze, die von Verben, wie bef ehlen, wünschen, erwarten, streben, sich bemühen u.a. abhangen, z.B. Alle bemühten sich, daB dem Zwiste endlich ein Ziel gesetzt werde. Ueberall teilt der Redende eine Gedankenvorstellung ,objektiv' mit, wie dies S. 49 dargelegt worden ist Daher erklart sich auch, weshalb in finalen Subjekt- und Relativsatzen dieser Gebrauch des Pras. Konj. so selten vorkommt lm AnschluB an das über den Konj. in finalen Relativ- und Subjektsatzen Gesagte sei noch auf die verwandten Fügungen aufmerksam gemacht, in weichen das Prat. Konj. nicht das Bezweckte, Beabsichtigte, sondern nur das Zukünftige, Gewisse oder Ungewisse, ausdrückt Vergleichen wir dazu die beiden folgenden Satze Goethes: t. Ich war nun genötigt, mich auf irgend ein Allgemeines zu werfen, und etwas zu wahlen, was mir gelaufig ware. 2. Nun sollte aber eine Zeit kommen, wo das Dichtergenie sich selbst gewahr würde, sich seine eigenen Verhaltnisse selbst s c h ü f e und den Grund zu einer unabhangigen Würde zu legen verstünde (Sieh S. 17). Der erste Satz würde im Prasens lauten: Ich bin genötigt, etwas zu wahlen, was mir gelaufig ist» sei oder sein musz (soll). Der Relativsatz ist also ohne Zweifel final. Der zweite jedoch, in dessen Hauptsatz sollte das Futurum imperfectum umschreibt, ergibt bei Uebertragung in» Prasens: Es wird eine Zeit kommen, wo— gewahr werden schaffen und verstehen wird, m.a.w. der Relativsatz ist hier rein futurisch. Streng genommen müBte also das Hülfsverb wird bei Rückübertragung in die Vergangenheit übergehen in würde. Wie jedoch die würde-Form so haufig durch das Imp. Konj. des Hauptverbs ersetzt wird, so sind auch hier gewahr würde, schüfe, verstünde an die Stelle des abhangigen Fut imperf. getreten. Wohl- 63 gemerkt kann hier auch Imp. Ind. stenen: gewahr wurde, schuf, verstand, wodurch hervorgehoben wird, daB die betreffenden Ereignisse in der Tat eingetreten sind. Ein anderes Beispiel ist der folgende Satz aus einer Jagdgeschichte: Baar deze stréken rijk zijn aan wild, en 'f niet onmogelijk was dat we een wild varken tegenkwamen of een pauw onder schot kregen, kon 't geen kwaad, dat ik mijn jachtgeweer meenam. Wir haben hier drei Subjektsatze, von weichen die zwei ersten das Fut. imperf. ausdrücken, wahrend der letzte sich dem Finalsatz nahert: het was goed, raadzaam, dat ik mijn jachtgeweer meenam. Die deutsche Uebersetzung kann also lauten wie folgt: „Da, diese Gegenden reich an Wild sind, und es nicht unmöglich war, daB wir auf ein Wildschwein treffen oder einen Pfau zu Schusse bekommen würden (fit: trafen, trafen — bekamen, bekamen), so konnte es nicht schaden, daB ich meine Jagdflinte mitnahme (mitnahm)." Novellen und Erz&hlungen herausgegeben von J. J. H. LAMBERMON, J. W. KUIPER und M. EIKELENBOOM - L P. ROSEGGER, Acht Erzahlungen. 2. Auflage . ^^jfê ƒ1.25 Gebonden . .o^^^^^^pT,- 1,60 II. G. KELLER, Drei Novellen. 2. Auflage .. 1,25 Gebonden mK |j. ..... ... - 1,60 III. W. RAABE, Drei Erzahlungen. 2. Auflage .... ^fö^fS - 1,25 Gebonden ".r^^S^sfv* - 1,60 IV. K. F. MEIJER, Zwei Novellen .^.*0?!^^^^LJÊ - 1,25 Gebonden J§pv ^^y&'*?i^§^^^fê^^^iV^' " 1'60 V. O. ERNST, Erzahlungen und Plaudereien. 2. Auflage .. - 1,25 Gebonden .. ........ j§S . .V........... ..; il&ÉM 1>60 VI. A. STERN,* Drei Novellen .... |?~^^^^^s^S^W- - 1,25 Gebondenjlp'......... 'AÈHfJ. Xlfl*- 1,60 Uitgaven van P. NOORDHOFF te Groningen.