26; grosser Widerspanstigkeit". Diese apokalyptisch anmutenden Worte, die in richtigem Verstandnis zweifellos die Höllenqualen der Verdammten zum Gegenstand haben, hat man in frommen Kreisen sehr früh in omajjadenfeindlichem Sinne bezogen. Der „im Koran verfluchte Baum", „die Wirrnis, die unter den Menschen entsteht" und die zunehmende „grosse Widerspanstigkeit" alles dies soll auf das verfluchte Geschlecht der Omajjaden gehen. Es kann nicht auffallend sein, dass die Exegeten der cAbbasidendynastie, die ja ebenso eifrig wie die gegnerischen Parteien im Koran Titel für ihre Berechtigung suchte '), die Auslegung begünstigten, und dass sie demnach unter solchem Einfluss auch im orthodox-sunnitischen Tafsïr Eingang und Festigung gefunden hat 2). Sunnatreuere Ausleger, die die durch den Koran legitimierte Verfluchung einer im Konsens der Islamglaubigen anerkannten Dynastie nicht zulassen mochten, klammerten sich fest daran, dass unter dem „verfluchten Baum" der ZakkUm-Ba.um zu verstehen sei, dieser den Verdammten als Bewirtung angedrohte trostlos übelriechende Höllenbaum, dessen mit Satansköpfen verglichene Frucht sie mit einer Mischung von siedendem Wasser zur Labung erhalten (37 v. 61—66). Im Tabarïkommentar füllen die die letztere Erklarung bekraftigenden Traditionen vier volle Seiten (XV 70—74), wahrend die omajjadenfeindliche Beziehung, die zu Tabarï's Zeit sehr verbreitet war, vollends ignoriert wird. Hingegen zieht die eine der zahlreichen, zur Erklarung des „verfluchten Baums" als zakküm aufgeführteh Überlieferungen durch ihre Einführungsformel unsere Aufmerksamkeit auf sich. Da wird berichtet, dass eine alte koranexegetische Autoritat (Ibrahïm) „einen Schwur ohne jeden Vorbehalt darauf leistete (kana jahlifu ma jastathnï), dass unter diesem Baum der Zakküm zu verstehen sei" (Tab. 1. c. 74, 1). Durch diese feier- 1) Vgl. Van Vloten, De opkomst der Abbasiden in Chorasan 69, Anm. 2. 2) Muh. Stud. II 114. Auch dem Charidschiten ist die Omajjadenfamilie „das Haus des Fluchs" (bejt al-lacna), Aghani XX 106, 13. 268 liche Versicherung sollte eben jener tendentiösen Exegese wirksam entgegengetreten werden *). Neben solchen omajjadenfeindlichen Beziehungen treten auch in orthodoxen Kreisen sehr früh Versuche positiv "alifreundlicher Deutung von Korantexten hervor. Zu 13 v. 8 „Du bist ein Warner und ein jedes Volk hat einen Führer" wird von Scfïd b. Dschubejr (st. 713), den Ibn cAbbas als das kompetenteste theologische Orakel rühmte, im Namen des letzteren folgender Bericht mitgeteilt: Als dem Propheten die Worte „Du bist ein Warner" geoffenbart wurden, legte er seine Hand auf die Brust und sprach: „Fürwahr, ich bin der Warner" und zu den Worten „jedes Volk hat einen Führer" deutete er mit seiner Hand nach der Schulter des cAlï und sprach: „Du, o cAlï, bist der Führer; durch dich werden nach mir die der Führung Folgenden geleitet" 2). Dies bezöge sich freilich nur auf die Anerkeftnung der Lehrautoritat des cAli, nicht auf seine und seiner Nachkommen politische Ansprüche. Jedoch rrian hat auch damit früh begonnen, die Rechtstitel für diese Ansprüche aus dem Koran herauszufinden. Die calidische Parteitendenz hat sich, wie es scheint, am allerfrühesten an 17 v. 28 geheftet, wo die Pflicht der Glaubigen, arme und bedürftige Mitbrüder zu unterstützen, mit den Worten eingeleitet wird: „Lasse dem (bedürftigen) Verwandten sein Recht zukommen". Aus dem Kreise humaner Pflichterfüllung wird von den Schïciten diese Ermahnung auf das Gebiet des Staatsrechtes übertragen und auf die politischen Ansprüche der Familie des Propheten gedeutet. Nach einer bei Tabari3) angeführten Tradition, habe der Urenkel des Propheten, cAlï Sohn des Husejn, einen Syrer (d. h. Omajja- 1) Ibn cAtijja erklart in der Auslegung jenes Verses ausdrücklich, dass „der verfluchte Baum" nicht auf cOthman, Mucawija und cOmar II bezogen werden dürfe; die Beziehung auf andere Omajjaden scheint auch er nicht ausgeschlossen zu haben (Kutb at-dïn [Gesch. d. Stadt Mekka, ed. Wüstenfeld III] 88, 4 ff.). 2) Tab. XIII 63 unten. 3) XV 50. 269 derjanhanger), dem natürlich eine solche Anwendung des Verses fremdartig erschien, dieselbe als die ausschliesslich richtige beibringen wollen. Und es ist nicht unwahrscheinlich, dass derartige Korananwendungen, für die man auch andere Verse, in denen in sympathischer Weise von der Verwandtschaft (kurba) die Rede ist, benutzt hat, bereits in jener frühen Zeit in den Kreisen der cAliden und der Anhanger ihrer staatlichen Ansprüche zur Unterstützung der letzteren im Schwange waren. Noch weiter dringt- das Bestreben, die politische Stellungnahme überschreitend, auch die Berechtigung des religiösen cAlïkultus bereits im Koran angedeutet zu finden. cAlï habe sich mit dem Propheten fast auf dieselbe Linie gestellt, über die Sphare der übrigen Menschen hinaus. Ein Ansatz dazu wird bereits in früher Zeit an 16 v. 40 geknüpft. „Sie (die Heiden) schwuren bei Gott den schwersten Eid, dass Allah nicht wiedererwecken werde die gestorben sind; — fürwahr! es ist eine ihm in Wahrheit obliegende Verheissung; aber die meisten Menschen sind unwissend". Dazu berichtet Katada (st. 735): Jemand erzahlte dem Ibn cAbbas, dass Leute in diesem cIrak glauben, dass cAlï vor der allgemeinen Auferstehung werde erweckt werden und dass sie den Koranvers in diesem Sinne deuten. Darauf erwiederte Ibn cAbbas: „Jene Leute lügen; der Koranvers bezieht sich auf die Menschen im allgemeinen. Bei meinem Leben! Würde cAlï vor der Auferstehungszeit auferweckt werden, so hatten wir ja seine Frauen nicht wiederverheiraten und seinen Nachlass nicht unter Erben verteilen können" '). Dieser. Einwand setzt den Glauben der damaligen cAlïanhanger voraus, dass cAlï's Tod nur ein scheinbarer gewesen und dass das Wiedererscheinen cAlï's unter den Lebenden als Parusie, als radschfa2) zu betrachten sei, die mit der allgemeinen Totenerweckung nichts zu tun habe. Dies sind Ansatze zu einer bald üppig in die Halme schies- 1) Tab. XIV 66. 2) Vgl. Vorlesungenuf ff. 270 senden schïcitischen Parteiexegese. Es ist auf keinem Gebiete der tendentiösen Koranauslegung in so unersattlicher Weise und mit solch übertreibenden Resultaten gearbeitet worden als eben in diesem Kreise. Zu ihrem vollen geschichtlichen Verstandniss ist die Kenntnis noch einer Tatsache vonnöten: das Verhaltnis der Schï'iten zu dem in unseren Handen befindlichen kanonischen Text des Korans, wie er auf Veranlassung des Chalifen fOthman Gegenstand definitiver Sammlung und Redaktion war. Welche Stellung nimmt der schismatische Schïcitismus zu der, durch den mit unzahmbarem Fanatismus gehassten Usurpator vollführten Koranredaktion? Gilt sie ihm als authentischer Text der durch Muhammeds Mund vermittelten göttlichen Offenbarung ? Wenn auch in der Schïcitensekte die von einer ihrer extremen Gruppen versuchte Lehre zurückgewiesen wird, nach welcher der überlieferte Koran wegen der Bedenken gegen seine Authentie und Integritat nicht einmal als Quelle der Religion anerkannt werden könne '), so hat sie seit der frühesten Zeit ihres Auftretens im allgemeinen die Integritat der cothmanischen Textgestaltung verdachtigt. Dieselbe, so behaupten die Schuiten, enthalte im Verhaltnis zum echten Koran Muhammeds Zusatze und wesentliche Textanderungen 2); anderseits seien wieder wichtige Stücke des echten Korans durch Weglassung getilgt worden 3). Setzen sie aber einen von ihnen bedingungslos anerkannten echten und integern Korantext entgegen? Sie setzen wohl die Existenz eines solchen voraus; es sind auch Versuche hervorgetreten, denselben zu rekonstruieren, und — wie wir sehen 1) Baghdadi, Kit ai al-fark 315,8. 2) Ibn Hazm, Milal IV 182 oben; FrLedlSnder, Heterodoxie* of the Shiites II 61. 3) Die christliche Polemik gegen den Islam hat das Argument der Koranfalschung durch cOthman, sogar spater noch durch Haddschadsch b. Jüsuf, von den Schr-iten übernommen. Vgl. Das Religionsgesprach von Jerusalem, übers. von Vollers (Zeitschr. für Kirchcngeschichte XXIX 48). 271 werden — sind im einzelnen tendentiöse Korrekturen vorgenommen und überliefert worden. Man ist auf schï'itischer Seite im allgemeinen geneigt vorauszusetzen, dass der komplette, von Gott geoflfenbarte Koran viel umfangreicher gewesen sei, als der in aller Handen, auch den ihrigen, umgehende Korantext. So sei z. B. in der echten vor-cothmanischen Redaktion die 33. Sure (al-akzab), die im gewöhnlichen Text 73 Verse umfasst, nicht kürzer als die zweite (al-bakard) mit ihren 286 Versen; die 24ste. (al-nür) mit jetzt 64 habe in jener über 100 Verse; die 15^ (al-hadschar) mit 99 Versen habe ursprünglich deren 190 umfasst. Es werden freilich die fehlenden Teile textlich nicht mitgeteilt. Hingegen werden von den Schïciten im cothmanischen Koran überhaupt fehlende, demnach von seinen Redaktionsorganen böswillig unterdrückte, die Glorifizierung des cAlï enthaltende Suren überliefert. Eine solche in schï'itischen Kreisen umlaufende Sure wurde zuerst (1842) von Garcin de Tassy und Mirza Kazembeg im Journal asiatique bekannt gemacht Neuestens hat man an einem Koranexemplar der Bibliothek in Bankipore (Indien) gefunden, dass es. ausser dieser Sure der „zwei Lichter" (mit 41 Versen) noch eine andere schïcitische Sure (mit 7 Versen) „al-walaja" d. i. die Anhanglichkeit (namlich an cAlï und die Imame), gebe, und dass dasselbe zahlreiche tendenziöse Interpolationen in den gemeinsamen Suren enthalte. Alle diese schïcitischen Zutaten wurden durch W. St. Clair Tisdall, vorlaufig nur in englischer Übersetzung, veröffentlicht2). Alles Beweise für die fortdauernde schfitische Voraussetzung eines nicht unerheblichen Mankos im cothmanischen Koran im Verhaltnis zu dem ursprünglichen echten Kodex. Schon in der Frühzeit des schïcitischen Schismas hat man die Fehlerhaftigkeit des offiziellen Korans durch den Hinweis auf die inhaltliche Zusammenhanglosigkeit der einzelnen auf 1) Vgl. Nöldeke, Geschichte des Qorans1 221—223. 2) Shfah additions to the Koran in The Moslem World (1913) III 227—241. 272 einander folgenden Verse, nachgewiesen was seinen Grund nur darin haben könne, dass die den Zusammenhang vermittelnden Satze getilgt worden seien '). Es hat von schlcitischer Seite nicht an Versuchen gefehlt, den echten Korantext vorzulegen; einen solchen Versuch unternahmen im Jahre 398 d. H. = 1007—8 Chr. die baghdaier Schfiten mit einem angeblich echten Korantext, den sie als die Version des "Abdallah b. Mascüd ausgaben, dem seine Mishandlung durch cOthman die Sympathien der Schïciten erworben hats). Wir können nicht wissen, ob es sich dabei bloss um tendentiöse Varianten, oder auch um umfangreiche Einschübe und radikale Anderungen handelt. Das Tribunal der orthodoxen Gottesgelehrten, dem der berühmte Schaficit Abü Hamid al-Isfarajvnï, vorstand, überlieferte dies Werk dem Scheiterhaufen 3). . Ein bestimmtes Einverstandnis über das Verhaltnis des überlieferten Korantextes zu einer von ihnen behaupteten echten Textgestalt des Gottesbuches scheint unter den Schïciten nie vorhanden gewesen zu sein. Kanonische Geltung hat keine der in ihrem Kreise versuchten Restitutionen erlangt. Sicher ist ihnen nur die Voraussetzung des unvollstandigen Zustandes des cothmanischen Korans. Welche Unklarheit in dieser Frage unter ihnen herrscht, zeigt auch die Tatsache, dass sie vielerseits das Gewicht bloss auf die veranderte Reihenfolge der Suren legen. Die Redaktion des cAlï — die früheste Sammlung der Korantexte 4) — sei nach der chronologischen Reihen- . 1) Bei Fachr al-dïn al-Razï zu 75 v. 15—16 (Mafatïh al-ghajb VIII 264) wird diese Behauptung dem alten Schï'itengeschlecht (kudama al-schi'a) zugeschrieben. Ausser Weglassungen (nuksan) setzte man auch Zusatze, Interpolationen (zijadat) voraus. Vgl. Schreiner, ZDMG Lil 466 Anm. 2) Ja'kübï ed. Houtsma 197. Vgl. oben S. 11. 3) Subkï, Tabakat Schaf. III 26. Vielleicht steht noch mit diesem Ereignis in Zusammenhang die Schrift des Wahidï (st. ro75) Nofj al-tahrtf 'an al-Kor'an al-scharïf („Zurückweisung der Verfalschung des edeln Korans") Subkï, ibid. 290, 5. 4) cAlï habe unmittelbar nach dem Hinscheiden des Propheten geschworen „seinen Mantel nicht vom Rücken abzunehmen bis er nicht alles, was zwischen 274 der zuletzt unter Mu'awija I als Statthalter in Agypten wirkte (st. 678), wird von Leuten, die das Exemplar im Besitz des Ibn Kudejd (st. 925) gesehen haben wollen, berichtet, dass er, der auch als kari3 gerühmt wird einen mit der cothman'schen Anordnung nicht übereinstimmenden Koran (cala ghajr ta3lïf mashaf cOthman) eigenhandig kopiert und durch dies bezeugende Nachschrift beurkundet haben soll2). Wie Anhanger des sunnitischen Islams angebliche cOthmanKorane bis zum heutigen Tag von Damaskus bis Samarkand 3) an verschiedenen Orten als ehrwürdige Reliquien zu besitzen glauben, so hat sich auch unter Schï'iten an alte Koranexemplare der Glaube an ihre Herkunft aus der Hand des cAlï geknüpft, den sie übrigens auch von mehreren nichtkoranischen Schriftstücken 4) hegen. Der Verfasser des Fihrist, der seine calidische Sympathie an zahlreichen Stellen dieses Werkes bekundet 5), will ein Koranautograph des cAlï gesehen haben, das sich in einer der calidischen Sache ergebenen Familie von Geschlecht auf Geschlecht vererbte °). Ibn "Innaba (st. 1425), 1) Kindï, Governors and Judges of Egypt, ed. Guest 37, 2. 2) Ibn Duimah Description de 1'Égypte (4. Teil) 11,4 v.u., Abulmahasin, ed. Juynboll I 144, 3. 3) Über angebliche 'Othman-korane s. neuestens die Zusammenstellung (16 Nummern) in Casanova, Mohammed et la fin du monde II (1913) 129—139. Dieselbe kann noch erganzt werden durch die ausführlichf? Beschreibung eines im mihrab einer alten Moschee der Kalcat Hims befindlichen Exemplars (mit Blutspuren) in kufischer Schrift bei Nsbulusï, Kitab al-haklka wal-madschaz (Leipziger Hschr. Vollers nr. 745 fol. 25»). Zu Nab.'s Zeit (1693—4) pilgerten die Emesaner zu dieser Reliquie bei Regennot zum istiska. — Hinzuzufügen ware auch noch der 'Othman-Koran (mit Blutspuren) der Fatih-Moscheebibliothek in Konstantinopel (bei G. Jahn, Vorwort zur Ausgabe des Ibn Ja'ïsch I 15).— Ein Othman-Koran beim Grabmal des Timur, der ihn aus Brussa nach Samarkand verbracht haben soll, s. Landsdell, Russia in Central-Asia I 571. Da mir die Reproduktion des samarkandischen Korans (St. Petersburg 1905) nicht zuganglich ist, kann ich nicht wissen, ob jenes Stück mit Nr. 14 (Casanova) identisch ist. 4) Z. B. bei Ja'kübï, Bibl. Geogr. arab. VII 296,13. Im Jahre 734/1334 will ein cAlide 'das in Schi'itenkreisen allgemeiü gebrauchliche „Morgengebet des "Alt" aüs dessen durch eine Nachschrift eigenhandig-als authentisch beglaubigter Handschrift kopiert haben (Zoghat el-Arab II 521). 5) ZDMG XXXVI 278 ff. 6) Fihrist 28 oben. 275 selbst von calidischer Abkunft, zahlt in seinem Werke über die genealogischen Verhaltnisse des calidischen Geschlechts eine Liste solcher Koranischer cAli-Autographe auf1). Unter anderen erwahnt er eines, das im maschhad al-gharawï (aus Gkarï2), von Vielen für die Grabesstatte des cAlï gehalten)3) beim Brande dieser Statte (1352) ein Opfer der Feuersbrunst wurde. Ein die soeben erwahnte Reihenfolge der Suren, deren Anordnung uns durch eine Lücke im Fihristtexte vorenthalten ist, veranschaulichender cAlï-Koran soll jedoch bis zum heutigen Tage in Nedschef beim Grabe des Chalifen aufbewahrt sein; er ist selbstverstandlich Gegenstand andachtiger Pietat leichtglaubiger schicitischer Pilger4). Für die praktische Verwendung hat die Eigentümlichkeit der Surenanordnung dieses schï'itischen Surrogates für die cOthman-Korane der Sunniten s) keine Bedeutung. Die Schïciten haben den problematischen Charakter solcher Versuche selbst eingesehen und es vorgezogen nicht weiter mit fragwürdigen Rekonstruktionen der echten cAlï-Redaktion des Korans hervorzutreten. Auch jene obenerwahnten parasitischen Koransuren, die von den Sunniten unterdrückt worden seien, wurden dem gangbaren Text nicht hinzugefügt. Sie sind 1) 'Umdat al-talib fl nasab al Abi Talib (lith. Bombay) 4. 2) Eine in Nedschef 1912 gegründete schrttische Zeitschrift in persischer Sprache hatte den Titel al-Gharï, den man jedoch bald in Durr al-Nedschef veranderte. — Der i. ƒ. 1883 verstorbene schlcitische Dichter Salih al-Kazwïnï betitelte seine Sammlung von Gedichten zum Ruhme des Propheten und der Imame: al-Durar al-gharawijja fl ritha al-itra al-Mustafawijja. Der Verfasser lebte in Nedschef, worauf der Titel deutet. 3) Mascüdl, Tanblh 297, 8 (vgl. Lane, Lex. 2254*), ysküt ed. Margoliouth V 265, 1. — Andere (nach Mukaddast 46, 11) halten den Ort für die Grabesstatte des Noah. Heute führt der Friedhof in Nedschef den Namen Ghirl (Meissner in Mitteilungen des Seminars für Oriental. Spr. Abt. II Bd. V 106, Anm. 8). — Mitteilung des Herrn Prof. M. Streek. 4) Das Exemplar ist beschrieben von KSzim al-Dudschejlt in Log/iat el-'arab II 598. Ein angeblich aus 'All's Hand stammender Koran in zwei Banden wird in einem Bericht über Bücherschatze der Aja Sophia-Moschee erwahnt bei Jahn 1. c. 5) Auch ein angeblich aus der Hand des 4. Imam, Zejn al-) immer wieder neu umschrieben und umgrenzt hat. Die Thore des völlig freien idschtihad seien also seit langer Zeit verschlossen; sie werden sich etwa zur Zeit des Mahdi wieder auftun. Durch dies Doppelübel, des obligaten taklxd und der Ablehnung der Idschfihad-Berechtigung für die jüngeren Generationen, sei die islamische Welt in jene Starrheit verfallen, die ihr die ungünstige Prognose der Aussenwelt zugezogen habe. Die Thore des idschtihad, sagen nun unsere, agyptischen Modernen, (in Übereinstimmung mit orthodoxen Autoritaten 2), die sich der allgemeinen Meinung nicht anschliessen 3)), seien nicht verschlossen, vielmehr seien sie weit geöffnet für die durch neueintretende Lebensverhaltnisse hervorgerufenen Fragen 4), in deren Entscheidung und Regelung nicht dem ver- 1) cAbduh erwahnt von den angesehenen Autoritaten neuerer Zeit Ibn'Abidïn (st. 1836) und seine Glosse zu der „Ausgewahlten Perle" (al-Durr al-muchtar, selbst Glosse zur hanefitischen Kompilation Tanwïr al-absar wa-dschamf al-bihar [Erleuchtung der Gesichte und Vereiniger der Meere] von Schams al-dln Demirtaschï, st- I595, vgl. Brockelmann II 31») von al-Haskafï (st. 1677), wo die sechsgliedrige, vom mukallid ausgehende und im mudschtahid mutlak kulminierende Rangordnung der'kanonischen Hiërarchie entwickelt wird. 2) Unter denen aueh Ghazalï genannt werden kann. 3) Die meisten Hanbaliten sind, gestützt auf ein Hadith (Buch. Manakib nr. 27), der Überzeugung, dass keine Zeit eines mudschtahid entraten könne. (Kastallanï VI 84). Der ruhmredige Polyhistor Dschelal al-dïn al-Sujütï (st. 1505) hegte die, auch in seinen Schriften ausgesprochene, Aspiration als absoluter mudschtahia anerkannt zu werden. 4) Manar XIII 41 uit. cala al-masa'il al-tarija fl kulli casr«>. 33° alteten Buchstaben, sondern der Rücksicht auf das wohlver.standene Gemeinwohl der islamischen Welt das erste und entscheidende Wort zukommt. „Das Gesetz istjnicht eingeengt in den ,alten Bücherkrusten' der hanefitischen Schule" (lejsat al-scharï^a mahsüra fï dschulüd kutub al-Hanafijjd). ') „Dadurch dass das islamische Gesetz die beiden Grundsatze des idschtihad und das Gemeinbedürfnisses (al-aslah) festhalt, ist es ein Gesetz, das allen Orten und Zeiten angemessen ist und für jede Notwendigkeit eine Behandlung zulasst, die den Anforderungen des Gemeinwohles (al-maslaka) und der Zeitverhaltnisse entspricht, wenn sie auch im Widerspruch mit dem ausdrücklichen Text (al-nass) stünde, in dem übrigens diese Grumisatze von religionswegen (scharzan) berücksichtigt werden. Dies steht in Gegensatz gegen das Gerede jener, die verkünden, der Islam sei ein schwaches Gesetz, das nur gewissen Zeiten und Orten angemessen sei, nicht aber den Verhaltnissen der fortgeschrittenen Völker in unserer Zeit. Die Quelle dieses Geredes ist die Unwissenheit über das Wesen der islamischen Religion, die Ignorierung ihrer Prinzipien, und ihrer universalen Gesichtspunkte. Unterstützt' wird man dabei durch die Erfahrung, dass manche Religionsgelehrte mit Ausserachtlassung der allgemeinen Grundsatze sich fanatisch an die abgeleiteten Gesetze klammern, die in den Grundlehren der Religion keinen Boden haben, trotzdem sie damit nur Nachbeter sind, die für sich und das islamische Volk Einengungen verursachen" 2). In den Worten „wenn es auch im Widerspruch mit dem ausdrücklichen Text steht" ist wieder eine nicht zu unterschatzende Konzession gegeben. Unter nass (Text) werden Koran und Hadith verstanden. Die neue Schule schèut demnach, wieder mit Berufung auf die aus diesen Quellen selbst zu folgernden Zugestandnisse, auch davor nicht zurück, gewissen auf weltliche Verhaltnisse und Gepflogenheiten (mu'amalat) i) VI 508. 2) XIII 41. 33i bezüglichen Fesfsetzungen der heiligen Grundtexte, insofern sie aus den temporaren Zustanden der arabischen Gesellschaft des VII. Jahrhunderts emporgewachsen sind, für seither veranderte Lebensbedingungen die unabanderliche» für ewige Zeiten berechnete Geltung abzusprechen. Volle, durch keine Schranke beengte Freiheit nimmt sie gegenüber den FikhAutoritaten der madahib für sich in Anspruch; und dies umsomehr, als die alte Juristerei ein Element des sittlich Verwerflichen mit sich führt durch Fiktionen und Kniffe, die im Gefolge der Fikh-Kasuistik, zumal in der Schule des Abü Hanïfa schon sehr früh ausgeklügelt wurden, um aus Schwierigkeiten gesetzlicher Bestimmungen formell loszukommen '). Man benutzte sie beispielsweise um die formellen Bedingungen des Zakat-Gesetzes auszuspielen; selbst falsche Zeugenschaft könne durch allerlei reservatio mentalis ermöglicht werden; ein hanefitischer Fakïh soll sogar die Meinung geaussert haben, dass man durch solche Mittel eingegangenen Vertragen aus dem Wege gehen könne (al-wafa bil-'ahd ghajr wadschib). Solche aus den tiefsten Abgründen der dekadenten Fikh-Kasüistik tendentiös herbeigeholte, in der tatsachlichen Rechtsübung niemals anerkannte Verirrüngen vergleicht die moderne Schule mit den damonischen Einflüsterungen des Harüt und des Marüt, deren Koranische Schilderung zu diesem Ausfall gegen das Fikh als passende Gelegenheit benutzt wird2). „Jawohl" — so werden anderswo die Gegner der modernen Bestrebungen apostrophiert — „Jawohl, es wird mit zweierlei "Mass gemessen. Jene, die die Kniffe (hijat) zulassen, hat der Tod geheiligt und zur Unfehlbarkeit erhoben; wir aber begehen die Sünde, Lebendige zu sein! Fürwahr ich halte den Imam Abü Hanïfa. erhaben über die Zulassung der Kniffe in religiösen Dingen, wenn auch jene, die auf seine Fahne schwören, über Kniffe 1) Vorlesungen 68. 2) Manar VI 455. 332 so viel herausgeklügelt haben, dass sie damit alles in Frage stellen" '). Also, den Lebenden, den Zeitgenossen steht dieselbe Befugnis zu, die von den Nachbetern ausschliesslich den langst verstorbenen Autoritaten zugestanden wird. ' • . Dies ist nur ein Tropfen aus der Schale des Spottes, den der Schejch und seine Gesinnungsgenossen unablassig auf das Haupt der orthodoxen Gegner ausgiessen. Wie sie sich über die öde Kasuistik des Fikh lustig machen, kann noch in charakteristischer Weise ein anderes Beispiel zeigen. Der Manar führt in jeder Nummer einen „Briefkasten", in welchem er sich aus allen Gegenden der islamischen Welt Fragen zur Beantwortung vorlegen lasst, um seine Theorien an konkreten Fallen zu erweisen. Ein grosser Teil dieser anonymen Fragen wird wohl fïngiert, und für die yorgefasste Beantwortung zugerichtet sein. Dies ist ja allerorten Redaktionstechnik, die sich auch der syro-agyptische Schriftleiter angeeignet hat. Ich irre wohl nicht, wenn ich die folgende Frage und Antwort als darauf berechnet beurteile, die BeschranktÜeit der Fikh-Kasuistik an einem markanten Beispiel hervortreten zu lassen. Ein Sejjid aus Tunis richtet angeblich folgende Frage an den Redakteur des Manar: Wir besitzen eine Zisterne in unserem Hause, in der sich das Regenwasser von den Dachern ansammelt; das Wasser benutzen wir für unseren gewöhnlichen, sowie" auch für den gottesdienstlichen Gebrauch (Waschung vor dem Gebet). Nun ist ein totes Taubenküchlein hineingefallen. Damals war Somnier und wenig Wasser in der Zisterne, so dass die Farbe und der Geruch des Wassers übel wurden. Da es nicht möglich war, das Tierchen herauszuholen, haben wir den Gebrauch des Wassers gemieden. Nun kam die Regenzeit, die Zisterne wurde wieder voll und die üble Farbe und der Geruch des Wassers sind völlig geschwunden; i) iv 870. 333 dieses wurde frisch und rein. Wir fragten nun bei unseren Gelehrten hanefitischen Ritus' an: die entschieden, dass das Wasser völlig ausgeschöpft werden müsse. Dann fragten wir bei den malikitischen Gelehrten an: die entschieden wieder, das Wasser könne bleiben, aber der Vogel oder was von ihm noch übrig ist, müsse daraus entfernt werden. Dies, ist aber unmöglich. Andererseits können wir der Zisterne nicht entbehren. Nun wenden wir uns an die Gelehrten des schaficitischen Ritus; vielleicht finden wir bei ihnen Erbarmen. Unser Schejch, der übrigens die ganze Fragestellung sehr humoristisch behandelt, kann jedoch im Sinne des schaficitischen Gesetzes beruhigenden Aufschluss erteilen. „Wenn das Wasser den Rauminhalt zweier Krüge (kullatejn) ausmacht, d. h. 300 baghdadische ratl, oder als Flacheninhalt ausgedrückt i'/4 Ellen nach Lange, Breite und Höhe, dann wird die rituelle Unreinheit (nadschasa) als nicht vorhanden betrachtet, vorausgesetzt, dass die Flüssigkeit nicht üble Farbe und übeln Geruch hat. Da nun euere Zisterne jedenfalls jenen Rauminhalt überschreitet, so könnt ihr nach schaficitischem Ritus das Wasser unbedenklich gebrauchen. Unrein ist Schmutz, wovon sich der gesunde Sinn abwendet. Eine so grosse Zisterne aber, deren Wasser sich als völlig rein erweist, kann nicht dem Gebrauch entzogen werden wegen der Spitzfindigkeit einiger Fukaha mit ihren konventionell erfundenen Normen, wodurch sie einer muslimischen Familie Unbequemlichkeiten bereiten und sie in Schwierigkeiten versetzen. Gott hat die Entfernung der nadschasat befohlen um uns zu reinigen, nicht um uns zu schikanieren. Er wollte es uns leicht, nicht aber schwer machen ')." Trotz der ernsten Miene mit der dies alles vorgetragen wird, trügt mich wohl der Eindruck nicht, in Frage und Antwort die Absicht der Verhöhnung der ritualistischen Kasuistik zu erkennen. Alle unnütze Spitzfindigkeit der Dogmatik und Gesetzeslehre müsse aus dem wahren Islam ver- 1) IV 304. 334 bannt werden. cAbduh vergleicht die Haarspalterei der Madahibleute „mit den dogmatischen Disputationen der byzantinischen Theologen wahrend der „ Eroberer" (al-fatïh, d. i. Sultan Muhammed II) vor den Mauern Konstantinopels stand" *). Alle unzeitgemasse, unter einander uneinige Madhabwirtschaft müsse aufhören; was Gegenstand blosser Juristerei ist, und nicht in den Kreis der Religion gehort, müsse aus diesem ausgeschieden und nach den Bedürfnissen der Zeit behandelt werden. Darin möge aber Einheitlichkeit auf dem Gebiete des Islams herrschen. Im Kreise der Manar-Partei ist die vom Tataren Ismail Gasprinsky (st. 1914) so eifrig propagierte Idee eines IslamKongresses entstanden, der Gedanke eines umfassenden Islamparlamentes, in dem die Gebrechen des aktuellen Islams besprochen, über ihre Heilung, im Sinne der alten islamischen Auffassung, durch Ausmerzung aller unvernünftigen schadlichen bidca's, beraten und die Stellung des Islams zu den Erfordernissen der Neuzeit erörtert werden sollte2). Die in diesem Zentrum zutage tretenden Reformideen sollten in die weiten Kreise der Islamwelt getragen und zu tatiger Geltung gebracht werden. Einheitliche Regelung erforderten mit Beseitigung des Madahib-Wesens, zunachst die gesetzlichen Verhaltnisse. Diese stellen sich die Manar-Leute in folgender Weise vor: „Was im Interesse der islamischen Einheit in der Regierung und dem Gerichtsverfahren erforderlich ist, ist dies: Es müssen die zum „Binden und Lösen" befugten Gelehrten und Notabeln sich versammeln und ein leichtfassliches Gesetzbuch verfassen, das einerseits auf die festen Prinzipien des Religionsgesetzes (al-schar'1) gegründet, aber andererseits mit den Erfordernissen der Zeit im Einklang ist. Der oberste Imam (Chalife) müsse dann die Richter der islamischen Welt verpflichten, im Sinne dieses 1) IV 457, 7 v. u. 2) S. die Statuten eines solchen Kongresses in Revue du Monde musulm. IV 401, 335 Gesetzbuches zu verfahren. Dies ist sein Beruf. Will er ihm nicht genüge tun, weil er keine Befugnis dazu fühlt, so ist es Aufgabe der "Ulema, diesen Beruf zu vollführen und den Imam für die Durchführung verantwortlich zu machen. Erfüllen auch sie nicht diese Pflicht, so mogen die Muslime wissen, dass ihre Fürsten und Gelehrten es sind, die den Verfall des Islams hervorgerufen, die Spaltung in demselben verursacht haben, und sie mogen sich bereit halten, jene zu verbessern wenn sie wirklich Rechtglaubige sind" '). Es handelt sich demnach im Programme der Manar-Partei um eine völlige Erneuerung des weltlichen Islams. Die morschen Pfeiler werden ausgehoben ünd an deren Stelle neue gesetzt; neues idschtihad, neues idschmac. Fikh und Madahib werden entthront und das Urteil auf die Urquellen zurückgeführt: auf das Buch und das Hadith; natürlich das zunachst auf seine Authentizitat geprüfte Hadith, in dessen Beurteilung der Herausgeber des Manar grosse, zuweilen an die alten Klassiker der Hadïthkritik erinnernde Meisterschaft entfaltet. Daraus folgt die Ausmerzung aller 6idac 2), aller — freilich, im wesentlichen, der vernunftlosen — Neuerungen, denen der Geist der alten Sunna widerstrebt. Dieser Gesichtspunkt bietet den Manar-Leuten, nachweislich im Sinne "Abduh's selbst, einen Angriffspunkt gegen aberglaubische Volks vorstellungen; sie seien allesammt sunnauuidrig. Selbst das melodische Rezitieren der „Siebenschlafer"-Sure, (die i8'e des Korans), die überallhin im Islam als Vorbereitung zum Freitagsritus üblich ist — in diesem Fall in der Tat eine völlig harmlose Sache — bekampft Muhammed Reschïd Rida als in der alten Sunna dieses Ritus nicht begründete bicfa 3); ebenso auch andere in neueren Zeiten aufgekommene Brauche des Gottesdienstes. Man hört hierin ganz entschieden 1) Manar IV 866. 2) Vgl. Vorlesungen 281. 3) Mariar I 32 ff. 336 wahhabitische Stimmen und nicht ganz mit Unrecht wird die cAbduh-Manar-Richtung von den Gegnern der Hinneigung zum Wahhabismus beschuldigt. M. cAbduh stimmt in der Tat einmal das Lob der nedschdischen Bidca-Ikonoldasten an und tadelt den Muhammed cAlï darüber, dass er sie mit dem Schwerte bekampfte. Wenigstens sei es kein Ruhmesblatt in der Laufbahn des Gründers der Khediven-Dynastie, diese Feinde der bid'a, also Verfechter des echten Islams, verfolgt und bekr iegt zu haben Unser Interesse verdient der Kampf dieser Kultur-Wahhabiten besonders in einem Punkte ihrer Bidac-Opposition: in ihrem Kampfe gegen den Heiligen- und R el iq ui enkult us, der im Islam orthodoxes Burgerrecht erlangt hat und in seinen volkstümlichen Betatigungen die Quelle krassen Aberglaubens ist. Allenthalben klammert sich das Volk an diese Wildlinge des religiösen Lebens, die für grosse Massen des muhammedanischen Volkes den vollen Inbegriff ihrer religiösen Gedanken welt umspannen. Es ist seit jeher vereinzelten puristischen Eiferern immer schlecht bekommen, sich gegen diese, mit der monotheistischen Lehre schwer zu vereinbarenden Auswüchse aufzulehnen. Manchen Beispielen aus alterer Zeit2) reiht sich aus der jüngsten Vergangenheit folgende Episode an. Der fromme Azhar-Schejch, 'Muhammed Radl al-Kabïr- (st. 1901), der ein halbes Jahrhundert als angesehener Lehrer an der Moschee gewirkt hatte, ausserte vor etwa 34 Jahren in einem Vortrage seine Misbilligung gegen die Brauche, die das Volk bei den Grabern der Frommen zu üben pflegt. Da wurde der fromme Mann des Wahhabismus beschuldigt und' als Haretiker seines Lehramtes entsetzt. Spater leistete man ihm die Genugtuung, ihn zum Mufti des Dïwan al-aukaf (Administration der frommen Stiftungen) zu ernennen; aber an der Saule der Moschee, neben der er ein halbes Jahrhundert i> v 159. 2) Muhammedanische Studiën II 370—372. 337 lang lehrend gesessen hatte, konnte er nicht wieder Platz nehmen '). Eine ahnliche Erfahrung konnte auch der Herausgeber des Manar selbst erleben, der noch offener als sein Meister Muhammed cAbduh unter allen bidca's am heftigsten gegen diese dem Geiste des Urislams fremde Kultusform sich auflehnte, die er unaufhörlich als in den Islam sich einschleichende Abgötterei brandmarkt2). Auch er hatte jedoch im Verlaufe seiner theologischen Unternehmungen Gelegenheit, die Überzeugung zu gewinnen, welche Schwierigkeiten es hat, diese weit über die Kreise des unwissenden Volkes eingewurzelte Übung dem religiösen Besitzstand der naiven Islambekenner zu entreissen. Einmal hielt er eine Reihe von Vortragen in der HasanejnMoschee, dieser als besonders weihevoll angesehenen Andachtsstatte Kairos, an die sich der Glaube angeknüpft hat, dass sie das Haupt des Husejn, des Martyrer-Enkels des Propheten, berge3). Diese Moschee war freilich ein für -Bekampfung des Heiligen- und Reliquienkultus nicht eben geschickt gewahlter Ort. In einem seiner Vortrage liess sich der puritaS—Si, 88, 89, 106, 107, 156 (1), 164, 176, 196 (1), 198, 214, 264 (2), 268, 288 (1), 292. Sein angebliches Tafslr-Werk 77- 'Abdallah b. al-Mubarak 34. 'Abdallah b. 'Amr b. al-'AsI 59 (4), 160 (1). 'Abdallah b. Mas'üd 8—13, 16, 17, 22, 31) 34, 35 (2), 40, 44, 47, 56, 6o, 66 (3), 272. 'Abdallah b. Salam 68, 69, 72 (1), 290. Abdalmalik, Chalife 36(1). Abdairahman b Hassan 23 (1). 'Abdairahman b. Sa'ida 294. cAbdarï 223 (1). cAbduh, Muhammed und seine Schule 322—370. cadl, göttliche Gerechtigkeit 121 (6), 126, i5of. 160. 'adab al-kabr, Grabeszüchtigung 127, 296. cAjischa 14, 27, 32, 35, 40, 50 (2), 65, 106, 107, 291, 296. cakl, 136 ff. s. auch ma'kül. calam al-huda, Ehrenname 69 (5), 114. CA1I, (b. Abï Talib) 22, 36, 41 (5), 55 (4), 65, 138, 191 (2), 214, 225 f., 257, 263 ff., 292, 315, 348. cAli al-Chawwas, 258. cAlï al-Kan 138 (4), 157 (4), 223 (5). cAlI b. Husejn 268, 302. cAli b. Ibn 'Abbas 75. cAlI Mubarak 235 (1). 'Amr b. al-cAsï 69, 288. 'Amr b. 'Ubejd 143, 162, 167. cAmir al-Scha'bl 25. cAmulï, Beha al-dln al-, 69 (7I, 277 (4). 'Anbarl, Abü Bekr Muhammed b. al- Kasim al- Grammatiker 38 (4), 71 (2). cAmir b. 'Abdallah b. 'Abdalkajs 68 (3> 'Ubejdallah b. Hasan, 178, 179. 373 'Askalanï, Muhammed b. Chalaf, 83. Ibn Hadschar 295, 296. 'Askarï 300. Türkischer Süfï 200 (3), 228 (1), 261 (4). 'Askarï, Abü Hilal 121. Imam der Schl'a s. Hasan al-cAskarï. 'Ata, Tradent, 77. 'Atijja al-'Aufï 107, 176. 'Awarif al-ma'arif von Suhrawardï 184 (4), 186 (1), 191 (3), 196 (1), 211 (4) (5), 215 (2), 217 (2), 232 (3), 255, 256 (8), 257 (1), 261 (5). Bab, 'Alï Muhammed, 50 (3). Babi 258, 309. Baghdad, (Volksbewegung in) 100, 101. Baghdadï, Abü Bekr al-Chatib al- 295. Baghdadï. (al-Fark bejna-l-fïrak) 44 (3), 120 (2), 143 (3), 177 (2), 270 (I). al-Ba'ith 'als inkar al-hawadith vvalbida' von Abü Schama 43 (2). Bajan von Dschahiz 121 (0 (3). Bajan al-sa'ada fl makam al-'ibada, schl'itisches Tafsïr von al-Sultan Muhammed b. Hajdar al-Bejdachtï 279. Bejdachtï s. Bajan. Bakteriologie 356. Bakï b. Machlad's Tafsïr 87. Bakillanï 346. Baladorï ed. de Goeje 170 (4). Balawl's Kitab Alif-ba 37 (3), 38 (1), 65 (7). Bara b. Azib 15. Barkï, Hasan b. Chalid's schl'itisches Tafsïr 279 (1). Barnabas-Evangelium 342. barzach, Purgatorium 303. Basschar b. Burd 300. Basset, René 3 (2), 169 (4), 170 (1). Basra, Schule von, 24, 28, 29, 32, 93. batin (innerer Sinn), to levevuMTiKÓv, ba- tinijja 182, 196 f., 198,215,224(1), 232, 237, 245, 258. Becker, C. H. 79 (3), 102 (3), 149 f., 151(1), 180(1), 310(1)1 317(2). Beha Allah, Beha'ismus 228 (1). Beha3! 309. Bejdawl 24, 28, 72 (1), 108 (1), 132 (l\ 266(3), 277(4), 299, 346(4). Bejhakl ed. Schwally 79 (3), 171 (2), 174 (2). Ben 'Azzaj 65 (6). Berthelot 355, Bibel, Allegorien 288 (2). Anthropomorphismen 116 (7). Gleichnisse 51. Vieldeutigkeit 1. Bibelfalschung (angebliche) der ahl alkitab 359. Bibelkritik im Dienste dér islamischen Polemik 343. bid'a, Neuerung, Irrlehre 201, 334 f., 369- Binjamin (der biblische) 29. Birzall, 'Alam al-dln IOI (1). Bistamï, Abü Jazld 226. Blauaugiger 297, 298. Boëmund, Prinz von Antiochien 52. Böses Auge 139(3) (4), 142(1)- Brockelmann, Carl, 29 (1), 40 (1), 41 (4), 42 (1) (3), 43 (5) (6), 46(1) (2), 57(2), 60 (3), 67 (4), 77 (2), 90(1), 123(2), 203(1), 211(3), 2I3(0(2), 215(3), 216(2), 224 (2) (5), 258(3), 261 (6), 278, 279 (3), 291 (3), 295 (1) (3) (4), 329(1)Browne, E. G. 228 (l), 257 (4), 309 (2) (3), 322- Bucharj's Traditionssammlung 8 (3), 9 (6), 10(4), 11 (5), 18(1), 30(3), 35 (1), 37 (6), 39, 43, 45 (2), 51 (N-), 58(1), 60(2), 66 (2), 69(1), 70(4), 75 (5), 78, 86 (1), 103 (1), 106 (2), 135 (0, '39 (4), 140 (3), 144 (0, 157(2), 158(0(2), 174(7), 203(2), 214, 232 (2), 250 (2), 264 (3), 292 (3) (4) (5) (6), 293, 294 (0, 295,296, 329 (3). S. auch al-Adab al-mufrad. " Buchstabendeutung 258, 259. Bughjat al-wu'at des Sujütï 123 (3). Buhl, Frants 69 (3). Bücherverbrennung 281 (1). Caetani, Leone, Annali dell' Islam 9 (6), 69, 273. Carra de Vaux 202 (2). Casanova, P. 35(3), 274(3). 374 Comte, Auguste 349. Chadir 288. chadalan, Entziehung des göttlichen Gnadenbeistandes 94 ff, 153. Chafadschï 277 (i). Chalc al-naclejn von Abu-l-Kasim b. Kasï 232 (2). Chalid b. Sinan al-'AbsI, 221. chalïl Allah, 116, 173, 174(5;. chalk al-af'al, 115, 153. Chanan'ël, Rabbi 106 (2). Charidschiten 98 (1), 138, 264, 265, 2Ó7 (2), 273 (4). Chatima, letzte Sure des Korans 75. Chazradschï, Pearl-strings ed. Redhouse 67 (2), 81 (3). Chéragh 'Alï (Maulavi) 317 (2). Chitat dschadïda des 'Alï Mubarak 235(i). Chizanat al-adab 114(4). Christen, Christentum, 58, 124, 154 1S7 (6), 298, 300, 313, 359. Christentum und Islam im islamischen Modernismus 343. Christlicher Convertit 90. Christlicher Einfluss auf den Islam 149— 151- Christliche Legende 90. Christliche Patristik 102(3). Christensen, A. 133 (4), 200. Chrysostomos 150. Chuza'ï, Abü Muhammed Ishak 46 (4). Cinvat, 201—203. Convertiten, vom Islam zum Christentum 170 (2). S. auch Christen,. Juden. Damlri, Hajat al-hajawan (Kairo 1275) 23(1), 53(i), 58(2), 60(1), 108(1), 121 (3), 138 (4), 140 (1), 157 (1), 159(0, 162(2), 292(1), 294(4). D5nI 45 (3)- Dante's Divina Comedia 52. Darakutnï 45 (2). Darwin, Darwinismus 355 f., 358 f. David 240 f., 259. Da'wa wa-irschad, Propaganda-Schule 343- Damonen 142—144. im Neoplatonismus 187. in Schlangengestalt 53. Decourdemanche, P. A. 170 (3). Demarchi, Francesco Ant. 81 (5). Dogmatische Koranexegese 93 f. (bei Tabari), 99 ff. Doutté, Edmond 140 (2), 169 (4) 170 (»)■ Draper, John W. 355 (2). " Drusen 209. al-Durar al-manthüra fl zubad al-'ulüm al-maschhüra des Scha'ranï 41 (1), 258 (2). al-Durr al-mauthür fi-l-tafslr al-ma'thür von Sujütï 64. al-Durr al-muchtar von Haskafl 329 (1). Durrat al-ghawwas des Harïri 19 (1). Dünnbart im Folklore 23. Dynameis, $vvxu,ic, ovyxotocrrixj, Svvz- Ittc. xctfurTiKy 213. dschadal, ahl al- 96. Dschafar al-Sadik, 281 f., 284. Dschahihjja, sprachlich aufschlussreich für Koran u. Sunna 69 ff. . Dschahiz, Hajawan 12 (4), 35 (2), 58 (3), 69 (5), 81 (2), 108 (2), iiï, 112 (2) (4), l2o, 121, 133 (1), 143 (4), 159 (1), 160, 167, 289, 303 (1) s. Kitab nazm al-Kurtn. Dschala al-'ajnejn des Alüsï 78 (i). dschalal, Gegensatz von dschamal 211 f. dschamal 211 f Dschamharat al-ansab des Ibn Hazm 76 (7). DschamI, 'Abdairahman, Kommentator des Ibn al-'Arabl 185 (6). Dschami0 bajan al-'ilm wafadlihi v. Ibn 'Abdalbarr 40 (2), 58 (3), 85 (4). Dschawab ahl al-Iman des Ibn Tejmijja 147, 203 (2). Dschawahir al-Kurtn wa-duraruhu des Ghazalï 203. Dschejlan b. Farwa 66. Dschelalejn, Tafsïr al- 346. Dschemal al-dïn Afghanl, Sejjid 322 f. Dschinnen 142—144, 239, 244, 302, als Mikroben rationalisiert 356. Dschisr, Husejn al- 324. Dschubba'ï, Abü 'Ali 118, 130, 137 (1). 375 Dschu'ft, Dschabir al-, sein schl itisches Tafsïr 279. DschuhanI, 3Okba b. 'Amir 273. Dschumahl, Klassen der Dichter, ed. Heil 76 (1), 290 (2). Dschuwejbir 88 (6). Dahhak b. Muzahim 24, 59, 88, 112. Damdam b. Katada 296. Dirar b. 'Amr 44. dabih, der- zum Opfer verlangte Sohn Abrahams, Isaak oder Ismael? 79 ff. DahabI s. Tadkirat al-huffaz. dikr 260 f., 303, 369. Du-l-karnejn 90. Ehescheidung 108 (3). Elektrizitat 356. EUis-Edwards 278 (4). Elöhlm 213. Emanation 180, 207, 209. Emir von Ha'il 87. Engel 142, 192,216, 239, 346; schauen sie Gott? 102 (3). Erschaffensein des Korans 102 (3). Ethé, Herman n 182 (2). Eva 358. Evangélium, Indschïl 51 (1), 101, 128 (1), 161 (1), 195, 196, 231, 248(2), 305, 359Evolution im Islam 315 ffEzell 309. Fachr al-dln al-Razï 203 (2), s. MafS- tlh al-ghajb. fana, 254 f., 262. Fatawl hadïthijja des Ibn Hadschar alHejtaml 90 (1), 138 (5), 200 (6). Fath al-b5rl ft scharri al-Bucharl des Ibn Hadschar al-'Askalanï 295, 296. Fatiha 34, 75, U4, 225 f., 257, 258, 273- Fatima 35, 191 (2), 277, 298, 300. Fatimidisches Chalifat 209. Fawatih al-rahamüt des 'Abdal'all Muhammed al-Ansari 114 (2). Ferra, al- 47 (5). Fihrist 41 (5), 47 (2), 58 (2), 76 (5), 86 (3), 87 (4), 113 (1), 274, 275. Fikh 38 (3), 110, 244—253, 316, 340, F.-symbolik 244—253, bekampft von Ghazalï und vom Modernismus 326 f., 33', 335 f- al-Fikh al-akbar des Abü Hanïfa 138 (4), 157 (4), 223 (5). Firdösl 104, 105. Findelkinder 363 f. Fïrüzabadl, Medschd al-dln 250 (2). Flügel, Gustav 38 (4). Fortschrittsfahigkeit des Islams 310 ff. Frauen, ihre Gleichstellung im Modernismus 363: schauen sie Gott ? 103 (4). Franck, Adolphe 355- Frazer, J. G. 232 (4). Friedlander, Israël 270. Fulan, Fulana 292, 293, 297, 298, 302, 366. Fusüs al-hikam des Muhjl al-dln ibn al-'Arabï 185 (5) (6), 212 (1), 220 (3), 221, 224 (1), 232 (2), 240 (4), 251 (2)i 259 (2), 260 (1). Futflhat makkijja des Ibn al-'Arabï 217 (3), 220 (2), Z2i, 223, 224, 232 (2), 233 (1), 238 (4), 239 (1), 240 (2) (3), 245, 250 (1) (3), 251 (3), 253 (3> Fürsprache s. schafa'a. Gabriel, Engel 9, 50, 6o,' 64, 65, 106, 141, 166. Gairdner, H. T. 202 (2). Galen 349. Garcin de Tassy 271. Gasprinsky, Ismaïl 334. Gauthier, L. 120 (3). Gebet s. salat. Gefahrten des Propheten 64, 65, 280. Geiger, Abraham 20 (1), 116 (2), 238 (1). Gematria 258. Geschichtswissenschaft im islamischen Modernismus 350 f. Glaube, ob er ohne Taten selig macht ? 155—169. Gleichnisrede 195. Glossen im Korantext 11 ff. Gnosis, Gnostik, Gnostiker 184, 207, 221, 223, 253, 254, 260, 309. de Goeje, M. J. 86, 357 (2). Gottesschauen 102—107, 128, 129, 172, 173, 190 f. 376 Grabeszüchtigung 127, 296. Griffini, Eug. 77 (2), 157 (7), 308(2). s. Nachtr. Ghanawl, Abu-l-Sirar al- 16. Ghara°ib al-Kur'an, s. Tafsïr gharaJib u. s. w. Gharl, angebliche Grabesstatte' Alïs 275. Ghazalï 61 (3), 84, 123,11)6—207, 211, 2I4, 217 (5), 224 (5), 236 f., 238, 240, 241 (2), 246 (i), 249 (2), 251 f., 329 (2), 34°—342- " La Perle précieuse de Ghazalï, ed. L. Gautier 200 (6). S. ferner s. v. Ihja, Madnün, Mischkat, MïzSn, Muhkid. Ghunja des ^Abdalkadir Dschïlanï 79 (3). Ghurar al-fawa°ïd wa-durar al-kalaid des Murtada 14 (3), 115 (1), M6 (1), 117 (2), 156 (2), i7S (1). Hadi al-arw5h ila bilad al-afrah von Ibn Kajjim al-Dschauzijja 104 (1). Haas, W. 261 (3). Harnack, Adolf 174 (1), 185 (1), 197 ('), 203 (3), 2o7 (1), 209, 234. Hartmann, Martin 18 (2), 216 (3). Hartmann, Richard 72 (1). Harün, Aron 347 (1). Harün b. Müsa, jüdischer Convertit, Tradent 39. Harüt und Marat 331. Haschimï, 'Alï b. abï Talha al- 78. hebraisch 6. Heilige, ihre Fürsprache 170—172. ihre Gnadengabe 139 (3), 144, 145. Heiligen- und Reliquienkultus 336— 339, 367 fHeilkunde 356—358. Hejtamï, lbn Hadschar al-, s. Fatawl hadïthijja, al-l'lam bikawati' al-Islam und Tathlr al-dschinan wal-lisan. Hellenismus, sein Einfluss auf Ghazalï 202, 203 (3). auf die Lauteren 186 ff. auf die Mu'tazila 110, m. Hillï, Hasan b. al-Mutahhar al- 77. s. Kaschf al-jakïn. Hischam b. al-Hakam 108 (2). Hizzanï, 'Abbas abü Raufc al- 82 (2). Homoiosis 6u.otutTis 189 f., 207. Hölle, unvermeidlich 155—169. bei den Lauteren 189. Houtsma, M. Th. 38 (4), 39, 283 (1), 299 (3> Horten, M. 322 (2), 325 (3). Hü ( = huwa)mystischerGottesname 261. Hüd, Prophet 185, 220. Hudschwïrï 211 (2) s. auch Kaschf al- mahdschüb. Hyle 185, 192. Hygiëne 357 f. habr 65. Haddschadsch b. Josuf 56, 158, 159, 270 (3). Hadith 35 (t), 37, 38, 40, 48 (2), 61, 62 ff., 82, 83, 158, 160 (2), 164, 170, 171, 191, 200, 205, 248, 250, 262, 264 (3), 340, 346 (3), 357 f. Hadith der Schï'a 304. Hadith im Urteil der indisch-islamischen Kulturbewegung 316 f. Hadith im agyptischen Modernismus 321 f-, 335, 337- Hadith harmonisiert mit moderner Wissenschaft 349. Anonyme im Hadith 292 ff. Hadïthemendation 30. Hadlthrezitation 34 (2). Hafsa, Gattin Muhammeds 15. Hakim, Inkarnation Gottes 209. Halïmï, Asch'arit 346. Halladsch 208, 222, s. Kitab al-TawasIn. Hamasa 23 (1). Hamïda bint abi Jünus 14. , Hammad al-rawija 4, 47 (5). Hamza b. Habïb b. 'Ammar 53, 65 (2), s. Nachtrage. Hanbaliten 94, 100, 1&1, 146(3), 147 329 (3). Hanefiten 33!, 333, 361. harf, plur. ahruf, hurüf (term.) 37 . 44, 215 (1). Harïrl 19 (1). Harürijja 264. Hasan al-'Askari 66 (5), 279. Hasan al-Basrï 53, 58. Hasan b. 'Abdallah 67 (2). Hasan b. 'Alï 282, 285, 298, 300, 302 377 haschawijja 124, 125, 165, 196 (3), 237. Hatim al-Ta3! 317. hijal, Eideslisten 331. Hudschadsch al-Kur'an des Abu-I-fada'il al-Razï 179. Hudejfa b. al-Jaman 82 f. Humejdi 295 (1). Hurüf! 258. Husejn b. cAl! 282, 298, 300, 302, 337. al-Husün al-Hamidijja li-muhafazat al- 'akaJid al-ishTmijja von Husejn al- Dschisr 324 (2). Huwejji, Schams al-dïn Ahmed b. Cha- lil al- 123 (1). Ibaditen 273 (4). ibaha 237 (2), 253, 254. Ibana des Asch'arï 103 (4), 113 (4). Iblïs 144. Ibn abï cAbla 48. Ibn abï Nadschïh 107 (1). Ibn 'Abidïn 329 (1). Ibn al-Athïr's Gefahrfenlexikon 47 (4), 100 (3), 101 (1), 294. Ibn al-cArabI, Muhjï al-dln (1165— 1240) 18 (1), 185, 211 (7), 212 (1), 2*S—*S7t 261, 278 (2), s. auch Fu- tühat makkijja, Fusüs al-hikam. lbn al-Dschauzï, 'Abdairahman 295, s. auch Talkïh fuhüm ahl al-athar. Ibn al-Munejjir, Ahmed b. Muhammed b. Mansür 49 (1), 50, 123, 124, 126, 127, 132, 134, 135, 136, 142, 144, 15*1 i_53, 157 (3), 172, 346 (1) (2). Ibn al-Rümi 135, 136. Ibn al-Sarradsch, Abu-l-Hakam 220. Ibn 'Abbas s. 'Abdallah ibn 'Abbas. Ibn 'Abdalbarr s. Dschami' bajan al- 'ilm wa-fadlihi. Ibn 'Akïl 146 (3), 147. Ibn 'Asakir's Damaskusmonographie 42 (3). Ibn 'Atijja 268 (1). Ibn Baschkuwal 87, 295. Ibn Battüta 75 (4). Ibn Chaldiïn 90 (1), 121. Ibn Challikan 57 (1), 58 (2). Ibn Dukmak 272 (2). Ibn Dschinn! 46 (i). I Ibn Dschubejr, Abul-Husejn Muhammed 67 (2), 220. Ibn Hischam II (2), 291. Ibn Hazm's Milal 8 (5), 42 (1), 105 («)> 143, 270 (3), 346 (1). s. auch Dschamharat al-ansab. Ibn 'Innaba, 274 f. ' lbn Ishak, s. Muhammed ibn Ishak:. Ibn Kajjim al-Dschauzijja, 65 (6), 75 (2) , 77 (7), 104, 122 (5), 148 (1), 174 (2), 338—340. s. auch 1'lam al-muwakka'in. Ibn Kajs al-Rukajjat, 65. Ibn Kudejd 274. Ibn Kutejba, 8 (2), 53 (1), 109 (1) (4), 179 (0- S. auch Ta'wïl muchtalif al-hadlth. lbn. Mas'üd 198. Ibn Mukla 47. Ibn Muldscham 265. Ibn Redscheb's Klassen der Hanbaliten 158 (6). Ibn Roschd, Abu-1-Walld, Averroës 120 (3) , 218—220. s. auch Nachtrage. Ibn Sa'd 5 (2), 8 (3), 9 (1) (2) (6) (8), 10 (13), 23 (1), 34 (2), 37 (4), 55 (1) (4), 56 (2), 59 (2), 65 (1) (2) (3), 68 (3) (6) (8), 70 (2), 71 (3) , 75 (3) (7), 76 (2), 84 (4), 85 (3) , 109 (5) (6), 115 (1), 128 (1), 141 (1), 156 (1), 158 (3) (7), 160 (4) , 169 (i), 170 (4), 171 (3), 176 (3), 191 (2), 214 (3), 232 (1), 249 (2), 273,-276 (2), 289 (2), 291 (2), 292 (7), 293 (3), 296 (3). Ibn Salim 191 (3). Ibn Sïna, Avicenna 255, 256, 258 (3), 260. s. auch Kitab al-ischarat wal-tanblhat, u. Risala fl ma'an! al-hurüf. Ibn Sabigh 55, 56, 61. Ibn Salih 78. Ibn Schahïn 113 (4). Ibn Schannabüd 46, 47. Ibn Tejmijja 37 (2), 78 (1), 107 (1), 203 (2), 222 (4), 338—340, 342. s. auch Dschawab ahl al-Iman. Ibn Zejd 60 (5). 37» Ibrahim al-NachacI 22, 267. Ibrahïm b. Abdalrazzak 41 (3). Ichvvan al-safa 139 (3), 186—197, 256, 308. Ichwan al-safa, ed. Bombay 190 ff., 192 (2), 193(2), 196 (2), 256 (3) (4). Idrls, Henoch 18. i'dschaz al-Kur'an 39, 120 ff. Idschl, s. Mawakif. idschmac al-umma 88, 238 (4), 2#j f., 328 f. neues idschma' 318, 335. idschtihad 45, 328—330, 335, 339. s. auch mudschtahid. Ihja des Ghazalï 10(4), 17(1), 18 (i), 19 (2), 23 (1), 29 (1), 30 (5), 53 (1) , 55 (4), 60 (3), 63 (1), 65 (4) (5), 67 (1), 68 (2), 71 (6), 77 (1), 84 (2), 85 (1) (3), 108 (3), 124 (2) , 125 (2), 133 (3), 135 (1), 146 (2), 155 (O, IS9 (2), 160 (2), 161 (2) , 171 (1) (3), 174 (6), 191 (3), 197 (2), 198 (2), 199 (1) (2) (3), 200, 201 (2) (3), 203 (4), 208 (2), 211 (6), 214 (1), 217 (5), 223, 234 (3) , 240 (5), 246 (1), 251 (4), 252 (2) , 253 (1), 257 (2), 258 (1), 262 (3) (4), 353 (1), 357 (3)al-I'lam bilfawStic al-Islam von Ibn Hadschar al-Hejtaml 138 (4). I'lam al-muwakka^n des Ibn Kajjim al-Dschauzijja 174 (2), 339. lldscham al-cawammdes Ghazalï 241 (2). IljSs, Elijahu, 18. Imam, im schlcitischen Sinne (ImamMahdi) 263, 267, 280, 281, 282, 283. Imame als angebliche Korandeuter 278 ff. Imam al-dunja, doctor universalis, Zamachscharï 118. Immanenz im Süfismus 180. Index librorum prohibitorum 232 (2). Indisch-islamische Kulturbewegung 310 ff., 342. 360—362. Infektion 357 f. al-Insaf fi-l-muhakama bejn al-BejdSwI wal-Kasschaf von Murtada al-Zabldl 124 (2). Isak 79 ff., 159. ischarat, Andeutungen 225 ff. Tsfarajlnl, Abü Hamid al- 86, 272. Ishak al-Merwezi 101. IskenderI,' Tadsch al-dln Ibn cAta Allah al- 213 (1) (2), 239. al-Islam wal-Nasranijja von Muhammed cAbduh 343. Ismacïl oder Isak 79 ff., Ismacïl Abul- dabïh o. Abul-fida 81. Isma'il Pascha 81. Ismacïl, Safawl-Schah 281 (1). 'Ismacllijja 209, 281 (1), 308. isnad 41 (5), 62, 63, 74, 76, 82 f., 88, 90. Ithaf al-sadat al-muttakln von Zabldl 108 (3) , 158 (4)- i"tibar, Rücksichtnahme, übertragene Deutung 245 ff. Itkan des- Sujütï (ed. Castelli, Kairo 1278) 29 (1), 30 (1), 39 (3), 42 (2), 43 (2) (3), 45 (1), 46 (3), 47 (4) , 57 (4), 58 (2), 59 (4), 60 (3), 61 (2), 64, 67 (2), 74 (1), 78 (2), 85 (3), 91 (3), 120 (6), 177 (3), 261 (2), 273, 292 (2). Jacob G. 200 (2) (3), 261 (4). Jahn G. 274 (3), 275 (4). Jahveh 213. Jahja b. 'AdI 86 (3). Jahja b. Maln 39. Jahja b. Zakarijja, Johannes Baptista 60. Jakob (biblisch) 72, 194. Jakobs Söhne 28, 29, 30, 139 (4). jakln 183, 254—256, 303. Ja'kübl ed. Houtsma 11 (4), 169 (1), 178 (2), 272 (2), 273 (3), 274 (4). Jaküt, Geographisches Wörterbuch 23 (1) (2), 34 (4), 41 (3) (5), 45 (2), 46 (3), 47. (4), 57 (3), 58 (2), 67 (O, 75 (7), 76 (4) (6), 79 (4), 86 (4), 87 (4) (6), 89.(1), 94 (2), 102 (1), 113 (2) (3), 118 (1), 130 (1), 139 (1), 169 (3), 275 (3). R. Jehüda b. Barzillai 106- (2). Jeremia 91. Jethro im Koran 91. Johannes Damascenus 79 (2). 379 Jonas 194. Joseph (biblisch) 28, 91, 194, 291. Juden, Judentum, jüdisch 25, 58, 72, 73, 80, 124, 149, 157 (6), 175 f., 293, 300, 359, 367. Juden von Medina 140, 141. Jiidin 296. Jüdische Convertiten 39, 67—69, 79. Jüdische Rationalisten 106 (2). Jüdischer Brauch 138 (5). Jüdisches im Islam 68, 169. Jüdische Schriftgelehrte 85. 'Ikrima 75, 76, 77, 80, 106, 112. 'ilm 67 ff., 68, 88, 93, Gegensatz: ra3j. 'Isa b. Mansür 52. Ka'b al-ahbar 55 (4), 67—69, 80, 89, 106, 159, 277 (4). Kalam 95 ff., 145 (2), 189, 203 (2), 339. Kalbl 87 (6), 112. Kallla und Dimna 190. Kalïm Allah (Moses) 174. Kamil des Mubarrad 109 (2), 138 (2). Kampf ums Dasein 355. Karabacek 49 (2). Karamat, der Heiligen 139(3), '44, 145. Kaschanï s. al-Safï etc. Kaschf al-jakïn fï fada'il amïr al-mu3minin 77, 273, 288 (i), 304 (1). Kaschf al-mahdschüb 346 (1). al-Kasschaf an haka'ik ghawamid al-tanzll, ZamachschSrls Korankommentar 7 (2), 12 (2) (3), 13 (2), 14 (2), 16 (2), 22 (t), 23 (3), 29, 31 (2), 33 (3), 34 (3), 35 (2), 48 (3), 49 (1), 50 (3), 51 (2), 58 (3), 6t (3), 72 (0, 87 (5), to8 (1), 116 (1), "7—'37, '41, '42,144—147, 151 — • !55, 162—167, 172, 173, 175—177, 277 (4), 290 (3), 298 f., 346 (1). Kejsanijja, Schï'itensekte 308 (1). Kasuistik 331—334, 340. Keramat 'Alï, Sejjid 349. Kern, Friedrich 101 (1), 102 (1), 103 218 (1). Keschkül 278. Khuda Bukhsch, Si 317. Kind! 274 (1). Kirkisanï, Karaer 238 (2). [ KisaJï 29. Kitab al-addad, ed. Houtsma 71 (5), 84 (5)- Kitab al-ischarat wal-tanblhat des Ibn Sïna (Avicenna) ed. Forget 139 (3), 184 (3), 206, 208 (2), 256. Kitab al-asma al-mubhama fi-l-anba almuhkama des Abü Bekr al-Chatïb al-Baghdadl 295. Kitab al-bad3 wal-ta3rïch, ed. Huart 59 (3), 81 (2). Kitab al-dijat des Abü 'Asim al-nabïl 5 (O- s Kitab al-dschihad des Ibn Tümart 15 7 (3). Kitab al-fark bejna-l-firak des Baghdadï 44, 120(2), 143(3), 177 (2), 270(1). Kitab Alif-ba des Balavrl 65 (7). Kitab al-'ilm 214 (3). Kitab al-made hal dés Hakim al-Nïsa- bürï 295 (1). Kitab al-mu'ammarïn 171 (2). Kitab al-schï'a wa-funün al-islam des Hasan Sadr al-dïn [Sajda, 'Irftndruk- kerei 1331] 279 (1). Kitab al-Tawasïn des Halladsch [ed. Massignon, Paris 1913] 208, 222. Kitab al-ta'lïm wal-irschad des Schejch al-Bekri Muhammed Taufï^ [Kairo s: a-] 355 (3)Kitab asrar al-Batinijja des Isma'ïl al- Bustï 258 (4). Kitab Baghdad des Tajfür, ed. Keiler 72 (1). Kitab nazm al-Kur'an von Dschahiz 121 (2). Kitab nuktat al-Kaf von Mirza Dschanï [Gibb Series] 309 (4). Kitab sifat al-'arsch vom Hafiz Muhammed b. 'Othman b. abï Schejba 146 (1). Knotenblasen 140—142. Konstantinopels Eroberung im Koran 59. Königin von Saba 139, 140. Krauss, Samuel 72 (1). Kremer 217 (1), 221 (2), 238 (3), 300. Kroll 183 (4), 184(2), 189(1), 256(5). Küfa, Schule von 24, 26, 28, 32, 93. Kulïnï s. Usül al-kaft. Kuthejjir 67 (5), 76. 38o Kabil (Kajin) 193. Kadar, Kadarijja, Kadariten 95, 102, 124, 148 ƒ., 266. Kadi Chan 138. kahr, Macht, Gegensatz von lutf, 211— 213- Kajsï, Abü Muhammed Makï b. Abi Talib al- 42. karf, mukri3 (plur. kurra3) berufsmassiger Koranleser 40, 4], 274. Kasim, Enkel Abü Bekrs 55. kass, pl. kussas, Erzahler 58 f., 61. Kastallanï, Schihab al-din, BuchariKommentator 9 (6), 30 (5), 33 (1), 37 (3), 45 (2), 50 (3), 51, 58 (O, 66 (2) (3), 69 (1), 103 (4), 106 (2), 139 (4), 140 (3), 146 (1), 158 (O (2), 174 (7), 232 (2), 250 (2), 264 (2), 291 (1), 292 (3), 293 (1) (2), 294 (1), 295 (1), 296 (2) (4) (6), 329 (3), 346 (2), sein Werk über Koranlesarten 43. Katada 5, 40, 58 (3), 98 (1), 269. Kazwlnl 110 (1), 145 (1), 170 (4). Kazwïnl, Salih al-, schlcitischer Dichter 275 (2). kira°a, Koranlesen 35, 36, 39 (3), 40, ' 67 (1). al-kira3a al-maschhura, textus receptus des Korans 2. Koran, rhetorische, stilistische Trefflich- keit, Unerreichbarkeit 39, 119 ff., 256, 345 f- angebliche Falschung 270—277, 297 f. angebliche Übereinstimmung mit der heutigen Wissenschaft 349. KummI, Abu-l-Hasan' cAlI b. Ibrahlm, al-, sein schï'itischesTafsïrwerk 279 ff., 282 ff., 286 f., 297 (4), 298 (1), 300, 301, 302, 303, 304, 305, 307, 308, 3°9 (3)Kurejsch b. Anas 162. Kuschejrl 256, s. Risaia. kussas s. kass. Kutb, Spitze der Heiligenhierarchie 337. Kutb al-dln's Geschichte der Stadt Mekka, ed. Wüstenfeld 119 (3), 268 (1), 281 (!). La3all masnuca des Sujütï 108 (3). Lammens, Henri 12 (4), 14 (3), 23(1), 273, 278 (3), 279, 290 (1), 357 (1). Landsdell 274 (3). Lane 275 (3). lapsus calami 31, 32. Larousse-Enzyklöpadie 355. lauh mahfüz 3. Lauterbach, J. Z. 20 (1). die Lautern s. ichwan al-safa. Lawa3ih al-anwar al-bahijja, Kommentar zu Saffarlni's cAkIda 56 (1). Lea 233. Lebld b. al-Acsam, Zauberer 140, 141. Le Bon 355 (2). Leibniz 349. Leszynsky, R. 170. liberum arbitrium s. Willensfreiheit. Licht, Lichtvers 183 f., 300. Lidzbarski, M. 68 (4) (6), 73 (1), 90. Lisan al-carab 48 (1), 66 (3), 71 (2), 84 (3), 215 (1), 226 (1). Logos 213, 304, 305. Loghat el-carab 274 (4), 275 (4). Lot's Tochter 291. Loth, O. 68, 87 (2), 118' (3), 288 (2). Löw, Leopold 85 (2). Lubab al-albab des cAufi 257 (4). Lucretius, De rerum natura 147. lutf, Gnadenbeistand Gottes 94 ff., 150 ff., 211 f., 213. Ma al-cajnejn 113 (4). macad, Rückkehr der Einzelseele zum Göttlichen 207. Macarrï s. Abu-l-cAla al-. Macdonald, D. B. 183 (i), 355 (1). Madchal, Kitab al- 223 (1). Madnün kablr des Ghazalï 202 (2). madhab, madahib 38, 40, 86, 326 ff., 328, 331, 335, 340, 363, 365. Mafatlh al-ghajb des Fachr al-dïn al- RazI 13 (1), 50 (2), 123, 176 (1), 272 (1), 278, 306 (2). maghazl 57, 58 (2), 63, 71. Mahabharata 317. Mahdi, Chalif 178. Mahdï, im schlHtischen Sinne s. Imam. al-Mahasin vval-addad 297 (1). 3»i Mahmoud Fathy 339 (3). Mahmïïd b. Sebuktekïn 104, 105. Mahmüd Salim 348. Maimünï, Dalalat al-ha'irïn 116 (7). Makkarï 32 (1),. 42—43, 138 (5), 222 (1). mackïïl 194 s. cakl. malahim 57. Malik b. Anas 109. malikitischer Ritus 333. Manakib des Ibn 'Ata Allah al-Isken- derï 213 (1). Manar, arab. Zeitschrift 324—344. Maninï 277 (4). Marasïl des Abü Dawüd 61 (4). Margoliouth D. S. II (4), 273 (4). Maria 17, 23, 135, 155, 212. MarzubanI, Abü cUbejdall5h 117. mash, Bestreichen, magisches Mittel 338. masmüc, syn. makrif, mankïïl 194, 198 f. Masnavi 211 (2). Massignon, L. 222 (4). Masterman, Ernest W. G. 357 (1). Mascüdï 143 (t) s. Tanbïh. mashaf 50 (2), 51 (1). maslaha, das 122 (4), 176 f., 330, 361 f., 364. Madschmü'at al-rasa'il al-kubra von Ibn Tejmijja 222, 223. Maturïdl, Abü Mansür 114 (2). maula, Freigelassener 75, 76. Mawakic al-nudschüm des Ibn al-cArabi 217. Mawakif des Idschï 121 (1). Mawerdl 143. Medina, Schule von 26. Medizin 356—358. Meissner 275 (3). Mesotes, [leo-ónic. 202 f. Metaphorische Korandeutung 95 ; in der Mu'tazila 130—135. Michael, Engel 141. Michlat des cAmulï 108 (3). middath ha dln, das Walten des Rechtes 213. middath ha-rachamlm, das Walten der Barmherzigkeit, ibid. Midrasch 195, 252. Miftah al-falah wa-misbah al-arwah des Ibn cAta Allah 213. Minhadsch al-cabidln des Ghazalï 214 (2). Mirza Abu-1-Fadl 319. Mirza Kazembeg 271. MirzS Dschani s. Kilab nuktat al-Kaf. Mischkat al-anwar des Ghazalï 184, 199, 200 (1), 236, 237 (3). mïzan, Wage des jüngsten Gerichts 201 f. Mïzan al-camal des Ghazalï 203 (3), 205 (ij, 206 (1). Monogamie 360—363. Montet Ed. 114. Moses 3 (2), 5, 17, 72, 73, 104, 106, 197, 199, 229i 23o, 232, 347 (1), 359 s. Ka'im Allah, nadschï Allah 174'. Mönchtum 154, 155. Mucad b. Dschebel 9. Mucafa b. Zakarijja 46. al-mucawwiddatan, die apotropaischen Suren [113, 114] I40—142. Mucawija 265, 268 (1), 288, 298. Mubarrad 48, 49, 70 (6). S. auch Kamil. mubhamat, Anonymi {des Korans) 91 (3), 289—306Mubhamat des Sujütï 292 (2). Mubld al-nicam des Tadsch al-dln al- Subkï, 119 (2). Muchtalif al-hadlth s. Ta'wïl muchtalif al-hadïlh. Mudschahid 9, 17, 40, 41 (5), 68 (8), 74, 77, 80, 88, 93, 107—110, 112, 157, 160, 176, 288 (1). mudschbira 124, 126, 165. mudschtahid 43 (1), 277 (4) s. auch 1 idschtihad. mufadda, Isak oder Ismacïl 80. Mufaddalijjat ed. Lyall 71 (3). Muhammed, seine Fürsprache 169—^172. sein Gottesschauen 106. seine Lesarten des Korans 35,4! (5)- seine Namen 258 (4), 259. Muhammed II, Sultan 334. Muhammed cAbduh s. cAbduh. 382 Muhammed Abdul ghanl Dr., 362 (1). Muhammed cAlï, Begründer derKhedive- Dynastie 336. Muhammed b. Bahr Abü Muslim's muctazili tisches Tafsïr 113. Muhammed b. Hani 300. Muhammed b. Ishak 58 (2), 89 (5), 90. Muhammed b. Jüsuf b. Ja'küb 76. Muhammed b. Slrln 265. Muhammed RadI al-kablr 336. Muhammed Reschïd Rida s. Reschïd Rida. Muhamm ed Taufïlj:, Schejch al-Bekri 3 5 5, 363 (4), s. auch Kitab al-ta'llm etc. Muhammed Tauflk Sidljl, Dr. 349. al-Muhasir 226 (1). Muhibb al-Tabarl s. al-Rijad al-nadira etc. muhkam, muhkamat 128. MukaddasI 40 (4), 41, 58 (1), 67 (4), 84 (6), 102 (2), 133 (2), 275 (3). mukallid 43 (1) s. taklld. Mukatil b. Habban 58 (1) s. Nachtrage. Mukatil b. SulejmBn 58—60, 87 (6), 112. mukri3 s. i:ari3. Mu'lim des Mazarl 157 (7). Munkid des Ghazalï 196 (3). Murdar 120 (2). / murdschi3a, Murdschiten 158, 179. Mursl, Ahmed b. cOmar Abu-l-cAbbas al- 2I3 (O, 239, 240 (1). Murtada, Abu-l-Kasim cAll b. Tahir al- 114—117, 129, 134 (2), 173. Murtada al-Zabldl 124 (2). muschabbiha 124. Muslim's Hadlthsammlung 39, 106 (1), 215 (1). Muslim b. Jasar 28. Musnad Abi Hanïfa 157 (2). Musnad Ahmed ibn Hanbal 157 (6), 278 (3), 296 (1). Musnad al-Dariml 55 (2). Musjazhir, Chalif 29, 30. Muscab b. Sacd 264. mutcah-Ehe 13. mutakallimün 44 f., 95, i43l 226 (2) s. auch Kalam. Muctasim 178 (2). mutaschabihat 128. Muctazila, Muctaziliten, 30, 39, 94 99 !79, 203, 260, 315 f., 346. neue Mu'tazila 315. Mutawakkil 300. Muwatta3-Kommentar des ZurkSnl 12 (O, 15 (1), 38 (2), 43 (3), 68 (3), 294 (6), 295 (5). al-NabulusI, "Abdalghanl, 18, 260 (1) sein Kitab al-haklka wal-madschaz 274 (3)Nacha1! 35 (2). Nachmittag, seine Bedeutung im Islam 14. Nafic 40 (4). Nafic b. al-azralf 70. Nahar al-cAbdI 79 (3). al-nakd al-mustafld 88. Nallino C. s.' Na«htrage. Nasir al-dïn Chosrau 182. nass, Text 33. Naturwissenschaft im agyptischen Modernismus 350—359. nawasib, Gegner der cAH-verehrung 299. Nawawl 43 (2), 58 (1) (2), 67 (2), 106 (1). Nazzam 8 (2), 108 (2), ui,'112, 120 (2), 136 (5), 143, 160. Nedschef, Koranexemplar cAll's in 275. Neues Testament 60 (4), 256 (5), s. auch Evangelium. Neuplatonismus 180, 186, 187, 188 f. 207, 233 f., 241 (2). Nicholson, Reynold A. 181 (1), 183 (1), 211 (2), 216, 217 (1), 222 (3), 223 (4) (5), 250 (2). Nicolas, J. B. 222 (2). 1 Nihaja von Ibn al-Athlr 66 (3), 215 (1). Nikomachische Ethik 203. Nimbus 65 (6). NimrSd 193. Nïsabürï, Nizam al-dïn al- 50 (3). Nïsabürl, Hakim al-, Kitab al-Madchal 295 (1). Niz8m al-calam dés Tantawl Dschauharl ' 356 (I). Nöldeke, Theodor 33 (2), 48 (4, 5), 3«3 70 (2); über schï'itische Korandeutung 309; über Tikkün söferïm 20 (1). Nöldeke-Schwally, Geschichte des Qorans 3, 4, 6, 8, 10, 16, 19,32,35 (3), 37 (1), 38 (2), 41 (6), 43 (4), 87, 271 (1), 273, 276 (2), 278 (2), 309. j Noë, Nuh 58 (3), 194, 242, 275 (3). Nordau, Max 355. Nuwejrl, Schams al-dïn 46 (2). Nyberg, H. S. s. Nachtrage. omen, omina 138, 367. Omajjaden 263. 266 f., 287, 296, 297, 298, 302. opera böna 193, opera supererogatio- nis 170 f. Origenes 150, 234. 'Omar b. cAbdalcazïz 79, 268 (1), 302 (1). 'Omar b. Abï Rabïca 71 (1). ■■Omar b. al-Chattab 10 (1), 23 (i), 33, 55, 5°, 61, 69 (4), 70 (1), 156 (1), 169 (1), 266, 288, 298, 305. cOmar Chajjam 52, 133 (4). cOthman lasst den Korantext festsetzen 2, 8 (2), 10, 32, 33, 36, 37 (2), 40, ' 46, 50 (2), 260 (1), 297, 298, 305, sein Korantext im Urteil der Schra 270—277. cOthman b. abï Schejba 45 (2). cOthman b. Maz'ün 160 (4). panïm (hebraisch), Deutungsarten der Schrift 85. Panislamismus 322. Pantheismus 223. Pantschatantra 190. Paradies, allen Glaubigen zugesagt 155— 169, bei den Lauteren 189,192, 193. Parsismus 149. Parusie s. radschca. Pedersen, Johs. 264 (1). Peripatetiker 139 (3). Persische Anschauung bekampft 249(2). Pertsch W. 77 (5), 81 (5). Pferde im Paradies 294. Philo 130, 174, 182, 194, 210, 213 ff., 237 f-, 251. Phonograph 327 f. Plato 182, 234, 349. Pleroma 197. .Porphyrius 139 (3), 234. Polygamie 360—363. Poznanski, S. 238 (2) Purgatorium, barzach 303. Propheten, Prophetentum 130, 217 f., 346. Psalter s. Altes Testament. Pyrrhonisten "178. Pythagoras 349. Quietismus der Süfï's 208 f. Rabï'a b. al-Mundir 55 (3). Rachel 233. radsch'a, Parusie 261, 269, 287, 306— 308. Rafc al-malam can al-a3immat al-aclam des Ibn Tejmijja 37 (2). ra'j, Gegensatz: 'ilm 44, 61,62, 84,88, 110, 198, 238 (4). Rasa'il des Abu Bekr al-Chwarizmï 45, 46. Raudat al-manazir des lbn Schihna 35 (3). Rawwad b. al-Dscharrah 82. al-Razï, Abu-l-fada'ü's Hudschadsoh alKur'an 179. Razï, Fachr al-dïn al- 123. Razï, Hischam b. 'Ubejdallah al- 40 (2). Razï, Sa'ïd b. Isma'ïl al-Samman, al- 118. re'ïjath ha-Iêbh, (hebraisch) 106 (2). Reitzenstein 182 (1), 188 (1), 210. Renan, Ernest 323. Rescher, Otto 23 (1), 46 (1). Reschïd Rida, Muhammed 324 ff., 335, 343 f- Réville, Jean 181 (2). ü-Rijad al-nadira f I manakib al-caschara von Muhibb al-Tabarï 11, 299 (2), 306 (1). EUsala des Schafi'ï 70 (5). ^isala Hamidijja des Husejn al-Dschisr 324. ^isala des Kuschejrï 200 (2). lisala fï ma'anï al-hurüf al-hidscha'ijja 258 (3)- iisalat al-ghufran von Abu-l-cAla al• Ma£arrï 53, 54, 120 (t), 168 (1). lodrfguez, Quirós s. Nachtrage. Sabca-zade 40 (3). Sacd b. abi Wakkas 24, 25. SaffSrïnï 56 (1). Sahl al-Tustarï's süfischer Korankommentar 77, 184 (1), 211 (4). Salim, Enkel cOmars 55. Salim, maula des Abü Hudejfa 9, 35 (2). Salomo in (1), 139, 140, 144, 194, 292. samc, Gegensatz caljl 136 ff., 166 (1). Samarkand'scher Koran 274. Samau'al b. 'Adija 174 (3). Samirï 60. Sauda bint Zama'a 291. Sacadjah, Gaon, und die Muctazila 116 (2) (3)- Sacd b. Mucad 109. Sa'ïd b. Dschubejr, 28, 32, 56, 72, 268. Sa'ïd b. Musajjab 24 f., 75. Seelenwanderung 309. Seidel E. 357 (1). Sena'ï, persischer Süfldichter 259. SiebenschlSferlegende (18. Sure) 191 (5), 194, 288, 335. sinnbildliche Korandeutung 130—135. Sklaverei im Islam 316 f., 319 (1). Snouck Hurgronje 67 (1), 68 (3), 324 (3) , 328 (2), s. auch Nachtrage. Spencer, Herbert 349, 354. Sprachgebrauch entscheidend für die Korandeutung 92. Sozomenus' Historia ecclesiastica 353(1). Strahlenbrechung 204. Streitschrift des Ghazalï gegen die Ba- tinijja-sekte 199 (3), 200 (5), 201 (1), 209 (3). Streek, M. 275 (3), 337 (3). Strothmann, R. s. Nachtrage. Subkl s. Mubld al-ni'am und Tabakat* ,al-Schaficijja. Suddl 112. Suhejll s. al-Tacrlf wal-iclam etc. Suhrawardl, Schihab al-dln al- 184 (4), 186 (1), 217 (2), 232 (3), 256, s. 'Awarif al-macarif. Sujütï, Dschalal al-din 329 (3). s. auch Bughjat al-wucat fl tabaljat al-nuhat, Itkan, La'ali masnü'a, Mubhamat, Tabakat al-mufassirlna. summum bonum 207. Sunna 266, 276 (1), 283, 348 ff., 370. sunnat Allah 350. Süssheim, Karl 40 (3). Survival of the fittest 355. Symbolik 247 f., 251. al-Saft ft tafsïr al-Kur'an des Muhammed al-Fejd al-Kaschanï [1898] 278 (1). al-Sahib Isma^l ibn 'Abbad 168 f. salat, 14 f., 247 f., 254—257, 341. K. al-Sina'atejn al-kitaba wal-schiV von Abü Hilal al-cAskarï 121 (4) (5). sirat 201 f. Süfismus, Asketismus, Pietismus 10, 180 ff., 355. Scha'bi 80. schadd s. schawadd. , Schadill, Abu-l-Hasan al- 239. schafa'a 101,156, 157,169—172, 203— 205, 213. Schafi'ï, Muhammed b. Idrïs al- 23 (i), 7o (5), 103, 174 (2), 234 (3). schacficitischer Ritus 355. Sunan al-Schafi'ï 15 (1). Schahrastanï 104 (3), 143 (3), 178(1), 297 (3), 3o8 (1), 346 (1). Schahrukh, Timuride 228 (1). Schakïk b. Salama Abü Wa3il 56. schar', scharl'a, Religionsgesetz 181, 237 f., 253, 256, 330, 334. Schacranl 41, 258. sein Lata'if al-minan 113 (4), 232 (2), s. auch al-Durar al-manthüra etc. schawahid 92. schawadd 44 (2), 45, 46 (2) (3), 48 (4), 89. schejch al-Bekri s. Muhammed Tauflk. Schifa des Kadi cIjad 139 (3), 215 (3). Schfa, Schuiten, Schrttismus 23 (1), 263—309, 315, 347 f. schirk 126 (2), 139. Schlange als Damon 53. Schreiner, Martin 223 (3), 272 (1). Schucejb, Jethro oder Jethros Neffe 91, 230. Schuhe ausziehen 232 f., 236 f. Schurejh, Kadi 22. 3«5 Schwally, Friedrich 273 s. Nöldeke, Geschichte des Qorans und Nachtrage. Schwarz, Paul 239 (2). tabicün 89. Tabrijat al-islam 'an schejn al-ama walghulam des Ahmed Chan Bahadur 3!7, 3J9f-, 360f. tachjil 132—135, 146. Tadsch al-carüs 55 (3), 84 (3), 124 (2). Tadkirat al-aulija des 'Attar 261 (2). Tadkirat al-huffaz des DahabI 17 (2), 34 (5), 37 (5), 44 (2), 47 (0,83 (2), 110 (0, 114 (0, "8, "9, 174 (7), 178 (1), 214 (3), 294 (3). tafsïr 225, 226, 239 (2), 240. gebilligtes 63 f., getadeltes 55 ff., 61 ff., 186 (0, 197, 198. tafsïr bil-cilm, Gegensatz: tafsïr bil-ra'j 84. Tafsïr ghara'ib al-Kur'an wa-ragha'ib al-Furkan des Nizam al-dln al-Hasan b. Muhammed al-Nïsabürï 50 (3), 239 (2). Tafsïr sürat al-ichlas des Ibn Tejmijja 107 (0., 203 (2). Tage wahlerei 138. tahrlf, Verdrehung des Wortsinnes 147. Koranfalschung 272 (3), 281. ta'jïn, tasmija, Bestimmung der Anonymen im Koran o. Hadith 289—306. takdïr 167. taklïd 318, 328 f., 340, 363—366. Talkih fuhüm ahl al-athar des 'Abdairahman ibn al-DschauzI 295. Talmud 23 (1), 37, 67 (1), 72 (0, 147 (0, «3i 346 (3)- tamthïl 132—135. tanasuch 309. Tanblh des Mas'üdl 178 (2), 297 (8). tandschïm 145. Tanwïr al-absar wa-dschamical-bihar von Schams al-dïn Demirdaschl 309 (1). al-Tanwïr fi-l-tafslr muchtasar al-tafsïr al-kabïr des Muhammed b. abï-l-Kasim b. 'Abdalsalam al-Rïghl 123 (1). TaJrIch des Ja'küb b. Sufjan al-Fasawï 264 (2). Ta°rïch guzïde 113 (4). I al-Ta'rïf wal-i'lam fïma ubhima fi-1Kur'an min al-asma al-a'lam des 'Abdairahman b. 'Abdallah al-Suhejl! 291 f. 295. tasmija s. ta'jïh. Tasinïf Ahmadijja des Sir Sejjid Ahmed Chan Bahadur 320. tasdlk al-wacd wal-wa°Ld 121 (6). taswlr 132 (1), 133, 146. tatbïk 243 f. ta'tïl 135, 148, 167 (2). Tathlr al-dschinan wal-llsan 299 (2). taufïk 94 ff., 153. tauhïd 121 (6), 126), 147. Taurat 55 (4), 67, 68 (3) (6), 195, 196, 231, 3°5- Tausend und eine Nacht 9 (6), 40 (4), 44 (0, 317Tawaddud /f4. ta'wïl 116 (3), 117, -135 (0, 186 (0, 227, 239 (2), 241, 242, 278, 308. Ta'wïl al-zakat 288 (2). Ta'wïl muchtalif al-hadlth des Ibn Kutejba 8 (2), 53 (0, 109 (0(4), 110 (2), 110 (2), 116 (6), 135 (1), '136 (5), 162 (0, 179 (0, 276 (2), 288 (2). 289 (0- Technik im Dienste des Islams 353 f. Telegraph, Telephon 356. Terdschuman al-aschwSq von Muhjï al. dïn ibn al-'Arabï 216. Textemendationen 11 ff. Textgestaltung des Korans als erste Stufe der Koranauslegung I—54- al-Thaurï, Sufjan b. Sa'ïd 82, 83. Theiosis, Sefunc, Vergöttlichung 208. Thier und Mensch vor dem König der Dschinnen 188 (2), 192 (1). Thora s: Taurat. Thron Gottes 108, 109, 145 f., 241. Thronvers 146. Tier frisst Schriften 276 (2). Tiere, ihr Eintritt ins Paradies 53 (i)- tikkün söferïm 20 ff., 284. al-Tibr al-masbük des Ghazalï 240 (5). Tïmür 274 (3). Tirmidï, Sahih 8 (4), 9 (7), 19 (1), 23 (»), 37 (6), 41 (5), 62 (1) (4), 25 386 69 (2), 74 (i), 106 (3), n8 (i), 277 (2), 294 (2), 314 (»)• Tirmidï, al-Hakïm al- 211 (1). Tisdall, W. St. Clair 271. Tolstoi 354. Traditionelle Koranexegese 53 ff., nicht einheitlich 83. Tramway 356. Tschahar makala von Nizamï cArüdï 105 (2). Tabalf at al-Schaficijja von Subkï 23 (1), 38 (3), 45 (2), 103 (2), 108 (3), 149 (*% 262 (5), 272 (3). Tabakat al-mufassirïn von Sujütï 223 (2). Tabaranï, 41 (5), 70, 71. Radï al-dïn abü cAlï's Kitab al-ihtidschadsch 276 (1). Tabarï, Muhammed b. Dscharïr al- 85— 98, 101, 102. \ sein Ichtilaf al-fukaha 101 (1). sein Tafsïr'15 (1), 16, 17, 18, 21, 24—28, 32, 33, 36 (2), 60 (3), 61 (1), 62 (2), 64 (1), 66 (4), 68 (5) .(.7), 69 (5), 70 (3), 71 (5), 73 (,), 75 (2), 78, 79, 81 (1), 82, 83, 84 (1) , 105, 106, 107, 151(2), 156(2), «57 (1) (2), 159 (3), 160, 176 (2), 264 (4), 266(2), 267, 268, 269 (1). al-Tahtawï, Rifaca Beg 81. Tajfür's Kitab Baghdad 72 (1). Talha, 276 f., 289, 297. Tantawï Dschauharï's Nizïm al-calam 35_6 (I). Tawus b. Kejsan 158 (7). Tiraz al-madschalis des al-Chafadschï 277 (0- Tüsï, Abü Dschacfar al- 69 (5), 279 (2) (3). Ubejj b. Kacb 8—li, 16, 35 (2), 40, 44, 47, 278 (2), 305. Ulugchan's An Arabic History of Gu- jarat 174 (5). Unfehlbarkeit 284 (f.). Usd al-ghaba 7, 8 (4), 10 (4), 35 (3), 79 (3), 109 (5) (7), 158 (5), 273, 278 (3), 293 (4), 294 (5), 296 (1). Usül al-Kafï des Kulïnï -288 (2). cUbejd b. cUmejr 48. | 'Ubejdallah b. Muhammed b. Dschirw's ' muHazilitisches Tafsir 113. culama 335. ulama al-rusüm 224, 225, 351. al-cUrwat al-wuthka 323. cUzejr, Ezra 91. Varianten zum Korantext 1—54, 88 f. Vernunft (cakl), Quelle der religiösen Erkenntnis 136 ff. 172. Vieldeutigkeit des Korans 84 f., 199 ff. visio beatifica 103, 191. Van Arendonk, s. Nachtrage. Van Berchem 337 (3). Van Vloten 267 (1), 297 (1). Vokalverschiedenheit im Korantexte 7. Volksbeteiligung an koranexegetischen Fragéh 94, 100—102, 110. Vollers, K. 20 (1), 23 (1), 110 (3), 158 (6), 270 (3). Wahb b. Munabbih 89, 90. Wahhabismus 321 ff., 336. al-Wahdat al-wudschüdijja des Beha aldïn al-cAmulï 69 (4). Wahidï's Nafj al-tahrïf can al-Kur'an al-scharïf 272 (3). sein Tafsïr al-nabï 64 (2). Wahidï aus Nïsabür 305. Wakïc b. al-Dscharrah 118 (1). Wakidï 87 (6). Walïd b. 'Ukba 11. Wallfahrt 250—252. Wavell, A. J. B. 328 (3). Weglassungen im Korantext 11 (5), 272. Weinreich, O. 208. Weiss, Josef 215 (1). Wellhausen, Julius 8 (3), 9 (3) (4), . 177 (O, 3o6 (3). Welï-Kultus 367. Wendland, P. 210. Wensinck 76 (3) s. auch Nachtrage. Werenfels, Peter reformierter Theolog », 3°9- Weike, ob unerlasslich zur Erlangung der Seligkeit 155—169. Wetter, Gillis 183 (4). Willensfreiheit 94 ff., 102, 148—155, 265. Wilson, Sir Robert Knyvet 362 (1). 387 Witz am Korantext 45 (2). Wolf im Paradies 53 (1). al-wudschüdijja 223. wudschüh al-Kur'an 84, 85, 116, 257. wuküf, hroxi 178. 179. Zabldï, Murtada al- 124 (2). zakat 248 f., 340 f. Zakküm-baum 267. Zamachscharï, Mahmïïd b. cOmar al- 27 (1) , 28, 29, 49, 50, 51, 69 (5), 74 (2) , 87 (5), 116 (I), II7—I77s. Kasschaf. Zarkaschl 91 (3). Zeitehe s. mut'ah 13. Zauberei 140—142, 145, 188. Zauberknoten 140—142. Zejd b. cAli's Corpus Juris s. Nachtrage.Zejd b. Haritha 289. Zejd b. Thabit's Koranredaktion 8 (2), 10, 35 (2), 36 (1), 65 (2). Zejditen 298 (5). Zejn al-cabidln b. Husejn, 275 (4). Zijad b. abïhi 56. zijadat, Zusatze zum Korantexte 8. Zubejr 289, 297. Zubejr b. cAwwam 32. Zuhejr, Dichter 116. Zuhrl, Ja'küb b. 'Abdairahman 22, 84 (1), 159 (6), 215 (1). ZurkSm 12 (1), 38 (2), 43 (3), 68 (3) s. Muwatta'. Zusatze zum Korantext 8 f. schï'itische 272 ff. al-Zahir, to nouanxi», to tycuvópivov 89, 182, 193, 198, 201, 215, 232, 245. Gegensatz: batin. Zahiriten 238. t NACHTRAGE UND BERICHTIGUNGEN. Seite 3, Z. 18 streiche: und. j, 7, » 6 v. u. ff. Vgl. Strothmann, Kultus der Zaiditen (Strassburg 1912) 27 f. „ 8, B 12 und Anm. 2, Z. 2. Diese Beschuldigung wurde jedoch zurückgewiesen durch Abü Bekr al-Bakillanï in seiner Schrift al-Intisar fi-l-Kur'an; auch Abü cAlï b. abï Hurejra (st. 959, Schüler des Ibn Surejdsch) nahm den CA. b. M. in Schutz gegen die Anklage, den Bestand des Korans verkürzt zu haben (Subkï, Tab. Schaf. II 307). Gegen den Versuch, die beiden Suren dem Koran abzusprechen, wird auch im Corpus Iuris di Zaid ibn cAlï, ed. Griffini (Milano 1919) nr. 138 Stellung genommen. „ 10, Anm. 3. aufgefördert L aufgefordert. „ li, „ 3. nadira 1. nadira. B 12, Z. 8. nahmen 1. nehmen. „ 16, „ 12. Vgl. auch Zaid b. 'Alï, ed.' Griffini 113, 3 B 19, „ 4. dareinst 1. dereinst. „ 20, Anm. 1. uit. Y. 1. S. „ 23, „ 1. Ungünstige Voraussetzungen über Blauau gige auch im pseudo-aristotelischen Secreta Secretorum (Sirr al-asrar) woraus Ibn al'Arabï, Kleinere Schriften, ed. H. S. Nyberg (Leiden 1919) 165, 6ff. der Texte. „ 24, B 17. wille 1. wolle. „ 26, Z. 3. Falie 1. Beispiele. 3»9 Seite 30, Z. 16. erlangst 1. erlanget. „ 37, Anm. 4, Z. 2. das 1. dass. i> 38, ,, 3, „ 1. verschiedenen t verschiedenem. ibid. Z. 3. verschiedene 1. verschiedenen. n 41» i) 5> » 3- Zur kira'a des cAlï und des Zejd b. cAlï s. Griffini l.c. CXIIf. und 3141Ï. „ 42 uit. bekannten 1. bekannte. yi 44> Z. 21. Bedingung 1. Bedingungen. a 44, Anm. 2, Z. 2. ana 1. ana. » 45> » 2» » 8. streiche: ihn. , 45, , 2, uit. Teinte 1. Pointe. „ 48, Z. 9. denselben ). derselben. 4 49> » !8. Scharfe 1. Scharfer. * 5°) . 6. Vgl. Nöldeke, WZKM. VI 349. a 58, Anm. 1, Z. 1. Hibban 1. Habban, nach Anderen Hajjan (Jaküt Ind. s. v.; Fihrist, Anm. zu 34, 6; TA s. v. kt.1 VIII 76, 18 v. u. Dahabï, Tadk. huff. I 157). ibid. Z. 3. 577 1. 574. a 59. Z. 6 v. u. Dahhak 1. Dahhak. - » 63» » 9- zeit 1. Zeit. a 64, Anm. 2. Subkï, 7a£. III 290, 5. a 65, „ 2, Z. 2. 1. den Hamza b. Habïb b. 'Ammar. » 68, , 3» a 3- ent- 1. er-. ij 69, a a 2- oben 1. eben. i> » a a 3- bewortet 1. bewertet. » 71 » 3- dazi> jetzt auch Schwally in Nöldeke, Gesch. d. Qorans, zweite Aufl. II 163 —167; 192, 11. — ibid. del 1. dell'. » 75» » 5- AdSn 1. Adan. , 76, Z. 6 v. u. In einer Kairoer Hschr. (Katalog VI 148, 16) wird dem I. CA. ein arabisches Zabür (als tacrïb bezeichnet) zugeschrieben. a 9°. » 6ff. Vgl. J. Horovitz in Der Islam V 44. a 96, Z. 4. worden 1. werden. 39° Seite 99, „ 13. wiedersprechende 1. widersprechende. „ 102, Anm. 3, Z. 5. ein 1. eine. — ibid. Z. 8 sadt 1. sadat.— ibid. Z. 13 cAmilï 1. cAmulï. a 113, „ 4. Bei cAttar, Tadk. al-aulija I 196, 10 behauptet der Süfï Schakïk al-Balchï 1700 Kamellasten betragende Werke verfasst zu haben. a 118, Z. 11. hochnackigen 1. hartnackigen.—ibid. Anm. 1, Z. 8. dann 1. denn. a 121, Anm. 2, Z. 2. streiche: dem. a 122 uit. Eine Reihe versifizierter Polemik gegen Zam. bei Sub kt 1. c. V 169—174. „ 127, Z. 3 v. u. ff. Vgl. Strothmann, Die Literatur der Zai- diten in Der Islam II 56. B 139, a 4 v-u- 7° t> 40. des 1. der. Anm. 3, Z. 3 h Peripatetiker. „ 144, Anm. salat 1. salat. a ' 146. Vgl. C. van Arendonk, De Opkomst van het Zai- dietische Imamaat in Jemen (Leiden 1919) 271 f. a 151, Z. 12. widderhaarigen 1. widerhaarigen. „ 156, Anm. 2. Vgl. für dschahannamijjün die Hadïthe in Kenz al-'ummal VII nr. 242; 2729—33. . „157, „ 4. ein 1. im. „ 158, Z. 4. gewisste 1. gewisse. „ 180 ff. Für das Thema dieses Abschnittes ist in Betracht zu ziehen al-Sarradsch, Kitab al-Lumcf fi-l-tasawwuf (ed. Nicholson, Gibb Series XXII) 72—92; 105—119 (Text), welches Werk mir erst nach Beendigung des Drucks zuganglich werden konnte. n 183, Anm. 4. Vgl. auch Wensinck, Bar Hebraeus' Book of the Dove (Leiden (1919) LXXXIV ff. a 186, Z. 7. zu erschliessen 1. erschlossen. — ibid. Z. 14. Er 1. Es. „ 191, Anm. 3. S. Sarradsch 1. c. 152, 13, 15; 229, 3; 334, 9 ff- 391 Seite 200, Z. 13. verwehrt 1. verwahrt. — ibid; Anm. 2. Vgl. Wensinck 1. c. XXXVII. 7) 214. Vgl. Ibn dl-Ar abt, ed. Nyberg 113. „ 215, Z. 3 ff. ibid. 154, 6. „ 218, „ 13 ff. Inzwischen ist diese Stelle der Futuhat in Übersetzung mitgeteilt worden in C. Quirós Rodrfguez' Averroes Compendio di Metafisica (Madrid 1919) XXII—XXIV. I 223, Anm. 3. Reichliche Mitteilungen aus den Futühat (in spanischer Übersetzung) bietet neuestens M. Asin Palacios in La Escatologia Musulmana en la Divina Comedia (R. Acad. Espagnola, Madrid 1919). „ 225, Z. 5 v. u. Feder 1. Wissenschaft (kalam in der von mir benutzten Ausgabe ist in Hlm zu verbessern). „ 246 uit. und 253. Vgl. ed. Nyberg 175, 7 ff.; 191, 8; 203, 16, wo dieser Grundsatz in energischer Weise wiederholt betont wird. „ 253, Z. 16. verscheidener 1. verschiedener. „ 255. Vgl. Wensinck 1. c. XXXII ff. „ 256, Anm. 5. Vgl. Reitzenstein in Gött. Gel. Anz. 1918, 259. „ 263, Z. 4 v. u. ,des 1. der. ïï 268, „ 20 ff. Proben von calidischem Tendenz-Tafsïr s. bei Schwally 1. c. 179; zejditischerseits bei Strothmann, Staatsrecht d. Zaid. 23 ff., Van Arendonk 1. c. 16; 23. „ 271—272. S. Ausführliches bei Schwally 1. c. 94— 107. „ 272, Anpi. 4. Vgl. Schwally 1. c. 8—10. „ 273, Z. 4 v. u. Über verschiedene ausser-'othmanische Koranredaktionen Schwally 1. c. 39—47. „ 274, Anm. 3. s. auch Oriënt. Bibliographie XXIII- XXIV nr. 11360. 392 Seite 277, Anm. 2. Namentlich die Zejditen weisen die Verdachtigung der Integritat des cOthmanKorans zurück; ihr Imam al-Hadi schrieb einen besondern Traktat darüber. S. Van Aren donk 1. c. 251 f. „ 288 uit. cAmr 1. cAmr. „ 296, Z. 16. Damdam 1. Damdam. v 299, Anm. 2. nadira 1. nadira. „ 306, „ 2. 2 1. Z. n 320, „ Vgl. zur Frage Snouck Hurgronje, Moham■ '•'. V medanism, Lectures on the Origin etc. (Ame¬ rican Lectures on the History of Religions 1914, New York 1916) 135 ff.: Islam and modern thought. „ 322, „ 2. Beitrage 1. Beitrage. n 353, Anm. r. Vgl. noch ed. Nyberg 50, 8; 51, 16: calam al-tadwïn wal-tastïr (vom Kosmos). n 355, Z. 9. Frank 1. Franck. „ 357, Anm. 1. Vgl. Nallino im Centenario Amari I 352 ff. annot. g. DIE RICHTUNGEN DER ISLAMISCHEN KORANAUSLEGUNG* DIE RICHTUNGEN DER ISLAMSCHEN KORANAUSLEGUNG. AN DER UNIVERSITAT UPSALA GEHALTENE OLAUS-PETRI-VORLESUNGEN VON IGNAZ GOLDZIHER. VERÖFFENTLICHUNGEN DER „DE GOEJE-STIFTÜNG" N°. VI. BUCHHANDLUNG UND DRUCKEREI VORM ALS E. J. BRILL, LEIDEN. 1920. DEM ÏEUERN ANDENKEN MEINER ihren lieben früh entrissenen schwiegertochter MARIE GOLDZIHER geb. Freudenberg (st. 4. Dezember 1918) WKHMUTVOLL GEWEIHT. INHALT. Seite Vorwort IX—x Die primitive Stufe der Koranauslegung .... 1—54 Die traditionelle Koranauslegung 5 5~~9% Dogmatische Koranauslegung 99—179 Koranauslegung der islamischen Mystik .... 180—262 Sektiererische Korarfauslegung. . , 263—309 Der islamische Modernismus und seine Koranauslegung 310—37°. Berichtigungen und Nachtrage. . . . . . . . 371—392 VORWORT. Das hier vorgelegte Buch enthalt die erweiterte Überarbeitung der Vorlesun'gen, die ich auf ehrenhafte Einladung des Vorstandes der Olaus-Petri-Stiftung im September 1913 an der Universitat Upsala gehalten habe und die in einer durch Herrn Tor andrae besorgten schwedischen Übersetzung u. d. T. Islam fordom och nu. Studier i Korantolkningens Historia (Stokholm, H. Geber 1915; 238 SS.) erschienen sind l). Das Manuskript habe ich behufs Absendung bereits Marz 1919 aus der Hand gegeben und es konnte demnach auf die seither erschienene Litteratur im Text nicht mehr Rücksicht genommen werden. Sonst ware z. B. manche Stelle des Sektenabschnittes (S. 270 ff.) mit Verweisung auf den inzwischen erschienenen zweiten Band von Nöldeke — Schwaijly , Geschichte des Qorans (1919) gekürzt worden. Die zur Zeit der Versendung und Drucklegung herrschenden Verkehrsschwierigkeiten machten es dem Verfasser unmöglich die Satzkorrekturen selbst zu erledigen. Ich habe meinen Freunden Prof. snouck Hurgronje und Prof. wensinck herzlichen Dank zu sagen für die liebevolle und gewisssenhafte Mühewaltung, die sie in der Übernahme der Korrekturarbeit für mich betatigt haben. Die stehen gebliebenen Druckfehler, deren Verzeichnis ich vor Benutzung des Buches zu berücksichtigen bittè, sind auf Rech- 1) Eine summarische Orientierung bildete den Gegenstand eines in der Ungar. Akademie gehaltenen Körösi Csoma-Gedachtnisvortrags: A Koranmagyarazat kütónféle iranyairól (Budapest 1912; 24 SS.). X VORWORT. nung des oft undeutlichen Zustandes meines unter unsaglich trüben Verhaltnissen ausgefertigten Druckmanuskriptes zu stellen und mit Rücksicht auf dieselben zu entschuldigen. Die Transkription der arabischen Worte ist in derselben Weise geschehen, die ich in meinen Vorlesungen [über den Islam, Heidelberg 1910], als deren Fortsetzung gegenwartige Vortrage ursprünglich gedacht waren, befolgt habe. Es war mir auch nicht immer möglich den mit einiger Weitlaufigkeit verbundenen Vorlesungsrahmen zu durchbrechen. Für die Anfertigung des Index bin ich auch diesmal meinem ehemaligen Schüler Hrn. Gymnasialdirektor Prof. Dr. Bernhard Heller verpflichtet. Zum Schluss benutze ich diese Gelegenheit meinen innigsten Dank auszudrücken dem hochehrwürdigen Herrn Erzbischof D. N. SöDERBLOM, der meine Berufung für die Olaus-PetriVorlesungen s. Z. angeregt und dieselben freundschaftlichst betreut hat. Budapest, Marz 1920. I. GOLDZIHER. DIE PRIMITIVE STUFE DER KORANAUSLEGUNG. 1. Auch vom Koran gilt das auf die Bibel bezügliche Wort des reformierten Theologen Peter Werenfels: Jedermann sucht seine Dogmen in diesem heiligen Buche Jedermann findet zumal was er gesuchet darin. Jede im Verlauf der Geschichte des Islams hervortretende Geistesströmung betatigte das Bestreben sich an der heiligen Urkunde zu rechtfertigen, an derselben ihre Islamgemassheit, ihre Identitat mit der Verkündigung des Propheten zu rechtfertigen. Nur dadurch konnte sie eine Stelle inmitten dieses religiösen Systems beanspruchen und behaupten. Diese Bestrebung und ihre exegetische Übung war natürlich die Pflanzstatte einer tendenziösen Schriftauslegung, die recht bald einen Wetteifer mit der schlichten Erklarungstatigkeït angetreten hat. Die hier folgenden Untersuchungen haben die Aufgabe im einzelnen darzustellen, in welcher Weise und mit welchem Erfolg jenes Ziel von den verschiedenen religiösen Richtungen des historischen Islams angestrebt wurde. Die primitivste Stufe der Interpretation des Korans, ihre keimhaften Anfange stellen sich uns in der Konstituierung des Textes selbst dar. - i • 2 Es gibt kein kanonisches, Von einer Religionsgenossenschaft als geoffenbarte oder inspirierte Urkunde dogmatisch anerkanntes Buch, dessen Text in der altesten Zeit seiner Handhabung in solchem Masze ein Bild des Schwankens und der Unsicherheit darböte, wie wir dies am Text des Korans erfahren. Es sind ja auf der ganzen Linie der alten Islamgeschichte nur sparliche Erfolge, die der *Trieb zu dogmatischer Einheitlichkeit erreicht hat. Streng geschlossener Dogmatismus, das Durchdringen schablonenhafter Gleichmassigkeit ist ihren Erscheinungen als hervorragender Zug nicht charakteristisch und tritt erst in spateren Stadiën in den Vordergrund. Hingegen können wir an nicht unwichtigen, ja sogar an grundlegenden Attributen des religiösen Wesens beobachten, dass dem Islam die Neigung zur kanonischen Gleichmacherei im Anfang fremd oder mindestens nicht wesentlich ist Es gibt keinen uniformen Korantext. Und in der verschiedenen Gestaltung desselben können wir eben die erste Phase der Koraninterpretation erblicken. Der schon an sich in Einzelheiten nicht einheitliche textus receptus, die lectio vulgata (al-kirif a al-maschhüra) des Korans geht auf die Redaktion zurück, die durch die Bemühung des dritten Chalifen, zOthman, zustande kam, um der drohenden Gefahr vorzubeugen, dass das Gotteswort in verschiedenen Kreisen in textlich von einander abweichenden Formen überliefert und im liturgischen Gebrauch nicht in Übereinstimmung gehandhabt würde. Also eine wohlberechtigte Tendenz zur Üniformierung. Jedoch diese Bestrebung ist nicht auf der ganzen Linie gelungen. Der vorausgesetzte ursprüngliche Text, der noch in strengerem Sinne als die heiligen Schriften anderer Religionen, in jedem einzelnen Wort, in jedem einzelnen Buchstaben, wörtlich genommen, das kalam Allah, die Rede Gottes dar- i) Vgl. meinen Vortrag: Katkolische Tendenz und Partikularismus im Islam (Feer-Rydberg-Gedenksitzung, Stockholm, 21. Sept. 1913). BeitrSge zur Religionswissenschaft, Jahrg. I (1913/14), 115—142. 3 zustellen beansprucht, deren authentischer Text von ewigerf Zeiten her auf dem lauh mahfüz, auf der wolbewahrten himmlischen Tafel verzeichnet und von daher durch den Offenbarungsengel dem auserwahlten Propheten mündlich überbracht worden war, weist seit den altesten Zeiten des Islams an einer grossen Anzahl von Stellen auf kompetente Tradition gestützte variae lectiones, nicht immer von glejchgültiger Art, auf. Ihnen gegenüber s'etzt nun die Tèndenz zur Tolerierung der Verschiedenheiten ein. Denn solche Varianten werden nicht zugunsten einer als ausschliesslich berechtigt dekretierten Festlegung beseitigt, wie bei einem göttlichen Text zu erwarten Ware, der doch nur in einer einheitlichen und zwar in einer allgemein rezipierten Form den Anspruch auf göttliche Authentie erheben kann, sondern es wird die Echtheit d. h. in diesem Falie dex göttliche Ursprung der Varianten neben einander zugelassen. Diese Erscheinung wird von dem grossen Führer unserer Wissenschaft, Theodor Nöldeke, in seinem vor sechs Jahrzehnten erschienenen, grundlegenden und Erstlingswerke Geschichte des Qorans: Eine von der Pariser Académie des Inscriptions gekrönte Preisschrift (Göttingen 1860) ') in ihrer Beziehung zur Korankritik eingehend behandelt. Ein grosser Teil solcher Varianten verdankt seine Entstehung der Eigentümlichkeit der arabischen Schrift, in der dasselbe graphische Skelett je nach der Verschiedenheit und der Anzahl der über oder unter dasselbe gesetzten Punkte verschiedene Lautwerte darstellt2) und wo auch bei gleichen 1) Zweite Auflage bearbeitet von Friedrich Schwally. I. Teil, Lêipzig 1909. 2) Auf diese Eigéntümlichkeit stützt sich die ErzShlung, dass die Bewohner der Ortschaft Ubulla (nicht Ajla) am Tigris, mit der die Erklarer die anonyme ungastfreundliche Stadt in Sure 18 v. 76 identifizieren, cOmar gebeten haben sollen, im Text des Korans das sie kompromittierende fa-abau „sie weigerten sich die beiden (Moses und seinen Begleiter) zu bewirten" in fa-atau „sie kamen um sie zu bewirten", zu verandern (Journ. asiat. 1852 II 74). Dasselbe wird auch von den Bewohnern von Tlemsen (AgSdïr) erzahlt; Basset Nédromah et les Traras (Paris 1901) Einleit. XII Anm. 3. 4 lautlichen Werten die Verschiedenheit der in der ursprünglichen arabischen Schrift fehlenden Vokalbezeichnung eine Verschiedenheit der grammatischen Situation eines Wortes und, im Zusammenhang damit, in der Bedeutung desselben hervorruft. Die verschiedene Erganzung des graphischen Skelettes und die verschiedenartige Vokalisation des einförmigen Konsonantenbestandes war nun die primitivste Ursache der Entstehung der an einem gar nicht oder doch nachlassig punktierten oder vokalisierten Text sich darbietenden Variantenbewegung '). Zur Veranschaulichung beider Tatsachen mögen hier nur einige Beispiele dienen: Zuerst die verschiedene Ausrüstung des graphischen Gerippes: 7 v. 46. Die auf den Wallen zwischen Paradies und Holle Stehenden rufen den für-die Hölle Bestimmten zu: „Was hat euch genützt euer Sammeln und dass ihr. hoffartig wart?" Statt des tastakbirüna (mit ,), dem die hier angegebene Bedeutung entspricht, lesen einige -tastakthirüna (',) „was ihr an Vielem erworben habt". Das. v. 55: „Er ist es, der die Winde als frohe Botschaft {buschran mit.) sendet"; das letzte Wort wird auch naschran (".) gelesen: „sich verbreitend". — 9 v. 115 „ein Versprechen, das er (Abraham) ihm (ijjahu, mit J versprochen hatte". Dafür hat eine, merkwiirdigerweise durch Hammad al-rawija vertretene Lesart abahu (mit i )„seinemVater". 4 v. 96 ist ein besonders lehrreicher Fall, in welchem fast samtliche Buchstaben eines Wortes von der eben besprochenen Erscheinung betroffen werden: „O ihr Rechtglaubige! wenn ihr aufbrechet auf dem Wege Allah's (d. h. zum Krieg gegen die Unglaubigen), so vergewissert euch des Unterschiedes und sprechet nicht zu jedem, der euch Frieden anbietet: du bist kein Rechtglaubiger". An Stelle des Wortes, das hier mit „vergewissert euch des Unterschiedes" übersetzt ist: fatabajjanü lesen angesehene Koranautoritaten fatathabbatü (ver- 1) Vgl. Nöldeke, Geschichte des Qorans1 261 oben. 5 schaffet euch feste Kunde). Das Gerippe ^—* vertragt beides l), Für den allgemeinen Sinn und die gesetzliche Anwendung verursachen diese und ahnliche Varianten allerdings keinen Unterschied. Ein solcher liegt jedoch in folgender Stelle vor: 2 v. 51. Es ist die Rede vom Zorne Moses als er die Verfertigung und Anbetung des goldenen Kalbes durch die Israeliten erfahrt; er spricht: „O mein Volk, ihr habt gegen euere Seelen Unrecht getan, dadurch, dass ihr das Kalb euch angeeignet habt. Nun, bekehrt euch zu euerem Schöpfer und tötet ein ander (d. h. die Schuldigen unter euch). Dies ist gut für euch bei euerem Schöpfer; und er möge zu euch zurückkehren, denn er ist der Zurückkehrende, der Barmherzige". Und tötet einander!2) (oder was der Text wirklich vertragt: und tötet euch selbst) faktulü anfusakum; dies entspricht in der Tat der Relation in Exod. 32 v. 27, was die Quelle der koranischen Worte ist. Alte angesehene Koraninterpreten (der Basrenser'' Ifytada fst. 735] wird als die Autoritat dafür genannt) mochten diesen Befehl zur Selbsttötung oder der Tötung der Schuldigen für zu hart und unangemessen gefunden haben; sie zogen es vor, das Konsonantengerippe \^»\s, an dem vierten Buchstaben durch die Versetzung der beiden Oberpunkte nach unten zu der Lautung fa-alcïlU zu gestalten, mit den Sinne: „bewirket die Rückgangigmachung des Geschehenen", namlich durch die Reue über die begangene Sünde. Dies Beispiel zeigt bèreits im Gegensatz zu den vorhergehenden, bei denen die Variante blos durch graphisch technische Umstande hervorgerufen wurde, s a c h 1 i c h e Rücksichten als mitwirkende Ursache der abweichenden Lesart. Dieselbe Erscheinung scheint bei 48 v. 8—9 vorzuliegen. 1) lm Kitab al-dijat des Abü cAsim al-nabïl (st. 906) wird bei Gelegenheit eines traditionellen Berichtes auf diesen Koranvers Bezug genommen und in zwei Parallelversionen derselbe einmal mit fatathabbatü, das anderemal mit fatabajjanü, zitiert (Kairo 1323 ed. Nacasanï, 14—15). 2) Vgl. 4 v. 33 nach der Auslegung bei Ibn Séd VI 52. 6 Hier lasst sich Muhammed von Gott anreden: „Fürwahr, ich habe dich gesandt als Zeugen, Botschafter und Warner; damit ihr an Allah und an seinen Propheten glaubet und ihm (d. h. Gott) beistehet, ihn ehret und ihn preiset in der Früh und am Abend". Für das Wort, welches „dass ihr ihm beistehet" bedeutet: wa-tucazzirüku lesen einige mit Hinzufügung eines Oberpunktes über dem punktlosen r: wa-tucazzizühu „damit ihr ihn verherrlichet". Ich halte es nicht für ausgeschlossen '), dass an dieser Textanderung das Bedenken einen Anteil habe, das die Vorstellung, Gott erwarte von den Menschen Hülfe und Beistand, hervorrufen mochte. Freilich kommt der Gedanke „Gott wird denen beistehen, die ihm zum Siege verhelfen" (22 v. 41; 47 v. 8; vgl. „sie helfen Gott -) und seinem Propheten" 59 v. 8) im Koran einigemal auch sonst, von Les'ern unbeanstandet, vor. Jedoch das an allen diesen Stellen gebrauchte Synonym 3) nasara mag ihnen doch eher eine Auffassung in ethischem Sinne ermöglicht und nicht, so grell den Eindruck materielier Hilfeleistung veranschaulicht haben wie das an unserer Stelle angewandte (mit dem hebr. cazar identische) cazzara. Mit leichter Hinzufügung eines einzigen Pünktleins war diesem Bedenken abzuhelfen: aus der Hilfeleistung wurde die Verherrlichung Gottes, ein textkritischer Vorgang, auf den wir noch im Laufe dieses Abschnitts naher einzugehen haben werden. Überwaltigend ist die Anzahl der Varianten, in denen es sich darum handelt, ob dem graphischen Abstraktum j zwei Punkte oben oder unten beizufügen seien; in ersterem Falie ergibt sich die zweite Person (t), in letzterem die dritte Person Singularis (j). Der Sinn erleidet bei solchen Varianten kaum irgend eine wesentliche Abbiegung 4). 1) Andererseits ist auch die Annahme nicht abzuweisen, dass die La. mit 2 die ursprüngliche sei, aus welcher die mit r erst verderbt ist. Zu ■wa-tucazzizühu fügen sich natiirlicher die darauf folgenden beiden Synonyme. 2) Vgl. J u d. S v. 23 c. 3) Vgl. 7 v. 156. 4) Nöldeke, 1. c. > 282. In bezug auf solche Varianten hat man dem Propheten Damit treten wir in den Kreis der Vokalverschiedenheit bei gleichem Konsonantenbestand, wodürch gleichfalls nur grammatische Varietaten entstehen '). 15 v. 8. „Wir senden die Engel nicht herab, es sei denn mit • der Wahrheit". Je nachdem die verschiedenen Leser das das Herabsenden der Engel bedeutende Wort als nunazzilu-l-malct'ikata, oder tanzilu-l-mala'ikatuoder tunzalu-l-malcPikatu lesen (alle diese Lesarten sind provinziell vertreten), geben diese Worte beziehungsweise den Sinn: Wir senden die Engel herab; die Engel steigen herab. Es wird jedoch durch solche Vokalisierungsverschiedenheiten zuweilen auch einschneidefldere Bedeutungsanderung hervorgerufen; z. B. 13 v. 43 waman 'indaku ^ilm-ul-kitabi: und bei dem das Wissen des Buches ist; dieser Satz erscheint in einer Lesevariante in folgender Form: wantin cindiki Hlm-ul-k.: und von ihm (kommt) das Wissen d. B. Eine weitergehende Vokalveranderung an dem Worte cilm hat noch folgende Variante zugelassen: wantin cindiki zulima-l-kitdbu, und von ihm aus ist das Buch gewusst (bekannt) worden 2). In Vokalverschiedenheiten, durch die zugleich das syntaktische Gefüge des Koranverses bedingt ist, reflektieren sich gelegentlich auch gesetzliche Differenzen. Das klassische Beispiel hiefür bietet 5 v. 8. Die von den Schïciten zurückgewie-' sene Erlaubnis, in der Vorbereitung zum Gebete statt der unmittelbaren Fussvvaschung sich mit der Bestreichung der Fussbekleidung zu begnügen 3) wird auf die von der Praposition (wamsahü) bi- abhangig gedachte Genitivform wa-ardschulikuni (und bestreichet an eueren Füssen) gegründet, wahrend die .die Anweisung zugeschrieben: Wenn ihr hinsichtlich der Praefixe / und j verschiedener Meinung seid, so schreibet mit j (Usd al-ghaba I 193 oben). 1) Ganz vorzügliche Gelegenheit bietet für solche Leseverschiedenheit die Buchstabengruppe XV; ob sie den Lautwert von inna, anna, oder nur an darstelle. 3 v. 16---17 ist ein Musterbeispiel dafür und für die grammatische Künstelei, die sich an die Motivierung der einen und andern dieser Varietaten betatigt. 2) Kasschaf z. St. I 499. 3) Vorlesungen 273. 8 Forderung unmittelbarer Fusswaschung die vom vorhergehenden Verbum faghsilü (dann waschet) abhangige akkusativische Form des Wortes: wa-ardschulakum (und waschet .... und eure Füsse) voraussetzt. Eine andere Schicht der auf diesem Gebiet auftauchenden Varianten stellt sich in interpretativen Zusatzen {zijadat) dar, in Einschüben, durch die zuweilen der Unbestimmtheit des Textes durch genauere Determination abgeholfen, der schwankenden Deutung vorgebeugt werden sollte. Besonders von zwei Gefahrten des Propheten, deren Texttradition im allgemeinen die radikalsten '), selbst den Bestand der Suren berührende 2) Abweichungen aufweist, werden solche Texterweiterungen überliefert; beide sehr angesehene Lehrer der altesten Islamgemeinde: 'Abdal/ah b. MascUd3) und Ubejj b. Kazb 4). Die Textvarianten des ersten wurden von christlichen Polemikern in der Tat als Argument gegen die Authentie der gewöhnlichen Koranredaktion benutzt5). Trotz der weitgehenden Anderungen, nicht eben nur Buchstaben-, Vokal- und Wortvarianten, die der Korantext durch ihre Lesarten erfahrt, genossen 1) Nöldeke, 1. c. 1 227. 232. 2) Unter den vielen Beschuldignngen, die der Mu'tazilit Nazzam gegen lbn Mas'üd erhob, war auch die, dass er zwei Suren (113. 114) als nicht authentisch zurückwies {dschahada) und dem cOthman alles Böse nachsagte, seitdem sich der Chalife für die Koranredaktion des Zajd b. Thabit entschied (lbn Kutajba, Tcfwil muchtalif al-hadlth [Kairo, matb. Kürdistan 1326] 26). 3) Einmal auch CA. b. al-Mascüd {lbn Sacd III, I 112, 9); haufig als' ibn umm 'Abd bezeichnet (Buch. Fadtil al-ashab nr. 35, lbn Sacd II, 11 99, 3 und in seinem Artikel, ibid. III. 1 passim; 182, 11) Die haufige Kurzform cAbd in vielen alten Eigennamen wird durch die ZD M G LI 265 erwahnte Rücksicht veranlasst worden sein (vgl. Wellhausen, Reste arab. Heidentums 4, 12 v. u.). Wir finden in derselben Reihe auch noch Umm cAbd bint cAbd ÏVadd {lbn Sa'd III, 1 106, 18). 4) Ausser ihm und einem Gefahrten- gleichen Namens ■ (Usd al-ghaba I 49) treffen wir in der Traditionslitteratur noch einen anderen U. b. K. an in einem isnad bei Tirmidï, Sahlh (Bülak 1292) II 267, 14 wo er noch" besonders als sahib al-harlr bezeichnet wird; in der Traditionskette trennt ihn ein Name von dem an der Spitze stehen'den Gefahrten und zwei Glieder sind zwischen ihm und Tirmidï. 5) lbn Hazin, Milal (Kairo 1321) II 75. 9 sie, mit Berufung auf das dem Propheten zugeschriebene Urteil') das Ansehen als die besten Autoritaten des Korantextes 2). Ubejj, dessen sich Muhammed auch als Schreiber bediente3), gilt, hiefür durch keinen Geringeren als den Engel Gabriël anerkannt, als der kompetenteste Korankenner unter den „Gefahrten" [akra'uhum) und war am besten geeignet Neophyten mit den Koranoffenbarungen lehpend bekannt zu machen 4). cAbdallah b. Mascud habe noch als armer Hirtenjunge aus dem Munde des Propheten 70 Suren des Korans übernommen und die heiligen Offenbarungen unter den Mekkanern zuerst verbreitet (afscha) 5). Nach einem in die besten Sammlungen aufgenommenen Spruch des Propheten teilen beide den Vorzug mit noch zwei Gefahrten. „Erlernet den Koran von vieren: von lbn Mascüd, von Salim, maula des Abü Hudejfa, von Ubejj b. Kacb und von Mucad b. Dschebel"0). Und den anerkannten Traditionarier Mudschahid lasst man bekennen: „Würde ich die Lesart des lbn Mascüd kennen gelernt haben, so hatte ich mir viele Fragen, die ich an lbn cAbbas gerichtet habe, ersparen können" Freilich hat man anderseits bereits in früher Zeit auch die Ablehnung der willkürlichen Lesarten des Ubejj an die hohe Autoritat des lbn cAbbas geknüpft8), der zwar seinen Unterricht genossen haben soll, ihm aber nicht Gêfolgschaft leisten mochte9). Dem lbn Mascüd wird als Rechtfertigung 1) lbn Sa'd II, 11 103—105. 2) Ibid. 102, 22.. 3) z. B. Wellhausen, Skizzen und Vorarbeiten IV (Texte) II nr. 24; 18 nr. 46. 4) Ibid. (Texte) 47, 6. SJ lbn Sacd III, 1 107, 5. 9. 6) Die Traditionen bei Kastaltanï X 278 zu Buch. Ahkam nr. 25. Dies Hadith wird in Tausend und Eine Nacht (Bülak 1279) II 371 (448 N.) von der gelehrten Sklavin benutzt als sie Antwort auf die Frage zu geben hat, wer die verlasslichsten Autoritaten des Korantextes seien. Vgl. Caetani, Anna li II 711 wo aus den Traditionen verschiedene Reihen solcher bevorzugter Koranleser aufgeführt sind. 7) Tirmidï, Sahïh II 157,12. 8) lbn Sa'd 1. c. 15, 15. 9) Vgl. Ihja I 78, 3 v. u. 10 seiner von den cothman'schen Festsetzungen ') abweichenden Textversionen die erbitterte Ausserung nachgesagt, dass unbefugte Leute am Koran Unterschlagungen begangen haben. Zejd b. Thabit, der als der hervorragendste Zeuge des rezipierten Textes gilt2), sei ein kleiner, mit anderen Jungen herumspielender Knabe gewesen als er (lbn M.) bereits einige und siebzig Suren (vgl. oben) aus dem Munde des Propheten selbst empfangen hatte 3) oder nach einer anderen Version: „Ich hatte bereits den Islam angenommen als sich Zejd noch in den Lenden eines heidnischen Mannes befand" 4). Wie könnten denn seine, auf die unmittelbare Urquelle zurückgehenden Feststellungen denen des Zejd hintangesetzt werden ? Welche Würdigung man neben den gewöhnlichen Versionen auch den exzessiven Anderungen jener beiden Tradenten zuerkannte5), kann auch die Erscheinung zeigen, dass der spatere Pietismus unter verschiedenen Anschuldigungen, die man zur Rechtfertigung der Auflehnung gegen den Chalifen cOthman und seiner Ermordung zu erheben pflegt, auch noch die Versündigung hinzufügt, dass der Chalife die von jenen 1) Nach einer bei lbn Sa'd III, I 270, 11 ff. mitgeteilten Nachricht hat lbn M. x aus Pietat für das Andenken des 'Omar seine von der des letzteren abweichende Lesart (in einem besonderen Fall) mit^dem Ausdruck tiefer Rührung aufgegeben. 2) Zur Zeit des lbn Dschubejr (Travels, ed. Wright-de Goeje 104, 5) wurde in einer Kubba des heil. Gebietes in Mekka ein angeblich von Z. b. Th. eigenhandig geschriebener Koran verehrt. 3) lbn Sa'd II, 11 105, 15, Nöldeke 1. c. « 225 Anm. 2. Die Herabsetzung des Z. beabsichtigt vielleicht auch die Notiz, dass er dazu aufgefördert, die 7. Süre zu rezitieren, dies nicht im Stande war, lbn Sa'd V, 211, 5. 4) Usd al-gkaba I 80, 12 v. u. s. v. Isma'll. — Wie die spatere, zumeist snfische Legende die Manner, denen in der Frühzeit des Islams eine Rolle zukommt, in den Kteis der Asketen versetzt, so ist auch Zejd dieser Umwandlung nicht entgangen. Er hörte vom Propheten, dass die Erduldung von Fieberkrankheit sündentilgende Wirkung habe, „das Fieber hebe die Sünden auf, wie der Blasbalg vom Eisen den Schmutz entfernt" {Usd al-ghaba V, 619). Da wandte er sich in einem Gebet zu Gott, ihm diese Gunst zu gewahren. Von Stund ab verliess ihn das Fieber nicht bis zu seinem Lebensende {/A/a IV 276, 11 v. u.). 5) In einem auf Abü Darr zurückgehenden Hadith bei Buch. Tauhïd nr. 22 wird 36 v. 38 ausdrücklich nach der Lesart des 'Abdallah (b. Mas<üd) angeführt. 11 beiden frommen Gefahrten hergestellten Koranredaktionen den Flammen übergeben haben soll: ein pietatloser Willkürakt, dem im Fall des lbn Mascüd auch ein ganz besonderes Rachemotiv untergeschoben wird. Er soll namlich wegen der Amtstatigkeit des dem Geschmacke der Frommen in seinem Lebenswandel wenig entsprechenden Statthalters von Küfa, Walid b. cOkba, den der Chalife nach Absetzung des lbn Mascüd an dessen Stelle ernannt hatte, öffentlich aufreizende Reden gehalten und auch die Verbannung des Abü Darr ') in grosser Versammlung verurteilt haben2). Unter den über ihn dafür verhangten Demütigungen3) erwahnt die Legende auch die Verbrennung seiner Koranredaktion {ihrak mashafihi% Jedoch sind es nicht diese beiden „Gefahrten" allein, denen Einschübe in den rezipierten Korantext zugeschrieben werden; auch andere werden hin und wieder als Autoritaten derselben genannt. Was nun solche' Zusatze 5) selbst betrifft ist es nicht recht klar, ob die Einschübe von ihren Urhebern als wirkliche Textemendationen oder nur als den Text nicht verandernde, sondern diesen nur erklarende Glossen beabsichtigt waren, die eine spatere Generation in ersterem Sinne behandelte. Zur Rechtfertigung derselben hat man im Namen von Gefahrten die Lehre tradiert, dass es gestattet sei, dem Korantext solche das Verstandnis fördernde Glossen einzuverleiben, ohne dass man sie als zum geoffenbarten Text gehörig i i) Vorlesungen 143. 2) lbn Hischam, ed. Wüstenfeld 901, gefühlvolle Schilderung seiner Anhanglichkeit an Abü Darr. Er bestattet die verlassene Leiche des in der Verbannung gestorbenen frommen Mannes, p 3) Muhibb al-Tabarï, al-Ryad al-nadira fl manakib al-aschara (Kairo 1327) II 139, 8 v. u. ■ 4) Darüber Ya'kübl, ed. Houtsma II, 197. Zu viel Gewicht scheint in seinen Hibbert-lecturés D. S. Margoliouth hinsichtlich der Authentie des cothmanischen Textes auf die über die Vernichtung anderer Texte verbreiteten Beschuldigungen zu legen {The early development of Mtthammedanism [London 1914] 37 f.). 5) Auch Weglassungen werden vorgeschlagen. cAbdallSh b. Mas'nd und Abu-1-Dard5 lesen 92 v. 3 die Worte wania chalaka nicht (Buch. Fada'il alashab nr. 27, Tafstr nr. 350—351 z. St.). 12 anerkenne (dschawSzu ithbat bacd al-tafsïr fi-l-mashaf wa'in lam jactakidühu kur'anan) '). 3 v. 44: „Und ich komme zu euch mit Zeichen [bi-ajatin, Plur.; der rezipierte Text hat bi-ajatin, Sing.) von eurem Herrn. So fürchtet Allah [+ wegen dessen, womit ich zu euch gekommen bin] und gehorchet mir [+ darin, wozu ich euch rufe]" -). Die in Klammern gesetzten, von cAbdallah b. Mascüd überlieferten Einschaltungen nahmen sich wie eine Paraphrase des ihnen zugrunde liegenden einfacheren Textes aus. 33 v. 6: „Der Prophet steht den Glaubigen naher als sie selbst und seine Frauen sind ihre Mütter". Zum Zwecke der Abrnndung des Gedankens schiebt lbn Mascüd 3) an der hier durch Punkte bezeichneten Stelle4) die Worte ein: „und er ist ihnen Vater" 5). 2 v. 209: „Die Menschen waren eine Gemeinde; dann sandte Gott Propheten als Künder froher und warnender Botschaften und sandte mit ihnen das Buch herab mit der Wahrheit, damit er Entscheidung treffe unter den Menschen darin, worin sie uneins waren". Die béiden erwahnten Gefahrten schalten hier, den Forderungen der Logik entsprechend, vor dem Satz: „dann sandte er u. s. w." die Worte ein „und sie wurden uneinig (fachtalafü)". Einem religiösen Bedenken scheint neben kleinen Wortvarianten eine dem cAbdallah b. Mascüd zugeschriebene Erganzung zu 58 v. 8 zuvorzukommen: „Nicht drei führen eine vertrauliche Unterredung, ohne dass Allah (der gewöhnliche 1) Bei Zurkanl zu Muwatta I 255, oben. 2) Kasschaf z. St. I 148. IP&PI 3) Er wird als Urheber dieser Variante genannt bei Zamachscharï, Kasschaf z. St. II 206, 5 u. 4) Dschahiz, Tria opuscula 19, 12 lasst den Einschub nach „ihre Mütter" folgen. Lammens wird wohl seine Auffassung dieser Dschahiz-Stelle (Fatima et les files de Mahomet 98, Anm. 4) und seine Folgerung aus derselben nicht aufrechterhalten. 5) Freilich lehnt es der Prophet in derselben Sure v. 40 ausdrücklich ab, als Vater der Mitglieder seiner Gemeinde betrachtet zu werden. 13 Text hier und in den folgenden immer: er) ihr vierter, und nicht vier, ohne dass Allah (er) ihr fünfter, und nicht fünf, ohne dass Allah (er) ihr sechster ware und nicht weniger {akallu, gew. T. adna) als dies und nicht mehr, ohne dass Allah (er) mit ihnen ware [wenn sie ihre Unterredung beginnen: ida achadü fi-l-tanadschï] '). Der in Klammer gesetzte Zusatz soll wohl das Bedenken darüber abwenden, dass der allgegenwartige Gott doch nicht erst zur Zeit der Unterredung als Zeuge derselben hinzutrete; vielmehr sei er bereits gegenwartig gewesen, als sie sich zur selben erst noch anschickten 2). Gleichgültiger ist eine Erganzung des cAbdallah b. Mascüdzu li v. 74: (wahrend der Bewirtung der Engel durch Abraham) „und seine Frau war stenend"; cAbdallah fügt hinzu: wahuwa kaHdun wahrend er (Abraham) sass. Solche Interpolationen werden gern dort vorgenommen, wo es sich nicht nur, wie bei den eben angeführten Beispielen, um eine in logischer oder religiöser Beziehung erwünschte Erganzung handelt, sondern wo mit derselben auf die nahere Bestimmung einer gesetzlichen Verordnung abgezielt wird, die im gewöhnlichen Text in ganz vager Fassung èrscheint. So werden im Korantext 4 v. 28, aus welchem die Zulassigkeit der mufah-Ehe (Zeitehe) gefolgert wird, zur besseren Begründung der Zulassigkeit dieser Eheschliessungsform an der entscheidenden Stelle die Worte ila adschalin musamman („bis zu einem festgesetzten Termin") eingeschoben 3). 2 v. 194 inmittsn der auf die mekkanische Wallfahrt bezüglichen Verordnungen: „Es wird euch nicht als Vergehen angerechnet, wenn ihr nach der Gnade(ngabe) eures Gottes strebet". Um keinen Zweifel darüber zu lassen, dass in diesen Worten die von einigen bezweifelte Erlaubnis dazu gegeben ist, wahrend der Zeit der frommen Übungen der Pilgerung die 1) Fachr al-dïn al-RazI, Mafatth al-ghajb z. St. (BulSk 1289 in 8 Bden) VIII 162. 2) Das Motiv dieser Einschiebung ist weniger durchsichtig in der von Zamachschafl, Kasschaf z. St. gemachten Angabe des Textes derselben: ida intadschau. 3) Vgl. Vorlesungen 274 (15 : 5). 14 Handelsgeschafte zu betreiben '), die ja die wesentlichste Erwerbsquelle der Mekkaner waren, wird — und hier angeblich von lbn cAbbas — der Zusatz vorgeschlagen: „an den (frühepen, in der heidnischen Zeit üblichen) Markten des haddsch" 2). 2 v. 239. „Beobachtet die Gebete und das mittlere Gebet". Darüber herrscht viel Meinungsverschiedenheit, welches der fünf obligaten Tagesliturgien unter der unbestimmten Bezeichnung „das mittlere Gebet (= al-salat al-wusta) zu verstenen sei3). Man hat versucht, es auf das Früh- und das Mittags-salat zu beziehen. Die überwiegende Anzahl der alten Erklarer will darunter den Nachmittags-Gottesdienst verstehen, weil dieser Tageszeit im allgemeinen sehr grosse Bedeutung beigemessen wurde, eine Anschauung, die von der Fremde her in den Islam eingedrungen ist 4). Um nun diese Deutung gegen konkurrierende Zeitbestimmungen zu schützen, haben die Vertreter derselben ihre Interpretation gleich in den Korantext mit eingeschoben. Man lasst eine Klientin der cAjischa — der grosseren Glaubwürdigkeit wegen kann man sogar ihren Namen angeben: Hamïda Tochter des Abü Jünus — erzahlen, dass die Wittwe des Propheten ihrer Familie ihre fahrenden Habseligkeiten vermacht habe; darunter war auch ihr Koranexemplar; in diesem hatte der Vers folgenden Text: „Beobachtet die Gebete und das mittlere Gebet, [(das ist) das cAsr]". cAjischa selbst über den richtigen Text befragt, habe versichert: So haben wir nach der ursprünglichen Lesart {fïl-harf al-awwat) zu Lebzeiten des Propheten den Vers rezitiert. Man weiss, ein mal in Erfïnden begriffen, auch noch in 1) Vgl. 62 v. 10 (wahrend des Freitagsgottesdienstes muss der Handel unterlassen werden) „ist aber das SalSt geleistet, dann zerstreut euch im Land und ihr könnt nach der Gnade Allah's streben" d. h. eueren wirtschaftlichen Interessen nachgehen. 2) Kasschaf z. St. 3) Vielleicht s. v. a. das vorzüglichste Salat; vgl. Lammens, Ze Califat de Yazïd I, 57 note 1. 4) Die Bedeutung der Nachmittagszeit im Islam, Arch. f. Religiónsw. IX 293 ff- 15 ganz glaubwürdiger Form zu erzahlen, dass Hafsa, eine andere Gattin des Propheten, sich eine Koranabschrift anfertigen liess und den Schreiber ganz besonders darauf aufmerksam machte, ihr zu melden, wann er bei den „Gebetszeiten" angelangt sein wird. Als der Schreiber nun bei dem Verse angekommen war, meldete er dies seiner Auftraggeberin. Diese diktierte ihm nun: „Beobachtet die Gebete und das mittlere Gebet, das ist das cAsr-Gebet, „so habe ich die Stelle — sagte sie — vom Propheten selbst gehort". Dem setzen nun andere, die dem cAsr-Gebet ein anderes „mittleres Gebet" mindestens koordinieren wollen, eine andere Version der Hafsa-Tradition entgegem Sie hatte ihrem Maula, dem sie auftrug für sie ein Kpranexemplar anzufertigen, das Diktat in folgender Form beigebracht: „die Gebete und das mittlere Gebet und das cAsr-Gebet". Das mittlere ware demnach von dem cAsr verschieden. Und um alle Möglichkeiten zu erschöpfen, muss der Gefahrte Bara b. cAzib als Autoritat für den Bericht dienen, nach welchem' bei Lebzeiten des Propheten lange Jahre der Text so gelesen wurde: „Beobachtet die Gebete und ddscAsrGebet". Diese ursprüngliche Verordnung abrogierend habe der Prophet selbst diese Bestimmung in die Worte „und das mittlere Gebet" verandert '). Der Koran verordnet (5 v. 91) zur Sühne des Bruches unbedachter Eide (Laghw) „die Speisung von zehn Armen .... oder ihre Bekleidung, oder die Lossprechung eines Nackens (Sklaven). Wer aber dazu nicht instande ist: das Fas,ten dreier Tage". Nun ist es schon in der alten Generation eine strittige Frage, ob mit der letzteren Sühnmodalitat das Fasten einer unterbrochenen Reihe von drei auf einander folgenden Tagen verordnet ist, oder ob die Sühne durch das Fasten von drei auch nicht zusammenhangenden Tagen als vollzogen 1) Muwatta I 254 ff., Sunan al-Schaffï (Kairo 1315 ed. Kabbanl) 8. Alle hierauf bezüglichen Traditionen in zahlreichen Versionen, bei Taiari, Tafsïr (von hier ab bloss als Tabart zitiert, nach der ersten Ausgabe, Kairo 1321) II 321—331. i6 betrachtet werden kann. Unter den Ritusschulen ist es die des Abü Hanïfa, die in Übereinstimmung mit mehreren alten Traditionsautoritaten eine ununterbrochene Reihe von drei Tagen fordert; das Fasten von drei gesonderten Tagen bewirke die Sühne nicht; andere Schulen nehmen es leichter. Die Vertreter der ersteren Auffassung lösen den gordischen Knoten dadurch, dass sie ihre Meinüng durch einen erklarenden Zusatz in den Korantext hineintragen. Sie lesen gleich -. fasijamu thalathati ajjamin \mutatabizatin\ Dies letztere Wort führen die gewöhnlichen Texte nicht; aber bereits den beiden obenerwahnten, der Koranredaktion nahestehenden Tradenten (Ubejj, ibn Mascüd) wird in zahlreichen, bei Tabarï (VII 18— 19) aneinandergereihten Versionen die Aufnahme dieses interpretativen Überschusses in dem Korantext zugeschrieben. . Eine leichtere Art von Varianten stellen Abweichungen dar, in denen in den verschiedenen Versionen je ein anderes Synonym zum Ausdruck desselben Gedankens erscheint '), wie wenn z. B. 2 v. 45 Abu-l-Sirar al-Ghanawï für nafsun "an nafsin (eine Seele für die andere) das synonyme nasamatun "an nasamatin vorzieht2). Solche Textverschiedenheiten hat man in alter Zeit in überaus liberaler Weise beurteilt. Da der Sinn keine Veranderung erleidet, vielmehr zuweilen an Klarheit geradezu gewinnt, möge man ganz ruhig ein dunkles Wort „durch ein deutlicheres ersetzen" 3). 5 v. 42 enthalt die Strafverfügung,gegen Diebstahl: „Der Dieb und die Diebin: schneidet ihre Hande ab als Vergeltung für das was sie verübt haben". Zunachst welche Hande? Die Antwort gibt die von lbn Mascüd überlieferte Variante: Die Diebe und die Diebinnen (Plural statt des Singiil. des gew. Textes), schneide ihre rechten Hande (ajmanahuma für ejdijahuma) ab. 1) Über solche Varianten, al-Kalï, AmSll II 80. 2) Kasschaf t. St. 3) Nöldeke L c.1 39: 2. Auff. 50. *7 In der Verurteilung des falschen Gewichtes (55 v. 8) heisst es: „Vollzieht das Wagen in Gerechtigkeit und vermindert nicht das Gewicht". Den zwar keineswegs dunkeln Ausdruck in Gerechtigkeit {bil-kist) lesen einige (lbn Mas'üd wird wieder als Autoritat genannt) als bil-lisan, mit dem Zünglein, da die Stellung des Züngleins der Wage den Beweis dafür bietet, dass man das Gewicht nicht verkürzt habe '). 19 v. 27, wo man Maria sprechen lasst: „Ich habe Gott Fasten (Enthaltsamkeit) gelobt und ich spreche heute zu keinem Menschen", wird sauman (Fasten) gleich durch samtan, Schweigen ersetzt; dem Vertrauten des Propheten Anas b. Malik wird sogar die erweiternde Lesart ^sauman wasamtan" (Fasten und Schweigen) zugeschrieben 2). 17 v. 95 sprechen die Heiden zu Muhammed: („Nimmermehr glauben wir dir ....) bis dass du ein Haus aus Gold {min zuchrufin) haben würdest". Hiezu bemerkt der mekkanische Tradent Mudschahid (st. ca. 719—721): Wir wussten nicht, was das Wort zuchruf hier bedeuten mag, bis wir die Lesart des °Abdallah b. Mascüd horten, der das fragliche Wort durch min dahabin, „aus Gold", ersetzte: ein erklarendes Synonym (Tabarï XV 102). 18 v. 79 fachaschvna „wir besorgten", wofür einige: fachafa rabbuka „dein Herr fürchtete". Da hier von Gott die Rede ■ist, so kann man zugleich ersehen, dass bei den Varianten die sogleich zu erwahnende Rücksicht auf die Vermeidung von Ausdrücken, die in bezug auf die Gottheit als unwürdig erscheinen konnten, nicht immer vorgewaltet hat. In der Textlesart schwebt das Subjekt der Furcht in unklarem Halbdunkel; es wird von den meisten Kommentatoren in der Tat auf den Moses begleitenden „Diener Gottes" bezogen. Die Variante lasst hingegen plumperweise keinen Zweifel darüber, dass sie Gott für das Subjekt der Besorgnis halt. Tiefgehende Anderungen zeigen auch Wortvarianten, durch 1) Vgl. Ihja II 69. 2) Dahabl, Tadkirat al-huffaz I 340, 5 v. u. 2 i8 die nicht nur leichte Bedeutungsverschiebungen oder, wie in den letzten Beispielen, lediglich eine Verdeutlichung zweifelhafter Stellen geboten werden, sondern welche geradezu eine Zerstörung des gewöhnlichen Textes darstellen. lbn Mascüd ist die haufige Autoritat derselben. Er liest z. B. 37 v. 45 statt des weissen (bajda) Bechers, in dem den Seligen im Paradies der süsse Trank kredenzt wird, einen g e 1 b e n (safra) Becher. In derselben Sure v. 123 verandert er den Prophetennamen Iljas zu Idrïs oder /dras und demgemasz v. 130 Iljasïna .zu Idrïsïna (Tab. XXIII 31.56)'). Einmal wird der durch den gewöhnlichen Text gegebene Sinn geradezu aus den Angeln gehoben und in das Gegenteil desselben verrückt. Eine der sparlichen zeitgeschichtlichen Beziehungen im Koran wird zu Beginn der 30sten Sure geboten. „Besiegt (ghulibat) sind die Rum (die Romaer) im nachsten Land, aber nach ihrem Besiegtsein [ghalabihim, genit. objectivus) werden sie dereinst siegen (sajagklibüna) in wenigen Jahren". Nach der gewöhnlichen Erklarung2) ist darin ein Reflex der Impression zu finden, die ein Sieg der Perser über die Griechen (anno 616), von dem die Mekkaner Kenntnis erhielten, auf Muhammed geübt hat. Den Heiden wird die Niederlage der Christen willkommen gewesen sein; sie sympathisierten mit den Persern. Muhammed hingegen ist von der Niederlage der Christen unangenehm beriihrt; sie standen seinem Mitgefühle jedenfalls naher. Gleichzeitig gibt er aber seiner Zuversicht Ausdruck, dass in kurzer Zeit auch über die Perser der Becher kommen werde. Das Kriegsglück werde sich wenden. Die Muslime erblicken darin einen Beweis der pro- 0 Vgl. IhjZL I 276, 4 v.u. Diese Leseunsicherheit wird zur Annahme der von einigen Koranerklarern vorausgesetzten Wesensidentitat der beiden Propheten (Bucharï^ ed. Krehl I 325) gefuhrt hahen; Gott habe den Idrïs (Henoch) in den Himmel erhoben, ihn dann wieder als Iljas herabgesandt. Die Mystiker (vgl. lbn al-cArabï, Fusüs al-hikam, Kap. XXII Anfang) nehmen sich dieser Anschauung an und verknüpfen sie mit ihren Theorien. S. darüber den Fusüs-Kommentar des 'Abdalgham al-Nabulusï II (Kairo 1323) 228—230. 2) Vgl. M. Hartmann, Der islamische Oriënt II 514. ~ '9 phetischen Gabe Muhammeds: er habe den Sieg des Heraklius über die Perser (625) vorausgesehen und mit Bestimmtheit geweissagt '). Eine solche bestimmte Beziehung auf ein besonderes, dareinst eintreffendes historisches Faktum ist für uns freilich in dem Nachsatz nicht enthalten : Muhammed will nur im allgemeinen seiner Hoffnung auf den Wechsel des Glücks Ausdruck geben. Die Romaer sind jetzt Besiegte; nicht lange, und sie werden Sieger werden; dies sei der wechselvolle Gang der Geschichte. Aber nicht alle lesen den Text in der soeben dargestellten Weise. Vielmehr: „Gesiegt haben [ghalabat, activüm) die Rüm [beziehe sich auf einen von den Romaern soeben über arabische Stamme im syrischen Grenzstriche erfochtenen Sieg]; aber nach ihrem (der Romaer) Siegen (ghalabihim, genit. subjectivus) werden sie besiegt werden (sajughlabüna, passivum) in wenigen Jahren". Die Muslime, die diese Lesarten billigen, finden darin die Weissagung des bereits 9 Jahre nach dieser Offenbarung durch die junge muslimische Schar über -die Byzantiner erfochtenen kriegerischen Erfolges2). Wir sehen, dass in der gewöhnlichen Lesart und ihrer Variante einander schroff ehtgegengesetzte Deutungen vorliegen. Die Sieger der Textlesart sind die Besiegten der Variante. Das Activum der ersteren wird in der letzteren ins Passivum umgebogen. Also in der radikalsten Weise einander entgegengesetzte Lesungen und Dolmetschungen desselben Gotteswortes. Unter den verschiedenen Gattungen der Textvarianten des Korans, von denen wir hier eine Anzahl gesehen haben, möchte ich jedoch grossen Wert auf eine bereits im Vorhergehenden 1) Nach einer sich daran kniipfenden Legende ist Abü Bekr mit den mekkanischen Heiden auf das Eintreffen dieser Weissagung eine Wette eingegangen, in der er natürlich der Gewinnende wurde; den Einsatz stiftete er für wohltatige Werke (Tirmidï, Sahïk 207; Hartri, Durrat al-ghawwas ed. Thorbecke 173Ihja II 120 unten). 2) Vgl. Nöldeke—Schwally I 149 Anm. 7. 20 angedeutete Klasse legen, auf die wir wegen ihres prinzipiellen Charakters etwas weitlaufiger eingehen dürfen. Eine Reihe der vom textus receptus des Korans versuchten Abweichungen hat namlich ihr Motiv in der Scheu, von Gott und den Propheten Ausdrücke gebrauchen zu lassen, die man aus deni Gesichtspunkte der Ehrfurcht vor dem höchsten Wesen und seinen Gesandten als unangemessen oder unschicklich betrachtete. Da wollte man solchen Schicklichkeitsbedenken durch leichte Textanderungen abhelfen: nach Art der tikkün söfertm am Texte des A. T. *) j mit dem Unterschiede allerdings, dass die aus dem Motiv der Dezenz am A. T. vorgenommenen Wortanderungen im kanonischen Texte des letzteren zu definitiver Giltigkeit durchgedrungen sind, wahrend es ahnlichen Veranderungen am Korantext nicht immer gelungen ist, sich im textus receptus zu behaupten. Einige Beispiele werden die Art solcher theologischer Anderungen2) beleuchten: 3 v. 16 lautet nach dem gewöhnlichen Text: „Gott bezeugt (schahida-llahu) dass es keinen Gott gibt ausser ihm, und (es bezeugen es) die Engel und die Leute des Wissens u. s. w." Man begreift den Anstoss, den diese Selbstbezeugung Allahs, zumal auf gleicher Linie mit den Engeln und Wissenden als Mitzeugen, erregen konnte. Man half sich damit, dass man das Verbum schahida in das Plüralnomen schuhada,a (die Zeugen) veranderte, wodurch man im Zusammenhang mit dem vorangehenden Vers die Bedeutung erzielte : (v. 15) „Die Ausdauern- den, die Wahrhaften (v. 16) sind die Zeugen Gottes (Al- lahi), dass es .... und (Zeugen dessen sind) die Engel u. s. w." Freilich haben diese Verbesserer die dieselbe Wendung bie- 1) A. Geiger, Urschrift und Übersetzungen der Bibel (Breslau 1857) 313 ff. Nöldeke, Neue Beitrage zur semit. Sprachwissensch. 69. Über tikkün söferïm s.' neuerdings J. Z. Lauterbach, Midrash and Mishnah in Jewish Quart. Review, N. Y. (1906) VI, 34 ff. 2) Vollers, Volkssprache und Schriftsprache im alten Arabien (Stfassburg 1906) 195. 21 tende Stelle 4 v. 164, wo ihre Korrektur nicht so leicht anzubringen war, ungestört gelassen. 37 v. 12 klagt Gott über den Unglauben der mekkanischen Heiden, die den Glauben an die Auferstehung spottend zurückweisen: (11) „So befrage sie denn, ob sie starkere Schöpfungen sind, oder die wir erschufen (namlich Himmel, Erde, Sterne, Engel, die im vorhergehenden aufgezahlt waren); siehe, wir erschufen sie (die Menschen) aus klebendem Thon. (12) Ja wohl, du wunderst dich, wahrend sie spotten". Das Wort du (also Muhammed) wunderst dich {"adschibta) scheint hier Korrektur zu sein. Die ursprüngliche, den Kufensern zugeschriebene und auch von cAbdallah b. Mascüd angenommene Lesart, der die in weitesten Kreisen giltige Lesart der Medinenser und Basrenser gegenübersteht, scheint "adschibtti „ich wundere mich" zu sein. An dieser Verwunderung Gottes wurde nun auf verschiedene Weise herumgedeutet. Man fand leicht einen metaphorischen Sinn dafür. Manche nehmen als sprechendes Subjekt nicht Gott, sondern Muhammed an: dieser spreche seine Verwunderung aus. Jedoch die Frommen hielten es doch für unschicklich, auch nur der Möglichkeit Raum zu geben, dass von Gott das Attribut der Verwunderung ausgesprpchen sei und mit einer leichten Vokalveranderung machten sie aus der ersten die zweite Person. Muhammed werde von Gott angeredet: du verwunderst dich über ihren spöttischen Unglauben. Was hier die Voraussetzung veranlasst, dass die Form der ersten Person die ursprüngliche Lesart sei, sind einige Umstande, die die Überlieferung derselben begleiten. Tabari (s. unten S. 63—4) urteilt (XXIII 26), dass beide Lesarten richtig, beide geoffenbart seien, und gibt keiner der beiden einen Vorzug vor der anderen; der Prophet habe befohlen, beide Lesarten zu gebrauchen. Wenn Tabari, der die Zulassung verschiedener Lesarten nur in dem Falie zuzugeben pflegt, wenn dieselben ihrer Bedeutung nach nicht verschieden sind, hier mit so schwerwiegender Klausel der anstössigcn 22 Lesart gleichberechtigten Raum gibt, so muss letztere wohl tiefe Wurzel gefasst und ihre Beseitigung noch zu seiner Zeit Schwierigkeit bereitet haben. Der der altesten Generation noch nahestehende T£adï Schurejh (Kufenser, st. ca. 696—698, angeblich im Alter von 120 Jahren), der einer der eifrigsten Förderer der neuen Lesart gewesen zu sein scheint, wird wegen seiner Forderung dieser Korrektur noch nach seinem Tod vom Spott des als gelehrtesten Theologen seiner Zeit geitenden Ibrahim al-Nachacï (ebenfalls Kufenser, st. 714), getroffen. „Verwundern kann sich — habe Schurejh zur Unterstiitzung der versuchten Verbesserung der Lesart gesagt — nur jemand, dem es an Wissen gebricht. Von Gott könne demhach Verwunderung nicht ausgesagt werden. Es müsse daher cadschibta (du — Muhammed — verwunderst dich) gelesen werden". Dazu bemerkt Ibrahïm: „Dennoch bewunderte Schurejh sein eigenes Wissen. (Diese Bewunderung sei nach seinem eigenen Prinzip Beweis der Unkenntnis). Und doch wusste es 'Abdallah b. Mascad besser; der aber las ruhig cadschib(u" '). 29 v. 1.2: „Glauben denn die Menschen, dass sie (in Frieden) gelassen werden, da sie sagen: „Wir glauben"und (glauben sie denn) dass sie nicht geprüft werden? (2) Wahrlich, wir haben geprüft die vor ihnen waren und Gott wird sicherlich wissen, wer wahrhaft ist und er wird sicherlich wissen, wer die Lügner sind". Für das schlichte Verstandnis enthalten diese Worte die Voraussetzung, dass Gott dies erst durch eine Prüfung erfahren werde. Als ob er es nicht ohnehin wüsste, ja es selbst beschlossen hatte! Diesem Bedenken scheint eine auf cAlï und al-Zuhrï zurückgeführte Textvariante zuvorkommen zu wollen. Diese gibt statt des wiederholten fdlajcflamanna (er wird sicherlich wissen) mit leichter Anderung éines Vokals falajiflimanna d. h. „er wird sicherlich bekanntgeben", er wird den Menschen ihren Charakter kundgeben; oder in der 1) Kasschaf z. St. II 261. 23 Bedeutung: „er wird (durch Erkennungszeichen) sie kenntlich machen"; die Gerechten werden durch braune, die Ungerechten durch blaue Farbung des Auges — blaue Augen gelten dem Araber als Zeichen feindseliger Gesinnung, als ominös und hasslich '), es wird ihnen auch zuweilen die Kraft magischer 2) Schadlichkeit zugeeignet — kenntlich machen. 5 v. 112 fragen die Apostel, nachdem sie ihren Glauben an Gott und Jesus eben bezeugt hatten: „O Jesus, Sohn der Marjam! hal jastaffu rabbuka, ist wohl dein Gott imstande uns vom Himmel einen Tisch herabzusenden ?" Ist Gott imstande ! Eine solche Frage könne aus dem Mund der Apostel nicht gekommen sein. Man liest daher mit syntaktischer Beschwerde: hal iastatfu rabbaka, mit der Erklarung: Bist d u (Jesus) imstande, deinen Gott (zu bitten), ihn durch deine Bitte zu veranlassen u. s. w. ?3). 1) cAbdaIrahman b. Hassan, ZD MG LIV 441, 4; Ibn Sa'd III, 1 272, 24. Am Tag der Auferstehung werden die Sünder blauaugig auferweckt (Sure 20 v. 102); Schaffï sagt: Siehst du einen Dünnbartigen (kausadsch), so hüte dich vor ihm (er ist schlau ; vgl." Talm. b. Sanhedrin loob zu zaldehan; eine ausgiebige Bibliographie des semitischen und sonstigen Folklore darüber in der ungarischen Zeitschrift Ethnographia, XXIX [1918] 140); von einem Blauaugigen habe ich nie Gutes gesehen (bei Subkï, Tab. Schaf. I 258, 2). Im Trauergedicht des Schammach auf den Tod cOmars wird dessen Mörder als blauaugig (azrak al-cajn) geschildert (Hamasa 488 v. 4). Daher wird diese Farbenbezeichnung oft als spöttisches Epithet gebraucht. Die Schïciten wenden sie auf 'Omar an (unten im fünften Abschn.). Die baghdader Parteiganger des Bujiden Bachtijar geben seinem Nebenbuhler cAdud al-daula das spöttische Epithet zurejk al-scharib, Blauaugelchen (auch im Deminutiv liegt spöttische Absicht) der Trinker {Jakat, ed. Margoliouth V 355, 11). In einer asketischen Betrachtung über die Weltlichkeit wird die dunja geschildert als hassliches, zahnloses, trief- und blauaugiges altes Weib (Jhja III 199 unten). — Auch „Sohn der Blauaugigen" (ibn al-zarka) ist haufige spöttische Bezeichnung (z. B. Ibn Sa'd VII, 1 68, 17). Die Omajjadenfeinde nennen die Herrscher dieser Dynastie bariü-l-zarka {Tirmidï II 35 unten); als Eigenname wird jedoch al-azrak überaus haung ohne geringschatzende Absicht angewandt. Ein Mittel Blauaugigkeit kleiner Kinder zu verandern wird angegeben bei Damïrï I 49 paenult s. v. insan. —.Vgl. Lammens, Le Califat de Yazïd 39 (M F O IV 271, Anm. 3); Vollers im Centendrio Amari 91; Rescher, Der Islam IX 30 unten. 2) Die Seherin Zarka al-Jemama. — Menstrualblut einer blauaugigen Jungfrau als Zutat zu einem Gegenzaubermittel, Aghanï II 37, 9 v.u. Jaküt^ Geogr. WB. II 282, 15. 3) Kasschaf z. St. II 174. 24 Solche Rücksicht hat auch in 21 v. 112 eine varia lectio veranlasst. Da heisst es: rabbi-hkum bil-hakki. „Mein Herr, richte (zwischen mir und meinen Feinden) nach der Wahrheit". Eine vereinzelte Koranautoritat '), deren Korrektur aber keinen Anklang gefunden zu haben scheint, hat sich daran gestossen, dass Muhammed Gott um ein gerechtes Urteil bittet; als lage ein anderes im Bereiche der Möglichkeit. Er hilft diesem Bedenken dadurch ab, dass er, bei voller Beibehaltung des Konsonantenbestandes durch Vokalveranderung den Imperativ in die Elativform und den Anruf in die Aussage verwandelt. „Mein Herr ist ahkamu bil-hakki ist der (mehr als alle. andere Richter) nach Wahrheit urteilende". Daran kann niemand Anstoss nehmen. 2 v. 100: „Was wir an Offenbarungsversen abrogieren und was wir davon vergessen lassen (der Vergessenheit übergeben), dafür bringen wir besseres als jene sind, oder ihnen Gleiches". „Was wir davon vergessen lassen" nunsiha. Gott wille was er geoffenbart hat, der Vergessenheit übergeben; dies klang manchem aus dem Gesichtspünkt der Unveranderlichkeit des göttlichen Willens als ein noch unwürdigerer Ausdruck als das Abrogieren göttlicher Gesetze, das wohl die Gültigkeit derselben aufhebt, sie aber nicht aus dem Gedachtnisse tilgt, sondern als Gottes Wort textlich bestehen lasst. Dies Bedenken rief folgende Varianten hervor: tansaha „was du (Muhammed) vergessen solltest"; nansa'uha „wir verschieben es auf spatere Zeit (to postpone)" ohne es vollends definitiv aufzuheben. — So lasen das Wort viele Gefahrten und Nachfolger, "nach ihnen eine grosse Anzahl von Lesern aus Küfa und Basra. Einige Ausleger haben für ihre Erklarung diese Lesart zugrunde gelegt. Der wegen seiner Frömmigkeit berühmte Sa°id b. al-Musajjab (st. 712) las nansaha (wir vergessen es) und es ist begreiflich, dass Sacd b. abt Wakkas sich darüber so erboste, dass er, als er davon hörte, ausrief: „Fürwahr, der Koran ist 1) Tabarï XVII 76 unten nennt al-Dahhak b. Muzahim (st. 720). Bejdawï I 626, anonym. 25 nicht dem Musajjab und dem Geschlecht des Musajjab geoffenbart worden" {Tab. I 359—60). 5 v. 105 ist von Zeugen eines mündlichen Testamentes die Rede. Wenn man den geringsten Zweifel in die Wahrhaftigkeit ihrer Aussage setzt, so mögen sie feierlich beschwören, dass sie ihr Zeugnis nicht aus eigenem Interesse ablegen „und nicht verbergen wir Allah's Zeugnis; fürwahr wir waren dann von den Sündern". Schahadat Alldhi, das „Zeugniss Allah's" als Gegenstand des Verbergens mochte dem cAmir al-Schacbï (st. 721) als unehrerbietig erschienen sein. Als ob es möglich ware, etwas zu verbergen, dessen Gott selbst Zeuge ist. Er, resp. die Autoritaten, auf die er sich berufen konnte, halfen sich nun (s. die Kommentare, besonders Tab. VII 67) damit, dass sie den status constructus tilgten und mit Abanderung des Wortes Alldhi zu Alldhi einen neuen Satz beginnen. „Wir verbergen kein Zeugniss (schahadatan). Bei Gott, (allahi = a'Allahi, die Frageform in der Bedeutung des Schwures = wallahi) wir waren dann u. s. w." Wie weit die Angstlichkeit ging, durch welche derlei puristische Korrekturen ^hervorgerufen werden, zeigt das Vorgehen an 2 v. 131. Es wird da von den Juden gesagt: „"Wenn sie glauben ah ein Gleiches von dem, woran ihr glaubt (bimithli ma amanlum biht), so sind sie in der rechten Leitung". Den Angstlichen drangte sich hier das bei sprachlicher Betrachtung völlig grundlose Bedenken auf, dass durch den Wortlaut Gott ein ihm Gleiches, woran die Juden zu glauben behaupten, an die Seite gesetzt würde. Sie beseitigen ihren Skrupel durch eine radikale Anderung, indem sie das bedenkenerregende Wort (mithli) einfach aus dem Text tilgen: bimd amantum bihi: woran ihr glaubet. Ahnliche . Korrekturen wurden auch aus Ehrerbietung für dén Charakter des Muhammed und seiner Vorganger im Prophetenamte veranlasst, wenn überangstliche Korangelehrte meinten, dass dieselbe durch die rezipierte Lesart im geringsten verletzt ware. 26 3 v* rSS: «Es schickt sich nicht für einen Propheten, dass er unterschlage". Zur Erklarung dieser Mahnung werden in der traditionellen Auslegung Falie dafür angeführt, dass man den Propheten in einigen kleinlichen Fallen eines nicht ganz tadellosen Vorgehens in der Beuteverteilung verdachtigte. Nach dem Bedrkampf soll er ein erbeutetes rotes Kleidungsstück nicht in die Masse der Beuteverteilung mit aufgenommen haben. Ein anderes Mal, wahrend ausgesandte Kundschafter von der Schar fern waren, beteiligte er von der einer ihm entgegenkommenden feindlichen Truppe abgenommen Beute nur die anwesenden Mitkampfer, mit Vernachlassigung der in seinem Auftrag abwesenden Kundschafter. Es mag nun manchen Glaubigen als anstössig erschienen sein, der leisesten Voraussetzung des unredlichen Verfahrens in bezug auf den Propheten, wenn auch nur in negativer Weise, Raum zu geben. Dieser Unbequemlichkeit halfen nun viele (nach Tabari IV 97 der überwiegende Teil der Leser von Medina und Küfa, nach anderen Kommentatoren nur einzelne, aber jedenfalls angesehene Textautoritaten) dadurch ab, dass sie das aktive an jaghulla „dass er unterschlage" in die Passivform an jughalla, „dass an ihm Unterschlagung begangen werde, dass er betrogen werde" veranderten. Dadurch wird die Verdachtigung oder auch nur die unschickliche Voraussetzung der Möglichkeit eines durch den Propheten begangenen Unrechtes von vornherein abgeschnitten. Grosse Verlegenheit musste den Koranauslegern verursachen 12 v. no: Gott spricht von den Propheten, die er vor Muhammed mit Offenbarungen an die Völker sandte, „bis dass sie die Hoffnung aufgaben und meinten, dass sie gelogen haben; da kam unsere Hilfe zu ihnen, und wir erretteten wen wir wollten; und unsere Strenge wird nicht, abgewendet von dem frevelnden Volke". Die Crux liegt hier in den Worten „und meinten dass sie gelogen haben" kadabü; denn so ist zweifellos die ursprüngliche Lesart. Die beiden Satze „sie gaben die Hoffnung auf' 27 und „sie meinten, dass sie gelogen haben" haben dasselbe Subjekt: die Propheten. Sie verkündeten den Unglaubigen Drohungen, die trafen nicht ein; sie verzweifelten darüber und glaubten, dass was sie verkündet, Unwahrheit sei. Aber endlich kam von Gott die Lösung aller Zweifel, das Strafgericht gegen die Frevler und die Rettung der Gerechten: die Propheten waren gerechtfertigt. Muhammed tritt hier, seine eigene Lage in die seiner prophetischen Vorganger vorausbildend, dem Spott der Heiden gegen seine eigenen Verkündigungen vom nahendfen Weltuntergang und Strafgericht, die aber noch immer nicht eintreffen wollten, entgegen. Aber dass die Propheten gemeint haben sollen, dass sie gelogen haben, kann doch ein' glaubiger Muslim nicht ertragen. Es erschien als eine Sache von ganz aussergewöhnlicher Wichtigkeit, hier Rat zu schaffen; die Tradition lasst die Wittwe des Propheten, cAjischa selbst, eingreifen. Die Textemendation muss mit einer Menge von Möglichkeiten (Tabari XIII 47—52) einsetzen, von denen ich nur einige erwahne. Man korrigierte kadabü, (activum „sie logen") in kudibü, oder kuddibu (passivum) „sie wurden der Lüge geziehen" d. i. „die Propheten meinten, dass sie (von den Heiden) der Lüge geziehen werden"; (dies ist zur lectio vulgata erhoben worden). Aber da ware ja „sie meinten" ganz ungehörig; davor half man sich mit einer Umbiegung der Bedeutung des Verbi zanna „meinen"; es könnte zur Not auch „wissen" bedeuten. Andere lassen die beanstandete Lesart ungestört bestehen, nehmen jedoch Zuflucht zur syntaktischen Operation, als Subjekt des fraglichén Satzes „die Heiden" vorauszusetzen: sie (die Heiden) meinen, dass sie (die Propheten) gelogen haben. Auch dies wird hineingetragen: sie (die Propheten) meinen, dass sie (die Heiden) gelogen haben. Die Anstrengung, die aufgeboten wird, die Lesart kadabü exegetisch zu retten, ist ein Beweis für ihre Ursprünglichkeit J). 1) Der Text des Zamachscharï behalt diese Lesart bei. 28 Dasselbe beweisen auch Begleiterzahlungen, die die Verhandlungen über diesen Text umrahmen. Ein Jüngling aus dem Kurejschstamm kommt zu Sd%d b. Dschubejr und fragt ihn: „Wie liest du dies Wort? denn wenn ich dabei ankomme, zöge ich es vor, die ganze Süra nicht zu lesen". — In einer andern Erzahlung, in der der Fragesteller Muslim b. Jasar genannt wird, bemerkt dieser: „Dieser Vers treibt mich zur Verzweiflung; denn es ware der Tod zu sagen: „die Propheten meinten, sie hatten Lügen gesprochen". Als ihm nun Sacïd die Erklarung gab, dass das Subjekt des zweiten Satzes die Unglaubigen seien, sprang Muslim auf, umarmte den Sacid und rief: „Moge Gott dir Befreiung gewahren, so wie du mich jetzt erfreut hast". 12 v. 12 lasst die Briider Josephs, die auf dessen Verderben sinnen, zu ihrem Vater sprechen: „Sende'ihn morgen mit uns, daniit er sich ergehe und damit er spiele". Zum Wort „er sich ergehe" (jartcf) sind die verschiedensten Lesarten überliefert (ob von Vr? oder von V^^ö; innerhalb dieser Differenz Verschiedenheit in den grammatischen Formen), die wir übergehen können. Uns interessiert hier das zweite Wort wa-jalcab „damit er spiele". Dies ist die meist übliche Lesart. Jedoch im Text des Zamachscharï und des Bejdawï wird als die Grundlesart festgesetzt wa-nalzab „damit wir spielen", wahrend die Form der 3. Person Singul. als Variante verzeichnet wird. In der Tat scheint erstere Lesart die ursprüngliche zu sein; heisst es doch im v. 17, wo die Brüder ihrem Vater über den Tod Josefs Bericht erstatten „inna dahabna nastabiku" „wir gingen fort und machten Wettlauf"; hier kann nur die i. Person Pluralis berechtigt sein. Jedoch hat die Verwerfung dieser Lesart ihren guten Grund. Tabari, der sie (d. h. die Form'der 1. Person Plur.) in seinem Apparat als die einiger Basrenser gegen die küfische Lesart (jafab) sowie die des Koranlesers Abü cAmr verzeichnet, hat zugleich folgenden Schulbericht darüber aufbewahrt. Man warf dem Abü cAmr entgegen: Wie könnte nalcab (wir spielen) die richtige Lesart 29 sein? Es handelt sich doch um Propheten (die Söhne des Patriarchen und Propheten Jakob). Diese werden doch nicht mit unterhaltenden Spielen sich beschaftigen wollen? Darauf antwortet Abu °Amr: Zu jener Zeit waren sie noch nicht Propheten. Die Verwerfung des basrischen Lesart, die jedoch von bedeutenden Koranautoritaten (Zamachscharï u. a.) ihren Kommentaren zugrunde gelegt wird, ist also durch das Motiv der Ehrerbietigkeit gegen Prophetensöhne, die bestimmt waren selbst Propheten zu werden !), hervorgerufen worden. Der Sport, den sie treibèn zu wollen vorgeben, vereinige sich nicht mit der Würde ihrer hohen Bestimmung; es sei nicht gut denkbar, dass ihnen im Koran eine solche Neigung zugemutet worden sei. Auf v. 17 haben die Vertreter dieser Korrektur nicht Rücksicht genommen. Auch einem einzelnen Sohn des Patriarchen soll durch Textkorrektiir die bedrohte Reputation gerettet werden. S. 12 v. 81 sollen die Brüder Josefs, nachdem der durch die List des letzteren in die Fahrnisse des Binjamin geschmuggelte Becher bei diesem gefunden wurde, ihrem Vater berichten: inna-bnaka sardka „dein Sohn hat gestohlen". Dies ware ein Zugestandnis der Sünde des Binjamin. Diese Unschicklichkeit tilgt die Variante des Kisa't: surrïka „er ist des Diebstahls beschuldigt worden" (nusiba ila al-sarika). Abu-l-Chattdb b. al-Dscharrah rezitierte bei Gelegenheit einer Ramadanandacht, bei der er vor dem Chalifen al-Mustazhir das Amt des Vorbeters versah, den Koranvers mit dieser 1) Dieser ihr Charakter ist unter den muslimischen Theologen strittig {waiad uchtulifa fï istinbtihim. Kasschaf zu 12 v. 98); Sujütï verfasste eine Abhandlung darüber (Brockelmann II 146 nr. 20). Im Sinne eines schwachen Hadith habe Jakob zur Zeit des Morgengrauens (einer Zeit, in der die Erhörung gesichert ist, Vorlesungen 124 uit.) zu Gott um Sündenvergebung für seine Söhne gebetet (nach 12 v. 98—99) und diese haben andachtig Amen dazu gerufen. Darauf offenbarte Gott dem Jakob: Ich habe ihnen verziehen und sie zu Propheten berufen {Ihja I 286, 5 v. u.). Veranlassung zur Bitte um Sündenvergebung sei in reichem Masse gegeben gewesen; man hat aus 12 v. 8—20 mehr als 40 Sünden der Brüder herausgezahlt (Jhja IV 330, 12 v. u.). 3° letzteren Lesart. Nach Beendigung der Liturgie drückte ihm der für theologische Dinge interessierte Chalife seinen Beifall aus: „Es ist eine treffliche Lesart, denn durch dieselbe werden die Söhne der Propheten (Jakobs und seiner Vorfahren) der Lüge enthoben (flka tanzih auladal-anbija"an al-kadib")"1). In diesem Zusammenhang möchte ich noch darauf hinweisen, dass aus ahnlichen theologischen Rücksichten zuweilen auch an Hadïth-Sprüchen, deren Texte freilich von vornherein viel schwankender sind als die des Korans, Emendationen hervorgerufen worden sind2). Wir wahlen mit Absicht ein geringfügig scheinendes Beispiel, um zu zeigen, auf welche Minutien sich die dogmatischen Skrupel der Theologen erstrecken. Man berichtet, dass Muhammed, wenn ein bedürftiger Bittsteller seine Hilfe ansprach, dabei anwesenden Genossen zu sagen pflegte: „Unterstützet durch eure Fürsprache (bei mir) das Anliegen dieses Hilfesuchenden, damit ihr dadurch Gotteslohn erlangst; Gott möge durch die Zunge seines Gesandten seinen Willensbeschluss vollführen"; d. h. was ich dem Bittenden infolge eurer Fürsprache gewahren werde, ist nicht meine Tat, sondern es entspricht dem, was Gott über ihn beschlossen hatte 3). Was wir hier als „möge vollführen" wiedergeben, ist im arabischen Text durch verstarkte Jussivform ausgedrückt (waljakdi), die, wörtlich genommen, den Sinn in sich schliessen könnte: Gott muss vollführen. Dies scheint unehrerbietig, auch (im Sinne der Orthodoxie, nicht in dem der Mu'taziliten4)) dogmatisch undenkbar. Gott muss nicht müssen. Di esem Anstoss kommt eine Variante entgegen, die den Jussiv in den Indikativ andert: wajdkdï, er vollführt5). Dadurch wird der Gedanke an eine Bemussigung beseitigt. 1) Sujütl, Ta'rikh al-chulafa (Kairo 1305) 172 ganz unten, nach al-Silafï, dem Abu-l-Chattab diese Begebenheit selbst erzahlte. 2) Einige hieher gehorige Beispiele, Vorhsungen 125. 3) Buch. Adab nr. 36. 4) Vorlesungen 104. 5) Kastallanï IX 32 (in der Ausgabe falsch als 23 paginiert); so wird der Spruch auch Ihja II 187, 10 v. u. angeführt. 3i Es kommt freilich hie und da das maszvollere Bestreben zum Ausdruck, zwecklos scheinende theologische Anderungen abzuwehren. Gerade dem sonst so liberalen Ahdallah b. Mas'Ud1) wird ein Beispiel solcher Abwehr zugeschrieben. Es handelt sich um 9 v. 120, wo der gewöhnliche Text lautet: „Fürchtet Gott und seid mit den Wahrhaften (wakünU maca-l-sadikïna)". Diese Fassung der Mahnung zur Wahrhaftigkeit schien manchen Frommen nicht genug entschieden. Man könne doch m i t den Wahrhaftigen sein ohne selbst zu ihnen zu gehören. Sie zogen es vor zu lesen: wakünü min al-s. „seid von den Wahrhaften". Dazu lasst man den CA. ibn Mascüd die Bemerkung aussern: Lüge geziemt sich nicht, weder im Ernst noch im Scherz, noch auch dass jemand einem seiner kleinen Jungen (subejjahu; Deminut.) etwas verspreche, das er nicht halt. Leset ganz ruhig: m i t (maca) -den Wahrhaften; ist denn darin eine Duldung (rucksa) enthalten (nicht auch selbst wahrhaftig zu sein ?) 2). Die auf den Korantext bezüglichen Varianten treten zuweilen mit der unverhohlenen Motivierung auf, der rezipierte Text beruhte auf nachlassiger Arbeit der Abschreiber; die vorgeschlagene Variante beabsichtige die Herstellung des ursprünglichen durch Kopistenversehen verderbten Textes. Bei Stellen, in denen sich grammatische Unebanheiten zeigen, hat man die Behauptung gewagt, dass diese als lapsus calami eines unachtsamen Abschreibers zu betrachten seien, die in dem anerkannten Text des Offenbarungsbuches stehen geblieben sind. Erst spater' hat grammatischer Scharfsinn sich bemüht, durch allerlei Spitzfindigkeit die grammatische Rich- 1) Es braucht nicht öfters wiederholt zu werden, dass solche persönliche Berufungen nicht ad unguem zu nehmen sind. Was im Namen solcher Personen berichtet wird, spiegelt die Bestrebungen und Anschauungen der alteren Generationen. des Islams. Die Namen der dafür angeführten Autoritaten können für unsere Zwecke gleichgiltig sein. 2) Kasschaf z. St, (I 413). 32 tigkeit der betreffenden Stellen zu rechtfertigen '); die basrischen und kufischen Grammatiker stehen in Kasuistik und Scharfsinn ihren juristischen Landsleuten nicht nach. Die alte Schule hat dies nicht versucht, sondern lieber in ehrlicher Weise die Fehlerhaftigkeit des geoffenbarten Textes zugestanden. Von Zubejr b. al-cAwwdm wird berichtet, dass er mit Bezug auf 4 v. 160 (wo der Akkusativ al-mukïmin mit den vorhergehenden Nominativen al-rasichün, al-muminün nicht kongruiert) den Aban Sohn des Chalifen cOthman befragte. Er erhielt di,e Antwort, es ware Schreiberversehen, und Aban erklarte ihm auch, wie dies Versehen leicht entstehen konnte. Den Sohn des Zubejr, cOrwa lasst man berichten, dass er in derselben Sache seine Tante 'AjiScha befragt habe. Die soll ihm geantwortet haben: Lieber Schwestersohn, das ist Schreibersache; diese haben den Fehler auf dem Gewissen (hada "amal al-kuttab achtd'U fi-l-kitab, Tabari VI 16). Derselbe Gesichtspunkt wird.auch bei anderen grammatischen Schwierigkeiten geltend gema'cht 2). Ohne Scheu wird die Möglichkeit zugelassen, und diese Zulassung, wie z. B. in 24 v. 27 (tastd'dinü für tasta'nisü) durch Sacïd b. Dschubejr auf die unbestritten höchste Autoritat des Ibn cAbbds gegründet, dass gewisse rezipierte Lesarten auf Achtlosigkeit der Kopisten [wahm — oder sakat, chata? — min al-kuttab) zurückzuführen seien [Tabari XVIII 77, unten). Die Berufung auf Aban, cAjischa, Ibn cAbbas und andere angesehene Zeugen der altesten Islamgemeinde ist natürlich völlig unhistorisch. Sie stammte jedoch jedenfalls aus der alten Periode der Exegese und lehrt mindestens, dass man die unbefangene Beurteilung der Textgestalt des heiligen Buches durch alte, unanfechtbare, wenn auch ersonnene Autoritaten glaubte legitimieren zu können 3). 1) z. B. zu 20, 66, wo nach irma der Nominativ (hadani) steht (Makkarill 521). 2) Nöldeke 1. c. 237. 3) Vgl. besonders auch Tabari XVII 24 für den bei Nöldeke'l. c. Zeile 8 erwahnten Fall. ' 2. In der bisher betrachteten textgestaltenden Tatigkeit stellt sich die primitive Stufe der Koraninterpretation dar. Wir dürfen aus den Erfahrungen an derselben die Folgerung ziehen, dass in bezug auf die Konstituierung des heiligen Textes im alten Islam eine weitherzige, sich bis zum Individualismus steigernde Freiheit geherrscht hat '), als ob es den Leuten ganz gleichgiltig gevvesen sei, dass sie den Text in einer seinem Urbild völlig adaequaten Form überliefern 2). Den Höhepunkt dieser Erscheinung stellt wohl der Bericht dar, dass selbst der Chalife cOthman den Koran zuweilen anders, gelesen habe als der Text in der gerade durch ihn veranstalteten und beglaubigten Redaktion überliefert ist. 3 v. IOO: „Es wird von euch eine Gemeinde erstehen, die das Löbliche befiehlt und das Verwerfliche verbietet" habe cOthman mit ein,em in seinen d. h. den cOthman'schen Text nicht aufgenommenen Zusatz vermehrt: „und bei dem, was sie Böses trifft, zu Gott sich um Hilfe wendet" (Tabari IV 24). Und auch das ausführende Organ der cOthman'schen Redaktion begegnet als Trager von Lesarten, die von dem durch ihn im Auftrag des Chalifen festgestellten Text abweichen 3). Der Chalife cOmar habe geurteilt: Der Koran ist (in welcher Textgestalt immer) richtig (sawab), oder nach einer anderen Version „befriedigend und heilsam" (kafin schafin), solange nicht durch die Leseverschiedenheit die göttliche Barmherzigkeit in Strafe oder diese in Barmherzigkeit verwandelt wird" (Tab. I 10), d. h. solange an dem Sinn der Worte keine grundsatzliche Verschiedenheit hervorgerufen wird. Es 1) Hingegen wird in einer bei Kastallam (VII 500) zu fadtfil al-kur'an nr. 3 angeführten Hadïthversion vorausgesetzt, dass die Vertreter der von einander verschiedenen Lesarten vor dem Zustandekommen der 'othmanischen Redaktion einander der Ketzerei ziehen fjukaffirti ba'duhum bazdan). 2) Vgl. N ö 1 d e k ev Neue Beitrage zur Semitische» Sprachwissenschaft 3 unten. 3) Kasschaf zu 10 v. 23 (Junschirukum st. jusajjirukum) (I 420). 3 34 komme also in erster Reihe auf den dem Text innewohnenden Sinn, nicht auf die minutiöse Festhaltung einer bestimmten Lesart an, eine Anschauung, die sich in bezug auf die liturgische Koranrezitation zu der auf die Autoritat von „Gefahrten" zurückgeführten Zulassung ') der blos dem Sinne, wenn auch nicht dem Wortlaut entsprechenden Textgestalt (al-kird'a bil-mcfna)2) zuspitzte. Wie weit die Voraussetzung dieser Gleichwertigkeit geht, kann nichts augenfalliger zeigen als ihre Anwendung auf einen in liturgischer Beziehung so hochwichtigen Text als welcher die Fatiha für die religiöse Übung - .gewiss schon in sehr früher Zeit anerkannt war. Da liest nun "Abdallah (wohl Ibn Mascud) an Stelle von ihdina1-sirata-l-mustakïm" das erste Wort mit dem Synonym arschidna3); beides bedeutet: „leite uns". Demselben Ibn Mascüd wird der grundsatzliche Spruch zugeschrieben: „Ich habe die Koranleser gehort und habe gefunden, dass sie (mit ihren von einander abweichenden Lesarten), einander sehr nahe sind (mutakdribünd); leset es denn wie. ihr es wisset. Es ist doch als ob ihr (um auszudrücken: komme her!) halutnma oder tcfala sagtet 4). (Beide Worte sind für den beabsichtigten Sinn gleichbedeutend). Von dem wegen seiner Frömmigkeit und Traditionsgelehrsamkeit angesehenen "Abdallah b. al-Mubarak (st. 797) erzahlt man, dass er niemals ein Wort der Bemanglung dafür hatte, wenn er einen Koranleser irgend ein Wort mit einer vom gewöhnlichen Text abweichenden Lesart vortragen hörte5). Wohl um solche Freiheit mit dem Anspruch auf unbestreit- 1) Sujütl, Itkan (Kap. 21, § 5) I 97, 19, der aber eine so weitgehende, radikale Formulierung dieser Zulassung ablehnt. 2) Wie beim Vortrag des Hadith, Muh. Stud. II 201. Gelegentlich sei zu dem dort gesammelten Material noch auf folgende alte Berichte verwiesen: Ibn SaV V 353, 23; VI 190, 6; VII 1, 115, 25 (dagegen ibid. 141, 11), DahabT, Tadkirat al-hifffaz II 172. 3) Kasschaf z. St. (I 9, 10). 4) Bei Jaküt^ ed. Margoliouth, II 60, 12; die Überlieferung' des Spruches geht durch cAll b. Hamza al-Kisa3I. 5) Dahabl, Tadkirat al-huffSz I 252, 3 v. u.: kana la jaruddu 'ala ahadin harfdn iÉH kara°a. 35 bare Berechtigung ausrüsten zu können, hat man den Propheten selbst zur Billigung derselben herangezogen. Es mutet freilich nicht wenig fremdartig an, von dem gewöhnlichen Text abweichende Lesarten als die des Propheten bezeichnet zu sehen '), was die Meinung voraussetzen lasst, dass es nichts auf sich habe das Gotteswort in anderer Form zu überliefern als in welcher es der Prophet ursprünglich verkündet hatte. Zu 9 v. 129 wird statt des rezipierten min anfusikum („es kam euch ein Prophet aus euch selbst") die Lesart min anfajikum („aus eueren Vornehmsten") als kirjat rasül Allah waFatima wa-cAjischa (Lesart des Propheten und der F. und CA.) verzeichnet2). Und dazu noch ein deutlicheres Beispiel: "Abdallah b. abi Sarh, Milchbruder des cOthman, der sich vor der Eroberung Mekkas zum Islam bekehrt hatte, nach dem Tode des Propheten abtrünnig wurde, um dann unter cOthman wieder eine hervorragende Stellung im Islamreiche einzunehmen, war beim Propheten als Koranschreiber in Verwendung gestanden. Über diese Tatigkeit sprechend 'soll er vor den Kurejschiten mit dem grossen Einfluss geprahlt haben, dessen er sich beim Propheten erfreute. Ich konnte ihn — sagte er — dahin wenden, wohin ich ëben wollte. Er diktierte mir z.B. "azizun hakimun. Ich bemerkte, ob es nicht c£limun hakimun auch tate. „Jawohl" sagte der Prophet, „alles ist richtig" (kullun sawabun)3). Dass aber solche, dem festen Glauben an die Integritat des ï) Es kommt vor, dass auch im Hadith ein Koran wort mit Abweichung von der maschhüra zitiert wird; Buch. Tauhïd nr. 29: ü°tü statt'iftltum (17 v. 87); ersteres wird von Acmasch als die von ihm vertretene Variante erkannt. 2) Kasschaf z. St. (I 415). Nach einem Bericht des Nacha'i galt es allerdings als unschicklich (kanü jakrahüna) die Lesevarianten mit den Namen ihrer Vertreter zu bezeichnen, als kira^at 'Abdallah (b. Mas£üd), k. Salim, k. Ubejj, k. Zejd u. a. m. Dschahiz, Hajawan I • 164, 9. 3) Usd al-ghaba III 173. Dies steigerten dann spatere Bearbeiter zur Beschuldigung: wakana jubaddil al-Kor'an (ibn abi Sarh) habe den Koran eigenmachtig gefalscht (Ibn Schihna, Raudat al-manmir [a/R des Ibn al-Athlr, Kamil, Kairo 1290] VII 147. Vgl. Casanova, Mohammed et la fin du monde 101). An Ibn abi Sarh wird in einer anderen Überlieferung eine von der hier angeführten verschiedene Erzahlung über sein Verhaltnis zur Feststellung des Korantextes geknüpft, bei Nöldeke-Schwally I 46 unten. 36 heiligen Offenbarungstextes nicht eben förderliche Freiheit anderseits in strenger denkenden Kreisen Missbehagen hervorrief; dass es nicht allenthalben als selbstverstandlich galt, die Duldung derselben nicht blos als Ausdruck der stillen Nachsicht zu betrachten, sondern ihr grundsatzlich Berechtigung zuzuerkennen, scheint aus folgender, wie gewöhnlich in die früheste Zeit des Islams ') hinaufgerückte Erzahlung ersichtlich zu sein. In der Schilderung der Paradieseswonnen {56 v. 28) werden geschichtete Bananen (talh) erwahnt, unter denen die Seligen sich ergehen. Nun lasst man cAlï die Bemerkung machen, dass ja dies ganz unverstandlich klinge: was solle denn die „Schichtung von Bananen" bedeuten? vielmehr ware hier statt talh passender tal" zu lesen, so dass von Blütenschichten die Rede ware. Dabei konnte er sich sogar auf eine Parallelstelle berufen (26 v. 148), wo in ahnlichem Zusammenhang in der Tat tal" gelesen wird. Die bei dieser Ausserung des cAlï Anwesenden fragen ihn: Wolltest du also in diesem Sinne die Lesung andern ? Darauf entgegnet cAli: „Der Koran wird heute nicht mehr beunruhigt und nicht verandert (Inna-l-Kur'ana la juhadschu al-jauma wala juhawwalu)" 2). Zum Siege gelangt jedoch eine vermittelnde Anschauung. Es wird nicht die Ausschlieslichkeit einer Textgestaltung, die nicht „beunruhigt werden dürfe" dekretiert, aber anderseits auch die schrankenlose Freiheit nicht zugelassen. Ihre traditionelle Beglaubigung findet diese Vermittlung in einem, der spater sich entfaltenden Koranlesewissenschaft ("ilm alkira'a) als Ausgangspunkt und Berechtigungsgrund dienenden 1) Den Chalifen cAbdalmalik lasst man Klage darüber führen, dass vom Osteh her unberechtigte Hadtthe verbreitet werden. Dass er diese Klage mit der Mahnung schliesst: „Haltet euch daran, was in eurem Korantext {rnashafikuni), für den euch der vergewaltigte Imam (cOthman) Übereinstimmung gescharfen hat und für den er sich des Rates des besten Beraters, Zejd b. Thabit bediente" (Ibn Sa'd V 103, 12), lasst darauf schliessen, dass es sich dabei um (vielleicht omejjaden-feindliche: vom Osten herkommende) Koranvarianten handelt. 2) Tabari XXVII 93. 37 Spruch Muhammeds, nach welchem das Wort Gottes von ihm selbst nach si eb en verschiedenen Weisen (W« satfati ahrufin) geoffenbart worden sei *), von welchen jede als göttlichen Ursprunges betrachtet werden solle2); einem Spruch, der wiewohl et mit der talmudischen Anschauung von der gleichzeitig in mehreren Sprachen erfolgten Offenbarung der Thora grosse Ahnlichkeit zeigt, von demselben doch unabhangig zu sein scheint. Seiner richtigen Bedeutung nach, über welche die islamischen Theologen selbst nicht im klaren sind — man zahlt bis zu'35 verschiedenen Erklarungen3) — wird er sich ursprünglich überhaupt nicht auf Leseverschiedenheiten beziehen; jedoch angesichts der überhandnehmenden „Beunruhigung" des Korantextes hat man kar/*) (plur. ahruf oder hurUf) in diesem Zusammenhang schon sehr früh als Leseverschiedenheit gedeutet und den Spruch für die durch einige Disziplinierung gemassigte Berechtigung der obwaltenden Verhaltnisse benutzt5). Der Prophet habe den Grundsatz ausgesprochen als man ihm von Abweichungen im Vortrag seines Korantextes benachrichtigte °). Es ist wohl nicht anzunehmen, dass selbst im Sinne dieser Deutung des Spruches, der irf die angesehenen Hadïth-Samm- 1) Darüber Nöldeke \ 37 ff. (2. Au-fl. 48 f.), 195. 2) Für die praktische Bewertung der Textvarianten ist es bezeichnend, dass die vom rezipierten cothmanischen Text abweichenden Lesarten, falls aus ihnen Folgerungen für die gesetzliche Praxis gezogen werden können, für diesen Zweck volle Berücksichtigung finden (Ibn Tejmijja, Raf al-malam 'an al-a'immat al-a'lam [Kairo, matb. al-adab 1318] 41). 3) Vgl. R~as(allanï, IV 266. Die hauptsachlichsten Erklarungen sind zusammengestellt bei Balawl, Kifab Alif-ba I 210—213. 4) In einer ihrer Beziehung nach mir nicht klaren Mitteilung bei Ibn Sa'd VI 67, 25 heisst 'es, das Abü WaDil als unsohicklich gefunden (karihd) habe, in bezug auf den Koran den Ausdruck harf zu gebraucheü; er sagte an dessen Stelle stets ism. • 5) Jemand, der in den Lesarten Bescheid weiss, ist dem entsprechend sahib Hurüf wa-kirïï^t (bei DahabI 1. c. I 197, II, vgl. imam kafn fl hurüf alkira°at (ibid. 312, 5 v. u.). 6) Buch. Chusümat nr. 3, Fadcfïl al-Rur'an nr. 5, Istitabat al-murtaddin nr. 9, Tirmidï, Sahlh II 155- 38 lungen aufgenommen ist, trotzdem er von einer Autoritat wie Abü QUbejd al-J^asim b. Sallam (773—837) als völlig unbeglaubigt gestempelt war '), mit der Zahl s i e b e n eine feste arithmetische Begrenzung beabsichtigt sei. Sie wird vielmehr, und auch in ihrer Anwendung auf Textunterschiede, als' Exponent der Vielheit gemeint sein2): der Koran sei nach zahlreichen ahruf geoffenbart worden; jedes stelle in gleicher Weise das unerreichbare Gotteswort dar 3). Mit der fortschreitenden Disziplinierung der mit dem religiösen Leben eng zusammenhangenden Übungen trat das Bedürfnis hervor, auch der in der Behandlung des Textes der göttlichen Urkunde herrschenden Zügellosigkeit so weit als möglich eine Schranke entgegenzusetzen. Es war nicht mehr tunlich, sie vollends einzudammen und den Korantext res'tlos zu uniformieren. Wie im rituellen und gesetzliche'n Leben, bei freier Anerkennung der Madahib-Differenzen einerseits ein die Zügellosigkeit einschrankendes Prinzip geschaffen wurde durch die Bedingung, dass eine abweichende Praxis nur in dem Falie zulassig sei, wenn sie sich auf gutes Hadith oder auf kompetente Prazedenzen aus den Kreisen der Gefahrten oder Nachfolger berufen könne, wobei anderseits der freien Bewegung in gewissen Grenzen Indulgenz gewahrt wurde: so ist auch in der Frage des Korantextes die individuelle Freiheit mit den Forderungen der Gleichförmigkeit ausgeglichen worden. Nur solchen Varianten wird Berechtigung zuerkannt 4) und j) schadd ghajr musnad, bei Balawï 1. c. 210, 4 v. u. 2) s. Nöldeke 1 39, 2 50. Vgl. Kadi 'Ijad bei Zurkanï zu Muwatta I 363 ganz unten. 3) lm Fikh wird die Frage aufgeworfen und mit verschiedenen Resultat erledigt, ob es zulassig sei, dass in liturgischen Übungen der Vorbeter und der der Gemeinde angehörige Andachtige die Korantexte in je verschiedene Lesarten rezitieren (ichtilaf harfej al-imam -wal-ma'müm). Die Verhandlungen darüber bei Subkl, Tak Schaf. IV 240 uit. ff. 4) Vom Grammatiker Abü Bekr Muhammed b. al-Kasim al-Anbari (st. 939), (Verf. des Addad-Werkes, ed. Houtsma), der auch zahlreiche koranwissenschaftliche Werke verfasste (Flügel, Grammatische Schulen 169 ff.), wird eine Schrift: zur Widerlegung jener, die vom cothmanischen (oder dem gewöhnlichen) Text 39 nur solche werden in die allen Nachahmungsversuchen trotzende Wundernatur (icdschaz) des Koranausdruckes inbegriffen, die sich auf kompetente traditionelle Autoritaten berufen können. Jede in diesem Sinne berechtigte Variante habe Anteil an der wunderbaren Natur des göttlichen Koranwortes. Aber über diese traditionell bezeugten Textabweichungen dürfe nicht hinausgegangen werden. Als erster, der die verschiedenen Koranlesarten kritisch untersuchte, den Gesichtspunkten, durch die sie motiviert sind, nachspürte und die Isnadketten, durch welche sich die seltsamen Lesarten beurkunden, einer strengen Prüfung unterzog wird ein jüdischer Konvertit aus Basra, Harün b. Müsa (st. ca. 170—180 d. H.) genannt, der durch Affiliation dem Azd-, Stamme einverleibt war. Trotzdem er sich muctazilitisch zum Glauben an die Willensfreiheit bekannte, haben ihn Buchari2) und Muslim als Hadïth-Tradenten berücksichtigt und auch der strenge Jahja b. Macïn hat ihn als zuverlassig erklart (watthakahu)3). Jedoch diese kritische Einschrankung der Freiheit ist noch immer von zu elastischer Art, um nicht radikales Eingreifen in die Textgestaltung in grösserem Umfange zuzulassen, als dies erwünscht sein mochte. Die Berufung auf kompetente Autoritaten ist keine schwierige Aufgabe, wo dieselbe sich bloss auf mündliche Beglaubigung zu beziehen hat. Die meisten Textabweichungen, die wir im Vorhergehenden als Beispiele angeführt haben, sind auf die angesehensten Gewahrsmanner abweichen, al-radd cala man chalafa mashaf 'Othnian (oder: al-ammd) erwahnt, die nacb Houtsma's Vermutung (Einleitung VII) mit einer im Addad-Werke unter anderem Titel zitierten Schrift des Anbarï identisch sein könnte. Jedoch scheint letztere exegetische Polemik gegen mulhidün, nicht die Zurückweisung textlicher Abweichungen zu enthalten. Keine der beiden Schriften ist auf uns gekommen. 1) %Huwa aiuwal man tatabba'a ■wudschüh at-iira'at toa-allafaha wa-tatabba a al-schadd minha wa-bahatha cala isnadihi. 2) z. B. Iciisam nr. 27 wo er Harün al-a'war genannt ist. 3) Chafib Baghdadï bei Sujütïj Bughjat al-wtfat 406, wo wudschüh al-Kur'an in w. al-hirS'al zu korrigieren war. 40 des ersten Jahrhunderts, auf Ibn fAbbas, auf cAjischa, auf c0thman, den Schöpfer der Koranredaktion, auf dessen Sohn Aban, auf anerkannte Koranautoritaten vom Range eines cAbdallah b. Mascüd und Ubejj b. Kacb zurückgeführt, und sie werden durch die besten Namen der alten theologischen Generation, wie Katada, Mudschahid usw. empfohlen. Hier setzt nun die wörtliche Deutung des unklaren Hadith von den sieben ahruf ein. Wie im Gesetz die Imame der vier madahib, so wurden auf dem Gebiete der Koranlesung mit der Zeit sieben, je eine Variantenrichtung reprasentierende Schulen anerkannt, deren mit Namen genannte Imame ihre Lesarten auf beglaubigte Tradition stützen und auf die sich die Gleichberechtigung in der Konstituierung des Textes beschranken solle Dementsprechend wird vom Fachgelehrten in der Koranlesewissenschaft (hart1 oder mukri1) bald gefordert, dass er den heiligen Text nach allen diesen sieben Lesarten innehabe; sonst könne er auf den Titel eines Koranlesers nicht Anspruch machen2). Diese Meisterschaft wird stets hervorgehoben, so oft von irgend einem Gelehrten seine Qualitat als mukri1 gerühmt wird 3). Die Gleichberechtigung der Lesarten 4) kommt praktisch zuweilen auch dadurch zum Ausdruck, dass, obwohl die Rezipierung der einzelnen Kira^a-Systeme auf je verschiedene Gebiete des Islams verteilt ist, es doch vorzukommen 1) Über den EntwickZungsgang dieser Festsetzung, Brockelmann I 189. 2) Hischam b. 'Ubejdallah al-RazI (st. 836) bei Ibn 'Abdalbarr, Dschamf bajan al-ilm 121, 10 v. u. 3) Vgl. das Epithet Sabca zade, das der Vater des Grossvezirs Kütschük Séïd Pascha führte, mit der Begründung, dass sieben seiner unmittelbaren Vorfahren, die das Amt des Vórbeters bei der Gerberzunft in Angora ausübten, den Text des Korans nach den sieben ahruf meisterten (Sü'ssheim in Festschrift Hommel II 303). 4) Dieselbe wird durch die provinzielle Bevorzugung einer besonderen unter den sieben Lesarten nicht aufgehoben, wie wenn, freilich nur volkstümlich, das (nach MukaddasI zumeist im Maghrib begünstigte) System des Nafi' als kirÏÏat ahl al-dschenne (die Lesart der Leute des Paradieses) ausgezeichnet wird (Taus. und Eine Nacht [Bülak 1279] II 369, 15. N. 446). 41 scheint, dass wie Sckacranï (st. 1565) von den Koranlesern seiner Zeit (kurra3 zamanina), freilich mit Missbilligung berichtet, die Rezitatoren bei jedem Wort samtliche beglaubigte Varianten verlautbaren '). Es ist jedoch' nicht zu übersehen, dass in diesen Festsetzungen das Element der Freiheit die Siebenergrenze bald überschreitet. Wie der Geograph Mükdddasi, der für seine Zeit (letztes Drittel des zehnten Jahrhunderts) und sein Beobachtungsgebiet das Vorherrschen je eines Lesesystems, in vier Hauptgruppen auf Provinzen verteilt, von dreizehnerlei nach ihren Autoritaten aufgezahlten Lesevarietaten berichten kann, mit dem Zusatz, dass „nach der Meinung der meisten Imame alle r ich tig sei en"2), so horen" wir anderseits von acht3) oder auch zehn massgebenden kanonischen Lesern, deren sukzessives Auftreten bis in das neunte Jahrhundert Chr. reicht 4). Spater ist allerdings die erweiterte Zahl der Variantengruppen durch Reduzierung auf sieben Schulrichtungen 5) der in diesem Sinne gedeuteten Ahruf-Tradition wieder angepasst worden G). * 1) al-Durar al-manthüra fl zitbad al'ttlüm al-maschhüra, ed. Schmidt (Petersburg 1914) 8, 9 ff. Es ist nicht ersichtlich, ob sich diese Nachricht auf den Siebenerkanon beschrankt, oder ob sie bedeutet, dass auch noch mehr Varianten in die Rezitation einbezogen wurden. 2) Bib/. Geogr. arab., ed. de Gpeje III 39, 11 ff. - 3) Ibrahïm b. 'Abdalrassak aus Ahtiochien (st. 949) verfasste ein Buch darüber (Jaküt, Geogr. W B. I 388, 7). 4) Brockelmann II 112 nr. 15. 5) Neben den sieben Lesarten des Ibn Mudschahid werden noch besonders die „Lesart des Propheten" (Fihrist 31, 20, vgl. oben S. 35) oder nach einem andern Bericht ausserdem die „des 'Alt b. Abi Talib" (Sam'anï bei Jaküt 1. c. II 118, 7) erwahnt. Dass 30 v. 53 wiederholt du'/ (nicht da'f) zu lesen sei, wird als Anweisung des Propheten erwahnt (s. die Kommentare); desgleichen wird die Bevorzugung der Lesart scharb (gegen schurb oder schirb) 56 v. 55 mit einem Isnad bet Tabaranl (Mu'dscham Saghïr) 233 als Lesart des Propheten verzeichnet. Eine Sammlung von Lesarten des Propheten gibt Tirmidï, Sahth, II 152—156: abwab al-hira°al 'an rasül Allah. Es ist allerdings unklar, wie neben den auf Muhammed selbst zurückgeführten kirS'at noch andere aufkommen oder sich behaupten konnten; es sei denn, dass die Isnad-Beglaubigung der ersteren (wie aus den Glossierungen des Tirm. ersichtlich ist) von der Kritik nicht als stichhaltig anerkannt wurde. 6) Nöldeke' 294. 42 Durch das Festhalten an dieser bestimmten Zahlengrenze sollte ein Damm aufgerichtet werden, durch den das Überfluten willkürlicher, wenn auch geistreicher Einfalle zu verhindern sei. Man wollte dadurch, gegenüber der überhandnehmenden Willkür und zu befürchtenden Schrankenlosigkeit, endlich einigermassen festen Boden gewinnen. Jedoch diese auf die relative Beschrankung der Freiheit in der Behandlung des Korantextes abzielenden Bestrebungen sind nicht allgemein durchgedrungen. Wir können in diesem Teil der islamischen Wissenschaft eine geradezu ratselhafte Unschlüssigkeit beobachten. Hervorragende Theologen bestreiten der Regel von den „sieben ahruf" ihre beschrankende Absicht, indem sie auf die Tatsache hinweisen, dass jene sieben sogenannten kanonischen Lesarten, die durch kompetente alte Autoritaten vertretenen Lesemöglichkeiten in Wirklichkeit nicht erschöpfen. Die Beschrankung sei pure Erfindung der Spateren und habe in der alteren Tradition nicht die mindeste Begründung. Es sei Gaukelei, einen Zusammenhang zwischen den Leserschulen und der Tradition von den „sieben Lesearten" zu konstruieren. Anerkannte Vertreter der theologischen und insbesondere der Koranwissenschaft sind Anwalte der fortgesetzten Freiheit. Abü Bekr ibn al-cArabl (Kadï von Sevilla, st. 1151), der als Autoritat in der Koranlesekunst angesehene Abü Muhammed Makt b. abt Talib alKajsl (al-mukri3, st. 1045) ') und noch manche andere der besten Namen finden wir unter den Gegnern der Siebenerschranke 2). Der hauptsachlich als Verfasser eines für die Geschichte der Kreuzzüge wichtigen Quellenwerkes über Nor aldïn und Saladin3) bekannten, jedoch trotz der hohen Schatzung, 1) Brockelmann I 406. Ibn Hazm hatte persönlichen Verkehr mit ihm (Milal IV 125, 10). 2) Sie sind mit ihren Urteilen über diese Frage im Itkan (Kap. 22 ff.) I 100—103 erschöpfend angeführt.- 3) Brockelmann I 317. Zu seiner historischen Betatigung gehort auch sein Auszug (muchtasar) der riesenhaften Damaskus-Monographie des Ibn 'Asakir. 43 die ihm in der islamischen Literatur gerade auf theologischem Gebiete zuteil wird '), in dieser Richtung nicht gewürdigte 2) Abü Schama (st. 1268) spricht in ganz entschiedener Weise sogar die Meinung aus, dass es dem idschmac der zustandigen Gelehrten widerspreche, die Tradition von den sieben geoffenbarten ahruf auf die sieben kanonischen Leseschulen zu beziehen, wie dies die Ansicht einiger unwissender Leute (bd'd ahl al-dschahl) sei3). Abü Schama verfasste ein Spezialwerk über die verschiedenen Erklarungsweisen der ^!^r«/-Tradition *); demselben wird wohl dies Urteil entnommen sein. In der Tat bleibt man in spaterer Zeit bei den kanonisierten sieben (bezw. zehn) Lesartengruppen nicht stehen. Der bekannte Kommentator der Traditionssammlung des Bucharï, Schihab al-din al-J^astalldrii (st. 1517), der in Kairo am selben Tage zu Grabe getragen wurde an dem der cothmanische Eroberer, Sultan Selïm siegreich in die Nilstadt einzog, bezieht sich in seinem Werke öfters5) auf sein „grosses Buch über die vierzehn Lesarten des Korans" °). Die gelehrte Sklavin Nach Mdkiari, I, 659 hat er über dieses muchtasar in Damaskus Vorlesungen gehalten. 1) Ër gilt als mudschtahid (d. h. als Gelehrter, der ohne Rücksicht auf eine bestimmte Schulrichtung zur unabhangigen Urteilsbildung berechtigt ist) und man staunt darüber, dass er sich nichtsdestaweniger positiv zur schafi'itischen Schule (als mukallid) bekannte (Ibn Hadschar al-Hejtaml, Fafawl hadïthijja 124, 13). 2) Besonders kommt dabei in Betracht seine in meiner Einleitung zur Streitschrift des Gazali gegen die Batinijja-Sekte 2 Anm. erwahnte Schrift, sowie das bei Sujntl haufig angeführte al-Murschid al-wadschïz. Sein Schüler und Nachfolger im Lehramt, al-Nawawï Stiert von ihm (die Stelle ist mir entgangen) einen gegen bidac eifernden Traktat u. d. T. al-Bafith 'ala inkar al-haviadith wal-bida'. 3) Zurkanï zu Muwatta I 364, 21 ff.;1 Itkan (Kap. 22) I 100. Auch andere angesehene Autoritaten bezeichnen diese „Meinung der gewöhnlichen Leute (al'awammy als „hassliche Ignoranz" (dschahl kaiik: Itkan [Kap. 17] I 63, 14). 4) Nöldeke-Schwally I 50, 4. 5) Kitabï al-kablr fi-l-kirct^at al-arba'at 'aschar, z.B. I 189 (zu V/»/, nr. 8), VI 99 (zu FadWil al-askab, nr. 6), VII 146 (zu Tiifsir, nr. 98), ibid. 238 (zu ibid. nr. 158), IX 37 (zu Adab^ nr. 38). Vgl. aus spaterer Zeit Brockelmann, II 327, nr. 14. 6) Wie es scheint, verschieden von Brockelmann II 73i nr- 4- 44 Tawaddud lasst man von sich rühmen, dass sie den Koran nach den sieben, den zehn und den vierzehn Lesarten lesen könne '). Diese Anschauung ist mit dem aus alterer Zeit gegenüber den Lesarten bezeugten Verhalten der Orthodoxie in vollem Einklang. Man hat es als Pietatlosigkeit betrachtet, über Lesarten, die von frommen Autoritaten herrühren, den Stab zu brechen und mögen sie sich noch so sehr von der Heerstrasse der üblichen Koranlesung entfernen2). Wir haben die „Gefahrten" cAbdallah b. Mascüd und Ubejj b. Kacb als Urheber der radikalsten Eingriffe in den Korantext kennen gelernt. Nichtsdestoweniger wird unter den gemissbilligten Eigentümlichkeiten einer dissentierenden dogmatischen Schulrichtung besonders hervorgehoben, dass ihr Stifter Dirar b. zAmr die Lesarten dieser beiden Autoritaten zurückgewiesen und sie als von Gott geoffenbart nicht anerkannt habe 3). Das Höchstmass der Eindammung der Willkürlichkeit wird erreicht in der Forderung, dass die Lesarten den Gesetzen der arabischen Sprache entsprechen müssen und aus dem graphischen Gerippe der arabischen Konsonantenschrift begründet werden können, Bedingung, die bei den Lesarten der beiden erwahnten Autoritaten, mit ihren Textzusatzen und Wortvertauschungen freilich nicht zutreffen. Besonders sind es die MutakallimUn, die dem masoretischen Korantext gegenüber ihre Freiheit nicht einschranken lassen. „Es sei zulassig — sagen sie — in der Feststellung der Lesarten seine subjektive Meinung (al-ra j') und seine unabhangige 1) Tausend und Eine Nacht, ed. cJt. II 360, 9 (N. 438). 2) Bei Gelegenheit einer als schadd bezeichneten, auf 'Abdallah b. Mascüd zurückgeführten Variante zu 51 v. 58 (innl ana al-razzak für inna-llaha huwa al-razzak) sagt DahabI nach einer gewundenen Auseinandersetzung schliesslich, dass man diese Variante doch nicht absolut zurückweisen dürfe, da sie doch von einer zuverlassigen Autoritat tradiert ist und da die Verschiedenheit in der Lesung des Korantextes einmal eine gegebene Tatsache ist (Tadkirat al-huffaz I 359 oben). 3) Baghdüdï, Kitab al-fark 202, 2. 45 Ansicht (al-idschtihad) selbstandig zu betatigen, wenn von seiten der Sprachrichtigkeit gegen dieselbe nichts eingewendet werden kann"; ganz gleichgültig sei dabei, dass solche selbsterschlossene Lesarten auf den Propheten formell nicht zurückgeführt werden können '). Freilich lasst man sich solche individuelle Freiheit nur von anerkannten orthodoxen Autoritaten gefallen; sie dürfe nicht den Stempel kecker Zügellosigkeit2), oder am Korantext geübter Schulmeisterei an sich tragen. Ferner müsse die Anerkennung abweichender Lesarten eine ernste Gemeinde von Anhangern als ihre Stütze nachweisen können, die sie über das Niveau launenhafter persönlicher Einfalle emporhebt. Was in diesem Sinne verurteilt und zurückgewiesen wird (dazu gehören auch die Konjekturen der Mutakallimün), gehort in die Klasse der auch von den Anwalten der Freiheit strenge abgelehnten schawadd (sing. schaddatun) d. h. völlig isolierter, von zurechnungsfahigen Koranlesern nicht aufgenommener Konjekturen 3). Die Philologie zieht zwar auch diese in den Kreis 1) Itkan (Kap. 22) I 97 uit. 2) Man hat Korantexte gelegentlich auch witzweise verandert, natürlich ohne solche Schnurren als ernstgemeinte Lesarten ausgeben zu wollen. Von einem als grossen Korangelehrten (a/iad al-huffaz al-kibar) gerühmten 'Othman b. abi Schejba (Kufenser, st. 853, einer der Schejche des Bucharï) wird erzahlt (Dahabï, Tadk. huff. II 30 uit.), er sei ein Spassmacher (mazzah) gewesen, der selbst Korantexte verfinderte (jatasahhaf), um dadurch Witze anzubringen. „Vielleicht — wird hinzugefügt — hal er dafür bussfertig Reue geübt". Aber auch sein ernstes Tafsïr beruht haufig auf solchen Misslesungen, weswegen ihn Darakutnl (im Kitab al-tashlf) seine Kompetenz als Korankenner vollends in Abrede stellt {Kastallam II 514 zu Buch. Dschanöfiz, nr. 83). Ein Humorist hat einmal im Hinblick auf die in der Nahe von Schahrazür ihr Unwesen treibenden Kurden 9 v. 98 statt „die A/nber sind hart im Unglauben u.s.w." gelesen: „die Kurden (al-akrad)" u. s. w. Darüber zurechtgewiesen sagte er: „Gott hat keine Reise nach Schahrazür unternommen um sich von der Schlechtigkeit der Umwohner zu überzeugen" (Jaküt, Geogr. W B. III 341, 20). Subkl (Tab. Schaf. V.129, 5) erzahlt, dass beim Begrabniss des CA1I b. Hibatallah al-Dschummejzï (st. 1248), der selbst ein berühmter Kenner der Koranlesarten war, der mit der Koranrezitation Betraute 43 v. 61 statt la-'ilmun, um dadurch eine geistige Teinte anzubringen, la-alanfm las. 3) Al-Dam bei Brockelmann, I 407, nr. 6; ^442 Bckr al-Chwarismï(st. 1002} nennt als Typus der Erfinder solcher Seltsamkeiten (nawadir) der Koranlesung 46 ihrer Erörterungen '); aber die theologische Korankritik nimmt ihnen gegenüber eine ablehnende, ja auch streng verurteilende Stellung ein. Bis in die spaten Zeiten führt ihre Litteratur scharfe Polemik gegen solche Willkürlichkeit2). Denn es hat ja immer selbstandige Köpfe gegeben, denen evidente Unkorrektheiten im Korantexte, wenn sie auch von den anerkannten kanonischen Lesern übersehen oder geduldet, zuweilen auch gerechtfertigt wurden, nicht als unantastbare Heiligtümer galten. Solche Kritiker musstén aber immer auf den energischen Protest der strengen Orthodoxie gefasst sein, die wenn sie auch in der Zulassung der Freiheit über die als kanonisch anerkannten „Leser" hinausging, die willkürliche Konjektur in das verpönte Gebiet der schawadd verwies und als in diese Klasse gehorig verurteilte3). Sie hatten, zumal wenn sie von berufsmassigen Leuten mit dem ernsten Anspruch auf Anerkennung versucht wurden, zuweilen auch schwere Ahndung von Seiten der die religiösen Güter handhabenden Kreise zur Folge, in denen man der Ausweitung des Gebietes der Freiheit nicht allzusehr gewogen war. Im Jahre 322 und 323 d. H. (934—5 Chr.) haben in Baghdad zwei berufsmassige Koranleser sehr unangenehme Erfahrung damit gemacht, dass sie vom cothmanischen Text abweichende Lesarten in Kurs bringen wollten. Der eine (Ibn Schannabüd *), zu dessen Schülern auch Mucafa b. Zakarijja, einen Abu-l-cIbar (Rasö?il {sA. Konstantinopel, DschawaHb-druckerei, 1297] 193, 14). 1) Ibn Dschinnl verfasste eine Schrift über die grammatische Determination solcher Lesarten, Brockelmann I 126, nr. 7 = Rescher, Z A. XXIII 8, nr. 17. 2) Der aegyptische Maljkit Schams al-dïn al-Nuwejrï (st. 1453) schri'eb ein polemisches Werk gegen solche schawadd der Koranles,ung, Brockelmann II 113, nr. 21 (— Kremer'sche Hschr. nr. 80). 3) Es werden Korangelehrte genannt, die ausser den kanonischen Lesarten auch noch die schawadd inne hatten (jfaküt, ed. Margoliouth III 65, 6 = Sujütl, Bughjat al-wu'at 219 12; ysküt 1. c, V 113, 9). 4) Schüler des mekkanischen Koranlesers Abü Muhammed Ishak al-Chuzacï, Tradenten der Mekkamonographie des Azrakï, Chr ontken d. St. Mekka, ed. Wüstenfeld, I xiv, 11. wo der Name richtigzustellen ist. — Der bei P. Loosen in Zeitschr. für Assyriologie XXVII 200, 3 v. u. erwahnte I. Sch. ist ein anderer. 47 der hervorragendste Jünger des grossen Tabari gehort1), wurde durch den auch als Kalligraph berühmten Vezir Ibn Mukla wegen prinzipiell ganz belangloser Lesevarianten 2) einem peinlichen Gerichtsverfahren unterzogen, bei dem sich der Angéklagte den zu seinem Verhör versammelten Richtern und Sachverstandigen (zünftigen Koranlesern) gegenüber sehr herausfordernd benahm. Selbst dem Vezir soll er ganz rücksichtslos entgegengetreten sein und ihm, nachdem er beschamende Züchtigung über ihn verhangte, die — bekanntlich eingetroffene — Verwünschung entgegengeschleudert haben, dass ihm selbst einmal die Hand abgehauen werden möge. Schliesslich wurde er zu Kerkerstrafe verurteilt und er konnte erst nachdem er in feierlicher Weise die Bekehrung von seinem Irrtum auch in einem, im Text erhaltenen Protokoll3) dokumentiert hatte, seine Freiheit wieder erlangen. Merkwürdigerweise wurde ihm auch zur Last gelegt, dass er in seiner Koranrezitation die Interpolationen des "Abdallah b. Mascüd und des Ubejj b. Kacb aufgenommen habe. Zu seiner Schule gehorte der Koranleser (al-mukri3) Abü Bekr al-cAttar (st. 965), der wegen seiner Lesefreiheiten gleichfalls einer peinlichen Untersuchung unterzogen wurde, die dazu führte, dass seine für die Textabweichungen argumentierenden Schriften dem Scheiterhaufen übergeben wurden. Trotzdem auch er weiterer Verfolgung sich durch feierlichen Widerruf entzog, soll er dennoch bis an sein Lebensende an seinen Textvarianten festgehalten haben 4). Insbesondere war den Theologen die schulmeisterische Intervention der Philologen 5) überaus missliebig, trotzdem sie in 1) Dahabï, Tadkirat al-huffaz III 217. 2) Sie sind im 'Fihrist 31, 27 ff. und der in den Anmerkungen z. St. verzeichneten Litteratur aufgezahlt.. 3) Kitab tauba; ein Specimen eines solchen Dokumentes s. Z D M G LXII 20. 4) Muh. Stud., II 240; Jaküt, ed. Margoliouth, VI 300, 500, daraus Sujütl, Bughjat al-wifat 36; vgl. Ibn al-Athïr, ad. ann. 322 (VIII 221), Abulmahasin, ed. Juynboll, II 289. 5) Wir begegnen allerdings Hammad al-rawija, Alferra u. a. Sprachgelehrte 48 der Regel sich viele Mühe geben sprachliche Schwierigkeiten des Korans, ohne in den überlieferten Text verandernd einzugreifen, auszugleichen '). Jedoch man halt sie im allgemeinen für unbefugt, gleich berufsmassigen Koranlesern, von ihrem Gesichtspunkt aus am Gefüge des heiligen Textes zu rütteln2). In alteren Zeiten anerkannte man wohl auch Lesarten, die durch das Bedürfnis hervorgerufen waren, der strengen grammatischen Regel zuwiderlaufende Wortformen und Satzgefüge des Korans denselben anzupassen. Beispielsweise wird 49 v. 9, wo ein Pluralpradikat mascul. (iktatalü) auf ein Dualsubjekt femin. (ta^ifatani) bezogen ist, durch einige Koranleser mit der Forderung der Grammatik dadurch in Einklang gebracht, dass der eine (Ibn abï cAbla) das Pradikat als Dualis fernin. (iktatalata), der andere (cUbejd b. cUmejr) als Maskulinum, jedoch jedenfalls als Dualis liest (iktatala), wodurch wenigstens einigermassen die grammatische Kongruenz hergestellt wird 3). In spateren Zeiten wird der Gebrauch des grammatischen Rotstiftes sehr übel genommen 4). Sehr unzart wird z. B. der berühmte Philolog al-Mubarrad abgeführt, als er sich ganz schüchtern zur Ausgleichung einer syntaktischen Unebenheit 5) zum Worte meldet. Es heisst namlich an einer zum geflügelten Wort der islamischen Ethik gewordenen als Trager berücksichtigter Koranlesarten. Zamachscharï zu 2 v. 3 fiihrt sogar eine besondere Lesart (ju'kinüna, mit Hamza) vom frivolen Dichter AbO Hajja al-Numejrl an; vielleicht blos im Sinne eines Curiosums. ' 1) Ein bezeichnendes Beispiel ist ihre Bemühung um 58 v. 4, um die der Analogie nicht entsprechende Konstruktion des Verbums cada (zurückkehren) mit Praeposition li zu rechtfertigen (LA s. v. IV 310, 5 v. u.). 2) Bei Hadlthtexten war der Eingriff der Granimatiker nicht so unwillkommen {Muh. Stud. II 239). 3) Kasschaf z. St. (II 359}. 4) Als schadd-Variante kann sich eine der grammatischen Regel nach fehlerhafte Lesart einschleichen (Beispiel bei Nöldeke, Zur Gramm; d. klass. Arabisch 43, 8), die man sich jedoch bemüht grammatisch zu motivieren: 2 v. 57 ilhnata 'ascharata (LA s. v. cschr, VI 244, 11). 5) Über ahnliche stilistische Freiheit, namentlich in der Korrespondenz der Glieder in Vergleichungen Nöldeke, Neut Beilrdge sur semilischen Sprachwisscnschaft 10. 49 Koranstelle, in welcher der Prophet über die Abanderung der Gebetsorientation (Kibla) sich aussert (2 v. 172): „Nicht dies ist Frömmigkeit, dass ihr eure Gesichter gen Osten oder gen Westen wendet, sondern Frömmigkeit ist wer an Allah glaubt und an den jiingsten Tag und an die Engel und an das Buch und an die Propheten, u. s. w.". „Frömmigkeit ist, wer" unlaugbar ein Anakoluthon, das sich zwar mit Scharfsinn unter das Joch syntaktischer Forderungen zwingen liess, aber nach dem Geschmack des Mubarrad doch nicht in Gottes Mund gegeben werden könne. Der berühmte Philologe hat denn auch den Mut auszusprechen: „Gehörte ich zu den kompetenten Autoritaten des Koranlesens, so würde ich hier statt al-birr (die Frömmigkeit) al-barr (der Fromme) vorschlagen" '). Dafür hat er noch Jahrhunderte nach seinem Tode den Zornausbruch des Orthodoxen zu ertragen, der gerade die rezipierte Lesart al-birr der rhetorischen Unübertrefflichkeit des Gotteswortes entsprechend findet. Scharfe Zurechtweisung von derselben Seite ist, wegen ahnlicher philologischer Konjektur, auch der feinsinnige Zamachschari (st. 1143) nicht entgangen. Zu 6 v. 138 „So haben auch vielen der Götzendiener ihre Genossen (schurakauhum) vorgespiegelt die Tötung ihrer Kinder" einer Stelle, an deren syntaktischem Gefüge sich mehrere Varianten angesetzt haben, wird auch eine Lesart des Abü cAmir 2) überliefert, lautend: zujjina hatlu auladahum schuraka'ihim (wörtlich:) „es wurde ihnen vorgespiegelt das Töten ihrer Genossen ihre Kinder", d. h. dass ihre Genossen ihre Kinder töten mögen. Hier ware Ttatlu schuraka'ihim „das Töten ihrer Genossen" (gen. subj.) ein status con- 1) Vgl. Kasschaf z. St. (I 87) und die polemische Zurechtweisung des Ibn al-Munejjir. Jedoch auch als zustandig anerkannte „Leser" haben an dieser Stelle aus demselben Grund ahnliche, in der* Kommentaren verzeichnete Varianten vorgeschlagen. Mubarrad hat dieselbe Bemerkung wohl auch auf 2 v. 185 bezogen, wo dieselbe syntaktische Erscheinung vorliegt. 2) Es ist die Lesart der Syrer; vgl. Karabacek, Ein Koranfragment des IX. Jahrhunderts (Wiener Sitzungsberichte Phil. KI., 184 Bd., Nr. 3) 36. 4 50 structus, dessen Komponenten durch das Objekt [auladahum) getrennt sind. Diese Sprengung des st. est. widerstrebt dem feinen grammatischen Geschmack des Zamachscharï'), auf dessen Tatigkeit auf dem Gebiete der Koraninterpretation wir in einem der weiteren Abschnitte einzugehen haben. „Kame derartige's in der Poesie als licentia poëtica vor, so würde es als weitgehende Freiheit beanstandet werden; wie erst in ungebundener Rede und wie erst recht im Koran, der durch das schone Gefüge seines Ausdruckes wunderbar und unerreichbar ist ?" Zamachscharï sucht auch einen graphischen Anlass, der die seiner-Ansicht nach unbrauchbare Lesart des Abn cAmir hervorgerufen hat. Darob noch über ein Jahrhundert spater Zetern des orthodoxen Kritikers Ibn al-Munejjir, malikitischen Kadïs in Alexandrien, der in dieser Ansicht des Zam. eitel Ketzerei findet. „Die Bekenner der Wahrheit wissen, dass alle sieben Lesarten durch den Engel Gabriel dem Muhammed mitgeteilt wurden und sich von dorther auf die Imame der Koranlesekunst fortpflanzten. Da hat schulmeisterliche Kritik keinen Platz; sie zu üben, ware eine Tat sündhafter Anmassung eines grammatischen Pedanten. Der Korantext unterliegt nicht den grammatischen Analogien, vielmehr ist er Quelle und Muster für dieselben"2); er biete das Korrektiv für den richtigen arabischen Sprachgebrauch, nicht aber umgekehrt3); 1) Vgl. auch seine Bemerkung zu der 14 v. 48 vorgeschlagenen Lesart: muchlifa wcfdahu rusulihi (I, 511)- 2) Fachr al-dln al-RazI, Mafatth al-ghajb VI 69 mit Bezug auf Berichte, nach welchen cOthman, 'Ajischa u. A. die grammatische Konstruktion in 20 v. 66 (inna mit Nomin. des Subjekts) als fehlerhaft erklarten: „Die Muslime stimmen überein darin, dass alles was zwischen den zwei Einbanddeckeln ist, Gotteswort sei, darin Fehler und Versehen nicht vorkommen können. Hieraus folgt die Unrichtigkeit dessen, was von 'Othman und 'Ajischa berichtet wird". 3) lbn al-Munejjir zu Kasschaf 6 v. 138 (I 313 f.); Nizam al-dln al-Nlsabürl (Ende des XIII., Anfang des XIV. Jhd.'s) Tafsir ghara°ib al-Kur'an (Kairo 1321 a/R. des Tabarl-Kommentars) I 6, 2; Kastalt'anl VII 146 (zu B. Tafsir, nr. 98): al-carabijja tusahhahu bil-kirS'a la al-iirS'a bil-carabijja. Denselben Anspruch erhebt auch noch cAll Muhammed (der Bab) in bezug auf die sprachlichen Schnitzer in seinen arabischen Gedichten (Ze Béyan fersdn, traduit par Nicolas [Paris 1911] I 45; vgl. das persische Zitat bei Rosen, Les Manuscrits Persans 5i ein Prinzip, für das sich übrigens — in bezug auf die rezipierten Lesarten — Zamachscharï selbst mit Entschiedenheit einsetzte '). Und nun hauft der orthodoxe Opponent des Zamachscharï Beispiele aus den Poëten, durch die die Zulassigkeit der Trennung der Komponenten des status constr. von einander philologisch bezeugt wird, Beispiele allerdings, von derengleichen Zamachscharï eben behauptet hatte, dass sie als licentia poëtica zur Not wohl zulassig, aber immerhin als unfein zu beanstanden seien. Für die der gewöhnlichen Lesart zugeeignete Autoritat ist der von dem eben genannten malikitischen Kadï in seiner Glosse zu 5 v. 42 ausgesprochene, in weiten Kreisen als massgebend anerkannte Grundsatz bezeichnend; wonach eine induktive Untersuchung der Lesarten (al-tnustakra,u. min wudschüh al-kircfai) zu der Überzeugung führt, dass in der Regel die allgemein verbreiteten auch den rhetorischen Forderungen mehr entsprechen als die variae lectiones 2). Die üppig wuchernden Lesarten alterer Korangelehrten haben auch dem Humor als Gegenstand gedient. Eine der ehrwürdigsten Gestalten der arabischen Litteratur ist der einsame blinde Gelehrte und Dichter Abu-l-^Ala (st. 1057), genannt al-Macarrï, nach seinem Wohnorte, dem aus de Vlnstitut des Langues Orientales [St. Petersburg 1886] 3 Anm.). Dasselbe gilt vom lexikalischen Sprachgebrauch des Propheten im Hadith-: wa-nutk afsah al-fusaha min akwa al-dalafil (A'astall. II 165' zu Buch. Aian, nr. 162, wo vom Knoblauch die Bezeichnung als Baum [sciadsc/iard] gebraucht wird). 1) Zu 4 v. 160 (dem unbequemen al-mukïmlna — das viele als Schreibfehler betrachten): „Man darf nicht berficksichtigen die Meinung derer, die einen Schreibfehler im Text des mashaf voraussetzen. Dies tun nur solche, die die Anwendung des Akkusativs (in dem vorliegenden Falie) nicht kennen und nicht wissen, dass die Altvorderen, deren Gleichniss im Alten Testament und im Evangelium zu finden ist, mit hochsinnigem Eifer erfüllt waren für den Islam und die Abwehr aller Angriffsmöglichkeiten gegen ihn. Wie sollten diese im Gottesbuche eine Furche bestehen lassen haben, die erst die Nachfolger auszufüllen, einen Riss, den erst diese auszubessern hatten?" (I 239). 2) Kasschaf I 257. 52 der Geschichte der Kreuzzüge zu tragischer Berühmtheit gelangten syrischen Stadtchen Mcfarrat al-Nocman, das Boëmund, Prinz von Antiochien, nach ' einem hartnackigen Widerstand der Einwohner — die Muslime wendeten hier zu allererst griechisches Feuer gegen die Kreuzfahrer an — dem Islam entriss. Dies geschah kaum ein halbes Jahrhundert nach dem Tode des Abu-l-cAla, der dem Stadtchen eine Berühmtheit in der arabischen Litteraturgeschichte verschaffte. Wegen seiner von unabhangigem Freisinn getragenen Epigram me hatte der Name dieses einsamen blinden Denkers wohl ebenso verdient, Gegenstand der Huldigung selbst der europaischen Nachwelt zu werden, wie der des persischen vZeltmachers') (st. 1121). Freilich sind die Epigramme des ersteren, wegen des zuweilen gesuchten Charakters ihrer Ausdrucksweise und der oft tieferliegenden philologischen Voraussetzungen ihres Verstandnisses zu allgemeiner Verbreitung und popularer Anerkennung weniger geeignet als die glatten, leichtverstandlichen, einschmeichelnden und an überraschenden Pointen reichen Sprüche des Chajjam. In der Form eines wissenschaftlichen Sendschreibens an seinen Freund cTsa b. Mansür hat al-Macarrï ein in litteraturgeschichtlicher Beziehung in hohem Masze beachtenswertes, bisher wenig gewürdigtes Werk hervorgebracht: kein geringeres als die Bearbeitung des Motivs der Divina comedia dritthalb Jahrhunderte vor Dante. In Begleitung des genannten Freundes unternimmt er einen Streifzug durch Paradies und Hölle. Sie schreiten mit einander durch die verschlungenen Raume der jenseitigen Welt und unterhalten sich dabei mit den Bewohnern derselben (zumeist Dichtern), denen sie auf ihrem Rundgang begegnen, über die Ursachen ihrer Bestimmung zur Paradiesesseligkeit oder zur Höllenqual. Zu ihrem Erstaunen treffen sie die Dichter des Heidentums im Paradies; Gott habe ihnen ihr Heidentum nicht schwer angerechnet; er habe ihnen vielmehr wegen einiger ihrer an moralische und religiöse Betrachtungsweise anklingender Verse ihre Gottlosig- 53 keit nachgeseheü und sie ins Paradies eingelassen. Daher führt dies geistvolle, in philologischer Beziehung (denn der Verfasser lasst sich auf die Kritik der Produkte der Dichter ein) überaus reichhaltige Werk den Titel „Sendschreiben der Sündenvergebung" (risalat al-ghufran). Auf ihrem Spaziergang durchs Paradies kommen die Freunde zu einer blühenden Flur, in der in fröhlicher Unterhaltung begriffene Schlangen hausen. Diese erzahlen den über die Begegnung an diesem Ort erstaunten Reisenden, durch welche Verdienste sie solcher Belohnung als würdig befunden wurden '). Eine der Schlangen referiert über ihre Erfahrungen in der Welt. Sie habe sich langere Zeit in den Wandlöchern der Studierstube des grossen Theologen al-Hasan al-Basrl aufgehalten und seiner Koranrezitation lauschend das ganze heilige Buch vom Anfang bis zum Ende erlernt. Es ist ein in den Legenden des Islams nicht seltener Zug, dass Damonen in Schlangengestalt den Vorlesungen grosser Gelehrter anwohnen2). Nach dem Tode des Hasan habe sie sich nacheinander zu den Studierstuben anderer grosser Korangelehrter, wie Abü cAmr b. al-cAla, Hamza b. Habïb geschlangelt. Aus allen diesen Studienstationen kann sie nun merkwürdige Daten über die von den Gelehrten, in deren Nahe sie sich aufgehalten hatte, 1) Nach einer Legende traf der Prophet einmal, als ihm der Besuch des Paradieses vergönnt war, dort einen Wolf. Erstaunt dies böse reissende Tier an diesem Ort der Gerechten zu finden, erhalt er von ihm selbst die Aufklarung, dass es dieser Belohnung dafür gewürdigt wurde, dass es den Sohn eines Polizeimannes (schuratt; die Organe der weltlichen Regierung gelten den Frommen bekanntlich unbesehen als Werkzeuge der Rechtsberaubung, vgl. Ihja II 77; 86, 9 v. u. ff., 140, 9 v. u.) gefressen hatte. Wie erst — setzt der Erzahler (angeblich Ibn 'AbbSs) hinzu — wenn es den schuratl selbst gefressen hatte! Dafür ware der Wolf sicherlich in den siebenten Himmel versetzt worden (bei Damïrï s. v. di'b, I 449, 15). Ibn Kutejbu, Muchtalif al-hadïth 10, 7 wird unter den ahadïth al-taschbïh (anthropomorphistisch klingen de Hadlthe) angeführt, dass ein Wolf ins Faradies eingelassen wurde, weil er einen Zehnteinnehmer l^asschar) gefressen hatte.' 2) Beispiele hiefür in The Pearl-Strings; a History of the Rest'tliyy Dynasty of Yemen, ed. Muhammed cAsal (Gibb Memorial III 4) 172, 5 v. u. 178, 8. 54 erfahrenen seltsamen Koranlesarten berichten, über die die Besucher mit ihr eingehend verhandeln '). Damit ist gewiss Ironie gegen die in der Feststellung des Korantextes nicht selten vorgeschlagenen Soloezismen beabsichtigt. l) Risalat al-ghufran (Kairo 1321/1903) 112 ff. DIE TRADITIONELLE KORANAUSLEGUNG. Wenn man auf die in so üppigem Reichtum entfaltete Litteratur der Koraninterpretation blickt, wird es von vornherein schwer zu verstenen sein, dass man einer Litteraturgattung gegenüberstehe, deren Anfange in den religiösen Kreisen des alten Islams nicht nur keine Ermutigung erfuhren, vor welche vielmehr die frommen Vertreter der religiösen Interessen eine Warnungstafel setzten. Bis tief ins zweite Jahrhundert d. H. haben wir Zeugnisse dafür, dass die Beschaftigung mit Tafsïr als bedenklich betrachtet wurde, und dass sich der ernste Sinn vor der Ubung desselben mit Widerwillen und Scheu zurückzog. Von Kasim, einem Enkel des Chalifen Abn Bekr, und von Salim, einem Enkel des cOmar, wird berichtet, dass sie sich weigerten Erklarungen zum Koran zu geben '). In hanbalitischen Kreisen wird gerne eine Begebenheit aus der Zeit cOmars erzahlt2), die die Abneigung dieses Chalifen gegen Grübeleien über den Sinn schwieriger Koranverse darstellen soll. Es soll zu seiner Zeit ein gewisser Ibn Sabigh 3) in Medina erschienen sein, und verschiedene Fragen über Schwierigkeiten im Koran gestellt haben. Der Chalife — er ist ja als „Mann mit der Gerte"4) 1) Ibn Sa'd V 139, 16; 148, 12. 2) Die Quelle ist das Musnad al-Darimï, daraus zitiert bei Sujütl, Itkan, Kap. 43 (II 4); der gemassregelle Mann heisst dort (cAbdallah) Sabigh [b. Ist], 3) Nach einem andern Bericht (Tadsch al-arüs s. v. sbgh, VI 20) hiess dieser Mann Rabfa b. al-Mundir\ sein Bruder hiess Sabigh. 4) Er wendet sie gegen Kacb al-Ahbar wegen eines mangelhaften Tauratzitates an (bei Ghazalï, Ihja IV 382, 3 v. u.). Wir können jedoch zu seiner Ehre erwahnen, dass er die Gerte auch zur Züchtigung von Tierqualern gebrauchte (Ibn JSa'd VII1, 92, 7). Übrigens handhabt die dirra auch cAlï, ibid. III1, 18, 5, 21; auch ein mu3eddin, ibid. 24, 16. 56 bekannt — Hess den Mann kommen und versetzte ihm mit Palmzweigen solche Schlage, dass sein Rücken voller Beulen wurde. Als Ibn Sabïgh von dieser Verwundung geheilt war, wiederholte cOmar dieselbe Züchtigung an ihm, und nach nochmals erfolgter Heilung wiederholte er ein drittesmal dieselbe Prozedur. Als cOmar mit der Fortsetzung der Züchtigung noch weiter fortfahren wollte, flehte I. S.: „Wenn du mich zu töten vorhast, so tue es doch wenigstens auf minder grausame Weise, oder lasse mich lieber in meine Heimat Basra zurückkehren". Dies letztere erlaubte ihm denn auch der Chalife; sandte aber gleichzeitig einen Befehl an seinen dortigen Statthalter Abü Müsa al-Aschc arï, in welchem er ihm ans Herz legte, den Leuten den Verkehr mit Ibn Sabïgh zu verbieteni). Dieselbe Gesinnung begegnet uns vielfach bei den strengen Vertretern der islamischen Frömmigkeit in der omajjadischen Periode. Schakïk b. Salama Abü Wa'il, Zeitgenosse des Zijad b. Abïhi und des Haddschadsch, bescheidet Leute, die ihn um den Sinn von Koranstellen befragen, mit der ausweichenden Auskunft: „Gott hat seinen Gedanken sicherlich richtig ausgedrückt", d. h. ich mag mich nicht weiter um die Ergründung des Sinnes kümmern 2). Der Kufenser "Ablda b. 'I£ajs (st. 691), der noch zur Schule des cAbdallah b. Mascüd gehorte, lehnte jede Auskunft über Anlasse der Koranoffenbarungen mit der Mahnung ab: „Mögest du nur gottesfürchtig und fest im Glauben sein; es sind jetzt die Leute dahin, die es wissen, aus welchem Anlass die Koransprüche geoffenbart wurden" 3j. In derselben Generation hören wir vom f,rommen Sa%d b. Dschubejr (753), der dem strafenden Schwert des Haddschadsch zum Opfer fiel, dass er einem Mann, der von ihm Koranerklarung verlangte, 1) Lawofih al-anwar al-bahijja (Kommentar zur 'akïda des Hanbaliten Saffarïnï) zitiert im Manar VIII 651. Altere Darstellungen sind in Mui. Studiën, II 82 angeführt. 2) Ibn Sa'd VI 67, 23. 3) ibid. 64, I. 57 die Antwort gah: „Dass meine Seite zusammenfiele, (vgl. Num. 5, 21. 22) ware mir lieber als dies" '). Der grosse Sprachgelehrte al-Asmd'ï (st. ca. 831) soll sich aus Grimden der Frömmigkeit 2) vom tafsïr al-Kor'an ferngehalten haben 3). Und von Ahmad b. Hanbal hören wir folgende Bewertung des Tafsïr: Drei Dinge haben keine Begründung: das Tafsïr, die Malahim (apokalyptische Traditionen über die letzten Dinge) und die Maghazï (legendarische Erzahlungen über die ersten Kriege des Islams) 4). Die Gruppierung, in der hier das zu meidende Tafsïr erscheint, kann uns Aufschlüss geben sowohl über den Kreis, auf welchen sieh dessen Ablehnung erstreckt, als auch über das Motiv dieser Ablehnung selbst. Denn man sollte ja von vornherein alles eher voraussetzen, als dass die Erklarung des Koran als eine an sich zu missbilligende, von den Frommen zu vermeidende Tatigkeit betrachtet worden sei. Das von ernsten Leuten abgelehnte Tafsïr erscheint in jenem Mahnspruch des Ibn Hanbal in einer Gruppe mit den apokalyptischen Legenden und den Fabeln über die Kriege, Turnmelplatzen willkürlicher, phanfastischer Vorstellungen, die der Beglaubigung entbehren, welche die islamische Theologie bereits in ihrer Frühzeit als die Bedingung vertrauenswürdiger Kenntnis fordert. In der Koranerklarung hat sich jene „Lust zu fabulieren" 1 besonders in einem Kreis betatigt. Da waren die verschiedenen biblischen Legenden, die Muhammed selbst ganz kompendi'enhaft, zuweilen in kontaminierender Weise zusammengefasst hatte. Darüber wollten die Glaubigen doch Naheres erfahren. Dies reizte ihre Neu- und Wissbegier gewiss in höherem Grade als etwa die prazise Erfassung der ges et z1 ich en Verordnungen. Der Nachfrage entsprach in reichem 1) Ibn Challikan, nr. 260. 2) Brockelmann I 105 Anm. 1. 3) JakUt, ed. Margoliouth, III1, 22, 6 v. u. 4) Bei Sujütl, Itkan (Kap. 78) II 210. Vgl. Muh. Stud. II 206. 58 Masze das Angebot. Es fand sich eine Menge neugieriger Schriftgelehrter, die die Lücken des Korans aus dem Verkehr mit Juden und Christen ausfüllten und die von ihnen erhaltenen, oft in sehr missverstandener Weise wiedergegebenen Erzahlungen noch aus eigener Phantasie erganzten und als Erklarungen des Korans preisgaben, Leute vom Schlage eines Mukatil b. Sulejman (st. 772) '), zu dessen Charakterisierung angeführt wird, dass er seine „Wissenschaft des Korans"^ von Juden und Christen holte und dieselbe mit ihren Büchern in Einklang setzte 2). Darauf beziehen sich die Mahnungen gegen die Belehrung der „Schriftbesitzer" 3). In geradezu übertreibendem Masze wird jenes Fabulieren durch die bereits in alter Zeit auftretende Klasse der frommen Marchenerzahler (kussas; sing. kass) getrieben, in deren Tatigkeit das phantastische Element über- 1) Nicht zu verwechseln mit dem Koranexegeten Mukatil b. Hibban, der vor Abü Muslim von Balch nach Kabul floh, wo er sehr erfolgreiche Missionspropaganda für den Islam betrieb (Nawawl, Tahdib 577). Auf diesen bezieht sich wohl das Zitat bei Kastalt ani II 488, 13 (zu Buch. Zhchanöfiz nr. 64): Muk. nawadir al-tafsïr min taiïfihi. 2) Ibn Challikan nr. 743. Die Charakteristik seiner willkürlichen Erklarungen bei Nawawï 1. c. 574, Sujütï, Itkan (Kap. 80) II 224. Damirï, I 440 s. v. dubab. Unter seinem Namen gibt sich in einer Hschr. des Br. Mus. (Or. 6333) ëin ziemlich umfangreicher Tafsïr zu fünfhundert Koranversen (Fihrist 179, 3), in denen gesetzliche Vorschrifteh enthalten sind (Ellis-Edwards, Descriptive List der Akzessionen seit 1894 [London 1912] 4). Auch Muhammed b. Ishak (st. ca. 767—9) der 'viel über alte Geschichten und MaghazI schrieb und zumeist als Verfasser der Biographie Muhammeds bekannt ist, wird von der Traditionskritik verworfen, weil er Juden und Christen als Informationsquellen benutzte und sie als Trager der „alten Wissenschaft" (ahl al-ilm al-awwal) würdigte (bei JakUt, ed. Margoliouth VI 401, 7). Über dem entgegengesetzte Bewertung solcher Mitteilungen s. unten. 3) Vgl. Revue des études juives XLIV 64; Muk. Stud. II 137 (das Zitat, Anm. 3, aus' Dschahiz' Bajan ist I 192, 1 der Druckausgabe); Ibn cAbdalbarr, Dschamf bajan al-'ilm wa-fadlihi (ed. MahmasanI, Kairo 1326) 119; Z D M G. LXI 866; Zamachscharï bespricht im Kasschaf zu II v. 44 die Streitfrage, ob der unglaubige Sohn des Nuh sein leibliches Kind oder sein Stiefsohn gewesen sei. Für erstere Meinung beruft sich Katada auf übereinstimmende Überlieferung der ahl al-kitab, worauf ihm Hasan antwortet: „Wer wird sich in seiner Religion auf ahl al-kitab berufen"? 59 wiegtDie Abneigung des Enkels des cOmar gegen Koranerklarung wird in der Tat damit kombiniert, dass er auch den Vortragen solcher öffentlichen Legendenerzahler (kass al-dschamaca), trotz der damals noch löblichen Absicht ihrer Berufstatigkeit, nicht anwohnen mochte 2). Diese willkürlichen, durch eine Disziplin nicht eingeschrankten Koranerklarer dehnten auch das Gebiet der Maghazï auf die spateren Aspirationen des Islams aus und deuteten ihre Erfüllung in den Koran als Prophezeiungen hinein. So hat man im Namen des soeben erwahnten Mukatil in Sure 17 v. 60 („Und es gibt keine Stadt, es sei denn, dass wir sie vernichten vor dem Tag der Auferstehung, oder dass wir sie mit gewaltiger Strafe bestrafen") einen Hinweis auf die dereinstige Eroberung Konstantinopels und die Zerstörung von Andalus gefunden 3). Diese Leute schwelgten natürlich in der Ausmalung der letzten Dinge und was sie so aus fremden Informationsquellen beibrachten4), oder aus eigener Phantasie hinzutaten, gaben sie als beglaubigte Koranerklarung aus. Es gab für sie kein Geheimniss und es machte ihnen weder Mühe noch Skrupel, ihre an den Koran geknüpften Phantasiebilder durch irreführende Anlehnung an angesehene Gewahrsmanner glaubhaft zu gestalten. Mukatil beruft sich z.B. für seine Koranauslegung von 17 v. 60 auf Aufzeichnungen des Dahhak (eines angesehenen Überlieferers, st. 720), aus deren reichen Schatzen er nach dessen Tode geschöpft haben will. Und auf Ibn cAbbas beruft er sich in seiner Erklarung von 67 v. 2: („der geschaffen hat den Tod und das Leben"). Er hat sie als zwei Körper erschaffen; den Tod in Gestalt eines wëisshaarigen Bockes, 1) Muh. Stud. II 161 ff. ZDMG. L 478. 2) Ibn Séd V 148, 3. 3) Kifab al-bad* wal-td'rïch, ed. Haart IV 102. 4) Unter den Leuten, die solche Fabeln (kisai) und eschatologische Traditionen (ac/ibar al-fitan wal-achird) von den ahl al-kitab holten, wird cAbdallah Sohn des cAmr b. al-cAsï hervorgehoben, Sujütï, Itkan (Kap. 80) II 225, 6. 6o der an nichts vorübergeht und dessen Geruch nichts treffen kann, ohne dass es stirbt; das Leben in Gestalt einer gesprenkelten Stute. Gabriel und die Propheten ritten auf derselben; ihr Schritt ist, so weit man sehen kann, grosser als der des Esels und kleiner als der des Maultieres. Alles, woran die Stute vorübergeht, oder was sie betritt, oder was ihr Geruch erreicht, bekommt Leben. Von dem Staub ihrer Füsse nahm denn auch der Samirï als er dem goldenen Kalb der Israeliten Leben gab" In Gèstalt eines Bockes s) wird denn auch der Tod am Tage des Gerichtes geschlachtet zwischen der Holle und dem Paradies 3). Die Gerechten bleiben daher e w i g im Paradies, die Sünder ewig in der Hölle. Die Losung ist: Ewigkeit ohne Tod4). Dieser wird in Gestalt des Bockes hingerichtet. Eine weitere Ausschmückung lasst JahjS b. Zakarijja (Joh. Bapt.) die Funktion des Schlachters vollziehen. Gegen derlei mythologisches Tafsïr lasst man bereits den alten "Abdallah b. Mascüd Einspruch erheben, indem er willkürliché Koranausleger bekampft, die sich nicht bescheiden wollen, Dinge, die niemand wissen kann, mit einem Allahu cflamu (Gott weiss es) zu erledigen5). Dass der Mann, der die genauen Umstande der in 44 v. 9 gemeldeten Katastrophe („Warte auf den Tag, an dem der Himmel deutlichen Rauch bringt, der die Leute verdeckt; dies ist schmerzliche Strafe") kennen will und sie seinen Zuhörern in allen Einzelheiten il) Damïrï II 319 s. v. kabsch. 2) In einer kürzeren Fassung dieses Hadith, Buch. Rikak nr. 51 (ed. Juynboll 241, 10) wird vom Abschlachten des Todes ohne Erwahnung der Tiergestalt gesprochen; letztere erscheint jedoch in der im Kitab al-tafsïr des Buch. nr. 167 (zu Sure 19) gehuchten Version. 3) Die Rechtfertigung dieses Hadith gegen Angriffe versucht Ihja IV 23 oben, Sujütï, Brockelmann II 156 nr. 267, 2. 4) I Kor. 15 v. 26. 5) Vgl. Ibn Zejd, bei Tabari XXVII 73 zu 55 v. 35 („es werden auf euch herabgesandt schuivaz aus Feuer und nahas (Erz) und es wird euch nicht beigestanden"): nal-schuwaz das ist die 'Klamme: aber nahas, da weiss Gott, was er damit meint". 6i ausmalt, als kass bezeichnet wird '), kann als Beweis für die Bewertung solcher an den Koran geknüpfter Fabeln dienen. Endlich wrrd ein Tafsïr verpönt, das sich auf das Gebiet von dogmatischen Folgerungen wagt; denn auch solche hatten sich ja bereits in der Omajjadenzeit eingestellt. Das in die Zeit des cOmar zurückdatierte Fragen des Ibn Sabïgh bewegt sich wohl in diesem Kreis. Der Koran sei nicht da, um an den göttlichen Text spekulative Tifteleien anzuknüpfen „einen Teil desselben mit dem anderen zu schlagen"2). Da gelte vielmehr das Korahwort: „Und wenn du solche siehst, die über unsere Zeichen grübeln 3), so wende dich von ihnen ab" (6 v. 67). Auf solche bezieht sich wohl der als Hadïth des Propheten gegebene Spruch, in welchem er für die Zukunft seiner Gemeinde drei Dinge befürchtet; das eine derselben: das Erscheineri von Teuten, die den Koran anders deuten als seine richtige Erklarung erfordert (ridschal jata'azuwalüna-l-lfur'ana cala ghajri ta'wïlihi) 4). Wenn vor tafsïr gewarntx wenn erzahlt wird, dass sich die alten besonnenen Lehrer der Islams von demselben mit Widerwillen abwenden, so sind es vornehmlich diese Richtungen, die den Gegenstand ihrer strengen Ablehnung bilden. Der Koran dürfe nicht bil-rd'j, nach subjektiver Meinung oder bil-hawa (nach Willkür) erklart werden; die einzig berechtigte Erklarungsweise des heiligen Buches ist die, welche bi-cilmin (mit Wissenschaft) vorgeht. Man fassara al-kur'an bil-rd'j (oder 1) Tabari XXV 61. 2) Vorlesungen 81. In einer anderen Version bei Itkan (Kap. 43) II 4: „Lügen zu zeihen" (li-jukuddibu). 3) jachüdüna. Dieses chada (n. verbi ckaud) gewöhnlich in missbilligendem Sinne gedeutet (es bedeute: al-duchül fi-l-batil, das Sichversenken in Nichtiges, Zamachscharï, Kasschaf zu 9, v. 70) wird gerne zur Bezeichnung des spekulativen Grübelns über die dogmatischen Fragepunkte gebraucht; vgl. z.B. den Titel der Schrift des Ghazalï, in welchem die Durchschnittgtóubigen 'an al-chau4 fi 'Um al-kalam gewarnt werden. 4) AbU Dawüd,s Marasïl (Kairo 1310) 55, 15, wo fehlerhaft jatanSwalüna. ' 62 bil-hawa) d. h. bi-ghajri Hlmin (ohne Wissenschaft) fdkad kafara. „Wer den Koran nach Gutdünken erklart, ist dadurch ein Unglaubiger" '); Schon dem Abü Bekr wird der Spruch zugeeignet: „Wie könnte mich die Erde tragen und der Himmel beschatten, wenn ich über den Koran nach meiner Meinung (bi-rd'jï) sprache, oder worüber ich nichts weiss (bi-ma la aclamu)" d. h. ohne cilm2)! Unter „Wissenschaft" versteht der islamische Theologe jedoch niemals die Ergebnisse eigenen Denkens oder gar die von unzünftiger Seite geholte Information, sondern ausschliesslich die auf die allein maszgebenden Quellen des Wissens, auf den Propheten selbst oder die Genossen des Propheten traditionell zurückgeführten Belehrungen. Nur wer seine Behauptung auf diese Quellen zurückführen kann, hat cilm, Wissenschaft; alles andere ist ra3j, willkürliche Meinung, Gutdünken, und hat nicht Anspruch darauf, Wissenschaft genannt zu werden 3). Es wird sogar ein, freilich als verdachtig gekennzeichnetes Hadith tradiert, wonach selbst zutreffende Ra'j-Erklarungen als irrig zu betrachten seien (man kala fi-l-kur'an bi-ra3jihi fa'asaba fakad achta'a) *). So gilt denn im theologischen Betrieb des Islams als wirkliches cilm nur was in der Form richtiger, mündlicher Traditionskette auf die altesten lehrfahigen Gewahrsmanner zurückgeführt wird. Und auch in anderen Zweigen des Wissens hat in alter Zeit nur diese Traditionsform als das Kriterium der Gewissheit gegolten. Namentlich auch in der Geschichte. Die Kenntniss von einer geschichtlichen Begebenheit kann als glaubwürdig nur durch eine bis auf einen vertrauenswürdigen Augenzeugen zurückgeleitete Hadith-Kette festgelegt werden. Nur in dieser Form konnte sie Anspruch auf Berücksichtigung erheben. Selbstverstandlich haben auch diese Überlieferungen Anteil 1) Tirmidï, Sahïh II 157 paenult. 2) Tabari I 26. 3) Vgl. den Anfang meines Artikels Fikh in der EnzyklopSdie des Islam, II. 4) Tirmidï, Sahïh II 157, 5. 63 an allen jenen bedenklichen Momenten, welche die Krankheit des theologischen Hadith bilden und die trotz der kritischen Bemühungen der islamischen Traditionswissenschaft unserer prüfenden Arbeit noch immer ein überaus ergiebiges Feld eröflfnen: die skrupellose Erdichtung der in den Beglaubigungscatenen erscheinenden Gewahrsmanner, die parteipolitische Tendenz der untereinander zuweilen im schroffen Gegensatz stehenden Berichte über dieselbe Tatsache u. a. m. Die durch kritische Forschungsmethode in neuerer zeit erzielten Resultate zeigen uns immer klarer, wie die in denkbar harmlosester Form erscheinenden Traditionsberichte selbst über die Biographie des Propheten und seine Kampte, und über die alte Geschichte des Islams die Tendenzen der verschiedenen Parteien und Strömungen, die Aspirationen der verschiedenen lokalen Schichten der jangen Islamgemeinde in sich bergen. Je anders wird, immer in der für die Glaubwürdigkeit geforderten Hadlth-Form und immer mit ausserlich unverdachtigen Gewahrsmannerketten, die Darstellung der Ereignisse gestaltet, je nachdem sie aus den Kreisen von Medina, Syrien oder Trak hervorgeht. Das alte historische Hadith wird dadurch auf die Stufe der Maghazï herabgedrückt, die — wie wir gesehen haben — das Kopfschütteln der muslimischen Schule selbst erregten. Die Forderung der Hadïth-Form kommt auf theologischem Gebiete vornehmlich auch in der Würdigung des Tafsïr zur Geltung. Berechtigtes, also auf „Wissenschaft" gegründetes Tafsïr ist was sich als die Erklarung rechtfertigen kann, die der Prophet selbst oder die seinem Belehrungskreise angehörenden Gefahrten über Sinn und Bedeutung des Koranwortes geaussert haben (al-tafasïr al-manküla)'). Denn man hat es als selbstverstandlich betrachtet, dass der Prophet selbst, darüber befragt, sich über die Absicht einzelner Koranworte und i) Ihja II 140, 8 die Wissenschaft der alten Korangelehrten griindete das Verstandnis des Buches auf die Sunna ('ilmuhum bil-kur'an wa-ma'anïhi almaf hïima bü-sunna). 64 -sprüche geaussert habe. Auch er selbst habe die Erklarungen der Verse nicht aus sich selbst erteilt, sondern dieselben vom Engel Gabriel erhalten, der sie im Namen Gottes tradierte (bi-riwajatïn can Allah) '). Fast jede nach Stoffen angeordnete grössere Traditionensammlung wird ein bab tafsïr al-kur*an enthalten, d. h. eine Sammlung von exegetischen Mitteilungen des Propheten selbst 2). Dem schliessen sich die auf die „Gefahrten" zurückgeführten Erklarungen an. Bei der Weitherzigkeit der islamischen Traditionsmethode wird es uns nicht wundern, wenn uns diese Interpretationsquelle kaum jemals im Stiche lasst. Sie ist unversiegbar. Der vielschreibende agyptische Gelehrte Dschalal al-dïn al-Sujütï, (st. 1505), dem wir ein ausgezeichnetes isagogisches Werk zur Koranwissenschaft verdanken, meinte, in einem „Dolmetscher des Korans" (Tardschuman al-kur'an) betitelten Werk, von dem er selbst einen Auszug herstellte, der in Kairo (1314H.) in einer Druckausgabe in 6 Banden veröffentlicht wurde (al-durr al-manthür fi-l-tafsïr al-md'thUr) mehr als zehntausend exegetische Mitteilungen des Propheten und seiner Gefahrten zusammenstellen zu können 3). Wahrend er mit dieser Arbeit beschaftigt war, will er die Billigung des Propheten in einem Traumgesicht erfahren haben, eine in diesen Kreisen ungemein haufige Halluzinationsform. Fast unübersehbar ist die Zahl der „Gefahrten", auf deren Autoritat das „Wissen" von der Erklarung von Koranstellen zurückgeleitet wird. Der fromme Koranforscher hat es also kaum jemals nötig, seinen eigenen Geist in Übung zu setzen um ein tafsïr bil-rd'j zu riskieren. Wenn er sich um das Tradierte bemüht, wird er auf Überlieferungswegen, welche die muslimiscne Kritik als glaubwürdige billigte, traditionelle Auf- 1) Tabari I 26. 2) Unter den Werken des Wahidl wird erwahnt: Tafsïr al-nabl (Jaküt-, ed. Margoliouth, V 98, 3). 3) Itkan (cap. 78) II 217 ganz unten; ibid. (c. 79) 227—245 gibt er eine spezielle Liste der vom Propheten tradierten Koranerklarungen. 65 klarung finden, die in die Zeit der Gefahrten zurückführt. Unter allen „Gefahrten", unter die auch die ersten Chalifen, cAjischa und andere Gattinnen des Propheten zahlen, ragt im Urteil der Muslime als die bedeutendeste Autoritat der Koranerklarung der Vetter des Propheten,. "Abdallah b. cAbbds, Sohn des Ahnherrn der "Abbasidendynastie hervor. Er gilt als Übermensch des tafsïr, als „Meer" al-bahr (der Wissenschaft) ') als der „Schriftgelehrte" (habr)2) dieser Gemeinde und vorzugsweise als der vom Propheten, ja auch vom Engel Gabriel hiefür geweihte „Dolmetscher des Gotteswortes"3). Nur cAlï b. abï Talib soll ihm in der Erfassung der Wissenschaft üherlegen gehesen sein 4). Schon als Jüngling habe ihn der Chalife cOmar den altesten und bewahrtesten „Gefahrten" vorgezogen 5). Seine höhere Weihe für den Beruf des Koranerklarers lasst ein .seinem Schüler Mudschahid zugeschriebener Spruch in der Vorstellung zum Ausdruck kommen, dass ein Lichtglanz auf ihm sichtbar war, so oft er eine Stelle des heiligen Buches auslegte °). Wenn auch solche Verherrlichungen die Bewunderung spaterer Generationen spiegein 7), so gilt Ibn cAbbas doch bereits zur Zeit des Dichters' Ibn Ifczjs al-Rukajjat (Mitte des I. Jhd.'s d. H.), der ihn unter den Ruhmestiteln des Kurejsch-Stammes aufführt, als „der Gottesgelehrte (habr), dessen Belehrung stets 1) Über die Auszeichnung verschiedener Tradenten mit diesem Epithet Ibn Sa'd Hu, 131, 3; 133, 8, Aghanl VIII 92, 6. 2) Schon früher hatte man Zejd b. Thabit diesen Titel gegeben (Ibn Sa'd II n, 117, 19). — Al-Acmasch nannte den Hablb b. 'AmmJr (st. 773), einen der sieben Autoritaten des Korantextes: habr al-kuPan (AbulmahSsin, ed. Juynboll, I 420, >). 3) Ibn Sa'd II11, 119. . 4) Ihja II 46. 5) Vgl. Ihja I 140 uit. 6) Bei Ibn Kajjim al-Dschauzijja, I'lam al-muwakka'ln. I 22. Ahnliches vom Schriftgelehrten Ben cAzzaj in der jüdischen Legende: wenn er forschte (oder lehrte) flammte Feuer um ihn (Levit. rabbah c. 16). Das Nimbusmotiv ist in der muslimischen Litteratur vielfach angewandt. 7) Eine Abhandlung über seine Vorzüge bei Balawl, Kitab Alif-ba I 223—225. 5 66 aushelfen kann, wenn die Kenner um die Yichtige Kunde in Verlegenheit sind" '). Auf diesen Mann zurückgeführte exegetische Angaben gelten als die meist bevorzugte Belehrung über das Verstandnis des Korans. Die muslimische Überlieferung lasst ihn selbst aus unmittelbarem vertraulichem Verkehr mit dem Propheten die alleïn zuverlassigen Deutungen erhalten 2) und setzt sich, sowie in anderen ahnlichen Fallen, über den Umstand leicht hinweg, dass Ibn cAbbas beim Tode des Propheten höchstens erst das Alter von 10—13 Jahren erreicht hatte3). Glaubwürdiger sind die Nachrichten darüber, dass Ibn cAbbas in zweifelhaften Fallen es sich nicht verdriessen liess, mit befugten Leuten in Verkehr zu treten, von denen er sichere Belehrung erhoffen konnte. Öfters wird erwahnt, dass er sich um Aufklarung über Wortbedeutung an einen Abu-l-Dschald (schriftlich) wendet % wohl den Azditen Dschejlan b. Farwa, den man damit rühmt, dass er die „Bücher" las3). Dessen 1) Diwan, Nr. 39 v. 41, ed. Rhodokanakis, S. 179. 2) Man steilte in spaterer Zeit sogar den Kanon auf, dass die von einem „Gefahrten" berichtete Koranerklarung, sofern sie mit dem Anlass der Offenbarung des Verses in Verbindung gesetzt ist, als vom Propheten stammend (marfü') betrachtet wird (Kastallani X 209 unten, zu Buch. Fitan nr. 12). 3) Selbst die muslimische Kritik findet es bedenklich, Ibn 'Abbas in Verbindung mit Berichten über mekkanische Erlebnisse des Propheten anzutreffen, „da Ibn CA. damals erst ein kleines Kind, vielleicht noch gar nidht geboren war" (Kastallani II 543, n v. u. zu Buch. Duhariafiz nr. 99). Sein Verkehr mit dem Propheten geschah in einer Zeit, in welcher I. CA. noch dün al-bulügh stand, d. h. noch nicht die Pubertat. errejcht hatte (ibid. II 479, 8 v. u.). Er selbst erzahlt, dass der Prophet vor einem frischen Grabe vorübergehend Knaben (sibjan), unter denen er selbst sich befand, in Reihen zum Totengebet aufstellte (Buch. DschanTth nr. 59). Auf seine Jugend deutet der Spruch des 'Abdallah (b. Mas'üd): „Hatte I; arl XXITI 46—51. 2) Z. B. Dschahiz, Hajawan I 74, 4 v. u. „Gott befahl dem Ibrahïm, seinen Sohn Ishak oder Ismöfïl zu opfern". Auch der Verfasser des Kitab al-bad* walta'rïch, ed Huart, III 63 f. lasst die Entscheidung in suspenso {wallahu of lam) und erwagt noch eine dritte, den Streit ausgleichende Meinung, nach welcher bei zwei Verschiedenen Anlassen einmal Ishak, das anderemal Isma'ü als Opfer ausersehen war. 3) Ein Süft heisst Abu-l-dabïh Ismöfïl b. Muhammed al-Hadraml, bei Jafi'ï' Raud al-rajahln (Kairo 1297) 21, 4. Ein IsmS^l mit der Kunja Abulfida wird mit: „ja aba-l-dabïh" angeredet bei Chazradschl, Pearl Strings, ed. Redhouse 202, 5. Sujütï (Anhang zu Bughjat al-wu'at 456, 5 v. u.) gibt ein Hadith auf Grund der von einem Abu-l-dabïh Ism&'ll b. abi Bekr al-Zabldl (oder Zubejdl?) erhaltenen Lizenz (idschaza). 4) Das Cognomen Abulfida führt auch der Historiker Ismöfïl b. 'Omar ibn Kathïr (st. 1373), desgleichen 'Imad al-dïn Ismöfïl b. Ahmed aus der Gelehrtenfamiüe der Ibn al-Athïr (vgl. Abh. z. arab.' Phil. I 161 uit.), dessen Lebenszeit (652/1257—699/1299) im Kairoer Katalog I» 260 als 8. Jhd. d. H. angegeben ist; ein Abulfida auch Ismöfïl b. Husejn al-Chazradschï, Verf. eines Badï'ijjaGedichtes zum Ruhme des Propheten (Der Islam IV 27, Anm. 1), sowie Ismöfïl b. Muhammed al-Bdlï (st. 1363) Verf. einer versifizierten Synonymik der arabischen Sprache (Pertsch, Arab. Handschriflcnkatal., Gotha, nr. 422) u. a. m. 5) In einem vom italianischen Advokaten Franc. Anton. De marchi redigierten Sammelheft, Kairo (Castelli) 1280. 6 82 Und was von diesem und den auf ihn traditionell zurückgeleiteten Meinungen gilt, kann man auf der ganzen Linie der traditionellen Exegese erfahren. Einander widersprechende Angaben können sich stets auf wohlgefügte Beglaubigungsketten stützen, welche auf dieselbe Autoritat ausmünden. Das dieser Beglaubigung etwa entgegengebrachte Vertrauen wird wesentlich herabgestimmt, wenn wir hin und wieder Gelegenheit bekommen, in die Entstehungsgeschichte der Isnade einen Bliek zu tun. Dafür bieten uns ehrliche muslimische Gelehrte selbst zuweilen ganz bequeme Gelegenheit. So teilt z.B. Tabari, mit dessen grossem Tafsïr-Werk wir sogleich uns zu beschaftigen haben, zu 44 v. 9 („Harre des Tages, wenn der Himmel deutlichen Rauch bringt, der die Menschen bedeckt") einen eschatologischen Bericht mit, der an den Namen des Hudejfa b. alJaman geknüpft ist, dem der Prophet den anderen Menschen vorenthaltene Kenntnisse mitgeteilt haben soll '). Die Überlieferung lasst ihn diese Mysteriën freilich nicht immer diskret bewahren, sondern knüpft gern, eben wegen jenes Verhaltnisses zum Propheten, an seinen Namen die krassesten eschatologischen Traumereien, mit deren Mitteilung Hudejfa nicht gegeizt haben soll. Eine seiner geheimnisvollen Mitteilungen gilt dem „Rauch, in den der Himmel aufgeht". Der Inhalt derselben ist uns hier gleichgiltig; es interessieren uns vielmehr die dabei zu bemerkenden Isnadverhaltnisse. Als einer der Vermittler dieses Hadith des Hudejfa wird der in der religiösen Litteratur des Islams sehr berühmte Suf jan b. Sa'td al-Thaurï (st. 778) genannt; von ihm will es Rawwad b. al-Dscharrah2), von diesem wieder sein Sohn "Isam gehort haben. Durch diese Reihe geht die Belehrung auf den Prophetengefahrten Hudejfa zurück. Nun ist Tabari in der Lage, sich auf einen Muhatn- 1) VorltMngcn 193. c_ 2) Dieser Rawwad b. Dsch. traddert in einem Isnad (Sujütï, Bughjat al-wu at 447, 8 v. u.) von 'Abbas abü Rauk, zweifellos aus der Familie des in Z D M G LVI1I 585 behandelten A. R. al-ffizzZm; es wird ihm dort die nisba al-Tarkufï gegeben; er wird jedoch als vaterlicher Oheim (W«) eines HizzanI bezeichnet, der die Tradition von ihm übernimmt. §3 tnëd b. Chalaf al-*Askalanï zu berufen, der den Rawwad befragte, ob er das Hadith wirklich von Sufjan (mit einem auf Hudejfa zurückreichenden Isnad) gehort habe? Rawwad verneinte die Frage, sowie auch die, ob das Hadith etwa in seiner Anwesenheit dem Sufjan vorgelesen worden sei (auch dies ware eine Art der Hadlth-Vermittlung), ohne dass er dagegen Einsprache erhoben habe. Wieder: nein ! „Aber woher kommt es dann, dass man es mit solchem Isnad in deinem Namen verbreitet"? „Es kamen èinmal Leute zu mir und forderten mich auf, das Hadith anzuhören. Nachdem sie es mir hergesagt hatten, entfernten sie sich, und da ich es nun einmal (in dieser unfreiwilligen Weise) im Fluge angehört hatte, mengten sie meinen Namen in das Isnad. Das kann ich nicht verhindern" ')■ Eine Spielart der mannigfachen Isnadtauschungen2), durch die schlaue Hadïthjager- vor der Xrommen harmlosen Öffentlichkeit mit dem Verdienst prunken wollen, „Trager" eines Teils der geheiligten Tradition zu sein. Ebenso wird es wohl auch um andere Hadïthe des Hudejfa und um die anderer „Gefahrten" des Propheten stehen. Aus den bisher beobachteten Erscheinungen kann gefolgert werden, dass es eine einheitliche traditionelle Exegese des Korans nicht gibt. Denn einerseits werden vori verschiedenen Gefahrten von einander abweichende, oft einander widersprechende Erklarungen der Koranstellen überliefert, anderseits einem und demselben verschiedene Meinungen über die Bedeutung einzelner Worte oder ganzer Satzgefüge zugeschrieben. 1) fabarl XXV 72. 2) Nur eine möchte ich hier noch erwahnen. Von einem sehr fruchtbaren Traditionisten aus Kufa, dem sein Biograph das Epithet al-bahr (s. oben S 65) ertólt und der eine der Autoritaten des Darakutnl ist, Abu-l-'Abbas Ahmed ibn Ukda (st. 943/4) wird berichtet, dass er erlogene Hadithtexte niedersehriéB sie durch Schejche in Kufa vortragen Hess, dann von ihnen anhörte und mit Be-ufung darauf mit dem so ergïnzten Isnad weiter tradierte (Dahabl, Tadk al-huff lil 60, oben). • . M- 84 Es können demnach von einander abweichende, ja zu einander in Widerspruch stenende Erklarungen mit gleicher Berechtigung als tafsïr bil-Hlm, als „der Wissenschaft entsprechendes" Tafsïr gelten'). Ghazalï, dessen Auffassung des gegen tafsïr bil-raf verhangten Interdikts wir noch naher kennen lernen werden, konstatiert als völlig normale Tatsache, dass es Verse gibt, für die „im Namen von Gefahrten des Propheten und alten Koranerklarern fünf, ja sogar sechs und sieben Erklarungsarten überliefert sind"2). Ein den verschiedenen Auslegungsmöglichkeiten nachgesetztes wallahu subhanahu a'lamu bima arada (und der hochgebenedeite Gott weiss am besten was er zu sagen gewollt hat)3) erweckt den Eindruck, als ob die Erklarer der Voraussetzung Raum gaben, dass kein einziger ihrer Erklarungsversuche standhielte. Man hat ja bereits sehr früh zugegeben, dass sichere Kenntnis mancher koranischer Dinge schon der kurz auf den Propheten folgenden Generation entgangen sei*) und dass es überhaupt Stellen im Koran gebe, deren Verstandnis der menschlichen Wissenschaft trotze, da sich dieselbe Gott vorbehalten habe (istdthara biHlmihi) 5). Iri der Buntheit der Erklarungsmöglichkeiten, in dieser foecunditas sensus erblicken die Theologen des Islams geradezu einen Vorzug des heiligen Buches selbst, einen Beweis seines inneren Reichtums, der ihm innewohnenden Ergiebigkeit °). Der Koran sei du wudscküfc" d. i. vieldeutig, wörtlich: er zeige l) Ein grelles Beispiel für die .Buntheit der traditionellen Auslegungen bieten die Informationen des Ja%üb b. 'Abdalrahman al-Zuhrl über 50 v. 20-2., bei Tabari XXVI 92. 3) ll belu^'au'f0 die Erklarung von 86 v. 8 (was man unter der „Wiederkehr" *u verstehen habe) L A s. v. rdsM IX 473, » v. u. und daraus "wörtheh ausgeschrieben TA V 351, 20. 4) über die Anlasse der Offenbarungen: s. oben S. 56 Abü Darr te.lt seine Ansicht über den Anlass von 22 v. 20 in Begleitung eines Schwures m.t, Ibn Sa'd III, I 10, I. 5) Kifëb al-addad ed. Houtsma 273, 9 ff. 6) Vgl. den Grundsatz bei Mukaddasi, ed. de Goeje, 187, 14. 85 0 mehrere Gesichter, d. h. Auffassungsarten '). Diese entsprechen völlig den vielerlei panïm (Gesichtern), welche die jüdischen Schriftgelehrten an der Thora finden2). Mit der Zulassung verschiedener traditioneller Deutungsmöglichkeiten verband man die Anschauung, dass es geradezu als löblicher Vorzug des Gottesgelehrten zu würdigen sei, dass er derselben Stelle Verschiedene Erklarungsarten (wudschüh) abgewinne. „Du hast die Stufe vollkommenen Wissens nicht erreicht, bis du nicht im Koran verschiedene Weisen siehst" 3). Und diese Betrachtungsart reflektiert sich in anschaulicher Form in jedem irgendwie erschöpfenden koranexegetischen Werke. Man wird von Vers auf Vers hinter der Erklarung, die dem Verfasser als die wahrscheinlichste gilt, unter der Einleitungsformel wakila „und es wird gesagt" stets noch eine Reihe abweichender Erklarungsversuche lesen können. Das sind eben die wudschüh, deren Zulassigkeit ein Zeugnis reicher Gedankenfülle des Gottesbuches sei 4). Seit dem zweiten Jahrhundert d. H. haben islamische Theologen dem Bedürfnisse entsprochen, die traditionelle Koranexegese in fortlaufenden Kommentarwerken darzustellen. Diese ersten Versuche sind uns jedoch nicht erhalten geblieben. Sie wurden durch ein monumentales Werk überflüssig gemacht, das einerseits den Höhepunkt der traditionellen Exegese bezeichnet, anderseits als Ausgangspunkt und Grundwerk der koranexegetischen Litteratur zu betrachten ist. Wahrend es 1) Vorlesungen 41, 23, Die Mahnung des Propheten nicht „einen Teil des Korans mit dem anderen zu schlagen" schliesst nach der bei Ghazalï, Ihja II 339, 8 angeführten Version mit dem Satze: fdinnahu umila 'ala wudschüh'* „denn er ist nach verschiedenen wudschüh geoffenbart worden", d. h. dadurch wird Spielraum für die Ausgleichung etwaiger Unstimmigkeit geboten. 2) Vgl. Leopold Löw, Gesammclte Schriften II (Szeged 1890) 28 ff. 3) Ibn Sa'd II 11 114,22; Ihja I 32,9. Sujütï, der (ItkSn Kap. 39 I 174 ff.) die hieher gehörigen Aussprüche gesammelt hat, bezieht die wudschüh des Korans nur auf den homonymcn Charakter der Worte; eine unrichtige Beschrankung. 4) Vgl. Ibn cAbdalbarr, Dschamf bajan al-Urn wa-fadlihi 121, 5. 86 jene in abschliessender Weise zusammenfasst, enthalt es zugleich die Keime der über die bloss registrierende Exegese hinausführenden Bestrebung. Der Verfasser ist Muhammad b. Dscharïr al-Tabari, eine der grössten Gestalten der Islam wissenschaft aller Zeiten (geb. 838, st. 923). Die europaische Wissenschaft würdigte ihn früher wegen des machtigen historischen Werkes das wir durch die Bemühung de Goeje's und seiner Mitarbeiter in der Leidener Ausgabe als wichtigste und ergiebigste Quelle unserer Studiën über die ersten Epochen der Islamgeschichte benutzen, hauptsachlich als Vater der islamischen Historiographie2). Bei den Orientalen ist seine Berühmtheit noch mehr auf den Ruf seiner Erzeugnisse auf dem Gebiet der religiösen Wissenschaften gegründet. Freilich sind seine theologischen (auf Hadith, Fikh u. a. bezüglichen) Werke früh aus dem Verkehr geschwunden; die meisten sind völlig verschollen, ebenso wie auch die von ihm aus selbstandiger Forschung begründete Gesetzesrichtung (madhab), die dscharïrische, sich nicht behaupten konnte. Als verloren galt bis vor kurzem sein auch für unsere abendlandische Wissenschaft unschatzbares theologisches Hauptwerk: sein Korankommentar. Im Urteil über dasselbe herrscht Einstimmigkeit zwischen Forschern des Orients3) und des Okzidents. „Würde jemand — so sagt z. B. Abü Hamid alIsfarajïnï (st. 1015) — eine Reise nach China unternehmen um dies Werk zu erlangen, so tate er nicht zu viel" 4). „Hatten 1) Bei Abfassung desselben lag bereits der Korankommentar vor; er beruft sich auf diesen in ersterem I 87, 2. 2) Er ist auch haufig der unmittelbare GewShrsmann in den Isnaden des Verfassers der Aghani, z. B. VIII 96, 9 v. u.; 98, 4 v.' u.; XIV 66, 12 v. u.; XX 98 pn.; XXI 164, 6 (vgl. jedoch XX 103, u v. u.). Dieser'Verkehr müsste in frühester Jugend des Abu-l-faradsch geschehen sein, der beim Tode des Tabari, ' den er um 44 Jahr überlebte, ungefahr 26 Jahre zahlte. 3) Nach einer Notiz des Fihrist 264, 9 hat der christliche Philosoph nnd Theolog Jahja b. 'Adi (st. 974, Zeitgenosse des Verfassers des Fihrist) zwei Kopien des Tafsïr al-Tabarl angefertigt. (Vgl. ZDMG XXXVII 481). 4) Bei Jüküt ed. Margoliouth VI 424, 4 v. u. Die Andalusier scheinen das *7 wir dies Werk — schrieb im Jahre 1860 Nöldeke, nach zuganglichen Fragmenten und Zitaten urteilend — so könnten wir alle spateren Kommentare entbehren. Leider scheint es aber ganzlich verloren zu sein. Es war, wie das grosse Geschichtswerk des Verfassers, eine unerschöpfiiche Quelle aus der die Spateren ihre Weisheit holten" '). Einzelne Proben, die zum Vorschein kamen, haben die Berechtigung dieses Urteils erwiesen2). Es war demnach eine erfreuliche Überraschung für die wissenschaftliche Welt im Osten und Westen, als auf Grund eines in der Büchersammlung des Emirs von Ha'il erhaltenen vollstandigen handschriftlichen Exemplars3), in Kairo 1903 (und neuerdings wieder in korrekterer Gestalt 1911) eine Vollausgabe des machtigen Werkes4) in 30 Banden (zusammen ungefahr 5200 Seiten in 40) dargeboten wurde. Wir besitzen daran eine reichhaltige Enzyklopadie der traditionellen Exegese, deren Vertreter eben Tabari ist5). Er betont gegenüber selbstandigeren, zuweilen willkürlichen subjektiven Einfallen, die er der Berücksichtigung nicht würdigen mag 6), unaufhörlich die ausschliessliche Berechtigung des auf übrigens vollends verschwundene Tafsïr-Werk eines Zeitgenossen des Tabari, Bakï b. Machlad aus Córdoba (845—889) höher geschatzt zu haben als das sonst als unttbertroffen geltende Werk des OstlSnders (Ibn Baschkuwal, ed. Codera, 121 paenult. nr. 277). 1) Geschichte des Qorans 1 XXVI—XXVII. 2) Besonders zu vgl. die wichtige Abhandlung O. Loths: TabarVs Korancommcntar, ZD MG XXXV (1S81) 588—628. 3) Einzelne Teile s. Brockelmann'I 143; dazu: 'Atif Ef. nr. 186—190, Bajazïd nr. 83—86; Fatih 169—172. 4) Durch den grossen Umfang des Werkes wurden sehr friih (bereits vom 4. Thd. d. ft. an, bald nach dem Tode Tabari's) 'Kompendien (muchtasar) desselben veranlasst. Es ist bemerkenswert, dass — soweit ich sehe — dieselben vielfach Arbeiten andalusischer Gelehit er sind. S. Fihrist 234, 25 ff., Ibn Baschkuwal nr. 29.1119, Jaküt Geogr. WB. III 531, 7. — Übersetzungen Brockelmann 1. c. 5) Die Académie des Inscriptions et Belles-Lettres steilte 1900 für einen prix Bordin die Preisfrage: „Etude sur le Tafsïr de Tabarï et le Kecchaf de Zamakhschari" — wie es scheint, ohne Erfolg. 6) So lasst er z. B. die unzuverlassigen Meinungen des Kelbl, Mukatil b. Sulejman (s. oben S. 58), Wakidi in der Exegese abseits liegen (vgl. Jaküt ed. Margoliouth VI 441, 5 ff.). 88 die Prophetengefahrten und Nachfolger gegründeten Hlm '), der durch ununterbrochene Vererbung und Verbreitung beglaubigten Überlieferung (al-nakl al-mustaf ïd), als alleinigen Kriteriums der exegetischen Richtigkeit2). Daneben beansprucht er für das idschma* al-umma auch in der Exegese die höchste Autoritat3). In diesem Sinne reiht er von Vers auf Vers nebeneinander die aus dem Kreise jener ausschliesslich massgebenden Autoritaten überlieferten Erklarungen nach den verschiedenen Isnaden, vermittels deren sie ihm zur Kenntnis gekommen sind. Er tut dies nicht in bloss mechanisch referierender Weise, sondern macht vom Recht der im Islam sehr früh zur Geltung gekommenen Kritik der Gewahrsmannerreihen den ausgiebigsten Gebrauch. Wo ihm die Tradition nicht zuverlassig erscheint, gibt er dieser Meinung gehörigen Ausdruck4). Selbst den anerkanntesten Ibn cAbbas-Überlieferern gegenüber, betatigt er seine Freiheit. Von Mudschahid, dem er sonst gern folgt, sagt er einmal, dass seine Meinung „im Gegensatz stehe zu samtlichen Autoritaten, denen man Irrtum und Lüge nicht zumuten könne"; ein anderesmal: „Was hier von Mudschahid erwahnt wird, hat keinen Sinn und die Nichtigkeit seiner Meinung ist unzweifelhaft" 5). In derselben Weise aussert er sich über Dahhak °) und andere Ibn cAbbasÜberlieferer. Ihm verdanken wir auch die umfassende Kenntnis der in bezug auf die Koranworte aufgetauchten Lesartvarietaten. Die Beispiele, an denen ich oben dies Variantenwesen und seine 1) I 132, 7 u.; 138 M. (ahl al-'ilm); XII 129 (zu 12, 49). Gegensatz von ahl al-'ilm und man jufassir al-Kur'an tiraj'ihi; vgl. noch besonders ibid. 103 (zu v. 24). 2) I 43 uit.; 97, 4; 120 unten; 253; II 42 (zu 2, 162); 252; III 39 (zu 2, 263); 155; IV 138. 3) II 270 bei der muhallil-¥xigc. 4) II 269 (zu 2, 229); II 294 (zu 2, 234); III 39 (zu 2, 263); XII 5 ff. (zu 11, 86). 5) I 253; XV, 90 (zu 17, 81). 6) II 269 unten; dort bemSngelt er auch überhaupt den auf Ibn cAbb5s führenden Isnad Abü Zuhejr: Dschuwejbir: Dahhak. è9 Gesichtspunkte veranschaulicht habe, konnten fast ausschliesslich dem Tabarï-tafsïr entnommen werden. Zudem verfasste er noch eine spezielle Monographie in 18 Banden, in weieher er alle irgendwie hervorgetretenen Koranvarianten (auch die schawadd) sammelte und einzeln kritisch behandelte'). Sowohl in bezug auf diese als auch auf die Erklarungsverschieden'heiten, namentlich -in Fallen, in denen (wie wir dies an einigen Ibn cAbbas-Beispielen erfuhren) von denselben Autoritaten einander widersprechende Meinungen überliefert werden, lasst er zum Schluss seine motivierte Entscheidung folgen. Gegenüber den Lesarten übt er grosse Toleranz. Wo die Verschiedenheiten den Sinn in wesentlicher Weise nicht berühren, lasst er von den gangbaren abweichende Lesarten unbedenklich zu2); nur gegen Lesarten, die durch Imame, die ihm als Argumente (huddscha) gelten, nicht gestützt sind und auf schwankender Basis die „Veranderung der Kodizes der Muslime bewirken würden", verhalt er sich entschieden abweisend. In der angewandten Exegese stellt er unaufhörlich den Grundsatz auf, dass in erster Reihe der klare, aussere Wortsinn (al-zahir) zu berücksichtigen sei, von dem die Erklarung nicht abgebogen werden dürfe; es sei denn, dass andere Koranstellen oder sonst triftige Motive eine andere Erklarung rechtfertigen. Unter letzteren versteht er „die Sprüche der Altvorderen (al-sala/)" namlich „der Gefahrten und der Imame und der nach ihnen Folgenden, d. h. der tabi'ün und der Gelehrten der Islamgemeinde" 4). Dabei macht er auch ausgiebigen Gebrauch von den hinsichtlich biblischer Legenden aus Quellen jüdischen Ursprungs (Kacb al-ahbar, Wahb b. Munabbih) 5) abgeleiteten ■ l) Jakut ed. Margoliouth VI 427, 7; 441 uit.; dies Werk ist nicht erhalten. 2) XIII io; XIV 5 (zu 15, 8). 3) I 59, 112 u. 306, 307; II 29 (zu 2, 153); II 48 (zu 2, 168); XIII 147, 10 u.; XVIII 23, 2; XXI 76 (zu 33, 10). 4) I 31 oben; XXV 21 (zu 42 v. 37); selbst die Annahme einer Abrogation (nasich wa-mansüch) lasst er nicht im üblichen Umfang zu solange der ZahirSinn ohne solche Annahme aufrecht erhalten werden kann. 5) Diese gehen in der Regel auf Ibn Ishak zurück, der sie auf Wahb, ge- go Mitteilungen; darin hatte er den Beifall seiner Vorganger nicht unbedingt erhalten. Sein Werk ist vielmehr die reichlichste Fundgrube der in islamischen Kreisen gangbaren Versionen über biblische Stofte '). Auch christliche Legenden führt er auf Wahb zurück 2). Interessant sind folgende Isnadtypen: „Von Ibn Ishak, von Abü cAttab, einem Mann aus dem Taglibstamm, der wahrend eines grossen Teils seines Lebens Christ war, spater sich zum Islam bekehrte, den Koran las und in der Religion forschte; man sagt, dass er vierzig Jahre im Christentum und ebensoviel im Islam gelebt habe"; dieser liefert einen Kommentar zu Jes. 53 ff. und 1 v. 3 als Verkündigung „des letzten Propheten der Israeliten" 3). Die Du1-Karnejn-Erzahlung wird mit folgendem Isnad eingeleitet: „M. b. Ishak: es berichtet uns einer von den zum Islam bekehrten ahl al-kitab, der die Geschichten der Nichtaraber (al-a°adschim) zu erzahlen weiss" 4). Für den Ernst seines Interesses ist bezeichnend sein Verhalten gegenüber müssigen Ergründungen über gleichgültige Minutien, mit denen sich manche Tradenten in naiver Weise abmühen. Wenn gefragt wird, ob auf den „Tisch" (5 v. 112— 115), der auf Wunsch der Apostel durch Jesus vom Himmel herabgeholt wurde, Speisen waren, ob Fische oder Brot oder Paradiesfrüchte oder was anderes?5) — so ist „das Wissen wöhnlich durch Vermittlung „eines in seiner Zuverlassigkeit unbedenklichen Anonymus ('amman la juttahamu)" zurückleitet; VI 86 (Namen der zwölf israelitischen Kundschafter); XVI 51, 1; XVII 45 (Hiob); XXIII 53 (Ezechiellegenden). Vgl. Lidzbarski I. c. 13. 1) Diese aggadischen Ausschmückungen bleiben fürder das sich in den Korankommentaren forterbende standige Material für biblische Legenden. Nach Ibn Chaldün (Notices et Extraits XVII 182) hat zuerst der andalusische Exeget 'Abdalhakk ibn 'Atijja (st. 1147; Brockelmann I 412) dasselbe kritisch gesichtet. In seinen Kommentar sollen, nach Ibn Hadschar al-Hejtamï (Fatawï hadlthijja 176, unten), mu'tazilitische Ideen Eingang gefunden haben (daher seine'Neigung zur kritischen Skepsis); Ibn H. halt demnach dessen Tafsïr für ein gefahrliches Werk. 2) III 147, 177 (Geburt und Leben Jesus') XVI 43 (Empföngnis). 3) XV 32 (zu 17 v. 7). 4) XVI 12. S) VI1 8z- 9i darüber ebenso wenig nützlich, wie die Unkenntnis davon schadlich ware. Es ist genügend, darüber nur so viel zu wissen, als die Offenbarung selbst in ihrem ausseren Wortsinn vortragt". — Ob Schucejb mit Jathrön (Jattïra) identisch ist, oder ob letzterer der Neffe des Schucejb war, wie manche vermuten, ist gleichgiltig und könnte nur durch sichere Tradition erschlossen werden, die es aber darüber nicht gibt '). Nach dem Koran (12 v. 20) verkaufen die Brüder den Josef um „gezahlte Dirheme". Die alten Ausleger wollen genau wissen, ob um 22 (zwei für jeden der elf Brüder) oder um 20 oder 40 Dirheme u. s. w. „Das werden wir niemals erfahren — meint Tabari — da weder Zahl noch Gewicht der Kaufsumme im Koran noch in einer Tradition vom Propheten bestimmt ist. Jede der vorgebrachten Bestimmungen ist möglich; aber das Wissen davon bringt für die Religion keinen Nutzen • das Nichtwissen keinen Schaden. Pflicht ist daran zu glauben, was in der Offenbarung deutlich zu lesen ist; von der Ergründung dessen, was darüber hinausgeht, sind wir enthoben" 2). Ebenso gleichgiltig ist es, darüber zu spekulieren, wie der in 2 v. 261 anonym erwahnte Prophet geheissen habe, den Gott nach hundertjahrigem Todesschlummer zum Leben erweckte: ob Jeremia oder cUzejr3); oder welcher Art die Beleidigung gewesen sei, die nach 33 v. 69 die Israeliten dem Moses zugefügt haben 4). 2 v. 67—68 wird aus der Geschichte der Israeliten erzahlt: „Da unter euch eine Mordtat vorkam und ihr über die Person des Mörders uneinig wart — Allah aber bringt heraus was ihr verheimlichet —, da sprachen wir: Schlaget ihn (den Leichnam) mit einem Stück von ihr (einer in bestimmter Art gestalteten Kuh, deren Opferung in den vorhergehenden Versen ange- 1) XX 37. 2) XII 97. 3) 111 19- Zarkaschï halt es geradezu für eine Vermessenheit (dscharö?d) über Anonyme nachzuforschen, deren Identifikation sich Gott vorbehalten hat (Sujatl, Itkan Kap. 70, II 170); auf dies Thema kommen wirim Abschnitt „Sektiererische Koran-auslegung" zurück. 4) XXII 33'. 92 ordnet war). So macht Allah die Toten lebendig und zeigt euch seine Zeichen; vielleicht dass ihr vernünftig waret". Die traditionelle Erklarung dieses, auf dunkier, missverstandlicher Ahnung von Deut. 21, 1—9 beruhenden Berichtes belehrt darüber, dass im alten Israël zum Zweck der Ermittlung des unbekannten Mörders ein abgetrennter Teil der geschlachteten Kuh mit dem Toten in Berührung gebracht worden sei, wodurch dieser zum Leben erweckt ward und die Person seines Mörders entdeckt habe. Mit dieser allgemeinen Bestimmung („ein Stück von ihr") geben sich scharfsinnige Exegeten nicht zufrieden. Man müsse genau wissen, welcher Teil der geschlachteten Kuh für dies Gottesgericht verwandt worden sei. Darüber werden verschiedene Angaben mit gleicher Sicherheit vorgetragen. Dies ist nicht nach dem Geschmack des Tabari: „Es schadet nicht die Unwissenheit darüber, ebenso wie auch das Wissen davon nichts nützte; wesentlich ist nur, dass man für wahr anerkenne, dass der Tote durch eine Berührung wieder zu Leben kam und die Person des Mörders entdeckte" '). Solche Bemerkungen wiederholt er bei verschiedenen Gelegenheiten, um auf die Nutz- und Haltlosigkeit von Grübeleien hjnzuweisen, die keine kompetente Tradition zur Stütze haben. Es sei nicht Sache des Exegeten, das Gras wachsen zu hören. Neben der Tradition gilt ihm der arabische Sprachgebrauch 2) als zuverlassigste Instanz in der Erklarung zweifelhafter Ausdrücke. Er hat wohl in der reichlichen Herbeiziehung der loei probantes (schawahid) aus der alten Poesie3), einer auf Ibn cAbbas zurückgeführten Anregung folgend, in breitem Umfang eigentlich erst die Bahn gebrochen. War er ja in der philologischen Wissenschaft, namentlich in der Kenntnis der alten Poesie nicht weniger hervorragend als in der Theologie 1) i 273. 2) z. B. bei tannür (11 v. 41) XII 24. — ibid. 101 (zu hejta laka 12 v. 23). 3) Ich verweise beispielsweise nur auf die feine Auseinandersetzung über la'alla I 124 (zu 2 v. 19). 93 und Geschichte '). Dieser ihm erteilte Ruhm wird durch die philologischen Exkurse in seinem Tafsïr-Werk in reichem Masse gerechtfertigt. Was er in seinem Korankommentar in philologischer Beziehung geleistet hat, ist eine unschatzbare Fundgrube für die lexikalische Forschung. Ebenso weitreichend sind seine grammatikalischen Erörterungen, in denen er die Betrachtung der sprachlichen Erscheinungen nach den verschiedenen Auffassungen der basrischen und kqfischen Grammatikerschulen auseinandersetzt, für deren Kenntnis und Würdigung sein Werk als eine der altesten Quellen dienen kann. Die philologische Untersuchung erscheint unablassig als Hilfsmittel der auf Hlm gegründeten Exegese; dabei vergisst er jedoch nicht, die Anwendung dieser Methode durch den Grundsatz einzuschranken, dass dieselbe nicht im Widerspruch damit stehen dürfe, was wir über die Auslegung einer Koranstelle aus der sicheren Tradition der Gefahrten und Nachfolger wissen2). Auch in philologischen Fragen verlasst er somit seinen traditionellen Standpunkt nicht. So ist also Tabarï's grosses koranexegetisches Werk der Inbegriff und Höhepunkt der traditionellen Exegese. Wie jedoch sein Werk auf diesem Gebiete als abschliessende Leistung zu würdigen ist, so führt es anderseits auch zur nachsten Phase der exegetischen Entwicklung hinüber. Wohl nicht gerade sehr haufig, jedoch immerhin an einer betrachtlichen Anzahl von Koranstellen lernen wir ihn als Theologen kennen, dem auch die dogmatische Nutzanwendung in positiver und polemischer Richtung nahe lag. Er kann sich auch hierin zumeist auf alte Autoritaten, besonders auf den von ihm zuweilen (s. oben^S. 88) abgewiesenen Mudschahid berufen, der an seine Texte gern auch dogmatische Folgerungen anschliesst. Im allgemeinen steht Tabari in dogmatischen Fragen, so weit er zu denselben bei der Erklarung der Koranverse Stellung i) Jakut ed. Margoliouth VI 432, 9. 2) XVII 100 zu 20 v. 15. 94 zu nehmen hat, auf dem Standpunkt der traditionellen Orthodoxie; nichtsdestoweniger konnten die Vertreter derselben ihm den Vorwurf nicht ersparen, dass er in einigen Fragen zu Anschauungen neigt, die von den Altkonservativen mit harter Zensur belegt waren. Die Hanbaliten waren ihm schon wegen der geringen Meinung, die er über Ahmed b. Hanbal ausserte, sehr unfreundlich gesinnt. Wie erst, als er über 17 v. 81 eine Meinung zu aussern wagte, durch welche der Fanatismus der Hanbaliten gegen ihn entfessëlt wurde ! Wir werden bald Gelegenheit haben darauf zurückzukommen, welche gefahrlichen Wutausbrüche der aufgeregten „Piazza" er darüber zu erleiden hatte. Und auch in der Frage: ob der Mensch seinen Willen selbstandig erzeuge, oder ob derselbe in absoluter Weise von Gott determiniert sei, bedient er sich einer Formel, die fast mit einer Lösung identisch ist, die wir als die von der Orthodoxie bekampfte Kennen lernèn werden. So oft im Koran von Leitung und Irreführung der Menschen durch Gott die Rede ist, unterlasst er es namlich niemals, umschreibende Wendungen zu gebrauchen, aus denen ersichtlich ist, dass er die Taten der Menschen nicht als unfreie Wirkungen betrachtet, sondern dass man unter Gottesleitung den gnadigen Beistand Gottes (luif, taufïk) zu der durch den Menschen selbst frei gewollten guten Tat, unter Irreführung die Entziehung dieses Beistandes (chadalan) zu verstehen habe. Dies wird bei allen dafür geeigneten Stellen in kürzerer, blos paraphrasierender, oder breiterer Form angebracht'). Man kann darüber gar nicht staunen, dass solchen Erklarungen die Einwendung entgegengehalten wird, dass sie völlig muctazilitisch anmuten 2). Dessen scheint sich Tabari selbst nicht bewusst gewesen zu sein. Denn in allen seinem Kommentar einverleibten dogmatischen Exkursen bewahrt er das Bestreben, in konsequenter 1) I 42 ult.;VI 20 (zvt4v. 166); VII 109 (besonders wichtige Stelle, zu 6 v. 35); XIÜ 85 (zu 13 v. 27); 106 (zu 14 v. 4); XIV 54 (zu 16 v. 9), 103 (zu 16 v.45) u.a.m. 2) J3küt ed. Margoliouth VI 453 f. 95 Orthodoxie sich als Gegner aller dogmatischen Tendenzen auszusprechen, die von dem hergebrachten Lehrbegriff abweichen. Ganz besonders scheint es ihm am Herzen gelegen zu sein, in der Frage des liberum arbitrium, trotz seiner so eben nachgewiesenen Neigung, der Freiheit der Willens Konzessionen zu machen, die Lehre der unter dem Namen der T£adariten bekannten Richtung zu bekampfen und ihre aus dem Koran gezogenen Folgerungen exegetisch abzulehnen '). Ebenso entschieden tritt er auch gegen andere, den strengorthodoxen Lehrbegriff abschwachende dogmatische Bestrebungen in die Schranken. Er polemisiert gegen die mutakallimün 2) in der Frage über das auf die Sünden sich erstreckende Vorwissen Gottes (sabïk al-Hlm)3);. über den Begriff des materiellen Schauens Gottes, wo er, ohne sie zu nennen % die metaphorische Auslegung der Muctaziliten scharf bekampft5). Im allgemeinen lehnt er die in der rationalistischen Schule beliebte metaphorische Auslegung ab und schliesst sich der Überlieferung der alten traditionellen Autoritaten in ihrer wortgemassen Auffassung dieser Dinge an. Dies zeigt er z. B. schon an einem dogmatisch gleichgültigen Beispiel, zu 2 v. 69 („Dann habe ich eure — der Israeliten — Herzen verhartet und sie sind wie der Stein, oder noch harter als dieser"). Bereits alte Ausleger erklaren die den Steinen zugemutete Gottesfurcht aus rhetorischen Gesichtspunkten. Tabari hat gegen solche Erklarungen an dieser Stelle wohl prinzipiell nichts einzuwenden; sie vertragen sich mit der Absicht der Koranworte. „Jedoch stehen sie — sagt Ta- 1) I 52 uit., 64; II 283 (zu 2 v. 233); XXIV 45 (zu 40 v. 68); XXVII 58' (zu 54 v. 46) u. a. m. Dazu gehort auch II 190, 9 v. u. (zu 2 v. 209) wo von AJnt-l-'Alija zitiert wird: „Dieser Vers bietet einen Ausweg aus allen Zweifeln Irrungen und Versuchungen". 2) Sie werden mit diesem Namen erwahnt XXVI 77 (zu 49 v. 11). 3) XVIII 38 (zu 23 v. 108), XXIII 122 (zu 39, 20). 4) XXIII 63 (zu 37 v. 162—163) 106 uit. (zu 38 v. 7x auf Ibn cAbbas zurückgeführt). 5) VII 182 — 186 (zu 6 v. 103). 9<5 barï — im Widerspruch mit der (wörtlichen) Auslegung der Altvorderen. Darum halten wir jene Erklarungsarten für nicht zulassig". Die bei den Steinen vorausgesetzte Gottesfurcht soll wörtlich aufgefasst worden, wie die Verneigung des Baumstammes vor dem Propheten u. a. m. „Gott sei imstande — zitiert er von einer dieser alten Autoritaten — einem von ihm dazu bestimmten Steine Erkenntnisvermögen und Vernünftigkeit zu verleihen, um Gott Gehorsam zu leisten" (I 276—277). Noch viel energischer widersetzt er sich der figürlichen Auffassung der auf Gott bezüglichen Anthropomorphismen; solche Ausdrücke seien auf wirkliche Attribute Gottes (sifat Allah) zu beziehen. Dies ist besonders aus seinem Exkurs zu 5 v. 69 ') ersichtlich: „Die Juden sagen: die Hand Gottes ist gefesselt vielmehr seine beiden Hande sind ausgestreckt, er spendet wie er will". Die Dialektiker (ahl-al-dschadal) — dies sind eben die Kalamleute 2) — sind in betreff der Erklarung der Worte ,seine beiden Hande sind ausgestreckt' verschiedener Meinung. Die einen verstehen unter dem Ausdruck ,Hand', immer mit Berufung auf den arabischen Sprachgebrauch, die Gnade, die Macht, die Herrschaft. Andere verstehen darunter ein wirkliches Attribut Gottes (si/a min sifatihi), eine wirkliche Hand, aber nicht im Sinne eines körperlichen Gliedmasses, wie die Gliedmassen des Menschen. Sie führen für die Behauptung der Unmöglichkeit ersterer Ansicht verschiedene Gründe an; unter anderen: 1) Die Koranstelle, nach welcher „Gott schuf Adam mit seiner Hand". Dies kann nicht etwa Gnade, Macht etc. bedeuten; denn nicht nur in Adams Schöpfung, sondern in der der gesamten Kreatur betatigte sich Gottes Gnade, Macht etc, wahrend hier speziell von Adam ausgesagt wird, dass ihn Gott anders (mit eigener Hand) erschaffen, als die übrige Schöpfung. Ferner 2) hatte im Sinne jener Metaphoriker der Dualis hier keinen- Sinn. „Die beiden Hande 1) VI 172. 2) Buch vom Wesen der Seele 13* 97 Gottes sind ausgestreckt" bedeutete demnach „die beiden Gnaden Gottes sind ausgestreckt". Im Singular könnte es zur Not eine Metapher sein, im Dual ergabe eine solche Deutung unleugbar einen Widersinn. Tabari entscheidet sich mit Berufung auf den Wortsinn vieler Traditionen und auf die Meinung der cUlama für die zweiterwahnte Erklarung (si/a). Wir können daraus folgern, dass er denselben Standpunkt einnimmt in bezug auf Koranstellen, bei denen er die verschiedenen Meinungen aneinanderreiht, ohne seine eigene Entscheidung folgen zu lassen. Dies unterlasst er z. B. bei der strittigen Definierung des Begriffes des göttlichen 'Wohlge/allens (rida)»). Dasselbe erfahren wir an 2 v. 206: „Erwarten sie denn etwas anderes als dass Allah zu ihnen kommt im Schatten des Gewölks?" Es herrscht Meinungsverschiedenheit über die Modalitat, wie dies Kommen Gottes zu verstehen sei. Einige lehren, es lasse sich dies überhaupt nicht anders beschreiben als wie es Gott selbst beschreibt, wenn er von seinem Gehen, Kommen und Herniedersteigen redet; es sei niemandem erlaubt, sich dabei einer anderen als der auf das Wort Gottes selbst oder das des Propheten begründeten Redeweise zu bedienen. Niemand darf über die Eigenschaften und Namen Gottes andere Folgerungen aufstellen als solche, die auf die erwahnten (Quellen) gestützt sind. — Andere meinen: Unter dem Kommen Gottes sei, so wie unter jedem anderen Kommen, eine Ortsveranderung zu verstehen j im Sinne verschiedener metaphorischer Erklarungen bedeute das Kommen Gottes das Ergehen seines Befehles, oder die Erteilung seines Lohnes und seiner Strafe. Alle diese Erklarungen führt er neben einander an (II 184 unten), ohne — wie dies bei Anführung von Meinungsverschiedenheit sonst seine Gewohnheit ist — sich zum SchlusS für die eine oder andere zu entscheiden. Es darf nicht unbemerkt bleiben, dass er für die zweite Erklarung (Ortsveranderung 1) VI 93 zu 5 v. 18. 7 98 Gottes) kein Wort des Tadels hat. Jedoch ist es nicht unwahrscheinlich, dass die erste seinem eigenen dogmatischen Stand punkt entspricht. Ein aus Anlass entsprechender Koranverse wiederholt berührtes dogmatisches Thema ist die zwischen den Schulparteien strittige Frage über den Einfluss der Werke auf die dereinstige Seligkeit und Verdammnis ') (S. im nachstfolgenden Abschnitt). Wir ersehen aus allen diesen Daten, dass Tabari den zu seiner Zeit umstrittenen dogmatischen Streitfragen als Exeget nicht fern stand. Darum konnten wir der Nötigung nicht aus dem Wege gehen, schon an diesem Punkte die Berührung von Fragen vorwegzunehmen, deren Sinn und Bedeutung uns erst im nachsten Abschnitt klar werden kann. Obwohl Tabari in vorderster Reihe nur die Mitteilung der altesten exegetischen Tradition interessiert, können seine gelegentlichen dogmatischen Auseinandersetzungen als Brücke dienen, die uns zu dem Gegenstand des nachsten Abschnittes hinüberleitet. i) I 290 (zu 2, 75); 292; II 43, 4 (*« 2, l6z)ï xn 66 (zu "> 109 ChSridschiten von Katada als ahl Haraura bezeichnet; vgl. XVI 24 zu 18,103). DOGMATISCHE KORANAUSLEGUNG. RATIONALISMUS. 1. v Ein Bruch mit der traditionellen Koranauslegung ist ohne dass seine alten Vertreter ihre exegetische Tat als Kampf gegen die Tradition empfunden oder beabsichtigt hatten zu allererst durch den islamischen Rationalismus vollzogen worden • durch die Bekenner einer religiösen Betrachtungsweise, die von der Vorstellung, die der Glaubige von der Gottheit, ihrem Wesen und Walten in sich tragt, alles Grobsinnliche, sie unwurdig ia die Sphare der Materialitat Herabziehende, sowie auch alle den Forderungen der Weisheit und Gerechtigkeit wiedersprechende Willkür fern halten wollten. Damit gerieten diese frommen Leute, - man nennt sie Miftazihten — allerdings leicht in Widerspruch mit herrschenden Anschauungen, in deren Sinne der persönliche Gott von jenen Attributen untrennbar erschien und die göttliche AUmacht nicht viel anders als die eines mit schrankenloser Willkür unverantwortlich waltenden Herrschers, vorstellbar war. Dies ablehnende Verhalten der alten Mu'tazilitèn gegenüber manchen traditionell vorherrschenden Religionsvorstellungen fuhrte bereits in der Frühzeit der 'Abbasiden zur Wahlververwandschaft radikaler Rationalisten mit jenen frommen Grublern und bald erweiterte sich ihr Kreis zur Partei derer, die, wenn auch aus verschiedenen Motiven, den überlieferten 100 Anschauungen auf der ganzen Linie mit Unabhangigkeit und Freiheit entgegentraten '). Infolge der Nötigung zur Abwehr der gegnerischen Angriffe kam die Partei der Muctaziliten bald in die Lage, ihre Lehre einerseits durch Korantexte theologisch begründen zu müssen, andererseits die aus letzteren ihnen entgegengehaltenen Argumente durch geschickte Auslegung zu entkraften und ihrer eigenen Lehre dienstbar zu machen. Für die Kulturgeschichte der islamischen Gesellschaft ist von Bedeutung die Kenntnis der Tatsache, dass solche koranexegetische Differenzen nicht darauf heschrankt sind, gelehrte Angelegenheiten der theologischen Schulparteien zu sein. Wir verfügen über manches Beispiel dafür, dass sich auch die grosse Menge an dem dogmatischen Streit der Theologen in ihrer Weise .beteiligt. In Gebieten, in denen die offizielle orthodoxe Theologie einer Minderheit von Rationalisten gegenüberstand!), fand jene in der Regel eine tatkraftige Stütze an den unwissenden Volksmassen, die für ihre Opposition gegen die Störung der orthodoxen Lehre nicht selten mit groben Tatlichkeiten argumentierten3), mit Strassentumulten, bei denen es zuweilen so wild herging, dass ihnen auch Menschenleben zum Opfer fielen % Irgend eine koranexegetische Streitfrage konnte nicht nur die berufsmassigen Theologen, sondern auch das ungelehrte Volk in Parteien teilen, die ihren Kampf auf die Strasse hinaustrugen. Fanatische Hanbaliten haben es wohl verstanden, die Instinkte der verstandnislosen Massen gegen die religionstörenden Neuerer aufzuregen und in den dogmatischen Kampf hineinzuziehen. Ihre Hetze hatte, zumal in Baghdad, manchen Putsch als Erfolg aufzuweisen. 1) Vgl. darüber Vorlesungen 100; Die islamische und jüdische Philosophie des Mittelalters in „Kultur der Gegenwart" III Th. I. Abth. (2. Aufl.) 302.^ 2) Es gab freilich auch weite Gebiete der Islamwelt, in denen die mu tazihtischen Lehren vorherrschten und die religiöse Denkweise der gewöhnlichen Volksschichten beeinflussten; s. Der Islam III 222. 3) Ibn al-Athlr ad ann. 469 (ed. Bülak X 36) ann. 475 (ibid. 46). 4) Vgl. ZDMG LXII 5 ff. 101 Vom Jahre 929 wird ein Aufstand in Baghdad verzeichnet, der durch einen exegetischen Streit veranlasst wurde. Es handelte sich um das Verstandnis der Koranworte 17 v. 81: „Und bringe einen Teil der Nacht in Andacht zu, als freiwillige Leistung für dich; vielleicht sendet dich Gott an einen löblichen Ort". Was für Ort ist damit gemeint? Die Hanbaliten, als deren Vertreter in dieser Frage Ishak alMerwezï genannt wird, glaubten, dass darunter zu verstehen sei, dass Gott dem Propheten als Lohn für seine eifrige Andacht einen Platz auf seinem Throne anweisen werde (vielleicht Einfluss von Ev. Marei 16, 19). Andere denen, irgendwie muctazilitisch beeinflusst, solche Deutung als Blasphemie erscheinen mochte, meinten, — was auch in orthodoxen Kreisen bald zur Geltung kam — es sei darunter kein bestimmter Ort, sondern die Rangstufe der Fürsprache (schafcfa) zu verstehen, auf die der Prophet als Lohn für seine unablassige Andacht erhoben würde. Für jede der beiden Erklarungen ereiferte sich je eine Partei und es kam darüber zwischen ihnen zu Gewalttatigkeit, Mord und Totschlag; Militarmacht musste dazwischentreten um die Ausschreitungen einzudammen '). Kurz vorher hatte der grosse Tabari eine Empörung des durch fanatische Hanbaliten2) gegen ihn aufgereizten Pöbels zu erleiden, als er die landlaufige Auslegung derselben Koranstelle mit der Bemerkung begleitete, dass dieselbe absurd sei und den Vers hinzufügte: „Gepriesen ist der kèinen Gesellschafter hat — und auf dessen Thron niemand bei ihm sitzt". Tausende der Zuhörer schleuderten die Tintenfasser gegen dan Vortragenden; vor der Wut der Hanbalitenjünger musste er sich in seine Wohnung zurückziehen, die in Fortsetzung der Schulrevolte durch das Volk bestürmt, mit Steinen beworfen wurde, die vor der Tür einen grossen Hügel bildeten. Zehn-» 1) Ibn al-Athïr ad ann. 317 (VIII 73); vgl. 'Alarn al-dln al-BirzSÜ bei F. Kern, Einleitung zu Tabarï's Ichtitaf al-fukaha (Kairo 1902). 2) Diese waren gegen ibn auch sonst feindlich gesinnt, s. Wiener ZKM. IX 362 Anm. 102 tausende Schutzmanner mussten aufgeboten werden, um den gefeierten Gelehrten vor der Wut des aufgeregten Pöbels zu beschützen '). Der Widerspruch gegen die grobe anthropomorphistische Gottesauffassung nimmt ihren Anfang nicht erst mit dem schulmassigen Auftreten der Muctaziliten; seine Keime reichen vielmehr in eine frühere Zeit und in einen Kreis hinein, in dem sonst die traditionelle Koranexegese vorherrschend war. So wie der Kampf gegen die dogmatische Verneinung der Willensfreiheit eine Weiterentwicklung alterer Bestrebungen, der den Mu'taziliten voraufgehenden Schicht der Kadariten (unter den Omajjaden, ca. Ende des VII, Anfang des VIII. Jhd.'s) 2) ist, so gehen den Muctaziliten auch in ihrer Ablehnung des Anthropomorphismus vereinzelte Kundgebungen aus alterer Zeit voraus, die ihnen Mut einflössen konnten, herrschende Anschauungen in grundsatzlichen Dingen in grösserem Umfarige systematisch abzulehnen 3). Dies zeigt vornehmlich ein Beispiel. Eine der meist einschneidenden Kampfesfragen zwischen Orthodoxie und Muctazila, meist einschneidend, weil es sich dabei nicht um ausschliesslich den schulmassigen Theologen zugangliche und auch nur sie interessierende dogmatische Subtilitaten handelt, sondern um Vorstellungen, mit denen die religiöse Hoffnung auch des gemeinen Mannes genahrt wird, ist die Auffassung von 75 v. 22—23, wonach „Gesichter werden an jenem Tage leuchten und zu ihrem Herrn blieken". Darauf stützt sich die von der Orthodoxie dogmatisch geforderte Anschauung, 1) ZDMG LV 67, Anm. I; 76 (F. Kern); Jffkü( ed. Margoliouth VI 426. — Vgl. Tor Andrae, Die Person Muhammeds in Lehre und Glauben seiner Gemeinde . (Stockholm 1918) 271 ff. Die Veranlassung dieses Ereignisses wird auch anders angegeben, s. Muh. Stud. II 163. 2) Vorlesungen 96. Mukaddasï, ed. de Goeje 37, 11 stellt dies Verhaltnis so dar, dass die Mu'taziliten die Kadariten überflügelt haben. 3) Über das Hineinragen der von den Mu'taziliten aufgenommenen Probleme in die Frühzeit des Islams findet man wichtiges Material auf Grond der christl. patristischen Litteratur bei C. H. Beek er, in Zeitschr. für Assyriologie XXVI 183 ff. (vgl. besonders über das Erschaffensein des Korans 188). 103 dass die Gerechten und Seligen Gott mitleiblichemAuge (im Hadith ausdrücklich Hjanan)') schauen werden. Auf den Imam al-Schaficï zurückgeführt, wird dafür auch 83 v. 15 benutzt: „Doch werden sie (die Ung'laubigen) an jenem Tage von ihrem Herrn abgeschlossen sein (mahdschübünd)" d. h. sie werden ihn nicht sehen, woraus e contrario folge, dass die Seligen ihn erschauen werden. Und als der Imam gefragt wurde, ob dies sein fester Glaube sei, soll er erwidert haben: „Hatte Muhammed b. Idrïs (al-SchafVÏ) nicht die Gewissheit, seinen Gott dereinst «u schauen, so würde er ihm im Diesseits nicht dienen"2). Dazu stimmt, dass Schafici in seinem durch Fr. Kern entdeckten „dogmatischen Vermachtnis" 3) diesen Punkt des Bekenntnisses mit Nachdruck betont, mit besonderer Hervorhebung, dass das Schauen zu Gott Hjanan dschiharan (mit leiblichem Auge und öffentlich) geschehen werde und dass die Seligen seine Rede hören werden. Schon das alte, als echt anerkannte Hadith hat die Umstande dieser visio beatifica nach allen Einzelnheiten mit realistischen Zügen ausgemalt. Die stetig reicher sich entfaltende Phantasie der Spateren, die sich immer mehr zur Kleinmalerei der letzten Dinge verstieg4), hat sich mit geradezu unersattlicher Gier auf dies Thema gestürzt und über den Verkehr der Seligen mit Gott ausschweifende, für den Glauben freilich unverbindliche Vorstellungen ersonnen und sie in traditionelle Form gekleidet. 1) Buch. Tauhld nr. 24. 2) Subkl, Tabak. Schaf. I 115, 4 v. u. 3) Mitteil. d. Sem. f. Or. Spr. XIII/II 3, 6. 4) Auch popular-theologische Nebenfragen tauchen mit der Zeit reichlich auf Man spekuliert z. B. darüber, ob auch die glaubigen Frauen an dieser Verheissung teilhaben, da die Subjekte derselben in den betreffenden Texten grammatisch immer masc. generis erscheinen. An besonderen Feiertagen (fitr und nahr) werden schliesslich auch sie zugelassen. — Dann ist es fraglich. "ob die Verheissung sich auf die Engel erstrecke, da sie doch die mühevollen Verdienste (wte dschihad, tatige Gesetzeserfüllung u. a. m.), die durch die visio' belohnt werden, nicht erworben haben. Die Frage wird gegen sehr angesehene, die negattve Meinung vertretende Autoritaten, durch Berufung auf Asch'ari entsehieden, der in seinem abschliessenden dogmatischen Kompendium, /bana, (Vorlesungen 121) auch die Engel in die Verbeissung einschliesst. Alles dies eingehend bei Kastallanï X 464. 104 Die bezüglichen Traditionen sind gesammelt im „Karavanenführer der Seelen zu den Statten der Wonnen"1) vom Hanbaliten Ibn Kajjim al-Dschauzijja (st. 1350), dem wir im Laufe dieser Studiën in anderem Zusammenhange noch begegnen -werden. Die Muctaziliten kümmern sich nicht um solche mythologische Auswüchse. Sie greifen die Vorstellung Schauen Gottes in ihrem einfachsten koranischen Keime an. Sie finden zunachst einen Widerspruch zwischen dem Vers, auf den sich diese Vorstellung stützt, mit einem anderen geoffenbarten Koranspruch (6 v. 102) lautend: Das ist Allah euer Herr; es gibt keinen Gott nur ihn, den Schöpfer jedes Dinges; so dienet ihm denn; und er ist der Besorger für jedes Ding; (v. 103) nicht erreichen ihn die Blicke, er aber erreicht die Blicke, er ist der Gnadige, Kundige. „Nicht erreichen ihn die Blicke" weder in diesem — war ja auch dem Moses das Anschauen Gottes versagt — noch im jenseitigen Leben2). Die Muctaziliten halten am wörtlichen, durch die Orthodoxie abgebogenen Sinn dieser allgemeinen Negation fest; hingegen deuten sie das „Blieken zu ihrem Herrn" in 75 v. 23, das sie in wörtlichem Sinne nimmermehr zulassen mogen 3), als figürliche Redeweise. Dies ist einer der popularsten Streitpunkte zwischen den Traditionellen und den Muctaziliten geblieben. Jene haben stets mit wahrer Eifersucht gestrebt, die rationelle Deutung zu verhindern. Unter den Ursachen, aus denen der Ghaznewïde Mahmüd b. Sebuktekïn dem grossen Dichter des Schahnameh seine Gunst entzog, erwahnt die persische Litte- 1) Hadï al-arwah ila bil ad al-afraA (Paralleldruck mit desselben Verfassers H5m al-muwakka'ïn {an rabbi-l-calamïn) Kairo, Nfl-Druckerei, 1325 d. H. 2 Bde in 40 II 103 ff. Dort sind auch 109 -153 die Hadithe der Gefahrten und die Aussprüche der orthodoxen Autoritaten über das materielle Gottesschauen am reichlichsten gesammelt. 2) Über den exegetischen Streit der beiden Parteien um diese Frage vgl. auch Makkarl (ed. Leiden) I 486. 3) Freilich gab es unter den vielverzweigten Mu'taziliten auch solche, die für die Seligen das Blieken auf Gott vermittels eines ihnen zu verleihenden sechsten Sinnes zugaben. (Schahrastanï ed. Cureton 63, 10). 105 raturgeschichte, dass dem die Orthodoxie eifrig beschützenden Fürsten ') ein Distichon des Firdösï denunziert wurde, aus dem sein Zweifel an der Möglichkeit Gott zu schauen gefolgert werden konnte. Darob wurde der das Muctazilitentum misbilligende Mahmüd gegen den Dichter erzürnt 2). Jedoch war den Mu'taziliten darin ein Exeget der traditionellen Schule des frühen Zeitalters zuvorgekommen. Es ist für die Duldung abweichender Meinungen im alten Islam bezeichnend, dass keine Spur davon bemerkt werden kann, dass man dem alten Exegeten diese Deutung verübelt habe, der man in einer spateren Generation schonüngslos das Brandmal arger Ketzerei aufdrückte. Tabari, der, wie wir gesehen haben, in seiner grossen koranexegetischen Enzyklopadie viele wertvolle Reste aus der altesten Exegetenschule aufbewahrt hat, verzeichnet zu dem Verse in S. 75 sowie zu einer anderen Versgruppe (54 v. 4 ff.) Ausserungen alter Ausleger, die die wörtliche Erklarung in ganz entschiedener Weise ablehnen, oder mindestens abschwachen. An letzterer Stelle, die erst unlangst von Tor Andrae behandelt worden ist3), schildert Muhammed eine Vision, die er seinen Zuhörern in folgender Weise veranschaulicht: „Es ist nichts anderes als Offenbarung, die ihm geoffenbart wurde (5), die ihn gelehrt der gewaltige an Kraft (6), der Herr der Festigkeit; und aufrecht stand er (7); und er war im höchsten Horizont (8); dann kam er naher und liess sich herab (9), und war zwei Bogen entfernt oder noch naher (10) und offenbarte seinem Diener, was er offenbarte (11); nicht tauschte (ihm) die Seele (vor) was er sah (12); wollt ihr ihm denn streitig machen, was er sah (13)? Und er sah ihn bei einem anderen Herabsteigen (14) bei dem Lotosbaum der Grenze" u. s. w. Dazu finden wir mit als annehmbar angesehenen Isnaden 1) ZD MG LXII, 13, 22 vgl. Ibn Hazm, Milal IV 215. 2) Nizamï 'Arudl, Tschahar makala ed. E. G. Browne (Gibb-Series XI) 40 2 ff. (JRAS 1899 SA. 80). 3) Die Legenden von der Berufung Muhammads in Le Monde Oriental VI 5—18. io6 ausgerüstete Überlieferungen *) —■ die in grosser Fülle auch bei Tabari (XXVII 24—28) gesammelt sind, eine Anzahl sehr beachtënswerter auf „Gefahrten" zurückgeführter Auslegungen. Nach einigeri soll das Subjekt von „und aufrecht stand er, da", „er kam naher" nicht Gott, 'sondern der Engel Gabriel sein. Dann folgen einige Nachrichten, nach welchen man den Propheten selbst gefragt haben solle, ob er Gott wirklich gesehen habe ? worauf er die Antwort erteilt: Jawohl, ich habe ihn im Ge ist e2), aber niemals mit Augen geschaut. Dieselbe Erklarung tradiert cIkrima im Namen des Ibn cAbbas, der, wie wir gesehén haben, als der competenteste Interpret der .Absichten des Gotteswortes anerkannt ist. Ja sogar, als man der cAjischa erzahlte, dass Kacb ah-ahbar gelehrt habe, dass Gott sein Anschauen und seine Rede zwischen zwei Propheten geteilt habe, Moses (zu dem habe Gott geredet) und Muhammed (er habe Gott schauen dürfen), da sagte sie: „Behüte Gott, mein Haar steht zu Berge vor dem was du hier sprichst". „Wer wahnt, dass Muhammed Gott gesehen habe, macht sich der schwersten Blasphemie schuldig" 3). Man kann uns freilich nicht zumuten, daran zu glauben, dass die alten „Gefahrten" diese Auslegungen seiner Worte von.. Muhammed selbst erhalten, oder dass seine Wittwe sich auf Koraninterpretation eingelassen habe, wenn sie auch in dieser nichts weniger als feministischen Umgebung sehr haufig als theologische Autoritat angeführt wird. Es sind alte Tradenten, die für ihr votum separatum eine unzweifelhafte Legi- 0 Vgl. Muslim und dazu Nawawï I 249 ff, 2) Ru'jal al-fu'ad, auch ru'jal Hlm™ wa-wakji" (KastallanI II 207, 5 v. u. zu B. óumuca nr. 78). Diese Lösu'ng (Annahme einer 1 re't/a/A ha-lïbK) haben auch die muctazilitisch beeinflussten jüdischen Rationalisten der ge'önaischen Epoche bei ahnlichen Problemen angewandt. (Teschübhoth ka-Ge'dnïm ed. Musafia [Mek. Nird. Lyk 1864] 35 nr. 115; R~ Jehüdah b. Barzillai, Kommentar zum S. Jesïra ed. Halberstam [Berlin 1885] 22, 7 ff. von R. Chanan^l). 3) vg!- Tirmidï, Sahïh II 179 [jetzt auch Tor Andrae, Die Person Mohammeds 74]. io7 timierung suchen und dafür den Ibn 'Abbas oder die Frau cAjischa für geeignet fïnden. Auf sichererem Boden befinden wir uns, wenn wir bei der Gottesschau der Seligen in zahlreichen Isnaden erfahren, dass einer der angesehenen Tradenten, der Mekkaner Mudschahid (st. ca 718-20 im Alter von 83 Jahren), einer der vertrautesten Schuier des Ibn 'Abbas, dessen Koranexegese von den alten Autoritaten des Islams als die zuverlassigste anerkannt wird '), den Ausdruck „zu ihrem Herrn blieken" der gewöhnlichen Auslegung entzog und darin die Bezeichnung fand: „hoffnungsvollen Sehnens zu Gott hin" oder „sehnsuchtsvoller Erwartung seiner Vergeltung"", mit der bedeutungsvollen Klausel: Keiner seiner Geschöpfe kann ihn irgend schauen (Tabari XXVIII 104). Auch eine andere alte Autoritat, der Kufenser "Atijja al-'Aufï (st. 730) spricht sich bei dieser Gelegenheit mit dem Hinweis auf 6 v. 103 in demselben Sinne aus. Und die waren nicht Muctaziliten. Es ist dies kein vereinzelter Fall, in dem uns eben Mudschahid als Dolmetscher rationalistischer Koranauslegung begegnet. Wir haben bereits darauf hingewiesen (S. 88), dass er bei Tabari, der ihn übrigens zuweilen ablfehnt, im Zusammenhang solcher Erklarungen angeführt wird. Seine Neigung zum Rationalismus bekundet er z. B. auch 2 v. 61, bei der durch die Legende weiter ausgeschmückten Erzahlung, dass Gott die Sabbathübertreter in „ausgestossene Affen" verwandelt habe. Dazu sagt Mudschahid, dass diese Verwandlung nicht ihre körperliche Form, sondern ihre Herzen betroffen habe. Sie blieben Menschen mit den Seeleneigenschaften von Affen. Es ware also hier bloss eine Vergleichung beabsichtigt, ebenso wie die Leute, denen die Thora aufgetragen wurde, an anderer Stelle (62 v. 5) verglichen werden mit einem Esel, der Bücher 1) Vgl. die Anführungen bei Ibn Tejmijja, Tafsïr sürat al-ichlas (Kairo 1323) 94- Fre.hch wird auch die Ansicht angeführt (und abgewiesen), dass die durch Ibn abi Nadsehïh vermittelten Erklarungen des Mudschahid nicht als authentisch anerkannt werden können. io8 tragt" '). Mudschahid geht hierin weiter als sich spater muctazüitische Lehrer wagten, die rationalistische Erklarungen der Verwandlung (klimatische Einflüsse u. a. m.) vorbringen, ohne die materielle Tatsachlichkeit derselben offen zu bezweifeln2). Die rationalisierende Neigung des Mudschahid kann sich noch freier an der Deutung ausserkoranischer religiöser Erzahlungen bewahren. In volkstümlichen Traditionen, zumeist mit ethischer Tendenz, begegnet haufig die Vorstellung: der Thron Gottes erzittere, sowohl als Ausdruck der Misbilligung, als auch als der des Beifalies für einen auf Erden geschehenden Vorgang 3). Eine in die kanonischen Sammlungen 1) Von den meisten Kommentaren, z. B. Bajdawï z. St. (I 64, 24 ed. Fleischer) angeführt; merkwürdigerweise niramt gerade der Mu'tazilit Zamachscharï in seinem Kasschaf z. St. keine Rücksicht auf diese seiner Richtung trefilich entsprechende Erklarung. Vgl. auch Damiri II 290, penult. (s. v. kird) mit der Bemerkung: „Dies ist eine Meinung mit der er (Mudschahid) unter allen Muslimen vereinzelt ist". 2) S. die Erklarungen des Nazzam, Abü Bekr al-asamm, Hischam b. al-Hakam bei Dschahiz, Hajawan IV 25. 3) Einige Beispiele: Gott habe zwar die Ehescheidung gestattet; jedoch bei jedem solchen Falie erzittere der Gottesthron (faHnna-l-talak jahtamu minhu al-'arsch); die Ehêscheldung erzürnt Gott mehr als die Ehelosigkeit (bei Ghazalï, Ihja II 173, 16). [S. die Stellen in meinen Abhandl. zur arab. Phil. II, Anmerkungen S. 36]. — „Wenn ein Waise weint, erzittert der Thron {ida baka alfatim ihtazza al-'arsch, Mukrï, Naivadir al-achbar [a/R. des Mufïd al-culüm wa-mubïd al-humüm, Kairo 1310] 193). — „Wenn ein Missetater gerühmt wird, zürnt Gott uDd der Thron erzittert" (bei Zabïdï, -Ithaf al-sadt al-muttakln ed. Kairo VII 581). — „Der Thron, der Thronschemel (Spivoe . .. vxoxóSim Jes. 66, 1), die (bewahrte) Tafel und die himmlische Feder erzittern, wenn ein Mensch vor dem andern (oder im allgemeinen: vor einem andern Geschöpf) sich zur Erde wirft und Gottes Fluch trifft den, der dies tut als auch den, für den es geschieht" (al-'Amili, Michlat [Kairo 1317] 19, I7> — „Dreier wegen erzittert der Thron: Wenn der Rechtglaubige das Glaubensbekenntnis spricht (zittert der T. zum Zeichen des Beifalls); wenn es der Unglaubige spricht; wenn jemand in der Fremde stirbt" (ibid. 76, 13). — Eine andere Pragung dieser Vorstellung ist das „Erzittern der Feuersaule, die bei Gott ist", deren unteres Ende unter der siebenten Erde, deren Spitze unter dem Thron sich befinde. Spricht der Mensch das Glaubensbekenntnis aus, gerat diese Saule in Zittern (nach anderer Version: gerat auch der Thron selbst in Bewegung). Wenn nun Gott der Saule (bezw. dem Thron) Ruhe gebietet, sagt sie: Wie könnte ich in Ruhe verharren, wenn du nicht Sündenvergebung gewahrst dem, der das Glaubensbekenntnis ausgesprochen hat? (Sujütï, Lrfalï masnïfa II 184; Subkï, Tabakat Schaf. I 19 M.) 109 als wohlbeglaubigt aufgenommene Tradition, die zu denen gehort, deren Sinn gegen die Angriffe der Muctaziliten zu verteidigen' war '), lasst den Propheten sagen, dass der göttliche Thron (al-carsch) beim Tode des Sacd b. Mucad erzittert sei 2). Die verschiedenen Texte, in denen diese Anschauung überliefert ist, lassen keinen Zweifel darüber aufkommen, dass hier die Erzitterung des Gottesthrons in ganz materieller Weise gemeint sei, weswegen auch Malik b. Anas diese Tradition zu jenen rechnet, die man dem Volke überhaupt nicht, oder nur in ganz behutsamer Weise, mitteilen dürfe 3). Der Text, den Mudschahid überliefert, fügt der Nachricht die Worte hinzu: li-hubbi likWi-llahi Safdan: weil er sich auf die Begegnung Gottes mit Sacd freute. Jedoch erklart er zugleich ausdrücklich, dass unter dem Worte, das gewöhnlich als Gottesthron verstanden wird, nicht dieser, sondern die Bahre zu verstehen sei 4), auf der Sacd zu Grabe getragen wurde; diese sei erzittert infolge des (durch die Warme bewirkten) Auseinandergehens (infasachat) des Holzes 5). Wohl um solcher rationalistischen Deutung vorzubeugen, und die Möglichkeit derselben von vornherein auszuschliessen, ist in anderen Versionen das einfache afarsch zu 'arsch Allah oder carsch al-Rahman erganzt worden, was die Deutung auf die Leichenbahre nicht mehr vertragt und zur materialistischen Auslegung nötigt-; oder man hat aus derselben Tendenz die Tradition so gefasst: der Thron zitterte dem Geiste des Sacd entgegen (ihtazza al-carsch lirühi Sacdin) °). Diese Textfassungen konnten eine Deutung im Sinne des Mudschahid nicht mehr zulassen 1) Ibn Kutejba, Tdwïl muchtalif al-hadlth 335 ff. 2) Mubarrad, Kamil 778. 3) Ibn al-Haddsch al-'Abdafl, Made kal II 24 ff. 4) Diese Erklarung wird auch bei Ibn Kutejba 1. c. 336 uit. angeführt und abgelehnt. 5) Ibn Sa'd III, 11 12, 3. Dieselbe Tendenz offenbart sich darin^ dass man im Text der Tradition geradezu al-sarïr für. al-arsch eingesetzt hat; Usd al-ghaba II 298, 16. 6) Ibn Sa'd 1. c. 1. 7. 24. 27. 7) Usd-al-ghaba I 257 unten wird die Anderung der Lesart carsch in sarïr mit HO Vielleicht können wir mit dieser Richtung des Mudschahid auch die ihm zugeschriebene Neigung in Verbindung bringen, aberglaubischen Volksvorstellungen prüfend nachzugehen, sich an Ort nnd Stelle zu verfügen, woran irgend ein Aberglaube sich knüpft, um sich durch eigenen Augenschein Aufklarung darüber zu verschaffen '). Er gehorte keinesfalls zu den Leichtglaubigen. Auch im Fikh hatte er den Ruf das selbstandige Ergründen (al-ra'j) sehr hochgestellt zu haben. „Der vorzüglichste Gottesdienst — dieser Spruch wird von ihm überliefert — ist eine gute (selbstandige) Ansicht" (a/dal al-Hèadati al-ra'j al-hasan) 2). Man weiss, dass solche Ansichten nicht selten auf Kosten des Hadith hervortreten. Damit soll aber nicht gesagt sein, dass Mudschahid auf der ganzen Linie der dogmatischen Fragen Vorlaufer der bald nachher in Entfaltung begriffenen rationalistischen Schule sei. Das können wir dem alten Hidschazener nicht zumuten. Es trifft sich sogar, dass in der soeben (S. 100—101) erwahnten exegetischen Streitfrage über 17 v. 81, deren sich auch der Strassenpöbel annahm, die Gegner der rationalistischen Auffassung sich als ihre traditionelle Autoritat eben auf Mudschahid berufen 3). Jedenfalls können wir jedoch festhalten, dass die Muctaziliten in der metaphorischen ■ Auslegung anthropomorphischer Ausdrücke nicht Bahnbrecher waren, sondern in einzelnen Fragepunkten, von ihren Bestrebungen unabhangig, in sehr angesehenen Vertretern und Lehrern der Tradition Vorlaufer hatten. Ihr Verdienst ist es jedoch, mit dieser Methode das ganze Gebiet der anthropomorphischen Koranausdrücke umfasst zu haben, unbewusst ein Erbteil des Hellenismus, dessen Ein¬ der Eifersucht der Aus gegen die Chazradsch motiviert. Ein dem Ausstamme angehörender Tradent habe dem Chazradschiten die Erzitterung des Thrones nicht vergönnt und daraus die Bahrt gemacht. 1) CahabI, Tadkirat al-huffaz I 81; Kazzoïni ed. Wüstenfeld I 197, II 203. 2) Ibn Kutejba, Muchtalif al-hadlth 69, paenult. 3) ZDMG LV 76, 17. tlt wirkung auf die Gestaltung islamischer Doktrinen niemals aus dem Auge verloren werden kann. Die Muctaziliten' haben diese Erklarungsweise auf alle in den Texten vorkommende körperliche Attributionen der Gottheit, auf ihr Sehen, Hören, Zürnen, Wohlgefallen, Sichniederlassen, Herabsteigen u. a. m. und auf eine Anzahl von dogmatischen Vorstellungen, wie Vorherbestimmung (gegen Willensfreiheit), Vergeltung u. a. m. angewandt, auf die wirim nachsten Abschnitt naher einzugehen haben. Ihre exegetische Arbeit, in der sie das ehrliche Streben betatigen, das von ihnen hochgehaltene Gotteswort im Sinne der Vernunftmassigkeit gegen Einwürfe der Zweifler zu schützen '), hat mit dem schulmassigen Fortschritt und dem systematischen Ausbau ihrer Lehre eine umfartgreiche Litteratur hervorgebracht. Es ware, wie wir schon am Eingang dieses Abschnittes andeuteten, eine irrtümliche Voraussetzung, zu denken, dass es den Mu'taziliten in ihrer Koranerklarung darum zu tun war,' sich von der Tradition in bewusster Weise loszusagen, an das Verstandnis der heiligen Texte mit - unabhangig kritischem Streben heranzutreten. Wenigstens auf ihre alte Schule würde eine solche Voraussetzung nicht zutreffen. Wir dürfen der Tatsache nicht uneingedenk sein, dass sie nicht vom Freisinn, sondern von der Frömmigkeit herkamen. Was sie sich über ihr Verhaltnis zur exegetischen Tradition in gutem Glauben vortauschten, kann durch nichts besser veranschaulicht werden als durch das TJrteil des Nazzam, der als einer der zügellosesten Köpfe der muctazilitischen Schule galt, über gewisse Freiheiten zeitgenössischer Koranerklarer. Sein Schuier Dschahiz teilt es uns in wörtlicher Wiedergabe mit: „Überlasset euch nicht den zahlreichen Koranerklarern, die sich dem gewöhnlichen Volk zur Verfügung stellen und auf jede Frage Ant- l) Als Beispiele hiefür können die apologetisch-exegetischen Abhandlungen des Dschah1? über 27 v. 20 ff. (Salomo und der Wiedehopf, Hajawan IV 28 ff.) oder über 7 v. 163 (Sabbathübertreter, ibid. 36) dienen. 112 wort erteilen. Denn viele von ihnen geben diese ohne alle traditionelle Kunde (riwaja) und ohne alle Begründung (in der Tradition). Je überraschender ein solcher (mit seinen Erklarungen) ist, desto sympathischer ist er den Zuhörern. Euch mögen auf einer Linie massgebend sein cIkrima, Kalbï, Suddï, Dahhak, Mukatil b. Sulejman ') — lauter Autoritaten der im zweiten Abschnitte besprochenen Schule — und Abü Bekr al-asamm. Wie könnte ich mich denn bei dem Tafsïr jener anderen Leute vertrauensvoll beruhigen, wenn sie..." hierauf folgen Beispiele der von der Tradition abweichenden Erklarungen2). Der Umstand, dass auch der letzgenannte Name, dessen Trager eine der Saulen der zeitgenössischen Muctazila ist3), jenen angesehenen Vertretern des traditionellen Tafsïr angeschlossen ist,'kann uns zeigen, dass auch er das Bewusstsein hatte, in der Koranerklarung durch die Tradition gebunden zu sein *). Freilich handelt es sich bei dem Tadel des Nazzam blos um willkürliche Worterklarungen, nicht um dogmatische Sondermeinungen. Jedoch mochten sich die Muctaziliten auch in bezug auf solche dabei beruhigen, dass — wie uns das Beispiel des Mudschahid gezeigt hat — auch in der alten traditionellen Schule vom altorthodoxen Lehrbegriff abweichende Erklarungsversuche hervorgetreten waren. Tatsachlich gehen sie auf dem Gebiete der dogmatischen Erklarung ihre eigenen Wege. Hier haben sie sich nicht gescheut, mit einem grossen Schutt von volkstümlichen Auffassungen und traditionellen Anschauungen, die mit ihrem gelauterten Gottesbegriff nicht zu vereinen waren, aufzuraumen. In der litterarischen Behandlung solcher Fragen erscheinen ihre Auseinandersetzungen zumeist in Form pole- 1) Bei den strengen Exegeten nicht sehr angesehener Tradent, s. oben S. 58. 2) Hajawan I 168. 3) Der Islam V ï 174. 4) Durch Dschahiz, Hajawan IV 25,7 erfahren wir, dass er entgegen rationalistischen Erklarungen anderer Mu'taziliten die Erzahlungen über die Verwandlung (masch) sündhafter Menschen in Affen und Schweine dem Wortsinne nach annahm und ihre Naturmöglichkeit behauptete (oben S. 107). 113 mischer und apologetischer Diskussion; sie hatten ja in der Begründung ihrer Lehre immerfort die gegnerische Betrachtungsweise kampfend abzuwehren. Wer die Methode des arabischen Scholastizismus mit seiner Redseligkeit und in die Breite gehenden Darstellungsart kennt, wird nicht staunen, wenn er von dem fast riesigen Umfang der Korankommentare erfahrt, welche die alteste Periode dieser Tatigkeit hervorgebracht hat. Vom Werk des soeben erwahnten Abü Bekr al-asamm (st. 850), das wohl der alteste Vertreter der mu'tazilitischen Tafsïrlitteratur ist '), hören wir nichts Naheres. Ein Jahrhundert nach ihm hat ein Muctazilit, cUbejdallah b. Muhammed b. Dschirw (st. 997) in einem unvollendet gebliebenen Tafsïr die Einleitungsformel der Koransuren: Bismillah u.s.w. unter nicht weniger als hundertundzwanzig Gesichtspunkten der Erklarung unterzogen2). Zu welchem Umfang würde wohl das Werk angeschwollen sein, wenn es der Verfasser zu Ende geführt hatte! Ein gleichgesinnter Theolog aus Isfahan, Muhammed b. Bahr Abü Muslim (st. 934) brachte seinen Korankommentar auf 14 (nach einigen Berichten sogar auf 20) Bande3); anderthalb Jahrhunderte spater wird vom Kazwlner Abü Jünus cAbdal-salam (st. 1095) ein exegetisches Werk erwahnt, über dessen Umfang geradezu fabelhafte Angaben gemacht werden *) (man spricht von nicht 1) Es wird im Fihrist doppelt verzeichnet: 34, 2, 15. 2) Jaküt ed. Margoliouth V 7. 3) ibid. VI 420, Sujütï, Bughjat al-wtfat f t tabakat al-nuhat 23. Vgl. Der Islam III 215. 4) Die litteraturgeschichtliche Legende schwelgt gern in derlei fabelhaften Angaben über den Umfang der Litteraturprodukte. Ibn Schalmt habe 330 Werke verfasst; darunter ein Tafsïr in 1000 Banden, ein Musnad in ï6oo Bandén. Ein Tintenverkaufer sagte nach dem Tode dieses Mannes, dass er ihm 1800 rutl .Tinte verkauft habe. — Al-Asctfart habe, nach Sujütï, ein Tafsïr in 600 Banden verfasst, das in der Bibliothek der Nizamijja-Akademie in Bagdad verhanden gewesen sei (Schakan!, LafSif al-minan [Kairo 1321] I 165). Im Ta'rïch guzïde (ed. Gibb-Series) 809, 3 v. u. wird die Zahl der Werke des Ghazalï auf 999 (über diese Art der Zahlenhyperbel s. Orientalische Studiën [NöldekeFestschrift] 316) angesetzt. Vom zeitgenössischen marokkanischen Patrioten Ma al-'ajnejn glauben seine Getreuen, dass unter seinen 50 Werken eines 50 Bande 8 H4 weniger als 300 Banden); die Erklarung der kaum 5—6 Zeilen fassenden Fatiha allein habe sieben Bande gefüllt'). Wenn wir auch die Angaben über ihren Umfang als stark übertrieben halten mussen, wird das jedenfalls ungewöhnliche Volumen dieser Werke eine der hauptsachlichsten Ursachen davon sein, dass sich dieselben im litterarischen Verkehr nicht behaupten konnten. Zu solcher Ausdehnung angeschwollene Bücher werden, ganz abgesehen vom Misfallen des die Orthodoxie begünstigenden Publikums, schon wegen ihres Umfanges, dazu auch wegen ihrer dem Verstandnis nicht leicht zuganglichen dogmatischen Haarspalterei, bei Kopisten selten bestellt und von Kauflustigen nicht erheblich angesprochen worden sein. Aus dieser Frühzeit des Muctazilitismus ist uns ein allerdings weniger umfangreiches, dogmatische Exegese mit höchst anziehenden philologischen und litterarhistorischen Erörterungen verbindendes Werk erhalten, das uns einen sicheren Einblick in die koranerklarende Arbeit der Muctazilitenschule jener Zeit gewahrt. Ich denke damit an die Vortrage des wissenschaftlich und gesellschaftlich hochangesehenen 'alidischen Scherïf in Bagdad, dem mit dem Ehrennamen calam al-huda (Wahrzeichen der Leitung) ausgezeichneten 2) al-Murtada Abul-Kasim 'Alï b. Tahir (966—1044). In einer Reihe von Vorlesüngen3), in denen Abhandlungen über Dichter und ihre Verse % die er feiner philologischer Erklarung unterzieht, mit Erörterungen über Koran- und Hadïthstellen abwechseln, die in ihrem gewöhrflichen Sinn den Anschauungen der Mu'tazi- " umfasst. Montet,'Le culte des Saints dans 1'Afrique du Nord [Genève 1909] fl. " 1) Dahabï, Tadkirat al-huffaz IV 8. 2) Man vërlieh diesen Titel gern angesehenen Lehrern der Religion; so wird zB Abü Mansür al-Maturïdï mit demselben genannt im Fawatih al-rahamut von cAbdalcalï Muhammed al-Ansarï, (gedruckt a. R. von Ghazall's MustasfS, Bülak 1322) I 383,3- , .„ . 3) Ghurar al-fawaHd wa-durar al-katWid, von deren beiden Ausgaben (Teheran 1277, Typendruck Kairo 1325), ich nur erstere, eine bóse Lithographie benutzen konnte. Über die Werke des Murtada, Der Islam III 216 Anm. 2. 4) Zitiert im Chizanat al-adab IV 367,9 v. u. H5 liten entgegenstehen, bestrebt er sich in letzteren eine exegetische Ausgleichung mit den Thesen seiner Schule zu erzielen Da hommt er in die Lage, sich mit Koransprüchen auseinandersetzen zu mussen, wie 8 v. 24, wonach Allah „zwischen den Mann und sein Herz eintritt" (also die Entschliessungen des Menschen beeinflusst), oder wie 9 v. 86: Allah will dass „ihre (der Frevler) Seelen abscheiden, wahrend sie unglaubig sind", oder 81 v. 29: „ihr könnt nicht wollen, nur wenn Allah will" _ eine unzweideutig scheinende Ablehnung des freien Willens -. Und mit welcher Angstlichkeit dies Bestreben verfolgt wird, kann z. B. das kleinliche Beispiel zeigen, dass diese muWitische Exegese zu 21 v. 38 für die Worte Erschaffen ward der Mensch aus Eilfertigkeit" die Deutung die Eilfertigkeit ist eine dem Menschen anerschaffene Eigenschaft, mit Entschiedenheit zurückweist aus dem Grunde dass sie anerschaffene, gleichsam determinierte Seeleneigenschaften nicht zulassen kann, da doch tugendhaftes und sündhaftes Tun ihren Grund in der freien Selbstbestimmung des Menschen haben >). Selbst gewundene Erklarungen werden dem Wortsinne vorgezogen, um nur nicht dem chalk ai-afal*) gegenteihge Voraussetzungen aus dem Koran herauslesen zu lassen Den Anspruch für schwierige Koranstellen eine absolut unfehlbare Erklarung bieten zu wollen, lehnt al-Murtada für sich und seine Gesinnungsgenossen ab. Absolut sicher ist 'ihnen nur die Unmöglichkeit der ihren Grundanschauungen widersprechenden Erklarungsart der Gegner. Sie selbst bieten für durch d.e Texte gebotene Probleme Lösungsversuche von denen keine einzige der Unmöglichkeit geziehen werden konne und die eine oder andere den wahren Sinn des Gotteswortes getroffen haben wird. Sie nehmen dabei die These Ve Lm ^ GegenteU ZU erharteD Scheint man «Jem «Omar durch Vermnth.ng emes obskuren Tradeaten den Spruch angedichtet zu haben: „Feig- VI ,06^9) anSeborene Naturanlagen fefart*) der Manner» (it 2) Vorlesungen 95, n6 von den wudschüh al-Kur'dn (oben S. 84-S) ™ Anspruch ). In seinen koranexegetischen Versuchen, die auch dadurch an Wert gewinnen, weil in denselben haufig auf die Erkla-, rungen des alten mu'tazilitischen Schulhauptes al-Dschubbah Bezug genommen wird, lasst sich Murtada mit Vorliebe durch philologische Methode leiten. Dies ist von allem Anbeginn das oberste Prinzip der mu'tazilitischen Koranerklarung. Anthropomorphistischen oder der Würde Gottes nicht entsprechenden Ausdrücken eignen sie mit Beibringung alter Sprachzeugnisse (Stellen aus der alten Poesie) würdigere nicht metaphorische - Bedeutungen zu 2). Sie bestreben sich, sich dabei auf dem Boden philologischer Sicherheit zu bewegen. Es passt ihnen nicht, dass „Gott den Ibrahïm zum Freunde (chalilan) erkoren habe" (4 v. 124)3). Da finden sie einen Vers des alten Dichters Zuhejr *), der beweisen soll, dass das Wort challl die Bedeutung des Bedürftigen habe5). Ibn Kutejba bietet in seiner Polemik gegen die Mu'tazila eine reiche Blumenlese solcher philologisch-theologischer Proben dar, die gewiss in die alteste Periode der mu'tazilitischen Exegese zurück- reMurtada betatigt findige Geschicklichkeit in der Anwendung dieser Methode. So lange ein dogmatisch bedenklicher Ausdruck lexikalisch als Homonym '), oder durch die Annahme 0 Ghurar 182 mit Bezug auf 12 v. 92. Für die Deutung der Versiegelung der Herzen und des Gehörs" (2 v. 6) gibt Zamachscharï fünf wudschüh 2) Dieselbe Methode befolgt in der biblischen Schnftauslegung der vom-Mu tazilitismus beeinflusste jüdisehe Theologe Sa'adjah (s. Abr. Gerger, Jud. Zettschr. f Wiss. u. Leben IV 206 ff.). „ ' ,) Darauf bezieht sieh aueh die Bemerkung Sa'adjah\ dass „Leute ausser uns (ghajruna) die Bezeichnung Abrahams als chalïl Allah mit ta wil deuten (Amanat ed. Landauer 91, 2). 4) ed. Ahlwardt (Six poets) 17 v. 14. O Der Islam IX iS5, vgl. KSlfj Amalï (ed. Bülak 1324) I 196, U- 6) Muchtalif al-hadith 8o-84. Die Challl-Stelle 83 unten 7 Daran erinnert die Art, in der auf jüdisehem Geb.et Matmum im I. Teil des Dalalat al-ha3irln die anthropomorphistisehen Ausdrucke des A. T. homonymisch deutet. ii7 einer in demselben obwaltenden grammatischen Erscheinung erklart werden kann, findet er keine Nötigung mit dem eigentlichen trfwïl') einzusetzen. Und in der Anwendung dieses Grundsatzes kann er infolge seiner ungewöhnlichen Beherrschung der altarabischen Poesie und Sprache — sein Gewahrsmann in den philologischen Mitteilungen ist in der Regel Abü "Ubejdallah al-Marzubanï — wahre Meisterschaft entfalten. Nur solche sprachliche, ob nun grammatische oder lexikalische, Erklarungen lasst er gelten, die er aus den alten Quellen des klassischen Sprachgebrauchs, den Dichtern, reichlich belegen kanrt; willkiirliche, durch solche Belege nicht gestützte Erklarungen werden in scharfer Weise abgewiesen; wie wenn z. B. einige rationalistische Erklarer zu 2 v. 198, 24 v. 39 „Gott ist von schneller Rechenschaft" das die Rechenschaft bezeichnende Wort (hisab) als Aequivalent von Wissenschaft Cilm) oder Gebeterhörung (kabul al-duza) auslegen2). Diese philologische Methode ist das Leitprinzip seines ta'wïl, durch dessen Anwendung und Begründung seine Vortrage nicht nur für die Geschichte der muctazilitischen Exegese, sondern auch als Denkmal philologischer Studiën aus dieser guten Zeit der arabischen Litteratur von Bedeutung sind. In ersterer Beziehung können sie als willkommener Ersatz für jene der Vergessenheit anheimgefallenen weitschweifïgen muctazilitischen Tafsïrwerke der alteren Schicht dienen. Einen fortlaufenden, durch den ganzen Koran ziehenden Kommentar stellen sie freilich nicht dar. Ein solcher wird ein Jahrhundert spater in einem bündigen Werk geboten, dem es gelungen ist, nicht nur seine redseligen Vorganger entbehrlich zu machen, sondern von Freund und Feind als eines der klassischen Grundwerke des Tafsïr anerkannt zu werden und als solches grosse Popularitat zu erlangen: im Werk des Mahmüd b. "Omar alZamachschari (geb. 1074 st. 1143) aus der persischen Provinz 1) Vorlesungen 108. 2) Ghurar 157 vgl. für die oben angeführten Stellen 129. 207. 210. 215. n8 Chwarizm, wo zu seiner Zeit das Muctazilitentum noch eine blühende Heimstatte hatte Wie uns das Tafsïr-Werk des Tabari als Höhepunkt der traditionellen Exegese galt, so werden wir in unserer folgenden Darstellung zumeist das Werk des Zamachscharï „Enthüller der Wahrheit en des Verborgenen der Offenbarung" (al-kasschaf can haka'ik ghawamid al-tanzïl) als Typus der muctazilitischen Koranauslegung verwenden. Es kann für die geringe Bedeutung der dogmatischen Tiftelei im Gesamtbewusstsein der islamischen Welt (wobei wir freilich von hochnackigen Parteileuten absehen müssen) als charakteristisch gelten, dass selbst Anhanger der islamischen Orthodoxie2) den Zamachscharï, trotz seiner .gegnerischen Stellung gegen dieselbe, mit dem Epithet Imam al-dunja, d.h. Lehrautoritat der Welt, gleichsam Doctor universalis3) auszeichnen. Dies ist kein vereinzeltes Beispiel. Dahabï, ein vorurteilsvoller parteiischer Fanatiker, teilt in seinem Werk über die Traditionarier die von Ruhm übersprudelnden Urteile mit, die dem grossen Religionsgelehrten Sactd b. Ismacïl alSamman al-Razï (st. 1051) gewidmet werden, der sich zu den Lehren der Muctazilitenhaupter Abü Haschim und Dschubba3! 1) Seit früher Zeit galt Chorasan, wohin einige auch das Chwarizm'sche rechnen (Jaküt Geogr. W. B. II 409, 7, dagegen IV 400, 14), als Berd des Rationalismus. Der Kufenser Waklc [b. al-Dscharrah, st. 812], bei dem u. a. Ahmad b. Hanbal Hadith hörte, trug eines Tages eine der die Auferstehung betreffenden Fabeln in Hadïthform vor. Nach Beendigung des Vortrags sagte er: „Wenn Leute aus Chorasan hier anwesend sind, so mogen sie sich durch Verbreitung dieses Hadith in ihrer Heimat ein frommes Verdienst erwerben; dann die Dschahmijja leugnen derlei Dinge" (Tirmidï, Sahïh II 67,14); vgl. auch ZD MG XLI 65, Anm. 4 uit. 2) Die Mu'taziliten würden allerdings einer asch'aritischen Autoritat mit weniger Anerkennung begegnen. 3) Vgl. Beitrage zur Religionswissenschaft (Stockholm) I 131. Der Titel ist dem Zam. gewiss zuerst von Mu'taziliten verliehen worden (ustad aldunja). S. die Ruhmesepitheta bei Loth, Catalogue of Arabic Manuscrifts,lndiz Office, Nr. 57. Über Wunderwirkungen, die man dem im Angesicht der Kacba verfassten Werke des Zam. zuschrieb (wohl nur dem aus der Hand des Verfassers stammenden Urexemplar) s. bei Vollers, Leipziger arab. Handschriftenkatalog zu Nr. 91. U9 bekannte. Er sei gleich gross gewesen als Asket (solche waren ja unter den alten Muctaziliten haufig zu finden), Fakïh, Traditionsgelehrter, dem kein Zeitgenosse gleichgestellt werden könne. Man dürfe ihn mit Recht einen epochemachenden Mann (td'rïch zamdnihi), sogar Schejch des Islams nennen. Ohne diese Rühmungen einzuschranken fügt Dahabï, gleichsam zur Wahrung seines Standpunktes dem letzteren Epithet die zahme Klausel hinzu: „aber auch Schejch des Miftazilitentums; dies gibt zu denken; denn seine Vorzüglichkeit in den Wissenschaften hat ihn vor Irrlehre (bidca) nicht geschützt" '). Solche Anerkennung haben orthodoxe Kreise auch dem Zamachscharï, trotz seines gemissbilligten dogmatischen Standpunktes, nicht versagt2). Ein orthodoxer Gelehrter, der uns dessen selbst versichert, liest in der ihm anvertrauten hanafitischen madrasa in Mekka ein Kolleg über Zamachschari's Kasschaf3). Die gegnerische Exegese hat auch in der Tat viel Nutzen aus dem Werk des Zamachscharï gezogen, namentlich darin, dass es dem muctazilitischen Verfasser, ungleich der zünftigen Auslegungsweise der Orthodoxie, unablassig darum zu tun ist, neben der Förderung des philologischen Verstandnisses des heiligen Textes dessen rhetorische Schönheit und Vollkommenheit ans Licht zu stellen. Soweit wir die exegetische Tatigkeit der alteren muctazilitischen Verfasser aus Zitaten übersehen können, bildet die rhetorische Schatzung des Korans ein vorwiegendes Moment ihrer exegetischen Bestrebung. Das Herausfinden von Metaphern und sonstigen Figuren, worin ihnen -eben die Orthodoxie 1) Tadkirat al-huffaz III 318. 2) Tadsch al-dïn al-Subkl anerkennt ihn als Imam in seinem Fach (imam ft fannihï) und das Kasschaf als „grosses Werk"; er. wamt bloss vor den darin enthaltenen Irrlehren, die er aus dem Exemplar zu tilgen wünscht (Muitd alnfam ed. Myhrman 114. 3) Kutb al-dtn (Gesch. d. Stadt Mekka, ed. Wüstenfeld, III) 353 8 v. u. Wüstenfeld sagt in seiner Einleitung X 3. 6. irrtümlich, dass der Verfasser den hanbalitischen Ritus vertreten habe. 120 heftigen Widerstand leistet, führte sie ja naturgemass zur rhetorischen Würdigung des Gegenstandes ihrer Auslegung. In ihren Kreisen hat wohl die Ablehnung oder Abschwachung der (auf Sure 17 v. 90 gegründeten) dogmatischen Anschauung von der Unerreichbarkeit, geschweige denn Unübertrefflichkeit (izdschaz) des Korans, aus rationalistischen Gesichtspunkten manche Vertreter gefunden '); jedoch es entsprache nicht den Tatsachen2), wenn man diese gegenüber der Schatzung der Korandiktion eingehaltene Massigung alsallgemeinesSchulprinzip der Muctazila 3) betrachten wollte 4). In der Behandlung der Frage, in welchem Masze dies fdschaz zu verstehen5), ob es auf den gesamten Korantext zu erstrecken oder nur auf gewisse Teile desselben zu beschranken sei, werden geradezu Muctaziliten als die Vertreter der Meinung erwahnt, dass die rhetorisch unerreichbare Natur des Korans das Buch in seinem ganzen Umfang ausnahmslos umfasse0). Kein Geringerer als der zu religiösem Enthusiasmus wenig neigende Mu°tazilit Dschahiz reiht sich nicht nur den Bewunderern des 1) Selbst Abu-l-'Ala al-Ma'arrl (s. oben S. 51 ff.), der eine Nachahmung des Korans unternomrrien hatte (Muh. Stad. II 402), tritt in seinem Risalat alÜmfran 158—195 für das Bekenntnis zum fdschaz eifrig ein und beschimpft den Ibn al-Rawendï wegen seines „Zerschmetterers des Koran". „Ich glaube — sagt er — er hat nichts anderes zerschmettert als sich selbst" (158, 10). Ich bezweifle jedoch, dass der Dichter des Luzüm ma la jalzam die Apologie des i'dschaz se ernst gemeint haben könne wie die Abweisung des frivolen „Zerschmetterers". Er war, wie wir oben sahen, dem Humor nicht abgeneigt; vielleicht sollte diese orthodoxe Anwandlung den Nachahmer des Korans gegen den Zorn der frommen Umgebung sicherstellen. 2) NazzSm, (Baghdadl, Fark 128, 5 ff.) Murdar (Ibid. 151, 11) „Die meisten Mu4aziliten behaupten, dass die Zindsch, Türken und Chazaren fahig waren etwas der (rhetorischen) Kunst des Korans ahnliches, oder auch noch vortrefflicheres hervorzubringen; nur mangelt ihnen die Fahigkeit die Dinge in die richtige Ordnung zu Dringen" (ib. 218, 4). 3) Selbst der Aristoteliker Ibn Roschd legt Gewicht auf die Anerkennung des fdschaz des Korans. Vgl. E. Gauthier, La théorie d'/. R. etc. (Paris 1909) 125. 4) Vgl. jetzt auch Tor Andrae, Die Person Muhammeds in Lehre und Glauben seiner Gemeinde 97. 5) Vgl. Z D MG XLII 663—675. 6) Sujütï, Itkan (Kap 64) II 142: annahu (al iMschaz) muta'allik bi-dschamf al-Kur^an. 121 Koranstiles an ') — er hat eine besondere Abhandlung über rhetorische Vorzüge des Korans geschrieben 2) — sondern er dehnt dies Gefühl auch auf die in den Hadïthsprüchen sich kundgebende rhetorische Vollkommenheit aus und er erweist an einer grossen Reihe von Beispielen, wie hoch die rhetorische Kraft des Propheten alles sonst auf diesem Gebiet Dagewesene überragt3). Es kann dabei nicht unerwahnt bleiben, dass Abü Hilal al-cAskarï (st. 1005) der — wie in der Einleitung zu seinem Werke Buch der beiden Künste4): Stilistik und Poesie5) dargelegt wird — dies schatzbare Werk vorwiegend zu dem Zwecke schrieb, um die Erkenntnis des icdschaz alKuran, zu dem er sich in weitgehendstem Masze bekennt, zu fördern, sich in muctazilitischen Gedankenkreisen bewegt °). Er hatte ja seine wissenschaftliche Erziehung in der geistigen Atmosphare der deqi Muctazilitentum günstigen l) Bujiden genossen. Für die Herausstellung der rhetorischen Erhabenheit der koranischen Diktion hat kein Exeget mehr Eifer entfaltet als eben Zamachscharï. Ibn Chaldün begründet die litteraturhistorische Erscheinung, dass die arabische Rhetorik im östlichen Islam mehr Pflege fand als im Maghrib, damit dass man 1) Als Verteidiger des icdschaz wird er von Idschl, Mawqèif. (ed. Stambul 1266) 558 genannt. Vgl. auch Hajawan IV 32, 10 v. u. wo 'er von der Unnachahmbarkeit des Korans spricht. Polemik des Dschahiz gegen die Exegese des Abu cUbejda, Bajan I 78 oben. Zurückweisung der Bemanglung des Gleichnisses in Sure 37 v. 63, Hajawan VI 65. 2) Er verweist darauf Hajawan III 26 unten. Sie ist wohl identisch mit der dem u. d. T. Kttab nazm al-Kur'an in der Einleitung zum Kasschaf (de Sacy, Anthologie grammaticale, Texte 121, 6) erwahnten Schrift des Dschahiz. 3) Bajan I 159. Eine merkwürdige Verlesung (tashïf) des Dschahiz in diesem Exkurs (er las al-nabï für al-Batti) korrigiert Damïrt s. v. chejl, I 393 17. 4) Sintfatcjn al-kitaba wal-schicr. Bei Jaküt, Geogr. WB. I 617, 14 werden hadith und fikh als sinacatejn zusammengefasst. 5) Eine gute Edition (durch Muhammed Amïn al-Chandschï) Stambul 1320. 6) Er legt in der Einleitung 3 ganz oben besonderes Gewicht auf tauhid, cadl, tasdlk al-wacd wal-wa'ld. Vgl. die vielen dem Koran entnommenen Beispiele für Metapher und Metonymie, 205 ff. 7) Vgl. Der Islam III 214. 122 im Unterschied von letzterem, in jenem Teil der islamischen Welt den Korankommentar des Zamachscharï studiere, der auf rhetorische Momente auferbaut ist, die seinen Grundcharakter bestimmen '). Von dieser .Tendenz seiner exegetischen Arbeit, die sich den ganzen Kommentar hindurch betatigt, gibt er gleich zu Anfang desselben (2 v. 1) ein charakteristisches Zeugnis. Nachdem er nach Art der arabisch'en Grammatiker in scharfsinniger Weise die Möglichkeiten des syntaktischen locus (mahall) der Worte hudan lil-muttakïna auseinandergesetzt hat, schliesst er mit folgender Bemerkung: „Was aber tiefere Wurzel in der Rhetorik besitzt, ist dies, dass man über alle diese syntaktischen Grübeleien (mahall) frei hinwegschreite2) und folgendes erwage". Hierauf lasst er eine Betrachtung des Gefüges der einzelnen Teile des Verses von rhetorischem Gesichtspunkt aus folgen, um nachzuweisen, dass sich in demselben die vollkommenste Art des Gedankenausdrucks betatigt. Diese Seite seiner exegetischen Leistung ist es besonders, die ihm auch von den Gegnern rühmende Würdigung eingetragen hat. Diese hindert jedoch die Orthodoxie, die sich übrigens nicht viel bedachte, sein Werk weidlich auszuplündern3) nicht, den im Kasschaf durchgeführtén und in den Koran hinemgelegten dogmatischen Folgerungen, die oft der Gewaltsamkeit und Willkür beschuldigt werden konnten4), in entschiedener Weise entgegenzutreten5). Der bedeutende 1) Notices et Extraits XVII 293. 2) Dabei hat Zam. selbst als einer der hervorragendsten Grammatiker nicht minderes Gewicht auf die feinen Lösungen der am Korantext auftauchenden grammatischen Fragen gelegt. 3) Der Islam 1. c. 221 uDten. 4) Wie wenn z. B. Zam. den Ausdruck dal-wat al-hakk (13 v. 15) für die ^j/aA-Theorie der Muctaziliten (Vorlesungen 105) presst. „Die Bitte des Rechts", d. h. Gott erhört nur die Bitten, deren GewShrung er für das Wohl (masla&a) der Bittenden für förderlich halt. 5) Es ist nicht auffallend, dass er gelegentlich das Missfallen des Hanbaliten Ibn Kajjim al-Dschauzijja erregt dadurch, dass er „das Wort Gottes zu einem muHazilitischen kadaritischen macht" (I'lam al-muwakkaHn I 202). 123 Dogmatiker und Religionsphilosoph Fachr al-dln al-Razl (st. 1209) hat in seinem monumentalen Korankommentar „Schlüssel des Verborgenen" (Mafdüh al-ghajb), der als Abschluss der produktiven Tafsïr-Litteratur zu betrachten ist '), die exegetischen Folgerungen der muctazilitischen Schule fortwahrend in Berücksichtigung gezogen und sie von Fall zu Fall mit eingehenden Widerlegungen bedacht. Speziell das Kasschaf hat ein Jahrhundert nach dessen Erscheinen ein malikitscher Kadi von Alexandrien Ahmed b. Muhammed b. Mansür ibn al-Munejjir (st. 1284) ins Auge gefasst, indem er das Werk des Zamachscharï in einer besonderen Schrift 2) von Vers auf Vers polemisch glossierte. Dieser Kadi scheint überhaupt besondere Lust an dogmatischer Polemik gefühlt zu haben. Er hatte die Absicht, auch gegen Ghazalï, dessen Schriften zu jener Zeit bei den Malikiten nicht viel Anklang fanden, polemisch in die Schranken zu treten, wurde aber davon durch seine Mutter zurückgehalten, die es nicht gern sehen mochte, dass ihr Sohn nicht nur gegen Lebende, sondern auch gegen Verstorbene Krieg führe 3). Dies hatte er aber gegen Zamachscharï unternommen. In einer Parenthese seiner Glosse zu 9 v. 123 glaubt er sein Fernbleiben von den Kriegen der islamischen Heere damit entschuldigen zu können, dass ihm die Abwehr „dieses Werkes" (des Kasschaf) und die Bekampfung seiner Irrlehren voll in Anspruch nehme (I 414). Er betrachtet sich — und dafür dankt er Gott in der Glosse zu 3 v. 23 (I 141) — zum streitbaren Vindex der Sunna gegen 1) Fachr al-dln hat dies Werk unvollendet hinterlassen; es wurde zu Ende geführt durch seinen Schüler Schams al-dln Ahmed b. Chalfl al-Huwéjji, Grosskadï von Damaskus (st. 1239). S. Ibn abt Usajbfa II 171. Einen Auszug aus dem grossen Werk verfasste der malikitische Grosskadi von Alexandrien, der aus Wadi Rlgh im Tunisischen stammende Muhammed b. Abï-l-Kasim b. 'Abdalsalam al-Rlghl (st. 1307) u. d. T. al-Tanwlr fi-l-tafslr muchtasar al-tafsïr alAabir, wovon in der Biblioth. nationale, Paris (Catalogue 142 nr. 614—619) handschriftlich 5 Bande vorhanden sind. 2) Brockelmann I 416 nr. 26. 3) Sujütï, Sugkjat al-wtfat 168. 124 die Irrlehren aüsersehen zu sein (li-a'chuda min ahl al-bidca bi-tha'r al-sunna). Die Ausgabe, die wir vom Kasschaf hier benutzen '), gibt uns, dqrch vollstandigen Abdruck des darauf bezüglichen Buches des Ibn al-Munejjir als Marginalzugabe, bequeme Gelegenheit, bei jeder der Polemik unterzogenen Stelle zugleich den Standpunkt der gegnerischen Theologie kennen zu lernen 2). Es geht in dieser Polemik hüben und drüben nicht ohne einige spöttische Übertreibung. Zamachscharï lasst keine Gelegenheit vorübergehen, ohne den aschcaritischen Gegnern (mudschbira, haschawijja, muschabbiha, zuweilen mubtila3), nennt er sie am liebsten) ein Schnippchen zu schlagen. Natürlich schleudert er die Benennung Kadarijja, die die Orthodoxen auf die Kadar-L e u g n e r beziehen, auf sie als die KadarGl au bi gen zurück4), wodurch auch die dem Propheten zugeschriebene Verurteilung der mit jenen Namen Bezeichneten als der Magiër der Glaubensgemeinde (madschüs hadihi-1ummati) zur Verurteilung der Traditionellen umgestempelt wird. Wo es ihm nur immer tunlich scheint, wendet er auf die Gegner -Muhammeds gemünzte Koranworte auf die dogmatische Gegenpartei. 3 v. 101: „Und seid nicht wie jene, die sich spalteten und uneins geworden sind" bezieht sich wohl — sagt er — auf Juden und Christen; es können aber auch „die Bekenner von Irrlehren in dieser' (islamischen) Religi'onsgenossenschaft (mubtadicQ hadihi-l-ummati) damit gemeint sein, als da sind die mudschbira, haschawijja und ihresgleichen". 10 v. 40: „Sie ziehen der Lüge, wovon sie das Wissen nicht 1) Kairo (matb. scharkijja) 1307; 2 Bde in 40. 2) Noch in neuerer Zeit verfasste Murtada al-Zabïdï (st. 1791), Verf. des Tadsch al-'arüs und des Kommentars zum Ihja, ein Werk u. d. T. al-Insaf fi-lmuhakama . bejn aï-Bcjdawï wal-Kasschafi, wie es scheint, die Behandlung der Gegensatze zwischen der muctazilit. und orthodoxen Auslegung. Er beruft sich auf dies Werk, dessen Vorhandensein ich bibliographisch nicht verzeichnet finde, im Ihjakommentar (ed. Kairo) V 296, 5. 3) Zu 7 v. 41 (I 329). 4) Zu 41 v. 16 (II 329); 91 v. 9 (II 547). 125 umfassen und dessen Deutung noch nicht zu ihnen gelangt ist" — wie so einer — sagt Zam. ■— von den haschawijja, der zur Nachbeterei erzogen ist. Wenn er ein Wort hört, das mit seinen angelernten und angewohnten Meinungen nicht übereinstimmt, und sei es auch klarer als der Sonnenglanz, leugnet er es auf den ersten Bliek und wendet sich davon mit Widerwilleri ab, noch ehe er es recht angehört hatte, ohne üher seine Richtigkeit oder Unrichtigkeit nachzudenken; /lenn sein Herz ist sich nur der Wahrheit seiner Parteilehre un,d der Nichtigkeit alles dessen, was darüber ist, bewusst. — Er schliesst die Gegner, indem er 3 v. 16—17 für seine eigenen Gesinnungsgenossen in Anspruch nimmt, mit echt muctazilitischer Unduldsamkeit aus dem Bekenntnis zur Religion Allah's aus '); wendet 5 v. 81 auf sie an als auf Leute, die im Gegensatz zu ,den „Mutakallimün der Gerechtigkeit und des Einheitsbekenntnisses", „weit über die Wahrheit hinausschreiten und von den Beweisen sich abwendend Zweideutigkeiten befolgen". Zu 3 v. 124 (den er trotz widerstrebenden Textes mit der muctazilitischen These von der notwendigen Bestrafung der Sünder ausgleichen will) sagt er von den sich an den Wortlaut klammernden Orthodoxen, dass „die Bekenner willkürlicher und irriger Meinungen stocktaub und blind seien gegen die Worte der Offenbarung, dass sie wie ein blindes Kamel stolpern und ihre Seelen mit Dingen besanftigen, die sie aus den Fingern saugen". „Ihr Stammkapital (ra's malihim) sei — wie er zu 12 v. 31; 17 v. 90 ausführt — hartnackige Rechthaberei, Verdrehung der Wahrheiten und Leugnung selbst der aprioristischen Erkenntnisse". Er bezeichnet sie bei Gelegenheit der Erklarung der Wortes subhan (zu Beginn der I7ten Sure), das die remotio (tanzïh) Gottes über alle körperlichen Attribute in sich schliesst 2), sogar als „Feinde Gottes" (acda Allah) u. a. m. Unter den Wissenden (culama), die 1) Der Islam 1. c. 221. ,2) Vgl. Ihja IV 79, paenult. kalima tadullu cal5-l-takdis. 126 allein Gott fürchten (35 v. 25) seien hingegen jene zu verstehen, die Gott im Sinne seiner Gerechtigkeit und Einzigkeit ^adlihi wa-tauhïdihi, dies die Schlagworte der Muctaziliten) erkennen und ihm nichts seiner Unwürdiges zueignen. Gleich in der Einleitung des Kasschaf bezeichnet er die muctazilitischen Gesinnungsgenossen als „die alleinseligwerdende Schaar der Gerechtigkeitsbekenner" '). Der malikitische Glossator, der wohl einmal auch die Bewunderung des Zam. für die für seine Göttlichkeit zeugende rhetorische Unerreichbarkeit des Korans mit Argwohn betrachtet 2), aber dabei seinen Scharf bliek in bezug auf rhetorische Würdigung des Textes und seine philologische Analyse mit voller Achtung und unparteiischer Gerechtigkeit anerkennt3), unterlasst es nicht, die Hiebe des Muctaziliten parierend, ihm mit gleicher Münze zu vergelten und seine Angriffe.auf die mudschbira 4) mit Verhöhnung der Gegner und ihres exe- 1) De Sacy, Anthologie grammaticale arabe (Texte) 122, 2. 2) Dies zeigt sich bei 13 v. 32 (I 497). Zam. fiigt seinem Kommentar zu dem mit diesem Vers schliessenden Passus in enthusiastischer Weise die Bemerkung hinzu, dass die vorangehende wunderbare Beweisführung mit ihrem glatten, feinen Sprachausdruck gleichsam laut ausrufe: „Dies ist nicht menschliche Rede". Der Glossator wittert darin einen verborgenen Seitenblick auf das „Erschaffensein des Korans": „wahre Rede mit nichtiger Absicht". So mutmasst er auch zu 14 v. 22 (I 504), wo Zam. das Koranwort, dass Gott Himmel und Erde mit Wahrheit {bil-hakki) erschaffen habe, umschreibt : „mit Weisheit und rechtem Zweck", verkapptes Muctazilieren (min füzUliki al-chaft). Vgl. zu 15 v. 60 (wo Zam. in kaddarna den Begriff des Wissens hineindeutet): hadihi min dafaHnihi alitizalijja. 3) Z. B. dem Kommentar zu 6 v. 91 gewahrt er das Lob, „dass er damit die Feinheit seines Einblicks in das erhabene Buch und die Vertiefung in seine Schachten und die Herausstellung seiner Schönheiten beweise", 5 v. 6; 9 v. 46; 10 v. 12 „von seinen trefflichen Bemerkungen" hada min tanblhatihi al-hasanati; II v. 93: min mahasin nukatihi al-dSlla cala annahu kana mal ij jan bilhadaka fl Hlm al-bajan; (vgl. zu 10 v. 23); 16 v. 53: min hasanatihi allatt la iudöfa'u canha. 4) Dem monotheistischen Purismus der Muctaziüten gegenüber wirft er ihm sogar „verborgenes schirk" (Vorlesungen 46) vor, weil er Gott nicht als Urheber der bösen Taten der Menschen (kabofih) zulassen will (zu 5 v. 32, I 254), oder (zu 10 v. 36, I 423), weil er mit seinen Parteigehossen nur die erlaubte (al■riz£ al-halal), nicht auch die verbotene als von Gott verliehene Nahrung betrachtet. 127 getischen Vertreters zu erwiedern '), wobei er oft die scharfsten Ausdrücke fallen lasst2). Einmal beruhigt er sein Gewissen in humoristischer Weise wegen des unhöflichen Tones, in dem er den a/ich von ihm als bedeutenden Mann anerkannten Gelehrten behandelt, mit Anknüpfung an den Kommentar des Zamachscharï selbst zu 9 v. 74: „Bekampfe die Unglaubigen [Zam. „mit dem Schwert"] und die Unschlüssigen [Zam. „mit Argumenten"] und verfahre hart mit ihnen". Es sagt Ahmed (ibn al-Munejjir): Lob sei Gott, der ihn (Zamachscharï) selbst ein Argument dafür hat aussprechen lassen, dass wir ihn manchesmal hart anfassen (I 404, 1). Hingegen scheint es ihm sichtlich Freude zu bereiten, wenn er auch zuweilen feststellen kann, dass Zamachscharï, der im Grunde zu dem gemassigten Flügel der Muctazila gehört, in einem umstrit-, tenen Fragepunkt sich von den Extremen seiner Partei entfernt und der orthodoxen Lehre zustimmt. Dies merkt er z. B. zu 3 v. 182 an, wo er aus dem Kommentar des Zam. (zu den Worten tuwaffauna udschürakum) schliessen kann, dass er in der Frage der Grabespeinigung [cadaö al-kabr), die von der allgemeinen Muctazila geleugnet wird, den Glauben der Orthodoxie billigt3) und die Vergeltung am Gerichtstag als Vervollstandigung (taufija wa-takmïl) der bereits im Grab erlittenen Züchtigung der Frevler betrachtet (I 181 unten). Zamachscharï findet das methodische Prinzip seiner Exegese in Sure 3 v. 5 ausgesprochen: „Er hat dir das Buch herabgesandt; darunter sind festgefügte Verse, die sind die Mutter 1) Statt, vieler Beispiele kann als Spezimen dienen die Kontroverse zu 5 v. 41 (I 256) mit den dabei fallenden recht unziemlichen Ausdrücken. 2) Zu 2 v. 136 (I 79) wo er einer Bemerkung des Zam. zustimmt, setzt er die treffende Erklarung in Gegensatz zu dem sonstigen cnur' al-nuzmr d. h. merda der spekulativen Leute (Mu'taziliten). 3) In der Tat führt er 14 v. 32 (I 507) die Grabesprüfung als eine dermöglichen Beziehungen des Verses an (tathbïf) und zitiert das auf dieselbe bezügliche Hadith. 128 des Buches; andere sind zweifelhaft". Unter tnuhkamat') „festgefügte Verse" seien solche zu verstehen, deren Ausdrücke in s i c h e r e r Weise verstanden werden können und keinerlei andere Ausleguhg zulassen, als die der schlichte Wortsinn erfordert; „zweifelhafte" (mutaschabihai) sind solche, die mehrerlei Erklarungen ertragen (muhtamilat). Die Mutter des Buches (umm al-kitab) ist die Wurzel, auf die das Zweifelhafte zurückgeführt wird und woraus es seine Erklarung findet. Z. B. wenn es (75 v. 23) heisst: (am Tage des Gerichtes werde es geben) „Antlitze, die zu ihrem Gott blieken", so muss dies in Ubereinstimmurig gebracht werden mit dem (festgefügten) Spruch; (6 v. 103) „Nicht erreichen ihn die Blicke" (s. oben S. 102 ff.) oder wenn es (17 v. 17) heisst: Und wenn wir eine Stadt vernichten wollten, befahlen wir den Üppigen darin und sie frevelten darin, und so wurde an ihr das Wort zur Wahrheit: „und wir zerstörten sie eine (völlige) Zerstörung" (Gott befahle also das Böse zu tun): so kann als Wurzel der Erklarung nur der andere (alle Deutung ausschliessende) Spruch (7 v. 27) dienen: „Und wenn sie das Schandliche begehen, sagen sie: Wir fanden unsere Vater dabei und Gott hat es uns befohlen. Fürwahr Gott gebietet das Schandliche nicht". Dieser „festgefügte" Spruch muss als Basis der Erklarung jenes zweifelhaften dienen. Warum besteht nicht der gesamte Koran aus „festgefügten" Sprüchen? (aus welchem Grunde hat sich Gott in Ausdrücken offenbart, die Zweifel erregen und Vieldeutigkeit zulassen ?) Darauf antworte ich: „Ware der ganze Koran mukkam, so hatten sich die Menschen einfach an den mit Leichtigkeit zu erfassenden schlichten Sinn gehalten und sich abgewendet von aller ihnen nötigen Forschung und aller durch die Spekulation und die Ergründung der Beweise gebotenen Vertiefung. Die Wege, auf denen ausschliesslich man zur Erkenntnis Gottes 1) Mukkam scheint auf den ganzen Koran bezogen zu sein bei Ibn Sa'd VII 1, 81,24 (kdroftu al-muhkam)\ als Gegensatz von mansüch ibid. VI 52, 4; auf das Evangelium angewandt s. ZDMG LVII 410, 10 v. u. 129 und seiner Einzigkeit gelangen kann, waren dann verödef worden. Ferner: an dem Verhalten gegenüber den „zweifelhaften" Sprüchen ist ein Prüfstein gegeben, um jene, die fest in der Wahrheit stehen, von den Schwankenden zu unterscheiden. Dann dienen solche Verse zur gegenseitigen Aneiferung der Gelehrten und der Anspannung ihrer geistigen Krafte in der Erschliessung ihres wahren Sinnes und ihrer Zurückführung auf das „Festgefügte". Dies schliesst erhabenen Nutzen und umfassende Wissenschaften in sich, wodurch man hohe Rangstufen bei Gott erlangt. Schliesslich: wenn der Glaubige der (von vornherein) von der Harmonie und Widerspruchlosigkeit der Gottessprüche überzeugt ist, dennoch ausserliche Widersprüche findet, und sich alle Sorge gibt, etwas zu finden, wodurch diese ausgeglichen werden, und wodurch er alles auf einem (einheitlichen) Pfad verlaufen lassen kann; wenn er darüber sinnt und darüber mit sich selbst und anderen verhandelt, so dass ihm Gott (das Verborgene) erschliesst und ihm die Übereinstimmung des Zweifelhaften mit dem Festgefügten klar wird: so wird er immer grössere Beruhigung bei seiner Überzeugung finden und in seiner Sicherheit immer mehr gekraftigt werden". — Es habe also in Gottes Plan gelegen, durch solche problematische Rede den Glauben, die Erkenntnis und das Streben nach Wahrheit zu fördern. Jene mutaschabihat zu deuten sei demnach die Aufgabe der muctazilitischen Exegese. Ihr Leitprinzip in der Lösung dieser Aufgabe ist, wie uns das Beispiel des Murtada bereits gezeigt hat, die streng philologische Methode. Zunachst versucht man, den im Geiste der muctazilitischen Theologen bedenklichen Sinn eines Koranwortes dadurch zu tilgen, dass man für dasselbe an der Hand des Lexikons eine Bedeutung feststellt, die jene Bedenklichkeit von vornherein ausschliesst. Das „Blieken zu Gott" haben die Muctaziliten in ein Sehnen nach ihm verwandelt, (oben S. 102—3) indem sie den Nachweis versuchten, dass das Verbum nazara im Arabischen nicht nur das leibliche Sehen, sondern auch die Sehnsucht nach etwas 9 130 bedeutet; worin sie freilich auch von den Gegnern auf philologischem Grunde bekampft werden. — Wenn es heisst, dass Gott für jeden Propheten einen Feind, ob nun aus den Satanen und Dschinnen (6 v. 122) oder aus den menschlichen Übeltatern (25 v. 33) gemacht hat (dschcfalna caduwwan), so muss der Muctazilit eine solche Verfügung Gottes unvereinbar finden mit seiner Auffassung von der göttlichen Gnade und Gerechtigkeit, nach welcher er doch seinen auserwahlten Propheten nicht von vornherein Faktoren der Erfolglosigkeit mit auf den Weg ihrer Berufserfüllung geben kann. Bereits eine der frühen Schulautoritaten der Muctazila Abü cAlï al-Dschubba% der Lehrer des von ihm spater abtrünnigen Aschcarï, hilft dieser Schwierigkeit dadurch ab, dass er aus einem poetischen locus probans nachweist, dass das Verbum dschcfala nicht nur machen, sondern auch klar machen, mit etwas bekannt machen bedeutet. Somit erhalten die Koranverse die Bedeutung, dass Gott jedem Propheten Kenntnis davon gegeben hat, wer seine Feinde sind, damit er ihnen rechtzeitig entgegenwirken könne. Freilich andert Dschubba°ï zugleich das "aduwwan (einen Feind) des rezipierten Textes in caduwwahu (seinen Feind) '). Solche Bedeutungsverschiebungen zum Zweck rationalistischer Korandeutung gehören zu den haufigen Hilfsmitteln der muctazilitischen Exegese. Viel haufiger ist ihre exegetische Methode auf die Voraussetzung metaphorischer Rede gegründet. Der Koran stelle ja den unerreichbaren Höhepunkt rhetorischer Vollkommenheit dar. So bietet sich von selbst die Annahme, er schliesse allen Schmuck rhetorischer Schönheit in sich: Metaphern, Tropen u. dgl. mehr. Von diesem Gesichtspunkte aus werden die anthropomorphistischen Ausdrücke der Schrift ausgelegt, ganz genau so wie, nicht zu allererst durch Philo, die anthropomorphistischen Ausdrücke des A. T. gedeutet wurden. 1) Jaküt ed. Margoliouth V 276. 131 Grosse Bedeutung wird in diesem Kreise der Annahme sinnbildlicher Ausdrucksweise zugeeignet. . (33 v. 72): „Wir boten die Treue (den Gehorsam) an den Himmeln und der Erde und den Bergen, doch weigerten sie sich dieselbe zu tragen (auf sich zu nehmen) und schreckten davor zurück. Und der Mensch lud sie auf sich. Fürwahr er ist ungerecht und töricht (d. h. er hat die Treue dennoch nicht gehalten)". Hier ist die Gelegenheit reichlich geboten, die sinnbildliche Art der in diesem Spruch enthaltenen Ausdrücke nach verschiedenen Seiten darzustellen: die Anbietung der Treue an leblose Wesen; das Tragen der Treue. Der muW litische Ausleger bringt nun eine Reihe von arabischen Versen und Phrasen als Beweise dafür bei, dass man von leblosen Dingen in solchen Metaphern redet. Die Koransprache spiegele die edelste Art der Redeweise der Araber wieder. Dass die Treue getragen wird, ist freilich wenig vorstellbar. Aber die Araber sprechen in dieser Weise. Sie sagen z. B.: Würde man zum Fett sagen: „wohin gehst du" so würde es antworten: „ich will die Unebenheiten (im Körper des Menschen oder des Tieres) ausgleichen". Nun kommt Zam. im Anschluss daran auf folgende Schwierigkeit. Metaphern sind nur möglich, wenn Tatsachliches auf ein anderes Tatsachliche übertragen wird. Ich kann von einem Unschlüssigen sagen: ,ich sehe wie du einen Fuss vorsetzest und den anderen zurückziehst', d. h. du machst einen Schritt nach vorwarts und hinterdrein gleich einen nach rückwarts. Dies zu tun ist eine mögliche Sache und es ist demnach zulassig, die Unschlüssigkeit in dieser Weise zu vergleichen. Hingegen ist der Treuantrag an Berge, Himmel und anderes Leblose und das Tragen eines Abstraktums nicht etwas, was je als Anschauungsobjekt reell in Erscheinung tritt, so dass es zur Übertragung benutzt werden könnte. Dem gegenüber stellt Zamachscharï die Theorie auf: dass nicht nur tatsachliche, sondern auch nur voraussetzbare [mafrüdat) Zustande zu Vergleichungen benutzt werden können. Könnte das Fett 132 sprechen (ich setze es voraus), so würde es sagen: du setzest voraus, dass man den Bergen u. s. w. die Treue anbieten würde, sie könnten nur antworten u. s. w. Das Voraussetzbare kann ebenso Gegenstand der Phantasie bilden (tutachajjal) wie tatsachlich Vorhandenes (al-muhakkakat, II 224). Daraus, dass er in Koranstellen solche Phantasieausdrücke, poëtische Bilder (tachjïl), aufspürt und findet, oder vielmehr, dass er sie als solche beim rechten Namen nennt, wird ihm vom orthodoxen Gegner, der sich bei der Voraussetzung des tamthïl (Sinnbild) zur Not beruhigt, von Fall zu Fall immer ein schwerer Vorwurf gemacht. „Wurden wir diesen Koran auf einen Berg herabgesandt haben, so hattest du ihn sich erniedrigen und vor Furcht Allahs sich spalten gesehen" (59 v. 21). „Das ist tamthïl und tachjïl" sagt dazu Zamachscharï. Der orthodoxe Glossator ist darüber nicht wenig empört. Dies ist — sagt er — was ich an ihm so oft zu missbilligen habe. Will er denn nicht gute Sitte von der Fortsetzung des Koranverses erlernen, in der es heisst: „Diese Gleichnisse stellen wir für die Menschen auf", nicht aber „diese Phantasiebilder gaukeln wir ihnen vor"? (II 449). Er betrachtet die Voraussetzung einer auf Phantasiebilder begründeten Ausdrucksweise im Koran als Ungezogenheit (si? adaby). Zu diesem Vorwurf gibt aber Zamachscharï öfters Veranlassung. Dies zeigen noch einige Beispiele. 41 v. 14: „Gott sagte zu Himmel und Erde: Kommt her gutwillig oder gezwungen! Da sprachen sie: Wir kommen gutwillig". Der dem Himmel und der Erde erteilte Befehl und ihr Gehorsam bedeuten so viel: Gott hatte den Willen sie hervorzubringen und sie weigerten sich dessen nicht, und sie ent- 1) Jedoch auch der, bei aller Ausmerzung muctazilitischer Deutungen, von Zamachscharï abhangige orthodoxe Kommentator Bejdswl geht dem Gesichtspunkt des taswlr und tachjil im Koran nicht aus dem Wege, z. B. zu 8 v. 24 (ed. Fleischer I 363, 18). 133 standen in einer seinem Willen völlig entsprechenden Weise. Sie gleichen darin einem, dem ein Befehl erteilt wird, dem er Gehorsam leistet '). „Dies ist Metapher, die tamthïl genannt wird. Es kann aber auch als tachjil aufgefasst werden: Gott spricht zu Himmel und Erde und sagt zu ihnen: Kommet her, ob ihr nun wollt oder euch weigert. Darauf sagen sie: wir kommen aus Gehorsam, nicht aus Zwang. Der Zweck ist die Veranschaulichung (taswir) der Wirkung der Macht Gottes auf die durch dieselbe hervorgebrachten Dinge. Nicht alsob dabei an wirkliche Rede und Antwört gedacht werden könnte 2). Es ist folgendem Beispiel ahnlich:3) Die Wand sagt zum Pflock: warum tust du mir weh? Der Pflock antwortet: Frage den, der auf mich klopft; denn der Stein der hinter mir ist, lasst mir nicht meinen eigenen Willen. Die Wand fragt nicht in Wirklichkeit und der Pflock antwortet nicht in Wirklichkeit" (II 326). Grosse Bedeutung hat im Vorstellungskreise der Muslime das auch in der mystischen Litteratur4) in geheimnissvoller Weise verwandte cahdu alastu das Bündnis: „bin ich nicht?" Diese Vorstellung hat ihren Grund in 7 v. 171: „Und als dein Gott von den Adamskindern aus ihren Rücken ihre Nachkommenschaft zog und sie Zeugnis ablegen liess über ihre Seelen (sprechend): „Bin ich nicht (alastu) euer Gott?" Sie sprachen: Fürwahr, wir bezeugen es! Damit ihr am Tag der Auferstehung (nicht etwa) sagen möget: Wir waren dessen unachtsam". Gott habe nach der Schöpfung des Menschen alle zukünftigen Gene- 1) Vgl. auch seine Erklarung 11 v. 45 (I 443). Dschahiz, Hajawan IV 96 polemisiert gegen Leute, die solche Dinge (wie z. B. 33 v. 72) wörtlich auffassen. 2) Zur Zeit des Mukaddasl behaupteten die Bewohner von Janbuc von einem in der Nahe der Meeresküste befindlichen Weihorte, dass dort die Stelle der Zunge sei, mit welcher die Erde die Worte „wir.kommen gutwillig" gesproc h e n habe (B i b 1. G e o g r a p h. Arab. III 46, 5). 3) Das Beispiel wird auch von Ghazalï, Ihja II 225 uit. angeführt zur Erklarung der Vorstellung, dass die Erkennenden innerlich horen, wie auch die leblosen Dinge Gott verherrlichén und lobpreisen (lisan al-hal). 4) Vgl. A. Christensen, Recherches sur les RubaHyat d'Omar Hayyam (Heidelberg 1905) 132. 134 rationen aus dem Rücken Adams hervorgeholt und ihnen ein Gelöbnis auf die dereinstige Anerkennung Allah's abgenommen Dies ist die Verpflichtungsurkunde der Menschheit auf den Dienst Allahs. Darauf wird die gewiss altere Stelle (57 v. ,8) bezogen: „Was ist es, dass ihr nicht glaubt an Gott und seinen Propheten, der euch ruft an euern Herrn zu glauben ? er hat euch doch euer Bündniss (mïthakakum) abgenommen" 2). Der Muctazilit kann diese mythologische Darstellung nicht wörtlich annehmen. Sie gehort in das Kapitel der sinnbildlichen Ausdrucksweise (min bab al-tamthil wal-tachjil) und bedeutet nichts anderes als dass Gott den Menschen Beweise für seine Gottheit und seine Einzigkeit aufgestellt habe, für deren zwingenden Charakter ihre Vernunft Zeugnis ablegt. Die Vernunft hat er den Menschen vermöge seiner Natur eingepflanzt. Dies bedeutet die' Zeugnisabnahme von den noch ungeborenen und aus dem Rücken des Adam hervorgeholten Generationen. Virtuell — als dereinstigen Inhabern der Ver- nunft — sei ihnen die Anerkennung dieser Beweise schon vor ihrem wirklichen Dasein abgenommen worden. Sie ist dem Begriff des Menschen als Vernunftwesen inharent. Zamachscharï kann für solche figürliche Rede Beweisstellen aus der arabischen Poesie beibringen. „Und wenn die Sattelriemen zum Bauche sagen: Schmiege dich an" u. dgl. mehr. Da ist nirgends wirkliches Reden gemeint. Ebensowenig hat Gott zu der in nuce hervorgeholten Nachkommenschaft des Adam gesprochen. Alles ist figürlich. Der Orthodoxe kann dies natürlich nicht ruhig anhören. Er macht es sich leicht, indem er den Kanon aufstellt: „So lange der aussere Wortsinn der Vernunft nicht widerspricht, und der Text ein Geschehenes mitteilt, ist an dem Wortsinn festzuhalten". Jene Erzahlung aber widerspreche der Vernunftmas- 1) Man wird dabei an die rabbinischen Ausdeutungen zu Deut. 29, 13 14 erinnert. 2) Auch al-Murtada a. a. O. 13 ff. beschaftigt sich eingehend mit der Deutung dieses Verses für den er verschiedene Erklarungsmöglichkeiten vorschlagt. 135 sigkeit nicht. Wie aber Gott die Nachkommenschaft hervorgeholt und wie er sie angeredet hat und wie sie geantwortet hat, das kann nur Gott selbst wissen (I 359, II 434). Die 7«ÉA/ï/*Erklarung wird natürlich noch viel freier bei Hadïthen angewandt. Ein interessantes Beispiel bietet Zamachscharï zu 3 v. 31. Gelegentlich der Erklarung dieses Verses wird ein Hadith in folgender Weise eingeführt: In einem Hadith wird tradiert: „Jedes Neugeborene wird bei seiner Geburt vom Satan berührt; dabei schreit es heil auf; nur Marjam und ihr Sohn (Jesus) waren von dieser Berührung verschont". „Gott weiss am besten, — sagt dazu Zam. — ob dies Hadith authentisch ist; dies angenommen, hatte es den Sinn, dass jedes Geborene den Versuchungen des Satans ausgesetzt ist; nur Marjam und ihr Sohn und Menschen ihresgleichen nicht (15 v. 39. 40). Die Berührung sowie das helle Aufschreien des Kindes seien nicht wörtlich zu verstehende poëtische Bilder, (dafür wird ein Vers des Ibn al-Rüml angeführt). Aber wirkliche Berührung und Schreien, bewahre! Da müsste ja die ganze Welt voller Geschrei sein" (I 144). Trotzdem auch orthodoxe Autoritaten die Annahme poëtischer Bilder im Hadith nicht immer atistössig finden '), klagt hier der Glossator einerseits über den Zweifel, den Zam. an die Echtheit eines wohlbeglaubigten Hadith setzt; andererseits über die rationalistische Inhaltsberaubung (fcffit) der Worte des Propheten. Die Kadariten erfahren ja an ihrem eigenen Leibe den ihnen versetzten Stich des Satans; nur ein solcher kann dem Zam. und seinen Gesinnungsgenossen ahnliche Ideen eingeben; der Kühnheit und Ungezogenheit (dschara?a wa su* 1) Der streng orthodoxe Ibn Kutejba charakterisiert ein Hadith, in dem erzahlt wird, dass Moses dem vor ihm erschienenen Todesengel eine Ohrfeige versetzte, wobei er ihm ein Auge herausschlug (B. Dschana°iz nr. 69) als tachjil wa-tamthïl (Muchlalif al-hadlth 354,4). Auch Ghazalï fordert für Hadith-Sprüche die Annahme des tamthïl, Ihja IV 22; aber das Festhalten am Wortsinn halt er dennoch für heilsamer als willkürliches Herumklügeln (Ja'assuf) um ta3wll, ibid. 25, 10. 136 adab) zu geschweigen, mit der er die falsche Erklarung des Prophetensprucb.es durch den Vers des Ibn al-Rümï begründet. Eines der letzten Beispiele hat uns zugleich das Hervortreten eines der grundlegenden Prinzipien der muctazilitischen Religionsanschauung beobachten lassen, wie sie sich im Laufe langerer Entwicklung herausgebildet hat: die Vernunft als Quelle der religiösen Erkenntnisse, als Prüfstein der religiösen Wahrheit '), ein Grundsatz, den zu allererst die Muctazila in die islamische Religionsbetrachtung eingeführt hat und zu dessen Beriicksichtigung mit der Zeit auch die Vermittler in der aschcaritischen Gegenpartei sich bequemen mussten2). Sie werden in ihren Theorien von kalter Verniinftigkeit geleitet. Selbst die Propheten lassen sie die Wahrheit ihrer göttlichen Sendung dadurch beweisen, dass sie durch Gott zur Ergründung von Vernunftargumenten geleitet worden sind. Dies sei „das Zeichen (aja) von euerem Herrn", das der Prophet nach 3 v. 44 bringt3). Die Propheten werden von Gott zur unglaubigen Menschheit gesandt um die Denktragen zur Denktatigkeit anzueifern, ebenso — setzt Zamachscharï (zu 4 v. 163) hinzu — wie du dies auch von den „Gelehrten der Gerechtigkeit und Gotteseinheit'* (den Muctaziliten) erfahrst. Die Propheten vervollstandigen bloss den Beruf, den die Vernunft auch vor ihrem Erscheinen zu erfüllen hatte 4). Die auf ihrem aussersten Flügel stehen, verkünden mit Entschiedenheit, dass die Ergebnisse der Vernunftschlüsse die traditionellen Erkenntnisse aus dem Wege raumen 5). Die Gemassigten raumen dem samc, dem ohne Rücksicht auf Vernunftgründe schuldigen Gehorsam gegen das gesetzlich Befohlene, eine gleichwertige Bedeutung neben dem zakl ein. Ihre Auto- 1) Über die hervorragen.de Stellung der Vernunft in der religiösen Erkenntnis ist Kasschaf zu 17 v. 16 (I 544) besonders zu beachten. 2) Vorlesungen 119. 123. , 3) Kasschaf z. St. I 148. 4) I 240. 5^ Nazzam bei lbn Kutejba, Muchtalif al-hadlth 53,7: dschihat huddschat al-ahl kad tansach al-achbara. 137 ritaten diskutieren zuweilen die Frage, auf welche der beiden Verpflichtungsquellen ein Gesetz begründet sei '). Auch Zamachscharï bekennt sich zur Lehre von der Gleichberechtigung der beiden religiösen Erkenntnissarten. Nach seiner Methode ist er im Stande die Richtigkeit seines Standpunktes auch aus dem Koran zu erweisen. Er gründet seine Beweisführung auf 67 v. 10, wo man die zur Hölle Verdammten den reuevollen Ruf anstimmen lasst: „Hatten wir nur gehort (nasmcfu) oder Vernunft gehabt (nacküu), so würden wir nicht unter den Genossen der Höllenflamme sein". Diesen alternativen Ausdruck lasst sich der scharfsinnige Theologe nicht entgehen, ohne ihn für die Rechtfertigung seiner theologischen Erkenntnistheorie auszunutzen. Der Weheruf der Verdammten sei der Ausdruck ihrer verspateten Reue darüber, dass sie wahrend ihres Lebens die beiden Erkenntnisquellen der religiösen Wahrheit nicht beachteten. Sie achteten weder auf das traditionell Erworbene („hören" ist dafür der theologische terminus technicus der Schule), noch haben sie gestrebt, die Wahrheit durch intellektuelle Arbeit (nacküu) zu ergründen. Die Reue wegen der Vernachlassigung dieser beiden Methoden ist es, die aus dem Verzweiflungsruf der Verdammten wiederhallt (II 476). Der edelste Gebrauch, den die Muctaziliten in Verbindung mit der Schriftauslegung von ihrer Forderung der Vernunftmassigkeit für religiöse Tatsachen machen, ist ihr Kampf gegen aberglaubische, naturwidrige Vorstellungen, die in der Religion Fuss gefasst hatten 2). In der Würdigurig des Geistes, der die religiösen Grundsatze des Islams durchdringt, dürfte nicht übersehen werden, dass auch in ihrer orthodoxen Auspragung viele aberglaubische Voraussetzungen nicht zwar als vernunftwidrig verpönt, aber 1) Z. B. Abü cAlï al-Dschubba0! und Abü Haschim in bezug auf den Grund des amr bil-ma'rüf wa-nahj 'an al-munkar, bei Kasschaf zu 3 v. 100 (1161). 2) Selbst wenn man sich zur Rechtfertigung derselben auf Hadïth-Mnteilungen berufen kann; s. Der Islam III 234 Anm. 1. 138 als dem lauteren mohotheistischen Begriff widerstrebend verworfen werden '). Als man einmal — so wird erzahlt — dem cAlï widerriet einen Feldzug gegen die ihn bedrohenden Charidschiten zu unternehmen, weil die Stunde in der er aufbrechen wollte, eine für ihn ominöse sei (saca(u naksin), entgegnete er: „Nur auf Gott vertraue ich und ich widersetze mich dem Rat der Wahrsager" 2). Man brandmarkt die Rücksicht auf Omina und Auguria als religionswidrig, weil sie Ursachen des Geschehens, Kausalitatskombinationen voraussetzt, durch die die Entschliessungen des Menschen nicht ausschliesslich unter den Einfluss des absoluten göttlichen Willens gestellt werden. Hingegen wird denen, die in ihrer Lebensführung die Abweisung jener aberglaubischen Voraussetzungen betatigen, in einem Hadïth-Spruch verheissen, dass sie lediglich wegen dieses frommen Verdienstes ohne weitere Rechenschaft ins Paradies eingehen werden3). Wer beim beabsichtigten Antritt einer Reise von dieser Absicht zurücktritt, weil er das Gekrachze einer Elster hört, wird geradezu als kafir, Unglaubiger bezeichnet, ebenso wie jemand, der das Schreien eines Kauzes horend sagt: es ist jemand gestorben. So urteilt in einem seiner Fetwa's ein hanafitischer Rechtslehrer aus Ferghana, Kadi Chan (st. 1196), der weit davon entfernt ist, zu den Rationalistén gezahlt werden zu können 4). Auch Tagewahlerei, die Vorstellung von günstigen und ominösen Tagen 5), die Berücksichtigung der astronomischen Konstellation wird von den muslimischen 1) Vgl. Muh. Stud. II 280 Anm. 2. 2) Mubarrad, Kamil 576, 14. 3) Buch. al-Adab al-mufrad (Stambul 1309) 180. 4) Bei Damïrï II 177, 441 s. v. cakcak und hama; vgl. ibid. II 119 s. v. tajr; bei Ibn Hadschar al-Hejtami in al-l'lam bikawatf al-Islam (Kairo 1310 a. R. des Kitab al-ZavrSdschir II) 61 als strittige Frage erwahnt. Eine erschöpfende Auseinandersetzung derselben gibt mit reichem Material cAlï al-Karï (st. 1592/3) in seinem Kommentar zum Fikh akbar (Kairo, 1323) 134—136. 5) Abü Bekr ibn al-cArabï bei Makkarï (ed. Leiden) I 488 ff. Ibn Hadschar al-Hejtamï Fatawl hadithijja 20 wird sie als jüdischer Brauch (min surian alJahüd) verurteilt. '39 Theologen verpönt '). Die Orthodoxie dehnt auf solche Anschauungen den Begriff des verwerflichen schirk (Zugesellung zu Gott) aus 2). Erst recht die Muctaziliten 3), die gegen jede Art des Wunder- und Aberglaubens, der die Orthodoxie noch etwa Begünstigung gewahrt, d. h. aus dern Kreis des Aberglaubens ausschliesst, einen unerbittlichen Vernichtungskampf führen 4). Mit der entschiedenen Ablehnung, die sie dem vernunftwidrigen Volksglauben im Prinzip entgegensetzen, verbinden sie das Bestreben, die Spuren desselben aus dem Koran zu tilgen, und Schriftstellen, die auf solche Vorstellungen gegründet sind, in vernunftgemasser Weise zu erklaren. Sie rütteln z. B. an der aus 27 v. 70 zu folgernden Wirklichkeit des Sage, dass der Thron der Königin von Saba wahrend der Dauer eines Augenblicks („bevor dein Bliek zu dir zurückkehrt") aus dem Thronsaal der Königin vor Salomo (man berechnet die 1) Beispiel für letzteres bei Jaküt ed. Margoliouth III 31 uit. 2) Vorlesungen 46. 3) Darin verschieden vom Philosophen Ibn Sïna, der in einem nach dem Schifa verfassten Buche (Kitab al-ischarat wal-tanbïhat, ed. Forget), in dem er freilich seine eigene Schule, die Peripateteker (al-masschiïüri) haufig bekampft (167,6 v. u.; 180,6, gegen Porphyrius 180,5 »den Verfasser der Isagoge" 21, 4 v. u.), allem Wunderglauben, der Macht der Heiligen, dem Einfluss des bösen Auges u. a. m. das Wort redet (209, 7 v. u.; 219, 4 ff.; 221, 3), dieselben auf „Geheimnisse der Natur" zurückführt, und die misera plebs der ketzerischen Philosophaster (min mulhida ha'ula al-mutafalsifa wa-min hamadschihim, 222, 9) zurechtweist, die den okkultistischen Dingen abgeneigt sind. Er schreitet darin vollends auf dem Gedankenweg der ichwan al-safa' (in der letzten Abhandlung ihrer Rasa3il). 4) Interessant ist es zu beobachten, wie Zam. zu 12 v. 67 (die Söhne Jakobs mogen nicht durch dasselbe Tor in die agyptische Rezidenz einziehen — nach der allgemein angenommenen Erklarung: um nicht das böse Auge auf sich zu lenken) sich anstrengt, den durch Hadlthe gestützten (vgl. WZKM XVI 140 Anm. 2) \Glauben an die Wirkungen des bösen Auges durch eine mu'tazilitisch korrekte Formulierung dem Gebiet des Aberglaubens zu entziehen (I 480). Das Hadith (Buch. 'Idejn nr. 24) empfiehlt beim Heimkehren vom Betplatz am grossen 'ïd einen andern Weg zu nehmen, als den man beim Gang dahin eingeschlagen hatte. Unter den Motivierungen wird mit Berufung auf 12 v. 67 auch jene erwahnt, dass man durch diese Abwechslung" dem bösen Auge entgehe (Kastallanï II 250, 14). 140 Entfernung auf zwei Monate) gebracht werden sei '); eine Tatsache, deren wörtliche Möglichkeit die orthodoxen Erklarer nicht verlegen sind durch Analogien zu erweisen. Mit rücksichtsloser Freiheit haben sie sich gegen Hexenglauben, Zauberei und dazu gehörendem Aberglauben aufgelehnt; trotzdem sie damit nicht nur mit wohldokumentierten Überlieferungen, die von bösen Wirkungen sprechen, die Zauberer auf die Propheten ausüben wollten, und in welchen die Möglichkeit solcher Wirkungen als zugelassen erschejnt, sondern auch mit einem sehr gewichtigen Koranspruch in Widerspruch geraten. Der Koran enthalt zwei kurze apotropaische Suren, die 113. und 114. jede mit dem Wort beginnend: acüdu „Ich suche Zuflucht"; daher diese beiden Sprüche, die im Volksgebrauch für Amulette und Heilsprüche, zumal als Gegenzauber, zur Abwehr böser Wirkungen der gegen die Person gerichteten schadlichen Zauberabsichten verwandt werden, al-mifawiddatan genannt werden „die beiden Zufluchtbietenden" 2). Der erste dieser beiden Sprüche (Sure 113) hat folgenden Wortlaut: „Sprich: Ich suche Zuflucht beim Herrn des Morgengrauens — Vor dem Übel, was er erschaffen — Und vor dem Übel der Finsterniss, wenn sie herannaht — Und vor dem Übel der Knotenanblaserinnen — Und vor dem Übel des Neiders, wenn er neidet". Hier wird durch ein Gotteswort unzweideutig anerkannt der Glaube an die Wirksamkeit der Hexenkunst durch Schürzen und Anblasen von Zauberknoten 3) schadliche Wirkungen hervorzurufen. Muhammed ruft die Hilfe Gottes gegen die Künste der Zauberinnen an. Und die traditionelle Erzahlung weiss tatsachlich zu berichten, dass Juden von Medina den Zauberer Lebïd b. al-Acsam und dessen Töchter veran- 1) Damlrl s. v. boiak I 146, 7 v. u. 2) Doutté, Magie et Religion dans 1'Afrique du Nord 217. 3) Über Zauberknoten, Mittheilungen der Anthropol. Ges. in Wien (l90i)XXI 137; WZKM (1902) XVI 142, „Aegyptische Knotenamulette" Arch. für Religionsw. VIII Beiheft 23 ff. Proceedings SB Arcb. XXVIII 80. Vgl. auck Kastallanï II 364 zu Buch. Abwab al-taksïr nr. 32. 141 lassten, den von al-Hudejbija eben zurückkehrenden Propheten zu verhexen. Sie verschaftten sich Haupthaare des Propheten und schürzten damit elf Knoten, steckten sie in die Scheide ■ einer mannlichen Palmblütentraube, die sie dann in einen Brunnen versenkten, den sie mit einem grossen Stein verschlossen. Die Bezauberung habe auch Erfolg gehabt. Muhammed begann abzumagern, er verlor alle Esslust und böse Vorstellungen fingen an, ihn zu plagen. Endlich traten die Engel Gabriel und Michael ins Mittel und entdeckten ihm die Ursache seines Zustandes. Man nahm den Palmzweig aus dem Brunnen und löste die Knoten. Damit war der ZaubeK gebrochen und der Prophet von dem ihm peinigenden Übel erlöst '). Kann man nun auch diese traditionelle Geschichte als alberne Legende aus dem Wege raumen, so ist das Zeugnis des Korans noch immer da, um für den durch „Knotenanblaserinnen" verursachten Zauber Glauben zu fordern.- Jedoch die Muctaziliten sind nicht in Verlegenheit, aüch hier auf exegetischem Wege Rat zu schaffen. Zamachscharï bietet drei rationalistische Möglichkeiten, die Leugnung der Wirkung des Zauberwesens mit dem Koranwort, das eine solche voraussetzt, auszugleichen. Erstens: Die Künste der Zauberinnen, die darin ■bestehen, dass sie an Faden Knoten anbringen, dieselben behauchen und mit Speichel — diesem wichtigen Ingrediens der Zauberei — vermengen, haben nur scheinbare Wirkung; denn diese tritt nur dann ein, wenn dem zu Bezaubernden gleichzeitig schadliche Dinge zu essen, zu trinken oder zu riechen gegeben werden oder dass die Zauberinnen ihm durch sonstige (schadliche) Hantierung Übel verursachen. Die durch diese in natürlicher Weise verursachten üblen Wirkungen werden durch Unwissende jenen Praktiken zugeschrieben. — Zweitens: Gott lasse aus jenem eiteln Zauberspuk tatsachlich eine Wirkung entstehen,- um dadurch zu erproben, wer die bei der Wahrheit Ausharrenden sind und wer die unwissenden pöbelhaften Leute, O Ibn Sa'd li ii 4 ff. 142 die der Lüge Glauben schenken '). Jene lassen sich durch den Schein nicht irreleiten und halten trotz desselben bei der Wahrheit aus. — Drittens: Es seien gar nicht Zauberinnen, sondern listige Frauen gemeint, vor deren Intrigen Gott um Hilfe angerufen wird; oder kokette Personen, die durch ihre Verführungskünste gefahrlich werden. Ibn al-Munejjir steht völlig verblüfft vor dieser Anstrengung rationalistischer Versuche zur Wegdeutung von Tatsachen, die er durch ihre traditionelle Bezeugung über allen Zweifel setzt und meint, dass Zamachscharï hier mit seiner Muctaziliterei das Antlitz der Sonne verdecken will 2). Zu den von den Muctaziliten — oder wenigstens von bedeutenden Vertretern ihrer Richtung — abgelehnten Vorstellungen, die im Islam allgemeine Anerkennung erlangt hatten, gehören manche der mit dem Glauben an die Existenz von Duntonen (dschinn) und ihre Einwirkung auf Vorgange der menschlichen Gesellschaft zusammenhangenden Anschauungen. Der Islam hatte dieselben aus dem vorislamischen Heidentum übernommen und in seiner Weise seinem Vorstellungskreis einverleibt3). Die Existenz solcher Wesen ist im Koran selbst konstatiert, und das Hadïth hat dieselben mit dem Propheten in Verkehr gesetzt. Nichtsdestoweniger haben die Vorstellungen über ihre Wirksamkeit im Islam streng dogmatische Sanktion nicht in dem Masze erlangt, wie der Glaube an die Existenz der Engel und ihre 'Wirksamkeit *). Jedoch kann man sie in v o 1 k s t ü mlichem Sinne als integrierenden Teil des islamischen Glaubenskreises betrachten. Die Ablehnung derselben wird jedem altglaubigen Muslim mindestens als verdachtige Freigeisterei 1) Unter denselben Gesichtspunkt stellt er auch de'n Glauben an die Wirkung des bösen Auges (oben S. 139, Anm. 4): U>tïla°an min Allah wamtihanan liHbadihi li-jutamajjaza-l-muhakhiküna min ahli-l-haschwi. 2) Auch 7 v. 113 (I342) hat Ibn al-Munejjir als Gelegenheit benutzt für den Glauben an Zauberei gegen die Muctaziliten energisch einzutreten. 3) S. weiteres in Abhandlungen zur arab. Philologie I 107 ff. 4) Keinesfalls „fait partie du dogme musuiman" wie in Revue de 1'Hist. des Relig. XLVII 186 n. 1. '43 erscheinèn '), wenn er auch nicht mit dem andalusischen Traditionsfanatiker Ibn Hazm so weit geht, Leute die der Benennung dschinn in den Schriften eine andere als ihre wörtliche Bedeutung zueignen, zu Unglaubigen (kafir, muschrik) zu stempeln, deren Leben und Vermögen vogelfrei ist (halal al-dam wal-mal), wie das des Gottesleugners oder Mehrgötterers 2). Die Muctaziliten haben an diesen Vorstellungen vielfach gerüttelt; freilich gilt ihre Stellung zu denselben nicht als entscheidende Parteifrage. Ihre bedeutenden Lehrer vertreten darin die einander entgegengesetztesten Ansichten. Wahrend der kühne Nazzam sich sur Leugnung der Existenz von Dschinnen versteigt3), verteidigt der fromme "Amr b. cUbejd mit Hinweis auf Koranverse, im Gegensatz gegen die ablehnende Stellung anderer Parteigenossen (mutakallimün)4), den Glauben an die Wirkung dieser Wesen als Krankheitserreger. Der grosse Jurist Mawerdï (st. 1058), den man unbedenklich der Muctazilitenschule anreihen darf5), deren rechten, der Orthodoxie am nachsten stehenden Flügel er vertritt, hat seinem Buch über die Prophetie Muhammeds über den Verkehr des Propheten mit den Dschinnen ein gedehntes Kapitel (das ió'e) einverleibt, in dem er sein Einverstandnis mit den krassesten Vorstellungen über das Damonenwesen kundgibt G). Der Durchschnitt des Muctazilitentums hat jedoch, neben der Zulassung der Existenz der Dschinnen, den Kampf gegen an dieselbe geknüpfte Fabeln aufgenommèn, wofür die Argumente aus dem Koran selbst geholt werden. Anlass dazu bietet 1) MasTïdl, Prairies III 153. 2) Milal V 12, 7 v. u. 3) Schahraslanl ed. Cureton 40, 3 v. u.; sein Verhaltnis zu diesem Glauben ist unklar ausgedrückt bei Baghdadï, Fark 135, 4 v. u. (134, 8 letztes Wort ist jedenfalls riwajat zu korrigieren in ruj'at). 4) Dschahiz, Hajawan VI 67. 5) Der Islam III 217. Als Mu'taziliten gibt er sich zu erkennen in seinem A'lam al-nubuwwa (Kairo 1319) II, I, wo er über cad/ wa-tauhtd spricht. 6) A'lam al-nubuwwa IOO—107. 144 7 v. 26. Da warnt Gott die Adams'söhne vor den Lockurigen des Schejtan, wegen deren ihre Ureltern das Paradies verlassen mussten: „er und sein Gesinde (das sind die Dschinnen) sehen euch von wo ihr sie nicht sehen könnt". Dies bietet dem Zamachscharï erwünschte Gelegenheit zur Erklarung: „Darin liegt ein klarer Beweis dafür, dass die Dschinnen den Menschen nicht sichtbar sind, dass sie ihnen nicht erscheinen und dass es ihnen auch nicht möglich ist sich sichtbar zu machen; dass ferner die Aussagen derer, die sie gesehen haben wollen, eitel Betrug und Schwindel sind" (I 326). Den Standpunkt der Orthodoxie in dieser Frage, gegenüber der für seine Zeit und Umgebung nicht wenig kühnen Erklarung des Muctaziliten, veranschaulicht die Gegenbemerkung des Ibn al-Munejjir: „Wie weit liegt dies ab von der Mitteilung des glaubwürdigen Hadïth, dass Iblïs, das Oberhaüpt der Dschinnen, sich dem Propheten entgegenstellte um ihn im Gebet zu storen, dass aber Gott dem Propheten Macht über ihn verlieh, so dass Muhammed ihn am Schopfe packte und ihn an eine der Saulen der Moschee anbinden wollte, um ihn dem Spott der Kinder auszusetzen. Nur Erinnerung an die Bitte Salomons brachte ihn von diesem Vorhaben ab '). — Wenn nun dies (d. h. die wirkliche Begegnung mit einem Dschinn) dem Propheten möglich war, wird es auch anderen Frommen und Anhangern der Sunna des Propheten, kraft der ihnen verliehenen Gnadengabe (karama) nicht unmöglich sein. Jedoch den Zamachscharï hat, in Übereinstimmung mit seinen Gesinnungsgenossen, seine Widersetzlichkeit gegen die Zulassung von karamat verhindert. Wie könnte auch den Glauben daran jemand erlangen, an dessen Rechtglaubigkeit zu zweifeln man begründete Veranlassung hat ?" Der orthodoxe Polemiker hat hier eine der kraftigsten Negationen der Muctaziliten berührt; ihre Abweisung des Glaubens 1) Buch. al-Amal fi-l-salad nr. 10. H5 an die Fahigkeit der Heiligen Wunder zu iiben (karamat alaulija), wieder eine Glaubensvorstellung, an der der rechtglaubige Muslim festhalt und deren Bezweiflung er als kühne, durch Erfahrungstatsachen widerlegte Herausforderung verurteilt'). Aber die Muctaziliten sind in der Lage auch in diesem Punkte Schriftbeweise für ihre Stellung zu erbringen, die uns durch Zamachscharï veranschaulicht wird. Kasschaf (II 497) zu 72, v. 26. 27 entwickelt er folgenden Ideengang: „Er (Gott) ist der Wissende des Geheimen und er enthüllt sein Geheimes niemandem; ausser dem Gesandten, an dem er Wohlgefallen fin d et". „Also — folgert er aus diesem Korantext — nicht jedem, an dem er Wohlgefallen findet, sondern ausschliesslich nur dem Propheten, den er zu dieser Mission ausersehen'hat. Daraus folgt die Ablehnung der Wunderfahigkeit der Heiligen; denn sind sie auch Gott wohlgefallige Leute, so sind sie doch nicht Propheten; in der Koranoffenbarung hat aber Gott mit Bezug auf die Enthüllung des Geheimen eben nur diese aus der Menge der Wohlgefalligen herausgehoben. Ebenso folgt daraus die Nichtigerklarung der Zauberei (kahana) und der Astrologie (tandschïm)2), zumal die Leute, die diese Dinge üben, am weitesten entfernt sind von Gottes Wohlgefallen und am meisten in Gottes Misfallen eintreten". Am rücksichtslosesten hat die muctazilitische Forderung der Vernunftmassigkeit sich an einer religiösen Voraussetzung betatigt, die zu den Grundpfeilern der rechtglaubigen Überzeugungen vom himmlischen Reiche gehören, an der im Namen der Vernünftigkeit zu makeln zu den kühnsten und freiesten Taten der Muctaziliten gerechnet werden kann. Ich meine: die Vorstellung vom Gottesthron. Der muslimischen Phantasie 1) Muhammed. Stud. II 373, vgl. Kazwïnl ed. Wüstenfeld II 294,19, wo die Kombination hanafl mu'tazilï auffallt. , 2) Die Kalam-Leute sind Gegner der Astrologie. Vgl. Stellung der alten islamischen Orthodoxie zu den antiken Wissenschaften (Abhandl. der K. Preuss. Akad. d. Wiss. 1915, Phil. Hist. KI. Nr. 8) 20. 10 146 und Ehrfurcht hat dieselbe zur Entfaltung riesenhaft schrankenloser Konzeptionen gedient Auch die Umgebung dieses hocherhabenen Sitzes hat sie zu einem Pleroma ausgestaltet und in der Kunde von der Oberwelt schwelgende Traditionarier haben die volkstümlichen Gebilde in die Form von (allerdings nicht mit dem Stempel der Echtheit beglaubigten) Hadïthen gebracht. Abü Hurejra lasst man vom Propheten érfahren, dass ringsum den Gottesthron Katheder (manabir) aus Licht stenen, auf diesen sitzen Leute, deren Kleidung aus Licht ist, deren Antlitze in Licht erstrahlen; sie sind weder Propheten noch Martyrer; vielmehr werden sie von diesen mit Neid betrachtet. Als man den Propheten fragte, welche Leute dieses Vorzugs teilhaftig werden, da sagte er: es seien jene, die sich in Gott geliebt, in Gott sich mit einander versammelt, in Gott einander besucht hatten 2). Im Koran ist vom Gottesthron die Rede in einem Vers, der als der „Fürst des Korans" betrachtet and wegen jenes in demselben vorkommenden Wortes „der Thronvers" (ajat al-kursï) genannt wird (2 v. 256)-: „Sein Thron umfasst die Himmel und die Erde". „Dies ist — sagt Zamachscharï — nur ein Sinnbild (taswïr) für Gottes Erhabenheit und blosser Phantasieausdruck (tachjil) dafür. Es gibt in Wahrheit weder jenen Thron, noch ein Sitzen darauf, noch einen (auf demselben) Sitzenden. Es heisst ja (39 v. 67): „Und sie schatzen Allah nicht nach seiner wahren Würde; denn die ganze Erde ist ihm nur eine Handvoll am Tag der Auferstehung und die Himmel (werden) zusammengefaltet (sein) in seiner Rechten; Lobpreisung sei ihm und hoch erhaben ist er darüber, was sie ihm zugesellen!" Nun denkt doch niemand, dass in Wirklichkeit eine Handvoll und Zusammenfaltung und rechte Hand gemeint sei. Auch dies alles ist Symbol und sinnliches Gleichnis 3). Es gilt doch, dass die von Gott solche 1) Ein Kifab sifat al-'arsch vom Hafiz Muhammed b. 'Othman b. abï Schejba (KastaUanï X 442 oben) scheint nicht mehr vorhanden zu sein. 2) Ihja II 147. 3) Der Hanbalit Ibn tAkil sprach die Meinung aus, dass die Grabesstelle des H7 Vorstellungen bilden „ihn nicht nach 'seiner wahren Würde schatzen" (I 121), gleichsam Dis indigna putare des Lucretius (De rerum nat. VI v. 67) '). Die muctazilitische Forderung der Vernunftmassigkeit hat zum Ziele, alle Mythologie aus dem Kreise religiöser Tatsachen schonungslos zu verbannen, in notwendigem Zusammenhang damit was sie tauhld, d. h. ungetrübtes monotheistisches Bekenntnis nennen. Wir stehen damit im achten Jahrhundert unserer Zeitrechnung. 2. Wir wollen nun an einigen Beispielen des weiteren erfahren, in welcher Weise die rationalistische Schule im Islam einerseits die Worte des Korans zugunsten ihrer Thesen ausnutzt, andererseits, wenn sie ihren Lehren entgegenzustehen scheinen, diesen durch exegetische Kunst gefugig macht. Fürwahr, nicht immer leichte Arbeit. Die Orthodoxie hatte und hat noch heute in ihrer Verantwortung vor dem untrüglichen Schriftwort einer viel bequemeren Aufgabe zu entsprechen. Sie betrachtet die Anpassungsversuche der Gegner natürlich als Verdrehung (tahnf) des geoffenbarten Gotteswortes. Voran gehen die Hanbaliten in der Verurteilung der exegetischen Tatigkeit der Muctaziliten. Eine ihrer grössten Autoritaten kennzeichnet die Exegese derselben als „den Abschaum der Gedanken, die Spreu der Vernunfttatigkeit, die Hefe der Meinungen, die bösen Einflüsterungen des Gemütes, womit sie viel Papier mit Schwarze (Tinte), die Herzen mit Zweifeln, die Welt Propheten ein vorzüglicherer Ort sei als der Gottesthron (Kastallam II 391,10 v. u.). Ich vermnte, dass diese für ein orthodoxes Ohr, gerade aus dem Munde eines Hanbaliten, blasphemisch klingende Ansicht nicht ohne Zusammenhang sein wird mit den muctazilitischen Neigungen des wegen derselben auch einer strengen Massregelung unterworfenen Ibn cAkïl (s. ZD MG LXII 17). Ibn Tejmijja Dscliawab ahl al-ïman [Kairo 1322] 95 nennt Ibn 'Akll unter denen, die in der Attributenfrage den muctazilit. Standpunkt einnehmen. 1) Vgl. schelld chas 'al kcbhöd kond, Mischna, Chagïga 2 i. 148 mit Verderbnis erfüllen. Jeder, der nur eine Spur von Vernunft besitzt, weiss, dass die Verderbnis der Welt nur dadurch verursacht wurde, dass man die (individuelle) Meinung vor der Offenbarung und die willkürliche Neigung vor der Vernunft bevorzugte" 1). Wir würden die Grenzen dieser Arbeit überschreiten, wenn wir unsere Nachweise auf den ganzen Umfang der Lehrstücke ausdehnten, in denen sich der Dissens der Muctazila gegen den orthodoxen Traditionalismus kundgegeben hat. Die Beispiele, durch die ich die exegetische Methode der Mu'taziliten zu beleuchten und damit das bereits Vorweggenommene zu erganzen gedenke, werden sich nur auf einen Teil ihrer Gegenmeinungen erstrecken. Aus den der Orthodoxie widerstreitenden Lehren dieser rationalistischen Schule ist es vornehmlich ihre Stellung zur Frage der Willensfreiheit, die unsere Aufmerksamkeit beansprucht. In der Zurückweisung des starren Determinismus, des uneingeschrankten servum arbitrium waren ihnen bereits ein Tahrhundert früher die untèr dem Namen Kadariten bekannten Leute in Syrien vorangegangen. Was diese im Drange ihres frommen Sinnes, ohne tiefere theologische Begründung lehrten, gestaltete sich in der Muctazilitenschule, im alten Babylonien, in rasonnierender Tatigkeit aus. Dem Umstande, dass sie in der Willensfrage im Grunde nur religions-philosophisch und schulmassig entfalteten was keimhaft bereits im Kreise der Kadariten Wurzel geschlagen hatte, verdanken die Muctaziliten im Munde der Gegner ihre Identifizierung mit jenen naiven Opponenten des orthodoxen Lehrbegriffs. In den polemischen Ausfallen der Orthodoxie werden noch spatgeborene Mu'taziliten gerne mit zwei Bezeichnungen gebrandmarkt. Sie gelten zunachst als mifattila: das Wort bedeutet „die Inhaltsberauber" in dem Sinne, dass die M. den Gottesbegriff allen positiven Inhaltes entkleiden, indem sie ihm keine seinen 1) Ibn Kajjim al-Dschauzijja, I'ïam al-muwahkaHn I 78. 149 Wesensbegriff erganzende Attribute zuzuerkennen gestalten; dazu vornehmlich als hadarijja. Wie die Lehren des Islams, auch auf seiner primitiven Stufe, das Bild des Eklektizismus und des Synkretismus bieten (Judentum, Christentum, Parsismus u. s. w.), so betatigen sich auch in seinen weiteren Entwickelungsmomenten, wie sie sich in dogmatischen Streitfragen kundgeben, die zu zeitweiligen Ruhepunkten gelangend zu krystallisierten Formeln führten, fremde Einflüsse, aus der Umwelt eindringende lehrhafte Erfahrungen. Es war schon früher die Erkenntnis festgestellt, dass die dogmatischen Erwagungen und Fragestellungen, die in den beiden ersten Jahrhunderten im Kreise islamischer Theologen zur Geltung kommen, unter dem Einfluss der dogmatischen Tatigkeit innerhalb der morgenlandischen christlichen Kirchen und Sekten, namentlich in Syrien, der ersten Etappe solcher Berührungen, hervortreten. In mehr positiver Weise als früher ist uns die Tatsachlichkeit dieses Abhangigkeitsverhaltnisses, sind uns die Daten dieser Beeinflussung x) durch C. H. Becker in seiner Abhandlung: „Chris tliche Polemik und islamische Dogmenbildung"2) nahegelegt worden, in welcher, wie der Titel der Studie zeigt, auf die Anregungen Gewicht gelegt wird, mit der die Polemik christlicher Theologen gegen die Glaubensvorstellungen im Islam im Kreise des letzteren zur bestimmteren Behandlung der Fragestücke mitgewirkt hat2). Die alte Orthodoxie weicht nicht ein Zollbreit von der Verpflichtung zum Glauben daran, dass es Gott ist, der nicht nur die Geschicke der Menschen unabanderlich vorherbestimmt, sondern auch ihre Taten und den Willen zu diesen er schaf ft; dass also den 1) Dass im alten Islam selbst das Bewusstsein fremder dogmatischer Beeinflussung vorhanden war, gibt sich vielleicht ausser dem von Becker 186 benutzten auch in einem Hadith kund, das ich vorlaufig nur nach Subiet, Tabakat alSchajfijja I 50, 3 v. u. aniühren kann. Abü Burejda sagt zu 'Abdallah b. cOmar: „Wir bekriegen dieses Land und treffen dort Leute, die behaupten, es gebe keinen kadar". 2) Zeitschrift für Assyriologie XXVI 175—195. i5o Menschen in den schlechten Taten, wegen deren sie zu strenger Verantwortlichkeit gezogen werden, für die ihnen schwere Höllenstrafen angedroht werden, und auch in den tugendhaften Taten, deren Lohn in so überschwanglicher Weise ausgemalt wird, nicht die Rolle der tatigen autonomen Ursache, sondern nur die des mechanischen Ausführens zukommt. Der Koran bietet nach seiner wörtlichen Auslegung eine Menge lehrhafter Sprüche, die dies Dogma untérstützen, das die in den Pfaden der alteren Kadarijja wandelnden Muctaziliten aus dem Gesichtspunkte des ihre Gottesauffassung leitenden Begriffs von der ausnahmslosen Gerechtigkeit (cadl) Allahs auf der ganzen Linie in entschiedener Weise ablehnen. Mit den deterministischen Koranversen, denen freilich auch die Willensfreiheit anerkennende Gottessprüche gegenüberstehen '), mussten sie sich nun, wohl oder übel, auf exegetischem Wege abfinden. Und dazu hilft ihnen ein Begriff, der wohl auch der Orthodoxie nicht unbekannt ist, jedoch erst von der Muctazila in seiner ganzen Scharfe herausgearbeitet und dogmatisch verwertet wurde. Dies ist der Begriff vom lutf, von der Gnadenleitung Gottes. Durch die Verleihung desselben erleichtert er den Gerechten die Ausübung der Tugendtaten und durch die strafweise Entziehung desselben erschwert er die Betatigung des Willens, die aber unter allen Umstanden autonom, des Menschen eigene Tat und die Ursache seiner Verantwortlichkeit ist. Es liegt nahe, hier den Einfluss der Gedanken morgenlandischer Kirchenhïhrer zu vermuten. Nicht alsob er von den Schriften des Origenes und Chrysostomos ausgegangen ware. Geistige Einwirkungen sprechen sich weniger von Buch zu Buch aus, als durch die Aufnahme von Ideen, welche die Umwelt erfüllen und sich im lebenden Verkehr mitteilen, namentlich wenn sie den Gegenstand lebhafter Meinungsverschiedenheit bilden und in der vorderen Reihe des Interesses i) Vorlesungen 91 ff. i5i stehen. Auf christlicher Seite- wurde im mündlichen Verkehr auch mit den Muslimen sicher über ihren starren Kadarglauben disputiert '), und die Argumente der Gegner haben nicht verfehlt, auf die Glaubensvorstellungen der letzteren auf diesem unmittelbaren Wege einzuwirken. Was man hier vom lutf lehrte, ist eng verwandt mit der und Irreführung des Menschen die Rede ist. 6 v. 125. „Wen Gott leiten will3) [d. h. dass er ihm seine Gnadenwahl angedeihen lassen will und er tut dies nur jenen, die die innere Eignung dazu in sich tragen], dem weitet er seine Brust für den Islam [er gibt ihm sein lutf, so dass er sich nach dem Islam sehnt und dass sich seine Seele dabei beruhigt und den Beitrjtt zu demselben liebt]; den er aber in die Irre führen will [indem er ihn sich selbst überlasst, und das ist ein solcher, dem kein lutf zuteil wird], dem macht er die Brust eng [d. h. er entzieht ihm seine Gnaden — altSfahu —, so dass sein Herz hart wird und dass er sich' der Annahme der Wahrheit widersetzt, sich ihr verschliesst; dort firidet der Glaube keinen Eintritt] .... dies ist der Weg deines Gottes [den seine Weisheit erfordert und seine Gewohnheit ih bezug auf Beistand — tauflk — und Sichselbstüberlassen — chadalartr—] (I 3")- 1) Vorlesungen 95. 2) Vgl. besonders die beissende Ironie des Ibn al-Munejjir zu 6 v. 39 (I 293): „Zam. möchte die Risse seines Bekentnisses flicken; aber die Flicken sind für die Risse nicht ausreichend." Den wuchtigsten Angriff führt er gegen die muct. Lehre „dass jeder Geleitete die Leitung für sich selbst erschafft" in seiner Glosse zu 7 v. 41 (I 328). 3) Die in eckige Parenthese gesetzten Worte gehören dem Kommentare an. '54 Mittels solcher Umschreibungen bringt er die widerspenstigsten Stellen des Korans ins muctazilitische Joch. Frohlockend jauchzen orthodoxe Kommentatoren auf bei einer Stelle wie 5 v. 45 : „Wessen Verführung Allah will, für den vermagst du von Allah nichts. Sie sind jene, deren Herzen Allah nicht reinigen will; ihnen ist in dieser Welt Schande und im letzten Leben grosse Qual". Also deutlich und unmissverstandlich■:. Gott will die Verführung der Sünder ... Allah will nicht die Reinigung ihrer Herzen. Sie sind Sünder durch Gottes Willen, durch seinen Beschluss. Zamachscharï lasst sich durch diese, für ihn nur scheinbare Entschiedenheit nicht einschüchtern. „Gott will die Verführung" heisst für ihn „er belasst ihn in dem verführten und selbstüberlassenen Zustande" (die Verführung selbst geht nicht von ihm aus); „Gott will nicht die Reinigung ihrer Herzen" wieder bedeute: „er beschenkt sie nicht mit seinen Gnadengaben,' wodurch sie selbst ihre Herzen reinigen könnten." 57 v. 27 folgt nach Aufzahlung der alten Propheten: „Dann Hessen wir auf ihren Spuren folgen unsere Gesandten; und wir Hessen folgen cIsa Sohn der Marjam und brachten ihm das Evangelium, und wir schufen in das Herz derjenigen, die ihm nachfolgten, Milde und Barmherzigkeit und das Mönchtum, das sie ersannen, das wir ihnen nicht als Pflicht vorgeschrieben haben (das sie aber auf sich genommen), um nach Gottes Wohlgefallen zu verlangen. Aber sie haben es nicht so beachtet, wie es dessen richtige Beachtung erforderte." Dies ware eine Kritik des christlichen Mönchtums; nach den löblichen Zielen seiner ursprünglichen Absicht, wurden jene Ziele in der weiteren Entwicklung dieser Institution vernachlassigt. Worauf es ankommt, ist die aus obiger Übersetzung zu folgernde Feststellung, dass das Mönchtum zwar nicht von Gott angeordnet, sondern von den alten Christen ersonnen, nichtsdestoweniger aber von Gott geschaffen sei. Gott schuf in ihre Herzen Milde, Barmherzigkeit und das von ihnen in guter Absicht ersonnene Mönchtum. Das letztere ist 155 zusammen mit „Milde und Barmherzigkeit" Objekt zu dem Worte „wir schufen". Auch was der Mensch selbst ersinnt, alle seine selbstandig scheinenden Wirkungen seien Schöpfungen Gottes. Es ist fast selbstverstandlich, dass sich der Muctazilit damit nicht einverstanden erklaren kann. Was der Mensch frei ersinnt, ist seine eigene Tat und kann nicht als von Gott erschaffen bezeichnet werden. Die Koranstelle müsse daher anders aus- gelegt werden. „Und wir schufen in das Herz Milde und Barmherzigkeit. Jedoch das Mönchtum haben sie selbst ersonnen; wir haben es ihnen nicht vorgeschrieben, sondern' (wir haben ihnen) nur (vorgeschrieben) nach Gottes Wohlgefallen zu verlangen." Nun ist das Selbstersonnene aus Gottes Schöpfüngsbereich ausgeschaltet. Die arabische Syntax vertragt beiderlei Erklarung (II 437). Typisch ist die Erklarung der Stellen, in denen die Rede ist von Hullen, die Gott über die Herzen gebreitet und Schwere, die er in die Ohren gelegt hat (wie 6 v. 25), dass solche Ausdrücke ein Gleichnis seien für die selbstverschuldete Verstocktheit der Sünder. Dass dennoch Gott als Subjekt erscheint (wir haben ), wolle nur so viel bedeuten, dass jener Seelenzustand ein fortdauernder, ununterbrochener sei, als ob er ihnen von Na^ur anhafte (I 279). Die islamische Orthodoxie will in allen Einzelheiten über das jehseitige Schicksal der Muslime orientiert sein. Es gilt ihr als ausgemacht, dass der Hölle ganz und gar niemand entgeht; wenigstens an ihr vorüber muss jedermann ziehen '). Darauf habe Gott einen Eid geleistet. „Sicherlich wir wissen am besten, wer die würdigsten sind, darin (in der Hölle) zu brennen. — Und es ist niemand unter euch, der nicht zu derselben hinabgeht; es ist deinem Gott eine 1) S. die Motivierung des Ghazalï, Ihja II 69, 10 ff. iS6 beschlossene Notwendigkeit; dann erretten wir diejenigen, die gottvertrauend waren und lassen die Sünder darin kauern" (19 v. 71—73). Es sei festbeschlossen und unerlasslich (die Erklarer betrachten dies als eidliche Versicherung), und für Gott bindend (cala rabbika), dass jeder Mensch — auch der Glaubige— irgendwie vor der Hölle vorbeikommt'). „Die Menschen sind im Sinne der Sunna-Leute von dreierlei Art; erstens: der vollstandig korrekte (salili), der Seligkeit teilhaftige (faiz) Glaubige; zweitens: der den Gesetzen zuwiderhandelnde Glaubige (mu'mm 'as'"); drittens der U n g 1 a ubige (kafir). Die zur ersten Art gehören, gehen vor dem Feuer bloss vorüber, wobei jedoch dessen Flamme erlöscht, so dass ihnen die Berührung (des Feuers) keinen Schmerz verürsacht; sie gehen in die Hölle hinab, bloss damit Gottes Schwur eingehalten werde (gleichsam nur symbolisch). — Die zur zweiten Art gehören, werden nach übereinstimmendem Glauben . (der orthodoxen Lehrer) — wenn Gott ihre Bestrafung will — (die Fürsprache des Propheten kann ihnen dies Los ersparen) an die Oberflache des Höllenfeuers, in die ersten Schichten desselben geführt. Einigen reicht das Feuer bis zum Knöchel, den schwereren (Sündern) bis zur Stelle der Prostration; diese fühlen das Feuer 2). Aber, gemass der Verheissung Gottes gelangt kein Glaubiger (auch wenn er dem Gesetz zuwider gehandelt hatte) in die inneren Schichten des Höllenfeuers. — Nur der zur dritten Art gehorende Unglaubige erlangt seine Strafe an diesen grauenvollen Orten. „Niemand geht in (das Innere der) Hölle ein, der aus Furcht vor Gott Thranen vergiesst3), ebenso wie die Milch nicht in das Euter zurück- 1) Vgl. die Anrede des ftn 'Abhas an den sterbenden cÓmar (Ibn Sacd III, I 255,21): auch er werde im Sinne jenes göttlichen Wortes eine kurze Weile vor der Hölle stehen mussen. 2) Man hat für diese Kategorie den Terminus dschahannamijjün gepragt, Tab. XII 66 zu 11 v. 109, al-dschahannamijjüna tulaka Allah, Murtada, Ghurar 172 unten. 3) Hadith bei Ibn Tümart, Kitab al-dschihad (ed. Alger 1903) 386,4 v. u. i57 kehrt ')." Dies alles, dessen Elemente bereits im alten Hadith zu finden sind 2), wird mit noch spezielleren Details, die wir übergehen, aus Sure 92 gefolgert3). Auch andere Vorstellungen von dem Vorübergehen der Gerechten am Saume der Hölle hat die Phantasie der Theologen gefördert4). Unter ihnen heben wir im Rückblick auf das oben S. 88 Erwahnte nur die Ansicht des Mudschahid hervor, der in diesem Zusammenhang unter „Hölle" die den Gerechten zur Abbüssung ihrer Sünde bereits in diesem Leben zugefügte sündentilgende (vgl. S. 10, Anm. 4) Fieberkrankheit verstehen will, welche nach einem Hadith von der Hölle herkomme 5). Also% kein Glaubiger werde für ewige Dauer verdammt °). Die ewige Strafe sei nur den Unglaubigen angedrohf. Die Werke seien gleichgiltig für das definitive jenseitige Schicksal der Gottglaubigen. Im allerschlimmsten Fall gelangen diese nach kurzer, gleichsam nur formeller Andeutung der Höllenstrafe, oder allenfalls nach Verbüssung der ihnen für ihr Vorleben gëbührenden Vergeltung '), doch schliesslich ins Paradies und auch jene Formalitat kann ihnen durch Fürsprache des Propheten erlassen werden. Die orthodoxen Hadïth-Kommen- 1) Vgl. Tabari, Ann. I 72,12; die Inschrift des Dschurhumitenkönigs bei Damïrï s. v. thucban I 215, 17. 2) ZD MG LIX 484, Musnad Abt Hantfa (Sammlung von Haskefï [Lahore 1889] 276), Tabari Tafsïr XXVII 76 (zu 55 v. 56) Mubarrad, Kamil 783 ganz oben. Für die Stellung der alten Generation der Muslime in dieser Frage ist besonders massgebend das bei Buch. Tatawvnf nr. 8 mitgeteilte Hadith, auf das hier nicht naher eingegangen werden kann; vgl. auch Buch. Tauhïd nr. 24. Man kann nicht übersehen, dass bei diesen Schilderungen, als ob dadurch ein gesteigerter Eindruck auf die Hörer beabsichtigt ware, eine Menge lexikalisch seltener (jgharïb')Worte gebraucht sind. 3) Ibn al-Munejjir II 548. 4) Die verschiedenen Vorstellungen sind zusammengestellt ein Kommentar des 'Alt al-Kari zum Fikh akbar des Abü Hanlfa (Kairo 1323) 88. 5) Archiv f. Religionsw. XIII 36. 6) In einem Hadith bei A. ibn Hanbal, Musnad IV 391 wird an Stelle jedes Muslim, der die-Verdammnis verdient hatte, als Ersatzmann ein Jude oder Christ in die Hölle geschickt. 7) Vgl. Mazarl, Mu'lim unter den von Griffini {Nuovi Testi arabo-siculi, im Centenario-Amari 399; SA 36) mitgeteilten Fragmenten. i58 tatoren sind in die grösste Vérlegenheit versetzt und sie mussen ihren exegetischen Scharfsinn auf bieten, um mit diesem Glauben Aussprüche des Propheten in Einklang zu bringen, in welchen von Personen, die gewisste Sünden begehen, gesagt wird, dass ihnen „das Paradies versagt ist" (hprrimat "alejhi al-dschannd) '), oder dass ihre Tat als Unglauben (kufr) betrachtet wird 2). Dies könne ja nach ihrer Lehre von keinem Glaubigen gesagt werden 3). Ebensolche Schwierigkeit bereiten ihnen andererseits Sprüche, in denen der Eintritt ins Paradies von gewissen frommen Leistungen bedingt wird, da doch hiefür das ehrliche Bekenntnis zum Islamglauben genügen müsste 4). Aus solchen Rücksichten hat bereits in alter Zeit (in Hadïthform ausgedrückt) sich Skepsis an der absoluten Fassung der den Glaubigen mit Hintansetzung der Werke gewahrten Paradiesesgunst kundgegeben 3) und auch durch spatere Theologen wird dieselbe in der Tat an Bedingungen geknüpft, welche die murdschi'tische Deutung der fraglichen Tradition abschwachen sollten 6). Jedoch die allgemein giltige orthodoxe Auffassung scheint nicht für solche Abschwachungen gestimmt zu sein. Selbst dem Haddschadsch b. Jusuf, im Sinne der offiziellen Geschichtsdarstellung') der Geissel des Islams wahrend der 1) z. B. Buch. DschanaHz nr. 84 mit Kastallanl II 517. Ahkatn nr. 8 (ungerechte Regenten) Kast. X 254. Vgl. einige bei Tor Andrae, Die Person Muhammeds 233 verzeichnete Hadïthsprüche. 2) B. Fitan nr. 8, (die Bekampfung des Muslim sei kufr) Kast. ibid. 201. 3) Gewöhnlich liegt ahnlichen Sentenzen dogmatische Absicht fern, z. B. einem Spruch des Propheten: Am Ende der Zeiten gibt es ein Volk, das (sein graues Haar) schwarz farbt, ,wie die Schnabel der Tauben: diese Leute werden den Duft des Paradieses nicht schmecken (Ibn Sa'd I, 11, 142, 4). 4) Ein Beispiel in Murtada, Ithaf al-sada V 401, 14 v. u. 5) Die Hadïthe in Usd al-ghaba V 29 oben; 219. 6) Mit Berufung auf Zuhrl schliesst der hanbalitische Lehrer 'Abdalghanï alDschamma'ilï (st. 1203/4) auch die Erfüllung der faraHd ein (Ibn Redscheb, Klassen der Hanbaliten, [Hschr. Leipziger Univ., Vollers nr. 708] fol. 107 b). 7) Frómme Leute, wie Tawüs b. Kejsan staunen darüber, dass ihn die cIrakier, trotz seiner eben unter ihnen veriibten Taten, als Rechtglaubigen (mu'min) betrachten; Ibn Sa'd V 394, 5. 159 verpönten omajjadischen Periode, ist man nicht abgeneigt im Jenseits, allerdings nach Verbüssung seiner Missetaten, schliesslich das Schicksal der muwahhidün, der Bekenner der Gotteseinheit zuzubilligen 1), nach einem im Namen des Propheten zitierten Spruch: „Ihr alle kommt dereinst ins Paradies, nur nicht jemand, der sich widersetzt und von Gott absondert wie ein Tier, das sich von der Heerde verlauft, d. h. jemand, der nicht la ilaha ill' Allah ruft" 2). Einer Erzahlung des Kacb al-ahbar über den Opfergang des Abraham mit Isak, die Bestrebung des Satans, diesen Akt des Gehorsams bei beiden zu verhindern und die schliessliche Auslösung des zu opfernden Sohnes durch das im Dickicht erscheinende Opfertier, wird folgende Einzelheit angeknüpft: Gott habe nach dieser vergeblichen Versuchung durch den bösen Feind sich dem Isak geoffenbart und ihm als Belohnung für seinen Opfermut' eine Bitte freigestellt, deren Erhörung ihm im vorhinein gewahrleistet würde. Isak brachte nun folgende Bitte vor: „Ich bitte dich, o Gott! dass du jeden deiner Diener von den früheren und spateren Geschlechtern, der dir nichts zugesellt, wenn er dir begegnet (d. h. nach seinem Tod vor dir erscheint) ins Paradies einführen mögest" oder: „dass du keinen deiner dir begegnendén Diener bestrafen mögest, wenn er ein an dich Glaubender war" 3). Dieselbe Anschauung drückt sich auch in einer Deutung aus, die alte Kommentatoren dem Verse 15 v. 2 geben: „Gar oft werden die Unglaubigen wünschen, Muslime gewesen zu sein". Dies ist — sagen sie — so zu verstehen: Die Vielgötterer, die in der Hölle sind, werden zu den daselbst befindlichen Muslimen sagen: „Was hat euch euer la ilaha ill' Allah genützt ?" (Seid ihr doch auch hieher gekommen!) Darob gerat Allah in Zorn und spricht: Wer (von euch) Muslim ist, 1) Bei Damïrï s. v. tejs, I 213, 12 v. u. Dem Muctaziliten Dschahiz ist es nicht zweifelhaft, dass H. zu den ahl al-nar gehore; HajawanVJ 140,4. 2) Bei Ihja I 281, 8 v. u. 3) Bei Tab. XXIII 47. i6o der möge aus der Hölle hinausgehen (kein Muslim bleibt darin). Daraufhin „werden die Unglaubigen wünschen Muslime gewesen zu sein" (Tab. XIV, 4 auf Mudschahid zurückgeführt). Dies ist der Standpunkt der Orthodoxie: der reine Optimismus'), der in einer Reihe von jüngeren Hadïthen, die diese Hoffnungen in der überschwanglichsten Weise zum Ausdruck kommen lassen 2), veranschaulicht wird. Es ist von vornherein überraschend, dass es die als „Freidenker des Islams" gerühmten Theologen sind, die eine ins kleinlichste gehende Spekulation über das jenseitige Schicksal der Geschöpfe, nicht nur der Menschen, sondern auch der Tiere betreiben. Man lese nur einen Exkurs des Dschahiz in seinem „Tierbuch" über den Sinn des dem Propheten zugeschriebenen Spruches: „Alle Mücken kommen in die Hölle, nur die Bienen nicht", mit allen daran sich knüpfenden Scharfsinnsübungen der berühmtesten Vorkampfer der Schule. Selbst der radikalste und unabhangigste, der Philosophie am nachsten stehende Vertreter der Mu'tazila, Nazzam ersinnt subtile Motivierungen für die Möglichkeit Hunden und anderen Tieren den Eintritt ins Paradies nicht zu verwehren 3). Freilich, dies alles im Zusammenhang mit dem Axiom der notwendigen Gerechtigkeit Gottes. Für die Menschen fordern sie ein strengeres Verfahren als sie es für die Tiere voraussetzen. Sie sind weit entfernt, den optimistischen Standpunkt der Orthodoxie4) zu genehmigen, dem sie in dieser Frage be- 1) Vgl. auch eine auf 'Abdallah b. cAmr b. al-cAsï zurückgeführte Tradition, die Zamachscharï zu 11 v. 109. 110 (jlla ma scha'a rabbukd) mit höhnischen Bemerkungen abtut (I 456). 2) Eine Sammlung dieser zumeist popularen Hadïthe findet man im Epilog zum Ihja, wo sie der in Hadïth-Zitaten überaus indulgente Ghazalï wahllos aufgespeichert hat. 3) Hajawan III 121,7 v- u- — I23, 8 v. u. 4) Dass aber in alter Zeit in diesen Kreisen auch der Pessimismus zu Worte kommt, könnte aus Ibn Sa'd III, 1 290, 5 ff. gefolgert werden: der Prophet sei erzürnt darüber gewesen, dass die Frau des überfrommen 'Othman b. Mazcün diesem die Sicherheit der dschanna 'zuspricht; er (der Prophet) selbst wisse ja nicht „wie mit ihm verfahren werde". i6i harrlich entgegentreten. Sie machen den Eintritt in den Zustand der jenseitigen Seligkeit, im Gegensatz zur Orthodoxie, nicht vom Gottesglauben allein abhangig. Sie fordern vielmehr die Konkurrenz der Werke; die tatige Erfüllung der göttlichen Gebote und strenge Vermeidung der verbotenen Dinge. Der Glaube allein, also das theoretische Bekenntnis zu den Grundlehren das Islams, zu Allah und dem Propheten, könne nicht als Einlassversicherung für das Paradies der rechtglaubigen Bekenner gelten. Wer nicht die im Gesetz verordneten Werke geübt oder wer auch nur geringfügige Ausschreitungen gegen das Gesetz verschuldet, möge sich nicht auf eine bloss oberflachliche und zeitweilige Bekanntschaft mit der Hölle vertrosten, wie ihm dies die Orthodoxie in Aussicht stellt. Er gehort vielmehr, als fasïk (Übeltater) oder casï (Widersetzlicher), trotz seines Glaubens, in die Gruppe der für ewig der Hölle Verfallenen, es sei denn, dass er noch wahrend seines Lebens in ehrlicher Bussfertigkeit (tauba) seine peccata commissionis et omissionis bereut und verlassen habe. Diese Differenz zwischen den beiden Parteien reicht in die Frühzeit der Muctazila zurück und beide Parteien suchten und fanden, selbstverstandlich, die Stützen ihrer Stellungen im Koran. Auf orthodoxer Seite berief man sich auf 4 v. 51.116 „Fürwahr Gott vergibt nicht dass man ihm zugeselle; aber er vergibt was ausser diesem ist1), wem er will, und wer Allah zugesellt, der hat eine gewaltige Sünde ersonnen (v. 116: hat eine weite Irrung geirrt)". Demnach wird der Einheitsbekenner, trotz begangener Tatsünden nicht zur Hölle verdammt2). Dem gegenüber führen die Gegner 4 v. 95 ins Treffen: „Wer einen Glaubigen vorsatzlich tötet, dessen Lohn ist die Hölle ewig darin verbleibend und Gott zürnt ihm und verflucht ihn und bereitet für ihn schwere Strafe". Ein sonst nicht bekannter 1) Die Form des Spruches erinnert an Matth. 12 v. 31. 2) Ihja I 119 (Kawa'id al-laka5id); demgemass ibid. III 120: der Mord ist Todsünde (kabira), reicht aber nicht an die Stufe des Unglaubens (kufr). 11 IÖ2 Kurejsch b. Anas erzahlt von cAmr b. cUbejd, einem der altesten Vertreter der Muctazila die Ausserung gehort zu haben: „Am Tage der Auferstehung wird man mich vor Gott bringen und er wird mich fragen: „Warum hast du gelehrt, dass ein Totschlager in das Höllenfeuer kommt ?" und ich werde antworten: „Du, o Gott, hast ja so gesagt: Wer einen Glaubigen u. s. w." Darauf entgegnete ich (Kurejsch), trotzdem ich der kleinste (jüngste) der dabei Anwesenden war: „Und wenn dir Gott entgegenhielte: Ich habe ja auch gesagt: Fürwahr Gott vergibt nicht dass man ihm zugeselle u. s. w wem er wilj ? Woher weisst du denn, dass ich (den die Totsünden Begehenden) nicht verzeihen will ?" cAmr wusste diesem Einwurf nichts entgegenzusetzen ').' Die Anschauung vom entscheidenden Einfluss der Werke auf Seligkeit und Verdammnis gilt dem Muctaziliten als Erfordernis des Gerechtigkeitsbegriffes, der die Wurzel seiner Gottesvorstellung ist. Und wenn er bei der Willensfrage gar manche harte exegetische Nuss zu brechen hatte, da der Koran auf Schritt und Tritt seinem Postulat in den Weg trat, so ist er bei der Frage, die wir hier berühren, in günstigerer Lage, da ihm die Texte des Korans in grosser Anzahl zur Seite stehen und es Sache des orthodoxen Gegners ist, durch die ihm durch die Texte bereiteten Schwierigkeiten sich durchzuwinden 2). Die Muctaziliten begnügen sich in ihrer auf den Koran gestützten Beweisführung nicht mit 4 v. 95, welcher Vers ihnen vom Anfang zur Begründung ihres Standpunktes diente (s. oben S. 161). Die exegetische Tatigkeit an dieser ihrer These nimmt vielmehr einen breiten Raum ihrer koranerklarenden Arbeit ein. Zamachscharï definiert den Standpunkt der Mucta- 1) Ibn Kutejba Muchtalif al-hadlth 99, vgl. 144. 2) In popularer, leichtfasslicher Weise ist die Streitfrage, besonders die Ausgleichung des Wideistreites zwischen 4 v. 51 (für die orthodoxe)- mit 4 v. 95 (für die muctazilitische These) im Sinne der Orthodoxie dargestellt bei Damlrl s. v. chilfa I 377. i63 zila gleich bei der frühesten Koranstelle, die ihm dazu Gelegenheit bietet. 2 v. 2. „Die glauben an das Geheime und das Gebet erfüllen, und von dem, was wif ihnen beschert haben, spenden (v. 3) und die glauben an das, was dir geoffenbart wurde, und was vor dir geoffenbart wurde und auf das jenseitige Leben fest vertrauen: (v. 4) sie sind auf (dem Wege) der Leitung durch ihren Gott, und sie sind es, die selig werden". Was ist also im Sinne dieser Koranworte der Umfang des richtigen Glaubens? Dass man die Wahrheit (innerlich) bekenne, ihr mit der Zunge Ausdruck gebe und sie mit Taten bekunde. Wessen (innerliches) Bekenntnis unzureichend ist, wenn er es auch ausspricht und auch durch Taten bekundet, ist ein Unschliissiger (munafik); wer das aussere Bekenntnis unterlasst, ist ein Unglaubiger (kafir); dessen Taten unzureichend sind, ist ein Sünder (fasik)". Der richtige Glaubensstand (ïman) erfordert das Zusammenwirken dieser drei Faktoren. Dasselbe kann er auch aus 10 v. 9 beweisen: „Siehe, jene, die glauben und die fromme Werke üben, wird Gott leiten in ihrem Glauben. Unter ihnen fliessen die Bache in den Garten der Wonne" also: „glauben und fromme Werke üben", woraus folgt, dass „der Glaube, durch den der Mensch sich der Leitung, des Beistandes und des Lichtes am Tag der Auferstehung würdig macht, ein an eine Bedingung geknüpfter (ïman mukajjad), namlich der mit dem guten Werke verbundene Glaube ist; wenn er mit demselben nicht verbunden ist, 1 habe sein Eigner weder Beistand noch Licht" (I 417). Die Muctazila ist also in der günstigen Lage, die im Koran überhaufig vorkommende Kombination von Glauben und guten Werken als Bedingungen für den Eintritt ins Paradies (vgl. noch 4 v. I2i; 6 v. 159 „glauben und durch den Glauben sich Gutes [d. h. gute Werke] aneignen" .10 v. 7. 9 u. a. m.) für ihre Lehre sattsam ausnützen zu können. Dasselbe leisten sie auch für die negative Seite ihrer These. IÓ4 In Versen namlich, wo neben dem Unglauben noch Ungerechtigkeit (Gewalttatigkeit, zulm) als Ursache der Höllenstrafe erwahnt wird, deuten sie dies zulm auf praktische Sündhaftigkeit; z. B. 4 v. 166 „Fürwahr, denen die unglaubig sind und Unrecht tun (kafarü wa-zalamü) verzeiht Gott nicht und er leitet sie nicht auf einen Weg (v. 167) als auf den Weg der Hölle, in der sie ewig verbleiben; dies ist für Gott eine leichte Sache". Oder 6 v. 82: „Die glauben und ihren Glauben nicht mit Ungerechtigkeit verdunkeln, haben Sicherheife. und sie sind rechtgeleitet" (I 302). Demnach wird — so schliessen sie aus diesen und ahnlichen Stellen — als Bedingung der Seligkeit neben der Vermeidung des Unglaubens auch die der verbotenen Werke vorausgesetzt. Man kann eS dem orthodoxen Glossator nicht verdenken, dass er nicht recht begreifen will, dass unter zulm die Gesetzübertretung und unter Sicherheit die Erlangung des Paradieseslohns zu verstehen sei. Neben den Schriftbeweisen für die allgemeine Berechtigung ihrer Lehre versaumen sie keine exegetische Gelegenheit, um an dazu geeigneten Schriftstellen, in welchen spezielle Tatsünden namhaft gemacht sind, die Richtigkeit ihrer Anschauung zu erproben. Aus diesem Kreis wurde ja ihr früheres Koranargument (4 v. 95: ewige Höllenverdammnis des vorsatzlichen 'Totschlagers) geholt (oben S. 161), auf das sie immerfort das grösste Gewicht legen, als ob es geeignet ware ihnen über ihre Gegner entschiedenen Triumph zu verschaffen. Zamachscharï benutzt solche Gelegenheiten gern zu ironischen Ausfallen gegen die vertrauensselige Orthodoxie. „Man muss — sagt er zu ebenerwahnter Koranstelle — staunen über Leute, die diesen Vers lesen, seinen Inhalt erfahren und die darauf bezüglichen Hadïthe kennen lernen (unter ihnen einen Spruch des Ibn cAbbas, nach welchem dem, der diese Tatsünde begeht, auch die Reue nichts nützen kann), dennoch nicht ablassen von ihrem Heisshunger und ihrem eitlen Gelüsten nach dem durch blossen Glauben unschwer zu erlangenden i65 Paradieseslohn (tamafijjatuhum), dem Befolgen ihrer grundlosen Meinungen und dessen was ihnen ihre eitle Hoffnungsseligkeit vorspiegelt, indem es sie danach gelüstet, dass dem vorsatzlichen Mörder eines Rechtglaubigen auch ohne Reue verziehen werde. Denken sie denn über den Koran nicht nach, oder ist er aus ihrem Herzen verschwunden ?" (I 223). Dies „Gelüsten" wirft er den Gegnern, gewiss mit einem Bliek auf 7 v. 44: („Sie können in dasselbe [das Paradies J nicht eintreten, wiewohl es ihnen [danach] gelüstet: wahum jatma%na) immer vor, so oft er auf ihre optimistische Betrachtung des jenseitigen Schicksals der Glaubigen zu reden kommt. Mit spöttischer Geberde blickt er, mit Hinweisung auf 3 v. 23 (wo von den Schriftbesitzern, die sich vom göttlichen Gesetz abwenden, gesagt wird: „Dies [tun sie] weil sie sprechen, das Höllenfeuer werde uns nur gezahlte Tage berühren") auf die Vorstellung der Orthodoxie von dem symbolischen Vorübergefuhrtwerden der glaubigen Sünder vor der Hölle, ihrem gleichsam nur formell angedeuteten („den Schwur lösenden") Aufenthalt in derselben. „Sie (die sündigen Schriftbesitzer) machen die Sache der Strafe für sich leicht und haben das Gelüst, nach wenigen Tagen aus dem Höllenfeuer herauszukommen, wie es auch die mudschbira und haschawijja danach gelüstet" (I 141). Die Muctaziliten bedienen sich zur Unterstützung ihrer These auch der Koranstelle 2 v. 276: Die nach der Offenbarung des Wucherverbotes sich dieser Vergehung schuldig machen „sind Leute des Höllenfeuers; ewig bleiben sie darin"; also infolge der Übertretung des Gesetzes, obwohl sie im übrigen nicht Unglaubige sind (I 129). Sie begnügen sich jedoch nicht mit dieser glatten, induktiven Exegese. Auch auf spekulativem Wege wissen sie aus dem Koran manches zur Befestigung ihrer Anschauung beizubringen. In welche Spitzfindigkeit sie dabei verfallen, kann folgendes Beispiel nahe bringen, das sie übrigens als einen ihrer schlagendesten Beweise betrachten: i66 42 v. 52: Gott entsendet an Muhammed seinen Geist, um ihm die Offenbarung zu überbringen. „Du wusstest früher nicht, was das Buch und der Glaube (ïman) ist. Doch machten wir es zu einem Licht, mit dem wir leiten wen wir wollen von unseren Dienern". Also — so deuten sie — Muhammed hatte vor der an ihn ergangenen Offenbarung nicht gewusst, was der Glaube ist; wahrend doch unter den dogmatischen Parteien kein Meinungsunterschied darüber obwaltet, dass der Prophet auch vor seiner Erwahlung zum Empfanger der Offenbarung durch seine Vernunft allein gegen Unglauben immun war. Wie sollte er also, im Sinne jener Koranstelle, den Glauben vor der Offenbarung des Geistes entbehrt haben? Dafür gebe es keine andere Erklarung als die, dass eben der Umfang des ïman den blossen Glauben überschreitet und auch die Befolgung der Gesetze einschliesst, deren Kenntnis jedoch auch der Prophet erst durch die Offenbarung erlangte '). Der orthodoxe Gegner denkt nicht daran, vor dieser Argumentation die Waffen zu strecken. ïman schliesse die Befolgung des Gesetzes nicht ein; es beschranke sich nach wie vor auf das Bekenntnis. Was aber im Sinne des Islams als Bekenntnis gilt, ist ein doppeltes, in den „beiden Wörtern des Bekenntnisses" (kalimata al-schahadatï) festgelegtes: der Glaube an die Einzigkeit Gottes und der an die Sendung Muhammeds. Der Glaube an den ersten Teil des Bekenntnisses fehlte dem Propheten auch vor seinem Verkehr mit dem Engel Gabriel nicht; aber dass er Gottes auserwahlter Prophet sei — diesen integrierenden Teil des ïman — konnte er erst durch seine Berufung erfahren. Es sei also ganz richtig: Du wusstest nicht früher, was das Buch und der (durch die zweite Halfte zu erganzende) Glaube ist. Dies sei der Sinn des durch die Muctaziliten für ihre Lehre beanspruchten Koranspruchs (II 345)- 1) Damit erklart Zam. auch 93 v. 7: „Er fand dich irrend und er leitete (dich)". „Das Irrën hat zum Gegenstand das Wissen von den Gesetzen und dem was nur durch Belehrtwerden (sanf) erkannt werden kann". 167 Jedoch ihre Lust am Interpretieren ist auch mancher Triibung ausgesetzt. Sie geraten oft in die Klemme. Da ist vor allem 4 v. 151 (Gott verzeiht jede Sünde mit Ausnahme'des s c h i r k), was den Orthodoxen als gewichtiges Argument für die Richtigkeit ihres Standpunktes diepen konnte und schon den alten Muctaziliten cAmr b. cUbejd in Verlegenheit versetzt haben soll (oben S. 162). Zamachscharï ist freilich nicht so verlegen wie jener schüchterne Vorganger. Er ist auch Grammatiker und als solcher gewohnt, mit takdlr (Erganzung, restitutio in integrum) zu arbeiten. Dies übt er auch an dem seinen Standpunkt gefahrdenden Vers. Es sei das Moment der Reue erganzend einzufügen: in bezug auf den muschrik die Abwesenheit, in bezug auf den Gesetzübertreter (der ins Paradies gelangen soll) das vorhergehende Hinzutreten der Reue. Darauf komme es an (I 210) '). Die pessimistische Jenseitsanschauung der „Freisinnigen" hat ausserhalb der dogmatischen Behandlung der Meinungsverschiedenheit, auch den Humor der Gegner angeregt und ihnen Anlass zu stechenden Bemerkungen gegeben2). Der oben S. 51 ff. erwahnte Abu-l-cAla al-Macarrï, dem wohl das Dogmatisieren in der Seele zuwider war und der dem Streit der in die Geheimnisse des Jenseits Eingeweihten kaum den mindesten Ernst beilegte, macht sich in einer kritischen Übersicht über verschiedenartige Glaubenslehren lustig über den ernsthaften Eifer der Muctaziliten für ihre Lehre, dass der Allgütige den 1) In ahnlicher Weise beseitigt er die Schwierigkeit, die ihm bei 5 v. 112 entgegentritt. 2) Auch Dschahiz, selbst Mu'tazilit, verschont den Standpunkt seiner Parteigenossen in dieser Frage nicht von ironischen Bemerkungen. „Die Frömmigkeit (nusk) des Mutakallim — sagt er — besteht in der eilfertigen UnglSubigkeitserklarung derer die Sünden begehen und darin, dass er (je nach seinem Parteistandpunkt) die Menschen entweder der Leugnung des Willensfreiheit oder der Inhaltsberaubung des Gottesbegriffes (ta'tïl, Leugnung der Attribute) oder des Zindïktums beschuldigt unter dem Vorwand dies zur grosseren Ehre der Religion zu tun Wir finden unter den MutakallimUn nieman- den mehr mit Schmutz und Fehlern behaftet als wer seine Gegner des Unglaubens zeiht" (Hajawan, I 80, vgl. 103). i68 Muslim wegen eines Sonnenstaubchens Unrecht, der unrechtmassig erworbenen Dirheme und Dïnare ganz zu geschweigen, zu ewiger Höllenstrafe verdammt; wahrend die Theologen selbst, die solches lehren, es in praxi mit den verbotenen Dingen nicht gerade genau nehmen. Es sei ihm erzahlt worden, dass ein hochgeachteter Lehrer der Mu^azila recht wacker dem Wein zuzusprechen pflegte, aber jedesmal, wenn er sich dem Genuss des Rebensaftes hingegeben hatte, seine Trinkgenossen als Zeugen dafür anrief, dass er die soeben begangene Sünde bussfertig bereue. Damit hatte er nun tabula rasa für sein dogmatisches Gewissen geschaffen, um das Sündigen wieder von vorne zu beginnen und durch jedesmal wiederholte beglaubigte Busse von Fall zu Fall das Gleichgewicht herzustellen. So musste er doch dereinst muctazilitisch korrekt ins Paradies eingelassen werden '). Es kommt ja am Ende doch nur auf die Busse an. In nicht weniger ergötzlicher Weise wird die muctazilitische These am Verhalten einer der grössten Autoritaten der Muctatazila, "Abdaldschabbar, um den sich eine einflussreiche Schule gruppiert hat, zum Gegenstand spöttischer Kritik gemacht. Durch die Gunst des bujidischen Vezirs, des bewunderten, wegen seines eiteln Gehabens auch verhöhnten2) Schöngeistes al-Sahib Isma%l ibn cAbbad, dieses fanatischen Verfechters der muctazilitischen Lehre, der im Bereich seines Einfiusses niemand zum Kadï-amt zuliess, der sich nicht offen und konsequent zur mu'tazilitischen Richtung bekannte, wurde dem 'Abdaldschabbar das hohe Amt des Oberkadï der Provinz Rejj verliehen Als sein machtiger Gönner starb, weigerte sich der Kadï dem Toten ein offizielles Bedauern zu widmen, denn — so sagte er er habe nie offene Zeichen der Reumütigkeit über begangene religiöse Verfehlungen gezeigt. Etwas Wein wird ja so ein bujidischer Vezir immerhin genossen haben. Über dies pietatlose 1) Risalat al-ghufran, 155—6. 2) vgL Journ. >R. As. Soc. 1909, 775. 3) s. Der Islam III 214. i6g Verhalten des Oberkadï war man nun allenthalben empört; jedermann wusste, dass er eine Kreatur des verstorbenen Vezirs sei und Stellung, Einfluss, und Bereicherung nur ihm zu verdanken hatte. Die öffentliche Misbilligung führte dahin, dass cAbdaldschabbar seines Amtes entsetzt wurde. Im Chalifat war die Demission von einem hohen Staatsamt in der Regel mit Vermögenskonfiskation (musadara) ') verbunden; man setzte voraus, dass das grosse Vermogen eines Würdentragers durch Amtsmisbrauch erworben worden sei und im Grunde dem Fiskus gebühre. Bei der Beschlagnahme der weltlichen Güter des abgesetzten frommen Gottesgelehrten, der es mit den Forderungen seiner Dogmatik bis zur schnöden Undankbarkeit genau genommen hatte, konn^e man nicht weniger als drei Millionen Dirhem konfiszieren, abgesehen von einer Unzahl wertvoller Kleidungsstiicke, deren er sich durch Verkauf entaussert hatte. „Dies ist — schliesst der orthodoxe Erzahler — der Schejch ihrer (der Muctaziliten) dogmatischen Schulrichtung. Er lehrt, dass ein Muslim wegen eines viertel Dinars der ewigen Höllenstrafe verfallt2), wahrend er selbst dieses horrende Vermogen durch Richtersprüche zugunsten von Unrechtübenden, ja Unglaubigen (als Bestechung) erworben hatte" 3). • • * Eine der zwischen den beiden Parteien obschwebenden Streitfragen betrifft die durch Einfluss aus dem Judentum in den Islam übernommene Anschauung von der Fürbitte (schafaca) des Propheten für die Rechtglaubigen und die Wirksamkeit dieser Vermittlung 4). 1) Schon von 'Omar I eingeführt (kasama, schatara) Ibn Sa'd III I, 105 uit.; 203, 5; 221, 16, worauf sich demnach Mucawija berufen kann (Ja'kübï, e'd. Houtsma) II 264, 5. 2) Das Mindestmass, durch dessen unrechtmassige Aneignung die Qualifikation als Dieb (sarik) erfolgt. ' 3) Jaküt, ed. Margoliouth, II 335, vgl. ibid. I 70. 4) Vgl. R. Basset's Einleitung zu seiner Bearbeitung der' aethiopischen EzraApokalypse {Les Apocryphes éthiopiens, IX, p. XII) und die Besprechung derselben von E. Doutté im Bulletin de la Sociétc de Géographie etc. d'Oran 1899; 170 Wir konnten bereits bemerken, dass die Orthodoxie den Glauben' daran fordert, dass auch die in irgendeiner Form zeitweilig zur Hölle verurteilten rechtglaubigen Glieder der Gemeinde Muhammeds durch Interzession des Propheten von der über sie verhangten Strafe befreit werden können '). Die populare Anschauung hat diesen Glauben nalürlich immer recht gierig gepflegt2). Man ging darin mit der Zeit fortschreitend immer weiter. In das Vorrecht, solche Fürsprache mit Erfolg zu üben, werden weitere Kreise einbezogen; es wird bald auf die übrigen Propheten, ja auch auf die Heiligen (aulija)3) ausgedehnt. Ein im dschihad gefallener Krieger könne nach einem Hadïthspruch als schahid (Martyrer) für siebzig seiner Angehörigen bei Gott die schafa'a üben4); dieser Vorzug wird anderwarts auch denen verliehen, die nach frommer Vorbereitung den tawaf (rituellen Umzug) um das heilige Haus in Mekka vollzogen haben5). Durch fromme opera supererogationis könne auch der gewöhnliche Muslim diese Fahigkeit in reichem Masse erwerben. Wer die Andacht des Monats. ra*/schab (am ersten Donnerstag desselben) vorschriftmassig verrichtet, erwirbt das Recht, am Tage des Gerichtes 700 der R. Leszynsky, Mohammedanische Traditionen über das Jüngste Gericht (Heidelberger Dissertation, 1909) 50—53; jetzt auch Tor Andrae, Die Person Muhammeds, 234 ff. 1) 9 v. 81 wird freilich vorausgesetzt, dass die Fürsprache des Propheten nicht unbedingt Erfolg habe. Vgl. auch die von Basset und Doutté 1. c. angeführten Koranstellen. 2) DemgemSss wird in der für einen vom Islam zur griechisch-christlichen Kirche übertretenden Konvertiten festgestellten Abschwörungsformel auch der SchafaV Glaube anathematisiert {Revue de l'hist. d. Rel., LUI 151). 3) Nach P. A. De/;ourdemanche: „Contrairement a ce qui existe dans la plus grande partie du monde musuiman, Ton ne croit guère, en Turquie, a 1'intervention de saints personnages défunts, en qualité d'intercesseurs auprès d'Allah en vue .... du salu't éternel...." „Pour les Turcs, le róle d'intercesseur est a peu prés uniquement dévolu au Prophéte" (Revue de VHist. des Rel. LX 64, 65; völlig unbegründet). 4) Ibn Sa'd, III i, 296, 3; Raladorï, ed. de Goeje, 85; vgl. Kazwïnï, si. Wüstenfeld, II 283, 3 v. u. 5) Azrakï (Gesch. d. Stadt Mekka, ed. Wüstenfeld, I) 251 paenult. i7i Hölle verfallene Genossen auszubitten '). Sogar Leuten, die das neunzigste Lebensjahr überschritten haben, wird in einem Hadith die Gabe verliehen, für ihre Familienglieder fürsprechend zu wirken 2). In grosszügiger Freigebigkeit hat man sich schliesslich soweit verstiegen, diesen Vorzug jedem Rechtglaubigen zugunsten seiner Freunde einzuraumen 3). Es sind dies natürlich nur vereinzelte Sprüche, auf kanonische Geltung keinen Anspruch machende pia desidéria, die jedoch immerhin die Tendenz der Frommen zeigen, den Glauben an die Schafaca-Fahigkeit auf den möglich weitesten Umfang auszudehnen. Die Muctaziliten, die ihren Gegnern auch für solche Vorstellungen die Verspottung als „Lüstlinge" (tammacün) nicht ersparen, wollen grundsatzlich den Erfolg der Fürsprache nicht einmal für Muhammed selbst zugeben. Es widerstreite ihrer Überzeugung von der ausnahmslosen Gerechtigkeit Gottes, welche die Linie des jus strictum nicht überschreiten und Begünstigungen nicht gelten lassen könne. So wie der guten Tat, im Sinne der Gerechtigkeit, der göttliche Lohn notwendig entsprechen müsse, so könne es keine Vermittlung geben, welche im Stande sei, die der Sünde gebührende Strafe auf^uheben. Sie lassen eine stattliche Reihe von Koranversen aufziehen, auf der sie ihre Leugnung der Schafaea grimden können. „Habet Furcht vor dem Tag — freilich wird dies den Israeliten zugerufen —, an dem eine Seele für die andere nichts leisten kann und keine Fürsprache für sie angen o m m e n und kein Lösegeld für sie empfangen wird" (2 v. 45). Auch den Rechtglaubigen wird gedroht mit dem Tag „an dem es nicht gibt Handel und nicht Freundschaft und nicht 1) Ihja I 194, 17- . . 2) Einleitung zu Kit. al-mu'ammarin, XXXII (wo im Zitat aus Usd al-ghaba, I, zu korrigieren II); vgl. Bejhakï, ed. Schwally* 396, 7. 3) Ihja II 159, 12: li-kulli mn'minin schafaHt. Vgl. schon Ibn Sa'd V 14, 16 (Kacb al-ahbar) wenn wir al Muhammed nicht auf die Sippe M.'s beschranken, sondern darunter die Gemeinde verstehen (En%yklop. d. hl. I 258 s. v. al). 172 Fürsprache" (2 v. 255, vlg. 14 v. 36) „Wer Schlechtes tut, dem wird danach vergolten und er findet dazu ausser Gott keinen Anwalt und keinen Helfer" (4 v. 122)'). Die orthodoxe Theologie wird durch solche Instanzen nicht in Verlegenheit gesetzt. Sie glaubt in^ie Ökonomie des Himmels und in die Tagesordnung des jüngsten Gerichtes besser als ihre rationalistischen Gegner eingeweiht zu sein. Das letzte Gericht sei nicht an einem Tage abgeschlossen. Es dauert ungemein viele Tage, von denen jeder nach irdischer Zeitbestimmung ungefahr 50000 Jahren gleiche. Nun gebe es Tage, an denen die Fürsprache ausgeschaltet sein wird; an anderen Tagen könne der Prophet vortreten und mit Erfolg für die Sünder aus seiner Gemeinde ein gutes Wort einlegen. In den von den Muctaziliten angeführten negativen Beweisstellen werde daher stets mit dem Tage d. h. dem Tage gedroht, an dem eine Fürsprache nicht stattfinden könne, womit stillschweigend zugegeben sei, dass es auch andere, für eine Interzession freigegebene Zeiten gebe 2). Die Findigkeit der muctazilitischen Exegese wird selten versagen. Es scheint der Schule kein exegetisches Mittel als zu kühn, um eine ihrer grundlegenden Lehren, mit der sie den meisten Erfolg in der islamischen Theologie geerntet hat, aus Koransprüchen zu beweisen: die Lehre vom Primat der Vernunft in der Erkenntnis der religiösen Wahrheiten (vgl. oben S. 136). Selbst die Engel werden zu diesem muctazilitischen Grundsatz in Beziehung gedrangt, wodurch mit einem Schlage gleichzeitig ein Beweis gegen den Glauben der Anthropomorphisten vom Schauen Gottes erzielt wird. 40 v. 7 wird von den riesenhaften Engeln, die den göttli- 1) Vgl. auch Kasschaf zu 29 v. 11 (II 176). Die Verse, in denen nur die Fürsprache ohne Erlaubnis Gottes ausgeschlossen wird (2 v. 256; 10 v. 3), sonach mit derselben als zugelassen erschiene, werden nicht auf die Interzession für Sünder bezogen, sondern darauf gedeutet, dass am Tag des Gerichtes ohne besondere Erlaubnis überhaupt niemand das Wort ergreifen dürfe. 2) Ibn al-Munejjir I 56, 119. 173 chen Thron tragen gesagt, dass sie Gott lobpreisen, „an ihn glauben und für diejenigen, welche glaubig sind, u/n Vergebung flehen". Glauben — meint Zamachscharï — schliesst die unmittelbare sinnliche Erfahrung aus und ist Ergebnis eines intellektuellen Vorganges, wodurch das den Sinnen nicht Zugangliche als wahr und tatsachlich festgestellt wird. Würde es nach den Anthropomorphisten gehen, so ware ja Gott für die ihm am nachsten stehenden, die unmittelbare Umgebung seines Thrones bildenden Wesen, sinnlich wahrnehmbar und das Attribut des Erfahrens und nicht des Glaubens ware von ihnen auszusagen. Wenn nun gerühmt wird, dass diese Engel an ihn glauben, so ist damit erwiesen, dass eine andere als intellektuelle Erkenntnis Gottes ausgeschlossen ist. Es kann daher die Rede davon nicht sein, dass die Gerechten Gott im Jenseits (sinnlich) erschauen (II 309). Am meisten wird ihre Zufiucht zu spitzfindiger Textbehandlung ersichtlich, wenn sie ihren Theorien im Wege stenende Koranverse durch lexikalische Umdeutung oder durch Textanderung an den entscheidenden Worten denselben gefügig machen. Dafür haben wir bereits an der Umdeutung des Ausdrucks chalil Allah (S. 116) ein Beispiel erfahren. Unter den verschiedenen Versuchen, die Verheissung des körperlichen Schauens Gottes aus der entscheidenden Koranstelle 75 v. 22—23 zu beseitigen, ist es der des Scherïf Murtada (oben S. 114-), der als Beispiel der an dieser Stelle nicht vereinzelten lexikalischen Arbeit der Dogmatiker dienen kann. „Antlitze ...,'ila rabbika, zu deinem Herrn emporblikkende". Murtada entfernt den anthropomorphistischen Anstoss dadurch, dass er dem Wörtchen ila (zu) seinen Charakter als Praeposition entzieht und es als Plural des Substantivs ala s. v. a. Wohltat deutet: „sie erschauen die Wohltaten dei nes Herrn" '). In bezug auf Textanderungen aus theologischen Rück- 1) Ghurar al-favoöfid 17. r74 . sichten sind sie nicht als Bahnbrecher zu betrachten '). Wir konnten ja in unserem ersten Abschnitt ersehen, dass dies Verfahren in die alteste Periode der Korangeschichte zurückreicht. Es ist ihnen z.B. darum zu tun, ihre Opposition gegen die anthropomorphistische Anschauung von dem in hörbaren L au ten redenden Gott2) mit dem Koran in Einklang zu bringen. Unter den zahlreichen Koranstellen erschien ihnen am wichtigsten die Angleichung eines Verses, der das Sprechen Gottes in nicht leicht wegzudeutender Ausdrücklichkeit hervortreten lasst. Unter den Propheten ist es Moses, den der Islam 3) vorzugsweise mit dem Epithet kalïm Allah 4) „der von Allah Angeredete" 5) oder nadschï Allah „der mit Allah sich Unterredende" °) auszeichnet. Und dies besonders mit Rücksicht auf 4 v. 162. Die allenthalben rezipierte Lesart: wakallama Allahu Müsa taklïman „Gott redete den Moses an", wobei der verstarkende accusat. absolutus (taklïman) den Eindruck der sinnlichen Rede befestigt T), wird von den spi- 1) Vgl. Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte* I 130, Anm. 3; 710 ff. 2) Über ihre (übrigens bereits von Philo ausgesprochene) Theorie von der „schöpferischen Hervorbringung der Stimmen an einem Substrat", vgl. Der Islam III 245—247; Zamachscharï zu 42 v. 50 stellt sich die Rede Gottes „von hinter einem Vorhang" in der Weise vor, dass „Gott an einem Körper Rede entstehen lasst, so dass der Horende nicht wahrnimmf, wer der ihn Anredende ist". Die Polemik Schafi'l's gegen diese Auffassung, bei Ibn Kajjim al-Dschauzijja, riam al-muwakka'ïn III 467 (nach Bejhakï). 3) Von hier aus auch in einem dem Samau3al b. cAdija zugesch.riebenen apokryphen Gedicht (Dïwan, ed. Cheikho, Beyrouth 1909): Moses als 'abduhu wa kalïmuhu (22, 6). 4) Aber auch von anderen Propheten als von Gott Angeredeten nabï mukallam, Ibn Sacd 11, 10, 14. 5) Es kommt vor,\ dass man auch einem gewöhnlichen Namensbruder des Moses den Namen Kalïm Allah gibt (ein Beispiel bei Ulugchan, An Arabic History of Gujarat, ed. E. D. Ross, I [London 1910] 170, 4); ebenso wie der haufige islamische Personenname al-Chalïl als Synonym von Ibrahïm gemeint ist. 6) z. B. Ihja III 207, 15 Müsa nadschï al-Rahman. 7) Die Grammatiker steilten die Regel auf, dass die Verbindung eines Verbums mit dem accusat. absolutus seines masdar die metaphorische Deutung des Verbums ausschliesst; darüber handelt eingehend bei Gelegenheit dieses Verses Buch. Tauhld, nr. 37, Kas(allanï X 503. — Vgl. Tadkirat huff. I 303, 13. i7S ritualistischen Puristen durch leichte Vokalanderung, wodurch Subjekt und Objekt mit einander die Stellung tauschen, der sinnlichen Deutung ent'zogen: wakallama Allaha Müsa „Moses (Subjekt) redete Gott (Objekt) an". Wie gerade dieser für ihre Lehre verhangnissvolle Vers den Gegenstand sorgenvoller Bemühung bildet, ersieht man auch daraus, dass einige Muctazilitentheologen, deren Erklarung Zamachscharï selbst als sonder bar beurteilt, dem Verbum wakallama mit seinem accusat. absolut. die Bedeutung geben: er verwundete; Gott habe den Moses verwundet, d. h. er sandte Prüfungen und Versuchungen über ihn (I 240). Eine in muctazilitischem Interesse beabsichtigte Textkorrektur scheint auch in folgendem Beispiel vorzuliegen. Muhammed lasst die Juden zur Rechtfertigung ihres Unglaubens, einer haufigen alttestamentlichen Redensart (libbam he-carêl, carëlë lêbh) entsprechend, die Entschuldigung vorbringen (2 v. 82): „Unsere Herzen sind unbeschnitten" und setzt dieser Entschuldigung die Bekraftigung' hinzu: „Jawohl, Gott hat sie wegen ihres Unglaubens verflucht und gering ist es, was sie glauben". In dem Ausdruck: „unsere Herzen sind unbeschnitten" — wenn auch im Mund der unglaubigen Gegner — wittert der Muctazilit das Zugestandnis der Möglichkeit, dass man von Natur aus ein dem Glauben unzugangliches Herz haben, dass man von Gott zum Unglauben erschaffen sein könne und dass dagegen besseres Wollen ganz ohnmachtig sei. Solcher, aus dem Vers zu folgernden Voraussetzung soll eine geringe Textanderung abhelfen. Für gnuif"" (unbeschnitten, Eigenschaftsnamen im Plural) lesen sie mit Einschiebung eines Vokals: ghulufun, als Plural von ghilaf, Behaltnisse. Dadurch erschiene die Einrede der Juden nicht als Entschuldigung, sondern vielmehr als Prahlerei: Unsere Herzen sind Behaltnisse (des Wissens). Dieselbe Tendenz verfolgt auch, bei Beibehaltung der gewöhnlichen Lesart (ghulfun), die grammatische Deutung derselben als erleichterte Form 176 (tachfïf) eben jenes ghuluf"", wofür der arabische Sprachgebrauch an Analogien nicht arm ist (I 66)'). Es ist hierbei bemerkenswert, dass diese hier vorgeschlagene Textanderung schon von alten Traditionsautoritaten (an Ibn °Abbas angelehnt) versucht wird 2); ein Beweis mehr für dié bereits früher (S. 107) gemachte Erfahrung (Mudschahid), dass exegetisch-dogmatische Bedenken der spateren Muctaziliten schon orthodoxen Autoritaten der. alteren Zeiten (auch hier cAtijja) vorgeschwebt haben. Eine der von den Orthodoxen zumeist verpönten Lehren muctazilitischer Theologen ist die, dass Gott nicht nur die schlechten Taten und die auf das Böse gerichteten Willensakte der MenSchen nicht erschaffe, sondern dass er überhaupt nicht als Schöpfer des Bösen, Schadlichen in der Natur betrachtet werdén könne. Gottes Wirkungen geschehen notwendigerweise aus dem Gesichtspunkt des adah, der maslaha, der allgemeinen Wohlfahrt. Was dieser zuwiderlauft, könne nicht von ihm erschaffen sein. Von den Orthodoxen werden sie wegen dieser Lehre als Dualisten, Magiër (madschüs), d. h. Zoroastrier verhöhnt. Manche Mu°taziliten gehen in der Folgerichtigkeit so weit, zu lehren, dass Gott im Sinne jener «j/a/Sr-Anschauung auch nicht Schöpfer der vermittelnden Ursachen der Sünde genannt werden könne. Es könne von verbotenen Genüssen nicht gesagt werden, da'ss sie von Gott als Geber derselben verliehen sind. Nur die erlaubte Art der Versorgung (rizk alhalal) könne als Gottes Gabe betrachtet werden, Verbotenes ist vom Sünder selbst erworben3). Man könne doch nicht 1) Fachr al-dln al-R£zi, Mafatlh al-ghajb, I 615. 2) ' Tabart, I 306—307. 3) Ein weiter Spielraum für die Behandlung dieser Frage bietet sich gleich zu 2 v. 2 (razainahum); vgl. auch zu 13 v. 22 (I 18, 495). Bei Ibn Sa'd III1, 299, 16 entschuldigt der Prophet die Gefahrten des Abü' cUbejda b. al-Dscharrah, die auf einem Streifzuge von allen Nahrungsmitteln entblösst, einen auf dem Wege gefundenen Cadaver verzehrten, damit: „innania huwa rizk*» razakakumühu Allah" (vgl. Sure 5 v. 5). i77 sagen, dass der Wegelagerer seinen Raub mit Gottes Beistand vollführe '). Da der Genuss des Weines religiös verboten, demnach Strafe verursachend ist, könne Gott unmöglich als Hervorbringer desselben gelten; man könne ihn höchstens den Hervorbringer der Weinpflanze nennen; die Entstehung des Weines selbst dürfe man nicht in Beziehung zu ihm als agens setzen; der ist ausschliesslich der Wein kei ter e r 2). Da ist nun aber die dem Koran einverleibte apotropaische Formel (113 v. 1), ein Schutzgebet, das Gott den Muhammed lehrt: „Ich nehme Zuflucht zum Herrn des Morgengrauens vor dem Bösen dessen was er erschaffen" (min scharri machalaka); ganz klar und unzweideutig: die Schöpfung Gottes könne böse Wirkungen hervorbringen. Obzwar das Böse hier ersichtlich nicht als unmittelbare Schöpfung Gottes, sondern als an derselben mittelbar hervortretender Gegenstand der Abwendung ist, glaubten einige Muctaziliten selbst diesen Gedanken dadurch tilgen zu können, dass sie die Form scharri des rezipierten Textes in scharrin verandern: min scharrin ma chalaka, und gleichzeitig das Wörtchen ma nicht als Relativpronomen sondern als Negationspartikel auffassen. Durch diese Wort- und Konstruktionsanderung erhielte der Koranspruch den Sinn: „Ich suche Zuflucht vor dem Bösen, das er nicht geschaffen hat" (II 568)3). Wir verstehen nach diesen Beispielen, dass den Mutakallimün eine den orthodoxen Theologen 'misliebige tendenziöse Beteiligung an der Textbehandlung des Korans (oben S. 95— 96) zugeschrieben wird. Inmitten dieser mit tendenziöser Koranauslegung verbundenen 1) Nach alt-arabischer Anschauung ist gerade geraubter Besitz irn Gegensatz zu ererbtem „von Gott beschert" (Wellhausen, Reste arab. HeidentS 189, Anm. 2). 2) Baghdadl, al-Fark bejna-l-firak 262. 3) Vgl. schon Muh. Stud., II 240. Solche exegetische Künste wurden auch an den öfters vorkommenden Koranworten istawa 'ala-l-'arschi geübt. um die Vorstellung auszuschalten, dass Gott nach Beendigung seines Schöpfungswerkes auf seinem Thron raumlich Platz genommen habe, bei Sujütï, Itkan, Kap. 43, II 7. 12 178 Dogmenstreiten können wir auch das Hervortreten kluger Manner beobachten, die angesichts der Erfahrung, dass die Vorkampfer einander widersprechender Lehren ihren Standpunkt aus dem Koran befestigen zu können meinen, die einseitige Deutung der Texte verschmahen und in bezug auf alle jene strittigen Fragepunkte eine indifferente, skeptische Stellung behaupten. Freilich, soweit wir sie aus der Litteratur kennen lernen können, eine an Zahl kleine Gemeinde, deren Stellung man mit dem terminus wukUf (s. v. a. der Pyr- rhonisten) zu bezeichnen pflegt '). Mit Namen wird als Vertreter dieser Richtung ein als Mutakallim und Anhanger der Spekulation (min ahl al-kalam wal-kijas wa-ahl al-nazar) gerühmter "Ubejdallah b. Hasan alcAnbarï genannt, unter dem Chalifen Mahdi Kadi von Basra (st. 784) 2). Er bekundete folgenden Gedankengang: „Der Koran enthalt in bezug auf eine und dieselbe Frage einander entgegengesetzte Lehren. Danach ist der Glaube an die Wahlfreiheit ebenso richtig. wie der an die Vorherbestimmung; beides hat seinen Grund im Koran. Zuweilen lassen sich doch aus demselben Verse beide einander entgegengesetzte Lehren herleiten. Sowohl die Kadariten als auch ihre Gegner haben recht. Es handelt sich immer nur um die Verschiedenheit der Gesichtspunkte: jene wollen Gott (über allé Ungerechtigkeit) erhöhen3); diese betonen die Allgewalt Gottes. Dasselbe gilt von der Frage: wer ein Glaubiger, wer ein Unglaubiger genannt werden könne; wer den Unzüchtigen (zam) einen Glaubigen nennt, hat ebenso recht als wer ihn als Unglaubigen bezeichnet; auch der hat recht, der ihn in keine dieser Klassen einreiht, sondern ihn für einen Missetater (fasik) oder Wankelmütigen (munafik) halt. Sagt jemand, ein solcher sei zwar 1) ZDMG LVIII 399. Schahrastanï, ed. Cureton, 120, 4 v. u. ff. Der einen solchen Standpunkt einnirnmt, ist waiifï, z. B. Dahabï, Tadk. huff.} II 69, 8. 2) Abulmahasin ed. Juynboll I 449, 15 vgl. Jcfkübï ed. Houtsma II 484,2. Mas'üdl, Tanbïh 356,12 versetzt ihn in die Zeit des MuHasim. 3) Vgl. ZDMG LVII 395 Anm. 4. 179 ein Unglaubiger (kafir), aber doch kein Zugeseller (muschrik), so hat er ebenso recht als wer das Gegenteil behauptend ihn als kafir-muschrik betrachtet.. . Sagt jemand, dass der Totschlager der Hölle verfeilt, hat er ebenso das Richtige getroffen wie jener, der die Forderung zulasst, dass er (als Rechtglaubiger) ins Paradies gelangt. Richtig ist auch der Standpunkt derer, die in diesen Fragen keine bestimmte Meinung haben wollen, sondern die Entscheidung Gotte zuerkennen (Murdschiten) in der Überzeugung, dass dem Menschen das Wissen des Geheimen (cilm al-ghajb) nicht zustehe '). Es ist nicht unmöglich, dass dies skeptische Bekenntnis des cUbejdallah zu seiner Absetzung vom Kadïamte (782/8) mit beigetragen habe2). Denselben Standpunkt der Indifferenz dogmatischer Defïnitionen und der Beweisbarkeit der einander entgegengesetzten dogmatischen Thesen aus dem Koran nimmt noch im 13. Jahrhundert der Korangelehrte Abu-l-faMil al-Razi (schrieb vor 1232) ein in seinem Werke Hudschadsch al-KuSan (Argumente des Korans), dessen Bedeutung ich an anderer Stelle3) behandelt habe. 1) Ibn Kutejba 1. c. 55—57. 2) Abulmahasin 1. c. 444, I. 3) Beitrage zur Religionswisscnschaft (Stockholm) I 129. KORANAUSLEGUNG DER ISLAMISCHEN MYSTIK. 1. Es ist für die Mystiker im Islam fürwahr keine geringe Aufgabe, die Gedanken des Süfismus im Koran wiederzufinden, das heilige Buch des Islams als Bezeugung ihrer Welt- und Religionsanschauung in Anspruch zu nehmen. Denn es ware schwer, sich religiöse Gedankengange vorzustellen, die in schroffer'em Gegensatz zu einander stünden als der ursprüngliche, traditionelle Islam und das Süfïtum Dort die denkbar transzendenteste Auffassung der Gottheit, hier das Bekenntnis zur Immanenz derselben. Vom schlichten, weltentsagenden Asketentum ausgehend schritt die Süfïbewegung stufenweise, durch den Emanationsgedanken des Neuplatonismus, einer ihrer Lehrquellen, zu einem aufs höchste gesteigerten Gefühl schwarmerischer Gottessehnsucht und Gottesliebe, 'von hier zum Ideal der Versenkung und Absorption des individuellen Seins in das Gotteswesen empor, um schliesslich in pantheistische Weltauffassung auszumünden.. Der so ausgebildete Süfismus anerkennt nur eine Seinswirklichkeit; diese setzt er in der Gottheit; der bunten verganglichen Welt der Erscheinungen eignet er wirkliche Realitat nicht zu, es sei denn, insofern sie Spiegelung, oder Selbstoffen- i) Vgl. C. H. Becker, Christentum und Islam (Religionsgeschichtl. Volksbüchër III 8) 40 unten. i8i barung und materialisierte Kundgebung (tadschallï) jener einzigen wahren Wesenheit ist. Wahdanijjat al-wudschüd, d. h. „Wesenseinheit der Existenz" ist der arabische terminus technicus für die selbstverneinende Lehre, zu der das Süfï-bekenntnis auf seinem fortschreitenden Entwicklungslauf hinstrebt und die, wenn auch in abweichenden Formulierungen und mit t mehr oder weniger Konsequenz, zum Kennzeichen seiner verschiedenen Bildungen wurde '). Fürwahr kein Korangedanke. Und erst das Gesetz! Kann man ernstlich sprechen von Gesetzen für das wesentlich Nichtexistierende ? So verflüchtigt sich am letzten Ende der positive Inhalt des Islams und es macht nicht selten den Eindruck der captatio benevolentiae, wenn der Süfismus, um seine Berechtigung innerhalb der Islamgemeinschaft nicht völlig zu verlieren, die Gesetzlichkeit als notwendige Vorbereitungsstufe darstellt, jedenfalls von relativem Wert, der jedoch stufenweise bis zur Überwindung herabgemindert wird, indem man zu den Tiefen intuitiver Wahrheit dringend an das Endziel der „Gewissheit" gelangt. Nichtsdestoweniger gibt es einen süfischen Islam und grosse Vertreter des Süfismus legen mit allem Nachdruck Gewicht darauf, mit der ihre Gedankèn symbolisch veranschaulichenden scharfa (Religionsgesetz) im Einklang zu sein, sie zur Voraussetzung zu haben. Wie setzt sich nun dieser süfische Islam mit den realen Glaubenstatsachen auseinander? Durch allegorische Auslegung, „die sich in spontaner Weise einstellt, wenn neue Gedanken mit einem geherligten Text, der sie nicht vertragt, ausgeglichen werden sollen" 2). Koran und Gesetz bedeuten nicht, oder mindestens nicht allein, was ihr Wortverstand zu künden scheint. Hinter diesem sind tiefere Gedanken verschleiert, der wahre 1) Weiteres Vorlesungen 115 ff. Vortreffliche Orientterung bietet jetzt Reynold A. Nicholson's The Mystics of Islam (London 1914, in The Quest Series). Vgl. Theolog. Literaturzeitung 1914 Nr. 14. 2) Jean Séville, Revue de 1'Histoire des Religions XXIII 373. 182 Sinn der göttlichen Kundgebung deckt sich nicht mit den Banalitaten ihres Scheins. Man erkennt wohl in diesen Gedanken leicht die islamische Frucht hellenistischer Aussaat. Jenseits des körperlichen, sichtbaren Wortsinnes (to auyux.tikóv oder (pxtvófisvov) liege ein geistiger Geheimsinn (to TvevpxTiKÓv)'): die islamische Antithese von zahir und batin. „Des Glaubens Leib ist aussere Texterklarung, doch wohnt als Ge ist ■ in ihm die tiefere Deutung; Wo würde je ein Körper schon hienieden durch andres wohl als durch den Ge ist belebt?", wie der dem süfischen Ideenkreis verwandte Nasir al-dïn Chosrau lehrt 2). Wollen wir auf die Wurzel der Möglichkeitsvoraussetzung allegorischer Schrifterklarung zurückge'hen, so kommen wir schliesslich in den Lehrhallen des göttlichen (al-Üahï) Plato und bei seinem Idealismus an. Wenn die sichtbare Welt mit ihren Sondererscheinungen ihre Wirklichkeit von der universalen Idee ableitet, so mag dies auf das in Erscheinung tretende Wort seine Anwendung finden. Es ist ein blasser Schemen; seine Wirklichkeit liegt in der Welt der Idee, deren Schattenbilder die Worte sind. Dieser Gedankengang wird wohl die logische Rechtsbasis aller Allegorie bilden. Auf jenem Grunde^ konnte die Möglichkeit der allegorischen Schriftinterpretation des Philo erblühen, sowie die des Kirchenvaters Origenes, der sie gegen die schonungslosen Angriffe seines heidnischen Gegners Celsus zu verteidigen hatte. Neben anderen externen Einflüssen hat die Mystik des Islams auch dies Element in sich aufgenommen und verarbeitet. Sie war bestrebt ihren Koran von diesem Gesichtspunkt aus zu betrachten, sowie sie im allgemeinen die Neigung betatigte die Grundlagen ihres Lehrgebaudes in demselben wiederfinden 1) Reitzenstein; Hellenistische Mysterienreligionen 146 (vom Gnostiker Ptolemaios). 2) Übersetzung von Her mann Et hé, in Actes du sixième Congrès des Ürientalistes (1883) ïlme partie, Sect. I (Leiden 1885) 194. i«3 zu können, nachzuweisen dass ihre entscheidenden Prinzipien durch das heilige Offenbarungsbuch ziehen. Manche Stelle des Buches bot sich den Süfï's, ohne Anwendung irgend scharfsinniger Künstelei, gleichsam als Text für ihre Weltanschauung dar '). Von ihrem Zusammenhang losgelöst konnten die im Koran vielfach variirten2) Worte in 2 v. 251 „Fürwahr, wir gehören Gott und wir kehren zu ihm zurück" sehr leicht auf die Absorption in der Gottheit bezogen werden. Oder wenn in der 102. Sure den irdischen Gütern das „Wissen vom Sicheren" {Hint al-jakln) und „das Wesen der Gewissheit" (cajn al-jakïn) entgegengestellt wird, so konnten süfische Denker ihre Grübeleien ohne viel Schwierigkeit umso eher hineintragen, als sie ja diese Ausdrücke zur Bezeichnung der Ziele der Meditation terminologisch ohnehin übernommen hatten3). Und wie erst konnte ihnen der erhabene, hochheilige Lichtvers des Korans (24 v. 35), dessen Anfangsworte man als Inschrift der machtigen Kuppel des Aja Sophia-Domes verwendet hat, süfische Dienste leisten!: „Allah ist das Licht4) der Himmel und der „Erde; sein Licht gleicht einer Nische, in der sich eine Lampe „befindet; die Lampe ist in einem Glase und das Glas gleicht „einem flimmernden Stern. Es wird angezündet von einem „gesegneten Baum, einem Ölbaum, weder einem östlichen noch „einem westlichen; fast leuchtet sein Öl, wiewohl es kein Feuer „berührt: Licht auf Licht. Allah leitet zu seinem Licht wen „er will und Allah pragt Gleichnisse für die Menschen und 1) Vgl. D. B. Macdonald, Aspects of Islam (New York 1911) 75. 186; Nicholson 1. c. 22. 2) Die denselben Gedanken ausdrückenden zahlreichen Verse: ilejhi turdscha'üna, jurdschacüna u. a. m. ila-llahi (oder ilejka) al-masïru — wa-ilejhi {uklabüna (29 v. 20), ila rabbika almuntaha (53 v. 43). 3) Ebenso ist auch die terminologische Antithese der süfischen Psychologie al-kabd (Beklemmung) und al-bast (Erweiterung) aus dem Koran 2 v. 246 geholt und der betreffende Vers dann in sufischem Sinne bearbeitet worden. 4) Gott als ipiïf aufgefasst, Kroll, Die Lehren des Hermes Trismegistos 22 f. [Wetter, PKös. Eine Untersuchung über hellenistische Frömmigkeit, Uppsala 1915]. 184 „Allah ist aller Dinge wissend". Dieser Vers forderte, mit dem seinen Gedanken einhüllenden geheimnissvollen Halbdunkel, wie von selbst dazu auf, mystische Auslegungen an ihn zu knüpfen. Dazu hat man ihn auch im Fortschritte der Entwicklung des Süfismus ') in immer phantastischerer Steigèrung sattsam ausgenutzt. Fast in jedem Werk der Süfïliteratur nimmt seine Ausdeutung eine Stelle ein. Das Licht, die Nische, der Ölbaum, ort- und richtungslos, das durch sich selbst angefachte Licht, Licht über Licht2), alles dies ladt zur Versenkuhg in die Geheimnisse und Ratsel dieses „Lichtverses" ein. Ghazalï hat einen eigenen Traktat „die Nische der Lichter" (mischkat al-anwar) betitelt, in dem er den Lichtvers zum Ausgangspunkt nimmt. In keine Koranstelle wurde so viel hineingeheimnisst als in diese. Sie scheint ja bereits in ihrem einfachen an Gnostik streifenden Wortlaut die Allegorie der himmlischen Erleuchtung zu beabsichtigen 3). Und nun konnte dabei noch Allegorie auf Allegorie gehauft werden 4). Ahnliche Gelegenheit zu mystischer Ausdeutung bot die auch in ihrer wörtlichen Erklarung viel umstrittene Erzahlung von der Theophanie in Sure 53, welche die süfischen Grübler zur Entfaltung ihrer tiefsinnigen Mysteriën anlockte 5). Und ganz ungesucht bietet sich auch 2 v. 109 („Gottes ist der Oriënt und der Okzident und wohin ihr euch immer wendet, dort ist Allahs Antlitz; fürwahr Allah ist umfassend und allwissend") für mystische Anknüpfungen an. Die Süfï's finden darin leicht die Bekundung ihrer Lehre von der Indifferenz der konfes- 1) Sahl al-Tustarï (st. 886 oder 896) begnügt sich noch damit, dem Vers die Beziehung auf das praexistierende „Licht Muhammeds" (al-nür al-Muhammadï) unterzulegen (Tor Andrae, Die Person Muhammeds 320). 2) Vgl. K r o 11 1. c. 23, 9. 3) Ibn Sina legt in diesen Vers die Theorie der arabischen Peripatetik über die Entwickelungsphasen des Intellektes, vom hylischen Intellekt stufenweise zur vollen Aneignung des vovc ttdi^tikóc aufsteigend (Kitab al-ischarat wal-tanbïhat ed. Forget, I 126). 4) Vgl. z.B. Suhrawardï, 'Awarif al-ma'arif Kap. 49 (a/R. des Ihja III 231). 5) Vgl. Tor Andrae, 1. c. 79—85. 185 sionellen Unterschiede '). „Hüte dich — lehrt der grösste Meister des Sufïtums am Schluss seiner der Bedeutung des Propheten Hüd gewidmeten Betrachtung — dass du dich an eine bestimmte Bekenntnisformel anbindest und jede andere zurückweisest, wodurch dir viel Gutes, ja sogar das Wissen von der wahren Wesenheit Gottes entginge. Betrachte deine Seele als einen (zur Annahme der verschiedenen Formen bereiten qualitatlosen) Urstoff2) für die Formen aller Glaubensbekenntnisse. Denn Gott ist umfassender und grosser als dass ihn ein (bestimmtes) Bekenntnis mit Ausschluss eines anderen einschliessen könnte; wie er selbst sagt: Und wohin ihr euch immer wendet u. s. w. Er erwahnt kein bestjmmtes Wohin? Hingegen sagt ér, dass überall das „Antlitz Gottes" d. h. seine wahre Wesenheit gegenwartig ist 3). Daraus wird dir klar, dass Gott sich in allen Richtungen kuhdgibt; in denselben aussern sich die (formellen) Glaubensbekenntnisse; jedes derselben trifft das Richtige, und wer das Richtige trifft, wird des Lohnes teilhaftig 4); und jeder des Lohnes Teilhaftige ist selig und des Wohlgefallens (Gottes) sicher" 5). „Die Menschen haben in bezug auf die Gottheit verschiedene Bekenntnisse — ich bek'enne mich zu allem, was sie immer bekennen mögen" 6). Jedoch der Koran gibt den Mystikern nicht allzuhaufig Gelegenheit, ihre Lehren mit' Sprüchen zu identifizieren, denen auch in ihrer gelaufigen Interpretation ein entlegener Sinn zu 1) Vorlesungen 171; vgl. Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte *, I 812, 12. 2) HajülS = "iMjf. 3) Hier folgt ein Passus, der mit Rücksicht auf v. 139, wo im W.iderspruch mit v. 109 die Kiblaorientation nach dem heiligen Haus in Mekka angëordnet wird, einen Ausgleich mit der Gesetzlichkeit vollzieht, dessen Befolgung „gute Sitte" (adaS) ist. 4) Anwendung des bekannten Hadlthspruches über die Freiheit des idschtihad, vgl. ZDMG LUI 649. 5) Muhjï al-dln ibn al-'Arabï, Fusüs al-hikam (Kommentarausgabe, Kairo 1304—1323) II 60 ff. 6) Vers des Ibn al-cArabI, zitirt im Kommentar des 'Abdalrahman Dschamt zu der hier angeführten Stelle der Fusüs, 1. c. II 87. i86 entnehmen ist. In den überwiegenden Fallen haben sie es ja mit Erzahlungen über Vorgaqge alltaglicher Art, mit rituellen und bürgerlichen Gesetzen, einfach gefassten ethischen Ermahnungen zu tun. Auch aus solchen hat die Mystik, die beschrankte traditionelle Auslegung überschreitend ') in schrankenloser Freiheit, zumeist mit Anwendung weithergeholter Gleichnisse, die Gedanken zu erschliessen, die in ihren Hullen, nur für die Efkennenden merkbar, schlummern sollen. Ehe wir im einzelnen auf die Darstellung der Art eingehen, in der sie diese ihre Aufgabe erfüllte, haben wir noch einiges über eine parallele, mit dem Süfismus zwar nicht identische, aber zu ahnlichen Zielen führende religionsphilosophische Bewegung im Islam vorauszusenden. Er ist dies die Tatigkeit des Bundes der „L au ter en" (ichwan al-safa) in Basra im X. Jhd. n. Ghr. Die im VIII—X. Jahrhundert mit Aufmunterung der ersten "abbasidischen Herrscher emsig betriebene, auf philosophische und naturwissenschaftliche Werke der griechischen Litteratur sich erstreckende Überse1;zertatigkeit eröffnete der arabischmuslimischen Welt ihr bishin völlig unbekannte Gedankenspharen, in denen sich die denkenden Kreise gern heimisch machten. Die Bekanntschaft mit dieser Litteratur, die sie freilich erst aus zweiter Hand erhielten, hat nicht verfehlt, die religiösen Gedankenwege, allerdings nur einer auserwahlten Minoritat, zu beeinflussen. Namentlich wurden dieselben durch die Ideen der Neuplatoniker nachhaltig angeregt. Und neuplatonisch waren ja nicht nur die von vornherein diesem philosophischen Kreise entstammenden und der arabischen Litteratur. durch die Übersetzungen zugeführten Schriften. Auch die i) Der den Übertreibungen der theosophischen Mystik abgeneigte SufI Schihab al-dln al-Suhrawardt [st. 1234), sagt (wie es scheint, im Namen des Dschunejd) bei Gelegenheit der Erklarungsversuche an dem im Koran erwahnten rüh (Geist): „Wenn der tafsïr mancher kovanischen Verse untersagt ist, so setzt der la'wïl ein. Jener (als Worterklarung) ist an die Tradition (nakl) gebunden, in diesem kann die Vernunft mit grosser Freiheit walten" ^Awarif al-mofarif Kap. 56 [a/R. des Ihja] IV 107). I i87 aristotelischen Werke, durch deren Übertragung die arabische Litteratur bereichert und der Denkstof!" der muslimischen Intellektuellen erweitert wurde, waren ja durch die neuplatonischen und alexandrinischen Kommentare und Paraphrasen, in deren Umkleidung sie nach dem Osten gelangten, neuplatonisch gestaltet. Es konnte bei solcher Umdeutung der Gedanken des Stagiriten ganz gut geschehen, dass auch zweifellos neuplatonische Grundwerke als aristotelische Schriften umgingen und , ungehindert sich mit dem Autornamen des Aristoteles schmückten '). Diese Schriften schienen mit ihrem Inhalt nicht nur keinen Gegensatz gegen die religiösen Voraussetzungen zu bieten; sie wurden' von den Denkenden sogar als Stützen ihrer religiösen Gefühle gierig aufgegriffen, als rationelle Formen, in die sich jene kleiden konnten. Was der Neuplatonismus lehrt Über das Wesen der Seele, über ihre Emanation aus der Sphare der Göttlichkeit und des Weltintellektes, über die Nichtigkeit der Materie und den exilhaften Aufenthalt des aus der Weltseele entstammenden Individualgeist.es in der Welt der Dimensionen, in die sie zur Prüfung und Lauterung herabgesandt wird, um ihr rein geistiges, durch Tatigkeit nicht erprobtes Wesen hienieden durch Tugend und gute Werke zu bereichern; was er ferner über die Rückkehr der in der irdischen Welt erprobten Seele in ihre geistige Urheimat lehrt: alle diese Lehren konnten für die Denkenden als mit den religiösen Erwartungen in Einklang stehende Ansch auungen gelten, die zur Deutung der grobsinnlichen Darstellung, dienlich, waren in welche dieselben Stoffe in der für das unreife Volk berechneten Tradition gekleidet sind. Es war dies alles recht bequem islamisch zu gestalten, und dies um so leichter, als ja der Neuplatonismus folkloristische Einzelheiten mit sich führte, die selbst den aberglaubischen Vorstellungen Nahrung boten: die Damonenwelt, eine wahre Hiërarchie der Geisteswesen, mit der die oberen Spharen bevölkert sind und vieles sich l) Siehe weiteres in Die Kultur der Gegen wart I 5, zweite Auflage 308. i88 daran Knüpfendes. Es war auch nicht schwer innerhalb dieses islamisch gestalteten Neuplatonismus eine Stelle zu finden für die Aufgaben des Prophetismus, die stufenweise Evolution desselben und seine Vollendung in Muhammed. Die Summe dieser Bestrebungen zog der Bund der „Lauteren" im X. Jhd. Seine anonym gebliebenen Mitglieder schufen in 51 unter einander fest zusammenhangenden Abhandlungen eine Enzyklopadie der Wissenschaften, eine Summa, in der sie, in der ausseren Disposition der aristotelischen Systematik, ein mit pythagoraischen, gnostischen und hermetischen ') Zutaten, wie sie ja der Neuplatonismus vertragt, bereichertes System des islamischen Neuplatonismus darstellen. Im Schlussteile der Enzyklopadie erfahren wir vom Werbungswesen und der propagandistischen Tatigkeit, dem Initiationswesen dieses religionsphilosophischen Bundes, dem Fortschritt seiner Mitglieder aus Aspiranten zu Psychikern und Pneumatikern wie in manchen gnostischen Systemen — endlich von ihrem, nur den vollkommen Reifen zuganglichen Okkultismus, ihrer esoterischen Lehre, die darin gipfelt, wie der zu den Höhen der Geistigkeit sich emporschwingende Mensch, der durch die Betatigung ihrer Lehre stufenweise sich den Fesseln der Materie entwindet, selbst Macht über dieselbe gewinnt: lauter Astrologie 2), Zauberei und Alchimie, die in diesen Kreisen als Krönung der „in neren" Philosophie3) gelten4). Schon auf den anfanglichen Stufen steht im Mittelpunkt ihrer religiösen Betrachtung die Idee der „Rückkehr" (mcfad), die Reinigung und Lauterung der Individualseele und i) Vgl. Reizenstein, Poimandres 181. . 2) In n Thier und Mensch vor dem K'ónig der Geniën" (ed. Dieterici, Leipzig 1879) lil—114 lassen sie durch den Anwalt der Thiere eine rationalistische Theorie über den relativen Wert der Astrologie entwickeln, die wohl nur erst auf die Erkenntnisstufe der in ihren Okkultismus noch nicht Eingeweihten berechnet ist. 3) Buch vom Wesen der Seele 29* ff. 4) Vgl. Stellung der alten islamischen Orthodoxie ssu den antihen Wissenschaften, 4 Anm. 189 ihr Sichemporschwingen zu der Welt der Geistigkeit, aus der sie einst herabgesandt ward, und in die wieder einzugehen das höchste Ziel, die Sehnsucht ihrer irdischen Pilgerschaft sei. Ihr jenseitiges Schicksal sei von den Stufen und Resultaten ihres Erdenwallens abhangig, ob sie sich zur rein geistigen sonnigen Sphare voller Reinheit und Vollkommenheit wieder aufschwingen werde (dies ist das Paradies), oder ob sie in einer kalten Region unterhalb der Mondsphare ein irrendes, unstates, noch immer mit der Sehnsucht nach der ihr unzuganglichen Materialitat sich abqualendes Dasein (dies ihre Höllenqual) fristen werde '). Es entgeht uns nicht, wie sich die islamische Vorstellung vom Paradies und der Hölle in dieser neuplatonischen Deutung gestaltet. Um diese Seelenlehre dreht sich das ganze System der „Lauteren". Sie ist Ausgang, Mittelpunkt und Endziel ihrer Religionsphilosophie. Sie führen erbitterten Kampf gegen den Kalam, eben weil in den Spekulationen des letzteren das Leben der Seele keine Stelle hat; sie sei ja innerhalb dieses Systems nichts anderes als ein Akzidens der atomistisch gefassten Materie, also nicht selbst Substanz, geschweige denn eine praexistierende Substanz, als welche sie die Neuplatoniker erkennen. Die „Lauteren" verstanden es — gewiss nur für die niederen Stufen ihrer Initiirten — mit der Religion, speziell auch mit dem Islam, in Einklang zu bleiben. Sie überströmen völlig von der Beteuerung des hohen Wertes, den sie auf die positiven, traditionellen Religionen legen, des hohen Ranges der Propheten, Religionsstifter und Gottesmanner, die durch die Erreichung der höchsten geistigen Stufen, durch die von ihnen zur Tat gewordene Verneinung der irdischen Werte berufen waren, Lehrer und Musterbilder der Menschheit zu sein. Das wahre Strebeziel der „Lauteren" ist jedoch die absolute Religion, die Reinigung der Seele und das Ahnlichwerden l) Vgl. Buch vom Wesen der Seele 53*. Bei diesen Vorstellungen haben hermetische Einflüsse mitgewirkt; über die hin- und hergeworfene sündige Seele; s. J. Kroll, Die Lehre des Her mes Trismegislos 310. IQO (ófioiao-ig) mit Gott durch ihre Philosophie. Die religiösen Lehren und Dokumente der im Lauf der Entwicklung der Menschheit hervorgetretenen historischen Religionen — also auch des Islams — bieten Sinnbilder des zu érstrebenden hohen Zieles. Ihr wahrer Sinn sei nur allegorisch zu erfassen. Und an diesem Punkte gehören die Bestrebungen der „Lauteren von Basra" in den gegenwartigen Zusammenhang. Sie sind in hervorragendestem Sinne Vertreter der allegorischen Deutung der geistigen Traditionen aller Völker. Auch die Fabeln, die das indische Pantschatantra in seiner arabischen Übersetzung als Buch von Kali/a und Dimna bietet, haben sie als Allegorien ihrer Theorien gedeutet'). Das meiste Interesse hatte für sie, im Sinne ihrer unmittelbaren Ziele, die Deutung der islamischen Tradition. Unter der Hülle des Sprachausdrucks der erzahlenden Darstellung finden sie Bilder für höhere Wahrheiten, die den Menschen nach dem Masze ihrer Verstandnisstufen zuganglich gemacht werden. So wie die Erkenntnis der ausseren Dinge teils durch sinnliche Perzeption, teils durch traditionelles Erlernen, teils durch spekulative Vertiefung, teils durch innere Erleuchtung (Offenbarung) erlangt wird, — Erkenntnissgrade, die sich nach den Fahigkeiten der Menschen abstufen, — so wird auch, nach Verhaltnis derselben, das Verstandnis der religiösen Tatsachen ein verschiedenes sein. Was die Unreifen nur grobsinnlich erbassen können, gestaltet sich den Vollkommenen zu tiefen philosophischen Wahrheiten 2). In der Umschreibung dieser Wahrheiten verstehen sie, sich in ein an völlige Undurchdringlichkeit grenzendes mystisches Dunkel zu hüllen. Sie bleiben hinter der Ratselhaftigkeit süfischer Sprachwendungen nicht zurück, wenn sie z.B. die, wie wir (S. 102 ff.) gesehen haben, seit dem ersten Anbeginn des dogmatischen Denkens im Islam viel umstrittene Frage nach 1) Der Islam I 23. 2) Ichwan al-safa (ed. Bombay) III 87 mit Bezug auf den Auferstehungsglauben. igi der Bedeutung der visio beatifica in folgenden Worten — denn, ich denke, es sind nur Worte — lösen: Das Schauen Gottes sei das Schauen eines Lichtes durch Licht zu Licht, in Licht aus Licht" (ru'jat nur binür linür fï nur min nur)'). Man glaubt in dieser, in mystischen Schriften 2) nicht steltenen Art des Ausdrucks 3) ein grammatisches Exercitium über die Prapositionen der arabischen Sprache vor sich zu haben. Verstanden haben werden es wohl nur die Höchstinitiirten des Bundes. Die geheimnissvollen Lehren, welche die Ichwan al-safa wiederholt andeuten und vor deren Veröffentlichung und Preisgabe an Uneingeweihte oder Mindereingeweihte sie zu warnen nicht aufhören *), scheinen zum grossen Teil sich auf die allegorische Auslegung der religiösen Erzahlungen in Koran und Hadith zu beziehen5). „Wisse" — sagen sie — „dass die „göttlichen Bücher ausserliche Offenbarungen {tanzilat zahird) 1) ibid. III 72. 2) In mïssigerer Form wendet man sie auch sonst gerne an, z.B. ein Segen des Propheten für die Ehe des CA1I mit Fatima: Allahumma barik fthima wabarik 'alejhima wabarik lahuma, Ibn Sdd VIII 13, 6. 3) z.B. Ihja II 268, 13 v. u. von dem Anhören der Gesangsvortrage (samac) bei süfischen Versammlungen: fajasma'u lillahi wa-billahi wa-fi-ltahi wa min Allahi; ibid. IV 288, 11: das Dasein des Menschen, die Dauer und Volkommenheit desselben sei min Allahi wa-billahi wa-ila Allahi; Ibn SSlim (ZDMG LX], 75) von der nijja (Intention) beim Gebet: al-nijja billahi lillahi wa min Allahi (bei Suhrawardl, 'Awarif al-macarif, Kap. 37, III 88; derselbe Ibn Salim von der höchsten Stufe der Tugend des sabr (Ausdauer): alladï sahruhu flllahi wa-lillahi wa-billahi (ibid. Kap. 60, IV 283). 4) Beispielsweise III 84 unten: „Wir wollen nur einen Teil dieses Geheimnisses schimmem lassen und davon aus eine Andeutung machen, da es nicht erlaubt ist dasselbe deutlich zu erlautern; wir befolgen dabei das Vorgehen Gottes selbst, der. nur „jenen den er will auf den geraden Pfad leitet" (10 v. 26). — ibid. 98, 7 v. u.: „Verstehe, mein Bruder, diese Andeutungen und Hinweise und gleiche ihnen das ihnen Ahnliche an, aber veröffentliche die Gêheimnisse nicht". — ibid. 140, 4 v. u.: „Dies (Buchstaben- und Zahlensymbolik) ist das zu verbergende Geheimnis, das jedermann, ausser den AuserwShlten von den aufrichtigen Dienern Gottes, zu lehren nicht heilsam ist. Hier haben wir nur diese Buchstaben angedeutet und darauf hingewiesen, dass sie das Geheimnis des Korans sind, und es ist nicht erlaubt dieselben in aller Deutlichkeit zu erklaren, da es uns die Weisen und Propheten nicht gestattet haben". Vgl. IV 265, 4 v. u. und öfters in demselben Sinn. 5) z.B. die Allegorie der SiebenschlaTerlegende III 98. 192 „enthalten; das sind die Worte, die man liest und hört. Sie „enthalten aber auch verborgene, innerliche Auslegungen (ta'„wïlat chafijja batind): das sind die darunter zu verstehenden, „durch die Vernunft zu erfassenden Bedeutungen (al-ma"dm val-mackUla) '). Dasselbe gilt auch von den Festsetzungen der „(göttlichen) Gesetzgeber. Sie enthalten ausserliche, offensich„tige Gesetze und verborgene, innerliche Geheimnisse (asrar). „Durch die Betatigung der ausserlichen Gesetze wird das irdi„sche Heil derer gefördert, die sie erfüllen; in der Erkenntnis „der verborgenen Geheimnisse besteht ihr Heil für ihre Rück„kehr und ihr jenseitiges Leben. Die Seelen, die durch (gött„lichen) Beistand sich zum Verstandnis des (wahren) Sinnes „der göttlichen Bücher erheben und zur Erkenntnis der Ge„heimnisse der gesetzlichen Festsetzungen geleitet werden, und „sich dabei der Übung der guten Sunna und einer gerechten „Lebensführung befleissigen, sind jene Seelen, welche wenn „sie sich von ihren Körpern trennen, zum Stufenrange der Engel „sich emporschwingen (dies ist ihr Paradies) und Glückselig„keit erlangen und von der Hyle erlöst werden, die drei Ver„zweigungen hat, namlich Lange, Breite und Höhe; sie schwin„gen sich empor auf den Stufen der Paradiese und ihren „acht Ordnungen, deren jede einzelne so weit ist wie Himmel „und Erde. Die Seelen derer, die zum Verstandnis jener Wahr„heiten und zur Erkenntnis jener Geheimnisse nicht geleitet „werden, jedooh die gerechte Sunna und die ausserlichen Ge„setze üben, werden bei der Trennung von ihren Körpern in „menschlicher Form aufbewahrt bis es ihnen gestattet wird „auf den sirat mustakim zu schreiten (der ins Paradies führt)" 2). Also nur jene gelangen im Jenseits zu voller Glückseligkeit, 1) Dasselbe lassen die Lauteren in vThier und Mensch" u. s. w. 7 in bezug auf Sure 95 v. 4 durch den Anwalt der Tiere aussprechen: „Die himmlischen Bücher haben Auslegungen und Erklarungen, die verschieden sind von dem, worauf das Sichtbare ihrer Worte deutet; jene kennen nur die festen Fuss im Wissen fassen". 2) Ichviün IV 189. 193 die die wirkliche Wahrheit von Schrift und Gesetz in ihrem allegorischen Sinn erfasst haben. Die ausserlichen irpó&ic xyot^xï allein bewirken keine volle Scheidung von der Körperlichkeit; sie führen die Tugendhaften in eine Art Vorparadies, in welchem sie erst die Eignung und Würdigkeit zum dereinstigen Eintritt in die Heimat der Seligen zu erstreben haben In einem leider in sehr mangelhafter Textgestaltung zuganglichen Lehrgedicht, das mit den Koranworten (54 v. 1) beginnt: „Die Stunde naht — es spaltet sich der Mond" haben die Lauteren die Hauptsachen der von ihnen gelehrten religiösen Anschauungen zusammengefasst; ein Kommentar dieses zuweilen recht dunkeln Lehrgedichtes ergabe die Darstellung ihrer hauptsachlichsten Lehrstücke über Tod und Rückkehr, über die Bedeutung der Zahlenverhaltnisse in den religiösen Beziehungèn, die geheimnisvolle Bedeutung der an der Spitze einiger Koransuren stehenden zusammenhanglosen Buchstaben u. a. m. .Dazu gehort auch die Frage: „Was sind die Dinge, deren Kunde (abna'uha 1. anba'uha) verborgen ist vor den nur den ausseren Wortsinn Erfassenden {al-zakirijjüna), die so dumm sind, wie die Esel f"2). Darauf folgt eine Aufzahlung religiöser Legenden, die -im Sinne der „Lauteren" in allegorischer Weise zu verstehen seien. Einige Beispiele: Was ist die Bedeutung der Schlange und des Pfauen, die dem verdammten Iblïs (in der Verführung Adams) halfen? Was ist der Sinn des Weizens, der unter allen Pflanzen und Krautern dem Adam verboten wurde? Was bedeutet es, wenn es heisst, dass ihm, nachdem er davon genossen hatte, seine vorher verdeckte Blösse offenbar wurde? Wie ist dies zu verstehen, dass der Rabe den Kabil (Kajin) lehrte, wie er den getöteten Bruder begraben solle? Was bedeutet das Feuer, das für den (durch Nimrod in den Feuerofen geworfenen) Abraham zur Labung und zum Heil wurde? Was der Vogel, den Gott 1) Buch vom Wesen der Seele 61*. 2) Ichwan IV 192, 8 ff. 13 194 für ihn wieder belebte, nachdem er getötet ward? Was ist der Sinn der Sintflut und der Arche mit ihren Planken und Nieten? Was bedeutet das Oberhemd Josefs und der Wolf (der den Josef gefressen haben soll) ? und das lügnerische Blut, das sie dem Jakob vorzeigten? und die Grube, in die Josef geworfen wurde; der Beweis, der ihm (bei dem verführerischen Versuch der Agypterin) erschien und das Gefangnis, in das er gesperrt ward u. s. w. u. s. w. ? Was bedeuten das Siegel und der Stab des Salomo, was der Vogel und seine Rede? Was versinnbildlicht Jonas und der Walnsch, der ihn verschlang? was der Schlaf der Höhlenleute (Siebenschlafer) und ihr Erwachen und ihr Hund ? Was ist unter dem Wall von Gog und Magog zu verstehen? Wie sollen wir das Aufgehen der Sonne im Westen (am Tage des Gerichts) deuten ? u. a. m. Die Antworten werden nicht erteilt. Das sind wohl die Geheimnisse, die die „Lauteren" für die Auserwahltesten ihres Bundes aufsparen, die sie vor ihrer Preisgebung warnen. „Mein Bruder!" — so schliessen sie — „diese Verse und die darin aufgeworfenen Fragen sind eine Anleitung für jene, die sich zur Lauterung ihrer Sitten heranbilden und ein Hinweis für jene, die sich in der Wissenschaft von der Seele erziehen, auf die prophetischen Geheimnisse und auf die in den gesetzlichen Feststellungen enthaltenen Andeutungen. Keiner unserer Brüder soll eine Antwort geben, wenn er darüber befragt wird, es sei denn solchen Leuten, die ihre Seele bereits gelautert und ihre Sitten bereits veredelt haben. Denn der die Seele bedeckende Rost und die Rohheit ihrer Sitten sind ein Hindernis im Erfassen dieser Lehren". Die aufgeworfenen Fragen zeigen jedoch zur Genüge, dass in diesem Kreise eine philonische Exegese betrieben wurde, durch die die Objekte der koranischen Erzahlungen zu abstrakten Begriffen umgedeutet wurden. Der aussere Wortsinn bleibt als makrU', als masmüc, als „Gelesenes" und „Gehörtes" bestehen. Die Wahrheit liegt tiefer, sie ist das mafkül, das unter dem Sinnlichen steckende „intelligibile". Dies ist nicht für alle Welt verstandlich. Jedoch tun sie nicht 195 immer so geheimniskramerisch. Sie sprechen sich manchmal offen aus, wenn sie glauben, wegen der Einfachkeit und Zuganglichkeit ihrer Gedanken auch von Initiierten tieferer Grade oder selbst von Aussenstehenden verstanden werden zu können. Ihre allegorische Erklarung macht in solchen Fallen zuweilen den Eindruck midraschartiger Auslegung, wie z.B. in ihrer Ausdeutung von Sure 13 v. 18, einer Parabel, die vielleicht unter dem latenten Einfluss der Gleichnisreden in den synoptischen Evangeliën steht: „Er sendet vom Himmel Wasser herab und es stromen Bache nach ihrer Menge und der Wildstrom führt aufschwellenden Schaum mit sich; und aus dem, worüber sie im Feuer brennen lassen (d. h. was sie schmelzen) im Verlangen nach Schmuck und Hausrat, entsteht ahnlicher Schaum. Ebenso pragt Gott (das Gleichnis) der Wahrheit und des Nichtigen. Der Schaum namlich vergeht in Blasen; hingegen was den Menschen nützlich ist, bleibt auf der Erde bestehen". Der Text, der selbst von Gleichnissen redet, ladt hier zum Allegorisieren ein. Wenn ich die Auslegung, die diese Stelle bei den Lauteren findet, als midrascAartig bezeichne, schwebt mir dabei der Umstand vor, dass auch in diesem Kreis der Schrifterklarung Wasser und Regen gerne auf die Thora gedeutet werden. Heisst es ja: „es traufle wie Regen meine Lehre (Deut. 32 v. 2)". „O ihr Durstigen alle, kommet zum Wasser (Jes. 55 v. 1)" '). Die Lauteren erklaren nun2): „Er sendet vom Himmel Wasser herab", d. i. der Koran; „und es stromen Bache nach ihrer Menge", d. i. dass die Koran worte in die Herzen je nach deren Empfanglichkeit in grösserem oder geringerem Masze einströmen; „der Strom führt schwellenden Schaum mit sich", d. i. der aussere Wortsinn, den die Irrenden und Zweifelnden in ihre Herzen schliessen; „der Schaum vergeht in Blasen", d. i. die Irrtümer und falschen Vorstellungen, die mit dem Gottes- 1) b. Tafanïth 6a n. ö. 2) Ichwan IV 148. 196 wort verbunden werden, haben keinen Bestand; Bestand hat nur „was den Menschen nützlich ist", das richtige Verstandnis und der wahre Sinn der Offenbarung" '). Die „Lauteren" erstrecken ihre Ailegorese nicht nur auf die heiligen Erzahlungen, sondern auch auf die rituellen und gesetzgebenden Teile der Religion. „Was in ihren Handen ist von den Nachrichten ihrer Propheten und was in den Verordnungen ihrer Gesetze an Festsetzungen, Regeln und Beispielen enthalten ist, sind lauter Andeutungen für die Seele, damit sie sich dessen erinnere, was sie von den Dingen ihres Ursprunges und ihrer Rückkehr vernachlassigt hat. Dazu gehören z.B. die Maszbestimmungen in den (ïeligiösen) Pflichten nach bestimmten Zahlenverhaltnissen; die Gesetze der Propheten nach bestimmten Bedingungen; ihre Ausübung zu bestimmten Zeiten und in gewissen Richtungen gleich- viel ob solché Gesetze in der Thora, im Evangelium oder im Koran stehen; alles dies ist symbolische Vergegenwartigung von Wahrheiten und Gedanken über die Bestimmung der Seele". Ja selbst in den Formalitaten der heidnischen Religionen finden sie solche symbolische Werte, die jedoch ihren Bekennern unbekannt sind. Nur durch das glaubige Erfassen dieser Symbolik wird die Seele gelautert. Im Anfang sollen die Menschen diese Lehren glaubig hinnehmen, ohne nach den Beweisen derselben zu fragen; im Masze des Fortschrittes {tadrïdsch) der stüfenweisen Initiation werden ihnen auch die tieferliegenden Begründungen nach und nach erlautert 2). Es ist wahrscheinlich, dass Ghazalï neben den sektiererischen Batiniten auch die Leute vom Bund der „Lauteren", deren philosophische Bedeutung er sehr tief bewertete 3), im Auge hat, wenn er gegen die Anschauung der Philosophen 1) Fast dieselbe Deutung teilt „im Namen des Ibn cAbbSs" Suhrawardl mit; -Aw3rif al-mcfarif, Kap. 48 (III 255). 2) Ichwan IV 102. 3) Er nennt sie hauhaviijjat al-falasifa (etwa: seichte Popularphilosöphen) Munkid (Kairo 1309) 19, 18. 197 ankampft, die die Auferweckung der Toten als das Schwiriden der Unwissenheit durch die belebende Wirkung des Wissens l) erklaren und das Verschlingen des Stabes der agyptischen Zauberer durch den des Moses als Allegorie dafür auslegen, dass Möses die Zweifel der Leugnenden durch unwiderlegbare göttliche Argumente zunichte machte. Solche Exegese ehtspricht ja der allegoristischen Art des basrischen Denkerbundes. Damit hat aber Ghazalï nicht alles den schlichten Wortsinn überschreitende tiefere Eindringen in die Bedeutung der heiligen Texte rundweg abgelehnt. Auch er fordert für die Berufenen das Durchbrechen der Oberflache der Koranworte und weiss aus den Aussprüchen gleichgesinnter Manner früherer Zeitalter Belege dafür beizubringen, dass „das Verstandnis des Korans einen breiten, weitausgreifenden Spielraum bietet und dass der durch das Überlieferte dargestelltè. ausserliche Sinn nicht das Endziel des Verstandnisses darstelle"2). In bezug auf 7 v. 16 (wo von der Schwierigkeit sich Gott dankbar zu erweisen die Rede ist) sagt er, dass zum. Verstandnis dieser Worte unzahlige Kentnisse nötig sind, deren erste Anfange nicht wahrend eines ganzen Menschenlebens erschöpft werden konnten. „Das Tafsïr des Verses und das Verstandnis seiner Worte kann allerdings jeder Sprachkenner erreichen. Man versteht dadurch den Unterschied zwischen wahrem Verstandnis (macna) und blossem tafsïr" 3). Dié gegen die subjektive Interpretation gerichteten Interdikte (oben S. SS ff-) können unmöglich dahin verstanden werden, dass man sich mit gebundenen Handen den aus früheren Generationen überkommenen Erklarungen ausliefere und aller Selbstandige keit und unabhangiger Ergründung (istinbat, istiklal) entsage. Die grössten Autoritaten der traditionellen Exegese, wie Ibn 1) Bei den Gnostikern „Einführung in das pneumatische Pleroma", Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte* I 289. 2) Ihja 1 275, 2 ff. 3) Ibid. IV 92, 7 v. u, 198 cAbbas, Ibn Mascnd und andere „Gefahrten" haben ja selbst nur ihre subjektiven Meinungen in der Koranerklarung ausgesprochen; nur in einzelnen Fallen können sie sich auf Feststellungen des Propheten berufen. Daraus würde gefolgert werden können, dass die Erklarungen dieser Autoritaten als willkürliches tafsïr verworfen werden müssten. Abgesehen von den spater entstandenen Sprüchen, in welchen vom batin (Innern) des Korans gesprochen wird, fordere der Koran selbst das über das Gehörte (masmïf) und Überlieferte (mankul) hinausgehende tiefere Eindringen in den Sinn des göttlichen Willens '). Wenn Ibn Mas°üd sagt: „Wer das Wissen der frühesten und der spateren Geschlechter erfassen will, der möge über den Koran sinnen", so kann dies durch den ausseren Sinn durchaus nicht erreicht werden. Alles Wissen ist in der Erkenntnis des Wesens, der Werke und der Attribute Gottes inbegriffen; dies fast grenzenlose Wissen ist in seinen allgemeinen Grundzügen (madschamic) im Koran enthalten; er gibt Andeutungen und Hinweisungen (rumüz wa-dalalat) auf alle damit zusammenhangenden Probleme; Aufgabe der Erklarung ist es, durch Vertiefung in die Einzelheiten (al-tacammuk ft tafsïlihï) jenes weite Wissen aus dem heiligen Buche zu erschliessen. Die Verpönung der subjektiven (bil-ra'j) Erklarungen bezieht sich lediglich auf tendentiöse Ausnutzung des Korans für dogmatische Parteithesen, und auf willkürliches Allegorisieren, an dessen Wahrheitswert dessen Urheber selbst nicht glauben. Die Forderung, sich an die traditionelle Erklarung zu halten, bezwecke anderseits das Festhalten an der überkommenen Deutung des grammatischen Gefüges und der lexikalischen Bedeutung der Worte 2). Daraus sind subjektive Einfalle ausgeschlossen und dabei ist ausschliesslich das schlichte arabisch-philologische Verstandnis (zahir al^arabijja) maszgebend. Jenseits dieser ausserlichen Momente stehe der innere 1) Sure 4 v. 85 jastanbitunahu. 2) Ihja I 276—278, wo viele • Beispiele angeführt sind. 199 Sinn, die Geheimnisse (asrar) des Korans, die durch tieferes Eindringen erforscht werden müssen. Dadurch wird kein Widerspruch gegen den Wortsinn hervorgerufen, vielmehr eine Vervollstandigung (istiktnal) desselben und ein Vordringen zu seinem Kern (wusül ila lubabihï] bewirkt Aus der hier nur im Auszuge mitgeteilten Gedankenentwickelung des Ghazalï folgt, dass er der mystischen Koranerklarung das Wort redet. Diese will er freilich nicht bis zur allegorischen Exegese fortschreiten lassen. . Jedoch auch in dieser Frage bekundet sich, selbst bei Berücksichtigung der inneren Entwickelung Ghazalï's, die ja Unstimmigkeiten zwischen verschiedenen Phasen seines Lebens erklaren könnte, der Mangel an Einheitlichkeit und Geschlossenheit in seinen Gedankenordnungen. Wahrend er einerseits, selbst in den spaten Stadiën seines Lebensganges, die in der Tradition nicht begründete allegorische Auslegung religiöser Texte und Vorstellungen entschieden ablehnt, macht er derselben anderseits ganz wesentliche Zugestandnisse. Sure 13 v. 18 fasst er z. B. — freilich mit Berufung auf altere Tradition 2) — fast ebenso auf, wie wir dies von den „Lauteren" soeben erfahren haben 3). Zumal in seinen als esoterisch gedachten mystischen Werken übt er die Allegorese in reichlichem Masze und mehrere seiner kleinen Schriften sind ja geradezu solchen Deutungen religiöser Vorstellungen gewidmet. In seiner Schrift über die „Nische der Lichter", in der er auf die Allegorisierung des Licht verses (oben S. 183—4) eingeht, deutet er den Befehl Gottes an Moses, dass er „seine beiden Schuhe ausziehe, da er sich im geheiligten Tal befinde" (Sure 2 v. 12) dahin, dass wer sich in die Erfassung der wahren Einheit versenken wolle, den Gedanken an beide 1) Ibidi 278, 7 v. u. 2) Ihja I IOI, 20. 3) Vgl. Streitschrift u. s. w. 28, Anm. 2. Die allegorische Erklarung des Traditionsspruches vom Engel, der in kein Haus eintritt, in dem sich ein Hund befindet, auch Ihja I 48, 4 v. u. 200 Existenzen, an den der diesseitigen und den der jenseitigen, aus seiner Seele verbannen müsse'); eine Deutung, die durch die gesamte Literatur der Mystik des Islams zieht 2) und für die Arthur Christensen eine Reihe treffender BeK spiele aus der persischen Söfïlitteratur 3) nachgewiesen hat 4). Namentlich in bezug auf die eschatologischen Vorstellungen lehnt sich Ghazalï gegen allegorische Deutungen auf. In Schriften aus den verschiedenen Perioden seines Entwicklungsganges 5), unter seinen spateren Werken besonders auch im vierten Teil des Ihja (Buch X, bab 7) fasst er die auf Gericht und jenseitige Dinge bezüglichen Traditionen in völlig sinnlicher Weise auf. Und in seinem speziell der Eschatologie gewidmeten Traktat °) verwehrt er sich in überaus deutlicher Wèise gegen Versuche, auf das über die letzten Dinge Überlieferte allegorische Erklarungen anzuwenden und den Wortlaut seiner sinnlichen Deutung zu entziehen. „Am Tage, da der Schenkel aufgedeckt wird und sie zur Niederwerfung gerufen werden, und sie (die Unglaubigen) vermogen es nicht" (68 v.42). Dazu im Hadith: „Gott deckt seinen Schenkel auf und alle glaubigen Manner und Frauen fallen anbetend zu Boden". „Ich verschone mich — sagt Ghazalï — von der allegorischen Erklarung dieses Hadith und wende mich ab . 1) Mischkat al-anwar (Kairo 1322) 33. 2) vgl- Kuschejrï, Risala 30, 5 v. u. die Weltverneinung habe sowohl Diesseits als auch Jenseits zum Objekt [al-tachalll min al-kaunejn); Süfïsprüche über Gleichgiltigkeit der dunja und der achira auch Ihja IV 347, uit. 348, 7. S. die Anmerkung Jacob's zu H. Thorning, Beitrdge zur Kenntnis des islamischen Vereinswesens (Türkisphe Bibliothek XVI) 184. 3) In der türkischen Saftlitteratur wiederholt in den Gedichten des 'Askarl in Jacob, Tïirhisches Hil/siuch3 61, 6; 70 penult. 4) Recherches sur les RubaHjal de "Omar May yam (Heidelberg 1905) 108. 5) Vgl. die in Streitschr. d. Gh. gegen die Batinijja-Sekte 70 gesammelten Stellen. 6) La Perleprécieuse de Gh., ed. Lucien Gautier (Genf 1*78) 69-70. Die Aüthentie dieser Schrift, deren Text überdies in schwankender Weise überliefert sei und Interpolationen erfahren habe, wird von der mu.slimisehen Kritik vielfach bezweifelt; Ibn Hadschar al-Hejtami, FatUwi haduhijja (Kairo 1307) 121, der die Echtheit verteidigt. 201 von denen, die es misbilligen; ebenso verschone ich mich in bezug auf die Wage (mïzan), auf der im jüngsten Gericht die Taten der Menschen gewogen werden, und weise als falsch zurück die Meinung derer, die sie als Sinnbild erklaren". In diesen Fragen hat sich — sagt er anderswo — eine Gruppe von Leuten in Tiefsinn eingelassen und hat Überlieferungen über jenseitige Dinge, wie z.B. die Wage, die Brücke (sirat) und anderes allegorisch gedeutet; dies ist Irrlehre (bidca), da man sich dabei auf traditionelle Erklarungen nicht berufen könnte und die wörtliche (aussere, zahir) Deutung nicht absurd ist1); demnach muss an letzterer festgehalten werden"2). Jedoch er selbst ist es, der diesem entschiedenen Urteil widerspricht. Fast in demselben Atemzuge, in dem er die wörtliche Auffassung solcher Traditionen fordert, scheint er, wenn ich ihn recht verstehe, für die intuitive Erkenntnis (cilm al-mukaschafa) die mystische Deutung einiger Einzelheiten derselben zuzulassen3). Und er hat sie auch selbst geübt. Wir haben soeben gesehen, dass er zur wörtlichen Auffassung des Sirat verpflichtet und eine sinnbildliche Deutung desselben als bidca brandmarkt. Die wörtliche Deutung fordert den Glauben an das Vorhandensein einer Brücke so fein wie ein Haar und so scharf wie ein Schwert, die Scheidelinie zwischen Paradies und Hölle. Die zur Seligkeit Bestimmten gleiten über dieselbe mit der Schnelligkeit des Blitzes ins Paradies hinüber; die Verdammten können nicht Fuss daran fassen und stürzen gleich beim Betreten derselben jahlings in den Höllenpfuhl. Wir wollen nun die dem wörtlichen Sinn der traditionellen Vorstellung vom Sirat gewiss nicht entsprechende Auffassung des Ghazalï in seinen eigenen Worten erfahren: „Der Sirat ist Wahrheit. Man beschreibt ihn, dass er so dünn wie ein Haar sei. Damit tut man ihm Unrecht; 1) Streitschrift u. s.w. 70, Anm. 4—6. 2) Ihja I 101, 11 u. In der Tat werden diese Dinge ibid. "I 114 im Sinne des zahir dehniert. 3) Ihja I 103, 13 ff. 202 denn er ist feiner als «in Haar; ja seine Feinheit kann mit der des Haares ebensowenig in ein Verhaltnis gesetzt werden, wie seine Scharfe mit der des Schwertes. Denn an Dünne ist diese Brücke mit der der mathematischen Linie zu vergleichen, die die Sonne vom Schatten trennt und weder zur Sonne noch zum Schatten gehort". Unter dieser Brücke ist der im Koran den Glaubigen empfohlene und von ihnen erbetene Sirat mustdkim, „der aufrechte Weg" („Leite uns auf den aufrechten Weg" in der Fatiha ü. a. m.) zu verstehen; das ist in bezug auf jede ethische Eigenschaft der von den beiden Extremen gleich entfernte Mittelweg (die y^snÓTYiq des Aristoteles'). Dieser mittlere Punkt allein bewahrt den Menschen vor Verderben. Stellen wir uns einen durch Feuer erhitzten eisernen Ring vor, in den eine Ameise hineinfallt; will. sie vor Verbrennen geschützt sein, muss sie in den Mittelpunkt des Kreises sich flüchten, der gleich weit von jedem Punkte der glühenden Peripherie entfernt ist. So müsse der Mensch, um sein sittliches Wohl zu bewahren, die Mitte halten zwischen zwei Extremen und zu keiner der letzteren hinneigen. Diese Haltung ist wohl den Erigeln möglich; aber dem Menschen ist sie hier auf Erden nicht erreichbar; wohl aber müsse sein Streben immerhm darauf gerichtet sein. Darum wird die Brücke, die mit dieser ^sjórttg zu identifizieren ist, als dünner denn ein Haar beschrieben. Sie ist im Raume nicht messbar, ebensowenig wie die mathematische Linie zwischen Sonne und Schatten. Der Mensch, der auf dieser Linie nicht Fuss fassen kann, weil sie keine Breite hat, stürzt nun notwendig in die Hölle. Wem es aber gelingt, die Schwierigkeiten dieser Mittellinie zu besiegen, gelangt ins Paradies" 2). Wir sehen, wie Ghazalï, 1) Wie die muhammedanischen Theologen diese Anschauung in Koranverse und Hadlth-Spruche hineinlegten und sie besonders im Sirat mustakïm der Fatiha ausgedrückt gefunden haben s. Muhamm. Studiën II 397 ff. 2) Madnün kablr (im Ghazalï-SammelbSndchen, ed. Ahmed al-Babï al-Halabï, Kairo 1309) 25 (worauf auch Carra de Vaux, Gazalï [Paris 1902] 107 nach der Bombayer Ausgabe kurz hinweist). Wir finden (mit W. H. T. G air dn er, Der Islam V 136) keinen Grund die Authentie dieses Traktates zu bezweifeln, und 203 den seine Gegner nicht mit Unrecht beschuldigen, dass er (besonders in seinem Werke Dschawahir al-Kur'an ')) dem Koran Gedanken griechischer Philosophie als inneren Sinn (batin) unterlegt 2), in seiner Umdeutung der islamischen CinvatVorstellung zu einem Gedanken der nikomachischen Ethik3), die an die Spitze derselben gesetzten Worte versteht: „der Sirat ist Wahrheit". Einen ahnlichen Weg 4) beschreitet er in seiner Auffassung einer anderen eschatologischen Tradition, der der schafaca, Fürsprache zugunsten der Rechtglaubigen, durch welche der Prophet die Milderung des über sie durch Gott verhangten Urteils bewirkt. Wir haben (oben S. 169 ff.) mussen uns an die Widersprüche zwischen den in den allgemein-theologischen und den esoterisch-mystischen Schriften vorgetragenen Lehren des Ghazalï gewöhnen. 1) Brockelman I 421 nr. 1; seither gedruckt (Dschawahir al-K. wa-durariehSj Bombay 1311). 2) Ibn Tejmijja, Dschawah ahl al-iman u. s. w. (ed. Nacasanï, matb. Takaddum, Kairo 1322) f6 unten; eine sehr bemerkenswerte Beurteilung des Gh. von gegnerischer Seite. Nach seinen misglückten Spekulationen sei er „am Ende seines Lebens schüesslich zum Lesen des Bucharï und Muslim zurückgekehrt" (ibid. 78, i). Auch dem alternden Fachr al-dln al-RSzI mutet derselbe Ibn Tejmijja die Verleugnung seines philosophischen Lebenswerkes zu (Tafsïr sürat al-ichlas [Kairo 1323] 65); er habe „am Ende seines Lebens" gesagt: „Ich habe die Methoden des Kalam und die Pfade der Philosophen erwogen und nicht gefunden, dass sie einen Kranken heilen oder einen Durstigen laben können; ich habe gefunden, dass der nachste Weg der des Korans sei Wer meine Erfahrungen erprobt, wird zu meiner Erkenntnis gelangen". Vgl. ahnliche Beispiele in „Stellung der alten islamischen Orthodoxie zu den antiken Wissenschaften" 13. 3) Ein anderes Beispiel für hellenistische Deutung von Koranversen bietet seine Darstellung des Verhïltnisses der dianoëtischen zu den ethischen Tugenden. Es sei in 35 v. 11 angedeutet: „Zu ihm (Allah) steigt empor das gute Wort und die tugendhafte Tat, er erhebt sie"; al-kalim al-tajjib (das gute Wort) drücke für den tieferen Forscher das Wissen aus, dies steigt empor und nimmt eine hohe Stelle ein. Die Werke sind wie die Diener des Wissens, die es in die Höhe tragen. Darin sei ein Hinweis auf die höhere Rangstufe des Wissens vor dem ethischen Handeln geboten (Mïzan al-amal [Kairo 1328] 18). Diese Distinktion (nó&*\mx tSv Soyiuxrwv und icfócéfiic; aye&ecl, Harnack, Dogmengeschichte* 440) wird von Anderen auch in die Fatiha hineingetragen (vgl. Buch vom Wesen der Seele 58»). 4) Unter einen ahnlichen Gesichtspunkt scheint er nach den Vergleichungen im Ihja IV 344 (ganz unten) auch den Glauben an die Wundertatergabe (karamaf) der Heiligen zu stellen, den er ibid. I 233 ff. fordert. 204 erfahren, dass die Muctaziliten diese von den Orthodoxen noch über den Propheten hinaus erweiterte Vorstellung prinzipiell ablehnen. „Die Fürsprache der Propheten und Heiligen — sagt Ghazalï — ist der Ausdruck für ein Licht, das aus der göttlichen Majestat auf die prophetische Substanz ausstrahlt und von dieser sich auf jede Substanz verbreitet, die in einer festen Beziehung zur prophetischen steht durch starke Liebe und dauerndes Festhalten an den (durch die Propheten eingesetzten) religiösen Brauchen und durch die Haufigkeit der mit der Lobpreisung des Propheten verbundenen andachtigen Übungen. Ein Gleichnis dafür ist folgendes: Wenn der Sonnenstrahl auf Wasser fallt, só refiektiert er sich von hier auf einen bestimmten Punkt einer (gegenüberstehenden) Wand, nicht auf alle Punkte derselben: nur auf jenen bestimmten Punkt, der in einem örtlichen Verhaltnis zum Wasser steht, wahrend dieses (Verhaltnis) zwischen dem Wasser und den übrigen Punkteh der Wand nicht obwaltet. Wenn du namlich eine gerade Linie von diesem Punkte der Wand auf jene Stelle im Wasser ziehst, auf welche das Sonnenlicht gefallen ist, so entsteht dadurch ein Winkel, der jenem Winkel gleich ist, den eine zwischen diesem Punkte und der Sonnenscheibe gezogene gerade Linie bildet, nicht weiter und nicht enger. Diese Entsprechung gilt aber nur mit Bezug auf einen bestimmten Punkt der Wand. So wie nun diese mathematischen Verhaltnisse von bestimmten örtlichen Voraussetzungen in der Strahlenreflexion bedingt sind, ebenso fordern die ideellen Verhaltnisse spezielle Eignungen in bezug auf die ideellen Substanzen. Wer (in seinem Glaubensleben) von dem Begriff der göttlichen Einheit ■ völlig beherrscht wird und wessen (unmittelbares) Verhaltnis zur göttlichen Majestat stark gefestigt ist, auf den fallt das Licht ohne Vermittlung; wen die Befolgung der religiösen Brauche, die Nachfolge des Propheten und die 'Liebe seiner Getreuen beherrscht, dessen Fuss aber nicht festen Boden in der Beschaming der Gotteseinheit gefasst hat, dessen Verhaltnis (zum göttlichen Lichtstrahl) wird nur durch Mitteldinge hergestellt. Er erhalt den Lichtglanz nicht unmittelbar, sondern nur durch mittelbare Bestrahlung, so wie die Wand, die der Sonne nicht offén ausgesetzt ist „den Strahl nur vom Wasser erhalt, welches frei vor der Lichtquelle liegt". So — setzt Ghazalï auseinander — bedürfen abhangige Geister der Vermittlung, um des Glanzes der Glückseligkeit teilhaft zu werden. Diese Mittelstufen des dahin führenden religiösen Lebens nennt die religiöse Terminologie Fürsprache (schafaca), womit nicht gesagt sein will, dass 205 die Propheten für ihre Glaubigen ein materielies Wort éinlegen. Desr sen bedarf Gott nicht. Ihre Vermittlung ist in der Tatsache des Verhaltnisses der Glaubigen zu ihrer Lehre und ihrem Beispiel ausgedrückt. „Würde Gott den Propheten erlauben, auszusprechen, was von ihm ohnehin gewusst ist, so geschahe dies in Worten der Fürsprache. Und indem Gott das Wesen dieses Vermittlungsverhaltnisses in einer der sinnlichen Vorstellung zuganglichen Weise veranschaulichen will, tut er dies in Ausdrücken die von dem bei Fürsprachen gewohnten Vorgange entlehnt sind... In der Tat wird in den religiösen Traditionen die Würdigkeit zur Fürsprache von Akten der Devotion für den Propheten abhangig gemacht. Der wirkliche Sinn dieser Worte ist aber die Empfangnis des göttlichen Lichtstrahls durch Vermittlung seines von den Propheten ausgehenden Reflexes" 1). jedoch nicht nur in seinen mystischen Schriften betatigt Ghazalï allegorische Deutung religiöser Überlieferung. In einem ethischen Werke, das er noch vor seiner völligen Bekehrung zum Süfismus, allerdings bereits an der Pforte desselben stenend, verfasste, finden wir z.B. folgende Erklarung. Wenn irt einem bekannten Hadith vgelehrt wird: „der Glaube habe einige und siebzig Arten, deren geringste die ist, dass man schadlichen Anstoss aus dem Wege entferne", so lage nach seiner Ansicht der wahre, vom Propheten beabsichtigte Sinn dieses Spruches darin, dass die allererste Bedingung in der Beschreitung des Weges, dessen Hochziel die Einwirkung der göttlichen Gnade, die Einpragung der göttlichen Wahrheiten in die Seele des Menschen ist, (süfisch gedacht) die Lossagung von allen körperlichen Beziehungen, das Auslöschen der niedrigen Eigenschaften und sinnlichen Begierden sei. Dies sei der wahre Sinn des Wortes ada", Schaden. Das gewöhnliche Volk möge unter dem Weg einen beliebigen Pfad verstehen, von dem die schadigenden Dinge, Glassplitter, Kiesel, Knochen u. dgl. zu entfernen seien, damit der sorglos Vorüberschreitende daran nicht anstosse und Schaden nehme^ Für den tiefer Eindringenden kann aber dies nicht der wahre Sinn des Spruches sein. Ada" ist ein umfassender Begriff i) Madnun kabïr 19. 206 (zamm), und hatte Muhammed die besonderen (chass) Hindernisse gemeint, so hatte er sie bei ihrem Namen genannt. Ghazalï findet die Berechtigung zu solcher allegorischen Deutung in einem anderen Hadïthspruch: „Möge Gott frisch werden lassen das Antlitz eines Mannes, der meine Rede hört, sie in sich aufnimmt und sie dann weitergibt so wie er sie gehort hatte. Gar mancher Trager der Lehre ist selbst kein Verstandiger, und gar mancher tragt die Lehre zu jemandem, der vernünftiger ist als er" d. h. jener spricht das Wort aus und deutet es mechanisch seinem aussern Sinne nach; der Vernünftige, der es von ihm anhört, dringt in den wahren Sinn ein, der jenem verborgen ist l). Ghazalï hatte also weder Ursache den Avicenna-Anhangern wegen der geistigen Auffassung überweltlicher Vorgange, noch auch den Lauteren von Basra wegen ihrer Allegorisierung religiöser Traditionen gram zu sein. Seine Gegnerschaft gegen die Lauteren hat wohl mit ihren Grund in seiner Abneigung gegen popular-philosophischen Ra-, tionalismus. Auf seiner mystischen Lebensstufe — es war die letzte und definitive seines religiösen Entwicklungsganges — ist er von der Überzeugung durchdrungen, dass nicht philosophisches Klügeln sondern nur innerliche Seelenversenkung und Intuition das Antlitz der letzten Wahrheiten enthüllen könne. Darum konnte er nicht mit den Basrensern gehen, wenn auch ihrer beiden Wege oft zu denselben Ergebnissen fiihren. Die „Lauteren" sind ja doch immerhin spekulative Philosophen. Sie selbst wollen als solche betrachtet sein. So sehr es auch den Anschein hat, sind wir mit ihnen noch nicht in den Mittelpunkt der islamischen Mystik eingetreten. Nur eine der letzteren ausserlich ahnliche Erscheinung der religionsgeschichtlichen Entwicklung des Islams haben wir an ihnen kennen gelernt. Es wird weiter eine unserer Aufgaben sein, noch naher die i) Mïzan al-'amal 42. 207 Scheidelinie kennen zu lernen, welche die beiden religiösen Strömungen von einander trennt. 2. Die „Lauteren von Basra", deren exegetisches Verhaltnis zu den heiligen Texten Gegenstand unserer vorhergehen* den Betrachtung war, können in ihrer Lehre vom Vollkommenheitsziel des Menschen nicht auf eine Linie mit den Süfï's gestellt werden. Wohl sind beiden Kreisen gemeinsam die Voraussetzungen ihrer Theorien und gemeinsam sind ihnen teil weise die Mittel, durch die sie den Menschen das in verschiedener Weise aufgefasste Vollkommenheitsziel, das summum bonum erstreben lassen. Beiden gemeinsam ist, weil sie doch beide in Neuplatonismus und Gnostik wurzeln, die emanatistische Konstruktion des Weltalls; ferner die Überzeugung von der Wesenlosigkeit der Erscheinungswelt. Gemeinsam ist ferner beiden das Bestreben, durch Abstreifung des die Erkenntnis der Wahrheit verhüllenden materiellen Schleiers, die Seele aus den Banden der Materialitat zu erlösen und zu ihrer höheren Bestimmung emporzuheben. Dafür gilt beiden als förderliches Mittel die Askese, die Weltverneinung, „das Hinausstreben über die gesamte Wirklichkeit" % die intuitive Versenkung der Seele in die Tiefen der aufzunehmenden höchsten Wahrheit. Jedoch das Hochziel selbst wird von ihnen in von einander verschiedener Weise erfasst. Den „Lauteren" gilt — wenigstens für die leicht zuganglichen Stufen — als summum bonum, zu dessen Erreichung-jene Mittel dienen sollen, die Erhebung und Rückkehr (macad) der Individualseele zu ihrem reinen Quellborn: dies ist ihre Eschatologie. Im Leben streben sie, mit den griechischen Philosophen, als höchstes Ziel an: das Ahnlichwerden mit Gott durch die Philosophie, nach Mass- l) Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte* I 8ll, 18. 208 gabe der Kraft des Menschen. Richtige Süfï's begnügen sich damit nicht. Ihre Weltverneinung und Meditation hat zum Strebeziel das Aufheben des Individualbewusstseins und die völlige Absorption in der Gottesidee '). Dafür haben sie auch die Ironie der Menge zu leiden In der Bewahrung dieser Ssiwis sind. unter den Süfïs verschiedene Auffassungsarten zutage getreten. Den nur wenigen erreichbaren Höhepunkt bietet die JLehre des in Baghdad unter der Beschuldigung der Ketzerei 922 hingerichteten Halladsch, einer der merkwürdigsten Erscheinungen in der Geschichte der Theosophie im Islam. Er blieb nicht bei dem Absorptionsgedanken stehen. Er lehrte, und seine Schuier erblickten in ihm selbst die Bewahrheitung dieser Lehre, dass „der auf die höchste Stufe der Seelenvollkommenheit emporsteigende menschliche Geist den göttlichen Geist in sich aufnimmt durch das Einströmen des letzteren in den menschlichen Geist, wodurch ein so begnadeter Mensch zum Zeugen wird, den Gott erwahlt, um ihn gegenüber aller übrigen Kreatur zu vergegenwartigen"3). Also nicht mehr Absorption allein, sondern Infusion. So weit sind die Lauteren von Basra nicht mitgegangen. Ferner: die Weltanschauung der Épüft's führt zur völligen Indifferenz gegen die Interessen dieser Schattenwelt. Sie sind Quietisten. Ihre erziehende Tatigkeit beschrankt sich auf 1) Vorlesungen 31. 163. Vgl. die „reziproke Identitdtsformel" bei O. Weinreich, Arch. f. Relig. XIX 166 ff. Aus dem durch W. reichlich beigebrachten hellenistischen Material kann wohl die historische Anknüpfung des süfischen Vergottungsgedankens gefolgert werden. 4 2) „Wer dies nicht begreift — sag^ Ghazalï — misbilligt (dies Vorgeben) und spricht: ,Wie kann er von der Vernichtung (der Individualitat, faria) sprechen, wahrend er doch einen Schatten vier Ellen lang wirft und taglich vielleicht mehrere rutl Brod isst!' So werden sie von den Unwissenden verlacht, die den Sinn Ihrer Rede nicht begreifen. Es ist das unvermeidliche Schicksal der Rede der Erkennenden, dass sie die Zielscheibe des Spottes der Unwissenden sind", Ihja IV 84, 5 ff. — Darüber beklagt sich auch Ibn Sïna in bezug auf die Weltauffassung der 'arifün; sie sei „die Zielscheibe des Spottes des Oberflachlichen" (duhka lil-mughaffal) Al-Isharat uoal-tanbïhat (ed. Forget) 207, 5. 3) Der Islam IV 165 ff. 209 den engen Kreis der Leute, die sich ihnen anschliessen % Die Getreuen hingegen sind Propagandisten. Sie sind selbst an den staatlichen Umwalzungen, die ihr Zeitalter im Chalifate erlebt, nicht unbeteiligt. Sie verwerfen wohl — um eine auf anderem Gebiete von Harnack aufgestellte Antithese zu gebrauchen 2) — den m u n d u s, aber sie kümmern sich um das sae culum. Die bessere Einsicht in den abschliessenden Teil ihrer Abhandlungen bietet die sichersten Beweise dafür, dass sie die philosophischen Theoretiker der grossen politisch-religiösen Ismacïlijja-Bewegung waren, die sich in der Beunruhigung des cabbasidischen Chalifates durch die Karmaten und der Begründung des fatimidischen Chalifates in Nordafrika und Agypten kundgab. Diese Bewegungen wurzeln in der Steigerung der emanatistischen Weltbetrachtung zu der Lehre von der zyklisch eintretenden Verkörperung des Weltintellektes und der Weltseele. Der Begründer der fatimidischen Dynastie galt seinen Getreuen als Inkarnation des Weltintellektes für die mit seiner Erscheinung anhebende Weltperiode und seine vorausgesetzten Vorganger und seine Nachfolger waren Vergegenwartiger von zyklisch wiederkehrenden Ernanationssubstanzen, bis dass Enthusiasten dieser Theorien den verrückten Chalifen Hakim als Verkörperung Gottes selbst erfanden, wofür ihn die Drusen im Libanon noch heute halten. Die Lauteren steilten ihre Philosophie in den Dienst dieser durch die Ismacïlijja vertretenen gnostischen Politik. Auch in dieser wurden den Adepten die grundstürzenden Lehren in fortschreitender Initiationsabstufung eingeflösst. In den höheren Graden wurde die allegorische Auslegung der geoffenbarten Urkunden gelehrt, die auf der höchsten Stufe zur völligen Negation des Gesetzes fortschritt3). „Den Gebildeten reichte man — wie 1) Dies wird natürlich nur auf den alten ostislamischen Süfismus bezogen; die maghribinischen „Bruderschaften" gehören unter einen anderen Gesichtspunkt. 2) Der Geist der morgenlandischen Kirche im Unterschied von der abendlandischen (Sitzungsber. d. Preuss. Akademie der Wiss. 1913, p. 169). 3) Vgl. Streitschrift des Gazalï 23, Anm. 4. 14 210 P. Wendland von der Gnosis sagt — die feinere Speise der Theosophie, dem Pöbel das tagliche Brot des Aberglaubens" J). Man kann dem Eindrucke kaum entgehen, dass sich in diesem Einweihungs- und Initiationswesen die gleichen Vorgange der hellenistischen Mysterienkulte reflektieren, die durch die Forschungen Reitzensteins unserer Kenntnis naher gebracht worden sind. Es klafft, bei gemeinsamen Ausgangspunkten, doch ein himmelweiter Unterschied zwischen den Tendenzen und Zielen der beiden Kreise: von der einen Seite der propagandistisch tatigen Philosophen von Basra, von der andern der quietistisch beschaulichen Zeilen der Süfï-Leute. In ihren Resultaten ist ihnen, dort in bewusster, hier — so sehr sich auch viele gegen dies Zugestandnis auflehnen — in unbewusster Weise, die Zersetzung des rJositiven traditionellen Islams gemeinsam. Wir haben gesagt, dass sie sich teil weise auch in ihren Mitteln begegnen. Eines der einschneidendesten dieser Mittel ist die allegorische Schriftauslegung. Jedoch die Süfï's begnügen sich mit der allegorischen Schriftauslegung im Sinne Philo's, der ja in seiner alexandrinischen Studierstube seine ethischen Ziele nicht mit politischen Bestrebungen vermengte. Und zu der geistigen Sphare der Alexandriner müssen wir zurückschauen, wenn wir es mit allegorischer Schriftinterpretation im islamischen Kreise zu tun haben. Durch unsichtbare Gange wirkte ihre Betrachtungsweise religiöser Tatsachen und heiliger Traditionen Jahrhunderte nach ihrem Hervortreten in dieser geschichtlich spaten Schicht ihres Einflusses, dem islamischen Mystizismus, nach. Diese Einwirkung bekundet sich z.B. in folgender, in den süfischen Systemen sich als grundsatzlich erweisender und auch in ihrer Koranauslegung wirksamen Anschauungsweise. i) Die hellenistisch-römische Kultur in ihren Beziehungen zu Juden turn und Christentum (2—3 Aufl. Leipzig 1912) 168. 211 Die islamischen Mystiker arbeiten gern mit der Anschauung von einer zwiefachen Betatigung der einheitlichen göttlichen Fürsorge: einesteils als Macht, Ge walt (kahr), anderenteils als Gnade (lutf) «). Sie nennen diese beiden Modalitaten der göttlichen Manifestation auch einesteils dschalal (Majestat), anderenteils dschamal (Schönheit)2), um die Antithese durch lautlich anklingenden Ausdruck eindrucksvoller zu gestalten 3). Sie lassen dieselbe auch vielfach in die Definition der süfischen Stufen (makamdt) und Zustande (ahwal) einfliessen. Zu letzteren gehort z.B. Furcht (chauf) und Hoffnung (radscha) „die beiden Flügel (dschanahdn) des Gottinnigkeit, die beiden Faktoren, aus denen sich dieselbe erzeugt"4). Sie definiëren die Hoffnung als „die Beschauung des dschalal mit dem Auge des dschamal"3). In der psychologischen Analyse der Gottesliebe unterscheidet Ghazalï die Modalitaten dieses Seelenzustandes, je nachdem er aus der Beschauung des dschamal, oder der des dschalal hervorgeht °). Diese Antithese finden sie dann auch vielfach in koranischen Sprüchen, in deren Exegese sie mit Vorliebe herangezogen wird. Im Anschluss an 18 v. 2, wo eine zwiefache Absicht der göttlichen Verkündigung betont wird: „dass sie warne vor der schweren Strafe (li-jundira) und dass sie frohe Botschaft bringe (jubasschira)" erlautert der süfische Ausleger diesen doppelten Gesichtspunkt des göttlichen Waltens *), Den- 1) Vgl. Massignon, Kim al-Tawasln far. .. al-Halladj (Paris 1913) 88. 2) Masnavi, übersetzt von Whinfield 301; Hudschwtrï, übersetzt von Nicholson 177. 3) Das Bestreben die Identitat dieser zwei modi der Manifestation zu betonen s. Brockelmann II 334, nr. 7. 4) Sahl al-Tustarï veranschaulicht diese Erzeugung (minhum tatawallad haka-ik al-rman) durch geschlechtliche Qualifizierung jener beiden Faktoren. (Suhrawardï, 'Awarif. al-mafarif, Kap. 60, IV 301). 5) Suhrawardl ibid. IV 304: tujat al-dschaldl H-'ajn al-dschamal. 6) Ihja IV 327 (in ersterem Falie uns, Vertrautheit, in letzterem schauk, Sehnsucht). 7) Ibn al-'Arabï, Tafsïr I 195. 212 selben fïndet er auch noch an zahlreichen Koranstellen antithetisch oder alternativ ausgedrückt '). Die süfischen Korankommentare beachten die in den Koranstellen angewandten Epitheta der Gottheit stets mit peinlicher Aufmerksamkeit, um sie in die eine oder andere der oben erwahnten Kategorien einzuordnen und Motive dafür zu finden, warum an der einen Stelle Epitheta der Gewalt, an der anderen deren der Schönheit angewandt sind. — Wenn z.B. 23 v. 27 vom Gerichtstage gesagt wird: „Am Tage, da der Himmel sich mit den Wolken spaltet und die Engel herabgesandt werden; (28) die Herrschaft, die wahrhaftige, gehört an jenem Tage dem Barmherzigen (lil-Rahman)", so kann sich der Mystiker nicht ohne weiteres dabei beruhigen, dass bei solcher Manifestation der göttlichen Gewalt statt des „Barmherzigen" nicht Epitheta wie dem „Bezwingenden, Machtigen" (al-kahhar, al-cazïz) gebraucht sind. Er findet die Rechtfertigung darin, dass die milden Ausdrücke zur Beruhigung und Ermutigung des sonst der Verzweiflung verfallenden Menschen gebraucht werden, um anzudeuten, dass selbst inmitten der überwaltigendesten Ereignisse die Barmherzigkeit Gottes walten werde. — Dasselbe gelte von 19 v. 88, wo bei Beschreibung des Auferstehungstages Gott als Rahman bezeichnet wird. Das Gegenteil zeigt 5 v. 118. Gott befragt Jesus, ob er den Menschen befohlen habe, ihn und seine Mutter als göttliche Wesen neben Gott zu verehren. Jesus weist diese Voraussetzung mit Berufung auf die Allwissenheit Gottes zurück und fahrt fort: „Wenn du sie (die mir nach meinem Tode Göttlichkeit zueignen) bestrafst, so sind sie doch deine Diener; wenn du ihnen verzeihst, so bist du doch der Machtige und Weise". Neben der Sündenvergebung würde man nicht das 1) In den Fusüs al-hikam, Kap. II (I 42) und Kap. XV (II 129) findet Ibn al-cArabl diese beiden Potenzen angedeutet in den beiden Handen, mit denen Gott den Adam erschaffen hat (38 v. 75). 213 Epithet der Macht, sondern das der Barmherzigkeit erwarten. Jesus habe aber nicht das letztere angewandt, weil er durch die Anrufung der Barmherzigkeit Gottes gleichsam Fürbitte (schafaca) für die Unglaubigen eingelegt hatte, was er nicht für statthaft fand. Darum stellt er die Vergebung der souveranen Macht und Weisheit Gottes anheim '). In dieser Weise sucht die süfische Exegese bei jeder Gelegenheit die Motive dafür, dass der Koran bald die Manifestation der Macht 2), bald die der Gnade Gottes betont. Es ist auf den ersten Bliek zu erkennen, dass wir es dabei mit der Anschauung Philo's von den zwei im Logos ausgeglichenen ^wx/ieig des göttlichen Wesens zu tun haben: der o~v.vx(iic crvyxohxo-Tixiï (der das arabische kahr wörtlich entspricht) und der èvvxftii; %xpio-TiKti (wörtlich mit lutf übersetzt), die ihren Weg schon früher auch in die talmudische Theologie gefunden hatten als middath ha-dïn (Attribut der Gerechtigkeit) und middath ha-rachamim (Attribut der Barmherzigkeit), die sich in den beiden Gottesnamen Elöhïm und Jahveh differenzieren sollen. Die mystisch-allegorische Auslegung des Korans ist so alt wie der Süfismus selbst. Bevor man noch daran ging, die mystische Koranauslegung in grösserem systematischem Zusammenhange auszuführen, war in den auf Geheimlehren fahndenden Kreisen die allgemeine Überzeugung gefestigt, dass der Koran mem- in sich berge als was seine sichtbare Gestalt erkennen lasst und dass die darin für die Wissenden vorbehaltenen Wahrheiten in erhabener Höhe über der religiösen Betrachtungsweise der gewöhnlichen Muslime schweben, ja 1) Aus den Koranerklarungen des Mystikers Ahmed b. 'Omar Abu-l-Abbas al-Mursï (st. 1287), mitgeteilt in dessen Manakib von Ibn 'Ata Allah al-Iskenderï (a. R. der Lata'if al-minan von cAbd al-Wahhab al-Schacranï, Kairo, Mejmenijja, 1321) I 166—169 (Brockelmann II 118, nr. 15). 2) Die dieser Manifestation entsprechenderj Gottesnamen werden auch asma al-intikam genannt bei Ibn 'Ata Allah, Mi/tak al-falah wa-mhbah al-arwah (Brockelmann ibid. nr. 3; gleichialls a. R. der Lata'if al-minan, II 224). 214 sogar als dem einfachen, wenig komplizierten und auf das allgemeine Verstandnis berechneten Gottesworte widerstrebende gefahrliche Verdrehung desselben von ihnen hart verurteilt wurden. Sehr verbreitet und gerne zitiert ist der an 65 v. 12 („Allah ist es, der die sieben Himmel geschaffen hat und von der Erde ihresgleichen [an Zahl]; zwischen ihnen lasst sich der Befehl herab, damit ihr wisset, dass Allah alle Dinge mit Wissen umfasst") angelehnte Spruch des Ibn cAbbas: „Wenn ich euch die Erklarung dieses Verses mitteilte, würdet ihr mich steinigen (nach anderer Version: würdet ihr sagen, dass ich ein Kafir bin)" '). Auch dem cAlï wird ein an seine Söhne gerichteter ahnlicher Spruch zugeschrieben, den Ghazalï in versifizierter Form mitteilt: „Gar manche Wissensperle (besitze ich); wenn ich sie offen vorlegte, würde man sagen, dass ich zu den Götzendienern gehore und die Muslime würden mich für vogelfrei erklaren"2). Und selbst der bedachtige Bucharï hat einer auf Abü Hurejra zurückgeführten Ausserungin diesem Sinne die Aufnahme in seinen Traditionskanon nicht versagt: „Ich bewahre vom Propheten zwei Gefasse voller Belehrungen. Den Inhalt des einen habe ich der Offentlichkeit preisgegeben; würde ich den des anderen verbreiten, so würde man mir diese Speiseröhre hier durchschneiden" 3). In solchen Sprüchen wird der Widerwillen der am ausserlichen Haftenden gegen tiefsinnige Koranerklarungen bereits in die Anfange des Islams versetzt. Die Billigung (zumal die Urheberschaft) des Propheten und der besten Autoritaten sollen jedoch zugleich die Berechtigung jener Auslegungen 1) Vgl. Ihja I 99, 1 ff. IV 96, paenult. Von einem ungenannten Suft führt Ghazalï IV 298, 6 v. u. die Ausserung an: „Wenn der Mann in diesem Wissen das Ziel erreicht hat, bewirft ihn das Volk mit Steinen". 2) Minhadsch al-abidïn (Kairo, matb. Chejrijja 1306) 3, 13. 3) Kit. al-ilm nr. 42; vgl. DahabI, Tadk. huff. I 30, ZDMG L 488. Der Zusammenhang, h^dem der Spruch bei Ibn Sa'd II, n 118, 4; 119, 4 erscheint, liesse darauf schliessen, dass mit den der Offentlichkeit vorenthaltenen Mitteilungen Prophezeiungen böser Ereignisse der Zukunft gemeint sind, dieselbe Umdeutung wie Vorlesungen 197 (7 : 3). 215 für die tiefer dringenden Auserwahlten beurkunden. Nicht nur von Mystikern wird folgender Spruch des Propheten angeführt: „Jeder Vers des Korans hat ein Ausseres und ein Inneres (zahr wa-batn); jeder Ausdruck (kar/)' hat eine Grenze (hadd); von jeder Grenze gibt es einen Aufstieg (likulli haddin mutialac)" — wohl: zu höherem Verstandnis. Es ist selbstverstandlich, dass man diesen, in seinem letzten Teile J) nicht leicht verstandlichen Spruch auf die Zulassigkeit, ja das Erfordernis esoterischer Koranauslegung bezogen hat 2). Ahnliche Lehren unterstützen die im einzelnen sich betatigende süfische Koranexegese. Sie dienen ihr als Dokumente ihrer religiösen Berechtigung, als Beweise ihrer legitimen Stellung innerhalb des Bedürfnisses nach tieferem Eindringen in das Verstandnis des Gotteswortes. Im Verhaltnis zum fortschreitenden Ausbau der süfischen Systeme ist diese Bestrebung in einer umfangreichert Litteratur zu Worte gelangt, teils in den zu einzelnen mystischen Lehrpunkten beigebrachten Koranbeweisen, teils in systematischen, den Koran von Anfang bis zum Schluss der Reihenfolge nach behandelnden Tafsïrwerken. Der grösste Teil der alteren Litteratur dieser Gattung, deren frühestes Produkt der Korankomnientar des Saki al-Tustarï (st. 886 oder 896) zu sein scheint3), schlummert noch in Handschriften. In den folgenden Darlegungen werden wir die Beispiele dem markantesten und in islamischen Krei- 1) Er wird in der Nihaja s. v. hdd I 209 und s. v. tl' III 42 (und, wie gewöhnlich, von dorther im LA unter den WW. IV 115, X 109) mit verschiedenen Erklarungen angeführt. Vgl. dazu besonders für das Wort harf die scharfsinnige Erklarung von J. Weiss in ZDMG LX1V 363. Harf va. der weiten Anwendung von einem ganzen Spruch: „aKZuhri besitzt mit vorzüglichen Isnaden ungefahr 90 harf die er im Namen des Propheten tradiert und die ausser ihm sonst niemand besitzt" (Muslim IV 101 im Kit. al-ajman). 2) Suhrawardl 'Awarif al-ma'arif Kap. 2 (I 52) gibt dies Hadith, in dessen Isnad Philologen die Gewahrsmanner sind, mit verschiedenen Erklarungen. Im Ihja I 98, 9 v. u. kürzere Fassung. 3) Brockelmann I 190, wo Kairo Ia 143 nachzutragen ist; eingehendere Charakteristik ZDMG XL 768. Dieser Kommentar wird vom Kadi cIjad im Schifa haufig benutzt. 2l6 sen meist verbreiteten Werke der süfischen Tafsïrliteratur entnehmen, dem in wiederholten orientalischen Druckausgaben ') zuganglichen Tafsïr-Werk des aus Andalusien (Murcia) stammenden Mystikers Muhji al-din Ibn al-"Arabï (geb. 1165, st. 124P), der weitaus berühmtesten Erscheinung innerhalb des arabischen Süfitums. Er verliess in seinem 35. Lebensjahre seine westliche Heimat, um viele Jahre durch weite Gebiete der Islamwelt zu wandern, überall Adepten werbend für seine tiefgründigen Lehren, bis er sich schliesslich in Damaskus niederliess, wo am Fusse des Kasijünberges, als die eines der grössten Heiligen, seine Grabesstatte noch heute das Pilgerziel der frommen Verehrer seines Andenkens ist. Er hat seine Lehren in zahlreichen Werken vorgetragen. In einer idschaza2) (Überlieferungslizenz), die er einem Ejjübidenfürsten für seine. Werke erteilte, soll er 289 Titel aufgezahlt haben, die aber nur einen Teil seiner litterarischen Produktio n in Poesie und Prosa umfassen. Denn auch in poëtische Formen 3) hat er seine mystischen Gedanken vielfach zum Ausdruck gebracht. Vor einigen Jahren hat der bewahrte Kenner der islamischen Mystik, Professor Reynold A. Nicholson eine seiner in poëtische Form gekleideten Schriften „den Dolmetscher der Sehnsucht" mit englischer Übersetzung veröffentlicht *). Seine Schriften überströmen von maszloser Grossprecherei, die ja fast begreiflich ist bei einem Mann, den das Bewusstsein erfüllt, dass er seine Belehrung nicht nur aus dem Munde der ihm erschienenen Propheten und Engel, sondern aus unmit- 1) Wir benutzen hier die Ausgabe Kairo 1317. 2) Brockelmann I 442, nr. 1. 3) Vgl. M. Hartmann, Das arabische Strofhengcdicht, I (Weimar 1897) 25 f. 4) Terdjuman al-ashwaq, a collection of mystical odes (London 1911). Einen terdschunian (Dolmetsch) nennt er sich auch in den Fusüs al-hikam, Kap. 10 (Hüd, Kommentarausgabe II 44): „So wird dir die Sache klar durch die Zunge des Dolmetschers, sofern du begreifst; denn sie ist die Zunge der Wahrheit (Gottes); es versteht sie nur, wessen Verstandnis Wahrheit ist". 217 telbarer Kundgebung Gottes, die ihm wiederholt zuteil wurde, empfangen habe '). Er redet öfters von seinem Verkehr mit ihm 2). Am Schluss der hochtönenden Anpreisung der tiefen Wahrheiten seines im Jahre 595 (1199) innerhalb elf Ramadantage. verfassten Werkes, dem er mit Entlehnung des göttlichen Schwurobjektes in Sure 56 v. 74 den Titel „Untergangsstellen der Stern e" (mawaki" al-nudschüm) gab, versteigt er sich zu folgenden Worten: „Wem dies Buch in die Hand kommt, möge zu demselben, mit Gottes Beistand, Vertrauen haben, denn es ist von grossem Nutzen. Ich würde dir seinen hohen Rang nicht kundtun; jedoch ich habe Gott zweimal im Traum gesehen und da sagte er zu mir: ,Gib meinen Dienern (den Menschen) aufrichtige Belehrung' und hier ist eben die aufrichtigste Belehrung, die ich dir bieten kann" 3). Von derartiger Überschwanglichkeit sind seine Werke übervoll. Er halt sich eben für ëinen Inspirierten, mit tiefer prophetischer Einsicht Begabten. Er wagt sogar — nicht wenig Kühnheit in muslimischer Umgebung—die Behauptung: „Wir haben uns in ein Meer (oder: in Meere) versenkt, an dessen (oder: deren) Ufer die Propheten stehen geblieben sind"4), ohne ins Meer tauchen zu können 5). Er macht ja Anspruch auf den Rang des chatm al-wilaja, des Siegels der Heiligkeit 1) Kremer, Gesch. der herrschenden Ideen des Islam 103; Nicholson, A Literary History of the Arabs 399—403. 2) Darauf wird sich wohl die Zurechtweisung beziehen, die der Zeitgenosse des Ibn al-cArabf, der Mystikei Schihab al-dln 'Omar al-Suhrawardl, gegen Süfï's wendet, die einen unmittelbaren Verkehr mit Gott vorgeben ('Awarif al-ma'arif [Kap. 8] I 217). 3) Futühat makkijja (Kairo 1329) I 134, 16 ff. 4) chudna bahran (biharan) wakafat al-anbija bisahilihi (-ha). 5) Ich vermute, dass Ibn al-cArabl sich damit auf eine Stelle im Ihja (I 38, 19) bezieht, wo Ghazalï von der geheimen, in Büchern nicht verzeichneten Wissenschaft sagt, dass sie „das Meer sei, dessen Tiefe nicht erreicht werden kann; manchen ist js gegeben an seinen Ufern und Seiten zu schwarmen; nur die Propheten, die aulija und die im Wissen festen Fuss gefasst haben, sind je nach Maszgabe ihrer Rangstufen, ihrer Vernunftkrafte und der ihnen gewahrten göttlichen Bestimmung bis an seine Ufer gedrungen" (vgl. ibid. I 52, 3). Ibn al-'Arabl stellt sich in seiner oben angeführten Berühmung höher als diese. 218 (darin ist die gnostische Erleuchtung inbegriffen), die den Beruf und die Wirksamkeit des Prophetentums erganzt Trotzdem auch er in seinen Werken, freilich in mystischer Richtung, die Wege der Spekulation beschreitet, blickt er mit Geringschatzung auf jene herab, die glauben, die Erkenntnis der Wahrheit bloss durch begriffiiches Denken (fikr) erreichen zu können; sie sei vielmehr durch visionaren Aufschwung der Seele, durch unmittelbare Intuition zu erlangen. Er spricht gern davon, dass sein erleuchtëtes Wesen auch den Autoritaten der Spekulation imponi'eren müsse. In dieser Richtung ist wohl keine seiner Mitteilungen mehr charakteristisch, als die Erzahlung über seine Begegnung mit Averroës, dem grössten Philosophen seiner Zeit. „Ich besuchte — so erzahlt er wörtlich — eines Tages in Córdoba den Kadi Abu-l-Watid ibn. Ruschd. Nach allem, was er darüber erfuhr, welcher göttlicher Eröffnungen ich in meiner Einsamkeit teilhaftig wurde, liess er sein Erstaunen darüber merken und ausserte den Wunsch, mit mir persönlich zusammenzutreffen. Mein Vater, ein Freund des Kadi, sandte mich denn, um die gewünschte Zusammenkunft zu ermöglichen, unter irgend einem Vorwande zu ihm. Ich war zu jener Zeit ein Jüngling mit glattem Gesicht, noch keine Spur von sprossendem Backen- oder Schnurbart. Als ich bei ihm eintrat, erhob er sich liebevoll und verehrend von seinem Sitze, umarmte mich und sprach fragend das eine Wort: „Ja?" (nacam); ich antwortete „Ja!" Da steigerte sich seine Freude an mir, weil er merkte, dass ich sein Fragwort begriffen habe. Als ich nun ahnte, was ihm daran Freude bereitet, sagte ich zu ihm: „Nein". Hierauf wurde er mismutig und seine Farbe veranderte sich. Er begann namlich an seinen Erkenntnissen zu zweifeln und fragte: ,Wie habt i) Schon der alte Süfï al-Haktm al-Tirmiai (III. Jhd. d. H. Über sein Todesjahr s. Fr. Kern in Mi/teil. d. Semin. f. Or. Spr. XI/li 259) wagte zu behaupten, dass die uoilaja auf höherer Rangstufe stehe als das Frophetenamt; dafür wurde er als Kafir aus seiner Geburtsstadt ausgetrieben (Subkï, Tab. Schaf. II 20, 8 v. u.). 219 ihr die Sache durch Intuition und göttliche Emanation gefunden? Ist es dasselbe, was wir durch Spekulation ergründet haben ?' Darauf antwortete ich: Ja und Nein; und zwischen Ja und Nein entfliegen die Geister ihren Materiën und die Nacken ihren Körpern'. Da wurde sein Antlitz bleich und Schaudern ergriff' ihn und er setzte sich hin und rief: Nicht ist Macht und Kraft ausser bei Gott, dem erhabenen (juhauhil)\ Denn er begriff, was ich ihm andeutete; es war namlich genau dieselbe Frage, die jener grosse Kutb, der Heiier der Wunden (mudawï al-kulüm) erörtert hatte. Nachher bat er meinen Vater, mich mit ihm nochmals zusammentreffen zu lassen, damit er mir seine Gedanken vorlegen könne, um zu erfahren, ob sie mit den meinigen übereinstimmen oder ihnen widersprechen; denn er gehörte zu den Leuten des Denkens und des vernunftmassigen Ergründens und er dankte Gott dafür, dass er es erlebte, jemand sehen zu können, der in seine einsame Zelle als Unwissender eintrat und ohne jedes Studium oder Forschen oder Bücherwissenschaft aus derselben i mit solchen Erkenntnissen herauskam 1). ,Dies ist — sagte er — ein Zustand, dessen Möglichkeit wir zwar (a priori) zugaben, den uns aber die Erfahrung (bisher) nicht (als tatsachlich) bestatigen liess. Lob sei Gott dafür, dass ich in einer Zeit lebe, in der einer von den Leuten, an denen vsich dieser Zustand bewahrt, und die die Schlösser seiner Tore eröffnen, vorhanden ist und Lob sei Gott dafür, der mir den Vorzug gab, einen solchen sehen zu dürfen'. Spater einmal hatte ich den Wunsch, mit ihm wieder zusammenzutreffen. Da wurde er mir in einem Gesicht gezeigt, eine Gestalt, die eine schwache Scheidewand zwischen mir und ihm aufstellte; ich sah ihn durch dieselbe, er aber konnte mich nicht sehen und erkannte meinen Standort nicht, als ob er sich nicht mehr um mich kümmerte. Da dachte ich, er sei nicht befrièdigt davon, was wir treiben. Ich traf auch nicht mehr mit ihm zusammen bis i) Denselben Ausruf führt er 225, 16 v. u. mit Bezug auf sich anonyme an. 220 er starb und dies war im Jahre 595 (1198) in Marokko; er wurde zum Begrabnis nach Córdoba überführt. Als die Leichenbahre auf das Tier gesetzt wurde, legte man die Werke des Verstorbenen als Gleichgewicht auf die andere Seite; ich stand dabei und neben mir der feingebildete Fakïh Abu-1Husejn [Muhammed ibn Dschubejr ') und mein Freund, der Kopienschreiber Abu-l-Hakam cAmr ibn al-Sarradsch. Da wendete sich der letztere zu uns und sagte: ,Seht ihr, womit der Imam Ibn Ruschd auf seinem Reitzeug das Gleichgewicht erhalt? Hier ist der Imam und hier sind seine Taten, d. i. seine gelehrten Werke' .... Ich wollte dies zur Ermahnung und Erinnerung hier festlegen. Ausser mir ist jetzt niemand von jener Versammlung mehr am Leben" J). Gern spricht er von seinem Verkehr mit den abgeschiedenen Propheten und den von ihnen erhaltenen Belehrungen. „Du mögest wissen — erzahlt er 3) — dass mich Gott wahrend meines Aufenthaltes in Córdoba im Jahre 586 (1190) seine menschlichen Propheten und Gesandten von Adam bis Muhammed in einem Gesicht persönlich sehen liess. Da redete mich niemand von dieser Gesellschaft an als nur der Prophet Hüd, der mir die Veranlassung ihrer Versammlung kundgab. Ich sah ihn als beleibten Mann von schoner Erscheinung und angenehmem Umgang, in die (göttlichen) Dinge eingeweiht und sie enthüllend. Ein Beweis dafür ist mir der im Koran (2 v. 59) ihm zugeschriebene Spruch: ,Kein Tier ist auf Erden, das er (Gott) nicht an seiner Stirnlocke ergriffe. Fürwahr, mein Herr ist auf rechtem Weg'. Welche Heilsbotschaft an die Geschöpfe ware grosser als diese"? Unter den zahlreichen Schriften des Muhjï al-dïn ibn alcArabï kommt namentlich dreien, die das ganze persönliche Wesen des berühmten Mystikers, seine Aspirationen und Hal- 1) Der Verfasser des durch Wright—de Goeje (Leiden 1852; 1907 GibbMemorial) herausgegebenen und durch C Schiaparelli (Rom 1906) ins Italienische übersetzten Réisewerkes. 2) Futühat I 153 f. ^ 3) Fusüs al-hikam (Kap. 10, Kommentarausgabe II 49). 221 luzinationen am besten veranschaulichen, die hervorragendeste Bedeutung zu. Vorerst den Mekkanischen Eröffnungen al-Futühat al-makkijja), denen einige der soeben angeführten Mitteilungen entnommen sind, eine Enzyklopadie seines mystischen Systems in 560 Abschnitten, die er damit einführt, dass er den Inhalt derselben nicht aus eigener Vernunftarbeit ergründet habe, sondern dass sie ihm bei seinem Umzug um die heilige Kacba durch den Engel der Inspiration eingefiösst worden seien. Ein anderes seiner Werke führt den Titel Ringsteine der weisen Belehrungen (Fusüs al-hikam). In diesem Buch widmet er 27 Propheten von Adam bis Muhammed' — der ratselhafte Vorganger M.'s, Chalid b. Sinan al-cAbsI bildet den Gegenstand der 26. — je eine Abhandlung, in denen er, in Verbindung mit phantastischen Betrachtungen über die Bedeutung jener Propheten, seine eigenen theosophischen Lehren vortragt. Dies Buch habe ihm der Prophet in Damaskus im letzten Drittel des Muharram des Jahres 627 (1229) — also ungefahr im 65. Lebensjahr des Verfassers — in einem Traumgesicht übergeben. In einer Hand habe der Prophet ein Buch gehalten — diese „Ringsteine" — und dem Ibn al-cArabï befohlen, es zu empfangen und den Menschen zu lehren. Freilich widerspricht jener Einstellung die Disposition des Buches, das sich in vielen Stellen als persönliches Produkt des Verfassers darstellt Er spricht auch sonst von schriftlichen Offenbarungen, die er vom Himmel her erhalten haben will und beschreibt umstandlich die aussere Form dieser gegenstandlichen Mitteilungen2). Einem solcherweise begna- 1) Es heisst z.B. im 6. Kapitel (dem isakischen Ringstein) nachdem der Verf. Sinn und Grenze der Vergottung des Gnostikers (ana al-hakk) auseinandergesetzt hat: „Dies ist eine Frage, die — wie mir berichtet wurde — von niemandem, weder von mir noch von irgend einem anderen (Zeitgenossen) dargelegt worden ist, ausser in diesem Buch. Dies ist eine Edelperle der Zeit und ihr Solitar. Hüte dich es (das Buch) zu vernachlassigen" (Fusüs al-hikam I 184). 2) Vgl. Kremer 1. c. Über derlei Halluzinationen des Ibn al-cArabI s. M. Asin Palacios, La Psicologia segun Mohidin Abcnarabi (Actes du XIVe Congrès des Orientalistes, Paris 1906, T. III p. 137) 61 des SA. 222 deten Menschen konnte auch die Tatigkeit des Thaumaturgen nicht fehlen, deren Kundgebungen den Gegenstand merkwürdiger Wundererzahlungen in dem um die Geschichte seines Erdenwaltens gewundenen Legendenkranz bilden. Jedoch neben denen, die in dem „grossen Schejch" wahrend seines Lebens und nach seinem Tode den gotterwahlten heiligen Wundertater verehrten und denen er den Ehrennamen eines Muhji al-dtn (Wiederbelebers der Religion) verdankt, hat sich anderseits eine grosse Anzahl von orthodoxen Widersachern gefunden, die den halluzinierenden Schwarmer als irreführenden Impostor, seiner Lehren wegen sogar als Unglaubigen verdammten. Seine Biographen sprechen davon, dass das Urteil über ihn zwischen seiner Bezeichnung als zindïk und kafir und der als gottbegnadeten kutb in verschiedenen Abstufungen schwarike'). • Die Nachwelt (mit Ausnahme intransigenter Süfïfeinde, die ihn noch heute statt eines „Belebers" den „Töter der ^Religion" (mumlt al-dïn) nennen 2)) hat sein Andenken zu Ehren gebracht3). Was ihm zur Last gelegt wird, ist nicht etwa das Wesen und der Inhalt seiner Lehren — man spricht übrigens auch von bedenklichen Interpolationen, die seine Schriften erfahren haben sollen —, sondern die Kühnheit, mit der er gewagt hat, die den auserwahlten Gnostikern vorbehaltenen göttlichen Geheimnisse in Wort und Schrift der grossen Offentlichkeit preiszugeben, nacli dem Grundsatz: ifscha sirr alrubübijja kufr „die Veröffentlichung des Mysteriums der Gottesherrlichkeit kommt dem Unglauben gleich"; eine Formel, mit der man auch die Verurteilung des Halladsch (Vergottung des Erkennenden) entschuldigt hatte 4). — Das Wesen seiner 1) Vgl. für diese schwankende Beurteilurjg Makkarï I 581 uit., ZDMG XXXVIII 577, 12 ff. 2) Vgl. Nicolas, Essai sur le Chéikhisme 1. Heft (Paris 1910) 12. 3) Die entschuldigenden Urteile sind reichlich zusammengestellt in einem durch R. A. Nich'olson edierten Text, Journ. Roy. As. Soc. 1906, 806—24. 4) Massignon, Der Islam III 254, Anm. 5; Ibn Tejmijja, Maclschmtfat al- 223 Lehre, als mystische Erkenntnis der für eine solche Herangereiften, haben selbst orthodoxe Autoritaten nicht bedingungslos verdammt'1), vielmehr mit heiliger Scheu als ihrem Urteil sich entziehendes Mysterium angestaunt2). Ibn al-cArabï hatte sich wohl alle Mühe gegeben (s. besonders das 18. Kapitel der Futühat), das ihm gewiss nicht mit Unrecht zugeschriebene pantheistische Bekenntnis der wahdanijjat alwudschüd3) (Wesenseinheit des Seins) oder al-wudschüd almutlak (das absolute Sein), das er an berühmte .Vorganger anknüpfen konnte, der Annahme einer Konsubstantialitat des Göttlichen mit dem Natürlichen zu entziehen und es auf eine ethische Beziehung zu beschranken4). In der in den folgenden Jahrhunderten von seinen Anhangern — denen man mit Rjicksicht darauf den Schulnamen al-wudschüdijja gegeben hat5) — hervorgebrachten Litteratur tritt der pantheistische Gedanke immer scharfer hervor und er dient den Gegnern als einer der ernstesten Anklagepunkte gegen Ibn al-cArabï selbst und seine Nachfolger. Für unseren Zweck kommt hier vornehmlich sein systematischer Korankommentar in Betracht, eine Rennbahn rasHil al-kubra (Kairo, Scherefijja 1323) II 98, wo die Halladsch-Frage ausführlich erörtert ist; vgl. Ihja IV 234, 12 v. u. 1) Der Sunna-Puiïst al-cAbdarï begleitet — mit obigém Vorbehalt — seinen Namen mit der Eulogie: rahimahu Allah wa-nafa'a bihi (Madchal ed. Alexandrien I 17, 8). 2) Interessant ist die Art, in der ihn der hochorthodo'xe Dahabï rettet: Er sei ein in Sïïfitum und Askese versunkener Mann ge wesen, der hungerte und die Nachte durchwachte, so dass sein Vorstellungsvermögen schadhaft wurde und er in seiner Phantasie unwirkliche Dinge sah, deren Vorhandensein er vermeinte (Sujütï, Tabak, mufass., ed. Meursinge 38 nr. 115). 3) Vgl. Martin Schreiner, Beitrage zur Geschichte der theólog. Bewegungen im Islam (Leipzig 1899) 53—61 = ZDMG LII 518 ff. Eine vortreffliche Darstellung einiger bisher weniger beachteten Seiten der vielverzweigten Gedankengange des I. a. \A gab vor kurzem Tor Andrae, Dié Person Muhammeds 339—357. 4) Nicholson, A Literary History of the Arabs 403. 5) cAlï al-Karï, Kommentar zu al-Fikk al-akbar 75, 2". Damit hangt wohl der Titel einer die Lehren des Ibn al-cArabï bekampfenden Schrift desselben Kan zusammen: al-risala al-wudschüdijja (Nicholson, Einleitung zu Terdschuman al-aschwak. p. IV). 224 allegorischer Interpretationskunst '). Orientalische Litteraturberichte lassen ihn vorerst ein grosses süfisches Tafsïrwerk2) verfasst haben, das er jedoch bloss bis zur 18. Sure gebracht haben soll. Das zu Ende geführte kürzere Werk stellen sie in éine Reihe mit gewöhnlichem, nicht allegoristischem Tafsïr 3). Als ob es mit seiner Allegorese und Buchstabensymbolik ihrer hochgespannten Mysterienerwartung nicht vollauf genügte. Er selbst bezieht wohl auch auf dies Werk, was er in der Einleitung zu den „Mekkanischen Eröffnungen" von seinen Schriften im allgemeinen rühmt: „Wisse, dass alles, was ich in meinen Vortragen und Werken ausspreche, der Schatzkammer des Korans entstammt; denn die Schlüssel zu seinem Verstandnis und zur Belehrung aus demselben sind mir übergeben worden". In einem sehr bemerkenswerten Kapitel (dem 54.) der Eröffnungen4) setzt sich Ibn al-cArabï mit den „formalistischen Gelehrten" (culama al-rusüm) — eine Bezeichnung, die er (wie manches andere) wahrscheinlich dem Ghazalï entlehnte5) — auseinander. Er beklagt ihre feindselige Gesinnung gegen die gottsuchenden Süfïs. „Unter allen Geschöpfen Gottes gibt es keine, die harter und feindlioher als diese culama al-rusüm waren gegen die Leute Allahs, die sich seinem Dienste widmen, die ihn erkennen auf dem Wege göttlicher Eingebung, die er mit der Kenntnis seiner an seinen Geschöpfen bekundeten Geheimnisse begabt und denen er das 1) Über die Gesichtspunkte des zahir und batin in den göttlichen Offenbarungen spricht er sich aus in den Fusüs al-hikam, Kap. 25 (Moses; II 287 ff.). 2) Sein Umfang (wohl der des ausgeführten Teiles) wird mit 60, der des vorhandenen Tafsïr mit 8 Teilen (asfar) angesetzt. Die Existenz des grosseren Werkes ist nicht nachgewiesen. Schriften über einzelne Koranstellen bei Brockelmann I 442 f.- nr. 4, 5, 55. 3) H. Ch. nr. 3177 (ed. Flügel II 348). 4) I 278—281. 5) S.Der Islam IX 145 und den Buchtitel bei Brockelmann I 442, nr. 9. Über dies Verhaltnis des Ibn al-cArabï zu Ghazalï vgl. M. Asfn Falacios in der S. 221, Anm. 2 angeführten Schrift, besonders auch in dessen Abhandlung Mohidin im Homenaje a Menéndez y Pelayo (Madrid 1899). 225 Verstandnis des wahren Sinnes seines Buches und der Hindeutungen (ischarat) seiner Rede erschlossen hat. Jene sind diesen Leuten gegenüber dasselbe, was die Pharaonen gegenüber den Gottesgesandten waren". Der Ausdruck „Hindeutungen" (ischarat) wird — wie Ibn al-cArabï bekennt — als captatio für die gewöhnlichen Gelehrtenkreise angewandt, um für die allegorische Deutung des Korans unter der Flagge dieser harmlos klingenden Bezeichnung Duldung zu ermöglichen. Dies gilt auch für andere süfische termini, die zum selben Zwecke pro foro externo angewandt werden, wahrend die Süfïs in ihrem intimen Verkehr' unter einander ganz andere Ausdrücke benützen. Aus dieser Rücksicht nennen sie ihre allegorischen Deutungen nicht tafsïr, was a}s Anspruch auf exegetische Feststellungen betrachtet werden könnte, sondern nur „Hindeutungen" „aus Vorsicht vor den üblen Nachreden jener Gelehrten, die sie "aus Unkenntnis der Wendungen der Rede der Wahrheit, solcher Erklarungen wegen als Unglaubige verschreien würden". Sie folgen hierin dem durch Gott gegebenen Beispiel. Auch er hat ja die tiefen Wahrheiten seiner göttlichen Rede, die nur denen offenbar werden, denen er dafür die Augen des Verstandnisses geöffnet hat, in die Sprache des gewöhnlichen Volkes gekleidet. Die culama al-rusüm, die jede allegorische Erklarung des Korans ablehften, sollten doch bedenken, dass auch sie in der Deutung der Koranstellen nicht einig sind; sie sollten demnach auch den Allegorikern das Recht ihrer eigenen Ansicht nicht streitig machen. Trotzdem schmahen sie die Leute Gottes, wenn sie von ihnen Dinge hören, die ihrem Verstandnis verborgen sind; sie anerkennen jene gar nicht als culama, denn Wissenschaft könne nach ihrer Ansicht nur durch die gemeinhin als solche bezeichnete Feder erlangt werden, wahrend unsere Genossen ihr Wissen durch unmittelbare göttliche Ein- gebung erhalten haben" „Wo ist ein solcher Gelehrter des Unwesentlichen gegenüber dem Spruch des cAlï, der von sich sagen konnte, dass er, wenn er über die Fati^a reden 15 226 wollte, dabei siebzig Kamellasten ') von Erklarungen zustande brachte? Welch weiter Abstand waltet ob zwischen jemandem, der seine willkürliche Meinung lehrt und dem, der sich darin auf göttliche Eingebungen stützt! Es gilt von ihnen was Abü Jazïd al-Bistamï zu ihrer Charakterisierung sagt: Ihr habt euer Wissen als Totes von Toten, wir hingegen haben es von dem Ewiglebenden erhalten. Unseres gleichen sagt: „Mein Herz hat mir tradiert im Namen meines Gottes"; ihr aber sagt: „Überliefert hat es mir N. im Namen des N., dieser wieder von N." Und fragt man euch, wo diese N. seien, so antwortet ihr: sie seien langst gestorben. Demnach gebührt unseren Genossen die Bezeichnung als fakih eher als jenen; denn jene sind es, die im Sinne der Mahnung Gottes (9 v. 123 lijatafakkahü fi-l-ciini), innere Einsicht in die Religion gewinnen, und zu Gott rufen im Sinne der inneren Einsicht (12 v. 108 cala bastratin)" 2). Nichtsdestoweniger hat sich eben Ibn al-cArabï nicht gescheut seinen allegorischen Korankommentar als Tafsïr in die Welt zu senden. Freilich erschöpft dies Werk seine exegetische Tatigkeit nicht und die in demselben gebotenen mystischen Deutungen reichen nicht in die tiefen Abgründe, in die er sich mit den Koranversen in anderen Werken versenkt. Es herrscht überhaupt etwas Einseitigkeit in seiner Koranallegorie; es ist ein enger Kreis, in dem er die tiefen Deutungen der schlichten Koranerzahlungen sich bewegen lasst; zumeist drehen sie sich um die Vorgange des Seelenlebens, den Entwickelungsgang der Erwerbung wahrer Erkenntnisse und die Modalitaten der Selbstkundgebung Gottes in der kreatürlichen Welt. Er findet z.B. ischarat in der Erzahlung von der Aus- 1) Über solché litterarische UmfangsbestimmuDg Muh. Stud. II 180, Anm. 4. Der Dichter al-Muhasir schstzt auch die Schwere seiner Sünden als das Gewicht einer Kamelladung, LA s. v. kss, VIII 57,7 v-u- 2) Ein ahnlich hartes Uvteil des Ibn al-'Arabï über mutakallimün s. Der Islam IX 153. 227 setzung des Moseskindes (28 v. 6 ff.). Die Kiste (tabüt), in die Moses gelegt wird, bedeute seine menschlichen Anlagen (nasütuhu) mit ihren leiblichen Sinnen und geistigen Kraften (Vorstellungsvermögen u. a.). Das Wasser, in das Moses ausgesetzt wurde, ist die 'höchste Erkenntnis. Nur durch Vermittlung der ersteren konnte Moses, und kann auch jeder andere Mensch in letztere eindringen. Auch die saugende Mutter erhalt ihre Stelle in dieser phantastischen Deutung. Dass der kleine Moses alle Ammen bis auf seine eigene Mutter zurückwies (v. 11), soll darauf deuten, dass er als Prophet die früheren Gesetzgebungen aufheben werde u. s. w. '). Der Vogel, den Jesus aus Thon bildet und der, nachdem er in die Form desselben haucht, zu einem wirklichen lebendigen Vogel wird (3 v. 43; 5 v. 110) bedeute die erst durch süfische Erziehung und Lauterung zur Erkenntnis der Wahrheit sich vorbereitende, sich nach derselben sehnende, aber vorerst noch an das Irdische (Thon) gefesselte Seele. Durch das Einhauchen der göttlichen Wissenschaft wird sie erst ein lebendiger Vogel d. h. eine tatige Seele, die auf den Flügeln der Sehnsucht sich zu dem Göttlichen emporschwingt. Komplizierter ist die Allegorisierung von 7 v. 502): [Wir brachten ihnen ein Buch, das wir nach Wissen einteilten (erklarten)]; das ist der menschliche Körper, der in Gliedmassen, Organe und Sinne eingeteilt ist, die nach Massgabe des göttlichen Wissens zur Vervollkommnung geeignet sind. — [Warten sie auf etwas anderes als seine Deutung?] d. h. la'wïl, seine Zurückführung; wohin er (der Körper) endlich zurückkehrt, indem er verwandelt wird in Formen und Gestalten die seinen (hier auf Erden betatigten) Eigenschaften und Glaubensvorstellungen entsprechen, wie es heisst (6v. 140): „er wird ihnen 1) Fusus al-hikam Kap. XXV (II 269. 281). 2) Zwischen eckige Klammern sind die den Erklarungen zugrunde liegenden Korantexte gesetzt. Wenn nicht auf ein anderes Werk als Quelle hingewiesen wird, stehen die hier angeführten Erklarungen im Tafslr-Werk des Ibn al-cArabï zu den betreffenden Koranstellen. 228 vergelten ihre Eigenschaft (wasfahum)", und wie es ferner heisst (17 v. 99): „wir erwecken sie am Tag der Auferstehung auf ihren Gesichtern (liegend), blind, taub und stumm". — [Fürwahr euer Herr ist Allah, der die Himmel und die Erde in sechs Tagen erschaffen hat] d. h. er verhüllte sich in die Formen des Himmels, der Geister und der Welt der Körper wahrend 6000 Jahren, wie es heisst: (22 v. 46): „Ein Tag ist bei deinem Herrn wie 1000 Jahre von dem, was ihr zahlet", d. h. von der Erschaffung Adams an bis zur Zeit des Muhammed. Denn Schöpfung ist die Verhüllung Gottes in die kreatürlichen Erscheinungsformen '). Dieser Zeitraum bedeutet die Zeit vom Zyklus des Verhülltseins bis Beginn des Öffenbarwerdens, welches die Zeit des Abschlusses der Prophetie und des Anbruches der Heiligkeit (al-wilaja) ist2), wie der Prophet sagte: „Die Zeit hat sich zuriickgewendet, wie sie war am Tag als Gott Himmel und Erde erschuf". Denn der Beginn des Verhülltseins in der Schöpfung ist das Ende des Offenbarwerdens, und wenn das Verhülltsein in das Offenbarwerden übergeht, kehrt sie zur ersten Schöpfung zurück und das Offenbarwerden wird vollstandig durch das Erscheinen 1) Sonst gilt den Süfï's der in ihren Kreisen entstandene Hadïthspruch, in welchem sie Gott sagen lassen: „Ich war ein verborgener Schatz (kanxan machfijjan) gewesen, und ich wünschte dass ich erkannt werde, da schuf ich den Menschen". Auf diesen in der Sufïlitteratur überaus haufig angeführten Spruch (vgl. den türkischen Süfïdichter cAskarï. in G. Jacob's Türhischem Hilfsbuch3 I 63,6; 66,6) beruft sich auch der Timuride Schahrukh in seinem ihn zur Annahme des Islams auffordernden Schreiben an den Kaiser von China (T. W. Arnold, The Preaching of Islam* [London 1913] 299). Einen Kommentar mit beha'istischer Tendenz schrieb über dies Hadith "Abbas Efendi, Sohn des Beha Allah (Browne in Journ. R. As. Soc. 1892, 438). 2) In den süfischen Systemen wird die Periode der Prophetie, deren Abschluss Muhammed ist, durch die der wilaja abgelöst, vertreten durch die heiligen, mit geheimnisvollen göttlichen Gnadengaben des • Wissens ausgestatteten Gnostiker, die ihren Höhepunkt im „Siegel der wilaja" (chatam al-aulija) erreicht. Ibn alcArabI, der diese Würde' für sich selbst in Anspruch nimmt, gibt tiefgehende Erörterungen über das Verhaltnis des Prophetenamtes zur wilaja, dem er geneigt ist, in gewissem Sinne, einen höheren Rang gegenüber ersterem zuzueignen, worüber jetzt ausführlich handelt Tor Andrae, Die Pers9n Muhammeds u.s. w. 325—332. 229 des Mahdi zum Abschluss von sieben (Welt-)Tagen. Darum sagen sie: die Dauer der Welt ist 7000 Jahre. — [Dann strebte er dem Throne zu], dem Throné des muhammed'schen Herzens, indem er sich in demselben in vollkommener Weise manifestierte mit allen seinen Attributen. — [Er lasst die Nacht den Tag verhüllen] die Nacht des Körpers und die Finsternis der Natur verhüllt den Tag des Glanzes des Geistes; [sie sucht ihn emsig] durch die Aufnahmefahigkeit und Disposition (des Körpers), durch das Gleichmass seines Temperamentes; [und er schuf die Sonne] den Geist, [den Mond] des Herz, [und die Sterne] die Sinne. Ein auf kleinerem Umfange hervortretendes Beispiel: 20 v. 18 ff., wo die Erscheinung Gottes im Dornbusch erzahlt wird: [Was hast du hier in deiner Rechten o Moses?]: dies ist "eine Hindeutung auf die (animalische) Seele, die der Intellekt in der Hand halt. Dieser ist namlich die rechte Hand, durch die der Mensch die Gaben von Gott empfangt und womit er seine Seele zügelt. — [Er — Moses — sprach: Es ist mein Stab, auf den ich mich stütze] d. h. ich stütze mich darauf in der Welt der Intuition und der Aneignung der Vollkommenheit und des Wandelns zu Gott hin und der Angleichung an seine Eigenschaften; namlich: diese Bestrebungen sind nur mit ihr (der Seele) möglich; [mit dem ich die Blatter abschlage für meine Heerde], ich schlage damit ab die Blatter der nützlichen Kenntnisse und der Gesetze der praktischen Tugenden von dem Baume des Geistes, indem sich in der Seele die Denkkraft über die Heerde der animalischen Krafte bewégt. [Und er dient mir noch zu anderen Bedürfnissen], namlich zur Aneignung der (mystischen) Stationen und zum Streben nach den (ekstatischen) Zustanden und Gaben und (dem Erleben) der göttlichen Manifestationen .... [Er sprach: Wirf ihn hin, o Moses!]. Befreië sie (die Seele) von dem Zwang des Intellekts! [Da warf er ihn hin] d. h. nachdem sie teilhatte an dem Leuchtén der Manifestation der göttlichen Gewalt (kahr) gab er ihr völligen Abschied. [Und siehe da ward er eine 230 Schlange, die fortlief] d. h. eine Schlange, die sich bewegte durch die Kraft des êufió? (al-ghadab); die Seele Moses war von starkem Zorn erfüllt; als er nun die Stufe der Manifestationen der göttlichen Attribute (tadschallijat al-sifat) erreichte, so war es die notwendige Folge seiner Eignung, dass ihm in reichlicherem Masse die Manifestation der Gewalt (kahr) zuteil werde. Es ■ wurde nun sein Zorn, dadurch dass er in die göttlichen Attribute absorbiert war, in göttlichen Zorn und Gewalt verandert; d. h. der Stab (seine Seele) wurde zur Schlange, die alles, was ihr in den Weg tritt, verschlingt. [Er sprach: Nimm sie aufj d. h. Zügle sie mit deiner Vernunft. [Wir werden sie in ihren früheren Zustand zurückbringen] d. h. sie wird tot und wieder zur Stufe der vegetativen Kraft zurückrücken, die kein Fühlen und kein Verlangen hat. Weil sie Moses in der Erziehung bei Schucejb (Jethro) getötet und sie den vegetativen Kraften gleich gemacht hatte, wird sie Stab genannt. Darum wird erzahlt, dass ihm Schu'ejb diesen Stab gegeben hat. [Und schliesse deine Hand fest an deine Seite] d. h. füge deine Vernunft an die Seite deines Geistes, der wie dein rechter Flügel ist, damit du mit dem Licht der göttlichen Leitung erleuchtet werdest. Denn die Vernunft -wird durch ihren zum Zweck der Ordnung der irdischen Interessen geschehenden Anschluss an die (animalische) Seele und an ihre Seite, welche die linke Seite ist, getrübt und mit dem Vorstellungsvermögen vermengt. Sie wird nicht erleuchtet und empfangt nicht die geistlichen Gaben und die göttlichen Wahrheiten. Darum befiehlt Gott dem Moses, dass er die Vernunft an die rechte d. h. an die Seite der Geistes anschliesse, damit sie rein werde und das heilige Licht erhalte. — [Du wirst sie weiss herausziehen] erleuchtet durch das Licht der göttlichen Leitung und die Strahlen des heiligen Glanzes, [ohne ein Übel] ohne Fehl und Krankheit, die ihr durch die Vorstellung und Phantasie verursacht würden. 5 v. 70: Würden die Schriftbesitzer glauben und gottes- 231 fürchtig sein, so würden wir ihnen ihre Missetaten verzeihen und sie in die Garten der Wonne eintreten lassen; würden sie die Taurat und das Indschïl erfüllen und was ihnen von ihrem Herrn geoffenbart wurde, so würden sie essen von dem was über ihnen ist und was unter ihren Füssen ist; d. h. es würde ihnen gar nichts versagt sein. Ein so einfacher Sinn ist dem Mystiker natürlich nicht wahrscheinlich. Gott muss die Kunde der Menschen mit etwas Tieferem bereichert haben. Und Ibn al-cArabï bekommt folgenden Sinn heraus: [Wenn sie die Taurat erfüllen würden], durch das Inne"werden dér ausseren Kenntnisse, durch die Beachtung der Erfordernisse der tatigen Manifestationen Gottes (tadschallijat al-afcal) und (wenn sie) in ihrem Verkehr ihre Gesetze Deachten würden; [und das Indschïl] durch das Innewerden der innerlichen Erkenntnis und durch die Beachtung der Erfordernisse der Manifestationen der göttlichen Attribute (tadschallijat al-si/at) und der damit zusammenhangenden Gesetze [und festhielten daran, was ihnen geoffenbart wurde] von der Wissenschaft des Entstehens und der Rückkehr und der Einheit der Natur und der transzendenten Welt, welche die Welt der göttlichen Namen ist: [so würden sie essen von dem, was über ihnen ist] d. h. es würden ihnen von der hohen geistigen Wissenschaft verliehen werden die metaphysischen Kenntnisse und die intellektuellen sicheren Wahrheiten, und Gewissheiten, durch die allein sie zur Erkenntnis Gottes und der transzendenten Welt hingeleitet werden [und was unter ihren Füssen ist] d. h. von der niederen, körperlichen Welt (würden ihnen verliehen werden) die Naturerkenntnisse und die sinnlichen Begriffe, durch die sie zur Erkenntnis der Natur hingeleitet werden. So würden sie demnach Gott erkennen mit seinen ausserlichen und innerlichen Namen, ja mit allen seinen Namen und Attributen und dadurch die Stufe beider Arten des Einheitsbekenntnisses (namlich des ausserlichen und des mystischen) erreichen. Die Mystiker haben, wie wir bereits (S. 199—200) angedeutet 232 haben, keine 'koranische Erzahlung mit mehr Vorliebe in den Kreis ihrer Betrachtung gezogen als 20 v. 12, den an Mose ergangenen Befehl Gottes: „Ziehe aus deine beiden Schuhe'), denn du bist im geheiligten Tal" 2). Die beiden Schuhe, das geheiligte Tal boten sjch ungesucht als Anknüpfungspunkte symbolischer Betrachtung dar und riefen eine grosse Menge mystischer Deutungen hervor3). Auch Ibn al-cArabï wühlt völlig in dem hier sich darbietenden Stoft". Nachdem er vorerst an den beiden Schuhen (= Koran und Sunna; zahir und batin) eine Allegorisierung der durch das Gesetz für das salat vorgeschriebenen körperlichen • Leistungen (ruküc, sudschüd, u. s. w.) durchführt, findet er für die in jenem Verse erzahlte Theophanie einen das Gebet weit überragenden geistigen Verkehr mit der Gottheit. Die Schuhe Moses seien nach der Tradition aus der gegerbten Haut eines verendeten Esels verfertigt gewesen 4). Moses sollte nun zur Erfassung der ihm 1) Der Prophet legte seine Sandalen ab, ehe er die Kacba betrat (Ibn Sa'd II, I 128,26), ein frommer Brauch, den man bereits in die heidnische Zeit verlegt hat (al-Azrakï, Gesch. d. Stad/ Mekka I 118, 10). 2) Ein andalusischer Mystiker Abu-l-Kasim b. Aast (s. Enzyklop. d. Isl. II 417*) verfasste ein Buch u. d. T. Chat' al-na'lefn (das Ausziehen beider Schuhe), das Ibn al-cArabï (Futühat I 312,18) zitiert. Scha'ranï (Lata'if al-minan II 29,3) wamt vor dem Studium dieses Buches, weil es sich in viel zu hohen Spharen bewege als dass es dem Verstandnis zuganglich sei (li-'uluww marakïhi min alfahm). Es wird auch in einem Index librorum prohibitorum (Arab. Hschr. d. Biblioth. nationale nr. 1319 fol. 39a) angeführt, in welchem die Liste des Schakan! benutzt und erweitert ist; der Verf. zitiert Sch., fol. 40*. — Vom selben Abu-l-Kasim führt Ibn al-cArabï (Fusüs al-hikam Cap. XXI, Zakarijja) eine Theorie über die Gottesnamen an. Ein indirektes Zitat daraus auch bei Kastallanï VII 261,2 (zu Buch. Tafsïr nr. 167). 3) z.B. Suhrawardï, 'Awarif al-ma'arif Kap. XXIV (a/R des Ihja II 151) „das Ausziehen beider Schuhe der animalischen Seele und des Herzens (um zur Intuition emporsteigen zu können)". 4) Min dschildi himarin mejjitin. S. das' Hadith in Muwatta IV 110,5 über die Bekleidung des Moses. Ich muss es dahingestellt sein lassen, ob in dieser Betonung der Herkunft des Schuhleders der Rest einer alten Vorstellung erhalten sei; unter den Beschrankungen, denen bei den alten Römern die Frau des flamen dialis, die ftaminica unterworfen war, gehorte auch, dass das Leder ihrer Schuhe nur von einem gaschlachteten, niemals von einem eines natürlichen Todes verendeten Tier genommen werden durfte (nach Frazer, Tabaa, the burden of royalty 13). 233 zuteil werdenden Gotteserscheinung sich dreier Hindernisse entledigen: die Ha ut bedeute das Ausserliche (zahir); der Es el die Unverniinftigkeit; der Tod die Unwissenheit; denn nur das Wissen sei das Leben dige '). Die Erzahlung von Josef und seinen Brüdern in Sure 12 wird zu einem allegorischen Drama der Seelenkrafte. Es genügt wohl, wenn ich die mitwirkenden Personen markiere. Josef ist das empfangliche Herz, von unendlicher Schönheit, geliebt von seinem Vater Jakob, dem Intellekt, beneidet von seinen Halbbrüdern, d. i. von den fünf inneren und den fünf ausseren Sinnen, wozu noch der Su/tóc und die sir&viiyTiKvi kommen; dies waren zwölf, aber der Brüder sind elf; es ist namlich von den inneren Sinnen die Gedachtniskraft auszuscheiden, die dem Herzjoseph nicht Hass entgegenbringt. Der Hass der Sinne kommt daher, weil sie Joseph (das Herz) zu ihren Lüsten herabziehen und ihn (es) an dem Gebrauch der Denkkraft verhindern wollen, wodurch Joseph (Herz) Kenntnisse und gute Qualitaten zur Erreichung der Vollkommenheit erwerben könnte. — Der Bruder, den der Vater neben Joseph liebhat, ist die Aoy«THcij; beide sind Söhne der Rachel d. i. der tadelnden Seele (al-nafs al-lawwama), mit der Jakob (der Intellekt) nach dem Tode (sic!) der Lea, d. i. die gebietende Seele (al-nafs al-ammara), sich vereinigt. Aus diesen Personen wird nun das Drama aufgebaut und auch allen in der Folge auftretenden Personen wird ihre psychologische Rolle angewiesen, der Zalïkha, den beiden Kerkergenossen, dem Backer und dem Mundschenk, dem König selbst u. s. w. Die Abhangigkeit des Süfismus von der neuplatonischen Philosophie macht es leicht verstandlich, dass Ibn al-cArabï, wie wir séhèn konnten, haufig mit Gedanken und Theorien der griechischen Philosophie arbeitet, und dieselben in Koranverse hineinlegt. Man wird dabei an die Charakteristik erin- i) Futuhat I 193. 234 nert, die Porphyrius von der allegorischen Bibelauslegung des Origenes gibt, dass er griechische Gedanken auf die jüdischen Schriften übertrage '). Aus den Schriften der islamischen Philosophen war auch dem Ibn al-cArabï die im gesammten Süfismus als sehr willkommen aufgenommene Viererzusammertfassung der Haupttugenden durch Plato und ihre Verknüpfung mit den Seelenteilen bekannt. Wie andere islamische (auch jüdische) Neuplatoniker2) hat er sich dieser, übrigens auch der Philosophie fremden Leuten zugemuteten 3) ethischen Theorie bemachtigt und sie durch Muhammed auf Gottes Geheiss künden lassen. 2 v. 172 werden namlich die Eigenschaften des Frommen in folgender Weiseaufgezahlt: [Wer.... das Almosen leistet] dies gehort in die Reihe der Enthaltsa m k e i t (ciffa, was gewöhnlich die Stelle der o-wtppoo-vvy einnimmt), welches die Vollkommenheit der begehrenden Seelenkraft ist; [und die welche ihr Bündniss erfüllen, wenn sie ein solches eingegangen sind], dies gehort in die Reihe der Gerechtigkeit, die eine notwendige Folge ist der Weisheit, die die Vollkommenheit der denkenden Seelenkraft ist...; [die ausdauern in Unglück, Not und Drangsal], dies gehort zur Tapferkeit, die die Vollkommenheit der zorneifrigen Seelenkraft ist. Die allegorische Methode trifft nicht nur die erzahlenden und lehrenden, sondern in breitem Umfang auch die gesetzgebenden Teile des Korans. Dies kann uns schon ein verhaltnismassig sanftes Beispiel zeigen, das kein rituelles oder juristisches, sondern ein humanitares Gesetz des Korans betrifft. Wenn namlich 2 v. 172 vom Tugendhaften gesagt wird, dass er „von seiner Habe gebe den Verwandten und den 1) Harnack, Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten* (1915) I 470. 2) Vgl. Buch vom Wesen der Seele 18*. 3) Sie wird im Ihja IV 412, im Namen des Schafrl angeführt. Auch in dieser Fassung entspricht Hffa der eutnngea ') zuweilen nicht wenig kühne2) etymologische Begründungen sucht. Man ahnt wohl leicht, dass er bei der Deutung der an dem "Arafat-V>&vg sich knüpfenden Wallfahrtsgesetze und Brauche mit tiefsinnigen Beziehungen auf das Wissen und Erkennen (carafa, mcfrifa) nicht zurückhalt3). Auch Ghazalï hatte sich mit der bloss ausserlichen Gesetzesauffassung der Fikh-Leute nicht zufrieden gegeben, die nur der „Allgemeinheit der gedankenlosen, den weltlichen Interessen Zugewendeten"4) genügt. Jedoch Symbolisches wittert er in den Verordnungen des Gesetzgebers nicht; meidet vielmehr jeden Versuch über die glatte Tatsachlichkeit der Zeremonien und Riten auszuschreiten 5). Er bekennt, dass man sich ver- 1) Den Gipfel erreicht er im itibar des durch die Pilger geübten Steinwerfens und der Zahl der dabei verwandten Kieselsteinchen (720 ff.). 2) In den Fusüs al-hikam Kap. 25 (Moses II 295) betrachtet er das -j in sidschn (Gefangnis) als Prafix zur Wurzel dschanna, verbergen. Etymologische Spielereien mit den Namen der Pilgerstationen bei Hudschwïrï, Kaschf al-mahdschüb (übers. Nicholson) 326 ff. 3) Futühat ibid. 712. 4) Ihja I 226,15. Vgl. ibid. IV 92,11: „Der Faklh ist nicht imstande in diesen Dingen ihre hohe Bedeutung hervortreten zu lassen, denn der Armste (vgl. al-mutafakkih al-miskin, III 370, 10 v. u.) ist heimgesucht mit der Bestellung der Wohlfahrtsinteressen der gewöhnlichen Menschen, die an die Stufe des Viehes heranreichen und in tiefe Finsterniss versenkt sind" u. s. w. 5) Freilich hat er, wie er im Ihja bei jeder Gelegenheit immer und immer wiederholt, in diesem Werk lediglich den Gesichtspunkt der praktischen Übung (al-mu'amala) vor Augen und schliesst den der mystischen Behandlung (almukaschafa, asrar al-kalf) grundsatzlich aus (Unterschied III 365, 5 ff.), der er jedoch nicht immer ganz aus dem Wege gehen kann (besonders in seiner Abhandlung über die Dankespflicht gegen Gott: taghalghalna fï bihar al-mukaschafa falnakbid al-inan IV 85,11 v. u.; über den Begriff des Einheitsbekenntnisses im Zusammenhang mit dem Gottvertrauen, ibid. 233 ff.; die im Mischkat al-anwar entwickelte Hudschub-Theoxie, III 384 unten f.) und er halt es für eine der Entschuldigung bedürftige Konzession (jusmahu bi-diirihi), wenn er einmal auch nur daran streift (z.B. I 83,10 v. u. 111 21,10). Allerdings ist er auf Fragen, von denen er hier sagt, dass sie sich der Forschung und Besprechung überhaupt entziehen — vielleicht zum Teil schon vor Abfassung des Ihja — in mystischen Schriften selbst eingegangen; z. B. auf den tiefen Sinn des göttlichen Ratschlusses (kadar), dessen Veröffentlichung verboten sei (muni'a min i/schS'ihi, 252 geblich bemühen würde die Bedeutung mancher Wallfahrtriten, wie z. B. die des wiederholten Laufs zwischen Safa und Marwa, oder des Steinewerfens im Mina-Tal vernunftmassig zu ergründen und dass solche obligate Brauche kein anderes Motiv haben als die Bezeigung des unbedingten sklavenmassigen Gehorsams gegenüber den, weder der natürlichen Neigung des Menschen noch der Vernünftigkeit entsprechenden Gesetzen (kamal al-rïkk wal-zubüdijja; al-isti^bad'; al-inkijad). Dadurch werde die Lauterung der Seelen (tazkijat al-nufüs)') und des Begriffes des Einheitsbekenntnisses im Zusammenhang mit dem Gottvertrauen bewirkt2). Wozu er die den jenseitigen Werten zustrebenden Gelehrten Culama al-achïra) hinlenken will, sind die mit der Gesetzlichkeit verbundenen, dieselbe bereichernden und erhöhenden ethischen Anknüpfungen (diese sind seine asrar), wofür seine Ausdeutung des Fastengesetzes einen belehrenden Typus bietet. Jene ethische Verinnerlichung der forraalen Gesetzlichkeit sei der Kern (lubb), auf welchen von der ausseren Hülse (Mschr) 3) aus eingedrungen werde sólle, um „der Schale Wesen zü ergründen". „Wenn es nun klar ist, dass jede religiöse Handlung ein Aus- IV 86,11 v. u. 236,5 v. u. 341,9 vgl. ZDMG LVII 396), die wahre Bedeutung des rüh (s. oben S. 71), die Gottahnlichkeit des Menschen, IV 293 uit. f., den Begriff der einzigen Realiteit, dessen Erkenntnis das oberste Ziel der 'ulüm al-mukaschafat sei und worüber in einem Buch nicht abgehandelt werden dürfe (la jadschüz an tustar fl kitab, IV 234, 12 v. u.). 1) Vgl. Midrasch Gents, rabba c. 44 Anf. lesarêf banen eth ha-berijjith als Motiv der göttlichen Gesetze. 2) Ihja I 252 unten f.; 256,8 u. u. (Steinewerfen), jedoch für den „Lauf" macht er an letzterer Stelle (Z. 9) den Versuch einer Begründung. 3) Diese den Gesidhtspunkten des Mystizismus entsprechenden und in dessen Litteratur gangbaren termini (vgl. Streitschrift gegen die Batinijja 37 Anm. 6) werden von Ghazalï überaus haufig angewandt; ich verweise als besonders bezëichnend nur auf Ihja III 376 unten (Verhalten der Wissenschaften zu einander und zum ethischen Handeln); IV 233, M. (Vollkommenheitsstufen des Einheitsbekenntnisses: lubb, lubb al-lubb, kischr, kischr al-hischr); 238, 10 v. u. (Polemik gegen jene, die in den Glaubenserscheinungen [makamat al-dïn] nur die kuschür erkennen und für 'das lubb keinen Sinn haben, Gleichnis der Cocosnuss). — Zamachscharï (Kasschaf zu 11 v. 46, I 443,9 v. u ) wendet die beiden termini in nicht-mystischem Sinne an. 253 seres und ein Inneres hat, eine Hülse und einen Kern und jede Hülse verschiedene Grade und jeder Grad verschiedene Schichten: so steht dir zur Wahl, ob du dich mit der Hülse begnügen, oder zur Gemeinde der mit Herzen Begabten gehören wollest" '). • * Die Gesichtspunkte, unter denen Ibn al-cArabï die Symbolisierung des Gesetzes übt, lassen voraussetzen, dass er nicht die Anschauung muslimischer und nichtmuslimischer Gnostiker2) teilt, nach welcher mit der Erreichung inniger Gotteserkenntnis die formelle Gesetzlichkeit alle Bedeutung für den in Gott Lebenden verliere. Er nimmt ja eine positive Stellung innerhalb der gesetzerforschenden Bewegungen im Islam ein und reiht sich als Zahïrit dem aussersten Flügel der traditionellen Schule an. Dass er die ibaha, d. h. Lossagung vom Gesetz, die eine wesentliche Begleiterscheinung der Religionsauffassung verscheidener Süfï-Gruppen ist, auf das entschiedenste verurteilt, davon legt er in seinen Werken unzweideutiges Zeugnis ab, indem er bei jeder gegebenen Gelegenheit die Bedeutung des schar", d. i. des religiösen Gesetzes im Sinne von Koran und Sunna als Regulator des Lebens betont. In einer wasijja (definitive Ermahnung) legt er den Genossen das Studiüm der Gesetzeswissenschaft ans Herz, „denn du kannst die Verordnungen Gottes nicht erfüllen ohne dieser Wissenschaft (Um al-scharfa) obzuliegen" 3). „Sie ist die umfassende Wissenschaft, die alle Verhaltnisse der Menschen in sich schliesst" 4). Und in diesem Sinne erteilt er, nicht anders als ein Fakïh von Fach, minutiöse Belehrungen über formelle Einzelheiten des Ritus, z. B. über Art und Zahl der Kniebeugungen im salat u. s. w. 1) Ihja I 227, 6ff. 2) Vorltsungen 167- 3) FutühMt IV 462, 12 v. u. 4) Ibid. 470, 12. 254 Auch in seinem mystischen Tafsïr lasst er seine ablehnende Haltung gegenüber der Gesetzverneinung mancher Anhanger der süfischen Ziele verlauten. Zu 7 v. 27, setzt er die vier fortschreitenden Stufen des fana (Absorption) auseinander, deren höchste das fana bil-dat ist, die vollstandige Absorption in das Gotteswesen, das vollstandige Auslöschen des Ichseins und des Zweiseins (at-ithnainijjd). Zu den Bedingungen derselben gehort „dass der Gnostiker nicht Zindïkerei (Ketzerei) treibe durch ibaha und die Vernachlassigung des Gottesgehorsams" '). Nur durch die Gesinnung, in der das Gesetz vollzogen wird, wird die Ubung desselben je nach dem Fortschritt auf dem süfischen Erkenntniswege einen höheren Wert und Inhalt erhalten, wobei jedoch L CA., bei den höheren Stufen angelangt, mit seinem Grundsatz in Widerspruch zu geraten scheint. Zu 29 v. 44 2) kommt er namlich auf die Darstellung der in der mystischen Intui,tion erreichbaren Vollkommenheitsstufen zuruck, um über die Wirkung der fortschreitenden Erleuchtung auf Sinn und Bedeutung des rituellen salat zu belehren. Dieses beginne mit dem körper li ch en Ritus, schreite dann fort zum Gebet der Seele3), dann zu dem des Herzens, dem des innerlichen Geheimnisses, dem der Vérborgenheit (? salat al-chafa). Dies sind sechs Stufen. Der sieben ten entspricht das salat nicht mehr. Auf ihr erreicht der Schreitende den Zustand der absoluten Gottesliebe und des Aufgehens in das Wesen der Einheit. Wie das ausserliche Gebet mit dem Tod, als dem Eingehen in die aussére Gewissheit 4), sein Ende erreicht, so hat auch das wahre Gebet sein Ende mit dem Eingehen in die absolute Absorption (al-fana al- 1) 1 117. 2) 11 64. 3) Vgl. Jacob, Türkische Bibliolhek IX 60. 4) Der Tod wird mit jakïn, -Gewissheit bezeichnet. „Diene deinem Herrn bis dir die Gewissheit kommt" (Sure 15 v. 99); dscha°ahu al-jakln s. v. a. er ist gestorben, Ibn Sa'd III, I 289, 27, Buch. Ta'bïr nr. 26. 255 mutldk), die die Wahrheit der Gewissheit (hdkk al-jaktn) ist Hier ware aiso die Bedeutungslosigkeit der ausseren rituellen Handlung für die vollkommenste Erkenntnisstufe und die stufenweise Vergeistigung derselben in den vorhergehenden Volkommenheitsgraden zugegeben. In ahnlicher Weise hatte sich vor Ibn al-cArabï der Philosoph Ibn Sïna in einer seiner mystischen Abhandlungen (Ü b e r das Wesen des Gebetes, fï mahijjat al-salai)2) ausgesprochen. Mit Anknüpfung an die verschiedenen Seelenstufen lasst er das Gebet von der ausseren Verrichtung zu dem geistigen Gottesdienst fortschreiten. Wahrend der ausserliche statutarische Gottesdienst, der mit den Gliedmassen, unter vorgeschriebenen körperlichen Formen, zu bestimmten Zeiten geübt wird, niedereren Seelenstufen entspreche und zur Unterscheidung der Menschen vom Vieh diene, bestehe das wahre Wesen des innerlichen geistigen Gottesdienstes im Ahnlichwerden der \pu%y hoyinixii mit den spharischen Geistern und dem fortdauernden (nicht an Zeiten geknüpften) Dienst der absoluten Gottesidee in Anhoffung ewigen Lohnes. Nur in diesem Sinne werde das Gebet als die Saule der Religion (cimad al-din) bezeichnet, d. h. als die Reinigung der menschlichen Seele von satanischen Trübungen und fleischlichen Regungen und als die Verneinung weltlicher Zwecke. Es ist der Dienst der ersten Ursache, die Intuition der Gottheit mit reinem Herzen und von allen Gelüsten abgezogener Seele. Nur jein solcher Gottesdienst wird in einem Ausspruch des Propheten „Unterredung (munadschat) mit Gott" genannt. Sie geschieht mit körperlichen Gliedmassen und sinnlichen Zungen; ein Verkehr letzterer Art könnte sich nur auf ein örtlich und zeitlich begrenztes Wesen beziehen. Das wahrhafte Gebet ist die intuitive Erkenntnis, die Liebe und die seelische Anschauung Gottes, durch welche ohne körperliche 1) Vorlesungen 170. Eine Definition des hakk al-jakïn, Ihja I 54- Suhrawardï, lAwarif at-ma'arif Kap. 62 (IV 424). 2) Traités mystiqucs d''Avicenne, éd. Mehren Qème fascicule, Leide 1S94) 28—43. 256 Bemühung und ausserliche, an sinnliche Zahlenverhaltnisse und an Mitwirkung leiblicher Mittel geknüpfte Pflichtenübung heilige Ausstrahlung iri die denkende Seele einströmt. Dies ist, was Ibn Sïna „geistigen Gottesdienst" (ta'abbudrükanï)'), andere intellektuelle Ritusübung" (nusk caklï)2) nennen. Auch die „Getreuen" kennen einen Unterschied zwischen cibada scharHjja (gesetzlichem) und H. falsafijja (philosophischem Gottesdienst3) sowie zwischen kurban sckarH (ges. Opfer) und k. falsafl (philos. O.)4). Man wird an die KoyiKvi dw/'a der Hermetiker erinnert 5). Allerdings verwahrt sich Ibn Sïna am Schluss seiner Abhandlung angstlich dagegen, dass verstandnisvolle Leser, die diese hohe Gabe an sich selbst erleben „dies sein Geheimnis kundgeben, das eine Sache ist, die lediglich zwischen ihm und seinem Schöpfer obwaltet". Ibn Sïna gefallt sich auch sonst gern in sólcher vorsichtigen Geheimniskramerei °). Die von ihm und Ibn al-cArabï dargestellte Lehre von der stufenweisen, zuletzt in die völlige Aufhebung des ausserlichen Gebetsritus ausmündenden Verflüchtigung des salat ist in der Tat eine in den Süfï-Systemen vielfach vertretene Anschauung. Der orthodoxe Mystiker des dreizehnten Jahrhunderts, Schihab aldln al-Suhrawardi, der in den Wegen Kuschejrï's wandelnd') immerfort den Grundsatz betont, dass es zandaka sei, die süfische Wahrheit (haklkd) im Widerspruch gegen das formelle Gesetz (scharf'a) treten zu lassen 8), führt strenge Polemik gegen 1) L. c. 41,6. 2) Buch vom Wesen der Seele 6* Anm. 6. Vgl. Abü Hajjan al-Tauhïdl (bei Jaküt ed. Margoliouth V 382, 2): al-haddsch al-'aklï (geistige Pilgerfahrt im Gegensatz zu al-h. al-scharH (Pilgerfahrt im Sinne des Gesetzes). 3) Ichwan IV 273, II ff. 4) Ibid. 279, 6 u. 5) J. Kroll, Lehren des Hermes Trismegistos 329 f. Vgl. hoyixvi focrpela (Römerbr. 12,1): al-salat al-caklijja (christl.) Oriens christianus. N. S. IV (1914) 116 nr. 51. 6) z. B. al-Ischarat vJat-tanblhat, ed. Forget 222. 7) Vorlesungen 176.' 8) 'Awarif al-méarif Kap. 3 (I 68), Kap. 9 (I 212) Kap. 63 (IV 481); besonders auch Kap. 56 (ÏV 104), wo er auf Antinomisten den Koranvers 18 v. 101 anwendet. 257 die Lehre mancher Süfï's von der Überflüssigkeit des rituellen salat neben dem „Gedenken Gottes" (dikr Allah) % Wir haben das Tafsïr des Ibn al-cArabï als Typus für die Interpretationsmethoden der islamischen Mystiker benutzt. Was wir an ihm erfahren, gilt von der gesamten Litteratur des süfischen Tafsïr.' Indem seine Vertreter davon ausgehen, dass ihre mystische Gedankenwelt, als der Inbegriff des richtig verstandenen Islams, im heiligen Buche enthalten sein müsse, wird einer und derselbe Satz des Korans (im Sinne der wudschüh, oben S. 84—85) in der mannigfachsten Weise für ihre Ideen gepresst. Es sei ja im Koran das gesamte Wissen der vergangenen und zukünftigen Geschlechter enthalten, für jene, deren innerer Bliek geöffnet ist2). Derselbe Vers enthalte in kurzen schlichten Worten zahlreiche Wahrheiten, die jenseits seines wörtlichen Sinnes zu ergründen seien. Man konnte sich für diese Anschauung auf alte Sprüche berufen, die wie viele andere in der süfischen Litteratur verbreitete Traditionen 3), schon bei Beginn der mystischen Bestrebungen in diesen Kreisen erfunden worden sind. Obenan steht die Berühmung des cAlï mit den siebzig Kamelladungen an Erklarungen der Fatiha (oben S. 226). Im Fortschritt der Zeit wird der Umfang der Tragfahigkeit des heiligen Textes ins Exzessive gesteigert 4). Jeder Koranvers — sagt ein spaterer Mystiker — vertragt 60000 Erklarungen. Damit noch nicht zufrieden, lasst ein anderer im Koran 277000 Wissenschaften enthalten sein. Jedes einzelne Wort berge nam- 1) Ibid. Kap. 38 (III 142). 2) Ihja III 325, fi-l-KuPan Hlm al-avjwalïna wal-achirlna liman futihat basïratuhu; IV 331 (dem Ibn Mascad zugeschrieben). 3) Vgl. Z A XXII 3if. 4) Es wird ein maghribinischer Kommentar erwahnt, in dem 50 Bande der Erklarung von 51 v. 21 gewidmet sind (cAufi, Lubab al-albab, ed. Browne IXondon 1906] 2S1, 10). 17 258 lich eine besondere Wissenschaft in sich, die bei fortschreitender Vertiefung wieder je vier Momente einschliesse, u. a. m. '). Die Süfï's spaterer Geschlechter wollen natürlich in der von ihnen erzielten Tiefgründigkeit hinter ihren Vorgangern nicht zurückbleiben. Es ist sicherlich Übertreibung, wenn Schcfranï seinem Meister QAtï al-Chawwas nacherzahlt, dieser habe sich berühmt, in die Fatiha allein nicht weniger als 240999 Wissenschaften. (ulüm) hineinlegen zu können2). Jedoch diese in ihrer Art nicht vereinzelte, dem cAlï al-Chawwas von seinem enthusiastisch bewundernden Jünger wahrscheinlich nur untergeschobene Selbstriihmung kann mindestens als Zeugnis dafür gelten als wie uferlos die Adepten des Mystizismus die Ergiebigkeit süfischer Koranauslegung sich vorstellen. Manche knüpfen ihre Gedanken nicht nur an das zusammenhangende Wortgefüge, sondern arbeiten auch mit kabbalistischen Mitteln, Buchstaben- und Zahlen-Kombinationen (nach Art der Gematria), aus denen sie mystische Folgerungen erschliessen 3). Sie unterscheiden sich darin nicht von den ahnliche Kunststücke der Buchstabensymbolik übenden Batiniten *) und Hurüfï's, sowie auch die neuzeitlichen Babi's, besonders 1) lm Ihja I 274 ernstlich angeführt. 2) Schacr5nl, al-Durar al-manthüra ft zuèad al-ulüm al-maschhüra, ed. Schmidt (Petersburg 1914) 62. 3) Die Hlm al-hurüf, die sich mit der tieferen Bedeutung (ma'ani) der Buchstaben und ihrer Reihenfolge im Alfabet beschaftigt, wurde auch in nicht mystischen Kreisen viel getrieben (vgl. ZDMG XXVI 782 ff. Brockelmann I 414 nr. 15); selbst der Philosoph lbn Sïna vertieft sichfln seiner einem Emir als Naurüzgeschenk dedizierten Risala fl macam al-hurüf al-hidscluf ijja (= Brockelmann I 454 nr. 17, gedruckt als Nr. 7 der Tis' rasa'il? Stambul 1298, 92—97) ;n Grübeleien über die Reihenfolge der Buchstaben und setzt sie, in der an die Ichwan al-safS erinnernden Weise, mit der neuplatonischen Emanationenfolge in innere Verbindung. Sie werden von ahnlichen Spekulationen des Ibn al-cArabI nicht übertroffen. 4) Vgl. die in der Strcitschrift u. s. w. 51 angeführten Stellen. Darüber ist manches zu finden im Kïtab asrar al-Batinijja von Ismacïl al-Bustl (Hschr. Griffini, Mailand, fol. 22^); z. B. aus der Form des mittlern mlm (kreisförmig) und des schliessenden dal (offen) im Namen des Muhammed, sowie aus der Vierzahl der Buchstaben derselben u. s. w. werden ihre komplizierten Theorien gefolgert. 259 in den Anfangen ihres Emporkommens aus solchen Kombinationen geheimnisvolle Erleuchtung holten. Auch in nicht geradezu mystischer Richtung hat man ja in der Koranbetrachtung gern aus Buchstabenverhaltnissen Folgerungen gezogen. Der persische Süfï-dichter SenaTi (1131) knüpft — wahrscheinlich nicht zu allererst — an die Tatsache, dass der Text des Korans mit dem Buchstaben b beginnt (bismï) und sein Schlusswort mit s (w'al-nas*) endigt, die Betrachtung, dass damit der Gedanke des aus diesen beiden Buchstaben gebildeten Worten bes d. i. „genug" ausgedrückt sei; auf dem Pfad der Religion sei der Koran ausschlieslich der genügende Leiter '). Noch weiter gehen die Folgerungen aus den Formen der arabischen Schriftzeichen. Der geschriebene Name des Prophetenkönigs Dawüd zeigt fünf Buchstaben, die in der arabischen Schrift keine Ligatur mit einem folgenden Buchstaben zulassen; dabei wird in der Schrift der eine der fünf Buchstaben (eines der beiden waw) getilgt (man schreibt Dawud); obendrein sind der erste und letzte Buchstabe des Namens (d) identisch. Hingegen ist der mit arabischen Schriftzeichen geschriebene Name des Propheten Muhammed und mehrere seiner Synonyme (Mustafa, Taha u. a.) aus lauter ligierbaren Buchstaben zusammengesetzt, wahrend Muhammed anderseits Namen hat (z. B. Ahmed), in denen beide Buchstabenarten zur Erscheinung kommen. Dies muss tiefere Bedeutung haben. Ibn al-cArabï knüpft daran Folgerungen über das Verhaltnis dieser Propheten zur sinnlich erfassbaren und zur intelligibeln Welt, ihren Zusammenhang mit und ihr Abgeschiedensein von denselben 2). In die Abgründe ihrer Interpretationsmethoden wollen wir uns jedoch hier nicht tiefer versenken, da sie sich aus unserer 1) Ewwel we-gchir Kuran beci ba amed v/e-sïn ? Ja'ni ender r5hi dïn rehberi tS Kur'ani bes. (Zitiert im Tefsïr des Husejn Kaschift zur letzten Süre). 2) Fusüs al-hikam Kap. XVII (II 179). 2ÖO Betrachtung schon dadurch ausschalten, dass sie nicht so sehr in den Bereich der Exegese als in den der von den Texten unabhangigen gnostischen Geheimniskramerei gehören. An unsere bisherigen Erörterungen mochten wir hmgegen die Konstatierung einer Erscheinung anfügen, deren gleiches wir bereits in unserer Darstellung der muctazilitischen Exegese erfahren haben: namlich tendentiöser Verrenkungen der Texte zu dem Zweck, sie als" Stützen für süfische Grundarischauungen zu erweisen. Solche an den Texten geübte Gewaltakte machen haufig den Eindruck, mehr im Sinne witziger Scharfsinnsübung als in dem ernsthaft gemeinter Schrifterklarung beabsichtigt zu sein. Beispielsweise führen wir die aus ihrem Kreise hervorgegangene Variante zu 54 v. 49 an. An Stelle der rezipierten Lesart: inna kulla schej'in chalaknahu bikadarin („Fürwahr alle Dinge haben wir nach einer Bestimmung erschaffen") begünstigen sie die Variante inna kullu schefin d. h. „Siehe, wir (Gott) sind alle Dinge; wir haben sie nach einer Bestimmung erschaffen". Darin sei .die Konsubstanzialitat Gottes mit dem Universum ausgesprochen: in allen kreatürlichen Dingen sei die Essenz Gottes enthalten '). Auch zur religionsgerechten Rechtfertigung ihrer eigentümlichen mystischen Übungen haben sie Koransprüche aufgestöbert. Sie pflegen zur Begründung ihrer Dikr-Liturgien (mit Übersehung von Mahnungen wie z. B. 7 v. 204) eine Anzahl von Koranstellen anzuführen, in denen im allgemeinen das Gedenken an Gott mit Betonung des dies Gedenken ausdrückenden Wortes dikr empfohlen wird. „O die ihr glaubig seid, gedenket Gottes viel Gedenken, dikran kathïran" (33 v. 41). Besonders werden die Stellen ausgenützt, in denen dies Gedenken auf den Namen Gottes bezogen wird. „Erwahne den Namen Gottes und weihe dich ihm in voller Weihe" (73 v. 8 vgl. 87 v. 15), oder vollends aus dem Zusammenhang gesondert : „Sprich ,Allah'; dann 1) Erwahnt im Kommentar des 'Abdalghanl al-Nabulusi zu Fusüs al-hikam II 52. 2Ói lasse sie (die Unglaubigen) sich mit ihrem Geschwatz unterhalten" (6 v. 91). Mit solchen Koranstellen, besonders mit der letzterwahnten begründen die §üfïs die auch in ihren einsamen Zeilen geübte gehaufte Ejakulation des Allah-Namens. SüfïBiographen erzahlen, dass der auch durch seinen Verkehr mit Ibn Sïna bekannte Süfï Abü Sacïd b. abi-l-Chejr wahrend seiner Lernzeit drei ') Jahre in einen Winkel zurückgezogen sass; dabei stopfte er Baumwolle in die Ohren, entzog sich dem Schlaf und rief fortwahrend Allah, Allah! bis selbst die Türen seines Gemachs in diesen Ruf einstimmten 2). Auf jene koranischen Mahnungen führen die Süfï's das ihre Dikr-Liturgien 3) charakterisierende gehaufte Rufen des Gottesnamens Allah oder (mit Anlehnung an 3 v. 1) des ihn substituierenden, den ganzen Reichtum des Gottesgedankens gleichsam konzentrierenden (aus der vollen Form huwa abgeschliffenen) Pronomens Hü (Er), zurück in welchem die scharfste Abstraktion des Gottesbegriffes, soweit dessen die menschliche Spracbe fahig ist, ausgepragt sein soll4). In einer süfischen Dikr-Formel: „Er! o Er! es gibt keine Gottheit ausser huwa, ausser dem (huwa) es keinen „Er" gibt, nicht weiss was huwa ist, ausser huwa" 5) Muhjï al-dln ibn al-cArabï hat über den tiefen Inhalt dieses geheimnisvollen Wortes einen besonderen Traktat u. d. T. al-Hü geschrieben °). Auch im Koran darf eine Andeutung der unergründlichen Mystik dieses Gottesnamens nicht fehlen. „Er ist es, der das 1) Unser Text hat ohne Variante (im Apparat) si = 30, zweifellos eine Verschreibung für si = 3. 2) cAttar Tadkirat al-aulija ed. Nicholson II 325, 13 ff. Man lasst diesen Vorgang durch Abü Sacid selbst erzahlen. 3) Die genaueste Beschreibung dieser süfischen Übungen haben wir jüngst erhalten von W. Haas: Ein Dhikr der Rahmdnijja (in Der Neue Oriënt I [1917] 210—213). 4) S. z.B. das türkische Süft-Gedicht von 'Askari bei Jacob, Türkisches Hilfsbuch3 67. 5) Suhrawardl, 'Awarif al-ma'arif Kap. 49 (III 290): huwa, ja huwa, la ilaha illa huwa, ja man la huwa illa huwa, ja man la jaclamu ma huwa illa huwa. 6) Brockelmann I 446 nr. 76, über die Bedeutung des hü als höchste der 2Ó2 Buch auf dich herabsandte und niemand kennt seine Auslegung (wama jaclamu ta'wïlahu) ausser Allah und die fest im Wissen sind" (3 v. 5). „Seine Auslegung" ta'wïla-hu wird in zwei Worte zerlegt und dass Possessivsuffix hu (seine) als selbstandiges Personalpronomen losgelöst, wodurch sie den Sinn erhalten: Niemand kennt die Auslegung des\Hü" als u.s. w.'). Beispiele solcher Art2) bieten sich auch in der süfischen Behandlung von Traditionssprüchen dar. In einem sehr verbreiteten Bericht wird erzahlt, dass an Muhammed einmal die Frage gerichtet wurde, was unter ïman (Glaube), islam (Gottergebenheit) und ihsan (richtiges Tun) im Unterschied von einander zu verstehen sei ?... In seiner Antwort erklart der Prophet diesen letzteren Begriff in folgender Weise: „dass du Allah fürchtest als ob du ihn sahest, obwohl du ihn nicht siehst" (fa'in kunta la tarahü). Wörtlich übersetzt lautet die letzte Phrase: „und wenn du bist nicht ihn siehst". Nun trennt unser Süfï die arabischen Worte in folgender Weise: fa'in kunta la || tarahu, um den Sinn zu gewinnen: und wenn du bist nicht || dann siehst du ihn3). Damit soll durch Muhammed der Gedanke ausgesprochen sein: Nur wenn du dein Selbst vernichtest, wenn du „nicht" bist4), in das fana eingehst, wirst du zur Einheit mit Gott gelangen 5). fünf Stufen des süfischen dïkr s. Ibn 'Ata Allah al Iskenderi, MiftUh al-falah (oben S. 239) II 135. 1) Matiar IX 290—291. 2) Vgl. bei Sujntl, Itkan (Kap. 78) II 218 die Auslegung zu 7 v. 256. 3) Solche Trennungen kommen auch ausserhalb der mystischen Kreise bei gleichgültigeren Stoffen vor, z. B. die Abtrennung des la in 16 v. 64, was Ihja I 210, 17 von ba'd al-kurra anführt. 4) Vgl. die Schilderung des fana durch einen Süfï: „Wir waren (früher) in uns, dann haben wir uns unser entledigt und wir sind geblieben ohne uns (èaktnS bila nahnu); zitiert Ihja IV 310,8. 5) Zitiert bei Subkl, Tabakat al-Schaffyja I 56. SEKTIERERISCHE KORANAUSLEGUNG. In den vorhergehenden Abschnitten haben wir versucht zu zeigen, wie sich Rationalismus und Mystizismus bemüht haben, das schlichte Koranwort unter ihre Herrschaft zu zwingen. Die Betrachtung, die wir fortsetzend vorhaben, betrifft einen dritten Faktor der tendentiösen Koranexegese: das Sekteninteresse. Namentlich werden wir zu betrachten haben: in welcher Weise das sektiererische Interesse der schlcitischen Partei und ihre unterscheidenden Grundsatze in den Koran hineingetragen worden sind. Denn auch die Theologen dieser Sekte haben keine Anstrengung gescheut, die charakteristischen Prinzipien ihres religiösen und politischen Bekenntnisses im heiligen Buche in affirmativer und polemischer Weise festgelegt zu finden. Dabei handelt es sich zunachst um die Zurückweisung des sunnitischen Chalifates; um die Verwerfung und Verurteilung der Gestaltung desselben unter der Herrschaft der historischen Dynastien der Omajjaden und cAbbasiden; ferner um ihren Kultus des cAlï und der Imame; um ihren Glauben an deren göttlichen Beruf und ihre ülermenschlichen Fahigkeiten; um ihre dogmatische Hoffnung auf die Parusie des verschwundenen, in latenter Weise fortlebenden und am Ende des Zeiten als Welterlöser wieder an die Offentlichkeit tretenden Imam-Mahdï. Von vorneherein wird keinem glaubigen Muslim die Annahme auffallend oder gar widersinnig erscheinen, dass der Koran 264 Hindeutungen auf spatere Ereignisse der Islamgeschichte enthalte. Er stellt sich ja selbst dar als den Inbegriff des göttlichen Wissens von Vergangenem, Gegenwartigem und Zukiinftigem '). Das Wort des Allwissenden ist daher zunachst besonders geeignet, der glaubigen Gemeinde, an die es gerichtet ist, einen Bliek in die zukünftigen Ereignisse und Schicksale derselben zu eröffnén. Es gilt als selbstverstandlich, auch den Koran über die, zumal nicht zu ferne Zukunft sprechen zu lassen. Wir haben bereits gesehen, dass man in demselben eine Prophezeiung des Sieges der Romaer über das persische Reich gefunden hat. Ein mehr innerislamischës Ereignis2) ist das Entstehen der Partei der Charidschiten, deren dem cAlï entgegentretende aufstandische Gruppe als Harurijja bekannt ist. Deren Auftreten und Verdammung sollte durch Gottes Wort, drei Jahrzehnte ante eventum ausgesprochen sein3). Schon die alte Exegese findet Hindeutungen darauf im Koran. So erzahlt z. B. Mufab b. Sa'd, dass er seinen Vater gefragt habe, ob die Koranverse (18 v. 103—4): „Sprich, soll ich euch verkünden, wer seine Werke verloren hat? Die, deren Eifer im irdischen Leben irreging und die da glaubten, rechtschaffen zu handeln'; — sich auf die Harurijja bezögen ? Da gab ihm sein Vater den Bescheid, dass nicht dieser Spruch, wohl aber ein anderer Koranvers die Harurijja zum Gegenstande habe (13 v. 25): „die das Bündnis Gottes brechen, nachdem sie es geschlossen hatten und zerreissen, was Allah zu binden befohlen hat, und Verderben auf Erden anstiften: sie ereilt der Fluch und ihnen wird ein schlechter Aufenthaltsort (die Hölle) zuteil." Das seien die Harüra-Leute 4). 1) Vgl. Pedersen in Der Islam V 114. 2) Nach einem Zitat aus dem Ta'rïch des Ja'küb b. Sufjan al-Fasawï (st. Ende des IX.NJhd.) bei Kastallanf X 226 (zu Fitan nr. 22) bexieht Ibn cAbbas 33 v. 14 auf ein Ereignis der Harra-Schlacht. 3) lm Hadith (besonders Buch. 'Istitabat al-murtaddïna nr. 6—8) lasst man den Propheten das Auftreten dieser Sekte in spezieller Weise voraussagen. 4) Tabari XIII 84. 265 Andererseits haben auch bereits die frühen Charidschiten im Koran Anhaltspunkte für ihre Gegnerschaft gegen cAlï und die Rechfertigung seiner Tötung durch Ibn Muldscham herausgefunden '). Auch in Stellen, die von der alten Exegese, vielleicht mit Recht, als Reflexe zeitgenössischer Ereignisse inmitten der jungen Gemeinde Muhammeds erkannt werden, finden spatere Erklarer lehrhafte Kundgebungen des Propheten über Ereignisse der Zukunft. 49 v. 9 ist die Rede von „zwei Gruppen der Glaubigen, die gegen einander im Kampfe stehen", und der Prophet gibt seinen Anhangern Anordnungen über die Schlichtung des Streites. Die alte traditionelle Exegese bezieht diese Belehrung auf eine zur Zeit des Propheten zwischen den beiden medinischen Ansar-Stammen, Aus und Chazradsch vorgekommene Fehde. Dies ist einer spateren Exegese nicht genug prophetisch. Sie findet darin vielmehr eine voraussehende Kundgebung über die Kampfe zwischen den Parteien des cAlï und des Mucawija2). So wie man traditionelle Sprüche des Propheten gegen die Bekenner des freien Willens und die schroffen Leugner der absoluten Vorherbestimmungslehre gepragt hat, so sollte das Gotteswort des Korans auch nicht frei sein von der voraussehenden Verdammung jener Ketzer, die in dialektischen Disputationen über den Sinn der geheiligten Texte, dieselben für ihre verwerflichen Thesen in Anspruch nehmen. „Er ist es, der Leben gibt und sterben lasst und wenn er eine Sache beschlossen hat, so spricht er zu ihr „Werde" und sie wird. — Siehst du nicht jene, die über Allahs Zeichen streiten, wie sie weggewendet werden? — die da als lügenhaft erklaren das Buch und womit wir unsere Propheten gesandt haben..." (40 v. 70—72). Dazu bemerkt Muhammed b. Sïrïn, ein ange- 1) Schahrastanï, ed. Cureton 90; der Sure 2 v. 200 Geschmïhte sei cAlï und ibid. v. 203 sei der Mörder cAli's der „seine' Seele verkauft im Streben nach dem Wohlgefallen Allah's." 2) Bei Ibn Hadschar al-Hejtamï, Tathïr al-dschinan wal-ltsan u. s. w. (a. R. der Sawacik muhrika, Kairo 1312) 40 unten. 266 sehener Traditionist aus Basra (st. 729): „Wenn dieser Vers (der sich doch gegen die zeitgenössischen Nörgeleien an den Verkündigungen Muhammeds ') richtet) nicht mit Hinblick auf die Kadarijja geoffenbart ward, so wüsste ich nicht, auf wen sonst er abgezielt haben sollte" 2). Auch omajjadenfeindliche Sprüche findet bereits die alte Exegese im Koran. Wenn auch vom Konsensus der Gemeinde als rechtmassige Herrscher de facto anerkannt, lebt in den frommen Kreisen immerfort ein Widerwille gegen die die Heiligtümer des Islams profanierenden, die Interessen des Islams in weltlichem Sinne handhabenden Omajjaden fort. Diese Empfindung findet ihren Reflex in der alteren Schicht der noch nicht zu sektiererischer Arbeit entfalteten Koranexegese. 14 v. 33: „Siehst du nicht die die Gnade Gottes mit Unglauben vertauscht haben?" Dies wird auf zwei ruchlose Sippen der Kurejsch bezogen: die Banu Müghïra (oder B. Machzöm), denen wurde in der Niederlage bei Bedr heimgezahlt; die B. Umejja, denen' wurde noch zeitweilig ein Aufschub gegeben. Es ist weniger zu verwundern, wenn solche Beziehungen, im Namen eines Genossen des cAlï als auf diesen zurückgeführt überliefert werden, (Tab. XIII 132, 11), als wenn sie im Namen des cOmar (ibid. 130, 19) mitgeteilt sind 3). In die alte Epoche scheint folgende antiomajjadische Beziehung eines Koranwortes zurückzureichen, die gewisser-' massen zum hervorragendesten Typus dieser tendenz'iös-polemischen Exegese geworden ist: 17 v. 62: „Und als wir zu dir sprachen: ,Fürwahr, dein Herr umgibt die Menschen' (d. h. er weiss um alle ihre Umstande), und wir machten die Vision, die wir dich sehen Hessen nur zu einer Wirrnis für die Menschen, und den Baum, der verflucht ist im Koran, und wir flossen ihnen Angst ein; dadurch nehmen sie nur zu an 1) Vorlesungen 81 unten. ^ 2) Tabari XXIV 49. 3) Bejdawï 2. St. I 492, 1 gibt die Erklarung 'an 'Omar ■wa-'Ali. 273 folge der Offenbarung (ala tanzïlihi) angelegt '). Nach einer gekünstelten 2) schictischen Tradition habe cAlï nach dem Tode des Propheten den gesamten Inhalt des Korans in sieben Gruppen angeordnet. An der Spitze der einzelnen Gruppen stehen: I. Gruppe Sure 2; II. Gr. Sure 3; III. Gr. Sure 4; IV. Gr. Sure 5; V. Gr. Sure 6; VI. Gr. Sure 7; VII. Gr. Sure 8. Den an der Spitze der Gruppen stehenden Suren schliessen sich dann die anderen in einer von der Ordnung der cothmanischen verschiedenen Reihenfolge an, so dass z. B. in der ersten Gruppe die Suren in folgender Reihe nach einander stehen: 2, 12, 29, 30, 31, 41, 51, 76, 32, 79, 81, 82, 84, 87, 98, und ebenso in den anderen Gruppen. Die siebente schliesst mit 113—114. Merkwürdigerweise hat die Fatiha keine Stelle in dieser Aufzahlung 3). Jedoch auch auf nicht-calidischer Seite 4) ist von einer von der cothmanischen Anordnung verschiedenen Reihenfolge des Korantextes die Rede. Von cOkba b. °Amir al-Dschuhanï, einem tatigen Gefahrten des Propheten und Getreuen cOthmans, den beiden Deckeln (ma bejn al-lauhejni, vgl. Ibn Sa'd III, I 137, 15) ist, gesammelt hatte". (Lammens [Mu'Swija 348 A. 5] bezieht diesen Schw\ir auf die Kenntnis des ganzen Korans.) Den Schwur habe er wörtlich erfüllt (HillI, Kaschf al-jakln [oben S. 77, Anm. 4] 12, 7 v. u.). Dass 'Alï, nicht Abü Bekr, 'der 'früheste Sammler des Korans gewesen sei, ist nicht bloss schï'itische Annahme; sie ist auch in sunnitischen Traditionen vertreten (Usd al-ghaba III 224, 8, Sujütï, Itkan Kap. 18, I 72, Nöldeke'192). Die Ausgleichung derselben mit dergemeinsunnitischen s. bei Sujütï 1. c. 78, 5. — Der unanfechtbaren Tradition vom Anteil des 'Omar an der durch Abü Bekr veranlassten Sammlung der Korantexte (lbn Sa'd III, I 202, 6 [awwal man dschamaca al-kur'an fi-l-suhuf], Nöldekei 190,9 Caetani Annali II 710, 2; 714, 4 u.) steht ein anderer Bericht gegenüber, nach welchem beim Tode des cOmar der Koran noch nicht gesammelt war (walam judschmac al-k., Ibn Sa'd 1. c. 262, 4). Diese Nachricht hatte Schwally zur Unterstützung seiner Anschauung (Festschrift Sachau 321 ff.) in Betracht ziehen können. 1) Vgl. Ibn.Sa'd II, II 101, 18. 2) S. darüber Nöldeke, ZDMG XXXVIII 158. 3) Ja'kübï ed. Houtsma II 152—154. 4) Den charidschitischen Ibaditen ist die Voraussetzung der Falschung des Gotteswortes durch 'Othman- nicht fremd (D. S. Margoliouth, The early develofment of Mohammedanism 38 Anm.) Jedoch auch sie benutzen den vulgaren sunnitischen Text. iS 285 diese leichten Anderungen bekommt der Satz den Sinn: Es fand dich ein Irrender und wurde (durch dich) geleitet '). Interessant sind einige Beispiele, in denen sie, diesmal gar nicht aus Sektentendenz, sondern aus allgemeinen Rücksichten das Wörtchen illa (ausser) in wala andern. Z. B. 2 v. 145: „Damit die Leute keine Ausflucht gegen euch haben, ausser (illa) den Ungerechten unter ihnen"; lies: und auch nicht (wala) die Ungerechten. — 4 v. 97: „Es ist nicht gestattet dem Glaubigen, dass er einen Glaubigen töte, es sei denn (illa) aus Versehen"; lies: und auch nicht (wala) aus Versehen. Die schïcitischen Tradenten lassen ihre Imame über leichte Buchstaben- und Wortkorrekturen hinaus auch noch tiefer in den Text eingreifen. Zunachst durch plump tendentiöse E i nschübe, durch welche die, nach ihrer Meinung, aus dem Text böswillig getilgte Erwahnung des cAlï und seines Geschlechtes restituiert wird. 'Heisst es z. B. 4 v. 164 „Jedoch Allah bezeugt, was er dir geoffenbart hat", so setzen sie hinzu: „in bezug auf cAlï"; dieselben Worte werden eingefügt 5 v. 71 : „O Gesandter, verkünde was dir herabgesandt worden ist von deinem Herrn [fï cAlï], und wenn du dies nicht tuest, so hast du seine Sendung nicht ausgeführt." 26 v. 228: „Es werden erfahren jene, die Ungerechtigkeit üben (schiebe ein: gegen das Geschlecht Muhammeds), zu welcher Rückkehr sie zurückkehren werden". — 6 v. 93: „Und würdest du sehen, wann die Ungerechten [schiebe ein: gegen das Geschlecht Muhammeds in ihrem Recht]," — und so fort an den vielen Stellen, wo von Missetatern, Vergewaltigern im allgemeinen die Rede ist; überall ein Einschub, der das Unrecht auf die Rechtsberaubung der „Familie" spezialisiert. Ferner noch eine überaus radikale Behandlung des textus 1 receptus des Korans. Ohne Zweifel mit der Absicht, einen Beweis dafür zu erbringen, wie liederlich und oberflachlich 1) Vgl. Tor Andrae, Die Person Muhammads 135. 286 die cOthman-Redaktion des Korans vorgegangen sei, wie sie an zahlreichen Stellen den am Korantext beobachteten abrupten, zusammenhanglosen Charakter verschuldet hat, wodurch der unübertrefflichen Schönheit der Diktion des heiligen Buches, die doch von jedem Muslim dogmatisch anerkannt werden muss, unheilbarer Abbruch geschieht, haben sie folgende radikale Methode in die Behandlung des Korans eingeführt. Sie weisen nach, dass in dem gewöhnlichen Text alles durcheinandergeworfen sei, dass er erst in die richtige Reihenfolge gebracht werden müsse; dass die natürliche Fortsetzung eines Verses nicht in den unmittelbar hinter ihm folgenden zu finden sei, sondern dass sie sich in eine viel spatere Stelle verirrt habe; dass sogar in einem und demselben Vers Zusammenhanglosigkeit herrsche; dass die ordo naturalis erst hergestellt wird, wenn man die Fortsetzung der einen Vershalfte in einer weit davon entfernten Stelle aufsucht und das zueinander Gehorende aus den weit auseinanderliegenden Teilen zusammenfügt. Kritische Bedenken, deren ahnliche sich auch der wissenschaftlichen Betrachtung — wenn auch nicht in so unsinnigem Umfange — zuweilen aufdrangen. Der bereits erwahnte alte schfitische Koraninterpret des IV. Jhd's al-Kummï, liebt es besonders, diese Methode der Zusammenleimung verlaufener Koranteile anzuwenden: „Sie (die °othmanischen Redakteure) haben den Koran zersplittert und ihn nicht in der Reihenfolge zusammengestellt, in der ihn Gott herabgesandt hat'): 4 v. 3 sei die Fortsetzung des erst spater folgenden 4 v. I26a; die Dinge gehören natürlich so zusammen: „Sie fragen dich um Bescheid wegen der Frauen; sprich: „Gott gibt euch Bescheid über sie und was euch im Buch vorgetragen wird in betreff verwaister Frauenspersoneh, denen ihr nicht gebt, was für sie vorgeschrieben ist, und die ihr nicht heiraten wollt", dann folgt als Fortsetzung v. 3: „Und wenn ihr fürchtet, gegen die Waisen nicht Gerechtig- 1) Vgl. Kummi 353 zu 16 v. 90—91. 287 keit üben zu können, so heiratet, die euch gutdünken von (anderen) Weibern, zwei oder drei oder vier; und wenn ihr fürchtet nicht gerecht sein zu können, dann nur eine". So gehören die Verse in natürlicher Ordnung zu einander. In derselben Weise werden sowohl in den gesetzlichen als auch in den erzahlenden und ermahnenden Teilen des Korans ahnliche Versetzungen und Textzersplitterungen nachgewiesen. 4 v. 105 und 16 v. 127 haben ihre Stelle in der dritten Sure und stehen im Zusammenhang der Schilderung der UhudSchlacht; 26 v. 47 sei Fortsetzung zu 25 v. 6; 32 v. 28 hat nach 32 v. 21 einzusetzen. Auch kurzatmigere Unterbrechungen und Zusammenhangsstörungen werden nachgewiesen. An 29 v. 15, 16 habe sich unmittelbar v. 23 anzuschliessen; was dazwischen steht, habe anderswo seine Stelle und sei hieher nur infolge nachlassiger Redaktion gekommen; desgleichen habe nach 31 v. 12 unmittelbar v. 15 zu folgen; das Dazwischenliegende sei eine unnatürliche Unterbrechung der Mahnrede Lukmans an seinen Sohn. Alles dies beweist mindestens, wie wenig Vertrauen die schfitischen Koranexegeten in den überlieferten Korantext setzen, trotzdem sie ihn übrigens in der Praxis des religiösen Lebens in der uns vorliegenden Gestalt benutzen. Ihre hauptsachlichste Beschwerde gegen den Sunnitismus konzentriert sich jedoch um die Koraninterpretation. Wir verbreiten uns hier nicht auf gesetzliche Folgerungen, die von den Schïciten aus dem Text mit anderen Resultaten gezogen werden als im sunnitischen Islam. Unser Augenmerk richtet sich vielmehr hauptsachlich auf d i e Beziehungen, welche die Schïciten in Koransprüche hineinlegen, in denen die unrechtmassige Zurückdrangung der cAliden durch die ersten Chalifen und dann durch die Omajjaden in verdammendem Tone vorherverkündigt sei. Desgleichen sei im Koran die Verherrlichung der Imame und der Hinweis auf die dereinstige Parusie des verborgenen zwölften Imam unzweideutig enthalten. Man müsse nur richtig erklaren. 288 Ein Viertel des Korans — sagen sie — habe die Sache der cAliden zum Gegenstand; ein Viertel beziehe sich auf ihre Feinde; ein' Viertel enthalte gesetzliche Verordnungen; endlich das vierte Viertel Erzahlungen und Gleichnisse. Auf cAli allein beziehen sich siebzig Koranverse Nach ihrem Geschmack ware der Koran zu einem grossen Teil ein schïcitisches Parteiwerk. Die Sure der „Siebenschlafer" (18) und die Belehrungen, die Chadir dem Moses bietet, seien ihrem wahren Sinne nach eine Darstellung der Geschichte der rechten Religion, angefangen vom Auftreten des Muhammed, sich durch dessen Kampfe gegen die Unglaubigen fortsetzend, die Verfolgungen andeutend, die sein Geschlecht durch die Usurpatoren zu erdulden haben werde. Dies alles erzahle Chadir dem Moses, wobei beide bittere Thranen vergiessen (Kummï 456). Es ist eine von grenzenloser Wut und fanatischem Ingrimm inspirierte Koranerklarung, die uns hier dargeboten wird. Wo nur irgend im Koran Verachtliches erwahnt wird, wird die Beziehung auf die usurpierenden, nicht-calidischen Chalifen und ihre Helfer herausgefunden. Sie beschreiten dabei zuweilen die Pfade der Allegorie. Wenn 5 v. 92 f. gesagt wird, dass der „Wein und das Losspiel ein Greuel und Satanswerk sind, wodurch der Satan Feindschaft und Hass unter die Glaubigen bringen und sie von dem Gedenken an Allah abwendig machen will", so sind die beiden abscheulichen Dinge gleichsam Pseudonyme für Abü Bekr und cOmar. Und unter den Götzen Dschibt und Taghüt, deren Anbeter von Allah verflucht sind (4 v. 54, 55) sind wieder nur der usurpierende Chalife Mucawija und cAmr b. al-cAsï zu verstehen2). „Siehe Gott 1) Hillï, Kasckf al-jakïn 72, wo auch eine Anthologie dieser Deutungen gegeben wird: dieselben werden, wohl um sie auch den Sunniten annehmbar zu machen, zumeist auf Ibn 'Abbas und seine Schule (Mudschahid u. a.) zurückgeführt. 2) Ibn Kutejba, Muchtalif al-hadïth 86; Kullhï, Usül al-jTafï 271 und die in WZKM XV 323 Anm. 4 aus Ta'wïl al-zakat angeführte Stelle; vgl. den Titel eines schrHtischen Traklates in Loth's Catalogue of Arabic Manuscripts, India 289 befiehlt euch eine Kuh zu opfern" (2 v. 63); damit kann nur "Ajischa, die Gattin des Propheten, Gegnerin des cAlï, gemeint sein; und Talha und Zubejr sind (ib. v. 68) zu verstehen, wenn befohlen wird, dass der Todte, dessen Mörder unbekannt ist, mit einem Körperteil jener Kuh geschlagen werden solle1). Man müsste einen schïcitischen Kommentar völlig ausschreiben, um den Umfang dieser fanatischen Parteiexegese zu erschöpfen. Hier mussen natürlich nur allgemeine Andeutungen und wenige Beispiele genügen. * * * Seit alters war es, trotz der gegen diese Bestrebung zuweilen erhobenen Bedenken (oben S. 91, Anm. 3), eine der grossen Sorgen der Exegeten die Anonymi (mubhaniat) des Korans mit bestimmten Personen zu identifizieren (tcfjïn, tasmija2). Eines der zahlreichen Kapitel der Koranwissenschaft setzt sich die Aufgabe, mit Eifer zu erforschen, welche mit Namen zu nennenden Personen unter solcher Verhüllung stecken mögen: „faire la chasse a 1'anonyme, a 1'impersonnel" (H. Lammens)3). Dazu war reichlich Gelegenheit geboten. Aus der Umgebung des Propheten wird, ausser Abü Lahab, nur ein einziger mit Namen erwahnt: Zejd (b. Haritha), um die Argernis erregende Ehelichung der geschiedenen Frau dieses Adoptivsohnes des Propheten durch eine Offenbarung (33 v. 37) zu rechtfertigen. Aber es sollten auch die unpersönlichen Beziehungen nicht unergründet bleibem Über einen Pelönï alniönï (Rüth 4 v. 1) würde dieser Teil der Koranwissenschaft nicht gleichgiltig hihwegschreiten. Es ist ihr z.B. nicht unwichtig zu bestimmen, welche Person unter dem „angesehenen Mann aus den beiden Office, Nr. 471, X. Der fanatische Schuit bei Dschahiz, Hajawan III 6, 14 benutzt in gewöhnlicher Rede jene beiden Götzennamen, so oft er die Namen der beiden Chalifen auszusprechen hat. 1) lbn Kutejba ibid. 2) cAlï wird als der grösste Kenner der mubhamat gerühmt, Ibn Sa'd II II 121, 6. 3) lm Avant-propos zu Fa(ima (Rom 1912) VII. 19 290 Stadten (Mekka und Ta°if) gemeint sei, von welchem die Gegner des Propheten gewünscht hatten, dass der Koran auf ihn statt des Muhammed herabgesandt worden ware (43 v. 30") '); oder auf wen der Tadel (6 v. 93) sich beziehe: „Wer ist sündiger als wer über Allah Lügenhaftes erdichtet, oder sagt: Es ist mir eine Offenbarung geworden, 'wahrend ihm nichts geoffenbart wurde"? Ist einer der falschen Prophetenrivalen Muhammeds oder ist der frivole Schreiber des Propheten, cAbdallah b. abï Sarh gemeint? Verhaltnismassig leicht konnte man auf den Gedanken kommen, dass mit dem die Verkündigung des Propheten bestatigenden „Zeugen von den Banü Israël" (46 v. 9) am ehesten cAbdallah b. Salam gemeint sei. — In der 9. Sure v. 38; 103—105 ist die Rede von Leuten, die sich an einem Kampf des Propheten nicht beteiligten; er tadelt sie darüber in harten Worten; schliesslich versichert er sie, als sie sich reumütig bezeigen, der Vergebung für ihre Unterlassung. Es ist die Rede von der Tabnk-Schlacht; und es müssen die Namen der Zurückbleibenden ermittelt werden, denen der Verweis und besonders die der unbestimmt gebliebenen drei (v. 119), denen die Verzeihung gilt2). Auch dies darf nicht unbestimmt bleiben, wer jene Schriftbesitzer seien, von denen 3 v. 198 gerühmt werd, dass sie an Allah und das geoffenbarte Buch glauben; der jüdische Konvertit cAbdallah b. Salam, oder der abessinische Negus, oder individuell unbestimmbar, die Menge bekehrter christlicher Nedschranier (40), Abessinier (32) und Romaer (8), deren Zahl mit statistischer Genauigkeit angegeben wird?3). Wenn es ferner{3 v. 22) heisst: „Siehst du- nicht jene, denen ein Teil vom Buche gebracht ward", so muss der Erklarer die Namen derer ergründen, die hier durch Namenlosigkeit verdeckt sind. Und wenn dem Propheten (2 v. 216, 218) geoffenbart 1) Vgl. H. Lammens, Taif la cité alpestre du Hidjaz (in Revue des Questions scientifiques 1906, octobre) 7 Anm. 7 des S A. 2) Dschumahï, Die Klassen der Dichter ed. Heil 54, 16. 3) Kasschaf I 185. 291 wird: „Sie fragen dich in Betreff des Weines" oder „in Betreff der Waisen", muss man die Namen der Fragesteller mit Genauigkeit erfahren. Ebenso wenig darf anonym bleiben „der Mann" (radschul), der vom Ende der Stadt (Antiochien) herbeieilte, um die Bewohner zur Befolgung der von ihnen zurückgewiesenen Propheten zu ermahnen (36 v. 19), oder der ungenannte „Nichtswürdige" (49 v. 6). Auch der Name der Frau ist nicht gleichgiltig, die in einem Ehescheidungsstreit (58 v. 1) die Hilfe Allahs anruft. Ja, selbst die Anonymitat der Tochter des Lot (11 v. 80) und der beiden „Jünglinge", Kerkergenossen des Josef, Backer und Mundschenk (12 v. 36)') durfte kein Hindernis für die Kenntnis ihrer Namen sein. Überall hat die Tradition die Verschwiegenheit des Textes durchbrochen. Von allen mubhamat (Unbestimmtheiten) muss der Schleier gelüftet werden und nichts Anonymes sollte unbestimmt bleiben. Dazu gehort auch, dass bei einem allgemein gehaltenen Koranspruch die besondere Person ermittelt wird, deren Vorgehen Veranlassung zu jener Offenbarung gab. Zu 4 v. 127 kann mit Sicherheit angegeben werden, dass mit der „Frau, die von ihrem Mann Abneigung oder Vernachlassigung befürchtet", die altliche Gattin des Propheten, Sauda bint Zama'a gemeint sei, die in versöhnlicher Gesinnung auf ihre Rechte zu gunsten der jungen cAjischa verzichtet 2). Ein umfassendes Mubham-Werk zum Koran verfasste der uns zumeist durch seine erklarenden Glossen zur Prophetenbiographie des Ibn Hischam bekannte Andalusier 'Abdalrahman b. "Abdallah al-Suhejti (st. 1185 in Marokko). In seinem Werke al-Tcfrïf wal-flam flma ubhinta fi-l-Kur'an min alasma al-cflam 3) werden alle im Koran nicht naher individualisierte historische, naturgeschichtliche, geographische u. a. m. Nomina individuell determiniert. So weit geht er natürlich in 1) Kastallanï X 148 (zu Ta'bïr nr. 8). 2) Ibn Sa'd VIII 36,19. 3) Brockelmann I 413.