ALTPREÜSSISCHE STUDIËN Beitrage zur baltischen und znr vergleichendeii indogermanischen Grammatik von Dr. N. VAN WIJK ord. Professor on der Universiteit Leiden haag MARTINUS NIJHOFF • 1918 1 ALTPREUSSISCHE STUDIËN ALTPREUSSISCHE STUDIËN Beitrage znr baltischen und zur vergleichenden indogermanischen Grammatik von Dr. N. VAN WIJK ord. Professor an der Universitat Leiden haag MARTINUS NIJHOFF 1918 Dem Andenken AUGUST LESKIENS gewidmet I N H A L T. Zur Einführung S. 1—4. (S. 1 f.: Abel Will als Uebersetzer). Kapitel I: Urbaltiscb.es ë im Samlandischen . S. 5—41. (S. 5—9: Die Berneker-Fortunatovsche Regel und ihre Bekampfung durch Hirt und Bezzenberger, — S. 9 f.: nicht-auslaut. ë > i, — S. 10—24: auslaut. -ë haupttonig > -ë, sönst > -*,— S. 11—13: semmë, aulausB, — S. 13—23: Verbalformen auf -e, -e, -i, — S.19—22: b'Ulë: billa, —■ S. 22 f.: bhe, bei, bëi, — S.23: ste, — S. 24: ë in II und I, — S. 24—39: -ën > -ien, — S. 25—28: mien, tien, sien. — S. 29 f.: Akkus. auf -ien, -in, -ian, -en in II und I, — S. 30—39: im Enchiridion: S. 31 f.: ê-Stamme, S. 32: i- und «7/a-Stamme, S. 33 f.: bestimmte Adjektive, S. 34—36: ;'a-Stamme, S. 36: Adjektive und Partizipien, S. 36—39: verschiedene Formen auf -in, -ien, — S. 39—41: piëncts, etwiërpt usw., — S. 41: Genit. teisis, gijwis.) Kapitel II: Zur samlandischen Entwicklung des baltischen a . S. 42—47. (S. 42: Bezzenbergers Regel, — S. 43—45: zu derselben stimmen nicht mukint, lymuczt, enJeoptt,'— S. 44 f.: enhopts: lit. Jcópti, — S. 45—:47: pirmonnis, -onnien, -annien.) Kapitel III: Zur samlandischen Vertretung des baltischen ö S. 48—54. (S. 48: tickröma-, perönin, -ni, — S. 49—53: dat, na: no, pra: pro, — S. 53: Vergleichung mit dem Litauischen; pr. a: o, lit. o:ü, — S. 53 f.: auslaut. -ö.) Kapitel IV: Samlandische Flexionsformen auf -ei und -ai und das Problem vom preussischen ë S. 55—ob. (S. 55: Die Ansichten Trautmanns und Solmsens über -ei {-e, -i) und -ai, — S. 56—59: tennei, -twei, mennet usw., nautei und mattei, maisei usw., — S. 58: supsai, — S. 59: Formationen auf -ai, — S. 59—62: vmei: -ai, bousei: -ai, assei: -ai, 2. P. P. auf -tei, -tai, N. P. Adj. auf -ei: -ai, S. 61: 2. P. P. auf -ti, — S. 62—66: Bezzenbergers und Mikkolas Annahme eines pr. ë ist weder fürs Saml. noch fürs Pomes. plausibel.) Kapitel V: Zum Genitiv Singular der alt- preussischen Nomina „ S. 67—80. (S. 67—71: der fem. Gen. auf -as hat kurzes, unbetontes a, — S. 68—70: ebenso der fem. Akk. auf -an, — S. 71—75: ebenso die Genitivendung samtlicher Flexionsklassen; nur kermenes kann Endbetonung gehabt haben, — S. 74: sounons, — S. 75 f.: Gen. und Akk. Sg., — S. 76—78: deiwas (idg. -oso) u. dgl. bildeten den Ausgangspunkt des uniformen Genitivtypus, — S. 78—80: powaisetinü, noseilis, gijwis, teieis, uierties; i aus ie.) Kapitel VI: Die samlandischen Instrumental- und Dativformen S. 81—98. (S. 81—85: im Altpreuss. existierte der nominale lustrum, nicht mehr als besondere Kategorie, — S. 85—87: sparüsh(,piru, stesmu sind Instruinentalformen, — S. 87—90: Bestreitung abweichender Ansichten, — S. 89 f.: zemait. -ü, -ou, — S. 91 f.: ste, ku, lit. kë, — S. 92: swaieis, — S. 92 f.: maim, maim, — S. 93—98: Dativformen, — S. 94 f.: stessiei, stessies; idg. sj im Saml., — 96—98: përgimie, kirki, klausïwenikï, prêisiki, — S. 97 f.: die Nomina auf -iks.) Kapitel VII: Der Nominativ Plural der alt- preussischen a-Stamme S. 99—108. (S. 99: das Problem von lit. vilkaï, — S. 99—103: Trautmann, Solmsen, Endzelin, Meillet über apr. -ai, — S. 101 f.: der Typus xa xqixai, — S. 103—105: Plurale auf -o, -ay, -oy im Elb. Vok., — S. 105 f.: saml. -ai und mahiijkiku, — S. 106—108: apr. -ai keine Nedtralendung, lit. -ai wohl auch nicht.) Kapitel VIII: Altpreuss. stas und tan», tans . S. 109—126. (S. 109—115: êtas nicht mit lit. sztai von *kto- oder *kito-, sondern aus *so- X *to-, — S. 112—114: -ts, lit. tas kaum urbaltoslav.; Fortunatov über abg. pitu, nesetü, — S. 115—121: tans, tenna usw. aüseinem suppletiven Paradigma *anas: *te\ta-, — S. 116—118: lit. anas: jo, — S. 119 —121: tennei, dei, *ei, — S. 121—126: lit. ariys: anë) Kapitel IX: Das altpreussische Modussystem S. 127—132. (S. 127—130: das Apreuss. besasskeinen modus injunctivus, — S. 130—132: Bernekers Einteilung der Modi und die Einteilungsprinzipe von Bezzenberger und Trautmann.) Kapitel X: Die 1. Person Plural auf -imai und der Stammesauslaut des Indikativs. S. 133—150. (S. 133: turriUmai, — S. 133—135: enwacJcêimai, waidleimai, — S. 135—137: Formen auf -mai, -amai, -umai, -amai, -iimai, -êmai, -ammai, -emmai, -imai, — S. 137— 139: -emmai, -ammai und -imai in themat. Prasentia, — S. 139: pr. Akzentverschiebung, — S. 139—145: -imai, bei ai: i-Stammen altererbt, drang bei Proparoxytonesis in andere Prasentia ein: immimai, -ginnimai (S. 143 f.), nPrasentia (S. 144 f.), — S.145f.: 3. Ps. Sg. Pras. auf -ai, — S. 146: ettrai u, dgi^ — S. 146—150: das apr. Priiteritum, speziell dasjenige auf -ai.) Bemerkungen ') 1 XXXIÏ (Langere oder wicbtigere Bemerkungen: 10: Endzelin über semmê, — 20: Systemlosigkeit von Wills Akzentbezeichnungen, — 21 und 175: Imperative auf -w, -itei, -Ui, — 30: Ut, tijt, fÜt — 31: Diphtbongierung von — 32: krawia, -an, — 39 und 41: die Nominativendung -ei, —46: mask. 1) Die Bemerkungen waren als Fussnoten geschrieben. Aus typographischen Rücksichten erscheinen sie nicht unter, sondern hinter dem Texte. und neutr. pronominale Genitive auf -es, — 48: sündin, -is, madlin, — 56: asmus, — 64: proklit. Kürzung im Lit. und Lett.,— 71, 78, 89: lit. ë, —74 f.: supsas, subbai, subban; die apr. Uebersetzung von „eigen", — 77: pergeis, dellieis, israukit usw., — 81: satuinei, iülninai, turei, — 82: -ti, -ty, -assi, -ati, — 94: baltoslav. -Sm: gr. &edv, got. giba, — 95: daeczt, siaey,pallapsaey, —96: Akkus. auf -«», —100: mutmassliche nomin. Genitive auf -ai, — 104: Betonung von kerwenes, — 105: urbalt. Betonung des Akk. Sg., — 107: reykyen, tawischen,— 123: lit. k&, — 124: -ilgimai, ilgimi, -desnammi, -desnimma, — 137: dèvaï bat die Betonuug der alten Oxytona, — 139: Meillet Über suka^, — 147: button ein saml. Neutrum ? — 149, 150: lit. -ë, apr. stai, — 163: (at/assen, -cessen, — 168: ané, anè im preuss.-Nordlit., — 170: lit. dial. jójamis, nor'édamis, — 171: dnis, dwis usw. bei Dauksza, — 179: gemischter Modusgebrauch, —180, 181: em und emm, — 187: lit. butü, stojds usw., — 197: lett. finim, Jtnit, finis, — 198: idg. -na-:-n»- und -na(ï)-: im Aind., Gr., Balt., — 202: die Verba auf lit. -inti, — 203: die apr. 1. Ps. Sg., — 204: 3. Ps. auf -ei und -e, r- 205: Schwund von ausl. Vokalen.) ZUR EINFUHRUNG. In den letzten Monaten des Jahres 1916 las ich mit einigen Studenten das altpreussische Enchiridion Abel Wills. Diese Uebungen veranlassten mich, micb eingehend mit den Problemen der altpreussiscben Laut- und Flexionslehre zu beschaftigen. Jeder, der je Altpreussisch studiert hat, wird verstehen, dass dabei manche neue Hypothese bei mir aufkam, und dass ich oft die Meinungen meiner Vorganger als nicht genügend begründet ablehnen musste. Die altpreussischen Texte und das sonst überlieferte Material geben uns namlich ein so unvollstandiges und so unklares Bild der altpreussischen Sprache, dass wir sehr oft über Vermutungen nicht hinauskommen. Jeder neue Untersucher wird etwas Neues finden; eine endgültige Lösung aller grammatischen Probleme wird aber noch lange zu den pia vota gehóren. Die Ergebnisse meiner Untersuchungen bilden den Inhalt dieses Buches. In einigen Kapitein gebe ich ganz neue Deutungen und Hypothesen (z. B. im 1. und 8. Kapitel), in andern vervolktandige und korrigiere ich die Forschungen anderer (z. B. im 4. Kapitel); die Kapitel 2und3führten mich bloss zu dem negativen Ergebnisse, dass die bisher f ür die samlandische Vertretung von a und ö aufgestellten Regeln nicht ganz richtig sind. Sehr oft wird die Beurteilung des vorliegenden Materials dadurch erschwert, dass wir nicht wissen, ob eine Form oder Satzkonstruktion des Enchiridions der samlandischen Sprache, so wie sie im 16. Jahrhundert gesprochen wurde, angehört hat, oder aber vom Uebersetzer Abel Will in Abweichung vom Sprachgebrauche verwendet worden ist. Dasselbe gilt für den 1. Katechismus und in geringerem 1 Masse auch für den zweiten. Ueber die Sprachkenntnisse Abel Wills ist viel gestritten; dass seine Uebersetzung im Allgemeinen gut genannt werden kann, das haben sehr wenige Forscher geglaubt. Am meisten wird dieselbe von Ed Hermann Kuhns Zeitschrift 47, 147 ff. gelobt. Bezzenberger und Trautmann, die Will den Angriffen anderer Forscher gegenüber in den Schutz genommen haben, gehen ganz richtig von dem Standpunkte aus, dass man nicht bloss auf die schlechten, sondern auch auf die guten Qualitaten der Arbeit achten soll; dass die Uebersetzung in vielen Punkten in schlechtem Altpreussisch abgefasst ist, das leugnen sie nicht. Ich halte es nicht für nötig, ausführlich auf diese Frage einzugehen; denn, ob wir den Text für etwas besser oder etwas schlechter halten, auf jeden Fall müssen wir denselben, so wie er überliefert ist, zugrundelegen; und keiner Theorie zuliebe dürfen wir Uebersetzungs- oder Druckfehler annehmen. Nun liegen aber an mancher Stelle solche Fehler zweifellos vor; die Schwierigkeit liegt also darin, in jedem einzelnen Falie zwischen Sicherheit und Vermutung zu unterscheiden. Ich glaube so vorsichtig gewesen su sein wie nur möglich ist und den Text nicht unnötigerweise vergewaltigt zu haben. Eins dürfte festetehen: dass Will im Allgemeinen wörtlich übeTsetzt hat. Dieser Umstand macht es leider in vielen Fallen unmöglich auszumachen, ob ein Germanismus vom Uebersetzer herrührt oder in der preussischen Sprache des 16. Jhs. wirklich bestanden hat. Auf jeden Fall ist Will kein Uebersetzer des ersten Ranges gewesen. Seine Aufgabe war allerdings sehr schwer; aber war diejenige Kyrills soviel leichter? Mit dessen Uebersetzungstechnik lasst diejenige Abel Wills sich absolut nicht vergleichen. Bekanntlich gehören die Sprachdenkmaler des Altpreussischen verschiedenen Mundarten an. Ausser Grunaus Verzeichnis von Wörtern und den in verschiedenen Quellen überlieferten Eigennamen und sonstigen Vokabeln besitzen wir das Elbinger Vokabular, dessen Dialekt gewóhnlicL pomesanisch genannt wird, und die drei Katechismen, die in drei sehr wenig voneinander abweichenden Lokalmundarten des Samlandes geschrieben sind. Das Elbinger Vokabular enthalt keine Satze, sondern einfach Wörter, so dass wir von der Morphologie und Syntax des Pomesanischen ungefahr nichts wissen. So oft ich in dieser Schrift auf morphologische und syntaktische Probleme eingehe und nicht ausdrücklich auch pomesaniscbe Formen zitiere, gelten meine Bemerkungen bloss für den samlandischen Dialekt. Stellen aus den Katechismen von 1545 und aus Wills Enchiridion zitiere ich nach Trautmanns Ausgabe. Die Zahlen beziehen sich auf die Seiten und Zeilen derselben. Die ersten Dezennien wird diese Edition wohl allgemein von den Forschern benutzt werden; ich wüsste nicht,wie man die altpreussischen Texte besser und sorgfaltiger herausgeben könnte. Bernekers Dissertation, „Die preussische Sprache", Strassburg 1896, und Trautmanns Buch „Die altpreussischen Sprachdenkmaler", Göttingen 1910, welche ich natürlich sehr oft zitiere, deute ich gewöhnlich einfach durch die Namen der Verfasser an; was die übrige Literatur anbetrifft, die ich anführe, so gebrauche ich so wenig wie móglich Abkürznngen; auf diese Weise wurde ein Literaturverzeichnis überflüssig. Ueber einige Einzelfragen korrespondierte ich mit den Professoren A. Bezzenberger und 1. M. Endzelin. Beide gaben mir aufs liebenswürdigste die Auskunft, die ich wünschte. Bezzenberger schickte mir sogar sein eigenes Handexemplar seines Aufsatzes aus der Festschrift für Ernst Kuhn zu, — welche, soviel mir bekannt, in Holland nicht vorhanden ist. Endzelin konnte mir leider wegen eines Ausfuhrverbotes von Büchern das für mich bestimmte Exemplar seiner „Latysskie predlogi" nicht zeitig zusenden, so dass ich dieses Buch bei meiner Arbeit nicht benutzen konnte. Das einzige Mal, wo ich es zitiere, tue ich das nach Zubaty's ausführlicher Besprechung im 22. Bande des Anzeigers für indogermanische Sprach- und Altertumskunde. Ich bedauere, dass Endzelins Lettische Grammatik noch nicht erschienen ist. Selber habe ich von der lettischen Sprache nur sehr oberflachliche Kenntnisse, und die wissenschaftliche Literatur ist grösstenteils veraltet. Ich fühle mich daher den Problemen der lettischen Sprache gegenüber, sogar manchem Einzelworte gegenüber, auf unfestem Boden. Glücklicherweise brauchte ich für diese Arbeit verhaltnismassig wenig auf lettische Probleme einzugehen. Mein herzlicher Dank gebührt an erster Stelle den Professoren Bezzenberger und Endzelin für so manche Unterstützung und Auskunft, weiter allen, die auf irgend eine Weise am Zustandekommen dieser Arbeit mitgewirkt haben. Zu besonderm Danke bin ich dem Herrn Verleger verpflichtet, der trotz der schweren Zeitverhaltnisse die Herausgabe dieser für einen kleinen Kreis von Lesern bestimmten Schrift auf die uneigennützigste Weise übernehmen wollte. Leiden, 28 April 1917, N. VAN WIJK. KAPITEL I. Urbaltisches e im Samlandischen. Berneker Die preussische Sprache 136 ff. und Fortunatov Bezzenbergers Beitrage 22, 177 ff. haben die Hypothese aufgestellt, dass akutiertes è im preussischen Enchiridion als zirkumflektiertes e aber als ë auftrete. Berneker formulierte die Regel folgenderweise: „Geschleift betontes e bleibt e, gestossen betontes ë geht in * über" (S. 138), Fortunatov drückte sich praziser und weniger kurz aus: „ dass aus altem langem e mit dem preussischen accent, dem litauische fallende betonung entspricht, d. h. mit preussischem steigendem accent, hier i (y) hervorge- gangen ist , wahrend altes e unter anderem accent, der litauischer steigender betonung entspricht, d. h. unter preussischem fallendem accent, als ê bewahrt geblieben ist" (S. 177). Angesichts des unleugbaren Tonbewegungsunterschiedes zwischen den preussischen und den ihnen genetisch entsprechenden litauischen Intonationen vermeide ich lieber die Wörter „steigend" und „fallend". Die Wórter „akutiert" und „zirkumflektiert" sind weniger zweideutig '). Gegen Berneker wandte sich Hirt Indogerm. Forsch. 10,37 f. mit einigen kurzen Bemerkungen; einer eingehenderen Kritik wurde die Berneker-Fortunatovsche Regel von Bezzenberger Kuhns Zeitschrift 41, 76 f. unterzogen; ihm hat sich dann Trautmann Die altpreussischen Sprachdenkmaler 120 f. angeschlossen. Berneker stützt sich auf folgendes Material. Akutiertes urbaltisches è soll vorliegen in: ist „essen" (lit. Mi), — mi* „Speise" (,«« „Frass" bei Kurschat in Klammern, also hat man keine Gewahr für die Richtigkeit des „»), _ aidans „sitzend" (lit. »êdmi usw.), — seuditam gefaltet" (lit. Mi), — swirins „Tiere" (lit. èvêri), — gïdan "„Schande", nigidings „schandbar" (lit. gèda), — etwirium „geÖffnet" (lit. vèriau), — miünan „Fleck" (lit. mélynas), — turrit „haben", milijt „lieben" usw. samt Ableitungen von Verbalwurzeln auf -e- me absergiman „Schutz", weldisnan „Erbe", epwarrisnan „Sieg" (lit. turUi, mylHi usw.), - tamu (mit »emmaï) „niedergefahren", U» „knecht" (lett. lefchat mit gedehntem Tone, abg. Uzq. Der Akut des slavischen Zeitwortes wird durch russ. lê'zu, serb. u-ljezëm erwiesen), spigsna, Akk. spïgnan „Bad" („steht im Ablaut mit spagtan „Bad", wird also e haben"), — hitman „Zeit" (abg. au*\ dieses' Wort wird trotz des cech. cos wohl akutiertes a haben: vgl serb. fl*j sloven. &s), — put, pidimai „tragen" (vgl. püdaum „getragen habend"; pid- soll sich zu püda- verhalten wie lit. jflfé-tf zu ')• Diesen Wörtern mit ï, denen sich noch einige Lehnwörter ') anschliessen, welche naturlich für die Feststellung der urbaltischen Intonation von Silben mit preussischem i ohne Belang sind, stehen folgende Wörter mit e gegenüber, für welchen Vokal Berneker alten Zirkumflexus annimmt: semmè „Erde" (vgl. lit. duktë, naszlt, pelè), - pack* „Friede", - trënien „Drohung" ( eine Bildung wie lett. meris „Pest, Sterben" zu mtrt ), — wedde „führte" (lit. vèdê, mit geschleiftem, wenn auch nichthaupttonigem ê), — ümigè „entschlief" (eine Formation wie wedde), — die zahlreichen Prasentia vom Typus mile „liebt", ausehaudi „vertraut", - ste „desto" (nach Bernekers Ansicht ein Ablativ auf idg. -**). Für stinons „gelitten habend" und UmauU „brachs" nimmt Berneker altes i an (vgl. lit. gyniau, gyriau), wahrend tiran „Herz" akutiertes e haben soll: der Akzent von gr. „Herz" sei nicht sicher und wenn er richtig ist, so könnë er sekundaren Ursprunges sein. *) Bloss für eine Kategorie von Wortern nimmt Berneker Uebergang von zirkumflektiertem e in i an, und zwar für diejenigen Formen, wo dieses e im unbetonten Auslaute steht: müti „Mutter", smüni „Person" u. dgl.; pertmüki *) „verschloss". Dass in diesen Fallen 2 zu i geworden ist, daran wird wohl niemand zweifeln. Von den von Berneker in diesem Zusammenhang genannten Akkusativen auf -in (ui-Min, perönin, leitin, warin, giwin) und Genitiven auf -it (teitit, gijwis) wird weiter unten die Rede sein. Fortunatov verweist aaO. 177 auf S. 155 ff. seines Aufsatzes, wo mehrere Worter mit i aus akutiertem e verzeichnet sind: gidan, gidingt, twïrint, giioït, kabïuns, kirdït, •itwei, milijt, turït lurrïiwei', ë aus zirkumfiektiertem e soll in semme und in Prasens- und Prateritumformen vom Typus mile, weddë vorliegen. Fortunatov führt eine grössere Anzahl solcher Formen an als Berneker, und zwar: bilië, billëmai; budë\ dergë, klautêmai; milë; ismigê; aupaickëmai; quoitë, quoitëti; auschaudè; tegë, seggêsai, -ëmai; paskulè, paskollê; ttallè, -ëmai, -èU; enwackè, -ëmai', wargê; weddë; hierher künne auch bhe „war" gehören („das druckfehler ist anstatt be, wo das — über dem e ausgelassen ist"). In einer Fussnote (S. 178) werden noch einige «'««! lafópsva mit ê aufgezahlt: aulause „die tote" — „wo ë vielleicht gleichartig mit dem e in semmè ist" —, weiter trènieu „das Drohen" und etwëre „du öffnest", zu denen Fortunatov weiter nichts bemerkt, und schliesslich „das entlehnte werawi 6) „wahret"." Eins geht aus dem von Berneker und Fortunatov mitgeteilten Material mit Sicherheit hervor: dass in sehr vielen Fallen urbaltisches ë im Preussischen als * auftritt. Und weiter dürfte feststehen, dass in der Mehrzahl dieser Falie das baltische è den A kut trug. Akutierte Intonation werden wir ohne jeden Zweifel annehmen dürfen für: ïtt; tidant; senditant; twïrint; gidan, nigidingt; mïlinan; litunt, löte, und für die Verbalendungen -it usw., wozu sich das -itnan der Verbalnomina gesellt. Auch für kitman ist Akutus wahrseheinlicher als Zirkumfiexus; vollstandige Sicherheit haben wir aber nicht. Die übrigen Wörter geben zu einigen Bemerkungen Anlass. Etwirums wird kaum hierher gehören; s. Bezzenberger KZ. 41, 93 Fussnote. Auch pijst,pidimai haben vielleicht kein altes e; s. Bezzenberger BB. 23,300. Und wenn sie ê haben sollten, so lasst sich keine Akutierung nachweisen, weil keine sicheren Verwandten mit e vorhanden sind. Stïnons und limauts können, wie Berneker bereits vermutete, altes i haben und wie lit. gyniau, gyriau u. dgl. aufgefasst werden, deren y (d. h. i) in dem Falie auf bereits urbaltischer Analogiebildung beruhen würde 7); weil aber die Wurzeln alten e-Vokalismus haben (vgl. apr. lemlai, lit. lémti; lit. stenit), halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass sie die alte Dehnstufe ê haben; sie würdensichdanu zu den Infinitiven *stini (wovon stitisennien „Leiden"), limtwey, -ei verhalten wie lit. ëmé zu imti. In diesem Falie ware für limauts alter Akutus am wahrscheinlichsten (vgl. lit. lëmè); ob aber sünons dieselbe Intonation haben würde wie lèmè oder aber diejenige von ëmé »), das ware kaum auszumachen. Alten Akut würden wir dann annehmen dürfen, wenn alle übrigen Beispiele zu der Berneker-Fortunatovschen Regel stimmten. Das ist aber nicht der Fall. Gegen die Regel haben sich, wie schon bemerkt wurde, Hirt Indogerm. Forsch 10, 37 f. und Bezzenberger KZ. 41, 76 ausgesprochen. Hirt geht auf die Formen mit altpreussischem i nicht naher ein, Bezzenberger aber hat darauf hingewiesen, dass einige derselben nicht zu der Regel stimmen, und zwar spigsna, Akkus. spigsnan und idis. Was spigsna (: spigsnan) anbetrifft, hier «rklart Bezzenberger die Endbetonung nach dem Gesetze De Saussures, indem er lit. Uptna (: Akk. Wptnq) zur Vergleichung heranzieht. Nun stehen freilich diese Wörter nicht ganz auf éiner Linie: denn das ë von lëpsna geht auf einen urbaltischen Diphthong zurück, der deshalb Zirkumflexus gehabt haben wird, weil er einem indogermanischen Kurzdiphthong entspricht, das * von apr. spigsnan ist aber ein ursprünglicher Monophthong. Trotzdem wird Bezzenberger recht haben. Denn angesichts der von ihm ebenfalls zitierten Wörter vom Typus billima, salübsna ist für Substantive auf -sna Flexion nach dem Akzentschema von lit. galva: gdlvq kaum annehmbar. Wenn aber apr. spigsna keine Form wie galva ist, so muss es seine Oxytonierung durch das De Saussuresche Gesetz bekommen habeu, und dann muss dast'Zirkumflexus haben. Noch einwandfreier ist die Annahme von Zirkumflexus bei idis (lx; Akk. idm lx, daneben idin lx): durch lit. valgis, kandis u. dgl. wird, wie Bezzenberger richtig bemerkt, diese Intonation sichergestellt. Man könnte freilich die Hypothese aufstellen, dass idis einen sekundaren, durch ist und andere Verbalformen, eventuell auch durch das Substantivum *ida. idai „Essen" (= lit. êda) hervorgerufenen Akut habe. Zu solchen vollstandig in der Luft schwebenden Hypothesen darf man aber bloss dann seine Zuflucht nehmen, wenn keine andern Wege offenstehen. Nun gibt es aber im vorliegenden Falie einen einfacheren Weg, den vorliegenden Tatsachen gerecht zu werden: wir dürfen das Lautgesetz aufstellen, dass j e d e s nicht auslautende ë im Dialekte des Enchiridions zu i geworden ist. Diejenigen Formen, die für ein solches Lautgesetz ins Feld geführt werden können, wurden schon besprochen; gegen dasselbe könnte man höchstens wëraui „wahret", etwëre „tust auf", trënien „Drohen" anführen. Wëraui ist aber ein Lehnwort, und zwar vermutlich ein junges Lehnwort, — etwëre übersetzt an der einzigen Stelle, wo es vorkommt, das deutsche „thust auff", es ist also eine Prasensform: im Prasens ist aber der lange Vokal absolut unverstandlich, so dass wir wohl annehmen mussen, dass die Form verfehlt ist. Es bleibt also nur das einmal vorkommende Substantiv trënien „Drohen" übrig. Es gehort wohl mit trinie „droht" zur selben Basis tren-, trtn-, die in lit. trinn, trinti „reiben" vorliegt; mehr Formen verzeichnet Leskien Der Ablaut der Wurzelsilben im Litauischen 352 [90]. Es könnte nun der Gedanke aufkommen, dass trënien zur von Leskien Die Bildung der Nomina im Lit. 270 [120] f. besprochenen Klasse von lit. gêlë (: getiu, géltï), vèêë (: veiu, vèzÜ) usw. geböre und ë aus urbaltiscbem ë habe. Weil aber trënien das einzige Wort mit nicht auslautendem è aus urbaltischem éware.möchte ich es lieber für einen Fehler halten. Das Zeugnis von spigsnan und idis, idin wiegt m. E. schwerer als dasjenige des &n. t.BU trënien. Sollte das Wort richtig überhefert sein, so werden wir das ë eher einem uns unbekannten Umstande zuschreiben müssen, welcher das Wort zu einer Ausnahme von unserer Regel machte, als die Regel selber wegen dieses einen Wortes aufgeben. Was das nicht-auslautende baltische ë anbetrifft, gehe ich also mit Bezzenberger zusammen. In der Beurteilung des Auslautes aber weiche ich von ihm ab, indem ich annehme, dass unbetontes è zu i geworden, haupttoniges è aber « geblieben ist. Dass unbetontes -ë zu -i geworden ist, hat Berneker bereits konstatiert; s. oben S. 6 f., und vgl. auch Bezzenberger KZ 41, 77 f.,wodieimEnchiridionvorkommenden Nominative auf -i aufgezahlt werden. Diese Endungtragt, wie Bezzenberger selber hervorhebt, nie das Langezeichen. Es fragt sich nun: wie sind die Kategorien von semme, milë, wedde und die Formen Me „war" und ste „desto" aufzufassen ? Hirt Idg. Forsch. 10, 37 f. bemerkt, dass die regelmassige Fortsetzung des idg. ë lit. ê sei, wahrend es für è kein litauisch-slavisches Beispiel gebe. Im Anschluss an diese Bemerkung bekampft Hirt die Bernekersche Regel, indem er sagt: „Es ist daher im Preussischen auch nur • zu erwarten Die Falie für i sind denn auch sehr unsicher. Preuss. semmë = lit. êèmè, wedde „führte" = Ut. vedê durften nicht mit angeführt werden, da ë im Auslaut stand, unbetontes ë im Auslaut aber in i übergeht, auch wenn es den Schleifton hatte, preuss. müti, lit. mótè, usw. Esbleibt also nur trënien Akk. „Drohung" übrig", usw. Wie istdas zu verstehen? Meint Hirt, dass betontes -è zu altpreuss. -e geworden ist? In dem Falie sind wir einig. Oder glaubt er, dass semmë, weddè wegen ihrer Oxyton&eiung nicht mit den litauischen Paroxytonis zêmê, vèdé identisch sein können? Einer solcben Ansicht könnte ich nicht beitreten. WaB apr. semmë: lit. zëmè anbetrifft, vgl. lit. moiêneben mótè. Und auch endbetonte Verbalformen auf -ë(t) waren im Preussischen wenig auffallig; denn diese Sprache besitzt ja auch, im Gegensatz zum Litauischen, endbetonte Formen auf -a(t): maita „nahrt", ebsgna, 1. ebsigna „segnet", poglabii „herzte", dwigubbw „zweifeit" 9). Ausführlicher und deutlicher als Hirt hat Bezzenberger sich über die altpreussischen Formen auf -ë ausgesprochen. KZ. 41, 78 f. bespricht er semmë. Das von Berneker 138 zusammen mit semmë genannte paekë „Friede" lasst er weg, und darin hat er recht; denn das Langezeichen über dem ë beruht.auf einem Irrtum Bernekers (s. Trautmanns Ausgabe 37, 16 = Berneker 43, 27; weiter Bezzenberger aaO. 77). Ob das einmal vorkommende packe in paekë oder packi oder in noch etwas anderes zu bessern ist, lasst sich nicht entscheiden. Der Zusammenhang, in welchem das Wort vorkommt, lasst uns einen Akkusativ erwarten; wie würde der aber lauten? An andern Stellen des Enchir. kommen die Akkusative packaien, paekan, packuu vor, ausserdem der Dativ packai in senpackai „sicher". Semmë kommt einmal vor, und zwar in dem Satze beggi ton asse semmë „Denn du bist Erde" (65, 33). Bezzenberger fasst hier ~ als Zeichen für u auf, und in semmen erblickt er einen Instrumental, wobei er auf den Gebrauch dieses Kasus im Litauischen hinweist (altlit. ius diewai* este, gatwu moleristes vra wiras usw.). Nun ware allerdings ë für en nicht absolut unmöglich — obgleich dergleichen Falie sehr selten sind; s. Bezzenberger BB. 23, 288 —, und im Litauischen würde ein Instrumental in diesem Satze nicht besonders auffallen; aber im Preussischen lasst sich der Instrumental, abgesehen von einigen Pronominalformen (ste „desto", s. weiter unten; sênku „damit", kuilgimai „so lange", kudesnummi „so oft , stu ilgimi „bis", sen maim, een maim „mit mir", sen wiasan swaieis „mit allen den seinen"; s. im VI. Kapitel), als selbstandiger Kasus nicht mehr nachweisen 10); und dort, wo Instrumentalformen vorliegen, sind sie funktionell vollstandig mit dem Dativ zusammengefallen; s. Verf. Neophilologus 2, 109 f. und unten im VI. Kap Angesichts dieser Tatsachen halte ich es für allzu gewagt, semmë als einen Instrumental sommen aufzufassen. Dazu kommtnoch, dass wir bei dieser Auffassung eine Erklarung für den Gegensatz sem(m)ien Akkus. (an zehn Stellen des Enchir.; daneben einmal semman): semmen Instrum. suchen müssten. In beiden Fallen ware von -ën auszugehen; im Akkus. hatte dieser Ausgang Zirkumflexus, im Instrum. Akut; weil aber sonst, wie auch Bezzenberger annimmt, die lautliche Entwicklung des baltischen ë im Preussischen von der Intonation unabhangig war, würde die Hypothese, dass -ën zu -ien, -Sn aber zu -en geworden sei, vollstandig in der Luft schweben. Ueber die Endung -ien s. weiter unten. Bezzenbergers Deutung von semmë muss ich also ablehnen, obgleich ich gerne gestehe, dass sie scharfsinnig ist. Es bleiben nun zwei Móglichkeiten übrig "): entweder ist semmë verfehlt oder es ist ein endbetonter Nominativ. Weil das Altpreussische von Will offenbar keine Formen auf betontes -i besitzt und auch bei den Verbalkategorien von milë und wedde die Annahme, dass -è auf urbaltischem -è (aus -ët) beruht, sich uns als die wahrscheinlichste ergeben wird, halte ich am liebsten trotz des Betonungsunterschiedes zwischen pr. semmë und lit. zêmê das preussische Wort für eine lautgesetzliche Nominativform auf balt. -ë. Wenn das ë verfehlt ware, würde sogar ein doppelter Fehler vorliegen: es ware dann -i zu erwarten, ohne Strich. Und einen doppelten Fehler nehmen wir, solange eine andere Auffassung möglich ist, besser nicht an. — Die einmal vorkommende weibliche Partizipform aulausè (61,23: sta ast giwantei aulansë „die ist lebendig todt") erklart sich, wenn sie richtig überliefert ist, am einfachsten als eine Analogiebildung nach den endbetonten Femininis auf -ë, also nach der Klasse von semmë 12). Bezzenberger KZ. 41, 79 möchte in aulausë, „falls sein ê nicht fehlerhaft ist", einen ahnlichen Instrumental erblicken wie in semmë. Das ist sehr unwahrscheinlich. Wie zufallig ware es, wenn speziell die «-Klasse die alten Instrumentale bewahrt hatte, und wenn gerade bei den zwei einzigen Instrumentalon auf -en die in unserm Texte sehr seltene Ersetzung des n durch — vorliegen solltel Eine zweiteFormkategorie, wo das -eunverandertgeblieben ist, bilden m. E. die Prasensformen auf -ë (aus -ët), die im Altpreussischen nicht bloss für die 3. Person Singular und Plural, sondern auch für die 1. und 2. Pers. Sing. gebraucht werden. Das Material führt Bezzenberger KZ. 41, 89 ff. an : budë „wachen", dergë „hassen", druwë „glaube,glaubst,glaubt, glauben", av-scnaudë „traut", pa-shclë, pa-skollë „ermahne", en-waekë „rufen an", prei-waekë „beruft", wargë „ist leid, gereut" (89), milë „liebt, lieben" (91), billë „sagt, spricht, heisst", quoitë „will, wollen", po-quoitè-ts „begehrt", stallë „steht, stehen", per-stallë „stehen vor" (99). S. 116 werden einige dieser Formen in konjunktivischer Bedeutung erwahnt, ausserdem noch seggë „tun", seg§ „tue". Für die S. 99 genannten Formen geht Bezzenberger vor -ëi(t) aus, für die übrigen, im Anschluss an Zubaty Indogerm. Forsch. Anzeiger 16, 57, von -êja(t) 13). Auf eine ahnliche Weise führt Bezzenberger S. 107 f. das -ë der Praterita billë „nannte", is-migë „entschhef", wedde „führte" auf ë-je(t) zurück, ebenso S. 108 f. bêi, bei, bhe (je einmal) „war" auf *bëje(i). Die Bezzenbergersche Erklarung der Verbalformen auf -ê wurde von Trautmann unverandert akzeptiert: s. S. 278, 282, 284 f., 290 seiner „altpreussischen Sprachdenkmaler". Trotzdem kommt sie mir sehr wenig plausibel vor. Wenn *bëje(t) an zwei von den drei Stellen, wo Bezzenberger und Trautmann eine Fortsetzung dieser Form annehmen, seinen Diphthong bewahrt hat, ist es mir absolut unverstiindlich, weshalb bei allen andern Formen auf balt. -ëje(t), -ëja(t) das i spurlos geschwunden sein sollte, zumal weil wir für all diese Formen eine starkere Satzbetonung voraussetzen durfen als für das Prateritum des Verbum substantivum. Auch ist mir sonst von einer Abneigung des Altpreussischen gegen Diphthonge nichts bekannt. Zwar zeigen die meisten Formkategorien auf -ei (tebbei, stessei, assei, boüseï) neben diesem -ei auch die Ausgange -e, -i (s. das IV. Kap.), aber hier haben wir es mit einem nachhaupttonigen -ei zu tun, so dass Formen wie stesse, oase sich etwa mit bhe „war" vergleichen lassen, wenn jedenfalls dieses bhe nicht als ein durch das im Texte gleich folgende be „und" hervorgerufener Fehler oder als eine ganz andere Form als bei, bei aufzufassen ist. Ueber bhe, bëi, hei s. unten. Neben Grundformen auf -ëje(t), -ëja(t) nimmt Bezzenberger auch einige auf -êi(t) an. Vorausgesetzt dass solche Bildungen je existiert haben, so glaube ich doch nicht, dass ihr -ëi auf altpreussischem Boden zu ë geworden ware. Eher ware Monophthongierung bereits für die indogermanische Periode anzunehmen. Ueber diese mutmasslichen ët-Prasentia (billë, quoilë, stallé) s. unten. Eine viel einfachere und einwandfreiere Deutung der prasentischen und auch der prateritalen Formen auf -eist möglich, wenn wir das auslautende -ê einfach als ein unverandert gebliebenes -ë auffassen, wie Fortunatov und Berneker vorgeschlagen haben. Bezzenberger ging zu weit, als er, im Anschluss an seine im Allgemeinen überzeugende Bestreitung der Fortunatov-Bernekerschen Regel für die samlandische Vertretung des baltischen è, meinte, dass jedes ë zu i geworden sei. Das von ihm selber KZ. 41, 77 konstatierte Fehlen eines auslautenden -i im Enchiridion hat ihn leider nicht auf den Gedanken gebracht, dass vielleicht betontes -ë im Auslaut bewahrt geblieben sein könnte. Hatte er an diese Möglichkeit gedacht, so hatte er, wie ich glaube, für semmë keine so weit hergeholte Detrtttng vorgeschlagen und zur Erklarung der Verbalformen auf -ë keine Hypothese aufgestellt, die Berneker gegenüber einen Rückschritt bedeutet. Berneker steilte Die preussische Sprache 213 milë: mxlijt (aus -êtï), budê: lit. budèti u. dgl. auf eine Linie mit laikn: laihüt («, ü aus s), maita: mait&t 1 *). Ebenso betrachtete Porzezinskij K istorii form spr'azenija v baltijskich jazykach 134 die Typen lit. èhio, apr. laiku und apr. billë als gleichartige Bildungen (Stamme auf -a °a- bezw. -ëa-), die er den Typen auf -s/a-, -ëja- (lit. 1. Ps. S. -oju, -êju) gegenüberstellte. In seiner Beurteilung von Porzezinskijs Arbeit halt Zubaty aaO. die sogenannten êa-Prasentia für identisch mit den ë/a-Prasentien; das altpreussische -ë leitet er aus -«/', -ëja her. Diese Vermutung, die, wie ich schon bemerkte, von Bezzenberger herübergenommen und weiter ausgearbeitet wurde, ist deshalb begreiflich, weil die altpreussischen Formen auf -ë vollstandig isoliert dastehen; im Litauischen kommen ahnliche Prasentia nicht vor. Dieser Umstand macht es natürlich unsicher, ob wir es hier mit einem urbaltischen Prasenstypus zu tun haben. Anderseits aber ergab sich uns die Herleitung des altpreuss. -ë aus -ëj\ -ëja als unannehmbar. Soweit ich sehe, sind zwei Auffassungen möglich: entweder stehen, wie Fortunatov BB. 22, 178 f. annimmt, die preussischen Prasensstamme auf -ë- mit den litauischen Praterital stammen auf -ë- auf einer Linie 1 s), oder das ë-Prasens ist eine preussische Neubildung: die Analogie der Klasse von 'maita: maitatunsin,dwigubbü: dwigubüt 1 8) konnte leicht neben Infinitiven auf -ëti (woraus spater -it entstand) Prasentia auf -ë aufkommen lassen. Diese Ansicht lasst sich mit dem, was Berneker sagt, kombinieren. Berneker bemerkt S. 213, dass die Klasse von apr. milijt = lit. myléti im Preussischen ihr Prasens ohne -io- bildet, ebenso wie dem lit. grèszyja ein preussisches griki-si „versündigen sich" gegenübersteht. Ob er diese Prasentia ohne -io- für alte Formationen oder für Neubildungen halt, teilt er nicht mit. Letzteres ware m. E. bei beiden Klassen sehr gut möglich: tnrri „hat" würde dann milë gegenüber die alte Endung bewahrt haben, und ebenso crixtia „ich taufe", das wohl formell eine 3. Pers. Sing. ist (wie die meisten altpreussischen Formen mit der Bedeutung einer 1. Pers. Sing.) und -ia aus -ija(t) haben wird, den Formen madli „bitte, bittet", schlüsi „diene", griki-si „versündigen sicb" gegenüber. Wenn die Prasentia auf -é jüngeren Ursprunges sind, so werden sie in erster Linie altere i- und ê;a-Prasentia verdrangt haben. Nun hat allerdings Bezzenberger KZ. 41, 88 maita und dwigubbü wegen ihrer Endbetonung zur ö/a-Klasse gestellt. Dabei erinnerte er an altlit. waiksczio, nesché u. dgl. neben domoi usw.; die Formen mit bewahrtem und abgefallenem -i sollen beide nebeneinander in apr. kelsai: kaltza „lauten" vorliegen. Dagegen bemerke ich, dass der aus dem Altlitauischen und auch aus neulitauischen Mundarten 17) bekannte Abfall von -;' nach o (aus a) nicht ohne Weiteres auch fürs Altpreussische angenommen werden darf. Diese Sprache hat absolut keine Abneigung gegen auslautendes -ai, -ai. Zwar begegnen uns in einigen Formkategorien die Endungen -ai und -a, -a nebeneinander (mensai: mensa N. Sg., ni-swintinai: ni-swintina 3. Pers. Pras.), aber hier liegen je zwei verschiedene Endungen vor, und -a, -a ist nicht auf lautlichem Wege aus -ai entstanden. Etwas Aehnliches wird bei kaltza'. kelsai der Fall sein: kaltza ist eine Form der a-Konjugation (vgl. lit. zmo, apr. bia, per-banda), kelsai eine Form der ö/a-Konjugation (vgl. lit. kovója, apr. et-trai „antworten", peisai „schreiben"); ein ahnliches Nebeneinander liegt bei lit. bilója: altlit. Ulo 18) vor. Auch ebsigna: signai sind vielleicht ebenso aufzufassen. Berneker, Bezzenberger und Trautmann erblicken in diesen beiden Formen Praterita; ich halte es aber für wahrscheinlich, dass ebsigna ebenso wie das ihm unmittelbar vorangehende lasinna eine Prasensform ist (bhe lasinna rankan nodins \ bhe ebs[t\gnadins, bei Trautmann S. 69, 34 f., „vnd leget die hende auff sie | vnd Segenet sie"), wahrend ich nicht entscheiden kann, ob signai (S. 67, 7) ebenfalls Prasens ist oder Prateritum (Deiws teikü .... teiku .... teiku .... signai billats . . „Gott Schuff schuff schuff .... segnet .... sprach . ."). Umso weniger dürfen wir uns durch die Endbetonung von maita u. dgl. von der so nahe liegenden Identifizierung der Endung -a mit dem lit. -o abhalten lassen, als ein ahnliches Verhaltnis bei apr. wedde: lit. vèdê wiederkehrt. Sogar wenn die von Bezzenberger vorgeschlagene Herleitung von ■ë aus -ëje(t) lautlich möglich ware, würde ich mich nicht entschliessen, weddë von lit. vSdé zu trennen: es stimmen ja auch der Prasens- und der Infinitivstamm vollstandig mit den litauischen überein (Imperat. weddeis Enchir., im 1. Katechismus wedais, im 2. Kat. wedeys: lit. vedi, te-vedë; west, westwei: lit. vèstt). Auch bei ismigë „entschlieff" (d. h. „schlief ein") ist die Ansicht Bezzenbergers KZ. 41, 107 dass diese Form nicht zu lit. -rnihti, Pras. mingu, sondern zu einem mit poln. mieéübereinstimmenden Zeitwort gehore, ziemlich gesucht: die inchoative Bedeutung des apr. Prateritums macht diese Hypothese sogar sehr unwahrscheinlich. Weddë und ismigë werden also aller Wahrscheinlichkeit nach altes -ë(t) haben; dann wird dasselbe wohl auch fürs dritte Preteritum auf d. h. für billë, gelten. Der Gegensatz zwischen weddë, ismigë, billë einerseits und perlraüki „verschloss" anderseits könnte die Vermutung aufkommen lassen, dass die Praterita mit kurzer Wurzelsilbe die Endung, diejenigen aber mit langer, akutierter Wurzelsilbe die Wurzel betonen, und die Formen billats „sprach": hüra „baute" könnten uns für die a-Praterita ahnliche Verhaltnisse vermuten lassen. Dieses Material ist aber zu gering urn irgend welche sicheren Schlüsse zu gestatten, Beispiele, wo zirkumflektierte Lange der Wurzelsilbe feststünde, fehlen. Wir könnten freilich für en-deira „sah an" zirkumflektiertes ei vermuten und anneh men, dass zirkumflektierte Lange mit Kürze auf einer Linie stehe, — aber eine solche Vermutung findet in den Prasensformen auf -a(t) keine Bestatigung: laihu „halten" = lit. laiio, per-banda „versucht" = lit. bando. Eine barytonierte Prasensform auf -ë(t) dürfte in dem dreimal in ein und demselben Satze vorkommenden per-lanii „gebührt" vorliegen (das Verhaltnis vonj»«r-fö»iib'zum einmal belegten per-Unhei „gehort" ist nicht klar •»). Istper-lankei vielleicht 2 verfehlt?), möglicherweise auch in bilU „spreche" (1. Ps. Sing. Ind. und 3. Ps. Sing. Konj.), stalli „stehet"; hier hatten wir dann bei denselben Zeitwörtern barytonierte und endbetonte Formen nebeneinander. Aus dem Vorhergehenden dürfte sich ergeben, dass das geringe Material des Enchixidions das Aufstellen von Regeln für die Betonung der Verbalformen auf -a(t) und -ë{l) nicht gestattet. Wir mussen uns damit begnügen, dass wir das Vorkommen von zwei Betonungstypen und die Entwicklung von -é{t) zu samland. -ë und von -è\t) zu samland. 4 konstatieren. M. a. W.: per-banda, küra: maita, billa-ts - per-la*ki, per-traüki: Oudé, weddë = mnti, peróni: semmë. Neben den Verbalformen auf -ë und -i kommen auch solche auf -e vor. Das Material f ühre ich an nach Bezzenberger KZ. 41, 89 ff.: druwe „glaube, glaubt", giwe „lebt", pallapse „begehren", kaima-luke „sucht heim", segge „tue, tut" (89), mile „liebt" (91), bille „sage, spricht", stall* „steht, stehen", per-stalle „stehen vor" (99), segge „tuen (man tue)" (116). Wie sind diese Formen aufzufassen? Eine Vergleichung mit 8. 13 zeigt uns, dass einige von denselben auch mit -ë vorkommen. Dieser Umstand weist darauf hin, dass das-e trotz des Fehlens des Langezeichens als betontes -ë anfzufassen ist. Diese Annahme ist umso unbedenklicher, als keine der Formen auf -e auf einer andern Silbe das Zeichen - hat (abgesehen von der Zusammensetzung kamarluJce, wo das Langezeichen auf der Aufangssilbe hóchstens beweisen kann, dass das erste Kompositionsglied einen starkern Ton hatte als das zweite), und weil auch sonst das Langezeichen oft weggelassen wird M). Eine Form kommt besonders haufig mit -e vor, und zwar segge (7 x; daneben 1 X seggë und 1 x sege), aber auch hier steht die Form mit -ë daneben, und auch seggësei, seggëmai (2 x), seggëti legen ein indirektes Zeugnis für die Betontheit und die Lange des-«von segge &b: denn diese Formen sind Neubildungen 1 ')> die die Form der 3. Person als Grundlage haben (s. Bezzenberger KZ. 41, 91, Trautmann 278). Dort, wo das ë nicht im Auslaut stand, musste es in i übergehen. Das geschah u. A. im Infinitiv auf balt. -ëti und in den übrigen vom Infinitivstamm gebildeten Formen *»). Nun kann aber -U ausser auf -«7» auch auf -Ui zurückgehen, und es fragt sich, inwiefern für die zu Prasentien auf -ë gehörigen Infinitive von -ëti oder von -Ui auszugehen ist. Aus Bezzenbergers Erörterungen aaO. 89 ff. geht hervor, dass in vielen Fallen das ë des Infinitivs durch andere Sprachen bewiesen wird (lit. budëti, dergètuwas, ksl. o-zivëti, lit. lükëti, myUü), wahrend auch bei drumt, pallaipsïtwei, auschaudïtwei, seggit, loackitwei, wargè, poshulit trotz des Fehlens litauischer «-Formen die Annahme von altem ê-Vokalismus sehr plausibel ist. Im Allgemeinen dürfen wir sagen, dass dort, wo keine speziellen Umstande für .Ui sprechen, Uebereinstimmung des Infinitivvokalismus mit dem desPrasens am wahrscheinlichsten ist. Daneben kónnen aber Falie mit „Entgleisung" vorkommen. So liegt angesichts lit. ikuufti „horen" die Vermutung nahe, dass das i von apr. Uausiton Inf. „erhören", klmrium Part. Pf. Akt. ein urbaltisches ï ist, und dass die 3. Pers. Pras. *klausë, welche die Grondlage für die 1. Pers. PI. klausëmai gebildet hat, erst auf preussischem Boden nach milijt: milè u. dgl. entstanden ist. Sicherheit, dass die Entwicklung so vor sich gegangen ist, haben wir aber nicht. S. weiter unten, speziell Bem. 31. Die gróssten Schwierigkeiten bereiten uns diejenigen Zeitwörter, die neben Prasensformen auf -ë solche auf -a haben: billa, billa neben billë, bille zu billu Bsagen; sprechen", quoite neben quoitë zu *quoitit1') „wollen", stalla neben stallë, statie zu stallit (1. -U; vgl. is-stallït) „stehen"; s. Berneker 214 f., Bezzenberger KZ. 41, 99 ff., Trautmann 282 f. (Klasse 12).' Es fragt sich, ob wir es hier mit dem Typus von lit. sakaü, saM, s&io: sakyti zu tun haben 2 4). Wenn das der Fall ware, so könnten billë (-e), quoitë, slallë (-«?) auf dieselbe Weise erklart werden, wie wir oben Hlausë (hlausëmai) gedeutet haben; s. Berneker 214. Daneben kann aber derGedanke auf kom men, ob vielleicht die Formen billë (■*), quoitë, stallë (-a), und dann auch Hlausè, was ihre Stammbildung anbetrifft, den litauischen Prateritis »aU, klaüsê usw. entsprechen. Diese Ansicht berührt sich nahe mit derjenigen Bezzenbergers, der KZ. 41, 100 f. für billa: billë ein Stammpaar auf -ai-: -èv- annahm und in dem i des Infinitivs ein mit dem idg. Langdiphthong ablautendes * erblickte. Gegen die Vermutung, dass das Verhaltnis von billa zu billë demjenigen von lit. »&ko zu saké entspreche, kann natürlich der Funktionsunterschied der Formation auf -ë in den beiden Sprachen geltend gemacht werden. Diesen Ein wand möchte ich beantworten mit der Bemerkung, dass im Enchir. dieselben zwei Stamnie, die fürs Prasens gebraucht werden, auch im Prateritum auftreten (billë „nannte": billa, billa-U „sprach"), und dass auch sonst in der Sprache Wills Prasens und Prateritum nicht als streng voneinander getrennte Kategorien betrachtet werden können; s. den letzten Teil des X. Kapitels. Damit soll freilich nicht gesagt sein, dass ich diese Auffassung von billë (-e): Ulla (-a) usw. für mehr als eine Moglichkeit halte. Die Beurteilung der Prasentia mit Wechsel von -ë und -a hangt aufs engste mit unserer Auffassung von der litauischen Klasse von sakaü, s&ko: sakyli zusammen. Halt man den hier auftretenden Ablaut (o aus) a: i für aus derindogermanischen Grundsprache ererbt, so kann man kaum anders tun als für billa: billit usw. diesen selben Ablaut annehmen; billé usw. müssen dann auf eine der zwei oben angedeuteten Weisen erklart werden. Nun haben Bartholomaes Untersuchungen über den indogermanischen Ablaut ai (woraus unter gewissen Bedingungen a, entstand): » (Studiën zur indogermanischen Sprachgeschichte 2, 63 ff.) die Vermutung nahe gelegt, dass dieser Ablaut in lit.-o: -y-ti fortlebe, und tatsachlich haben mehrere Forscher eine solche Ansicht ausgesprochen: s. Bartholomae aaO. 181 f., J. Schmidt Festgruss an Roth 184, Uljanov Znacenija glagol'nych osnov v litovsko slav'anskom jazyke' 2, 231 ff., Porzezinskij aaO. 138 ff. (s. Berneker Archiv f. slav. Phil. 25, 495 ff.), Bezzenberger r«f«f 196 ff., KZ. 41, 101 f. Daneben ist aber mit der Möglichkeit zu rechnen, dass der litauische Ablaut -o: -y(ti) sekundar ist. Berneker hat Archiv f. sl. Ph. 25, 497 f. auf einige altlitauische und lettische Formen aufmerksam gemacht, welche den Gedanken nahe legen, „dass wir in der Flexion von métau, mttyti eine Verschmelzung der a- und der i-Formation erst auf baltischem Boden vor uns haben". Eine weitere Stütze erha.lt diese Hypothese von seiten des Altpreussischen, wo diejenigen Zeitwörter, denen im Litauischen Verba auf -au: -yü entsprechen, sowohl im Prasens wie im Infinitiv a (woraus o,«) haben: Ench. laiküt „leisten, halten", Pras. laiku: lit. laikyti, laïko; Elb. Vokab. maysotan „gemenget": lit. maiszyti: maïszo, — wahrend die drei altpreussischen Verba, für welche man ö-*-Ablaut annehmen kann (billit, *quoitït, stallit) auch anders gedeutet werden können; denn es lasst sich nicht beweisen, dass das * dieser Verba altes i ist; es könnte auch «sein. Wenn für die drei Infinitive billit, *quoiM, stallit von ëti aoszugehen ist, so stünden die Prasentia billë, quoitë, stallê zu denselben in demselben Verhaltnisse wie budë zu lit. budêü, milë zu milijt usw. Wie waren dann aber billa, quoita, stalla zu erklaren? Es ware hier wohl ein ahnliches Nebeneinander von Verbalstammen auf -a- und -ë- anzunehmen wie in den Wortpaaren osk. censaum: lat. censëre,\aX.calare: gr. xalstv usw. vorliegt; s. darüber u. A. Bartholomae aaO. 152, Von Planta Grammatik deroskisch-umbrischen Dialekte 2, 243. Zahlreich sind solche Falie im Slavischen, wo bisweilen die zweierlei Formationen zum Ausdruck des Aspektunterschiedes „abstrakt" (bezw. „iterativ"): „konkret" benutzt werden; z. B. abg. bëgati: bëêati (*bëgëtï) „laufen", poln. Argac: drèec' (beide auch in andern Sprachen) „zittern, beben", russ. dial. gl'adat': russ. gl'adët' „schauen", russ. vidat': vidSH „sehen", russ. slychat': sh/iat „hören" (alle drei auch in andern Sprachen), abg. imamï: imëjq, imêti '*) „haben". Im Litauischen sind solche Wortpaare seiten *•), wie man aus einer Durchmusterung des von Leskien in seinem Buche „Der Ablaut der Wurzelsilben im Litauischen" zusammengestellten Materials ersehen kann, aber ganz fehlen sie nicht (vgl. z. B. liniéti „kriechen": lindoti „wo stecken", lUtgëü „schwanken": lingoti „schweben, wackeln"), und möglicherweise ist die Anzahl dadurch verhaltnismassig so gering, dass in einer reichen Verbalklasse (-au: -iau: -yti) der a-Statnm regelmassig fürs Prasens und der «-Stamm ebenso regelmassig fürs Prateritum gebraucbt wird 17). Aus dem Vorhergehenden ergeben sich für billë, quoit», stallë drei Erklarungsmöglichkeiten l8), und zwar: 1. die Prasensformen billë, quoitë, »tallè gehören zu den altesten Formen dieses Typus; ihr Stammesauslaut war von alters her mit dem der zugehörigen Infinitive (billit aus *bi/ëti usw.) identisch, 2. 19) die drei Formen hatten von alters her -ë-, in Abweichung von dem Infinitiv (mit billa: billë: billit vgl. lit. s&ko: saké: sakytï), 3. die drei Formen kamen nach Analogie von milë: milijt auf, nachdem der Infinitivausgang -ëti mit -iti in -u(ï) zusammengefallen war. Ich verzichte auf eine Entscheidung zwischen diesen drei Möglichkeiten, ebenso wie ich nicht ausmache, welche der zwei von mir besprochenen Ansichten bezüglich der litauischen a«^i-Klasse das Richtige trifft. Für meiuen Zweck ist eine solche Entscheidung gar nicht nötig, denn in keinem Falie widersetzt sich die Kategorie von billë meiner Annahme, dass das -ë der altpreussischen Formen der 3. Person Pras. und Prat. auf -è\t) zurückgeht. In Ueberein8timmung mit dem Litauischen werden wir für das -ë der preussischen 3. Person Zirkumflexus annehmen mussen; die Erklarung dieses Zirkumflexus ist nicht leicht zu geben. wir brauchen aber auf diese Frage jetzt nicht einzugehen. Einen ahnlichen Zirkumflexus kann auch bhe „war" gehabt haben, — wenn jedenfalls diese Form mit abg. bë „id." auf idg. *bh(w)ët zurückgeht (so u. A. Berneker 228; vgl noch gr. icpir,) und nicht mit Bezzenberger KZ. 41, 108, Trautmann 290 für identisch mit bëi, bei „id." zu halten ist. Diese letzte Form werden die zuletzt genannten Forscher wohl richtig auf alteres *bë;et zurückführen. Bei jeder dieser zwei Ansichten ist das Fehlen des Langezeichens über dem e von bhe dem schwachen Satzakzente zuzuschreiben, — wenn wir es nicht einfach mit einer Nachlassigkeit Wills zu tun haben; s. Bern. 20. Ausser den bis jetzt besprochenen Formkategorien auf •ë (-e) gibt es noch eine Form, die hier behandelt werden muss, und zwar ste „desto". Hier liegt im Gegensatz zu semmë usw., milë usw. nach aller Wahrscheinlichkeit ein akutiertes ë vor. Berneker 138 fasste dieses ste als einen zirkumflektiert intonierten Ablativ *stëd auf, Hirt Indogerm. Forsch. 10, 38 meinte, ste kónne „natürlich alles möglich e sein". Für eine solche Skepsis gibt es m. E. keinen Grund. Das Indogermanische gebrauchte beim Komparativ zur Bezeichnung des „nm wieviel" einen Instrumental des Masses; s. Brugmann Grundriss 2*, 2, 530 f. Nun gibt es bekanntlich in mehreren Sprachen Instrumentalausgange, die indogerm. -e, afris. (thes)te, ndl. te ï0). In d iesem preussischen Worte hat also das akutierte -ë im betonten Auslaute seine Vokalfarbe bewahrt; das Fehlen des Langezeichens dürfte, wenn es nicht auf einer Nachlassigkeit Wills beruht, dem schwachen Satzakzente zuzuschreiben sein (vgl. ndl. te, d. h. ta, und s. oben zu bhe). Wir haben jetzt die im Enchiridion vorkommenden Formkategorien auf -ë (-e) besprochen. Aus dieser Besprechung und aus der Tatsache, dass das Zëichen i im Auslaute nicht vorkommt, geht hervor, dass jedes betonte auslautende -ë unabhangig von der Intonation im Dialekte Wills unverandert geblieben war. Die Ergebnisse der ganzen bisherigen Untersuchung móchte ich folgenderweise formulieren: In der Sprache des Enchiridions ist nichtauslautendes è zu i geworden; auslautendes -ë tritt, wenn es den Hauptton tragt, als -ë, sonst als -* auf. Die Mundart des zweiten Katechismus stimmt, insofern dieser kurze Text ein ürteil gestattet, zum Enchiridion. Der erste Katechismus zeigt bekanntlich die Neigung, tin e zu verwandeln. Weil sowohl dem aus ë entstandenen wie dem aus dem Urbaltischen ererbten i von II und Ench. in I öfters ein e entspricht, ist es wahrscheinlich, dass in beiden Pallen das e auf i zórückgeht sl) und dass also die soeben fürs Enchiridion gegebene Regel allgemein samlandisch ist. Ich hoffe jetzt zu zeigen, dass es eine Ausnahme von dieser Regel gibt, und zwar ist, wie ich glaube, der Auslaut -*» zu -ien geworden, m. a. W.: vor auslautendem -« entstand aus ê ein durch ie bezeichneter, entweder diphthongischer oder monophthongischer Laut, der weder mit ë noch mit » identisch war. Berneker 139 führt die Akkusative mütin, perönin, teisin, warin, giwin an, deren i er nach der von ihm angenommenen Regel: „Unbetontes ë im Auslaut geht, auch wenn es Schleifton hat, in i über" erklart. Wenn wir nun aber in Trautmanns Glossar, wo alle in den altpreussischen Texten vorkommenden Formen verzeichnet sind, diese Akkusative aufsuchen, so ergibt sich, dass neben mütin Ench. 1 X, mutlin I 1 X zweimal die Form mutien belegt ist, 1 X in II, 1 X im Ench., ausserdem mütien Ench. 1 X, —neben perönin Ench. 2 X perönien Ench. 3 X, — neben warrin {sic, nicht warin) Ench. 2 X warrien Ench. 1 X und warein Ench. 2 X, — neben gijwin Ench. 1 X, geiwin 11 X geywien II 1 X, — so dass teisiu Ench. 5 X, woneben einmal teischin Ench., der einzige der fünf von Berneker angeführten Akkusative ist, der an allen Stellen -in hat. Und wenn wir auch noch same (Elb. Vok.), semmë (Enchir.) „Erde" aufschlagen, so begegnen wir neben einmaligem semmin I einem zweimal im Ench. belegten semien und einem achtmal im Ench. und einmal in II vorkommenden semmien; das einmal im Ench. belegte semman ist verfehlt oder eine sekundare Form nach der a-Deklination. Sind nun all diese Formen auf -ien Analogiebildungen nach der iö-Deklination, wie Berneker 139 und 184 annimmt? Gewiss werden wir für die ió-Stamme einen Akkusativ auf -ien (zunachst aus -ian) annehmen mussen; darauf weistja vor allein die Endung -ien der mannlichen ia-Stamme hin. Wenn wir aber daran denken, dass ein Teil der tó-Stamme, und zwar diejenigen mit einem Nomin. Sing. auf -i, diese lautgesetzliche Akkusativendung aufgegeben und durch ein unter dem Einfluss des Nominativs entstandenes -in ersetzt haben (s. S. 32), so fallt es uns schwer zu glauben, dass eine andere Nominalklasse, deren haufigster Nominativausgang ebenfalls -i war, ihre Akkusativendung -in unter dem Einfluss der tö-Stamme durch -ien ersetzt habe 31). Vielmehr ist hier das ie lautgesetzlich aus ê entstanden. Umso wahrscheinlicher kommt mir diese Annahme vor, als sie auch für apr. mien „mich", tien „dich", tien „sich" eine einfache Deutung ermöglicht: mien, tien, tien = abg. me, te, se; apr. mien, abg. me — aind. mam, wahrend apr. tien, abg. te bloss im Stammesanlaut, nicht aber im Ausgang von ai. tvam abweicht. Ich kehre also zurück zu der von Leskien schon im Jahre 1876 ausgesprochenen Ansicht (Die Declination im Slavisch-Litauischen und Germanischen, S. 143): „me, d. i. *mên = mien, lies min oder mén." Gegen diese Meinunghat sich Berneker 207 f. gewandt, 3») und seitdem hat dieselbe wenig Anerkennung gefunden; s. Trautmann 269, Brugmaun Grundriss 22, 2, 413 f. **) Berneker halt Leskiens Ansicht deshalb für wenig wahrscheinlich, „weil man dann annehmen müsste, dass nur gerade in diesen Formen i durch ie bezeichnet werde, für das doch sonst durchgebends *, ij erscbeint". Und dann fahrt er fort: „Beim zahlreichen Vorkommen dieser Formen ist es doch undenkbar, dass nie ein *min, *mijn erscheinen sollte, wenn i gesprochen wurde, wie es undenkbar ist, dass nie sonst langes * mit ie geschrieben wurde, wenn dieses wirklich ein Mittel zu seiner Bezeichnung war". Ware Berneker nur auf den Gedanken gekommen, dass der durch ie angedeutete Vokal einen etwas von dem durch i bezeichneten Laut abweichenden, es sei denn diphthongischen oder monophthongischen Klaug gehabt haben könne, und hatte er nur gesehen, dass die beiden Formkategorien von mien und sem{m)ien auf eine und dieselbe Weise gedeutet werden kónnen, so hatte er sich wohl Leskien angeschlossen, und einige von ihm und andern Forschern aufgestellte, vollstandig in der Luft schwebende Deutungen von mien, tien, uien waren uns erspart geworden. Berneker 208 hat zunachst an die Möglichkeit gedacht, dass mien, tien, sien „verkürzte Formen *men *ten *»en" seien; * ware dann Erweichungszeichen. Weil aber Will die Erweichung nur sporadisch bezeichnet, so dass neben mien usw. die Orthographie *men usw. zu erwarten ware, gibt Berneker einer andern, viel weniger einfachen Hypothese den Vorzug: „Nach einem dat. *mei *tei *sei, letzteres vielleicht in grikisi, lit. mi ti ai, wurden nach Art der-io-St. für *men, *ten, *sen Formen wie *mjen, *tjen, *sjen gebildet: in der That ist in allen klaren Fallen die Lautverbindung »5) ie als -je- zu lesen". Diese letzte Behauptung ist kaum richtig (s. S. 33 f.), aber auch wenn sie richtig ware, so würde sie Bernekers Hypothese noch nicht glaubhaft machen! Brugmann aaO. halt mien, tien, sien für „irgend eine analogische Umbildung von urbalt.-slav. Formen auf-» (aus-»»." Er zieht auch die neben tien, sien vorkommenden Formen tin (1 X; tien 14 X), sin (ausschliesslich in der enklitischen Verbindung mit Verbalformen; alsselbstandiges Wortstets sien)1 •) in Betracht, welche, von preussischem Standpunkte gesehen, kaum etwas anderes als schwachtonige Formen für tien, sien sein können. Höchstens könnte daneben die Vermutung Zubatys Indogerm. Forsch. Anz. 16, 60 Fussnote aufrecht erhalten werden, dass -sin eine neben dem ebenfalls zur Bildung reflexiver Zeitwörter verwendeten, etwa auf *sê zurückgehenden -si aufgekommene Neubildung nach sien sei, — wahrend tin eventuell als ein Fehler für tien aufgefasst werden könnte. Auf keinen Fall aber dürfen wir mit tin, sin als mit selbstandigen Grossen operieren und sin, so wie Brugmann aaO. es tut, direkt mit aind. sim verknüpfen: sien sollte dann eine Neubildung sein wie schien neben schin — lit. tsüt. Eine zweite Möglichkeit ware nach Brugmanns Meinung diese, dass mien, tien, sien „Umbildung" von mit abg. me, te, se identischen Formen seien; auf welchem Wege der Umbildungsprozess vor sich gegangen ware, wird nicht mitgeteilt. Trautmann aaO. formuliert seine Ansicht folgenderweise: „Mien, tien, sien beruhen auf mi, ti, si + der Partikel -an", wobei auf Bezzenberger Beitrage zur Geschichte der litauischen Sprache 167, BB. 23, 304 verwiesen wird. An der ersten dieser zwei Stellen werden die litauischen Akkusative mi, ti, si auf *mian, *tian, *-sian zurückgeführt, denen apr. mien, tien, sien, umbr. tiom, osk. siom genau entsprechen sollen. All diese Formen werden von Stammen mia-, tia-, sia- abgeleitet. An der zweiten Stelle teilt Bezzenberger mit, dass er an seiner früheren Ansicht (vom Jahre 1877) „heute" (1897) „natürlich einiges zu andern habe", und dann verweist er auf Bugge Altitalische Studiën 32 f., wo umbr. tiom, osk. siom besprochen werden. Einige andere Stellen, wo von diesen umbrosamnitischen Akkusativen die Rede ist, zitiert Trautmann aaO. Wenn wir nun aber Von Planta Grammatik der oskisch-umbrischen Dialekte 2, 231 f. aufschlagen, so ergint sich, dass Trautmann von der Literatur über diesen Gegenstand bloss denjenigen Teil ausgewahlt hat, wo umbr. tiom, osk. siom als Zusammensetzungen kürzerer Akkusativformen (= lat. te, së) mit einer Partikel (vgl. ai. tuo-dm) aufgefasst werden, dass aber daneben eine ganz andere Hypothese aufgestellt worden ist; siehe auch Buck A grammar of Oscau and Umbrian 140, Brugrnann Indogerm. Forsch. 23, 312. Nun kommt es mir methodisch unrichtig vor, auf einer für ein paar umbrosamnitische Formen vorgeschlagenen, aber bei wei tem nicht allgemein anerkannten Hypothese eine Erklarung altpreussischer Formen aufzubauen, — und deshalb muss ich Trautmanns apodiktische Behauptung: „Mien, tien, tien beruhen auf mi, ti, si + der Partikel -an" für eine in der Luft schwebende Vermutung halten. Derselben Ansicht scheint jetzt auch Bezzenberger zu sein. In seiner Besprechung von Trautmanns Buch verweist er (KZ. 44, 327) auf die eben erwahnte Stelle Brugmanns, wo dieser Gelehrte umbr. tiom, osk. siom als substantivierte Neutra von Possessivpronomina auffasst, und auf KZ. 26, 398 Fussn., wo J. Schmidt für das Samlandische ie „als Vertretung eines ursprünglich einheitlichen e oder i nur vor n, einmal vor r" annimmt und als Beispiele u. A. mien, tien, tien anführt. D&rfen wir hieraus schliessen, dass Bezzenberger jetzt die Leskiensche Auffassung dieser Formen weniger verwerflich findet als früher? Ich glaube ja; auf jeden Fall zeigt seine Bemerkung, dass er Trautmanns Ansicht, welche sich mit der früher von ihm selber ausgesprochenen Meinung nahe berührt, für anfechtbar halt. Ich hoffe dargetan zu haben, dass nicht bloss Trautmanns Meinung, sondern auch die Hypothesen von Berneker und Brugrnann einen geringen Wert haben. Weiter glaube ich, dass das zu sem(m)ien usw. Bemerkte im Zusammenhang mit dem über mien, tien, sien Gesagten die Annahme plausibel macht, dass auslautendes -en im Samlandischen zu -ien geworden ist. Bisher behandelte ich aber nur einen Teil des in Betracht kommenden Materials. Eine richtige Beurteilung des Tatbestandes wird erst durch eine Betrachtung samtlicher Akkusative auf -in und -ien möglich werden. Dabei bereitet uns die geringe Anzahl der überlieferten Formen gewisse Schwierigkeiten: nicht immer wird es möglich sein auszumachen, zu welcher Stammklasse ein Nomen gehort; «-Flexion dürfen wir annehmen, wenn ein Nominativ Singular auf -tS7) oder -ë vorkommt; einNom. Sg. auf -is oder -* weist auf ja- oder i-Flexion hin. Der II. Katechismus ist wegen seines geringen Umfanges und der relativen Durchsichtigkeit des in ihm enthaltenen Materials am meisten geeignet unsern Ausgangspunkt zu bilden. II enthalt folgende Akkusative von «Stammen: semmien (11, 26; Nomin. Ench. semmë, lit. zëmë), mutien (11, 9; Nora. Ench. müti, lit. mótê; ein im Preussischen in die ê-Klasse herübergetretener ursprünglicher r-Stamm), geywien (11, 36; Nom. Ench. giwei, lett. dfiwè). Zu einem i-Stamme gehort naktm „Nacht" (13, 20; vgl. lit. naküs, Gen. naktès). Zu /a-Stammen gehören reykyen „Herrn" (11, 27; Nomin. in II rykyes 13, 12, reykeis 13, 20, im Enchiridion rikijs; wohl ein ï/'a-Stamm) und tauwyschen „Nachsten" (11, 18; Gen. in II tauwyschis 11, 20, -ies 11, 22, Ench. tawisehas 3 X, in I -is 2 X). Wenn wir die bisher verzeichneten Formen als die lautgesetzlichen betrachten, so ist es wahrscheinlich, dass auch naseylien „Geist" (11, 28 und 34; Nomin. noseiUs, noseilis Ench.), pykullien „Holle" (11, 30; Nomin. pyeuls Vokab.), geytien „Brot" (13, 6 und 21; an der ersten Stelle unrichtig geytiey geschrieben; Nomin. geUs Ench., geytye, 1. -ys Vok.) ;'a-Stamme sind, wabrend für druwin „Glauben" (11, 24) i-Flexion wahrscheinlicher ist (vgl. den Nom. Sing. dro'ffs in I, druwis im Ench.). In etwerpsennian „Vergebung" (11, 36; 13, 30) liegt ein noch altertümlicherer Akkusativ Singular eiues ;'a-Stammes ,s) vor. Diese Form könnte uns auf den Gedanken bringen, ob vielleicht das -ien der übrigen ;o-Stamme ein ahnliches, ausschliesslich dem Dialekte von II zukommendes e hat wie etwa sten, testamenten. Auf diese Frage kommen wir bei der Bebandlung des Materiales aus dem Enehiridion noch zurück. Tirtien „dritten" (11, 30) wird eine Form nach der /'a-Deklination sein, wahrend wissemokin „allinaehtigen" (11, 25) vielmehr der i-Deklination angehört. Ueber kirken „Kirche" (11, 35) lasst sich nichts sagen; es ist ein junges Lehnwort. Die Form ydi (13, 25 f.: postan bitans ydi „nach dem Abendmal"; Vgl. 13, 18 f.: Assa Sacramenten bytis ydi „Vom Sacrament des Altars") kann kaum anders als ein Fehler sein. Möglicherweise ist ydi, d. h. ydin zu lesen; auch kann Bezzenbergers Vermutung BB. 23, 289, dass der Setzer anstatt Hitasydin bitans ydi gesetzt habe, richtig sein. Spater wird diese Form uns noch beschaftigen. Aus der vorhergehenden Durchmusterung des Materials aus II ergibt sich m. E. eins mit Sicherheit: dassindiesem Katechismus die «-Substantive einen Akkusativ auf -ie» haben (semmien, mutien, geywien), wahrend allem Anscheine nach -in die Endung der i-Stamme ist und die /«-Stamme -ien und -ia» haben. Hier haben wir aber in der Form des Nomin. Sing. kein so sicheres Kriterium für die Deklinationsklasse wie bei den ê-Stammen. Der I. Katechismus bietet uns folgendes Material: semmin (5, 27), muttin (5, 10) geiwin (7, 2), nactin (7,19), rekian (5, 28), tawisehen (5, 19), naseilen (5, 29 und 35), pekoüin (5, 31), geittin (7, 8 und 20), et werpsannan (7,1), att werpsannan (7, 29), tirtin (5, 31), [wismosing 5, 26,] kirkin (7, 1), eden (7, 25 und 18). Weil auch sonst I e anstatt *' hat, dürfen wir dem neben -Ui vorkommenden -en keinen besondern Wert beilegen. Auffallig ist das Fehlen von -ien; ich entscheide nicht, ob im Dialekte von I -ien auf lautgesetzlichem Wege zu -in geworden war; daneben besteht die Möglichkeit, dass die Unterscbeidung von -ien und -in in II der grosseren Pünktlichkeit oder dem scharferen Qehör für Lautunterschiede des Verfassers dieses „gecorrigireten" Katechismus zuzuschreiben ist. Ueber das -ian (-an) einiger ;'a-Stamme sprechen wir S. 34 f. Im Enchiridion begegnet uns ein für den oberflèichlichen Beobachter regelloses Durcheinander von -ien und -in. Bei einer genaueren Betrachtung wird es uns aber gelingen, einigen Regeln auf die Spur zu kommen. Wegen ihrer Nominativform sind als ê-Stamme aufzufassen: mutien, mutien (je IX) „Mutter": mütin (1 X). Nomin. mnti, lit. mótè. semmien, semien (zusammen 10 X) „Erde". Nomin. semmë, lit. zêmê. perönien (3 X) „Gemeinde": perönin (2 X). Nomin. peröni. warrien (1 X) „Macht": warrin (2 X), wam» (2 X). Wegen des Akkusativs warein, der an zwei weit voneinander entfernten Stellen vorkommt und also kaum als Druckfehler aufgefasst werden kann, ist ein ebenso wie gvwei gebildeter Nominativ *warei wahrscheinlich. 39) peisalin (1 X) „Schrift". Nomin. peisalei. gijwin (1 X) „Leben". Nomin. gitoei, lett. dftwe. leisin, ieischvn (zusammen 6 X) „Ehre". Nomin. teisi, lit. teisê. Weiter dürften hierher gehören: salin (1 X) „Kraut". Nomin. lit. iolë, lett. /die. Sollte soalis Vokab. „krewtecht" eine Singularform und nicht eine mit lit. zölês identische Pluralform sein, so ware es als ein i-Stamm aufzufassen, und salin würde dann wohl zü diesem selben »-Stamm gehören. druwien, drüwien, nidruwien (zusammen 11 X) „Glauben" bezw. „Missglauben". Als Nominativ kommen ein mannliches druwis und ein weibliches druwi vor (je 1 X im Ench.; in I Stas Dro'J's). Weil ich glaube plausibel machen zu können, dass die ê-Stamme einen lautgesetzlichen Akkusativausgang -ien haben, stelle ich druwien (ü; ni-d.) zum Nomin. druwi. Freilich beziehen sich 33, 12 auf drüwien die Worte En kawijdsmu. Dadurch wird aber das mannliche Geschlecht von drüwien nicht bewiesen; vgl. 41, 19 sta Druwi | hu. II hat im Gegensatz zum Enchir. druwin. Wenn diese einmal vorkommende Form richtig überliefert ist, so wird sie dem Maskulinum druwis angehören. Wenn druwis ein ^'a-Stamm ware — was mir nicht wahrscheinlich ist —, so könnte der Akkusativ auf -ien auch zu diesem /a*Stamme gestellt werden. düsin, dusin, doüsiu, daüsin (zusammen 5 X) „Seele". Nomin. dusi im Vokab. Ein aus seiner ursprünglichen Deklinationsklasse herausgekommenes Lehnwort. tickrömien (2 X) „rechte [Hand]." Wohl ein c-Stamm, ebenso wie lit. deszinè, kairê. Zu i-Stiiinmen gehören: naktin, nacktin (je 1 X) „Nacht": nacktien (2 X). Nomin. lit. nakUs, Gen. -es. nautin (2 X) „Not": mutien (1 X). Vgl. den Dativ Sing. nautei (s. im IV. Kap.) und den gotischen t-Stamm naujts. Zu */;a-Stammen gehören: martin 40) (1 X) „Braut", waispattin (2 X) „Frau". Beide verdanken ihren Ausgang -in wohl dem Einflusse des Nomin. Sing. auf -i (vgl. lit. marti, whzpati). Wenn maldünin (2 X) „Jugend" richtig für bildungsgleich mit den slavischen Substantiven auf -ynji gehalten wird 's. Brugrnann Grundriss 21, 1, 280), so ist seine Endung -in auf dieselbe Weise wie diejenige von martin, toaispattin zu erklaren. Wenn wir vorlaufig dieses was den Stammesauslaut anbetrifft im Allgemeinen klare Material überblicken, so ergibt sich Folgendes: Die ï//«-Stamme, für welche angesichts der Uebereinstimmung zwischen Litauisch, Slavisch und Germanisch alte Akkusative auf -jan anzunehmen sind (lit. marcziq, abg. pustynjq, got. bandja), haben im Preussischen -in, wohl nac'i dem Nominativ auf -i. Die alten ê-Stamme haben -ien und -in. Wenn wir die Tatsache ins Auge fassen, dass der einzige der von mir angeführten ê-Stamme, der einen Nominativ Singular auf -ê und nicht auf -i besitzt, semmë „Erde", ausnahmslos die Akkusativendung -ien hat, so liegt der Schluss nahe, dass -ien die lautgesetzliche Akkusativendung der g-Stamme ist, und dass daneben bei den Nomina auf -t (aus nicht haupttonigem -e) unter dem Einfluss dieses Nominativausgangs die Endung -ia aufgekommen ist.*') Umso wahrscheinlicher ist diese Auffassung der im Enchiridion vorliegeoden Verhaltnisse, als sie sich in vollkommener Harmonie befindet mit dem Gebrauche von -ien im Dialekte des II. Katechismus, wo diese Endung bei den é-Stammen ausnahmslos vorliegt. Wenn uns auch bei den i-Stammen des Enchiridions -ien. und -in beide begegnen, so werden wir annehmen mussen, dass das Nebeneinander dieser Ausgange bei den ê-Stammen neben dem lautgesetzlichen -in der ï-Stamme einen zweiten Ausgang -ien hervorgerufen hat. 4ï) Noch bei einer zweiten Kategorie von Akkusativen liegt ein lautgesetzliches -ien vor, und zwar bei denjenigen der /a-Stamrne (idg. /o-Stamme). Den klarsten Beweis, dass ihre Endung -jan zu -ien geworden ist, liefern uns die bestimmten Adjektivforraen, die ohne Zweifel einmal auf -jan 4') mit konsonantischem j ausgingen: prei walnennien „zum besten" (27, 14) aus *walnan-jan, en pansdamonnien „zu letzt" (39, 13 f.), en pirmannien laishen „im ersten Buch" (63, 16), en Pirmannien „auffs erste" (63, 36). 44) Auch an einigen anderen Stellen, wo Trautmann pirmonnien, pansdawnannien, pamadaumannien als weibliche Formen auffasst (s. sein Glossar), sind diese Formen vielmehr neutralen Geschlechtes; wir brauchen aber auf diese Frage nicht naher einzugehen, 1. weil wir auch ohne diese Formen Material genug haben, 2. weil offenbar schon im Urbaltischen die Akkusative der drei Geschlechter vollstandig gleich lauteten. 4 5) Die Form en pirmannin „zu erst; zum ersten" (57, 27 f., 63, 13 f.) ist als eine Analogiebildung nach dem Nomin. Sing. *pirmas-is oder der an dessen Stelle getretenen Neubildung *pirmannis, pirmonnis (s. im II. Kap.) zu betrachten; daneben dürfen wir Beeinflussung durch diejenigen i- und ê-Stamme, die -ien und -in nebeneinander hatten, vermuten. Das ie dieser Adjektivformen wurde als ein Vokal oder Diphthong und nicht als je ausgesprochen. Darauf weist der Doppelkonsonant hin, der in unserm Texte nur dort geschrieben wurde, wo ein Vokal folgte; s. Trautmann 196 f. Eine ahnliche Entwicklung wie diejenige von -annien aus *-aujan möchte ich für krawia, -Am; ri(c)kaivie, pogerdawie, gerdawi u. dgl. annehmen, bei denen die Silbengrenze wohl 3 in dem w liegt (vgl. die Orthographie krmuwiey in II; s. Verf. Neophilologus 2, 244). Mit der Verschiebung der Silbengrenze (-an\jen> -anjnjen; -au/je> -av/wje) wird der Uebergang von je in ie im Zusammenhang stehen. Eine ahnliche Lautentwicklung ist mir aus der hollandischen Volkssprache bekannt, wo Deminutiva wie kopje mit -i (nach.den niederlandischen orthographischen Regeln ware koppie zu schreiben) anstatt -jp gesprochen werden. Ueber krawia usw. s. Zupitza KZ. 40, 252, der freilich in der samlandischen Silbentrennung keine Neuerung, sondern eine aus der indogermanischen Periode ererbte Altertümlichkeit erblickt; in diesem Punkte weiche ich von Zupitza ab: dazu veranlasst mich nicht bloss die Uebereinstimmung zwischen lit. kraüjas und apr. crauyo „Blut" im Elbinger Vok., sondern vor allem der Parallelismus mit -annien aus -anjan. Wenn bei den Adjektivformen auf -annien -jan über -jen zu -ien geworden ist, so dürfen wir eine ahnliche Entwicklung auch für andere Akkusative auf -jan voraussetzen. Und tatsachlich liegt in den meisten Akkusativen von ja-Stammen der Ausgang -ien vor, und dort, wo wir etwas anderes finden, ist gewöhnlich der Grund der Abweichung klar. Das viermal auf êiner Seite vorkommende tawischan „Nachsten" — neben tawischen, tawisen, je 1 X — wird deshalb -an haben, weil das j mit dem vorhergehenden Konsonanten (oder Konsonantengruppe sk) in den Laut / zusammengeflossen war. Eikijs „Herr" hat im Enchiridion ausnahmslos den Akkusativ ri(c)kijan = rekian I; auch reykyen II wird dieselbe Endung haben: e für a kommt bekanntlich in II oft vor. Offenbar blieb das -«- von -ïjan auf dem ganzen samlandischen Gebiete bewahrt: vgl. auch kaJMan (1 X) Akk. „Schwert" (Vokab. kalabian, lit. kalavijas N. S.) und ttrUan (1 X) „dritte" (Akk. Sg. F.) = tirtien II, wohl = ai. Iftiyam. Daneben tirtan (1 X Ench.), tortin (1 X Ench.), tirtin (1 X in I). Von den übrigen Formen fallt uns bloss das zweimal vorkommende etwerpsennian „Vergebung" (neben sechsmaligem etwerpsennien; ausserdem 1 X -ennin, 1 X -enmnn) auf. Ich verstehe nicht, weshalb wir hier -an finden; wir dürfen aber an die Richtigkeit der Ueberlieferung nicht zweifeln, denn auch II hat elwerpsennian (2 X) und I et, att werpsannan (je einmal; ohne *'!). In I und II sind dies die einzigen Akkusative von Substan ti ven auf -sennis; das Enchir. enthalt mehrere Akkusative auf -sennien. Akkusative von ;'a-Stammen auf -ien dürften vorliegen in: busennien, bonsennien, bausennien „Wesen, Stand", usw. Beispiele gibt Berneker 179, der diese Verbalabstrakta richtig als mannliche ;'a-Stamme auffasst. S. auch Trautmann 235. Ein paarmal kommt -sennin vor; s. Berneker aaO. Neben dreimaligem isspres(s)ennien einmal isspressennen, m. E. ein Druckfehler. anckümmien (1 X) „Obersten". Vgl. die von Leskien Die Bildung der Nomina 302 [152] f. besprochene Wortklasse. geitien (2 X; auch II hat gei/tien) „Brot": geitin (3 X). Nomin. geits. nertien (3 X) „Zorn". Der Nom. Sing. kommt nicht vor, wohl der Genitiv nierties (1 X). Dieses Wort könnte auch ein weiblicher ê-Stamm sein (s. Trautmann 384). *6) noseilien (7 X) „Geist": noseilin (5 X), nuseilin (1 X). Nomin. noseilis (3 X, wovon 1 X mit êi geschrieben). piekullien (2 X) „Hölle". lm Elb. Vok. der Nomin.pyculs, im Enchir. der Genitiv pikullis (1 X). pogirrien (1 X) „Lob". Vgl. lit. pagyris, -io „id." bei Lalis, A dictionary of the lithuanian and english languages l3, 228. Wenn vielleicht ein oder das andere dieser Wörter kein j'a-Stamm sein sollte, so wird dadurch die Richtigkeit der Regel, dass -jan zu -ien wird, nicht in Zweifel gestellt. Ebensowenig gescbieht das durch die Tatsache, dass neben -ien auch -in vorkommt. Der bei ;'a-Staminen auftretende Akkusativausgang -m wurde entweder durch die Nominativendung -is oder durch das Nebeneinander von -ien und -in bei andern Wörtern (s. S. 32 f.) oder durch diese beiden Ursachen zusammen hervorgerufen. Von éinem Worte, das gewiss ein ;a-Stamm sein wird (idis, mskl.: 49, 15 atawids idis „solch Essen"; = lit. Mis, èdèio), kommt nur ein Akkusativ auf -in vor: po idin „nach dem essen" 53, 21; pobïtas idin „nach dem Abentmal" 49, 10, — und die S. 30 besprochenen Formen aus I und II machen es wahrscheinlich, dass diese Form allgemein-samlandisch war. Auch von *amsis „Volk" kommt nur ein Akkusativ amsin vor (2 X). Allerdings könnte dieses Wort auch ein i-Stamm sein; das Litauische besitzt bekanntlich neben dem jaStamm dm'zias, -is einen i-Stamm dmzis. 47) Bei den Adjektiven sind ja- und i-Deklination kaum auseinander zu halten. Wie man aus Trautmann 245 f. ersehen kann, kommen mehrere Akkusative auf -in vor und nur einer auf -ien: deinennien „taglich" (2 X auf éiner Seite; auf derselben Seite einmal deinennin; I und II haben deininan bezw. deyninan). Die weiblichen Formen werden mit den mannlichen identisch sein. Bei den Komparativen und den aktiven Partizipien ist -in aus -m zu erwarten; vraisin „alter", vcka kuslaisin „schwachst", ainangimmusin „eingeboren" sind also lautgesetzliche Formen. Die weiblichen Akkusative maldaisin „jüngst", nidruwintin „unglaubig", ripinün „folgend" werden mit den mannlichen Formen identisch sein, und nicht, wie Trautmann 248 und 254 vermutet, -in aus indogerm. -im haben. -in aus -m liegt weiter in smunentin (2 X) „Menschen" vor. Das daneben vorkommende smunentien (1 X) ist wie nacklien, nantien zu erklaren; s. S. 33. Ausser den bisher besprochenen Formen enthalt das Enchiridion noch eine grosse Anzahl Akkusative auf -in und einige auf -ien. Ich werde sie in alphabetischer Folge mitteilen. Wenn kein Nominativ Sing. mit angeführt wird, so bedeutet das, dass dieser Kasus in den altpreussischen Texten nicht vorkommt; in diesem Falie zitiere ich, wo es möglich ist, eine oder mehr andere Formen aus dem Altpreussischen oder aus verwandten Sprachen. Das mitgeteilte Material zeigt mit genügender Deutlichkeit, dass diese Akkusative auf -in, -ien für die Feststellung der lautgesetzlichen Endungen der i-, ja- und ë-Stamme 4 8) keinen Wert haben. arrien (1 X), in: kas arrien tlaku „der da Dreschet". Ein Wort von unsicherer Bedeutung und Herkunft; s. Leskien Die Declination 34, Berneker 184 f., Trautmann XV, 238 und KZ. 43, 174 ff., Bezzenberger KZ. 44, 293. astin (3 X) „Ding, Handlung". Von Berneker 281 mit einem Fragezeichen, von Trautmann 305 ohne ein solches zu idg. es- „sein" gestellt, unter Heranziehung von aind. svasti- „Wohlsein, Glück"; von beiden Forschern also als ein i-Stamm aufgefasst. ausin (1 X) „Gold". N. S. ausis im Vokab. Altlit. ausas, lit. duksas, lat. aurum. austin (1 X) „Maul". Vok. austo, abg. usta Neutr. Plur. dijlapagaptin (1 X) „Werkzeug". N. S. pagaplis „brotspis" (d. h. „Bratspiess") im Vok. etnijstm, etnïstin (oft) „Gnade": Akk. etnïstan 1 X; Gen. Sg. etnistis 2 X. „Unklar" (Trautmann 333). Auch Lewy Indogerm. Forsch. 32,161 vermag das Wort nicht zu deuten. garrin (IX) „Baum". Vokab. garian „id."; lit. gvrè „Wald". girbin (1 X) „Zahl". Möglicherweise direkt mit abg. êrëbïi „xlfjQo" zu verknüpfen. S. Trautmann 338 f. und die dort angeführte Stelle J. Schmidts, — und auch Lewy Idg. Forsch. 32, 162. greiwakaulin (2 X; IX mit éi) „Rippe". Vgl. N. PI. kaulei (1 X), Akk. kaülins (1 X) „Beine", Akk. Sing. kaulan (1 X), Vokab. eaulan „Bein", lit. kduias „Knochen". S. Trautmann 237, dessen Deutung der apreuss. Formen ich als unsicher betrachte. höfftmamrin (1 X) „Hauptmann". Aus dem Deutschen. iürin (2 X) „Meer". Das Vok. hat den Nom. PI. luriay, 1; iuriay, — das Litauische die weiblichen Pluralformen jurês, jurios, daneben noch jura. S. Sommer Die idg. ia- und io-Stamme im Baltischen 191 ff. kanxtin (1 X) „Zucht". Zu dem Adj. kanxts „fein, hübsch". kassin (2 X) „Schoss". Nom. Sg. kassckis 1 X. Ursprung unsicher. i- oder /«-Stamrn? ketter in (2 X) „Kaiser". Aus dem Deutschen. keikin (1 X) „Kelch". Nom. kelk». I hat kelchs: keikan, II kelk'ts: keikan. Aus dem Deutschen. kirkin, kijrkin (5 X). Das als Genitiv Sing. verwendete kirki (1 X) ist entweder eine Nominativform nach der «-Deklination oder es ist ein Druckfehler. quaitin (2 X gleich hintereinander) „Willen". Daneben quaitan (1 X). N. S. quaits (4 X), quait» (I, II), wohl = aind. kéta-. lastin (1 X) „Bett". Daneben laslan (1 X). N. S. Vok. lasto. madlin (15 X) „Bitte, Gebet". Daneben madlan (5 X). N. S. maddla. Aus poln. modta. mijlin (1 X) „Liebe". Daneben mijlan (1 X). Identitat mit lit. méilè ist wegen des abweichenden Vokalismus ausgeschlossen. nadewisin (1 X) „Seufzen". Die zahlreichen Verwandten (s. Trautmann 381) gestatten uns nicht die Stammesgestalt festzustellen. packaien (1 X) „Frieden". Wohl aus poln. pokój und dann wohl ein mannlicher /'a-Stamm. Auch ein Akkus. paokan, packun (je 1 X) und ein Nomin. packe kommen im Enchir. vor. pêrdin (1 X) „Futter". Zu diesem Worte lasst sich gar nichts bemerken. pijrin (1 X) „Gemeinde". Der Dativ piru, (1 X) setzt einen a-Stamm voraus. powijstin (öfters) „Ding". Ausserdem bloss der Akk. PI. poweislins (1 X). ■ pratin (1 X) „Rat". Vgl. lit. pröta» „Verstand". rikin (4 X) „Reich". Als Nom. Sg. kommt 35, 11 und 13 rijks, rik» m. vor, 69, 32 aber sta» Riki Deiwas „das Reich Gottes", und in II, mit weiblichem Pronomen, twayia ryeky. salübin (2 X) „Gemald". Daneben 1 X sallüban. seilin (1 X) „Fleiss". Ausserdem der Akkus. Plur. seilins (1 X) „Sinne". Vgl. na-, noseilis (s. S. 29 und 35), lit. s&la „anima, animus, conscientia, vita". S. Büga Aistiski studijai 1, 82, Endzelin Archiv f. sl. Phil. 32, 295. schlüsien (1 X) „Dienst". Postverbales Nomen. schlüsuikin (1 X) „Dienerin". N. S. schlüsnikai [1 X). skrijsin (1 X), serisin (1 X), scrijsien (1 X) „Kreuz". Vgl. lit. kr ij zins. Wie dieses aus poln. krzyi. smünin (1 X) „Ehre". Wohl postverbal. spartin (1 X) „Kraft". Zum Adjektiv sparts. sündin (1 X) „Strafe". Daneben sündan (1 X). Der Genitiv lautet sündis (1 X). Aus poln. sqd. tarin (IX) „Stimme". Tarin: lit. tariè = lit. zödi: iadul *9) S. Trautmann 446. toltin (1 X) „Zoll". N. S. tols (1 X). Aus dem Deutschen. trënien (1 X) „Drohen". Zu trinie „droht". war tin (1 X) „Tür". Vgl. Vok. warto Neutr. Plur., lit. vaftai. wëisin (1 X) „Frucht". Vgl. lit. vaïsius. S. oben skrijsin, und Trautmann 237. wijrin (IX) „Mann". Daneben wijran (3 X; 1 X unrichtig mit -au geschrieben), wiran (1 X). N. S. wijrs, wirs = lit. vyras. Beachte den Akkus. Plur. sallübaiwïrins (1 X) „Ehemanner". S. Trautmann 237; die dort für wijrin gegebene Erklarung ist freilich nicht mehr als eine Möglichkeit. Nach dieser ausführlichen Besprechung der samlandischen Akkusative auf -in, -ien kehren wir zu unserm Ausgangspunkte, der Vertretung von -ën, zurück. Die Betrachtung der nominalen Akkusative führte uns zu demselben Ergebnis wie diejenige von mien, tien, sien: auslautendes -ën ist im Samlandischen zu -ien geworden. Dieses Lautgesetz wird mit der bekannten Neigung des Samlandischen, inlautendes -en- in -ien- zu andern, irgendwie zusammenhangen, und J. Schmidt war m. E. auf dem richtigen Wege, als er K. Z. 26, 398 Fussnote apr. mien, tien, sien zusammen mit piëncts „der fünfte", auskiëndlai „er ersaufe", tiënslwei „reizen" als Beispiele für die „Vertretung eines ursprünglich einheitlichen e" durch ie anführte. Auch sfyienuns „gelitten habend" im II. Katechismus, das orthographisch genau mit pyienkts (II) übereinstimmt, wird hierhergehören. Es ist aber nicht möglich, all diese Falie unter eine gemeinsaine Formel zu vereinigen; ebenso ist auch vor r das aus e entstandene ie eine nur in vereinzelten Wörtern (etwiërpt usw.) auftretende Buchstabengruppe. Trautmann 98 f. hat versucht, ein Lautgesetz aufzustellen, aber diejenigen Falie, wo dasselbe „nicht zu Tage tritt", sind zahlreicher als diejenigen, die zu demselben stimmen. Unter solchen Umstanden muss ich die Trautmannsche Regel (s. die zitierte Stelle) für unrichtig halten; nach Trautmanns Ansicht waren die widerspenstigen Beispiele aus mangelhafter Orthographie zu erklaren. Soviel ich sehe, lasst sich eine Regel bloss für das auslautende -ën geben. — Ob die Orthographie styienuns, pyienkls in II auf eine starke Mouillierung des dem ie vorangehenden Konsonanten hinweist, wodurch diese Falie sich von mien, semmien usw. unterscheiden würden, lasst sich nicht entscheiden. Mien, tien, sien kommen im II. Katechismus nicht vor; wir wissen also nicht, ob sie, wenn sie vorkamen, die Gestalt mien usw. oder myien usw. haben würden; und bei semmien usw. könnte das Fehlen des y dem schwachen Akzente zuzuschreiben sein. Wie schon bemerkt, wurde das altpreussische ie als ein Vokal oder Diphthong ausgesprochen; s. S. 33, wo wegen des Doppelkonsonanten vod pirmannien u. dgl. für diese Formkategorie die Aussprache je in Abrede gestellt wurde: und wenn dieses aus ja entstandene ie kein mehr enthalt, so wird das umsomehr für das aus ë entstandene ie gelten. Genauer wird sich die Aussprache des ie kaum feststellen lassen. Vielleicht haben wir einen ahnlichen Laut wie das lit. ë'anzunehmen; ië würde dann, was seine Tonbewegung betrifft, dem lit. ë = ië entsprechen. Uebrigens ist es nicht ganz sicher, ob das ien vonpiënets (Ilpyienkts) usw. mit demjenigen von mien, semmien lautlich vollkommen identisch war: im ersten Falie entstand es ja aus en, im zweiten aus ën. Allerdings könnte der Umstand, dass, soviel wir wissen, im Preussischen ebenso wie im Litauischen der weibliche Akkusativausgang -an mit der mannlichen Endung -an zusammengefallen ist, 50) uns auf den Gedanken bringen, ob vielleicht auch -ën zuerst zu -en gekürzt und erstdann zu -ien geworden ist; und, soviel ich sehe, ist eine solche Vermutung ebensowenig zu widerlegen wie zu beweisen. Sollte wirklich die Zwischenstufe -en anzunehmen sein, so ware angesichts der Regel massigkeit, mit welcher ie bei mien, tien, sien auftritt, für en „in" und een „mit" Inlautsund kein Auslautsvokalismus anzunehmen, was an sich sehr gut möglich ware. »») Ich möchte aber lieber in -ien die direkte Fortsetzung von -ën erblicken und für die Kategorien von mien, semmien usw. einerseits, piencts usw. anderseits zwei voneinander getrennte, wenn auch vermutlich durch eine und dieselbe Sprachtendenz hervorgerufene Lautanderungen annehmen: einen ausnahmslosen Üebergang von auslautendem -ën in -ien und einen sporadischen Üebergang von inlautendem -en- in -ien- (-iën-). Abgesehen von der Gruppe -ën entwickelte das ësich im Samlandischen gemass der S. 23 f. formulierten Regel. Auch aus dem ë der Genitivendung -ës ware also auf lautgesetzlichem Wege i, i entstanden. Trotzdem bezweifle ich, ob Berneker 139, 189, Trautmann 232 recht haben, wenn sie die Endung von teisis, gijwis als die regelmassige Fortsetzung des baltischen Ausganges -ës auffassen. Diese Frage hangt aber mit dem ganzen Probleme vom altpreussischen Genitiv Singular zusammen und muss innerhalb dieses Zusammenhanges behandelt werden. S. das V Kap. KAPITEL II. Zur samlandischen Entwicklung des baltischen a. Das Samlandische hat bekanntlich da3 urbaltische 8 nur hinter dentalen Konsonanten unverandert bewahrt; nach labialen und gutturalen ging a 'va. o, u (ü) über. Seit dem Aufsatze De Saussures Mémoires de la Société de Linguistique 7, 82 f. zweifeit wohl keiner an die Richtigkeit der Regel: „Nulle part un 8 après p, b, m, k, g". Genauer hat De Saussure seine Regel nicht formuliert; erst Bezzenberger hat in seinem Artikel über apreuss. po (Nachr. v. d. Kgl. Ges. der Wissensch. zu Göttingen, Phil.-hist. KI. 1905, 454 ff.) versucht, den Wechsel von o und u unter eine Regel zu bringen: „poglabü aus paglaba zeigt sonnenklar, dass in der Sprache des III. Katechismus nach einem Labial unbetontes s zu o geworden ist, und nur betontes als ü erscheinen darf (oder, wie man besser sagen würde, dass hier s nach Labialen durch o vertreten, dies o aber unter dem Akzent in ü übergegangen ist)" (S. 460). Dieselbe Regel soll auch für I und II gelten (S.461): zwarkomme in I. die Form somonentwey „ehren" (: II smunintwey, Ench. smünint) vor: o für u begegne uns aber auch sonst in diesem Texte (vgl. gobuns „-gefahren"); und wissemokin „allmachtig" in II habe wgmn mukis neben sich. Zur Regel stimmen in I und II po — muitin (mutien), cieiwuts (degiouts) „selig", wahrend auch mukinaity (-eyti) „lehret" ebenso wie im Ench. u hat. Trautmann hat sich S. 126 f. der Bezzenbergerschen Regel angeschlossen, wobei ausdrücklich bemerkt wird, dass nach Gutturalen auch unbetontes a zu u geworden ist. Für das Material ver weise ich auf Trautmann. Ich glaube nicht, dass Bezzenbergers Regel einwandfrei ist. Für a nach p dürfte sie zutreffen: darauf weisen die Praposition po (auch Prafix) und enterpo „nützt" (eine Bildung wie laiku, perbanda) einerseits, supüni „Frau", püdauns 5») „getragen habend" anderseits hin. Aber nach m ist offenbar jedes a zu » geworden. Zwar hat Bezzenberger aaO. 460 das u von mukint „lehren" (= lit. mokinti) nebst seinen Ableitungen dem Einflusse anfangbetonter Formen wie lit. móku „kann", mókstu „erlerne", mókslas „Lehre", pamókê „unterwies" (Geitier Litauische Studiën 23, 11) zugeschrieben; eine solche Deutung ist aber sehr unsicher, weil das Verbum mukint gar kein seltenes Wort gewesen sein wird und wir nicht wissen, inwiefern das Preussische anfangbetonte Formen mit mük- besessen hat. Wir können sogar weiter gehen und behaupten, dass ein unbetontes mo aus ma nicht nur unsicher, sondern sehr un wahrscheinlich ist; denn es gibt ausser mukint noch eine andere Form mit unbetontem mu aus ma, die man bisher in diesem Zusammenhange wenig beachtet hat, die aber trotzdem hierhergehören wird: die im II. Katechismus vorkommende 3. Pers. Sing. Prat. lymuozt sbrach(s)" aus Hymu-ts. ss) Die hierin enthaltene Verbalform lymu kann kaum etwas anderes sein als ein Prateritum auf -a(t) = lit. -o; der Gegensatz lymu < *lëma(jty: lit. Umè ist nicht auffalliger als derjenige zwischen apr. küra „baute" und lit. Jcürè (s. Bezzenberger KZ. 41, 106). Dass *lëma(t) ein Paroxytonon war, darauf weisen nicht bloss die Anfangbetonung und der Akut von lit. Umè hin, sondern vor allem die im Enchiridion vorkommende Form limauts, die als ein durch das unmittelbar vorhergehende dinkauts verursachter Fehler für *limu-ts aufzufassen ist; s. im X. Kap., und auch Bezzenberger KZ. 41, 109 f., dessen Aenderung von limauts in limüts ich als eine unnötige Vergewaltigung des Textes betrachte. Ich glaube, dass in den samlandischen Texten auch ein Wort mit o aus a nach einem gutturalen Konsonanten vorkommt, und zwar das Partizip en-kopts (Ench., 3 X), en-cops (I), en-quoptzt (II) „begraben". Sowohl Berneker wie Trautmann gehen von einer Gruadform mit d aus; s. Berneker 143, Trautmann 109. Aus diesen beiden Stellen ergibt sich aber die Wahrscheinlichkeit einer solchen Deutung nicht. Bekanntlich kommt samlandisches o für a besonders oft im auslautenden -on für -an vor, B»)sonstnur sehr sporadisch. RS) Ware es nun nicht mehrals auffallig, wenn nur das éine Wort en-kop/s (encopt, enquoptzt) regelmassig o aus d hatte? Weil der o-Vokalismus in den drei Katechismen 5G) vorkommt, in einem derselben sogar an drei Stellen, ist die Alleinherrschaft der Form mit o nicht als eine orthographische Zufalligkeit zu betrachten. Das hat auch Berneker gefühlt; er hat deshalb an die Richtigkeit seiner Auffassung gezweifelt, und sich die Frage gestellt, ob nicht langes o vorliegen könne, diese Frage aber vernemend beantwortet, weil das o nie das Langezeichen hat und weil nach einem Guttural u (ü) zu erwarten ware. Was die Entwicklung des a 5 7) betrifft, so glaubte Berneker, dass es nach Gutturalen und Labialen stets in u («)übergegangen sei; spater hat Bezzenbergers Aufsatz über po die Unrichtigkeit dieser Aunahme dargetan. Ich glaube deshalb, dass Berneker, wenn er sein Buch zehn Jahre spater geschrieben hatte, sich durch das o weniger von der Annahme eines langen Vokales hatte abschrecken lassen. Und die Schreibweise enkopts, nicht *enköpte, an allen drei den Stellen des Enchiridions ist nicht auffalliger als enimt Inf. (1 X), enimton Inf. (1 X), enimU Part. (3 X), wahrend ïmt an der einzigen Stelle, wo es vorkommt, das Langezeichen hat. Ich erblicke also in (en-)kopts ein urbaltisches *kap-ta-t. Der Infinitiv dazu würde *kap-ti lauten und ich glaube, dass dieser Infinitiv tatsachlich in lit. kópü „klettern, steigen" vorliegt. Zur Bedeutung dieses Zeitwortes Folgendes: der Bedeutung „klettern" kann die Vorstellung einer kratzenden, scharrenden Bewegung zugrunde liegen, wobei man sich mit Handen, Füssen und Knien an die Gegenstande, woran man vorüberkommt, festhakt, sich in dieselben sozusagen eingrabt; vgl. Falk-Torp Norwegischdanisches etymol. Wörterbuch S. 572, wo zu norw. krabbe „krabbeln, kriechen", dial. auch „grapsen, scharren", schwed. dial. und isl. krabba „kriechen" Folgendes bemerkt wird: „Die doppelte bedeutung „kriechen" und „grapsen" erklart sich daraus, dass das wort eigentlich „kratzen" bedeutet, woraus „kriechen, indem man sich festhakt"." Und von „kriechen" zu „klettern" ist ein kleiner Schritt: das von Falk-Torp in demselben Artikel angeführte engl. scrabble bedeutet „grapsen, kratzen, klettern", — beim slav. lëzti begegnen uns die Bedeutungen „kriechen" und „klettern", — im Niederlandischen sage ich ganz einfach: Hij kroop op de kast „er kroch auf den Schrank" für „er kletterte auf den Schrank". Im Vorhergehenden hoffe ich gezeigt zu haben, dass samland. mukint, lymuczt, enkopts (eneops, enquoptzt) sich der Bezzenberger-Trautmannschen Formulierung der Regel für altpreuss. a nach Labialen und Gutturalen widersetzen. Diese Formulierung wird also nicht ganz richtig sein; ich vermag aber nicht, sie durch eine bessere zu ersetzen, und einstweilen muss ich mich mit einem negativen Ergebnis meiner Untersuchung begnügen. Auch für die samlandische Entwicklung des baltischen ö ist kaum eine Regel zugeben: s. S. 48 ff. In beiden Fallen ist die Ursache unserer Unwissentheit für einen grossen Teil im geringen Umfange des Materials zu suchen. Diese Untersuchung würde unvollstandig sein, wenn ich nicht dem Worte pirmonnis einige Zeilen widmete. Denn Bezzenberger hat KZ. 41, 80 dieses Wort und seinen Akkusativ pirmonnien direkt mit lit. pirmonu „Erstling" verknüpft, er scheint also im apr. o die Fortsetzung einer urbaltischen Lange zu erblicken. Trautmann 399 hat diese Deutung akzeptiert, obgleich es ihm nicht entgangen ist, dass das -»«- Schwierigkeiten macht: nach einer Lange ware einfaches -n- zu erwarten. Für mich beweist das-mm-, dass Bezzenbergers Hypothese unrichtig ist. Ich vermute, dass pirmonnis, das „der erste" bedeutet, zum Akkusativ pirmonnien gebildet worden ist. Diese Form wird mit pirmannien, -in identisch sein. Die Stellen wo die Akkusative vorkommen, lauten folgenderweise: a. pirmonnien: 55, 35: En Pirmonnien | 1. Timoth. 5 „1. Timotheo am 5". Das Zahlwort „1" wurde zuerst übersetzt, dann noch einmal durch das Zeichen 1 angedeutet: b. pirmannien: 63, 13 f.: Til kirdeiti en Pirmanninstan wirdan Deiwas „So hort zum ersten das Wort Gottes", — 63 16: 'Fit peisai Moises en pirmannien laisken „Also schreibt Moses im ersten Buch", — 63, 35 f.: Tit kirdyti en Pirmannien stan pallaipsan Deiwas „So höret auffs erste das Gebot Gottes", 57, 27 f.: kaidei. .. \ En pirmannin segge \ Madlan usw. „das man... | zu erst thue | Bitte usw.". Wir haben m. E. hier ebensowenig wie bei pansdamonnien, pansdaumannien »») das Recht, die Formen mit o von denjenigen mit a zu trennen, und der den Formen pirmonnis, pirmonnien, pirmannien (-»») gewidmete Passus Bezzenbergers KZ. 41, 80 sowie auch die Artikel pirmas und pirmonnis in Trautmanns Wörterbuch sind den Bemerkungen ühlenbecks Die drei Catechismen in altpreussischer Sprache 51 und Bezzenbergers BB. 23, 305 gegenüber als ein Rückschritt zu betrachten. Uhlenbeck und Bezzenberger erblickten dort sowohl in pirmonnien wie in pirmannien zusammengesetzte, wie lit. ph-mqji gebildete 59) Akkusativformen — was ohne Zweifel richtig ist —, Uhlenbeck ging noch einen Schntt weiter, indem er pirmonnis als einen „fehlerhaften nominativ, nach 'analogie des accusativs pirmonnien, pirmannien vom übersetzer gebildet" auffasste. Diese Erklarung halte ich für richtig, obgleich ich nicht entscheide, ob pirmonnis (an zwei Stellen: 29, 24 Stas Pirmonnis Dellijks „Der Erste Artickel", 59, 26 f. stas pirmonnis pallaips „das erste Gebot") ein Fehler Wills oder eine in der gesprochenen altpreussischen Sprache entstandene Analogiebildung ist. Letzteres ware sehr gut möglich, denn das bestimrate Adjektiv war zur Zeit Wills wohl eine im Aussterben begriffene Formation, die vom Sprachgefühl vielleicht nicht mehr als eine besondere Wortkategorie empfunden wurde; dazu kommt, dass offenbar die Sprache aus irgend einem Grunde bestrebt war, die Form pirmas (nur in 1) durch sekundare Bildungen zu ersetzen: II und Ench. haben pirmois. 8 °) Das o von pirmonnin hat nichts Aüffalliges. Bekanntlich kommt die Endung ,-on für -an haufig vor, speziell bei Adjektiven und Participia. So begegnet uns dor Akkusativ dessïmton zweimal mit der Bedeutung eines Ordinale, wahrend dessimton, dessimtons als Nomin. bezw. Akkus. des Kardinale („zehu") einmal bezw. zweimal belegt sind; an zahlreichen Stellen schreibt Will sta Ullïton „das Gesagte", kein einziges Mal Hillitan; usw. Eine Erklarung für diesesauffallige -on vermag ich nicht zu geben. Es genügt aber für unsern Zweck, die Haufigkeit seines Vorkommens zu konstatieren. KAPITEL III. Zur samlandischen Vertretung des baltischen ö. 61) S. 45 wurde bemerkt, dass das dürftige Material der Katechismen uns nicht gestattet, für die Vertretung des baltischen a, im Samlandischen eine Regel aufzustellen; dass das a nach Dentalen als a, a auftritt, ist klar; von welchen Bedingungen aber die Entwicklung von a nach Labialen und Gutturalen bald zu o, bald zu ü, u abhangig war, wissen wir nicht. Ebenso grosse Schwierigkeiten bereitet uns das baltische ö. Nicht über alle Teile dieses Problemes habe ich etwas Neues zu sagen. Deshalb begnüge ich mich mit einigen Bemerkungen zu einem Teile des preussischen Materials, der bisher nach meiner Ansicht unrichtig oder (von Berneker) nur teilweise richtig beurteilt wurde. Für das Uebrige verweise ich auf Berneker 148 ff., Archiv f. slav. Phil. 25, 476, Trautmann 122 ff., 128 ff., Bezzenberger KZ. 44, 302 ff., an welchen Stellen auch die frühere Literatur mitgeteilt wird. Was das litauische ü anbetrifft, so bemerke ich, dass ich es als die regelrechte Fortsetzung des idg. (urbalt.) ö betrachte; daneben scheint aber o aus idg. ö vorzukommen; nicht für alle Falie, wo es vorliegt, ist m. E. eine befriedigende Erklarung gegeben worden; s. S. 53. Baltisches o werden wir für tickröma- (Nom. Plur. tichrömaï) „gerecht" nebst seinen Ableitungen und für perönin (Akk. Sg. F.) „geraein", peröni „Gemeinde" nebst Ableitungen annehmen müssen (s. Berneker 152 f., Trautmann 129); denn was könnte das ö dieser Formen sonst sein ? Baltisches a ist wohl ausgeschlossen; und alle übrigen Vokale und Diphthonge kommen noch weniger in Betracht. Anderseits gibt es samlandische Wörter mit a aus ö nach einem dentalen Konsonanten. An erster Stelle kommt das Verbum dat, datwei, datun(-ti) (dat, datwei, daton) „geben", Pras. date, dóst (datt) in Betracht. Das Litauische hat bekanntlich dïfti, démi, -tl, und ohne einen zwingenden Grund dürfen wir nicht an die Identitat von apr. dat mit lit. dwti, von apr. date mit lit. düti zweifel n. Dass der Vokalismus von dat sich unter slavischem Einflusse entwickelt haben sollte (Zubaty BB. 18, 248), ist unglaublich: ein viel gebrauchtes Zeitwort wie dat „geben" muss im Kampf ums Dasein zu den starkeren Wörtern gehort haben, die am wenigsten der Gefahr ausgesetzt waren, auswartigen Einflüssen zu unterliegen. Aus demselben Grunde kommt mir auch Trautmanns Ansicht (123 f.), dass der preussische «-Vokalismus von dat usw. mit demjenigeu von baltischen Wörtern wie lit. dovanh „Geschenk" zusammenhange (s. auch Bezzenberger BB. 23, 301) und ebenso wie dort ein auf eine ziemlich verwickelte Weise entstandenes Analogieprodukt sei, unannehmbar vor, — und obgleich ich den Gegensatz dat: tickrömai, peröni nicht erklaren kann, halte ich an Bernekers Meinung (150 f.), 8I), dass dat dem lit. dïfti vollstandig entspreche, fest. Umso zuversichtlicher tue ich das, weil auch in einem andern Worte dem lit. ü ein preussisches a entspricht und zwar in der Praposition na „auf; nach, gemass; gen" = lit. uïi, slav. na. Neben na steht no. 8S) Berneker 151 identifiziert na, na- (in na-dewitin „Seufzen") mit lit. nu*; zu no bemerkt er: „no die haufigere Form hat o für a, verhalt sich also zu na- wie lit. nu zu niï". Kt) Trautmann 128 meint, no habe altes ö wie lit. nu, gr. avm, na entspreche einem indogerm. *no (also mit Ö). Bezzenberger KZ. 44, 304 sagt u. A. Folgendes: „no ist das weitaus haufigere, die Verwendung von no und na nicht geregelt. Ob noteilit (III) oder nateilit (I, II) richtig ist, ist aus dem Preussischen allein nicht zu erkennen; über die lautliche Gleichwertigkeit von 4 no und ** scheint mir bis jetzt weder ein Zweifel geaussert zu sein, nocb auf kommen zu können, wahrend die Stellung von na fraglich ist. Es kann neben lit. nu- stehen, wie au-pallusis, -pallai neben lit. pulti (vgl. Wiedemann Lit. Prat. S. 23, vgl. Trautmann S. 129 b), oder es ist — und dies empfiehlt der Sinn — dem lit. postpositiven na (vgl. gr. «*«, Geras S. 159 f.) gleichzusetzen." Es kommt mir vor, dass die drei Forscher, deren Worte ich zitierte, der Weise, worauf die Formen na und no über unsere Texte verteilt sind, nicht die gebührende Aufmerksamkeit gewidmet haben. Die samlandischen Mundarten verhalten sich dem Gebrauche von na und no gegenüber verschieden. Wahrend im Enchiridion die Praposition beinahe überall no lautet und nur an zwei Stellen na (29, 16 f. seggilna tennessei pallaipsans „thun nach seinen Geboten"; 79, 2 f. vnseigübans nadangon „ Auffgefahren gen Himel"), kennen I und II nur die Form na (7, 6 na semmey, 13, 4 nasemmiey „auff erden"; 6") 11, 31 Vnsei gubons nadengon „Auffgefaren gen himmel"; I hat hier andangon, 5, 32 66)). Und dass dieser Gegensatz nicht auf dem Zufall beruht (angesichts des geringen Umfanges von I, II, wo unsere Praposition im Ganzen nur dreimal vorkommt, könnte eine solche Vermutung leicht aufkommen), das wird durch den Gegensatz zwischen noseilis, naseylis, -ien, -in „Geist", welche Formen in I und II zusammen 6 X belegt sind, und den im Enchiridion an zahlreichen Stellen vorkommenden Formen noseilis (Nom. und Gen.; 1 X -éi-, 1 X -is, 1 X -ie), -ien, -in bewiesen. Der Unterschied zwischen noseilis und noseilis war ein dialektischer, und derjenige zwischen na und no ebenfalls. Haben wir nun anzunehmen, dass aus dem baltischen ö dieses Wortes in den Dialekten von I und II auf lautgesetzlichem Wege a entstanden ist, in der Mundart Wills aber o? Eine solche Annahme ist deshalb unbedingt abzuweisen, weil im Enchiridion neben no auch na vorkommt, und zwar nicht bloss als Praposition (s. o.), sondern auch als Prafix: nadewisin „Seufzen", nadruwisnan „Hoflhung", naseilliwingiskan „geistlich" (je 1 X). Neben dieser letzten Form ist noseïlewingishan (1 X) belegt, das sich an noseilis anschliesst; ausserdem liegt no- bloss in nowaitiauns „nachgeredet habend" (1 X) vor. Meines Erachtens lassen sich die vorliegenden Verhaltnisse am besten durch die Annahme erklaren, dass das in den drei Katechismen vorkommende na, na- die lautgesetzliche samlandische Form ist, wahrend no, no- eine Neubildung der Mundart Wills sein wird. Wie dieselbe entstanden ist? Ich möchte Beeinflussung durch po vermuten. Dieser selbe Einfluss dürfte auch pro ins Leben gerufen haben, das zweimal im Enchiridion vorkommt, neben viel haufigerem pra „durch, für". An einer dieser beiden Stellen, wo pro vor einem Infinitiv steht und das deutsche „zu" übersetzt {pro póbaiïnt 55, 18), liegt die Vermutung nahe, dass pro ein Fehler für prei sei. Nesselmann Die Sprache der alten Preussen 123, Bezzenberger KZ. 44, 303 haben auch an der andern Stelle {prosion Swintan Nuseilin 73, 8 „durch den Heiligen Geist") pro für einen Druckfehler erklart. Die Möglichkeit, dass sie recht haben, ist nicht zu leugnen; anderseits aber macht das unleugbare Vorkommen eines Prafixes pro- ihre Ansicht sehr unsicher. In I und II sind pra oder pro als Praposition nicht belegt, wohl aber als Prafix: prowela „verrieten" (I, II); proklantüz „verdammt" (I; II hat hier preclantyts); praliten „vergossen" (II; I hat hier pallelan); im Ench. kommen vor: prolieiton, proleiton (zusammen 3 X), pralieiton (l X) „ vergossen", prabutskas, prabutsias „ewig" (auch andere Kasus, und ein fem. Substantiv pra-, prabutskan Akk.; öfters), prahaisnan (1 X) „Schweiss", pramadlin (1 X) „Fürbitte", prawedduns (1 X) „durchgeführt habend", prawilts (1 X) „verraten". Aus den vorhergehenden Verzeichnissen von Formen ergibt sich, dass die Verteilung von pra, pra- und pro, proeine andere ist als diejenige von na, na- und no, no-. Dieser Unterschied ist kaum zu erklaren. Ich glaube aber nicht, dass er gegen die Vermutung, dass *>(-) und pro(-) unter dem Einflusse von./*?(-) entstanden sind, spricht. Allerdings ist auch der Beweis für die Richtigkeit dieser Vermutung kaum zu erbringen. Wie aber der Vokalwechsel auch zu erklaren ist, auf jeden Fall werden wir pra, pra- und pro, pro- für im Grunde identisch halten müssen, und ebenso na, na- und no, no-. Bei einer oberflachlichen Betrachtung könnte man auf den Gedanken kommen, dass pr. pra, pra- dem lit. pra-, pr. pro, prodem lit. pro entspreche; aber sobald wir auf das 17 mal vorkommende Langezeichen von prabutskas, -an, -ai aufmerksam geworden sind, müssen wir einen solchen Gedanken wieder aufgeben. Auch na, na-: no, no- können kaum aus einem Formenpaar *nö-: *nö entstanden sein; denn auch hier kommt nur die Form mit a mit dem Langezeichen vor (nadewisin 1 X). 87) Dazu kommt noch, dass sowohl das Litauische und Lettische wie auch das Slavische ausschhesslich langvokalische Formen zeigen (nu, nu- hat sekundare Kürze; s. Bern. 64); eine kurzvokalische Form könnte man höchstens für die litauische Postposition -na annehmen: s. Bezzenberger réQ«s 162 f. Weiter beachte man, dass weder zwischen na, na- und no, no- noch zwischen pra, pra- und pro pro- ein solcher Funktionsunterschied existiert hat wie zwischen pa- und po, po- (s. darüber Bezzenberger Nachr. v. d. Kgl. G. d. W. zu Göttingen. Ph.-h. KI. 1905,454 ff.). Aus dem Vorhergehenden dürfte sich ergeben, dass nicht nur pr. na(-), no(-), sondern auch pra(-), pro(-) ausschliesslich langvokalische urbaltische Grundformen voraussetzen. Das stimmt ausgezeichnet zu der Tatsache, dass auch das pr. po eine ausgedehntere Gebrauchssphare hat als die entsprechende lit. Form pö (s. Bezzenberger aaO. 454 ff.). Im Hinblick auf diese altpreussischen Verhaltnisse mochte ich die Vermutung aussprechen, ob vielleicht auch das Urlitaulettische ebenso wie das Preussische die Verbalprafixe pra- und pa- gebraucht hat: für die in der historischen Periode der litauischen und der lettischen Sprache auftretenden Prafixe pra-, pa- ware dann eine ahnliche Vokalkürzung anzunehmen wie für nu-. Wir kehren zu unserm Ausgangspunkt zurück. Ich hoffe es wahrscheinlich gemacht zu haben, dass das Samlandische eine Praposition — auch als Prafix gebraucht —- na besessen hat, die (trotz des Bedeutungsunterschiedes; s. Bezzenberger KZ. 44, 304) mit lit. nu identisch war. Dieses na bestatigt unsere Annahme, dass saml. dat dem Ut. duti entspricht. Wie die verschiedene Behandlung des urbaltischen ö in dat, na einerseits, tickrömai, peröni anderseits zu erklaren sei, das verstehe ich ebensowenig wie Berneker 152 f. Wir haben es offenbar im Samlandischen ebenso wie im Litauischen mit einer doppelten Vertretung des indogerm. ö zu tun. Im Litauischen tritt gewöhnlich ü auf; die Wörter mit o (urlitauisch a) aus ö hat man auf verschiedene Weisen zu deuten versucht, 68) bisher ist aber für solche Falie wie vóka8 „Augenlid" (: slav. vëko), mólis „Lehm" (: slav. mëlü), èmónèê „Leute", tllto „der Brücke", soviel ich weiss, keine befriedigende Erklarung gegeben. Wenn dem lit. ü überall ein saml. o, dem lit. o ein saml. a (oder daraus nach Lab. und Gutt. entwickeltes o, u) entspraehe, so ware es klar, dass das indogerm. ö sich in der urbaltischen Periode in zwei Laute gespaltet hatte; jetzt aber, wo den lit. Wörtern dmti, nu, im Samlandischen dat und na gegenüberstehen, bleibt die urbaltische Entwicklung des idg. ö uns vollstandig dunkel. Es ist wohl am einfachsten, neben urbaltischem a (aus idg. a) ein ö (aus idg. ö) anzusetzen und dann weiter anzunehmen, dass in jedem der beiden Zweige der baltischen Sprachfamilie das ö sich in zwei Laute gespaltet hat, wovon einer mit a zusammenfiel, der zweite von diesem Vokal verschieden blieb. 69) Das ist allerdings keine Erklarung, sondern nur die Formulierung eines ungelösten Problemes. In einem Falie ist offenbar ö nach allen Konsonanten zu saml. « geworden, und zwar im absoluten Auslaut bei akutierter Intonation: stesmu usw., griku usw., auch Hru usw. und stu (s. im VI. Kap.). Allerdings ist die Möglichkeit nicht ganz ausgeschlossen, dass stu unter dem Einfluss von ku und sïru u. dgl. unter dem Einfluss solcher Nomina, wo dem -ö ein Labial oder Guttural voranging, entstanden sind. — Ein ahnlicher Üebergang von auslautendem akutiertem -ö in -ü, -u im Gegensatz zu andern Positionen liegt auch im Nord- und Westgermanischen vor(s. Janko Idg. Forsch. Anz. 15, 249 ff.). KAPITEL IV. Samlandische Flexionsformen auf -ei und -ai und das Problem vom preussischen ë. Trautmann hat Die altpreussischen Sprachdenkmaler 242 f., um den doppelten Ausgang des adjektivischen Nomin. Plur. (hanxtei : dürai usw.) zu erklaren, für die samlandische Sprache das Lautgesetz angenommen, „dass -ei und -ai, das auf altem Kurzdiphthong beruht, im absoluten unbetonten Auslaut dem Verfall unterliegt: es erscheint als -ei, -ai, -i, -e, d. h. zu der Zeit, aus der die Katechismen stammen, herrschte noch éin starkes Schwanken, so dass die Uebersetzer verschiedene Laute gebrauchtsn: es wird einoffner e-Laut mit bald stark, bald schwach vernehmbarem i-Nachklang gewesen sein. Dies steht im Gegensatz zu der Exaktheit, mit der besonders in III die ei und ai sonst auseinandergehalten sind." Gegen diesen Passus hat sich Solmsen KZ. 44, 170 ff. gewandt. Er weist darauf hin, dass, „wenn wir von den Schwachungen e, i absehen"^ ein Teil der Formkategorien nur -ei, ein anderer Teil nur -ai und eine dritte Gruppe sowohl -ai wie -ei hat: es wird dann weiter nachgewiesen, dass bei den zur dritten Gruppe gehörigen Kategorien nur je eine Endung alt ist, wahrend die andere auf analogischem Wege aufkam. Ich glaube, dass Solmsen vollstandig recht hat, — und das wird jetzt wohl die am meisten verbreitete Ansicht sein. Weil ich aber nicht in allen Einzelheiten mit Solmsen einverstanden bin und seinen Ausfübrungen hie und da einiges hinzufügen kann, widme ich den Formationen auf -ei und -ai eine spezielle Besprechung. Diejenigen Ausgange, wo -ei, -ai auf indogermanische Langdiphthonge zurückgehen, bleiben ausser Betracht (Dat. Sg. semmey, semmiey; packai usw.; über die Endung des Nom. Plur. Mask. auf -ai s. Kap. VII). Wie sich aus dem Material ergeben wird, sind -e, -i mit -ei gleichwertig; sie weisen auf eine Schwachung des unbetonten -ei hin. Nur -ei (-e, -i) haben folgende von Solmsen aaO. 171 aufgezahlte Formationen: 1. der Infinitiv auf -twei (-twe, -twi), 2. der Dativ Sing. der Personalpronomina: mennei, tebbei (-«), sebbei, 3. der pronominale Gen. Sing.: maisei, Iwaisei (twaise, swaise), stessei, steisei (-e, -i), schiëise, tennessei, 4. der Nomin. Plur. tenuei, ausserdem: 5. der Dat. Sing. der i-Stamme: nautei, mattei. Ueber iennei werde ich im VIII. Kap. reden. Der Infinitiv auf -twei (-twe, -twi) ist ein indogermanischer Dativ auf-«; s. darüber den schónen Aufsatz Solmsens, der den Ausgangspunkt dieser Untersuchung bildete. 70) Auch mennei, lebbei (-e), sebbei sind Dative auf idg. -ei, und richtig vergleicht Solmsen aaO. osk. tfei, slfel, palign. se/ei. Daneben führt Solmsen die litauischen Dative manei, tdvei, sdvei an. Diese Formen müssen aber mit grösserer Vorsicht benutzt werden als Solmsen es tut. Die gewöhnlichen Dativformen sind lit. man, tdv, sax (dial. tan, san). Sie entsprechen altlitauischen mani, tavi, savi; man hat in gewissen Gegenden noch ein weiches n; s. die mundartlichen Formen in Kurschats Grammatik der littauischen Sprache 235; auch Baranowski schrieb in seinen Briefen man, man; s. Baranowski-Weber Ostlitauische Texte 1, II ff., Lietuviuc tauta 1,417 ff. passim, — und der Schreibweise man begegnen wir auch im altern Litauischen; s. u. A. Rozwadowskis Ausgabe der*Universitas linguarum Litvaniae 19, 63. Neben diesen Formen treten in zemaitischen Mundarten Dative auf-«auf; so zitiert De Saussure Indogerm. Forsch. 4, 461 Fussnote 1 aus Andrjewo munêi, sdwêi, — und solche zemaitischen Formen haben Schleicher veranlasst, einen Dativ manei in seine Litauische Grammatik (T. 1 des Handbuches der litauischen Sprache) aufzunehmen (S. 216); s. Bezzenberger BB. 15, 301, wo richtig bemerkt wird, dass das zemaitische -éi — wofür Bezzenberger -è* schreibt, Dowkont -ej — im Schriftlitauischen -e lauten würde. Ein nicht-zemaitisches mdnei vermag Bezzenberger nur aus einer von Leskien publizierten daina aus der Gegend von Wilkischken (Leskien-Brugmann Litauische Volkslieder und Marchen 49, Nr. 83) zu belegen. Was die zemaitische Endung -ei (= schriftlit. *-è') betrifft, diese wird angesichts der Uebereinstimmung zwischen apr. mennei, tebbei, sebbei und osk. tfei, slfel, palign. se/ei gewiss urbaltisches -ei 71) haben, aber deshalb haben wir noch nicht das Recht, mit „litauischen" Dativen mdnei, tdvei, sdvei zu operieren. 7 *) Zem. munêi, sdvei würden in demjenigen Litauischen, das man gewöhnlich ohne Weiteres mit diesem Namen bezeichnet, *münë, *s&vë lauten; und das mdnei der von Leskien publizierten daina wird kaum in der Umgangssprache einer nicht-zemaitischen Bevölkerung in dieser Gestalt existieren. In diesem Zusammenhang ist auch für die nominalen Dative nautei „Not", mattei „Mass" eine bessere Deutung als die bisherigen Hypothesen möglich. Berneker 190 identifizierte die Endung -ei mit dem Ausgange von lit. nakcziai, nakczei; Trautmann 237 ging von idg. -iöi aus. Nun hat nach dem Erscheinen von Trautmanns Buch Porzezin'ski Indogerm. Forsch. 31, 423 ff. auf den zemaitischen Dativausgang der i-Stamme -ei, -ï aufmerksam gemacht, dem ein schriftlitauisches -ë entsprechen würde und der also auf vorlitauisches -ei zurückgehen kann; und dann identifizierte Meillet Mém. Soc. Ling. 18, 378 f. diese Endung mit derj enigen von abg. pqti, kosti, lat. ovï: im idg. -ei erblickte er eine haplologische Kürzung von -ey-ei oder -ey-ai. Diese Deutung kommt mir sehr wahrscheinlich vor. Aber auch wenn sie nicht richtig sein sollte, genügt die Uebereinstimmung zwischen zem. vagei, vagi und abg.pqti, kosti, eine baltoslavische Dativendung -ei für diei-Stamme wahrscheinlich zu machen. Dann wird aber auch in apr. mattei, nautei diese und keine andere Endung vorliegen. Auch die pronominalen Genitive auf -sei (se, si) geben zu einigen Bemerkungen Anlass. Die zahlreichen Belege, die man in Trautmanns Vokabular unter ains, ainonts, as, schis, stas, swaise, tans, tu, twais finden kann, zeigen deutlich, dass die Endung -ei ist und nicht -ai. Die Anzahl der Belegstellen ist so gross, 7 *) dass wir in iousai (iousai siras „ewers hertzen" 59, 32) einen Fehler erblicken dürfen (anstatt *iousei oder etwa *iousas mit nominaler Genitivendung), und ebenso im einmal bei einem weiblichen Subst. vorkommenden twaisai (stan Daian twaisai Crixtisnan „die Gabe deiner Tauff" 73, 16). Trautmann fasst auch subsai 31, 28 (Noslan kai as ten\nèismu subsai asmai „Auff das ich sein eygen seye") als Genitiv Singular mit der Bedeutung „ipsius" auf. Diese Deutung trifft für supsei 55,14 (swaiasmu supsei buttan „seinem eigen Hause") ohne Zweifel zu; 7*) subsai 31, 28 wird aber zunachst im Zusammenhang^ mit supsai 33, 5 (is supsai ispresna „aus eigener Vernunfft") zu betrachten sein, welche Form Trautmann als einen Dativ Sing. Fem. auffasst. Was subsai, supsai für eine Form ist, ist kaum mit Sicherheit zu sagen. Angesichts der sehr grossen Anzahl von Genitiven auf -sei (se,-si) kann es kein regelmüssiger pronominaler Genitiv sein. Ist es dann vielleicht ein falsch geschriebener Genitiv? Oder dürfen wir vermuten, dass Will, urn das Wort „eigen" zu übersetzen, einen andern Kasus oder eine Ableitung von sups „selbst" gewahlt hat, die er in andern Fallen von einem Tolken oder sonst zur Uebersetzung des deutschen „eigen" hatte gebrauchen horen?76) Auf jeden Fall beweist subsai, supsai keine Genitivendu ng sai. Was die Erklarung von sei betrifft, dieselbe ist unsicher. Trautmanns Annahme, dass von idg. sjot auszugehen sei (262), ist verfehlt: aus sj ware nicht *, w entstanden (s. im VI. Kap.). Es ist kaum eine andere Grundform als -sei möglich. Wenn wir neben der indogermanischen Genitiv endung -so ein ablautendes -se annahmen, könnte -sei als eine Verlangerung dieses -se angesehen werden. Ein solches -se schwebt aber vollstandig in der Luft, und es ist wohl besser, -sei als eine Umbildung van -so zu betrachten, wenn auch die Frage nach dem Wie ungelöst bleibe muss. -sei von -so trennen, das dürfen wir umso weniger tun, als dann die Endung sei vollstandig dunkel bliebe. Diejenigen Formkategorien, die stets -ai haben (1. Ps. Sg. PI. auf -mai, Optativ auf -lai, Nom. PI. stai, sehai; s. Solmsen aaO. 171) geben zu keinen besonderen Bemerkungen Anlass. ,e) An allen Stellen liegt -ai vor, nirgends -ei, -e, -i. Auch bei einigen andern Formationen tritt ausnahmsloses -ai auf (Dativ Sing. der a- und a-Stamme, Nomin. Sg. der weiblichen Nomina und Pronomina: mensai, quai, Adv. kai, Verbalformen wie ebimmai, niswintinai, clai, peisai); in diesen Fallen ist aber von alten Langdiphthongen oder von zweisilbigem -aje auszugehen. Die meisten dieser Kategorien werden wir in einem andern Zusammenhange noch besprechen. Ueber den Nom. Plur. der mannlichen Nomina mit einem Stamm auf -a- s. Kap. VII. Dort wo auslautendes -ei (-e, -*) und -ai miteinander wechseln, ist eine der beiden Endungen die ursprüngliche, wahrend die andere irgend welcher Analogie zuzuschreiben ist. So steht neben vnsei („hinauf"), das in den drei Katechismen in dieser Gestalt vorkommt (I vnsey gobuns, II vnsei gubons, Ench. vnsei gübans „aufgefahren"), einmal vnsaigübons (31, 16), offenbar nach semmai „nieder, herunter". Einem ahnlichen Wechsel begegnen wir bei drei Formkategorien, die von Solmsen eingehend besprochen werden (aaO. 172 ff.): beim Optativ auf -sei, sai, bei der 2. Pers. Sing. auf -sei, sai und der 2. Pers. Plur. auf -tei, -tai, beimNom. Plural der Adjektiva. Beim Optativ über wiegen die Formen auf sei (se, si): boüsei (4 X), bousei (3 X), boüse (1 X), bouse (1 X), baüsei (2 X) „sei, seien", daneben bonsai (1 X); au-dasei (1 X) „geschehe", dase (2 X) „gebe", daneben dasai (1 X); galbse (3 X) „walte, helfe": galbsai (1 X); nur mit -ei (-e, -i): seisei (1 X) „sei"; tussise (1 X) „schweige"; po-künsi (1 X) „behüte"; eb-signasi (1 X) „segne"; hierher wobl aucb mukinsu-sin (1 X) „lerne" (1. mukinseisin). All diese Formen sind dem Enchiridion entnommen; I und II haben nur -ei (-eg, -e): I au-dassei-sin, II au-daseg-sin; par-eysey „zukomme"; w'vrse „werde". 77) Es ist klar, dass die regelmassige Endung -sei ist; anderseits aber darf das dreimal vorkommende -sai nicht als ein Fehler betrachtet werden. Solmsen aaO. 172 erklart es durch den Einfluss von Imperativen wie wedais neben weddeis „führe", idaiti neben ideiti, edeitte „esset". Mir ist Beeinflussung durch die mit den Formen auf -sei (-se, si), -sai funktionsgleiche Kategorie von boülai, m. a. W. durch den Optativ auf -lai, wahrscheinlicher. Wedais, weddeis usw. sind zwar ebenso wie die Optative auf -sei, sai indogermanische Optativformen, im Preussischen aber haben sie imperativische Funktion. -sei (se, si) stellt Solmsen zu den griechischen Formantien des Opt. Aor. -asws, -ere*», -ae»a»; diese beim ersten Blicke sehr bestechende Vermutung ist deshalb unsicher, weil das griechische -aai-, wenn wir es im Zusammenhang mit sonstigen Erscheinungen der griechischen Sprache betrachten, wohl am besten als eine einzelsprachliche Neubildung aufgefasst wird; s. Günther Indogerm. Forsch. 33, 407 ff., wo auch die altere Literatur besprochen wird, und Brugrnann Grundriss 2S, 3, 662 f. Uns geht dieses Problem vom „aolischen Optativ" deshalb nur indirekt an, weil an der Tatsache, dass pr. boüsei usw. altes «i haben, nicht zu rütteln ist, auch wenn aus keiner andern indogermanischen Sprache ein ahnliches ei bekannt sein sollte. 78) Die im Enchiridion vorkommenden Formen der 2. Pers. Sing. auf -sai, -sei, -se, -si sind folgende: assai (7 X), assei (4 X), essei (1 X), asse (1 X) „bist" (ausserdem in losse 1 X, in II asse 1 X), — dase (1 X) „gibst", — waisei (1 X), misse (1 X) „weisst", — giwassi (2 X), gïwasi (1 X) „lebst, lebest", — druwr-.se (2 X) „glaubst", — seggësei (1 X) „tust". Auch èisei (1 X) gehst", po-stasei (2 X) „wirst, werdest", et-skisai (1 X) „fahrst" sind wohl Prasensformen. 79) Aus diesem Material ergibt sich, dass I und II nur -se (aus -sei) haben, und dass auch im Enchiridion die Formen auf -sei (-se, -si) die gewöhnlichen sind; -sai kommt nur bei den Stammen as- (es-) und skï- vor, also bei athematischen Verben, welche in der 1. Pers. Sing. -mai haben. 80) Offenbar ist -sai unter dem Einflusse dieses -mai aufgekommen. Vgl. über diese Endungen meinen Aufsatz „Zur slavischen und baltischen Prasensflexion" Archiv 36, 111 ff., wo ich über einige Punkte anders urteile als Solmsen aaO. 173 f. 81) Die 2. Pers. Plur. geht nach Berneker 219 50 X auf -ti, 7 X auf -tei, 7 X auf -tai aus. Im Imperativ kommt auch -te vor; rikauite „herrschet!", — wahrend das einmalige seggïta „tutl" von Berneker aaO. als ein Fehler, von Bezzenberger BB. 23, 303 als eine Dualform aufgefasst wird. Weil unbetontes auslautendes -ei auch sonst als -i auftritt, liegt der Gedanke nahe, das -ti mit -tei identisch ist, und wenn jemand gegen diese Vermutung das seltene Vorkommen der Schreibweise '4 bei den übrigen Kategorien mit auslautendem -ei anführen sollte, so könnten wir auf den enklitischen Nominativ di, (t)i „man" hinweisen, der 6 X vorkommt, gegenüber einmaligem dei, und der doch ohne jeden Zweifel mit dei identisch ist. Allerdings gib|k es auch noch eine andere Möglichkeit: apr. -ti könnte mit dem litauischen Ausgang -te, -tè-(s) identisch sein. 8ï) -tei (-te; -til) ist der Analogie der 2. Pers. Sing. auf -sei (-se, -si) zuzuschreiben; s. Porzezinskij K istorii form spfazenija v baltijskich jazykach 54 f., Trautmann 274, Solmsen aaO. 173, — und -tai entstand wohl unter o»a(Kurschat^ö»a) vorliegt, und wenn tatsachlich ein Akkusativ ranka (Kurschat rankq, Gauthiot runkü") vorkommt, so braucht dieser nicht mit Hirt Der indogermanische Akzent 147 f., Idg. Forsch. Anz. 6, 20 als eine Analogiebildung nach der mannlichen «-Klasse oder im Allgemeinen nach „den übrigen Klassen" aufgefasst zu werden; er kann ebensogut auf urbaltisches *rankan zurückgehen. Mir kommt diese letzte Annahme viel wahrscheinlicher vor; 94) die einzige Tatsache, die man gegen sie anführen könnte, ware die unleugbare Kürze des a von apr. mërgan, gennan; diese kann aber durch lautgesetzliche Kürzung entstanden sein. Auch der Gen. Plur. auf pr. -an, -on wird ja Kürze haben; freilich ist hier diese Quantitat nicht zu beweisen. Der weibliche Akkusativ auf pr. -an wird auf jeden Fall Kürze haben. Das geht zwar nicht aus dem ausnahmslosen Fehlen des Langezeichens hervor: dieses beweist bloss die Unbetontheit der Endung, — auch ist der a-Vokalismus nach Gutturalen und Labialen kein sicheres Kriterium: hierfür könnte man sich ja auf die oben angeführte Fussnote De Saussures berufen, — es gibt aber einen andern Umstand, der deutlich auf Kürze des a hinweist: ich denke hier an die Akkusative auf -en, die Trautmann 226 anführt: absiguasnen, signasnen „Segen", mensen „Fleisch", alle drei im Enchiridion, banden (itienbcenden „unnützlich", wörtlich „nicht zum Nutzen") in II. Es ist ausgeschlossen, dass diese Formen einfach Fehler sein sollten; sie werden e für a haben, was ja auch sonst vorkommt. Dieses e steht aber bloss für kurzes a, nicht für langes, sogar nicht im II. Katechismus, wo e für a besonders hauSg ist. t5)Absignasnen usw. beweisen nach meiner Ansicht die Kürze des a der weiblichen Akkusativendung -an. 96) Was den Genitiv Singular der a-Stamme anbetrifft, so fallt uns sofort der Betonungsunterschied zwischen apr. algas und lit. algds auf. Wenn die preussische Form mit der litauischen identisch ware, so würden wir *algüs oder, falls De Saussures Vermutung bezüglich „a suivi d'une consonne quelconque dans la même syllabe" richtig sein sollte, *algas erwarten. Solche Formen auf -üs oder -as kommen in unsern Texten nicht vor (s. Trautmann 225): nirgends tragt die Genitivendung das Langezeichen. Wie ist das zu erklaren? Ist die Genitivendung stetsunbetont? Oder hat sie kurzen Vokal? Oder ist sie unbetont und kurz zugleicherzeit? Angesichts des Gegensatzes pr. algas: lit. algds liegt die Vermutung nahe, dass Endbetonung nicht vorkam. Und was die Qualitat anbetrifft, so weist der einzige Genitiv eines a-Stammes, der im II. Katechismus vorkommt, menses, durch sein e auf Kürze des a von -at hin. Absolute Sicherheit, dass die Endung bei allen a-Stammen unbetont und kurz war, haben wir nicht, aber für sehr wahrscheinlich dürfen wir es halten, zumal weil auch bei den andern Stammklassen, die alle einen Genitiv auf Vokal + * haben, nirgends Lange dieses Vokales oder Endbetonung wahrscheinlich zu machen ist. Wie ist nun das unbetonte, kurzvokalische -as zu erklaren ? Wenn nur die Vokalkürze erklart zu werden brauchte, so könnte man sie als eine Folge der Tonlosigkeit auffassen. 97) Dann bliebe aber die zweite Frage ungelöst: woher die Anfangbetonung ? An die Altertümlichkeit der Endbetonung von algös u. dgl. dürfen wir angesichts des Vorhandenseins indogermanischer oxytonierter a-Stamme nicht zweifeln. Hat nun algas einen zurückgezogenen Akzent? Eine solche Annahme schwebt vollstandig in der Luft. Weshalb sollte das Sprachgefühl Oxytona wie endiris „sieh an!", milijs „liebe!", mensa „Fleisch", semmë „Erde", milë „liebt" geduldet haben, aber nicht * algas oder *algüs? Lieber möchte ich algds, mensas (<-ès) als Analogiebildungen auffassen. Gewiss wird dabei der Akk. Sing., der bereits im Urbaltischen ausnahmslos barytoniert war 9S) und der im Preussischen auf -dn auslautete, ein Rolle gespielt haben. Genügte aber dieser eine Kasus, die Neubildungen algas, mensas ins Leben zu rufen? Angesichts endbetonter Nominative wie gallü „Kopf", mensa „Fleisch" usw. ist das sehr zweifelhaft. Und wenn wir weiter daran denken, dass im Altpreussischen bei keiner Stammklasse 9 9) endbetonte Genitive Sing. vorzukommen scheinen, wahrend alle Stammklassen denselben Genitivtypus zeigen, der wohl überall als eine Bildung auf kurzen Vokal + * aufzufassen ist, so liegt die Vermutung nahe, dass bei einer oder mehr Stammklassen eine Endung dieser Gestalt lautgesetzlich ist und dass von hier aus die Uniformierung der Genitivformen samtlicher Paradigmen ihren Anfang genommen hat. Stellen wir zunachst das hierhergehörige Material zusammen! Die mannlichen und sachlichen a-Stamme haben, wie bereits bemerkt wurde, einen Gen. Sing. auf -as. Das Material findet man bei Berneker 186 (aus dem Elb. Vokab. gesellt sich dazu noch die Form silkas) und bei Trautmann 216. Auch die ja- bezw. ï/a-Stamme tawischa-, rikija- haben im Enchiridion einen Genitiv auf -as. Bekanntlich haben diese Substantive im Akkus. Sing. -an; daneben auch tawischen (1 X), tawisen (1 X). In I und II kommt der Genitiv vor rikija- nicht vor, wohl aber derjenige von tawischa-: tawischis 2 X in I, tauwyschis, iauwyschies je 1 X in II. Der Akkus. lautet in I tawischen, in II tauwyschen. Die weiblichen a-Stamme haben einen Genitiv auf -as; s. o. ,0°) Die ê-Stamme zeigen die Genitivendung -is: gijwis (1 X), teisis (1 X). Möglicherweise sind auch kirkis „der Kirche", përgimnis „der Natur", prëigimnis „der Art", die Trautmann 232 hierherstellt, a-Stamme; sicher lasst es sich aber nicht ausmachen (s. S. 38 und im VI. Kap.). Dasselbe gilt für den einzigen Genitiv auf -iet: nierties „des Zorns"; vgl. den Akkus. nertien und s. S. 35 mit Bem. 46. Die jo-Stamme (abgesehen von tawischa- und rikija-, die sowohl im Akkus. wie im Gen. a haben) haben einen Genitiv Sing. auf -is: powaisennis (IX) „des Gewissens", noseilis „des Geistes" (2 X; ausserdem 1 X -ie, 1 X -is; für beide ist wohl -is zu lesen, s. Trautmann 185 und die daselbst angeführten Stellen: Trautmann 25 Fussnote, Fortunatov BB. 22, 188 Fussn.). I hat naseilis, II naseylis. — Ebenso die i-Stamme, welche von /a-Stammen und ë-Stammen nicht immer deutlich zu unterscheiden sind. Zu einem t-Stamm gehort wohl etnistis „der Gnade" (2 X), nieteistis 1. nietnïstis „der Ungnade" (1 X): Akkusativformen auf -in kommen von diesem Nomen 16 X vor (1 X etnistan). Weiter können përgimnis und prëigimnis (s. o.) zu der «'-Klasse gehören; möglicherweise auch amsis „des Volkes" (1X), das aber auch ein /'a-Stamm sein kann (s. S. 36). Pikullis „der Holle" ist wohl ein /'a-Stamm (s. S. 35). Auch kommen ein paar Genitive van Adjektiven vor, deren Flexionsklasse (*'- oder ;*a-Klasse) sich nicht feststellen lasst: wyssenmuku II, wismosingis I „allmachtig". Sündis (1 X) „der Strafe" gehort mit dem Akkusativ sündin zusammen, woneben sündan vorkommt (s. S. 39); bietis I, bytis II (bietis eden bezw. bytis ydi „des Altars") stehen einem angesichts bitai „Abends" als die regelmassige Form zu betrachtenden bitas (Ench.: bitas idin) gegenüber, wahrend auch bitans ydi in II jedenfalls zu einem a-Stamme gehort. Weiter lasst sich über sündis und bietis, bytis kaum etwas sagen. Von einem aktiven Partizip kommt einmal ein Genitiv vor: niavbiUinti» „des unmündigen". Es wird wohl eine Form nach der «-Deklination sein: vgl. die Akkusative nidruwintin „unglaubig", ripintin „folgend", ainangimmusin „eingeboren". Nach der konsonantischen Deklination waren Formen auf -es, -en zu erwarten. Der konsonantische Stamm kermen- „Leib" (Nom. Sg. kêrmens 2 X, kermens I, II) hat einen Genitiv kermenes (5 X). -es ist die aus der indogermauischen Grundsprache ererbte Endung -es, die auch im Altlitauischen noch in ihrer ursprünglichen Gestalt auftritt (s. De Saussure Idg.. Forsch. 4, 456 ff.). Im Preussischen hat diese Endung bei einigen Nomina einen Akkusativ auf -en ins Leben gerufen: kêrmenen, kermenen, kërmnen, kermnen (je 1 X; ausserdembrendekermnen 1 X; nach der o-Deklination kêrmenan 1 X); emnen „Namen" (1 X in I, 2 X in II, 9 X im Ench., ausserdem in I emmen 1 X, wofür emnen zu lesen ist; im Enchir. emnan 4 X, nach der a-Deklination). Es bleiben nur noch die w-Stamme übrig. Bloss von einem Worte sind Genitivformen überliefert und zwar von soUns „Sohn" = lit. sünus. Im Enchiridion lautet der Genitiv stets auf -as aus, der Akkusativ gewöhnlich auf an (7 X), nur 2 X auf -on (aus -un). Offenbar hatte das Wort in der Mundart Wills die «-Flexion beinahe vollstandig aufgegeben. In I dagegen lautet der Akkusativ an der einzigen Stelle, wo er vorkommt, sunun, II hat an der entsprechenden Stelle sounon {-on aus -un); und der Genitiv geht in I auf -os (1 X), in II auf -ons (1 X) aus. -os ist ohne Weiteres klar: sein o ist aus u entstanden, und wenn I im Akkusativ -un, im Genitiv -os hat, so beruht das ebensogutwie drowe: druwe (beide in I) „glaubt" auf orthographischer Systeinlosigkeit. Das Verhaltnis sunos {*sünus) -.sunun steht auf éiner Linie mit deiwas: deiwan, gennas: gennan, etnïstis: etnistin, kermenes: hermenen. Wenn nun in II der Genitiv sounons lautet, so wird diese Form, wenn sie unrichtig überliefert und nicht mittels -* vom Akkusativ gebildet ist (eine solche Formation ist m. E. nicht sehr wahrscheinlich), in sounos oder sonnus zu andern sein, und nicht, wie man gewöhnlich annimmt, in sounous. Dieses *sounous wird entweder als eine preussische Neubildung *sünüs (Berneker 188) oder als eine altererbte Form = lit. sünaüs, aind. sünóh, got. (mit kurzem u) sunaus (Trautmann 240) aufgefasst. Ich glaube aber, dass wir angesichts der Form sunos in I und des bei allen übrigen Stammklassen auftretenden Genitivtypus, der am besten als eine Formation auf kurzen Vokal + s aufgefasst 'wird, nur dann einen festen Boden unter den Füssen haben, wenn wir anstatt des in II auftretenden sounons sounos oder sounus lesen und diese Form mit sunos in I identifizieren. — Trautmanns Hypothese würde uns nötigen, für diese eine Form ou aus au anzunehmen. Im II. Katechismus, wo bekanntlich neuwenen „neu" und krmuwiey „Blut" vorkommen, ware aber ehev-eus als -o»w zu erwarten. S. Verf. Neophilologus 2, 244 f. Wie bereits bemerkt wurde, ist für alle Genitive Sing. ein kurzer Endungsvokal anzunehmen. Das einmal vorkommende noseilis (neben sonstigem noseilis) ist Umso eher als ein Schreib- oder Druckfehler zu betrachten, als gerade bei dem i der geringe Unterschied zwischen dem Punkt und dem Langezeichen leicht zu Fehlern Anlass geben konnte. Sonst tragt die Genitivendung nie das Langezeichen: das weist darauf hin, dass der dem -* voraogehende Vokal bei keiner Stammklasse eine betonte Lange ist. Die bei vielen Nomina verschiedener Deklinationsklassen durch das Langezeichen angedeutete Barytonierung 10') wird auch für die von keinem Zeichen versehenen Formen anzunehmen sein. Bei den a-Stammen fallt die ausnahmslose Barytonierung nicht auf: auch die litauischen a-Stamme haben bekanntlich, von der jüngeren Akzentverschiebung nach dem Gesetze De Saussures abgesehen, im Singular ausschliesslich barytonierte Formen. Bei den übrigen Deklinationsklassen würden wir angesichts der litauischen Verhaltnisse für einen Teil der zu denselben gehörigen Nomina endbetonte Genitive erwarten. Solche Falie wie algas und sounons, 1. sounos oder -us (die Diphthongierung von ü kommt nur in haupttonigen Silben vor!) aber weisen darauf hin, dass samtliche altpreussische Genitive auch von a-, u- und wohl auch von i-Stammen Barytona waren. Und was die Quantitat des dem -* vorangehenden Vokales anbetrifft, soliégt nirgends ein Anlasa vor, weshalb wir die bei den o-Stammen klar hervortretende Kürze nicht auch für die übrigen Stammklassen annehmen sollten. 10ï) Die aussere Gestalt der in unsern Texten vorkommenden Genitive des Singulars weist ja auf eine uniforme Bildungsweise hin. Nur bei éiner Stammklasse ist m. E. mit der Möglichkeit von Endbetonung zu rechnen, und zwar bei den konsonantischen Stammen: der Genitiv kermenes wird an den fünf Stellen, wo er vorkommt, mit er und nicht mit ér geschrieben. Wenn wir aber daran denken, wie oft das Langezeichen weggelassen wird (s. Bern. 20; der Akkus. Sg* von kërmens hat ebenso oft er wie er), so ist es auch nicht ausgeschlossen, dass kermenes mit êr zu lesen ist. Ein oxytoniertes kermenes würde die indogermanische Betonung bewahrt haben (vgl. lit. akmens aus akmenès). S. Bern. 104. Die unleugbare Uniformitat der preussischen Genitive Sing. aller Stammklassen weist auf gegenseitige Beeinflussung der verschiedenen Paradigmen hin, und für jede Form, die nicht vollkommen klar ist, müssen wir analogische Neubildung für ebensogut möglich halten wie lautgesetzliche Entwicklung. Dass etnistis und sunos (*sünus) nicht die indogermanischen Endungen -els oder -ois bezw. -eüs, -oüs haben, das hat Trautmann 236,240 richtig hervorgehoben. Ob aber Trautmanns eigene Erklarung: -is aus -(i)ios, -us aus -(u)wes das Richtige trifft, bezweifle ich. Möglich ware sie zwar, ich halte es aber für wahrscheinlicher, dass die Genitive auf -is, -us (>-os) Neubildungen zu den Akkusativen auf -in und -un sind. Auf eine Wechselbeziehung zwischen Genitiv und Akkusativ Sing. weisen auch emnen und kërmuen usw. hin (s. S. 73). Hier unterlag der Akkusativ dem Einflusse des Genitivs; bei andern Deklinationsklassen dürfte das Umgekehrte geschehen sein: so wird algas unter dem Einflusse von *algan entstanden sein, und für etnistis und sunos (*-us) ist eine ahnliche Erklarung möglich. los) Wie S. 71 bereits bemerkt wurde, würden Analogiebildungen dieser Art dann sehr begreiflich sein, wenn eiu ahnliches Verhaltnis wie *algan: algas, etnïstin: etnistis bei einer andern Stammklasse bereits in einer früheren Periode existiert hatte. Ist nun das Vorhandensein eines solchen Prototyps wahrscheinlich zu machen ? Ich glaube ja. An die konsonantischen Stamme darf hier kaum gedacht werden. Zwar hatten sie einen aus der Grundsprache ererbten Genitiv auf -es, aber der Akkusativ auf -en ist jung, vielleicht jünger als der Genitivtypus algas; ausserdem waren die Genitive auf -es idg. und urbaltische Oxytona;104) schliesslich ist die Hypothese, dass die konsonantische Deklination einen so grossen Einfluss auf andere Deklinationsklassen gehabt habe, wegen der geringen Rolle, die diese Stammklasse in den baltischen Einzelsprachen spielt, a priori sehr unwahrscheinlich. Die einzige Klasse, die wir m. E. als den Ausgangspunkt des ganzen Uniformierungsprozesses betrachten dürfen, ist die a-Deklination. Leskien aaO. 31 ff. erklarte den Typus deiwas durch den Einfluss der weiblichen Genitive gennas usw. Er nahm dort für gennas ein langes a an. Jetzt, wo wir für gennas, algas usw. kurzes a und ausnahrnslose Barytonierung wahrscheinlich gemacht haben, sind diese Formen vollstandig dunkel für uns, und sie dürfen deshalb zur Erklarung von deiwas kaum benutzt werden. Wenn deiwas auf eine andere Weise befriedigend erklart werden kann, so würde die Annahme, dass umgekehrt gennas usw. nach diesem Muster entstanden sind (gemass der Proportion deiwan: deiwas = gennan: x), sehr nahe liegen. Sogar würde das Vorhandensein der Endungen -as: -dn im Genitiv bezw. Akkusativ einer so reichhaltigen und wichtigen Nominalklasse wie diejenige der mannlichen und sachlichen a-Sta mme das analogische Aufkommen von kurzvokalischen Genitivausgangen auf -«bei samtlich.en Stammklassen begreiflich machen. Und tatsachlich glaube ich, dass deiwas eine alte Form ist. Zwar ist Trautmanns Hypothese (S. 216 der Apr. Sprachdenkmaler), dass -as auf -osjo zurückgehe, wegen des auslautenden -* unannehmbar (s. im VI. Kap.), aber gegen eine Herleitung aus -oso, wobei deiwas als. eine ahnliche Formation wie got. dagis, altangelsachs. dómas aufgefasst wird, lasst sich nichts einwenden. Ausführlicher begründe ich diese Ansicht Neophilologus 2, 108 f. Formen mit bewahrtem auslautendem -« dürften möglicherweise in dem sachlichen Genitiv neainessa „keines" und in dem in weiblicher Bedeutung verwendeten kawijdsa „welcher" (je 1 X) stecken: das in Proparoxytonis geschwundéne -a ware dann in Paroxytonis bewahrt geblieben. Aber neainessa, kawijdsa können auch als Fehler für Formen auf -se oder sei aufgefasst werden. Wegen der pronominalen Genitivendung -sei (se, -si) s. oben S. 58 f., Neophilologus 2, 109. Wenn der Genitiv Singular der mannlichen und sachlichen a-Stamme ein lautgesetzliches -as aus -o*a (idg. -os») hat, so lassen sich nach der Analogie von deiwan: deiwas samtliche zu Akkusativen auf -in, -un gehorige Genitive auf -is, -us, sowie auch die weiblichen Genitive auf -as ohne Weiteres erklaren. Und die ausnahmslose Barytonierung all dieser Genitive auf -as, -is, -us ist angesichts der Barytonierung der Akkusative auf -an, -in, -un einerseits, der mannlichen und sachlichon Genitive auf -as anderseits 10 s) die einzige Betonung, die wir erwarten dürfen. Im Vorhergehenden glaube ich für den Genitiv Singular beinahe aller preussischen Nominalklassen eine plausibele Deutung gegeben zu haben. Bloss die ja- und die «-Stamme erfordern noch eine besondere Besprechung. Der Gen. Sg. dieser Stamme geht gewöhnlich auf -is aus, wahrend die lautgesetzliche Akkusativform beider Klassen den Ausgang •ien hat, woneben nach Analogie der i-Stamme -in vorkommt (s. S. 31 ff.). Es besteht hier also zwischen den beiden Kasus ein Unterschied im Vokalismus. Zwar könnte man darauf hin weisen, dass die zwei einzigen Genitive auf -is, deren Zugehörigkeit zu der «-Klasse feststeht, gijwis und teisis, im Enchiridion nur Akkusative auf -in neben sich haben, oder darauf, dass zum dreimal vorkommenden Akkusativ nerüen der Genitiv nierties gehort, — bei den /'a-Stammen powaisetinis und noseilis aber ist der Gegensatz zum Akkusativ nicht zu leugnen. Den Akkusativen auf -ennien gegenüber sind diejenigen auf -en(n)in so wenig zahlreich (gimsenin „Geburt" 41, 25; etwerpsennin „Vergebung" 43, 18; hierher auch etwerpsenninn 49, 17?), dass es allzu willkürlich ware, den einmal vorkommenden Genitiv powaisennis — sonst kommen keine Genitive von Nomina auf -ennis vor — in direkten Zusammenhang mit denselben zu bringen, — und auch noseilis darf nicht vom Akkus. noseilien getrennt und zu noseilin gestellt werden, weil dieses Wort im II. Katechismus, der, was die Ausgange -ien und -in betrifft, die alten Verhaltnisse treu bewahrt hat (s. S. 29 f.), ebenso wie im Enchiridion einen Genitiv auf -is hat, daneben aber nur den Akkus. naseylieu (2 X). Wir müssen also den Vokalunterschied zwischen -is und -ien bei den /a-Stammen als eine unleugbare Tatsache betrachten; dann haben wir aber kaum das Recht, die Existenz von Genitiven *semmis (: semmien), *mütis (: mutien) zu leugnen. Leider sind uns von diesen ê-Stammen keine Genitive Sg. überliefert. Wie sind nun powaisennis, noseilis, gijwis, leisis und etwaige sonstige Genitive dieser Art aufzufassen? Eine solche Deutuug verdient wohl den Vorzug, welche diese Formen innerhalb des Rahmens des einheitlichen preussischen Genitivsystems zu deuten vermag. Deshalb glaube ich ebensowenig an ein lautgesetzlich aus -ès entstandenes -is 1 °') als an ein lautgesetzliches -as (algas) aus -as. Es ist wohl am einfachsten, -is aus -ies zu erklaren, und zwischen diesem -ies und dem Ausgang -ien des Akkusativs einen direkten Zusammenhang anzunehmen. Die weiblichen Genitive *semmies, *gijwies, *teisies u. dgl. werden ihr -ies auf eine ahnliche Weise erhalten haben wie die o-Stamme ihr -as, m. a. W. nach der Proportion deiwan: deiwas — semmien: x. Es ist noch wahrscheinlicher, dass die a-Stamme eine vermittlende Rolle gespielt haben: nachdem algas usw. entstanden waren, wurden *semmies usw. gebildet nach der Proportion *algan: algas — semmien: x. Und was die mannlichen und neutralen Formen anbetrifft, hier wird -ies aai eine ahnliche Weise aus -ias (-jas) entstanden sein wie im Akkusativ -ien aus -ian (-jan). Diejenigen Wörter, die im Akkusativ ihr -ian, -an unverandert bewahrten, haben auch im Genitiv -ias, -as: rikijas, tawischas: rikijan, tawischan im Enchiridion. 10 7) Ueber den Üebergang von -ies in -is brauchen wir uns nicht zu wundern. Der Laut ie hatte eine Vorliebe für gewisse Stellungen. Er entwickelte sich aus «-Lauten speziell vor n und r (s. S. 39 f.); in andern Positionen hatte die Sprache vielmehr die Neigung ihn aufzugeben. So begegnen uns von Zeitwörtern auf -aut im Enchiridion dreimal Prasensformen auf -ie, fünfmal solche auf -i; zu diesen gesellt sich noch popecknwi „behütet". S. das Material bei Bezzenberger KZ. 41, 85 f. Das zweimal vorkommende din(c)kama „danke" wird von B. wohl richtig in din(c)kauia geandert. Ohne Zweifel lautete die Endung ursprünglich -ia; dieses -ia ging aber lautgesetzlich in -ie und weiter in -i über; din(e)kauia wird ein nach Analogie von Zeitwörtern ohne vorhergehendes i wiederbergestelltes -a haben. Einen ahnlichen, mit grósserer Regelmassigkeit durchgeführten Üebergang von ie in i werden wir vor -e anzunehmen haben: daher powaisenn.it, noseilis, gijwis, teisis. Nierlies wird kaum lautgesetzlich bewahrtes ie haben; vielmehr ist das ie dem dauernd fortbestehenden bezw. sich von neuem geltend machenden Einflusse des Akkusativs auf -ien zuzuschreiben. S. 40 wurde bemerkt, dass die Aussprache des Vokales ie nicht feststeht. Er waT entweder ein Monophthongoder — was mir wahrscheinlicher vorkommt — ein Diphthong. In diesem letzten Falie ist der Üebergang von -ie in -i und von -ies in -is als eine Monophthongierung und wohl zugleicherzeit als eine Kürzung aufzufassen. Ueber das auslautende -ien s. noch S. 40 f. ,08) KAPITEL VI. Die samlandischen Instrumental- und Dativformen. Im Glossar zu Trautmanns Ausgabe der altpreussischen Sprachdenkmaler werden widerholt zu «-Stammen gehorige Kasusformen auf -an als Instrumentale aufgefasst und auch in der diesem Glossar vorangehenden Grammatik lesen wir von einem bei dieser Nominalklasse vorkommenden, stets von sen „mit" abhangigen Instrumental auf -an, -an (S. 226 f.). In den Abschnitten über die übrigen nominalen Stammklassen finden wir nichts über den Instrumental, abgesehen von der Bemerkung S. 233, dass die Bezzenbergersche Deutung von semmë als semmen, das dann eine Instrumentalform sein sollte (ebenso ware nach B. aulansê aufzufassen), kaum richtig ist. Ueber semmë und Bezzenbergers Hypothese s. oben S. 11 f. Aus Trautmanns Buch bekommt man also den Eindruck, dass das Altpreussische bei éiner Stammklasse den Instrumental bewahrt, bei den übrigen ihn aufgegeben hat. Es fragt sich dann aber: welcher Kasus hat bei diesen andern Flexionsklassen die Funktion des Instrumentals übernommen? Nach einer Antwort auf diese Frage suchen wir natürlich in Trautmanns einleitendem Kapitel zur Deklination, wo vom Gebrauche der Kasus die Rede ist. Der Instrumental wird hier tatsaehlich besprochen, und zwar im Abschnitte über die Prapositionen, S. 211 f.; zur Praposition sen wird da Folgendes bemerkt: „sen „mit" regiert 6 von Hause aus den Instrum. wie li. su, slav. su. So steht er [tic] mit dem Instr .z. B. 71, 2 „tenku"; 51, 23 „ten maim"; 61, 26 „ten madlan"; 27, 21 „ten wïngritkan". Da nun lautlich bei den meisten a-Stammen der Instr. und Akk. Sg. zusammenfiel und auch ostpr. mit mit dem Akk. steht, so wurde ten mit dem Akk. verbunden z. B. 29, 30 „ten wittant pêrgimmant"; 39, 32 „ten deiwat wirdan". Zu dieser Akkusativkonstruktion wirkte noch ein Drittes mit. Nach dem D. steht ten c. Dat. (man beachte auch, dass tênku lautlich sich mit dem Dat. griku deckt) z. B. 43, 9 „ten Ckritto"; 57, 3 „sen stéimans"; 65, 28 f. „sen alkinisquai; daraus entstand die Konstruktion c. Dat-Akk. z. B. 33, 16 „sen wissamans Christianans"; 41, 21 f. „sen stesmu wirdan". Aus diesen verschiedenen Möglichkeiten ergeben sich gemass § 112 Mischkonstruktionen: sen c. Akk.-Instr. 75, 1 „sen wissans swaieis"; c. Dat.-lnstr. z. B. 27, 22 „senainesmu twaigstan"; 31, 26 f. „seu swaiasmu swinton témpran krawia**'" Wenn man so etwas liest, so begreift man die durch Trautmanns Grammatik veranlasste Frage Lewy's Indogerm. Forsch. 32, 170: „kann es eine Sprache in diesem Zustande der Formen überhaupt geben?" und die etwas weiter in demselben Aufsatze vorkommende Bemerkung, dass solche Schwankungen im Kasusgebrauch wie das Enchiridion sie aufweist wohl nirgends vorkommen, „ausser etwa bei Leuten, die eine Sprache nicht können" (S. 174). In mehreren Fallen, wo der Kasusgebrauch ein unwahrscheinlich buntes Bild zeigt, haben wir den Grund vielleicht in Wills ungenügender Kenntnis der preussischen Sprache zu suchen. Im oben zitierten Passus aber hat Trautmann das Bild bunter gefarbt als nötig war. Dass sen im Enchiridion mit einem Dativ und einem Akkusativ, bisweilen sogar mit einer Kombination dieser beiden Kasus konstruiert wird, das ist nicht zu leugnen. Auch kommen vereinzelt Verbindungen von sen mit pronominalen Instrumentalen vor, einen nominalen Instrumental dürfen wir aber für das' Altpreussische Abel Wills nicht annehmen.109) Es fallt uns sofort auf, dass Bezzenberger und Trautmann den Instrumental nur für solche Deklinationsklassen annehmen, wo dieser Kasus mit dem Akkusativ lautlich zusammenfallen musste. Unter den zahlreichen Beispielen, wo diese Forscher einen Instrumental annehmen, gibt es kein einziges, wo dieser Instrumental vom Akkusativ verschieden ware. Freilich ware angesichts lit. rankq Akk.: rankd Instr., szvenie: szventó*10) auch im Preussischen ein Betonungsunterschied zwischen den beiden Kasus möglich, und tatsachlich hat man geglaubt, aljpreussische oxytonierte Instrumentale annehmen zu dürfen. Ein solcher ware nach Berneker 197 die einmal vorkommende Form isspresnan (sen isspresnan „mit Vernunft"). Mit dieser Ansicht erklarte sich Bezzenberger BB. 23, 304 einverstanden. Spater aber hat dieser Gelehrte entdeckt, dass ein oxytoniertes ittpresnan nicht zu den Betonungsgesetzen des Altpreussischen stimmen würde, weshalb er jetzt ittpresnan liest (KZ. 41, 80); dieser Meinung hat sich Trautmann 226 angeschlossen. Wenn wir nun daran denken, dass isspresnan die einzige Form ist, worauf man die Annahme eines in der Betonung vom Akkusativ abweichenden Instrumentals stützen könnte, so legt die Korrektion von -an in -an den Gedanken nahe, dass das Preussische zu Wills Zeiten bei den «-Stammen ebensowenig wie bei den andern Nominalklassen einen Instrumental gekannt hat. Bezzenberger und Trautmann haben aber diesen weiteren Schritt nicht gemacht. Im Gegenteil: die Meinung, dass das Altpreussische einen Instrumental auf -an besessen habe, hat Bezzenberger aaO. 78 f. zur verzweifelten Hypothese geführt, dass die je einmal im Enchiridion vorkommenden Formen semmë und aulausè mit auslautendem -en zu lesen und als Instrumentale aufzufassen seien (s. darüber oben S. 11 ff.), wahrend Trautmann zwar diese Bezzenbergersche Vermutung für un wahrscheinlich halt (S. 233), seinerseits aber einen zweiten Instrumental auf -an in rankan (53, 12) erblicken möchte, wofür er *rankan liest. Die Form rankan kann natürlich so wie sie überliefert ist nicht richtig sein. Sie steht in der Verbindung sen senditmai rankan „mit gefalten henden", wahrend einige Zeilen weiter (53, 21 f.) in derselben Bedeutung das viel begreiflichere sen senditans rankans vorkommt. Was für sen senditmai rankan zu lesen ist, weiss ich nicht. Wenn wir die Form rankan auf eine einfache Weise korrigieren wollen, so lesen wir am besten rankan: wir hatten dann eine ahnliche Mischkonstruktion anzunehmen wie bei sen stesmu wirdan -1'') (s. S. 82). Allerdings muss auch bei dieser Auffassung die Form senditmai für nicht ganz richtig gehalten werden. Die Form isspresnan gibt noch zu einer Bemerkung Anlass. Bezzenberger hat die Konjektur isspresnan deshalb vorgeschlagen, weil die Endung -an nicht zum dritten der von ihm aufgestellten Betonungsgesetze der preussischen Sprache stimmen würde, nach welchem „neutraler Ton [d. h. der Akzent auf kurzer Silbe] im Gegensatz zum Litauischen und Slavischen nicht behandelt wird, wie geschleifter, sondern bleibt auf seiner Stelle, auch wenn ihm eine unbetonte gestössene Silbe unmittelbar folgt" (z. B. maddla, tickra, wissd). Obgleich die angeführten Beispiele Bezzenbergers Regel sehr plausibel machen, bleibt wegen des geringen Umfanges des überhaupt vorhandenen Materials Raum für die Frage, ob nicht dennoch aus einem paroxytonierten Hsspresnan bei akutierter Ultima isspresnan geworden sein könnte, — trotz maddla usw. Ich gehe auf diese Frage nicht ein, erstens weil eine Lösung mir unmöglich scheint, zweitens weil wir isspresnan, auch wenn kein anderer Grund für diese Konjektur vorlage, schon deshalb in isspresnan andern dürfen, weil es die einzige im Enchiridion vorkommende Kasusform auf -an ist, wahrend zahlreiche Formen auf -an vorkommen, auch nach der Praposition sen. Wo die Verhaltnisse so liegen, ist die Annahme viel wahrscheinlicher, dass die Form isspresnan verfehlt ist — es gibt ja zahlreiche Fehler in unserm Drucke I — als dass sie der einzige Rest einer sonst im Preussischen nicht mit Sicherheit nachweisbaren urbaltischen Kasusformation sein soll te. Aus dem Vorhergehenden ergibt sich, dass der Kasusgebrauch nach sen nicht so bunt war wie man aus Trautmanns S. 81 f. zitierten Worten schliessen würde: sen regiert den Dativ und Akkusativ, einen Instrumental werden die Nomina der historischen altpreussischen Periode kaum mehr besessen haben. Bezzenbergers Bemerkungen BB. 23, 304, KZ. 41, 80 f. 11 *) und Trautmanns Paragraphen 113 g (S. 211 f., über die Rektion von sen) und 130 (S. 226 f., über den Instrumental der a-Stamme) bedeuten einen Rückschritt Berneker gegenüber, der S. 197 zwar isspresnan als eine Instrumentalform betrachtete, diese Form aber bloss als einen Kasusrest, nicht als den Vertreter einer in der Sprache noch als solche existierenden Kategorie betrachtete. Das Indogermanische besass bekanntlich neben dem nur aus dem Balt. und Slav. bekannten Instrumentalausgang -am in gleicher Funktion die Endung -a: ved. dhira usw., — und in einem Teil der germanischen Sprachen hat diese Formation die Funktion des Dativs übernommen: ahd. gebu, as. gein, an. gjqf. S. u. A. Streitberg Urgermanische Grammatik 237, Janko Soustava dlouhych slabik koncov^ch v staré germans tiné 56 ff., Brugrnann Grundriss 21, 2, 190. Dagegen liegen alte Dativformen auf idg. -aï in got. gibai, ags. giefe vor; s. Streitberg aaO. 237, Janko aaO. 255 f. (Idg. Forsch. Anz. 15, 262), Brugrnann aaO. 168 f. Für eine altere Sprachperiode haben wir diese beiden Bildungen nebeneinander anzunehmen, zuerst natürlich in verschiedener Funktion; allmahlig aber wurden die Funktionsunterschiede verwischt. Wenn wir nun im Altpreussischen neben dem Dativ auf -ai (perdasai „Ware", alhinisquai „Kummer"; von Adjektiven: prabuskai „ewig", wissai „ganz") in gleicher Funktion einer Formation auf -ti begegnen (kanxiisku „Zucht", spariisku „Starke", reddisku „falsch", smünenisku „menschlich"), so liegt die Vermutung nahe, dass das Altpreussische, das ja bei den Nomina keinen Instrumental als lebendigen Kasus mehr besitzt, auf eine ahnliche Weise wie die germanischen Sprachen die alte Instrumentalform auf idg. -a (woraus nach Gutturalen apr. -u entstehen musste) in dativischer Funktion, oder besser gesagt: auf eine ahnliche Weise wie die ursprünglichen Dativformen sowohl in dativischer wie instrumentaler Funktion verwendet. Allerdings bleiben zwei Sachen auffallig: 1. dass die Form auf -u aus -a ausschliesslich bei Substantiven auf -iska- und Adjektiven auf -iska/avorkommt, 2. dass das Altpreussische eine andere indogermanische Instrumentalendung zeigt als das Litauische und das Slavische. Einen ahnlichen Gegensatz finden wir aber auch in andern Fallen, z. B. apr. Genitiv deiwas: lit. aëvo, abg. boga; apr. Dat. kasrau (mit sm): lit. kam, kamui, abg. komu. Für meine Vermutung, dass kanxiisku usw. Instrumentalformen sind, dürfte noch der Umstand sprechen, dass auch bei den mannlichen und sachlichen a-Stammen ein Dativ-Instrumental vorliegt, der sowohl Dativ- wie Instrumentalausgiinge zu zeigen scheint. Der Dativ der a-Stamme geht im Preussischen bekanntlich auf -ai oder -u aus: einerseits istai „Essen",malntjkikai „Kindlein", wirdai „Wort", auch wohl das als Adverbium gebrauchte bitai „Abends", — anderseits griku „Sünde", malnïku „Kind", piru „Gemeinde" und siru „Herz", waldniku „Kónig"; s. Berneker 189, Trautmann 216 f. Lewy Idg. Forsch. 32, 173 Fussnote 7 hat die allerdings „ausdrücklich mit vielen Fragezeichen" versehene Vermutung ausgesprochen, dass -ai die Endung der Neutra, -u diejenige der Maskulina sei. Wenn diese Vermutung richtig sein sollte — was nicht zu beweisen ist —, so ware doch die Verteilung der beiden Ausgange sekundar, denn ursprünglich hatten die mannlichen und die sachlichen Nomina in allen Kasus ausser dem Nomin. Sing. und dem Nomin.Akkus. Plur. dieselben Endungen. Ich glaube, dass wir, einerlei ab Lewys Vermutung richtig ist oder nicht, den altpreussischen Formen am besten gerecht werden, wenn wir in -ai eine indogermanische Dativendung (= lit. -ui, avest. -ai, gr. -o», lat. -ö, altlat. -oi, osk. -ü i, ahd. -e; s. Brugrnann aaO. 21, 2, 168 und die dort zitierte Literatur, Trautmann 216), in -u aber eine Instrumentalendung (= lit. -u, aind. -«", ahd. -«, mit qualitativem Ablaut got. -a aus idg. -ë; s. Brugrnann aaO. 188 ff.) erblicken. n 3) Apr. wirdai usw. stehen dann also zu piru usw. in einem ahnlichen Verhaltnis wie ags. dage, as. dage, ahd. lage, an. aaou zu got. ddga, as. «a^a, ahd. tagu. Das Althochdeutsche und Altsachsische stehen insofern auf einer altern Entwicklungsstufe als das Altpreussische, als sie den alten Funktionsunterschied zwischen den beiden Formationen bewahrt haben. Auf die Dauer wurden aber auch auf hochd. und niederd. Boden die beiden Kasus nicht auseinander gehalten, bis schliesslich der Dativ den Instrumental vollstandig verdrangte; s. Behaghel Geschichte der deutschen Spraches 288, Wilmanns Deutsche Grammatik 3, 663 ff., 704 f., Holthausen Altsachsiscb.es Elementarbuch 181. Hier erfolgte also die Entwicklung in derselben Richtung wie bei den gotischen und angelsachsischen ö-St&mmen, aber in umgekehrter Richtung als bei den gotischen a-Stammen und den althochdeutschen ö-Stammen. Ein ahnlicher Parallelismus zwischen dem Preussischen und den germanischen Sprachen liegt auch in der pronominalen Deklination vor. Got. fiamma, hwammê-h, ahd. demu, as. themu haben eine Instrumentalendung, idg. -e -o, die an den um idg. -sm- (vgl. ai. tdsmai, tdsmat, tdsmin) verlangerten Pronominalstamm getreten ist (s. Streitberg aaO. 269, Janko aaO. 56, 93, Idg. Forsch. Anz. 15, 252, Brugrnann 2J, 2, 363). Dativendungen kommen nicht vor. 114) Ebenso begegnen uns im Altpreussischen ausschliesslich Formen auf -sm-u: M *) stesmu, stëismu, sehismu, kasmu USW. Das -u dieser Formen kann aus -o entstanden und also mit demjenigen von ahd. demu, as. themu identisch sein, und ich wüsste keine Erklarung, welche plausibeler ware. Trautmann 226, 217, 262 fasst apr. epartiiku, reddisku,piru, stesmu usw. anders auf. Das ist teilweise dadurch zu erklaren, dass er dem Instrumental als syntaktisch selbstandigem Kasus einen allzu grossen Platz eingeraumt hat. Dadurch konnte er kaum auf den Gedanken kommen, dass in einem preussischen Dativ eine Instrumentalform stecken könne. Wenn wir aber den preussischen Instrumental als selbstandigen Kasus leugnen und darauf achten, dass die sogenannten Dativformen sowohl von Nomina wie von Pronomina auch nach sen stehen (die sogen. pronominalen Instrumentale sind nur vereinzelte Kasusreste; s. u.), so ist gegen unsere Auffassung nichts einzuwenden. Sie ist umso wahrscheinücher, als die von Trautmann vorgeschlagenen Deutungen auch sonst auf sehr schwachen Füssen stehen. Trautmann fasst S. 262 stesmu als ein indogerm. *ktésmö auf, mit der zirkumflektierten Dativendung -ö, die nach J. Schmidt Festgruss an Böhtlingk 102 neber -öi existiert haben soll. S. 217 wird für preuss. griku ebenfalls eine Dativendung -5 angenommen; auch hier wird auf J. Schmidt aaO. verwiesen. Und der weibliche Dativausgang -u wird S. 226 als ein indogerm. -a aufgefasst, das zu -ai in einem ahnlichen Verhaltnis stehen soll wie -ö zu -öi; auch für dieses -a ware also zirkumflektierte Intonation anzunehmen. Ausser J. Schmidts Fussnote Festgruss an Böhtlingk 102 wird hier auch Collitz BB. 17, 34 f. zitiert. . Wenn wir nun die von Trautmann angeführte Stelle aus dem Festgruss am Böhtlingk aufschlagen, so sehen wir, dass J. Schmidt dort tatsachlich neben -öi einen Dativausgang -5 annimmt, und zwar soll dieser in gewissen italischen, baltischen und germanischen Formen vorliegen: lat. populo, apr. waldniku, kasmu, ahd, mo, huuemu. Was zuerst den lateinischen Ausgang -ö anbetrifft, dieser kann sehr wohl auf italischem Boden aus -öi entstanden sein; s. Sommer Lateinische Laut- und Formenlehre1 342. Die deutschen Formen auf -o sind mit denjenigen auf -u nicht identisch; s. Janko Soustava S. 57 Fussn. 88, S. 84, Idg. Forsch. Anz. 15, 251. Für keine von diesen beiden Endungen brauchen wir von idg. -ö auszugehen (s. Janko an den angefübrten Stellen), für -« ist das sogar unmöglich: was aus indogerm. -5 im Ahd. wird, das zeigen gomo und namo. Ahd. demu, huuemu müssen -d gehabt haben; vgl. die ablautenden gotischen Endungen von Jtamma, hwamma, hioamme-h, wofür nichts anderes als idg. -ë angenommen werden kann. Sollten wir nun unter solchen Umstanden das -u der preussischen Dative stesmu, kasmu auf ein in der Luft schwebendes idg. -S zurückführen anstatt es mit dem -u von ahd. demu zu identifizieren ? Und dasselbe, was für den Ausgang der Pronominalformen gilt, muss auch für die maskulinen und neutralen nominalen Dative gelten: ein idg. Dativ *përö ist eine ungenügend begründete Form; gegen einen Instrumental *pêro 11 •) als Grundform des altpreuss. piru lasst sich dagegen nichts einwenden. 117) Wegen des apr. -u s. S. 53 f. Be vor wir weitergehen, müssen wir einen Augenblick den preussisch-nordlitauischen Dativen auf -ü, wómit die zemaitischen auf -ü, -ou identisch sind, unsere Aufmerksamkeit widmen. Trautmann 217 identifiziert die nordwestzemaitische Endung -ou mit dem preussischen Ausgang -u, die südost-zemaitische Endung -ü aber mit lit. -ui. 118) Diese Trennung der Formen auf -ou von denjenigen auf -ü ist verfehlt: bekanntlich entwickelte sich aus dem im Schriftlitauischen als ü auftretenden Vokalim nordwestlichen Zemaitischen -ou, im südöstlichen Zemaitischen -«; und wenn nun neben einer s.-o.-zemaitischen Form auf -ü in gleicher Funktion eine n.-w.-zemaitische Form auf -ou vorkommt, so dürfen wir ohne einen zwingenden Grund diese Formen nicht voneinander trennen, sondern müssen sie beide als Aequivalenten einer und derselben schriftlitauischen Form auffassen. S. Bezzenberger Nachrichten v. d. kgl. Göttinger Ges. d. Wiss. 1885, 160 f., Baranowski-Leskien Idg. Forsch. Anz. 13, 88, jetzt auch Porzezin'ski Idg. Forsch. 31, 425. Und wenn südost-zemait. -ü einem litauischen -ui entsprechen kann, so muss dasselbe für nordwest-zemait. -ou gelten. Tatsachlich wird eine solche zemaitische Entwicklung des auslautenden idg. -öï, urlit. -M von mehreren Forschern angenommen, und diese Ansicht wird wohl richtig sein. Das Preussisch-nordlitauische geht hier mit dem Zemaitischen zusammen. Als Zwischenstufen werden -üu > -ü anzunehmen sein. Aus diesem -ü 119) entstand in einem Teile der Mundarten -ü, in einem andern Teile -ou. S. Bezzenberger aaO. und BB. 21, 302, Baranowski-Leskien aaO., Doritsch Beitrage zur litauischen Dialektologie CV (Ma. von Klooschen-Bartel), CCV (Ma. von Salanty). Für den mutmasslichen indogerm. femininen Dativ auf -& verweist Trautmann auf J. Schmidt aaO. 102 Fussnote und Collitz BB. 17, 34 f. An diesen Stellen ist von preussischen Formen keine Rede: ein indogerm. Dativ auf -a wird wegen altlateinischer Formen wie Matuta und wegen germanischer Formen wie ahd. gebu, deru, blinteru, an. .gjof angenommen. Was die lateinischen Formen anbetrifft, diese haben ihren Auslaut -a wohl erst auf italischem Boden erhalten; vgl. Sommer aaO.2 146, 290, 327 und die daselbst angeführte Literatur; — und die germanischen können kein indogerm. -ahaben: wenn idg. -öim Althochdeutschen zu -o geworden ist (gomo usw.), so muss für -& dieselbe Entwicklung angenommen werden, -u setzt altes -i und nicht -& voraus; dieses -d ist eine Instrumental- und keine Dativendung. Es liegt also absolut keine Berechtigung vor, in apr. spartisku, reddisku usw. Dativformen auf idg. -& 11 °) zu erblicken; gegen meine Auffassung dieser Formen als Instrumentale lasst sich dagegen kaum etwas einwenden. Aus dem bis jetzt Erörterten ergibt sich ein gewisser Parallelismus zwischen der Entwicklung des altpreussischen Kasussystems und derjenigen des germanischen. Natürlich beruht dieser Parallelismus nicht auf einer en gen Ver wandtschaft der Sprachen. Die Hauptthese der Leskienschen Schrift „Die Declination im Slavisch-Litauischen und Germanischen": dass die Deklinationsformen nicht auf eine nahe Verwandtschaft von Baltisch-Slavisch und Germanisch hinweisen, wird sich wohl auch in der Zukunft ebenso unerschüttert behaupten wie sie es schon vierzig Jahre getan hat. Und das Altpreussische ist eine baltisohe Sprache; es steht also genetisch zum Germanischen in demselben Vehaltnis wie Litauisch oder Lettisch. Die Sache ist einfach diese: dass das im Baltischen treu bewahrte indogermanische Kasussystem im Preussischen auf die Dauer dadurch vereinfacht wurde, dass einige Kasus aufhörten als syntaktisch-morphologische Kategorien zu existieren. Auf eine ahnliche Weise hatten die germanischen Sprachen ein oder anderthalb Jahrtausend früher einige Kasüs verloren. In beiden Fallen erfolgte die Entwicklung in derselben Richtung und wurden ahnliche Mittel verwendet. Auch was die nicht dativisch gebrauchten Reste des alten Instrumentals anbetrifft, besteht eine gewisse Aehnlichkeit zwischen Altpreussisch und Germanisch. Das Gotische besitzt bekanntlich noch ein paar pronominale Instrumentale: J>e und hwe. Hwe existiert noch im lebendigen Gebrauch als Instrumental: „womit? wodurch?"; sonst werden hwe und fie nur noch bei Komparativen gebraucht (hwe mauagizo ,um wieviel mehr?", ni]>e haldis „non eo amplius"), und in der Verbindung mit Prapositionen: bij>e „nachher; als, nachdem", dufie „deshalb; dass, weil", bihwe „woran?", duhwe „wozu? weshalb?" 12'); s. Streitberg Gotisches Elementarbuch 3>* 118 f., 173. Diese Formen kehren in andern germanischen Sprachen wieder: altnord. altschwed.jï/,hwi, ags. hwi, as. hwi, mittelniederl. bedi (= got. bijpe), twi (vgl. got. duhwe). 121) Und daneben mit ö-Stufe ags. hu, afris. as. mnl. hü, altschwed. hu- „wie?" aus idg. *q»ö". Auf diese selbe Form *q*ó' wird auch der litauische Instrumental M zurückgehen. Die geschleifte Intonation und die dadurch bewahrt gebliebene Lange des Vokales haben bei einer einsilbigen pronominalen Form nichts Auffalliges (s. Hujer Slovanska deklinace jmenné, 65 Fussn. 1 und die dort angeführte Literatur). Dass lit. M eine andere Formation als tahu, geru sein sollte, ,ï3) ist mir unglaublich. Im Preus- sischen blieb diese Instrumentalform in einigen Verbindungen bewahrt: sènku „damit" (vgl. got. Hhwe usw.), kuilgimai (giwassï) „so lange (du lebst)", kudesnammi (joespuietti; II), kodesnimma (yous pogeitty; I) „so offt (jhrs trinckt)." 1 24) Ein Instrumental von stas begegnet uns 65, 32: stu ilgimi kai „bisz das". Wegen des -u s. S. 53 f. Ein lautgesetzlicher Instrumental von stas mit ë-Stüfe wird aber in ste mijls „deste lieber" (57, 2) vorliegen. In dieser Bedeutung gebrauchte ja das Indogermanische einen Instrumental (s. Brugrnann Grundriss 25, 2, 530 f.); auch im Germanischen hat sich dieser Instrumental gehalten: got. fie, af ris. ndl. te) s. S. 23. Ausser den bisher besprochenen Formen gibt es in unsern Texten noch zwei Reste vom Instrumental und zwar swaieis und maim, maim. Swaieis kommt einmal vor: 75, 1 sen wissan swaieis „mit allen den seinen". Diese Form kann kaum etwas anderes sein als ein Instrumental Plural mit nach i aus -ais entstandenem -eis, und dieses -ais ist identisch mit lit. -ais, ai. -aih, gr. -0tj, lat. -is. S. Berneker 197, Trautmann 272. Dieses swaieis ist der einzige Instrumental Plural der altpreussischen Texte. Ich vermute, dass die alte Formation in einigen Ausdrücken bis in die historische Zeit bewahrt geblieben ist, ebenso wie z. B. der alte Lokativ in griech. olxo» und .'lo&jioi fortlebte oder wie man im Polnischen noch immer in innemi stowy „mit andern Worten" u. ahnl. Ausdrücken einen Instrumental auf -y verwendet, wahrend sonst eine den o-Stammen ursprünglich nicht zukommende Endung -ami gebraucht wird. Maim, maim kommt dreimal im Ench. vor: 51, 23 sen maim und 53, 5 sen maim „mit mir", 67, 22 in dativischer Funktion maim „mir", wahrend sonst in dieser Funktion bloss mennei gebraucht wird, und zwar ziemlich oft; ebenso tebbei, -e „dir" und sebbei „sich". Diese Formen werden nie instrumentalisch gebraucht. Dieser Tathestand erklartsich am einfachsten, wenn wir annehmen, dass das dativisch gebrauchte maim auf einem Fehler Wills oder eines Tolken beruht: das Deutsche steilte den preussischen Formen maim und mennei nur éine Form gegenüber: mir; dadurch ist ein solcher Fehler sehr begreiflich. Wir dürfen es also für wahrscheinlich halton, dass die altpreussischen Personalpronomina, jedenfalls im Singular, eine besondere Instrumentalform mit instrumentalischer Funktion besessen haben. Dies ist aber die einzige Wortklasse, wo dieser Kasus existiert. Das Altpreussische befindet sich also in derselben Entwicklungsphase wie das Lettische. S. Endzelin Slav'anobaltijskie et'udy 61 f. Fussnote. Die altpreussische Instrumentalform maim, maim wird verschieden erklart (s. Berneker 208 f., Trautmann 269 f., Brugrnann Grundriss 2 2, 2, 419). Das einzige, was feststehen dürfte, ist, dass das -m auf -mi zurückgeht und mit dem Ausgang von lit. tümi, manimi, abg. tëmï identisch ist. Bei der Besprechung der Instrumentalformen widmeten wir bereits auch einigen Dativformen unsere Aufmerksamkeit. Jetzt werde ich die im Preussischen vorhandenen Formationen des Dativs Singular der Reihe nach behandeln. Wirdai usw. haben wohl ein indogermaniscb.es -öi; s. Berneker 189 f., Archiv f. slav. Phil. 25, 477, Trautmann 216, Brugrnann Grundriss 2 *, 2, 168. Das -ai von perdasai usw. wird wohl allgemein als idg. -al aufgefasst und eine andere Deutung ware kaum denkbar; s. Brugrnann aaO. 169. Auch semmey, -iey (I na semmey, II nasemmiey „auff erden") ist eine klare Form: es entspricht dem litauischen Dativ êèmei. Wegen des Wechsels -ey: -iey s. S. 63 f. Dass das i die direkte Fortsetzung eines im Litauischen geschwündenen urbaltischen * sein sollte, kommt mir weniger wahrscheinlich vor (vgl. semmë N. Sg., nicht *semmië). Auch die zu i-Stammen und zu Personalpronomina gehörigen Dative auf -ei bereiten uns keine Schwierigkeiten; wegen nauiei, mattei vgl. S. 57 f., wegen mennei, tebbei (-e), sebbei s. S. 56 f. Auf die Stammesgestalt brauchen wir jètzt nicht einzugehen. Eine Form .auf idg. -ai ist auch stessiei, der Dat. Sing. Fem. vom stas. Brugrnann aaO. 169 identifiziert diese Form mit aind. tósyai, und das wird — vom Anlaut abgesehen — richtig sein. Dieselbe Ansicht vertreten Berneker 201, Trautmann 263. Dem letztgenannten Forscher scheint es entgangen zu sein, dass er durch diese Annahme mit der S. 171 von ihm ausgesprochenen Ansicht, dass sj im Altpreussischen zu s (geschr. seh) geworden sei, '2") in Widerspruch gerat. Dieser Widerspruch gibt mir Anlass, der Form stessiei meine besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Wenn wir uns das in Trautmanns Vokabular übersichtlich zusammengestellte Material genauer ansehen, so ergibt sich, dass neben stessiei, steisiei, stessie 12 6) (je 1 X) auch stessei, stêisei, stelsel, steise (je 1 X) vorkommen, und zwar werden diese Formen an allen vier Stellen als Artikel gebraucht, wahrend stessiei, steisiei substantivische Pronomina der „DerDeixis" sind (73, 22 stessiei quai; 73, 25 steisiei quai „der [d. h. derjenigen] die") und stessie (75,14) als Personalpronomen („ihr") verwendet wird. Und dass diese Verteilung der Formen auf Zufall beruhen sollte, ist deshalb umsö unwahrscheinlicher, weil ahnliche Verhaltnisse beim Genitiv Sing. Fem. vorliegen: wenn wir die ursprünglich mannlichsachlichen bezw. pluralischen Formen auf -sei (-se) und -sou (-san), die oft mit femininer Bedeutung gebraucht werden, ausser Betracht lassen, so bleiben folgende Formen übrig, die je einmal als Gen. S. F. vorkommen: stesses, steises, stessie», stessias; die ersten zwei Formen sind Artikel, 15 7) die dritte und vierte werden pronominal gebraucht (75, 35 esse stessies N. Pauson „von wegen dieser N.", 77, 16 en stessias deicktan „an jrer stat"). Dieser Tatbestand lasst sich am einfachsten erklaren, wenn wir annehmen, dass der Dativ auf -siei (-sie) und der Genitiv auf -sies (-sias) die normal betonten Formen sind, wahrend die Formen auf -sei (-se), -se» bei schwacherer SatzbetonUng aus jenen entstanden sind. Die Endungen -«ei (-sie), -sies (sias) sprechen gegen die Annahme eines samlandischen Lautgesetzes „sj > "s (sch)". Auch die Form muisieson „grösser" wird si aus sj haben; freilich ist ihre Bildungsweise nicht ganz klar. Das einzige Beispiel, das man für die Entwicklung von sj zu * anführen kann, ist das Pronomen schis „dieser", dessen * aus denjenigen Kasus hergeleitet wird, wo dem anlautenden Konsonanten ein /' folgte. Diese Annahme ist umso plausibeler, als die Kasus mitim Preussischen noch zahlreicher geworden sind als sie im Urbaltischen waren: dem lit. *z\ steht bekanntlich ein preussisches schan (3 X), sehian (1 X), schien (2 X) gegenüber. Nun hat dieses Wort ein urbaltisches * aus idg. 1e; Beispiele mit s (sch) aus idg. urbalt. s + j sind uns nur aus dem Elbinger Vokabular bekannt: schumeno „Draht", schutuan „Zwirn", schuwikis „Schuhmacher", 138) nicht aus den samlandischen Texten. Aus diesen Tatsachen geht heryor, dass das Gesetz sj > s bloss für die Mundart des Vokabulars anzunehmen ist, wahrend im Samlandischen urbaltisches sj zu * ,J9) wurde (urbaltisches "s ohne folgendes / ging bekanntlich in «über; s. u. A. Trautmann 168 f.), sj aber als solches erhalten blieb oder etwa in ein durch die Orthographie si bezeichnetes mouilliertes * überging. Aus dem vorhergehenden Exkurs in das Gebiet der Lautlebre ergibt sich, dass die Identifizierung der altpreussischen Dativendung -siei (-sie), sei (-se) mit ai. -syai richtig ist. 1' °) Aehnliche Formationen dürften auch schissai „dieser", kawijdsei „welcher" (je 1 X) sein, obgleich natürlich die Möglichkeit nicht zu leugnen ist, dass schissai eine Form wie got. jbizai sein könnte. Es kommt mir aber unwahrscheinlich vor, dass das Apr. zweierlei Bildungen ererbt hat; noch eher ware -ai dem Einflusse der Nomina zuzuschreiben. Ueber supsai 33, 5 — nach Trautmann ein Dat. S. F. — s. S. 58. — Tennei „ihr" hat dasselbe ei, das in sovielen Kasus dieses Pronomens vorkommt. — May iey (II) und swaiai (Dat. Sing. possessiver Fürwörter) haben idg. -ai. Ein nominaler Dativ auf idg. -jai wird in krauwiey „Blut" (in II) stecken; s. Bern. 32. Wir haben jetzt beinahe alle Dative Sing. der preussischen Texte besprochen. Es bleiben noch folgende Formen übrig: 13') përgimie: 71, 16 en swaiai përgimie „in seiner Natur . Berneker 190 hielt es für eine ahnlich gebildete Fofm wie nautei, mattei, weil „e leicht auch ein unvollkommener Ausdruck für ei sein" könne. Dass auslautendes -e für -ei stehen kann, das ist ohne Zweifel richtig (s. Bern. 126), im vorliegenden Falie aber dürfen wir wegen des Genitivs përgimnis (71, 31) „Natur", der angesichts des unmittelbar vorhergehenden prëigimnis „Art" kaum verfehlt sein wird, nicht ohne Weiteres annehmen, dass përgimie uns richtig überliefert ist. Ist vielleicht përgimnei zu lesen? Oder etwa përgimne, mit -e für -eil Etwas Positives lasst sich nicht sagen. S. Trautmann 395. hvrki „Kirche". Von Berneker 190 für einen Dativ gehalten. Eine solche Form kommt laut Trautmanns Wörterbuch nur einmal vor, und zwar 69, 2 f.: stan Sacramentan | twaise mij las Soünas Jhesu C/iristi | bhe steisei MrU swaise mar tan „das Sacrament deines lieben Sons Jesu Christi | vnd der Kirchen seiner Braut". Die Satzkonstruktion erfordert hier einen Genitiv, und die Formen steisei und swaise sind tatsachlich Genitive. Ebenso wie die von Haus ausmannlich-sachliche Form swaise bei einem weiblichen Substantiv steht, könnte anch steisei hier die feminine Form steisies vertreten. Kirki kann aber kaum eine Genitivform sein; es ist wohl als ein syntaktischer Fehler Wills oder als ein Druckfehler zu betrachten. Ein ahnlicher Fehler wird in endirisna steison smüni „ansehen der Person" (61, 9 f.) stecken. Ist MrU ebenso wie smüni eine Nominativform, oder, wie Berneker annahm, eine Dativform? Klausiweniki (47, 5 f. priki stessemu Klausiweniki „gegen dem Beichtiger"), prëisiki (73, 9 stesmu prëisiki „dem Feinde"). Berneker 190 fasst das -i „als Schreibung für unbetontes ei" auf. Das ware an sich sehr gut möglich: ein ahnliches -i für -ei kommt auch sonst vor (s. S. 56 ff.), und, was speziell die Dative klausiweniki, prëisiki anbetrifft, hier könnte die ausnahmslose Schreibung -i der starken Vokalschwachung in der dritten und vierten Silbe nach dem Hauptakzente zugeschrieben werden. 13ï) — Neben dieser Deutung liesse sich aber auch die Hypothese verteidigen, dass das altpreuss. -i mit dem -ij oder -i altlitauischer Dative identisch sei. S. Trautmann 236, dessen Herleilung von -i, -ij (die Trautmann beide als Schreibungen für kurzes -i auffasst) aus -ejai freilich kaum richtig sein wird. S. jetzt über altlit. -i und -ij Porzezin'ski Idg. F. 31, 423 ff. Diese beiden Erklarungsversuche gehen von der Voraussetzung aus, dass klausiweniki und prëisiki Dative von i-Stammen seien. Nun sind aber die litauischen Nomina auf -ikis, von welchen die beiden preussischen Wörter nicht getrennt werden dürfen (s. Leskien Die Bildung der Nomina im Litauischen 511 [361]), /«-Stamme; wir müssen daher mit der Möglichkeit rechnen, dass auch die preussischen Substantive auf -iks 13 *) zu dieser Flexionsklasse gehören und einmal einen Dativ auf -jai = lit. -iui gehabt haben. Dass hieraus über -jei (-iei) ein schwacherer, einfach durch * bezeichneter Laut entstanden sein kann — eventuell nur in weiterer Entfernung vom Hauptakzente —, das halte ich für ebensogut möglich wie das in unserm Texte widerholt konstatierte Auftreten von -i für -ei. — lm Grunde ist diese Auffassung mit derjenigen von Berneker identisch, der (191) den Ausgang -ei (woraus 4) aus -iei < -iai (= lit. -iui) erklarte, worin er die auf die mannlichen i-St amme übertragene Endung der /«-Stamme erblickte. S. Bern. 132. Sogar liesse sich diesen drei Hypothesen noch eine vierte anreihen. Die einzige Kasusform von einem Nomen auf -iks, die ausser den schon angeführten Formen in unserm 6 Texte vorkommt, ist der Akk. Plural swintichens „Heilige" 81, 15; diese Form könnte die Vermutung auf kommen lassen, dass die Nomina auf -ik» Konsonantstamme seien. Bei dieser Klasse kommt namlich ein Akkus. Sing. auf -en öfters vor: emnen „Namen" 9 X im Ench., 1 X in I, 2 X in II, emmen „ds." 1 X in I, hermenen, hermenen, hêrmnen, hermnen „Leib" je 1 X im Ench., brendehermnen 1 X im Ench.; s. Berneker 181 f., Trautmanu 241; wenn von diesen Nomina ein Akk. Plur. vorhanden ware, so würde dieser yermutlich auf -en» ausgehen, — und swintichens könnte tatsachlich eine solche Form sein. Dann waren die Nomina auf -ihs konsonantische Stamme ebenso wie gr. ^«^«1, lat. senex, irisch ad; s. Brugrnann Grundriss 22, 1, 475. Und klautiwenihi, prëisiki waren als Dative der konsonantischen Klasse aufzufassen, und zwar entweder als Dative auf idg. -ei (mit altpreussischer Schwachuug des auslautenden Diphthongs) wie kypr. jiFsi, osk. patere!, medlkel (s. Solmsen KZ. 44, 161 ff.) oder als mit altlit. duhteri, ahmeni (Bezzenberger Beitr. z. Gesch. der lit. Spr. 128), ostlit. dukta'ri, Hhma'ni (Porzezinskij Izve'stija Il-ogo otde'1. Akad. Nauk 3, 1130), lit. sèkant, -anti-e (mit Dativ verbundenes Gerundium; s. De Saussure Idg. Forsch. 4, 460f.) usw. «*..«) bildungsgleiche, in dativischer Funktion gebrauchte idg. Lokative. — Diese Vermutung ist deshalb sehr unsicher, weil sie auf einer bloss einmal vorkommenden Form des altpreuss. Enchiridions beruht. In solchen Fallen muss immer mit der Möglichkeit eines Fehlers oder einer ungenauen Lautbezeichnung !*») gerechnet werden. KAPITEL VIL Der Nominativ Plural der altpreussischen a-Stamme. Die mannlichen a-Stamme haben im Litauischen einen Nominativ Plural auf -ai: vilkaï, üliai usw. In diesem -ai erblicken die meisten Forscher eine ursprüngliche Neutralendung; vgl. ausser der von Solmsen KZ. 44, 184 f. erwahnten Literatur (Mahlow Die langen Vocale 81, J. Schmidt KZ. 26, 363, Die Pluralbildungen der idg. Neutra 227 ff., Wiedemann Das litauische Prateritum 16, 200 f., Handbuch der litauischen Sprache 64, Bezzenberger rèqag 155 ff., Meillet De quelques innovations de la déclinaison latine 15 f., Trautmann Die altpreuss. Sprachdenkmaler 218 f.) auch Gauthiot Idg. Forsch. 26, 353 ff. und die nach Solmsens Aufsatz erschienenen Bemerkungen Meillets Eocznik Slawistyczny 5, 160 ff., Mém. Soc. Ling. 19, 80 ff. und 191. Allgemeine Anerkennung hat diese Ansicht nicht gefunden; vgl. Brugrnann Grundriss 2-, 2, 213, Solmsen aaO., Endzelin Slav'ano-baltijskie et'udy 138 ff. Ich behandle jetzt diese Frage nicht in inrem ganzen Umfange. Das ware nicht möglich ohne eine eingehende Untersuchung des bisher nicht endgültig gelösten Problemes vom Ursprunge des litauisch-lettischen ë. Einige Bemerkungen darüber findet man Bem. 78 und 89; ich bin aber nicht imstande, die ganze Frage von einem neuen Standpunkte aus zu betrachten. Deshalb beschranke ich mich jetzt auf die altpreussische Seite des Problemes, indem ich untersuche, inwiefern die preussischen Nominative maskuliner und sachlicher a-Stamme zur Lösung desselben etwas beisteuern. Das altpreussische Material wurde bereits von mehreren Forschern im Zusammenhang mit den litauischen Pluralen auf -ai besprochen. Trautmann 218 ff. erwahnt aus dem Pomesanischen (Elb. Vok.) nur Nominative Plur. des Neutrums: austo „Mund" usw.; mannliche kommen nach seiner Ansicht im Vok. nicht vor. Tm Samlandischen geht der Nom. Plur. Mask. der a-Substantive auf -ai aus; zahlreiche Beispiele verzeichnet Trautmann aaO. In diesem -ai erblickt er „die Endung -ai der Neutra", welche „in allen drei baltischen Sprachzweigen beim Substantiv durchgeführt" sei. Neben diesen zahlreichen Formen auf -ai hat das Enchiridion an zwei Stellen den Nom. Plur. malnijkiku „Kindlein", welchen Trautmann als einen alten Nom. Plur. Neutr. auf -a und als eine Stütze für seine Ansicht über die Endung -ai auffasst. Gerade umgekehrt argumentiert Solmsen aaO. 185: „Ich selbst habe mich Wochschr. f. klass. Phil. 1904, 941 ebenfalls für Mahlows und Schmidts Theorie ausgesprochen, allerdings nicht in dem Sinne dass -ai schon ursprachlicher Ausgang des Nom. Plur. Neutrius der nominalen o-Stamme gewesen sei, sondern nur so, dass es damals den pronominalen ö'-Stammen neben -a zugestanden habe und von diesen aus im Sonderleben des LitauischLettischen zunachst auf die neutralen Nomina, alsdann bei deren Aufgehen in den Maskulinen auch auf diese übertragen worden sei. Ich halte heute die Theorie auch in dieser Gestalt für unrichtig, und zwar auf Grund des Preussischen. Niemand wird die litauischen Nom. Pl. Masc. auf -al von den preussischen auf -ai trennen wollen, im Preussischen aber endigt der Nominativ Plur. der Neutra in der Sprache des Elbinger Vokabulars durchaus auf -o = idg. -a] in der des Enchiridions in dem einzigen Rest, der ihm mit Wahrscheinlichkeit von den beiden neuesten Bearbeitern des Preussischen zugewiesen wird, in dem deminutivischen zweimaligen malnijkiku (zum maskulinen Nomin. Sing. malnijkixs „Kindlein") auf -u, d. i. ebenfalls idg. -a. D. h. diejenige Kategorie, die bei dem Üebergang der Endung der pronominalen Neutra auf die nominalen Maskulina notwendig hatte die Vermittlerrolle spielen müssen, kennt die angeblich übertragene Endung gar nicht!" Auf eine ahnliche Weise führt Endzelin aaü. 138 f. das Vorhandensein der sachlichen Plurale austo usw. im Elb. Vokab. und des zweimaligen maluijkiku (das E. als den Plural eines von Haus aus sachlichen Wortes auffasst) im Enchiridion gegen die Hypothese, dass -ai eine ursprüngliche Neutralendung sei, ins Feld: in der Sprache des Enchiridions sei das Neutrum zwar im Aussterben begriffen (vgl. sta» ... testaments, gegenüber sta . .. teslamenian in I), aber der alte Gegensatz: N. Pl. M. -ai: N. Pl. N. -a habe in malnijkiku eine unleugbare Spur hinterlassen. Und dann wendet Endzelin sich gegen Meillet, der Mém. Soc. Ling. 15, 78 ,36) den Untergang der litauischen Personalformen der 3. Pers. Pl. mit der Durchführung der nach seiner Ansicht von Haus aus neutralen Endung -ai bei allen a-Stammen in Zusammenhang gebracht hatte, indem er eine Verall gemeinerung des syntaktischen Typus ra £v»a iQêxst annahm. Endzelin kann diese Ansicht nicht akzeptieren 1 *7): wahrend das Preussische den formellen Unterschied zwischen dem Nom. Pl. M. und dem Nom. Pl. N. bewahrt habe, gehe der Untergang der Form der 3. Pers. Plural auf die urbaltische Periode zurück. Auf diese Bemerkung Endzelins hat Meillet Rocznik Slawistyczny 5, 162 f. geantwortet, dass neutrale Pluralformen auf -o (d. h. idg. -a) bloss im Elbinger Vokabular belegt seien, wo überhaupt keine Personalformen vorkommen, wahrend „les textes vieux prussiens, qui seuls présentent des formes verbales, n'ont d'autres nominatifs pluriels que ceux en -ai". l3S) Mém. Soc. Ling. 19, 82 kommt Meillet wieder auf den Gegenstand zurück: eine Hypothese Endzelins über die Ursache des Schwundes der Personalformen der 3. Person Plural wird abgelehnt; 13 9) wenn man diesen Schwund erklaren will, so sei man genötigt, es im Sinne der Meilletschen Hypothese zu tun. Dieses dürfte insofern richtig sein, als eine bessefe Er- klarung für die Vereinfachung des Personalformensystems bisher nicht gegeben worden ist. Wenn aber wichtige Gründe gegen die Ansicht Meillets und anderer, dass -ai ursprünglich die Endung des Neutr. Pl. gewesen sei, sprechen, so ist es nicht zu leugnen, dass dadurch auch die Theorie von der Verallgemeinerung des Typus tri t»« an Wahrscheinlichkeit verliert; dann ist es wohl am besten, die Vereinfachung des baltischen Personalformensystems einfach als eine Tatsache zu betrachten, und zu warten, bis jemand eine plausibele Erklarung für dieselbe findet. Es gibt ja soviel Unerklartes in der Grammatik jeder Sprache, und es ist besser keine Erklarung zu geben als eine nicht überzeugende. Und die von Schmidt und Meillet vertretene Ansicht ist absolut nicht überzeugend; es sind vor allem die preussischen Verhaltnisse, die gegen dieselbe sprechen. Meillet gibt nicht nur Rocznik Slawistyczny 5, 162 f., sondern auch M. S. L. 19, 82 ein sehr unvollstandiges Bild des preussischen Formbestandes. Bevor ich dieses Bild vervollstandige, zitiere ich Meillets Bemerkungen am zuletzt zitierten Orte: „Sans doute la 3e personne dupluriela étê éliminée en vieux-prussien comme en letto-lituanien; mais c'est que, en vieux-prussien comme en letto-lituanien, la forme en -ai a servi pour le pluriel neutre, et ceci a entrainé, en vieux-prussien comme en letto-lituanien, 1'élimination de la distinction du masculin et du neutre au singulier; dans les catéchismes, il n'y a plus que des traces du singulier neutre en -an, qui est si courant dans le Vocabulaire (voir les exemples dans Trautmann, Die altpreuss. Sprachdenkmaler, p. 214 et suiv.); un mot comme v.-pr. wirds des catéchismes est un ancien neutre, a en juger par lat. uerbum et got. waurd; le pluriel wirdai, dont la forme est commune au masculin et au neutre, a entrainé wirds au singulier, et par suite 1'empioi de wirdans a 1'accusatif pluriel (voir Trautmann, loc. cit., p. 219). Le vieux-prussien a gardé des formes de neutres en -a, et ces formes sont encore fréquentes dans le Vocabulaire; mais on ignore si, dans le dialecte du Vocabulaire, la 3e personne du pluriel avait disparu." Wir fangen unsere Besprechung der altpreussischen Verhaltnisse am besten mit einer Uebersicht der im Elbinger Vokabular vorliegenden Formen an. Die Mundart dieses Textes besass bekanntlich noch zahlreiche Neutra auf-an: s. Burda Beitrage zur vergleichenden Sprachforschung 6 (1870), 403 ff., Pauli das. 7 (1873), 201 ff., Berneker 266 ff., Trautmann 214 ff. Die Endung des Neutr. Plur. lautet -o, und dieses -o war aus einem indogerm. und urbaltischen -a entstanden. Solche Plurale auf -o sind slayo „Schlitten" (: Sing. slayan „Sohlittenkufe") und die Pluralia tantum autto „Mund" (= abg. usta), vmrto „Türe" (= abg. vrata; lit. vartat), wanso „Flaumbart" (: poln. wqsy, russ. usy), möglicherweise noch ein paar andere; s. Trautmann 218 und die daselbst zitierte Literatur. Neutra Plur. auf -ai kommen nicht vor. Wohl gibt es einige Plurale nicht sachlicher Substantive auf -ai (-ay): broakay „Kniehosen", straunay (1. gtrannayl strainayl s. Trautmann 439) „Lenden", luriay (1. iuriay) „Meer"; hierher gehören auch wohl clattoy „Kletten", yccroy „Waden": wegen -oy für -ay vgl. Pauli aaO. 177, Berneker 257, 268, Trautmann 145, 227. Pauli aaO. 176 f. fasste all diese Formen als Nominative Plur. Mask. auf, ebenso Berneker 268. Bezzenberger BB. 23, 303 sah in broakay, strannay, yccroy Nominative Dual Fem.; über clattoy, luriay redet er nicht. Trautmann 227 f. nimmt für alle fünf Formen weibliches Geschlecht an, halt aber die Endung für analogisch nach dem -ai der preussischen Maskülina entstanden. Wer hat recht? Oder haben vielleicht die Wörter verschiedene Geschlechter ? Zu entscheiden ist die Sache kaum. Broakay, clattoy sind Lehnwörter aus dem Niederdeutschen; wenn aus dem Ausgang -ay, -oy das altpreussische Geschlècht nicht hervorgeht, so lasst dieses sich nicht feststellen. Straunay, luriay gehören zunachst mit lit. strënos oder vielmehr strënos 14 °) bezw. jurêt, jériot zusammen. Was luriay, wofür iuriay zu lesen ist, anbetrifft, so liegt die Annahme nahe, dass es mit lit. jurès, jurios identisch ist und feminines Geschlecht hat. Und auch für straunay ist dieses Geschlecht am wahrscheinlichsten, wenn die Form in strainay zu korrigieren ist, dessen ai dem lit. ë genau entsprechen würde. Allerdings ist das weibliche Geschlecht der beiden preussischen Wörter unbeweisbar, denn auch sonst kommen mannliche a-Stamme und weibliche a-Stamme nebeneinander vor (s. u. A. Pauli aaO. 161). Auch bei yccroy lasst sich das Genus nicht mit Sicherheit feststellen. Angesichts lett. ihr» „Wade", 141) lit.ikrai „roe; spawn" (Lalis A dictionary of the lithuanian and english languages3 1, 111) ist mir mannliches Geschlecht am wahrscheinlichsten ; es ist aber nicht ausgeschlossen, dass preuss. yccroy ein Lehnwort aus dem Polnischen ist (poln. dial. ikra, Plur. ikry). Wenn alle Nominative auf -ay, -oy oder ein Teil derselben mannlich sind, so zeigt das Vokabular den Gegensatz: mannl. -ay (-oy): sachl. -o < -«, und dann ist es unannehmbar, dass -ay eine von Haus aus neutrale Endung sei. Aber auch wenn samtliche Plurale auf -ay (-oy) weiblich sein sollten, so ist es mir am wahrscheinlichsten, dass sie ihre Endung von den mannlichen a-Stammen bekommen haben. Der Dual spielt im Altpreussischen gar keine Rolle mehr (s. Trautmann 219); wenn er bei einer Stammklasse bewahrt geblieben ware, so würde er dort kaum sein ursprüngliches Gebiet erweitert haben, 14 2) — so dass die von Bezzenberger für' broakay, straunay, yccroy vorgeschlagene Deutung nicht auf clattoy, luriay angewandt werden könnte. Dann ist sie aber auch für broakay, straunay, yccroy nicht wahrscheinlich; viel plausibeler ist die Ansicht Trautmanns, dass die fünf Formen auf -ay, -oy „eine Neubildung nach dem Nom. Plur. der a-Stamme auf -ai" sind (227 f.). Neben dieser Hypothese, wobei die Formen auf -ay, -oy als Feminina aufgefasst werden, bleibt die bereits von Pauli geausserte Ansicht, dass diese Wörter mannlich seien, gewissermassen plausibel ,45); denn im Elbinger Vokabular kommt die alte Endung -as der a-Feininina in der Gestalt -os bei zahlreichen Substantiven vor; s. Trautmaun 227 und die daselbst verzeichnete Literatur. Anderseits aber können diese Formen auf -os das mannliche Geschlecbt der Formen auf -ay, -oy nicht beweisen, denn es können in einer und derselben Mundart Formen auf -as (> -os) und -ai nebeneinander existiert haben. Im Enchiridion begegnen wir bekanntlich neben einmaligem stawidas madlas „solche Bittefn]" und einem unklaren mensas ,44) — welches, auch wenn es richtig überliefert ist, kaum ein Nom. Plur. Fem. ist — an éiner Stelle einem Plurale preibillisnai „Verheissungen" l4s) und an drei Stellen stai gennai, staigannai „die Weiber". Im Samlandischen des 16. Jhs. scheintalso die wohl nach Analogie der mannlichen a-Stamme aufgekommene Endung -ai ziemlich haufig gewesen zu sein. 14 6) Weshalb sollte nun die Mundart des Vokabulars nicht ahnliche Verhaltnisse gekanfit haben ? Das Ueberwiegen des altera Typus in diesem Denkmal dürfte dann mit dem höhern Alter desselben zusammenhangen. Wie dem aber auch sein soll, auf jeden Fall werden wir für die Mundart des Elb. Vokab. eine mannliche Pluralendung -ai neben einer sachlichen Endung -o (aus -d) annehmen müssen. Dieses -ai kann also selber kaum ein ursprünglich sachlicher Ausgang sein, und, wenn es mit dem -ai von lit. vilkaï identisch ist, kann auch dieses litauische -ai keine alte Neutralendung sein. Bevor wir der Frage naher treten, ob das preussische -ai tatsachlich mit dem litauischen -ai identisch ist, besprechen wir das Material der samlandischen Texte. In den samlandischen Texten kommen mehrere ohne jeden Zweifel mannliche Nominative Plur. auf -ai vor; s. Trautmann 218. Daneben hat das Enchiridion an zwei weit voneinander entfernten Stellen (33, 29; 71, 4) malnijkiku „Kindlein", welche Form natürlich nicht für einen Fehler gehalten werden darf. Bezzenberger BB. 23, 303 fasste mal- nijkiku als einen Dual auf. Das ist angesichts des Fehlens sicherer Spuren dieses Numerus sehr unwahrscheinlich (s. Trautmann 219). Vielmehr ist malnijkiku mit Berneker 192 und Trautmann 219 als eine neutrale Form auf idg. urbalt. -a aufzufassen. Dass eine solche Form nur bei éinem Worte überliefert ist, das stimmt vorzüglich zu den sonstigen armlichen Resten der neutralen Nominalflexion. Der einzige mit Sicherheit im Enchiridion belegte Nom. Sg. eines «-Neutrum ist gijwan, gitoan „Leben". I47) I und II haben ausserdem testamentan, bezw. testamenten „Testament"; in der Sprache Wills war dieses Wort mannlich geworden, — und auch andere Maskulina sind gewiss alte Neutra, so z. B. wirds, wirds „Wort"; vgl. got. waurd N., lat. verbum N. Offenbar war im Samlandischen des 16. Jhs. das Neutrum im Aussterben begriffen, und in der Sprache Wills war dieser Prozess etwas weiter fortgeschritten als in derjenigen von I und II. Zu diesem im Singular klar zutage tretenden Uebergangsetat stimmt vóllkommen das Vorkommen einer sachlichen Pluralform bei nur éinem Worte. Das Deminutivum malnijkiks (-ix, -ixs) wird ein ursprüngliches Neutrum sein; vgl. die aus dem Elb. Vokab. bekannten Deminutiva auf -ian: maldian „Füllen" usw.; s. Burda aaO. 405, Berneker 267, Trautmann 215. Aus dem Vorhergehenden ergibt sich, dass das Enchiridion ebenso wie das Elb. Vokab. auf einen gemein-altpreuss. Gegensatz: N. Pl. M. -ai: N. Pl. N. -a, hin weist. Die Form malnijkiku hat für diese Frage einen besondern Wert. Solmsen und Endzelin haben das verstanden (s. oben S. 100 f.), und auch wohl Trautmann, obgleich dieser auf eine für mich unbegreifliche Weise das Vorhandensein dieser Form auf urbaltisches -a als eine Stütze für die Ansicht, dass -ai eine Neutralendung sei, betrachtet, — gerade umgekehrt als Solmsen und Endzelin. Wenn Meillet die Form malnijkiku nicht vollstandig ignoriert hatte, so hatte er wohl auch dem „pomesanischen" Gegensatz -ay (-oy): -o die gebührende Aufmerksamkeit gewidmet, und die unrichtige Bemerkung, dass „en vieux-prussien comme en letto-lituanien, la forme en -ai a servi pour le pluriel neutre", ware ungeschrieben geblieben. -ai ist im Gegensatz zu -a (Vokab. -o, saml. -«) die Endung des Nomin. Plur. Mask. und keiu von Haus aus neutraler Ausgang. Ist nun dadurch dasselbe für die litauische Pluralendung -ai (-ai) bewiesen ? Natürlich wohl in dem Falie, wenn das preuss. -ai mit dem lit. -ai identisch ist: dann haben wir es mit einem von Haus aus mannlichen urbaltischen Ausgang -ai zu tun. Mir ist dies sehr wahrscheinlich. 14 8) Die Möglichkeit ist aber nicht zu leugnen, dass die altpreussische Endung -ai im Einzelleben der preussischen Sprache von den Pronomina herübergenommen ist, ebenso wie gr. Ivnot nach ol gebildet wurde: also wirdai^usw. nach stai. Nun wird stai wohl dieselbe Endung haben wie lit. të, gerï, gerê'ji; l49) wenn diese Erklarung von wirdai richtig ware, ,5°) so würde also der Ausgang von lit. vilkaï im Preussischen nicht vorkommen. Wie ware in diesem Falie lit. vilkaï zu erklaren ? Sowohl die Annahme, dass es eine urbaltische Form des Nom. Pl. M. sei, als diejenige, dass es eine urbaltische Neutralform sei, würden vollstandig in der Luft schweben. Die letztgenannte Hypothese ware angesichts der preussischen Neutra Plur. auf pomesan. -o, saml. -u sehr unwahrscheinlich. Es bliebe noch die Möglichkeit, dass -ai in der lettischlitauischen Sprachgruppe auf eine solche Weise, wie Gauthiot Idg. Forsch. 26, 353 ff. annimmt, durch die Anhangung eines -i (oder etwa -ai) an den Ausgang -a des Neutrum Pl. entstanden ware. Wir müssten dann aber auf jeden Fall den von Gauthiot angenommenen Zusammenhang zwischen der Verallgemeinerung der, Personalformen der 3. Pers. Sing. für alle Numeri und der Herübernahme von -ai durch die maskulinen Substantive leugnen; denn die Formen der 3. Person Dual und Plural sch wanden wohl bereits im Urbaltischen. Darauf weist die Uebereinstimmung in diesem Punkte zwischen dem Litaulettischen und der einzigen Mundart des Altpreussischen, woraus überhaupt Personalformen bekannt sind, hin. Is1) Nun würde aber durch diese Modifizierung die Ansicht Gauthiots soviel von ihrem Reiz und ihrer Kraft verlieren, dass wir dieselbe besser ganz aufgeben. Wie ist lit. vilkaï dann aufzufassen? Am einfachsten und natürlichsten ist und bleibt die Identifizierung des lit. -ai (-at) mit der mannlichen Pluralendung -ai der preussischen Nomina. Wie aber dieses lit., apreuss. und wohl bereits urbaltische -ai (-ai ?) zu erklaren ist, das weiss ich nicht. Solange ich, wie beinahe alle Forscher es tun, für lit. tê, gerï, gerfr-ji den idg. Ausgang -oi annehme, ist es mir nicht möglich, das -ai von vilkaï aus diesem selben -oi zu erklaren. Zum Schlusse möchte ich noch bemerken, dass für apr. stai und waikai, wenn sie mit lit. tê bezw. lit. vaikdï identisch sind, verschiedene lntonation des -ai wahrscheinlich ist; denn der Zirkumflexus von 18 ist sekundar (vgl. gerï, geré'-jï), und wir dürfen kaum vermuten, dass er auf die urbaltische Peridde zurückgeht. Allerdings könnte der Intonationsunterschied im Preussischen ausgeglichen sein. KAPITEL VIII. Altpreuss. stas und tans, tans. Das altpreussische Pronomen stas, das als Artikel, als Pronomen der „Der-Demonstration" („der, dieser") und als Personalpronomen der dritten Person („er") auftritt, wird gewöhnlich als ein Mischungsprodukt zweier Pronominalstamme aufgefasst: der erste soll idg. «-Anlauthaben, wahrend der zweite der indogermanische Stamm *to- (ai. tam, gr. tóv, got. jban-a, lit. tas, tac, abg. tu) sein soll. So meint Berneker Die preussische Sprache 198, stas sei „aus einer Verschmelzung der idg. Pronominalstamme *ko- und *to- entstanden"; er setzt *kto- an und glaubt, dass dieser Stamm auch im lit. sztdi „siehe hier" stecke. Brugrnann, auf dessen Grundriss (2, 770) Berneker aaO. verwiesen hatte, hat sich seinerseits in seiner spateren Schrift „Die Demonstrativpronomina der indogermanischen Sprachen" (1904), S. 39, wo er lit. s'zls, szitas „dieser", sztdi „sieh hier", lett. schis, preuss. stas nebeneinander anführt, auf Berneker aaO. berufen, so dass wir annehmen dürfen, dass er die Annahme von *kto- auch damals für richtig hielt. Und auch im zweiten Drucke des Grundrisses 2, 1 2, 322 (1911) nimmt er für lit. sztdi, apr. stas einen Stamm *k-to- an. Trautmann 260 vertritt dieselbe Ansicht. Er fügt die Bemerkung hinzu, dass *kto- durch Kombination von *1ceund *tejto- entstanden sei. All diese Forscher haben sich in ein und demselben Punkte geirrt: die litauische Interjektion sztdi ist aus szitai entstanden, welche Form mit der Bedeutung „sieh hier" in altlitauischen Texten widerholt vorkommt: s. Bezzen- berger Beitrage zur Geschichte der litauischen Sprache 172 Fussnote 2, wo einige Belege aus Bretken verzeichnet sind, und weiter etwa Dauksza's Postilla, ed. Wolter 238, 12; 251, 8; 340, 15; 341, 30; Szyrwids Punkty Kazan', ed. Garbe 82, 5; 97, 24; 109, 4; 146, 17 (daneben iztay 19, 1 und 4). Ein jeder kann sich ohne Mühe soviele Belegstellen zusammensuchen wie er wünscht. Dass aus szitai sztai geworden ist, hat wenig Auffalliges: bei Interjektionen kann ein solcher Vokalschwund auch ausserbalb des Gebietes der für andere Wörter geitenden Lautgesetze vorkommen. Dieses szitai, sztdi ist nichts anderes als das Neutrum von szitas „dieser"; s. Zubaty Listy filologické 36, 341 f. ,sï) Zur Begründung der Hypothese, dass stas idg. ht- habe, dürfen wir uns also nicht auf lit. sztdi berufen. Ist dann aber die Annahme von einem Stamme *Mo- überhaupt plausibel? Ich glaube, nein. Zubaty aaO. identifiziert stas mit lit. szitas, indem er den Schwund des i „snad pfich/lenlm k jednoslabicnému tas, lit. tas, mïsto néhoz v prustinë skoro óplnê opanovalo" (d. h.: „etwa durch Anschluss an das einsilbige tas, lit. tas, welches es im Preussischen beinahe vollstandig verdrangte") erklaren möchte. Dass diese Hypothese Zubaty selbst nicht ganz befriedigt, dürfte aus dem Worte „snad" („etwa, vielleicht") hervorgehen. Lautgesetzlicher Schwund ist absolut ausgeschlossen, aber auch die Zubatysche Hypothese, dass ein Wort für „hic" unter dem Einflusse eines Wortes für „is" seine Haupttonsilbe verloren habe, ist beinabe ebenso unglaublich. Sollten wir dann vielleicht annehmen, dass zuerst *sitas (mit s aus urbalt. s) die Bedeutung „is" bekommen habe und spater unter dem Einflusse von *tas in stas verwandelt sei? Auch das ware sehr unwahrscheinlich: ursprünglich hatte man nebeneinander "sis „dieser, hic", sitas „id.", tas „der, is"; sitas, das ebensogut „IchDeixis" hatte wie sis, stand als „der hier" in einem gewissen Gegensatz zu tas „der", und solange sis in seiner alten Bedeutung existierte (was bekanntlich bis in die historische Periode der preussischen Sprache der Fall war), dürfen wir nicht annehmen, dass sitas Und tas (das im Preussischen ziemlich lange bewahrt geblieben sein muss; s. u.) gleichwertig geworden seien. Es kommt mir vor, dass überhaupt diejenigen Forscher, die für stas von *&i-to-s oder *k-to-s ausgehen, zu wenig mit der „Ich-Deixis" des Stammes idg. *ki-, slav. sï-, lit. szi-, pr. schi- gerechnet haben. Und es liegt doch m. E. eine ganz andere Deutung sehr nahe, die ausschliesslich von Pronominalstammen mit „Der-Deixis" ausgeht. Ich möchte in stas ein Kontaminationsprodukt der Stamme *so- und *to- erblicken, welche bekanntlich im Indogermanischen zusammen éin Paradigma bildeten, das die Formen *so, *sa als Nomin. Sing. M. bezw. Fem. und Bildungen vom Stamme *to- für die übrigen Kasus verwendete: s. Brugrnann Grundriss 2 2, 313, Meillet Introduction 3 310. Diesen Kontaminierungsprozess können wir uns auf zwei Weisen denken. Erstens ist mit der Möglichkeit zu rechnen, dass ebenso wie im Litauischen zu den Kasus mit tf-Anlaut ein Nominativ Singular m. *tas, f. *la gebildet ist; dann können *tas und *sa (idg. *so), *ta und *sa eine Zeitlang nebeneinander existiert haben und darauf zu stas, sta kontaminiert sein; spater ware der Anlaut stdurch das ganze Paradigma durchgeführt; eine solche Entwicklung von stas, sla aus *sa, *sd X *tas, *ta liesse sich mit der Entstehung von ahd. anfr. bim, bin (nhd. hin, ndl. ben), asachs. bium, biun, bion, afris. bim, bin, bem, ben, angl. Mom aus Hm (*em) X *biju (ags. béo) vergleichen. — Zweitens liesse sich die Hypothese aufstellen, dass das anlautende s- des Nom. Sg. M. und F. auf eine ahnliche Weise vor die übrigen Formen des Paradigmas gefügt sei, wie das h des Nom. Sg. ags. hé, afris. hï, mndl. Ai: vgl. ags. afris. hvm, ndl. hem, ags. hiere, hiera, afris. hwe, hira, mndl. hare, höre, Neutr. ags. hit, afris. hit, het, ndl. het. Die erste dieser beiden Hypothesen verdient den Vorzug, und zwar deshalb, weil in einer der Bedeutungen, welche stas in den samlandischen Texten hat, ein altpreussischer Nominativ Has tatsachlich nachzuwëisen ist. Zwar kommt er als selbstandiges Wort nicht mehr vor, aber ohne Zweifel steekt er im Ausgange -ts von Verbalformen wie astits „ist", billats „sprach" usw.; s. Trautmann 273 und die daselbst zitierte Literatur. Meine Erklarung von stas würde, wenn auch nicht unannehmbar, so doch jedenfalls weniger wahrscheinlich werden, wenn diejenigen recht hatten, die den Nominativ *tas auf die baltisch-slavische Periode zurückführen. In dem Falie würde es mehr als auffallig sein, wenn die sonst in den baltischen und slavischen Sprachen nicht mehr vorkommende indogermanische Nominativform *so (balt. *sa) im Altpreussischen soviele Jahrhunderte neben *tas bewahrt geblieben ware. Es ist aber durchaus nicht sicher, dass Has so alt ist. Zwar kann die Uebereinstimmung zwischen abg. tü und lit. tas diesen Gedanken leicht aufkommen lassen, — aber auch in andern Fallen, wo Baltisch und Slavisch sich in derselben Richtung entwickelt haben, müssen wir Parallelismus und keine gemeinschaftliche Entwicklung annehmen, 1 = ') und die Uniformierung des Paradigmas Ho: Hom usw. lag so nahe, dass sie in jeder Sprache zu jeder Zeit durchgeführt werden konnte; auch das deutsche der ist ja auf eine ahnliche Weise zu erklaren. S. Meillet Les dialectes indo-européens 44 f. Die Existenz eines urbaltoslavischen Nominativs Has, oder etwa Has, ware bewiesen, wenn die scharfsinnige Hypothese Fortunatovs (Izvêstija 13, 2, 1 ff.), dass das-tó von abg. pi-tu, u-mre-tiï (Aor.), nese-tü, nosi-tü (Pras.) mit dem Ausgange -ts von apr. billa-ts usw. identisch und eine in gewissen Verbalformen schon in der baltoslavischen Periode der sekundaren Personalendung der 3. Pers. Sing. angehangte Pronominalform sei, zur Evidenz zu erhebenware. Aber diese Vermutung Fortunatovs ist nicht nur unbeweisbar, sondern sogar sehr unwahrscheinlich. Bereits Meillet Mém. Soc. Ling. 18, 234 f. hat sich gegen dieselbe ge- wandt, indem er darauf hinwies, dass das Slavische im Gegensatz zum Preussischen keine atonen Subjektformen von Pronomina besitze; ausserdem spreche das -tü der Pluralformen sqtü, berqtu, nosetu gegen Fortunatovs Ansicht, und drittens sei das von Fortunatov vorausgesetzte Vorhandensein urslavischer Injunktivformen wie lit. nèsza, apr. giwa nicht bewiesen. Es kommt mir vor, dass durch diese Einwande Meillets die Meinung Fortunatovs ebensowenig widerlegt wird als sie von ihrem Urheber bewiesen wurde. Weshalb könnte das Urbaltoslavische kein atones Pronomen gebraucht haben in solchen Fallen, wo das Russische êkazal on „sagte ër" u. dgl. hat? Und wenn man für das Urslavische die Existenz prasentisch gebrauchter Injunktivformen bezweifelt, so kann man den Ausgangspunkt der Formen auf -tü im Aoriste suchen. Und was berqtu, sqtü, nosetu anbetrifft, so ist Meillets Bemerkung: „L'explication de M. Fortunatov ...... n' arrivé a rendre compte du pluriel sqtü, berqtu, nosetu que par des formules analogiques plus hypothétiques encore et trés compliquées" — zwar vollstandig richtig, aber dennoch wird hierdurch Fortunatovs Hypothese nicht endgültig widerlegt. Die grosse Anzahl unbewiesener Analogiebildungen usw., die Fortunatov annehmen muss, machen seinen Erklarungsversuch zwar sehr unsicher, aber noch nicht unmöglich, und weil keine absolut überzeugende Deutung des slavischen -tü gegeben worden ist, begreife ich, dass ein so kritischer Gelehrter wie Kul'bakin noch immer Fortunatovs Ansicht für die wahrscheinlichste halt (Drevne-cerkovno-slov'anskij jazyks, Char'kov 1917, 153 f.) 18 4) Ebenso wie Meillet lehne ich Fortunatovs Hypothese ab. Den von Meillet zusammengestellten Einwanden füge ich noch einen vierten, meiner Ansicht nach schwerer wiegenden hinzu: wir dürfen nicht annehmen, dass der Stamm *to(lit. ta-) im Urbaltischen oder Urslavischen oder Urbaltoslaviscben für das Pronomen personale der 3. Person gebraucht sei. Sowohl im Slavischen wie im Litauischen 8 ist io- bezw. ta- ein demonstratives Pronomen; für „er" verwenden diese Sprachen die Stamme abg. jf-, je-, lit. ;*-, janna" slav. ono-, lit. ana-; das Lettische hat das etymologisch nicht ganz klare wvnseh. Nur das Preussische hat in dieser Bedeutung den Stamm Ha- besessen; ein apr. Ha- „er" ergibt sich aus dem den Verbalformen der 3. Person anhangten -is tS!i) und aus dem Pronomen tans, tans „er", von welchem unten die Rede sein wird. Die speziell preussische Bedeutung von Ha- „er" muss sekundar sein. Das geht aus zwei Tatsachen hervor, die eng miteinander zusammenhangen: 1. diese Funktion von Ha- kommt nur im Preussischen vop, 2. diejenigen Stamme, die sowohl im Litauischen wie im Slavischen für „er" gebraucht werden, die Stamme lit. ji-, ja-, slav. jï-, je- und lit. ana-, slav. ono- sind im Preussischen beinahe ganz verloren gegangen: der erste Stamm lebt nur noch in den Encliticis din, dien „ihn, sie", dins „sie", dei, di „man" 158) und wohl auch in dem durch Kontamination entstandenen Plural tennei (s. S. 120) fort, der zweite kombinierte sich mit Hejta- zu teneja-, tana-, Diese ganze Evolution des Pronominalsystemes wurde offenbar durch das Auf kommen der Bedeutung „er" beim Stamme Hejta- hervorgerufen. Aus dem Vorhergehenden ergibt sich, dass weder das Urbaltische noch das Urslavische ein Hejta- bezw. Hsjto„er" besessen haben. Dann lasst sich aber Fortunatovs Hypothese nicht aufrechterhalten. Und darausfolgtwieder: dass ein urbaltoslavischer Nominativ Has oder Has nicht beweisbar ist, — und dass also gegen meine Erklarung von apr. stas das hohe Alter von Has nicht angeführt werden kann. Ich glaube, dass meine Auffassung von stas plausibeler ist als die früheren Hypothesen. Ich nehme an, dass im altera Preussischen die Nominative Ha und Has nebeneinander existiert haben. Diese Periode kann weitzurückliegen, und das ist sogar sehr wahrscheinlich: denn in der historischen Periode des Altpreussischen hat der kon- taminierte Stamm sta-, ste- die altern Formen, abgesehen von dem enklitischen -ts und etwa dem Adverbium tijt, tit, tit „also, so", vollstandig verdrangt, so dass sogar Adverbia wie stwi „da", stwen „dort", stwendau „von dannen" vom Stamme mit st- gebildet worden sind. Ob die Form *ias auf die urbaltische Periode zurückgeht, ist kaum auszumachen. Möglich ware es allerdings; in dem Falie würde die Herausbildung des Stammes sta ste- in der altesten Periode der altpreussischen Sprache stattgefunden haben, als diese Sprache noch wenig mehr als eine Mundart des Urbaltischen war. Wir besprechen jetzt das Pronomen tans, tans „er". Es kommen im Enchiridion folgende Formen vor: Nom. S. M. tans, tans (beides oft); F. tenna (2 X), tenna (3 X), tanna (1 X). A. S. M. tennan (4 X), tennen (2 X); F. tennan (4 X). G. S. M. tennessei (1 X), tennëison (10 X), tenneisoti (2 X). [In I tanassen, II tanassen.] D. S. M. tennêismu, lennijsmu, tenesmu (j<5 1 X), tennesmu (2 X); F. tennei (1 X). N. P. M. tennei (7 X). A. P. M. tennans (9 X), taunans (1 X); F. tennans (1 X). G. P. M. tennëison (2 X); F. tennëison (1 X). D. P. M. tennëimans, tennëimons (je 1 X). Sehr auffallig ist der Ablaut tan-: ten-, Natürlich muss er in der Vorgeschichte des Paradigmas seine Erklarung finden. Diese Vorgeschichte war aber bisher wenig klar. Alle Forscher sind wohl darüber einig, dass dieses Pronomen aus einer Vermischung des Stammes *te-jto- mit einem Stamme, der ein n enthielt, entstanden ist; aber die Entwicklung stellt man sich auf sehr verschiedene Weisen vor. Sowohl Berneker wie Trautmann erblicken in tans eine „Weiterbildung" des indogermanischen Stammes *le\to-. Berneker halt diese „Weiterbildung", wenn ich ihn richtig verstehe, 1 *7) für erst im Preussischen entstanden, wahrend Trautmann 265 von einem idg. *tono-, *teno- redet. Brugrnann Die Demonstrativpronomina der indogermanischen Sprachen 92, 129 hat wohl einen richtigeren Weg eingeschlagen, indem er tans, tenna zunachst mit lit. ans „jener", abg. onü ^er" verknüpft: ebenso wie bei slav. onü soll auch bei tans „der Gebrauch als undeiktisches Er-Pronomen" auf altere Jener-Deixis zurückgehen, und der Anlaut soll durch „Verniischung des fertigen *anas = lit. ans aksl. onü mit dem *vn. Weil aber be, oder vielmehr bhe, nur einmal vorkommt, und zwar unmittelbar vor be „und", wahrend uns daneben je einmal bëi und bei begegnen, ist die Möglichkeit, dass bhe ein Fehler ist, nicht ausgeschlossen. Auch billë „nannte" stelle ich hierher; es wird also eine ahnliche Formation sein wie das Prasens billë. Vgl. über den Auslaut -ë, 4 S. 17, über bhe S. 22 f. — Aus I können ymmi-ts, jmmi-tz „nahm" hierhergehören. 2. bëi, bei „war". Wohl aus *bëja(t), -e(t); s. Bezzenberger KZ. 41, 108 f., oben S. 22 f. Aus II dürften ymmei-ts, ymmey-ts „nahm" hierhergehören 3. «-Praterita vom Typus des litauischen siiko: en-deira „sah an", po-glabü „herzte", teikü, -u „schuf", — wohl auch küra „baute" (mit Dehnstufe, wie sidons „sitzend", stïnons „gelitten habend"); möglicherweise auch billa, billa-ts „sprach" und laipinna „gebot". Bei billa, -a-ts ist die Identitat mit dem Prasens auffallig; auch teikü, -» könnte formell eine Prasensform sein: der Infinitiv lautet ja teickut, das Part. Prat. Akt. teiküuns. S. unter 5, wo von dem unklaren Verhaltnisse des altpreussischen Preteritums zum Prasens aber- mals die Rede sein wird. — Auch lymu-czt II „brachs" ist ein 3-Prateritum; das Enchiridion hat dafür limauts, das wohl als eine verfehlte, unter dem Einfluss des vorhergehendeu dinkauts „dancket" (49, 6 f.) niedergeschriebene Form aufzufassen ist, — und Ivma-tz in I wird sein a dem Einflusse von Praterita wie bela(-ts) „sprach", pro-wela „verrieten", wo dem Vokal ein dentaler Konsonant voranging, verdanken. Diese Formen selber, denen in II byla(-czt), bila-ts, pro-wela entsprechen, sind als 3-Praterita am leichtesten begreiflich. 4. Diakau-ts, dinkan-ts, II dinkau-tzt, -au-czt „dankte" beruht auf Umbildung. S. Trautmann 321 und die dort zitierte Literatur, auch wegen dinkowa-ts, -tz in I. 5. Imma, imma-ts „nahm" ist wohl mit der Prasensform imma identisch. Aus a ware ü, u entstanden. Zwarschlagt Bezzenberger KZ. 41, 106 eine Grundform Hmnat oder *imna[je{] vor, aber er hat es nicht plausibel gemacht, dass mn im Altpreussischen bis nach dem Üebergang von ma in mü, mu bewahrt geblieben sei. Ich sehe keine andere Möglichkeit, als imma, -a-ts einfach mit der Prasensform imma zu identifizieren. Dann kann aber auch laipinna ein kurzes -a haben, das mit dem a des Prasens vollstandig identisch ware. Man beachte, dass auch pidai, billa, billa-ts, billë sowohl als Prasens wie als Prateritum vorkommen. Ich gehe jetzt auf diese Frage nicht weiter ein; ich weise bloss darauf hin, dass solche mit Prasensformen identischen Prateritalformen, soweit wir urteilen können, nur im Enchiridion vorkommen, so dass mit der Möglichkeit zu rechnen ist, dass Will oder ein Dolmetscher die Tempora nicht auseiuandergehalten hat. Es ist auffallig, dass I und II dem Willscheu imma(ts) solche Formen gegenüberstellen, die sich leichter mit lit. ëmé vergleicben lassen. Was bela(-ts) in I, byla(-ezt), bila-ts in II anbetrifft, so wissen wir nicht mit Sicherheit, wie der Infinitiv und das Prasens dieses Zeitwortes in der Mundart der Uebersetzer lauteten. 6. ai-Praterita: dai „gab", po-stai, po-slai „ward", driaudai „bedrohten", per-pidai „brachten", widdai „sah", signai „segnete",1 °7) billai (1. Pers.) „sprach". Angesichts des unter 5 Bemerkten könnte man glauben, dass diese Formen einfach mit den Prasensformen auf -ai identisch seien, und tatsachlich dürfte diese Vermutung für einige Formen das Richtige treffen, in.erster Linie wohl für per-pidai. Anderseits aber ist es nicht zu leugnen, dass -ai eine typische Pra ter i talen dung gewesen ist. Darauf weisen po-stai, po-stai und das dreimalige dai hin, denen ganz anders gebildete Prasentia gegenüberstehen: postanai, -anai, po-stanimai, staniniei, -nti; dase, dost, dast. Und dass diese zu einsilbigen Verbalstammen auf preussisches -a- gehörigen Formen auf -ai allgemein samlandisch waren, darauf dürften dai-ts, dai-tz in I, dai-ts, day-ts in II hinweisen. Diese Formen sind kaum anders aufzufassen denn als *-slaja{t), *daja(t) (s. Bezzenberger KZ. 41, 104). Freilich fallt es auf, dass nur einmal po-stai mit dem Langezeichen vorkommt, dagegen po-stai und dai zusammen 4 mal, wahrend doch die vollkommen gleich gebildete Prasensform et-trai an der einzigen Stelle, wo sie vorliegt, -at hat und auch neben kelsai und peisai (je 1 X) nur einmal peisai geschrieben wird. Die Formen *staja(t), *daja(t) finden in *bë/a(t), worauf bëi (1 X; daneben bei 1 X) zurückgehen wird (s. oben sub 2) eine gewisse Stütze. Wegen der Schreibweise mit und ohne Langezeichen s. Bem. 20. Die für stai, stai, dai gegebene Erklarung ist auch auf andere Formen anwendbar; so liesse sich signai aus *signaja(j), billai aus *billaja(£) erklaren. Sogar ware eine Hypothese, die samtliche Praterita auf -ai als Analogiebildungen nach stai, -stai, dai und vielleicht noch einigen andern Mustern erklaren wollte, nicht zu widerlegen. Eine solche Hypothese ware aber ebensowenig zu beweisen; und die Annahme, dass ein Teil der Formen ebenso wie die altesten Prasentia auf -ai und also auch wie der altindische Typus dcarait gebildet sind, ist wenigstens ebenso wahrscheinlich. Schliesslich ist mit der schon sub 5 angedeuteten Mög- liohkeit zu rechnen, dass ein Teil der Praterita auf -at ohne Weiteres Prasensformen sind. Leider geht aus den Formen mit nichthaupttonigem -ai nicht hervor, ob dieses -ai, was seine Intonation betrifft, mit haupttonigem -ai oder -ai (s. S. 146 und Bern. 206) übereinstimmt. Was das altpreussische Prateritum angeht, besch ranke ich mich auf diese kurzen Bemerkungen. Das dürftige Material ermöglicht keine sichereren Schlüsse. BEMERKUNGEN BEMERKUNGEN. 1) Auch könnte man die von Torbiörnsson Die gemeinslavische Liquidametathese 1, 52, Le monde oriental 8,119 gebrauchten Termini „Accent I" (lit. *», slav. fallender Ton) und „Accent II" (lit. ', slav. steigender Ton) anstatt „Zirkumflexus" bezw. „Akut" verwenden. Dieselben Namen wie ich verwendet Agrell (Intonation und Auslaut iin Slav.; Zur slav. Lautlehre; Slav. Lautstudien). 2) Das von Berneker verzeichnete Partizip perpists ware besser weggelassen, denn im Texte fehlt das Zeichen ~. S. Trautmanns Ausgabe 69, 15 (= Berneker 75, 12). 3) Orikan» „Sünden", grikit „sündigen", grïkenikan „Sünder", — pomirit, ermirit „dunken, eraimieri", pomijrimatiê „Gedanken", — moitan „Welt", — dilants „Arbeiter", dibriks „ds.", dilint „bewirken". 4) In diesem Zusammenhange verweist Berneker auf Brugrnann Idg. Forsch. 5, 341. [So ist anstatt 311 zu lesen.] 5) Berneker schreibt unrjchtig pertrauki. S. Trautmanns Ausgabe 63, 22 (= Berneker 69, 21). 6) Der Text hat weraui (Trautmann 53, 25). 7) S. Wiedemann Das litauische Prateritum 122, Trautmann 289. 8) Die litauischen Praterita mit è haben bekanntlich stets dieselbe Intonation wie die zugehörigen Infinitivejs. Verf. Idg. Forsch. 34, 373. Ob hier bereits urbaltische Verhaltnisse vorliegen, weiss ich nicht. 9) Das -ü der beiden letzten Beispiele entstand aus -a unter dem Einfluss des vorhergehenden labialen Konso-. nanten. S. das II. Kapitel. 10) Auch Endzelin Slav'ano-baltijskie et'udy 66 f. Fuss- note bestreitet die Annabme eines Instrumentals *semmen, „weil das Auftreten eines (dem Deutschen fremden) pradikativen Instrumentals sehr befremden würde in der so stark verdeutschten Sprache des III. Katechismus, der im Allgemeinen eine Uebersetzung der einzelnen Wörter und nicht der vollstandigen Satze gibt, und der im Allgemeinen den Instrumental nicht kennt, sogar nicht nach der Praposition sen". Vollstandig richtig! — Wenigerüberzeugend ist Endzelins eigene Deutung von semmê. Weil Endzelin nicht daran zweifeit, dass in der Mundart Wills jedesêzu i geworden sei, kann er nicht von urbalt. *zemè ausgehen. Er erklart nun semmê aus *semmêi. Dagegen spricht aber der Umstand, dass ein Wechsel von -e und -ei zwar in schwachtonigen Silben vorkommt (stesse: stessei, tebbe: tebbei, house: boüsei, asse: osset; s. das IV. Kap.), aber in haupttouigen Silben nicht nachgewiesen ist. Wenn bhe „erat" mit hei „ds." identisch sein sollte, so ist das e dem schwachen Satzakzente zuzuschreiben. S. S. 22 f. 11) EndzeUns Auffassung, dass -ê für -éi stehe, halte ich für unannehmbar; s. die vorige Bern. 12) Vgl. lett. -«*«, -usê-s bei Bielenstein Die lettische Sprache 2, 185, 188, Bezzenberger Lettische Dialekt-Studien 73 Pussnote, Ueber die Sprache der preussischen Letten 69. 10) Zubaty führt als Beispiel billê an, also eine Form, wofür Bezzenberger den Ausgang -èi(t) und nicht -êja{i) an nimmt. 14) Eine grosse Anzahl der ê-Prasentia halt Berneker für jüngere Analogiebildungen (S. 214). Uns geht selbstverstandlich bloss seine Ansicht über den Ursprung des Typus, m. a. W. der altesten nach diesem Typus flektierenden Prasentia an. 15) lm Litauischen bildet bekanntlich -ö-sowohl Prasenswie Prateritumstamme, -ë- nur Prateritumstamme. 16) So ist für dwibugüt zu lesen. 17) S. Porzezinskij Izvestija 1, 479, Doritsch Beitrage zur litauischen Dialektologie XC1I f. 18) S. Bezzenberger rioas 197 Fussnóte. 19) S. auch Bezzenberger KZ. 41, 102. 20) Vgl. z. B. bëi (1 x): bei (1 x) „war", taws (8 x): taw(a)t (8 x), tawan (4 x): tawan (5 x) „Vater", teikü (l x): teiku (2 x) „schuf", tans (22 x): tan» (30 x) „er", tenna, tanna (3 x): tenna (3 x) „sie", twaia (1 x) „deine": maia(2 x) „meine", twaia (lx) „seine". Vgl. in diesem Zusammenhang Endzelins Urteil über Wills Akzentandeutungen: „er bezeichnete gelegentlich betonte Langen, wo er sie heraushórte, und das ist schliesslich kein Kunststück" (Archiv f. slav. Philologie 32, 282 f.). 21) Bei diesen und dergleichen Indikativ-Subjuuktivformen wurde das Band mit der 3. Person auf -ë so stark gefühlt, dass das -è- bewahrt blieb. Die Imperativformen en-diris „siehe an!" (: en-dyrïtwei, lit. dyrëti), mijlis, 1. milijs, Pl. milijti, seggïtei (-ta), billitei, laukijü „suchet!" (: Inf. laukït) — s. Berneker 225, Bezzenberger KZ. 41, 113, Trautmann 283 — sind im Grunde wohl mit den Indikativformen identisch; weil hier der Zusammenhang mit den Formen auf -ë schwacher empfunden wurde, konnte das ë ungehindert dem lautgesetzlichen Üebergang in * unterliegen. Bisweilen kommen die *-Formen auch in indikativischer oder subjunktivischer Funktion vor; vgl. z. B. 61, 1: kai iou» stawidan quaitin Deiwas seggïtei „das jr solchen willen Gottes thut". 22) Auch die Imperativformen haben lautgesetzliches ï, ij. S. die vorige Bemerkung. 23) Der Infinitivstamm quoiti- wird durch den Optativ quoilïlai und das Partizip poquoitïton bewiesen. 24) Das war Bernekers Auffassung 214. Ebenso, jedenfalls was quoita: *quoitil, stalla: stallit anbetrifft, Porzezinskij aaO. 138. S. auch Bezzenberger KZ. 41, 100 f., wo für billa: billit Ablaut a(i): ï angenommen wird; dieser selbe Ablaut soll aucb in lit. -o: -y-ti vorliegen; s. aaO. 102 und ausserdem régag 196 ff. 25) Die Stamme ima- und imê- werden im alteren Slavischen zusammen éin suppletives Verbalparadigma gebildet haben. S. darüber Meillet Rocznik Slawistyczny 6, 134 f. 26) Verbaltypen mit langoren und zusammengesetzten formativen Bestandteilen lasse ich ausser Betracht. Solche sind etwa die Zeitwörter auf -sèti und -soti (s. Bezzenberger KZ. 41, 101) und diejenigen auf -inèti und lett. -inat, welches Formans bekanntlich dort auftritt, wo das Litauische -inti hat. Auch im Lit. kommen Verbalstamme auf -ino- vor, hauptsachlich im Prat.; s. Bezzenberger Beitr. z. Gesch. d. lit. Sprache 112 f., BB. 23, 306, KZ. 41, 97 f., Gaigalat Mitteil. der litauischen liter. Ges. 5, 120. 27) Bartholomae aaO. fasst den «-«-Wechsel als einen Wechsel von ursprünglichen Langdiphthongen (ei bezw. ai) auf. Weil uns jetzt die Vorgeschichte dieser Stamm esausgange nicht angeht und ei, ai vor Konsonanten in den meisten Fallen bereits im Indogermanischen das i verloren haben werden, brauchen wir nicht zu untersuchen, ob B.'s Auffassung richtig ist. 28) Dasselbe dürfte für *klausê (klausêmai) gelten. Leider wissen wir nicht, ob das Preussische daneben ein dem lit. klaüso entsprechendes *klausa besessen hat. 29) Zu 2. und 3. s. S. 19. 30) Auch das in apr. tit, tijt, tit „also" enthaltene *ti hat man als einen Instrumental = got. jie aufgefasst (s. Trautmann 449). Ich halte diese Annahme für hypothetischer als die im Texte für ste gegebene Erklarung. Möglich ist sie aber, und sie kann zugleicherzeit mit Meillets und meiner Auffassung von ste aufrecht erhalten werden; tit würde den im Inlaut lautgesetzlichen Vokalismus haben. 31) S. Berneker 139 f., Trautmann 121 f., 134. Anders Endzelin Arohiv f. slav. Phil. 32, 292, der m. E. ohne genügenden Grund betten und rekiau (NB. auch der Nomin. rekis kommt vor) als Fehler betrachtet. Dass bloss das ursprüngliche i, nicht auch das aus ë entstandene i diphthongiert worden ist, wird möglicherweise einem kleinen Lautoder Intonationsunterschiede der beiden i-Vokale zuzuschreiben sein. Auch in II und Ench., wo ë ohne jeden Zweifel zu i geworden ist, begegnet uns ei aus ursprünglichem ï und nur aus diesem. 32) Soviel ich weiss, ist im Enchiridion ausser martin, waispatlin (s. S. 32) nur éin Akkusativ eines /«-Stammes überliefert, und zwar krawian „Blut". Diese Form hat wohl -ian anstatt -ien nach dem Nom. Sg. kraivia. — Angesichts der Uebereinstimmung im Geschlechte zwischen Vokab. crauyo, Enchir. krawia und II mayiey krteuwiey (Dativ Sing.) kommt es mir wahrscheinlich vor, dass das Wort für „Blut" im Altpreussischen stets als weiblicher /«-Stamm auftrat. Die mannlichen bezw. sachlichen Pronominalformen 31, 26 (een swaiasmu .. krawian „mit seinem . . blut"), 49, 13 (krawian I kas perwans pralieiton wirst „Blut | Das für euch vergossen wirdt"), 13, 28 (mayiey krauwiey | ka per wans praliten uHrst; II), 7, 27 (maian kraag en | kha perwans pal tetan werst; I) halte ich für verfehlt (vgl. sta Druwi \ kas 41, 19; s. S. 31). Allerdings könnte ka, Ma an den zwei letzten Stellen eine auch im lebendigen Sprachgebrauch für die drei Geschlechter gebrauchte Form sein: vgl. russ. cto. — Anders Trautmann 236 f. 33) Auch vor Berneker waren von der Leskienschen abweichende Meinungen ausgesprochen worden. S. Bezzenberger BB. 23, 304. 34) Eine Ausnahme macht Endzelin Slav'ano-baltijskie et'udy 181 ff. Die Meinungen Bernekers, Trautmanns und Brugmanns werden dort bekampft und abgelehnt, und E. akzeptiert Leskiens Ansicht, dass apr. mien, tien, sien = abg. me, te, se seien. Soweit gehe ich mit Endzelin zusammen; dann trennen sich unsere Wege. Wahrend E. in dem ie von apr. mien, tien, sien einen bloss graphischen Varianten von i erblickt, glaube ich wahrscheinlich machen zu können, dass der Ausgang -ien einen von dem sonst aus ê entstandenen i etwas abweichenden Vokal hat. 35) Gemeint ist wohl „Buchstabengruppe". Zwei kleine Schreib- oder Druckfehler korrigierte ich im Texte: „würden" für „wurde", *sen für *seu-. 36) Neben mien (21 X) kommt kein *min vor. 37) Ein paar Nominative auf -» gehören der/3-Flexion an; s. S. 32. 38) Unrichtigerweise hielt Leskien Die Bildung der Nomina im Litauischen 379 (229) f. die Verbalabstrakta auf -sennis für feminine i-Stamme; s. Trautmann 235. 39) Die Nominativendung -ei kam wohl nach Analogie von -ai: -3 neben -è auf, bevor dieser Ausgang sich in -i und -ë gespaltet hatte. Eine etwas andere Erklarung gibt Trautmann 231, wo auch die Literatur über diese Frage verzeichnet ist. 40) Das daneben vorkommende martan (1 X) hat wohl -an nach Analogie der a-Stamme. 41) Die Nominative auf -ei werden altere auf -ë, -i neben sich gehabt haben; vgl. mensa neben mensai „Fleisch", deiwütisku neben deiwutiskai „Seligkeit". S. Bem. 39. 42) Es könnte der Gedanke auftauchen, ob nicht -ien auf lautgesetzlichem Wege aus -in enstanden sei; dann ware das neben -ien vorkommende -in dem Einflusse des Nomin. Sing. zuzuschreiben. Eine solche Vermutung kommt mir unannehmbar vor. Ich möchte hier auf den pronominalen Akkusativ din „ihn, sie" hinweisen, der je einmal in I und II und fünfmal im Enchir. vorkommt (daneben einmal dien; neben dem Akk. Plural dins I und Ench. hat II diens, 1 X) und keinen Nomin. Sing. neben sich hat. Auch erinnere ich an den Gegensatz mutien, semmien, geywien: naktin in II. 43) Das Litauische hat bekanntlich gêrqjf. Das Verhaltnis von preuss. -jan (woraus -ien) zu lit. -j\ lasst sich mit demjenigen von pr. schian, schan, schien zu lit. sz\ vergleichen. 44) Neuwenen „neu" in II betrachte ich nicht als eine bestimmte Form; s. Neophilologus 2, 244 f. 45) Ausführlicher werden pirmannien, pansdaumannien usw. im II. Kapitel besprochen. 46) Trautmann nimmt wegen steises nierties 71, 33 weibliches Geschlecht an. Beweisend ist dieses steises absolut nicht. Ein weibliches stesses kommt zwar vor (69, 22: stesses Crixtisnas „der Tauff"), aber 41, 24 ist steises eine sachliche Form (steises geijtoas „des lebens"), und die vierte Stelle, wo ein Genitiv auf -es als Artikel vorkommt, ist fehlerhaft (73, 6: stesses prabutskas \ Dengniskans labbans „der ewigen Himlischen Güter"). Und schisses kommt nur als mannliche Form vor, sogar im Gegensatz zu einer weiblichen Form (wohl Dativ) auf -ai: 77, 13 f. schisses niaubilHntis N. „dieses noch unmündigen N."; im Rande: adder schissai nianbillintai (sic). 47) Ausserdem kommt ein /«-Stamm dmzius vor. Material findet man bei Sommer Die indogermanischen ia- und io-Stamme im Baltischen 277. 48) Bezzenberger Aufsatze Ernst Kuhn zum 70. Geburtstage 7. II. 1916 gewidmet S. 262 fasst «Mtowt, Gen. sündis und madlin als Formen der ê-Deklination auf. Trotz der aaO. herangezogenen Form sunde „Strafe" halte ich diese Deutung für sehr unsicher. S. Pauli Beitrage zur vergl. Sprachforschung 7 (1873), 184 f. Der Akkusativ auf -in anstatt -ien kann allerdings die Unrichtigkeit von Bezzenbergers Annahme nicht beweisen; auch sonst kommt ja -in bei ê-Stammen vor. 49) In dem Falie ware tarin ein /"a-Stamm, und der Ausgang -in ware wie bei -sennin, idin usw. zu erklaren. S. S. 35 f. 50) S. das "V. Kapitel. 51) Kërmenen, hermenen, emnen baben bekanntlich ein junges, auf analogiscbem Wege entstandenes -en. S. im V. Kapitel. 52) Allerdings könnte das ü auch ein Druckfehler sein, wie oft angenommen wird. 53) Ein anorganisches auslautendes -t kommt auch sonst im II. Katechismus nach -ts vor: daeczi „gegeben" = Ench. dats, lit. dü'tas; enquoptzt „begraben" = Ench. enkopts. 54) Auffallig sind die zahlreichen Partizipialformen, wie billiton „gesagt" usw. 55) Das von Berneker angeführte pro hat altes a. Pra ist die haufigere Form. S. S. 51. 56) Enkopts dürfen wir nicht mit asmus „der achte" auf éine Linie stellen; dieses hat in den drei Katechismen -us. Vielleicht ist asmus (: septmas, sepmas „der siebente") irgendwie eine Neubildung und geht sein -k* nicht auf lautgesetzlichem Wege auf -as zurück; vgl. pirmois; s. S. 47. 57) Die Wurzel lautet aap-, mit a-Vokalismus. S. Solmsen Beitrage zur griechischen Wortforschung 1, 196 ff. 58) Dieses Wort kommt an drei Stellen vor: 39, 13 f. bhe en pansdamonnien \ kaden ... „Vnd zu letzt | wenn ...", 41,1 f. prei Mar kon en pansadaumanuien „Marei am Letzten , — 41, 13: Marei en pansdaumannien „Marei am letzten". 59) Uhlenbeck geht zu weit, wenn er die altpreussischen Formen einfach mit pvrmq-jj identifiziert. Die preussische Artikelform würde*im Litauischen *jq lauten; vgl. schian, schan, schien: lit. gzï( und s. Bern. 43. Hieraus ergibt sich, dass wir im Preussischen nicht zwischen mannlichen und weiblichen Formen zu unterscheiden brauchen. Uebrigens glaube ich, dass Will 55, 35; 41, 2, 13 pirmonnien, pans(a)daumannien als mannliche oder sachlicbe Formen und nicht als Attribut zu einem verschwiegenen polasinsnan empfunden hat. 60) Für eine Erklarungshypothese s. Bezzenberger KZ. 41, 80. 61) Ueber das Verhaltnis des balt. ö zum indogermanischen ö s. S. 53. 62) Spater hat Berneker im Anschluss an Porzezinskij seine Ansicht über die altpreuss. Vertretung von ö etwas geïndert; s. Archiv 25, 476, wo freilich dat nicht erwahnt wird. 63) Das einmal im Enchiridion vorkommende nuseilin „Geist" (neben haufigem noseilis, -ien, -in) kann kaum etwas anderes als ein Fehler sein; s. Trautmann 129, Bezzenberger KZ. 44, 304. 64) Nu, nu- wird von Endzelin Latysskie predlogi 1 (1905), 206 f. als eine in der Proklisis aus nü entstandene Form aufgefasst; und das wird wohl richtig sein: s. Zubaty Indog. Forsch. Anz. 22, 60, Brugrnann Grundriss 2\ 2, 799. Eine ahnliche proklitische Kürzung kommt auch sonst im Litauischen und Lettischen vor; s. Endzelin aaO., BB. 29, 320 f., KZ. 42, 375 f. Aus dem Altpreussischen ist uns eine ahnliche Erscheinung nicht bekannt. 65) Das Enchiridion hat an der entsprechenden Stelle (35, 23) nosemien. 66) Das Enchir. hat an der entsprechenden Stelle nadangon. S. drei Zeilen höher im Texte. 67) Bezzenberger KZ. 44, 304 andert nadewisin in nadewisin und redet sogar von „nö und na". Insofern wird B. recht haben, als no trotz des Fehlens des Langezeichens langes o hat. 68) S. das Literaturverzeichnis bei Trautmann 128. Die Entwicklung von ö zu lit. & wird von Mikkola Urslavische Grammatik 1, 51 noch stets nicht anerkannt. 69) Bei dieser Annahme verbieten lit. po, pro es uns nicht, für pr. po, pra (pro) von urbalt. *pó, *prö auszugehen. 70) F. Solmsen. Zur Geschichte des Dativs in den indogermanischen Sprachen. 1. Kyprisch jrfsivikos und der indogermanische Dativ Singularis. KZ. 44, 161—197. 71) Endzelin versucht Lietuviu, tauta 2, 284 ff. nachzuweisen, dass jedes lit. -ë, auch im Auslaute, aus ei entstanden sei. Ich halte das nicht für richtig. Wenn die preussischen Dative auf -ei nicht bestünden, würde ich wegen altbulg. mïnë, tebê, sebë für zem. munêi, sdvei idg. -ai annehmen. 72) Kurschat aaO. 230 verzeichnet bloss man, Uw, sdu>. Die in Wiedemanns Handbuch der litauischen Sprache, in Brugmanns Grundriss und auch sonst widerholt angeführten Dative mdnei, tdvei, sdvei ontspringen wohl einer und derselben Quelle. Diese Quelle wird wohl eine wissenschaftliche Schrift und kein litauischer Text sein. 73) ainontsi 1 X, aimassei 2 X, maisei 1 X, schiëise 1 X, steisei, stessei (-e, -i) usw. 52 X, swaisei (-e) 6 X, tennessei 1 X, twaisei (-e) usw. 14 X. Ueber neainessa s. im V. Kap. 74) Auch ein nominal gebildeter Genitiv kommt vor: prei stessei supsas etnistin „durch desselbigen gnade" (41, 20 f.). Ein nominal gebildeter Dativ ist wohl subbai 35, 13: essetenvan subbai „von jhm selbs". 75) S. 65, Z. 8 f. und 10 begegnen uns swian subban hermenen „jre eigene Leibe" bezw. swaian subban mensan „sein eigen fleisch". Offenbar besass das Samlandische für das deutsche Adjektiv „eigen" kein genau entsprechendes Aequivalent. Dieses deutsche Wort wird also einem Uebersetzer wie Will, der im Allgemeinen ganz wörtlich übersetzte, grosse Schwierigkeiten bereitet haben. — Vgl. axns, ter ains, die Will adverbiell gebraucht („allein"), z. B. 57, 20 f.: Tit seiti.. . poklusman \ ni ains stessei sündis paggan \ schlails digi... „So seid ,.. vnterthan | nicht allein vmb der straffe willen | sondern auch ..." Wegen der übrigen Beispiele s. Trautmanns Glossar. 76) Ueber stai, schai rede ich im VII. Kapitel, über die Personalendung -mai s. Verf. Archiv f. slav. Phil. 36, 111 ff., über -tai vgl. ausser Solmsen aaO. auch Endzelin Archiv 32, 295. 77) Bezzenberger KZ. 41, 124 möchte auchpergeis (1: 7, 5 Pergeis twais laeims „Zukomme dein Reich") hierherstellen. Was dellieis (Ench.; 55, 26 stes dellieis stesmu „der theile ... | dem") anbetrifft, entscheidet er nicht, ob es ebenfalls hierhergehört oder verfehlt ist. Bezzenbergers Vermutung ist mir aus zwei Gründen sehr un wahrscheinlich: 1. weil hier das -* nicht an den Verbalstamm, sondern an den Imperativstamm (von indogermanischem Standpunkte Optativstamm) getreten ist, 2. weil der Wechsel -ei: -e, Null absolut unbegreiflich ware. Wenn Bezzenberger -sai, -sei, -se, si, -s als -së auffasst (S. 126), so sollte er uns doch erklaren, weshalb das -ë bisweilen in der Schrift ganz weggelassen wird. Die Infinitive auf -t, die er vergleicht, haben doch wohl urbaltisches -ti, und dass is-rankit „erlöst", per-hlantit „verdammt", is-maitint „verloren", em-pijrint „versammelt" dieselbe Endung haben, die sonst -tai oder -tei lautet, das wird kaum jemand Bezzenberger zuliebe annehmen. 78) Wenn das ei des preussischen sigraatischen Optativs ausserhalb des Baltischen nicht vorkommt, so liegt die Vermutung nahe, dass es zunachst mit dem ei der als Imperativ fungierenden Optativformen weddeis, ideiti usw. identisch sei. Dann ware aber die von Berneker 225 f., Trautmann 287 f., Solmsen aaO. 172 vertretene Ansicht, dass dieses ei von denjenigen Verben, wo ai (idg. oi) nach vorhergehendem i (;') zu ei geworden war, herübergenom- men sei, nicht langer haltbar (s. auch Bezzenberger KZ. 41, 120 ff.), und es würde sich weiter die Möglichkeit ergeben, auch das -ë von lit. te-sukë aus -ei zu erklaren; s. Endzelin Lietuviuc tauta 2, 289. — Pür den Auslaut liesse sich vielleicht die von Endzelin aaO. 284 ff. verfochtene Ansicht, dass das lit. ë ausschliesslich auf ei zurückgehe, aufrecht erhalten. Weil aber éine Formation auf lit. -ë (> -i), und zwar der Dual der weiblichen a-Stamme, von Endzelin noch nicht auf eine befriedigende Weise erklart worden ist, und weil inlautendes ë in einigen Wörtern kaum etwas anderes als ein baltisches ai sein kann (was Endzelin S. 287 f. zu snëgas, dëverïs, vênas bemerkt, hat mich gar nicht überzeugt), stehe ich der Endzelinschen Hypothese in ihrem vollen Umfange skeptisch gegenüber. 79) S. Endzelin Archiv 32, 295. Anders Bezzenberger KZ. 41, 123. Will hat wohl wörtlich aus dem Deutschen übersetzt. Auffallig ist allerdings po-stasei. Sonst lautet das Prasens bekanntlich po-stanai usw. 80) Zufallig kommt von ski- keine 1. Pers. Sg. vor. 81) Satuinei „sattigst" wird dieselbe Endung -ei haben, die auch in lit. vedï, vedë'-s vorliegt. Tülninai „mehrst" ist formell eine 3. Pers. auf -ai oder es ist unter dem Einfluss der Formen der 3. Pers. auf -a, -ai aus Hülninei entstanden. Ueber turei „hast, solist" lasst sich wenig sagen; diese Form wird auch für die 3. Pers. Sg. Pl. gebraucht. 82) Auch I und II haben -ii, -ty und zwar an mehreren Stellen. Auch bei den Formen auff -assi, -asi, die stets so und nie mit -ei oder -e geschrieben werden, könnte man zweifeln, ob das 4 aus -ei entstanden ist. Anderseits aber ware auch ein bewahrt gebliebenes urbalt. -i angesichts der Infinitivendung -t aus -ti und der athematischen Formen der 3. Pers. (ast, dost; ebenfalls mit -t aus -ti) nicht weniger auffallig. Die Annahme, dass -as(s)i ein nach der 2. Pers. Pl. auf -atê entstandenes -asê fortsetzt, ist möglich, aber sehr unsicher. . 83) Für das altpreussische Sprachgefühl werden waikai usw. und stai usw. eine und dieselbe Endung gehabt haben. Ob die Ausgange von Haus aus identisch sind, ist nicht sicher auszumachen. S. im VII. Kap. 84) 65, 7 hat der Enchiridiontext: kai stai Swintai bousei | bhe niebwinütei „das sie [die Gemeinde] Heilig sey | vnd vnstrefflich". Der Nomin. Sing. Fem. niebwmütei ist entweder ein Fehler, oder (wie Solmsen 181 meint) eine Analogiebildung. Ersteres halte ich für wahrscheinlicher. 85) Die von Bezzenberger eingeklammerten Bemerkungen lasse ich weg. 86) Vgl. nasemmiey (II; 13, 4) „auff erden": na semmey (I; 7, 6). Im Ench. kommt dieser Dativ nicht vor. 87) Uhlenbeck hat Beitrage zur Gescbichte der deutschen Sprache und Literatur 21. 103 f. das pr. gewinna anders erklart und zwar als eine Entlehnung aus d. gewinnen. 88) Theoretisch ware die Annahme eines idg. Optativformans -ei- neben -oi- sehr gut möglich. Ein paar preussische Formen geben uns aber nicht die Freiheit, zu glauben, dass ein solches Formans wirklich existiert hat. 89) Ich erblicke im lit. ë die Fortsetzung sowohl von ai (idg. ai, oi) wie von ei. Das wird wohl die Ansicht der meisten Forscher sein. Endzelin hat Izvestija 12, 1, 40 ff., Lietuviu, tauta 2, 284 ff. nachzuweisen versucht, dass dem ë ausschliesslich ei zugrunde liege. • Ich halte seine Ausführungen nicht für be weisend (s. Bem. 78). Auch das altpreussische Material spricht gegen Endzelins Annahme: ains „ein", maiggun „Schlaf", waispattin „Frau" und die im Elb. Vok. vorkommenden Wörter snaygis „Schnee", aysmis „Spiess", slayx „Regenwurm", playnis „Stahl" machen auch für lit. vënas, mëgas, vëszpats, -pati, snëgas, êszmas, slëkas, plënas alten a/-Vokalismus im höchsten Grade wahrscheinlich. 90) Etwas vorsichtiger drückte B. sich BB. 23, 299 aus: „Die annahme, dass der übergang von ei, ai in ëerst nach der trennung des Lit.-Lettischen vom Preussischen statt- gefunden habe, liegt nahe Aber ich kann mich doch des verdachtes nicht erwehren, dass bereits im Urbaltischen ei und ai innerhalb gewisser grenzen monophthongisch gesprochen wurden, und dass diese monophthonge im Preussischen im allgemeinen ahnlich behandelt sind, wie ë im Zemaitischen". KZ. 41,123 lesen wir; „ wenn man mit mir annimmt, dass das Preussische in einer früheren Zeit das litauisch-lettische ë besessen hat". 91) Die weibliche Dativform auf -« fehlt bei Leskien. Ich füge sie hinzu, weil auch beim Paradigma von deiws die beiden Dativformen angeführt werden. Andere Nebenformen, wie den Nom. Sg. Fem. auf -ai, lasse ich weg. Im Anschluss an Leskien schreibe ich gena usw. mit éinem »; das w der Quellen behalte ich bei. Ich halte es nicht für nötig, die zufallig bei den als Beispiele gewahlten Wörtern nicht belegten Kasus zu bestemen. 92) Der Genitiv tilkas ist enthalten in silkasdrub' „Seidenschleier", wofür silkas drimbis gelesen wird. S. Trautmann 426 und die dort verzeichnete Literatur. 93) Das bedeutet wohl: innerhalb des Baltischen. 94) Auf die schwierige Frage, wie der Zirkumflexus von lit. -q, slav. -«, urbaltoslav. -am zu erklaren ist, gehe ich jetzt nicht ein. Gr. Qsav, got. giba setzen idg. Akutus voraus. — Nicht weniger schwierig ist es, die grundverschiedene Behandlung von -am und -öm (> -q bezw. -w)im Slavischen zu erklaren. 95) Einmal kommt in II die Form daeczt „gegeben" vor. Weil das e-artige a in II durch e oder a bezeichnet wird, glaube ich, das ae vielmehr gedehnte als palatale Aussprache andeutet. Ebenso staey, pallapsaeyl 96) Die Akkusative dinckun „Dank", maiggnn „Schlaf", packun „Friede", crixlianiskun „Christenheit", kailüstitkun „Gesundheit", alle im Ench., und pattiniskun „Ehe", per- ronUcon (o < u) „Gemeinde" in I haben wohl -un nach der Proportion: Nom. maddla usw.: Akk. madlan usw. = *dincku usw.: x. S. Trautmann 226. Bei den Nomina auf -iskti kam noch der Einfluss des Dat.-Instr. auf -« (s. im VI. Kap.) hinzu. 97) Vgl. -an (-en) aus -an. Offenbar ist hier die Kürzung eingetreten, bevor a nach Labialen und Gutturalen zu u, o geworden war. Das kommt mir wahrscheinlicher vor als die Vermutung De Saussures, dass a vor tautosyllabischen Konsonanten unverandert geblieben sei. Eine spatere Kürzung — wenn hier überhaupt Kürzung anzunehmen ist — dürfte in laiku u. dgl. vorliegen. 98) Bezzenberger hat Altpreuss. Monatsschrift 16,503 f. plausibel gemacht, dass die Verse Eraint mukinsugin swaian mukinsnan I Tit wirst labbai stalliuns enstan buttan jambisch zu lesen sind. Swaian hat hier wohl eine von dergewöhnlichen abweichende Betonung, was bekanntlich bei relativ schwachtonigen Wörtern sogar bei grossen Dichtern vorkommt. Bezzenberger hielt aaO. die Endbetonung für regelmassig, wobei er auf aind. svaydm hinwies. 99) Ausser der konsonantischen Deklination; s. S. 75 und Bem. 104. 100) Bezzenberger BB. 23, 302 hielt es für möglich, dass schissai niaubillintai „dieser noch vnmündigen" und daiai „der Gabe" Genitive sein sollten: die Formen stehen ja im Texte Wills auf éiner Linie mit schisses niaubillintis bezw. etnistis. Weil aber ein Genitiv auf -ai schwer zu erklaren ware und das Gefühl für syntaktische Symmetrie bei Will überhaupt schwach entwickelt war, fasse ich diese Formen auf -ai lieber als Dative auf. 101) S. das oben mitgeteilte Material; für die a- und «-Stamme s. Trautmann 216 und 225. 102) Wegen niertieg s. S. 80. 103) Wenn für gounong in II gounus zu lesen ware, so würde eine mit sunos in Iidentische Form vorliegen. Wenn die Konjektur sounos richtig ist, so werden wir -os nach dem Akkusativ auf -on erklaren müssen. Vor -n war das o lautgesetzlich aus u entstanden. 104) Die Tatsache, dass das e von kermenes nicht goschwunden ist wie z. B. das a von *deiwas > deiws, Hanas > tóns, tam, weist darauf hin, dass die Oxytonierung hier bis in die historische Periode der preussischen Sprache oder wenigstens bis kurz vor derselben bewahrt geblieben ist. 105) Die Anfangbetonung samtlicher Akkusative dürfte urbaltisch sein: vgl. lit. mefgq, sunu^ = apr. mërgan,soünon. Absichtlich wahle ich solche Beispiele, die im Litauischen wechselnde Betonung haben, m. a. W. in einem Teil der Kasus die Endungen betonen. — Was die m. und n. a-Stamme betrifft, so kennt das Litauische für den Singular nur éinen Betonungstypus, und zwar den barytonierten (erst infolge der Wirkung von De Saussures Gesetz fand eine Differenzierang statt), und das Altpreussische gestattet uns, diese ausnahmslose Barytonesis für urbaltisch zu halten. 106) S. auch S. 41. 107) Heykyen in II wird ein ahnliches e aus a haben, wie im Dialekt dieses Katechismus so oft vorkommt (vgl. sten, aynen, sacramenten); I hat rekian. Für tawischen (I), tauwyschen (II), tawis{ch)en (Ench.) werden wir vielmehr Palatalisierung durch den vorhergehenden palatalen Konsonanten annehmen müssen. Der Genitiv lautet in I tawischis (2 X), in II tauwyschis, tauwyschies (je 1 X). 108) Wenn das ie diphthongisch war, so wird diese Aussprache die Kürzung vor -n (vgl. genndn aus *genan) unmöglich gemacht und daher den Gegensatz gennan: semmien bewirkt haben. 109) S. auch Endzelin Slav'ano-baltijskie et'udy 61 f. Fussn ote. 110) Die etymologische Orthographie ware rankq, szvente. ê. Hujer Slovanska deklinace jmenna 158 f. und die daselbst zitierte Literatur. Wie ich aus einer Bemerkung Porzezinskijs Zurnal ministerstva narodnago prosvescenija Dez. 1914 S. 75 ersehe, hat Fortunatov bereits im Anhang zu seiner Dissertation S. 31 f. in der Instrumentalendung -a einen ursprünglichen Nasalvokal erblickt. 111) Die übrigen von Bezzenberger und Trautmann zitierten Formen auf -an ohne Langezeichen können formell ebensogut Akkusative wie Instrumentale sein. Bezzenberger BB. 23 304 führt noch sen schlusien an, das ein Akkusativ sein kann, und sen Oulsennien, das es sein muss: denn die Wörter auf -sennis sind Maskulina; s. Trautmann 235. 112) Früher hatte Bezzenberger sich skeptischer über den apreuss. Instrumental geaussert; s. Altpreuss. Monatsschrift 15, 271. 113) So bereits Scherer Zur Geschichte der deutschen Sprache1 292, 2417. Leskiens Einwand Die Deel. im SLLit. und Germ. 59, dass die pronominalen Dative stesmu, leasmu sich dieser Auffassung widersetzen, trifft nicht zu. 8.' S. 87 ff. 114) Auch an. J>eim, ags. können keine Dativformen sein; s. u. A. Streitberg aaO. 270, Brugrnann aaO. 2*, 2, 365. 115) Abgesehen von vereinzelten Fallen wie stesma, die wohl verfehlt sind. 116) Die Zeichen ' und ~ bezeichnen hier die Intonation, nicht die Stelle des Akzentes. 117) Sommers Ausführungen Kritische Erlauterungen zur lateinischeu Laut- und Formenlehre 106 sind bloss in ihrem ersten, negativen Teile richtig. * 118) Trautmann führt auch Literatur an, sein Verzeicbnis ist aber nicht vollstandig. S. im Texte. 119) Wenn ich hier für das Urlitauische undUrzemaitische das Zeichen ti verwende, so will ich damit nicht b behaupten, dass der durch dieses Zeichen vorgestellte Laui genau denselben Klang gehabt hat wie das schriftlitauische ■&. 120) S. Bern. 116. 121) Auch got. japfie „und wenn" enthalt den Instrumental ]>e. 122) S. Verfasser Indogerm. Forsch. 22, 264 f. und die daselbst zitierte Literatur. 123) Wir müssten dann für M ein zirkumfiektiertes idg. 5 annehmen und es etwa mit as. hwo, huo, ahd. vmo, ndl. hoe „wie?" identifizieren. Das ist die Meinung Trautmanns, wenn ich seine Zusammenstellungen auf S. 267 richtig verstehe. Was soll aber *g?ö sein? Doch nicht etwa der J. Schmidtsche Dativ auf -5? Auch von -od dürfen wir nicht ausgehen; denn ein idg. *cpöd liegt in lit. kö vor. 124) Wie das zweite Glied von kuilgimai, »tu ilgimi, kudesnammi, kodesnimma aufzufassen ist, entscheide ich nicht. Trautmann 250 liest für -ammi -imma und fasst -a als idg. -od auf; -imi soll ein von den ja- und z-Stammen auf die aStamme übertragenes -i haben; -ai gibt T. zu keiner besondern Bemerkung Anlass. Also dreierlei Adverbialformationen von einem Stamm auf -ima-! Berneker 210 möchte das -m- zum Kasussuffix rechnen; aber auch dann bleibt das gegenseitige Verhaltnis der Ausgange dunkel. 125) Vorsichtiger bespricht Berneker 164 die Frage vom preuss. sj. S. auch Berneker 261. 126) Stessie — stessiei; vgl. sleise, iebbe neben steisei, tebbei u. dgl.; s. oben S. 56 und Berneker 201. Trautmanns Konjektur (263) stessei für stessie ist vollstandig überflüssig. 127) Ausserdem kommen stesses, steises noch je 1 X als Gen. Sing. Neutr. bezw. Gen. Plural vor, — ebenfallsmit ' der Funktion eines Artikels. 128) Sehostro „Schwester" bei Grunau hat * (sch) aus dem S-artigen polnischen s> (vor Vokal si geschrieben: siostra). 129) Vielleicht mouilliert, also /'. 130) Weiter ergibt sich, dass der Genitiv Sg. M. und N. stessei, stesse, steisei, steisei, stêise, steise, stêisi, der sowohl als Artikel wie als Pronomen sehr oft vorkommt und stets mit -sei (se, -si), nie mit siei (sie) geschrieben wird, unmöglich idg. */' haben kann. S. S. 58 f. 131) Natürlich dürfen Formen wie wargasmu, wismu, emprïkisentismu ausser Betracht bleiben. Sie haben ein pronominales Bildungselement sm-; die Endung -u gibt zu keinen Bemerkungen Anlass. 132) Berneker fasste nautei, mattei und auch die Formen auf -iJki als Neubildungen nach andern Klassen auf. Wenn er auf den Gedanken gekommen ware, dass nautei, mattei einen bereits indogerm. Ausgang -ei haben (s. oben S. 57 f.), hatte er wohl auch für -iki diesen Ausgang angenommen. 133) Der Nominativ Sing. prëisiks, -ich ist belegt. 134) S. noch Hujer Slovanska deklinace jmenna 124. 135) Mit smntickens für etwaiges *swintichins liesse sich teckint neben tickint „machen" vergleichen. 136) „on sait en effet que les nominatifs pluriels lituaniens tels que vilkaï sont des pluriels neutres comparables a lat. loca en face de loens; c'est ce que montrent 1'accentuation sur la finale et la généralisation de la règle ia £da XQBxst" 137) Noch in einem andern Punkte hat Endzelin aaO. 139 Meillet bekampft, und zwar nach meinem Dafürhalten mit vollem Rechte. Im 10. Bande der Indogerm. Forsch. S. 48 ff. hatte Hirt die Kurschatschen Akzentschemata Ia und Ha (dêvas: Pl. dëvaï, kélmas: Pl. kelmaï) auf indogermanische Paradigmata mit anfangbetontem Singular und endbetontem, auf -A ausgehendem Plural zurückgeführt. Eine ahnliche Auffassung hat Meillet Mém. Soc. Ling. 15, 73 (s. die vorige Bern.) ausgesprochen und gegen ihn wendet sich Endzelin, der selber im Typus dëvas: dëvaïdie Fortsetzung der indogerm. Oxytona erblickt, wobei auf aind. dêvd-s verwiesen wird. Meillet bekampft diese Ansicht Endzelins wieder Mém. Soc. Ling. 19, 81 f.: „II est arbitraire de dire, comme le fait M. Endzelin , que lit. dëvaï (cf. skr. devdh), kolaï représentent d'anciens thèmes oxytons; trés peu d'exemples viennent a 1'appui; et les exemples contraires ne manquent pas, ainsi sapnaï en face de skr. svdpnah, v.-isl. suefn et même de gr. vnros) vilkaï en face de skr. vfkak, got. wulf»; varnaï en face du génitif r. vórona, s. vrdna; etc; et 1'on ne voit pas pourquoi, seul, le nominatif pluriel aurait conservé 1'ancienne oxytonaison, en regard du singulier kó/as et du duel kótu." Auf diesem Wege kommen wir nicht zum Ziele! Eine Vergleichung desjenigen Teiles der litauischen a-Starame, der in andern indogermanischen Sprachzweigen wiederkehrt, mit ihren indischen, griechischen, germanischen, slavischen Aequivalenten führt verschiedene Forscher zu verschiedenen Konklusionen. Darüber brauchen wir uns nicht zu wundern: denn die Brücke, die den baltischen Wortakzent mit dem indogermanischen verbinden soll, ist noch immer nicht geselslagen worden; sogar ist das Verhaltnis der baltischen Betonung zur slavischen in vielen Fallen vollstandig dunkel. Wir werden also einen andern Weg einschlagen müssen. Bekanntlich sind samtliche Singularkasus der a-Stamme im Litauischen barytoniert, — wenn wir jedenfalls die der Wirkung von De Saussures Gesetz vorangehende Periode ins Auge fessen. Im Indogermanischen gab es auch Oxytona, diese sind aber im Litauischen mit den Barytona in eine Klasse zusammengefallen, wenigstens im Singular. Bloss éine Kategorie von a-Stammen hat, glaube ich, den alten Unterschied zwischen Oxytona und Barytona jedenfalls in éinem Kasus bewahrt, und zwar die ya-Stamme mit einem Nom. Sing. auf -is, -ys: wahrend bëris auf Hèrijas zurückgeht, aetzt iebri/s eine altere Form Hebrijas voraus, die wohl aus *zebrijds entstanden ist zur selben Zeit als alle Oxytona auf -as zu Barytona wurden. [S. zu den Nomina auf -is, -ys Sommer Die indogermanischen ia- und io-Stamme im Baltischen 224 ff. und die daselbst zitierte Literatur.] Nun haben bekanntlich die Substantive auf -is einen barytonierten, diejenigen auf -ys einen endbetonten Nominativ Plural: bëriai, zebriaï; m. a. W. die alten Oxytona haben -iaï, die alten Barytona *iai, -iai. Dann werden wir aber auch in dëvas: dëvaï, Hlmas: kelmal die Kategorie der alten Oxytona, in ralas: ratai, tiltas: iillai diejenige der alten Barytona sehen müssen. Endzelin wird also Meillet gegenüber recht haben. S. auch Büga Aistiski studijai S. 40 f. — In diesem Zusammenhange möchte ich noch bemerken, dass man sich von der Rolle, die der Akzentwechsel zwischen Neutrum Singular und Neutrum Plural im Indogermanischen gespielt hat, keine übertriebene Vorstellung machen soll. S. Kul'bakin Izvéstija 11, 4, 257 f., Verf. Archiv f. slav. Philologie 37, 44 ff. 138) Die Form malnijkiku hat Meillet offenbar ganzlich übersehen. 139) S. auch Mém. Soc. Ling. 19, 191. Wenn Meillet hier in dem Nominativ Plural Mask. der Partizipien (sukat usw.), der kaum etwas anderes als eine sachliche Form sein kann, eine neue Stütze für seine Theorie erblickt, so ist das zwar eine sehr scharfsinnige Bemerkung, aber den Tatsachen der altpreussischen Grammatik gegenüber hat sie keine Beweiskraft. 140) S. Leskien Die Bildung der Nomina im Litauischen 365 (215). 141) Auch der altlitauische Genitiv Plural ikru wird wohl zu einem Maskulinum Hkras gehören. 142) Vgl. poln. reeë „die Hande", aber nogi „die Füsse", glowy „die Köpfe" usw. 143) Auch die dritte Möglichkeit, dass ein Teil mannlich, ein Teil weiblich ist, ist nicht zu leugnen. 144) 63, 29 f.: stai wirst boüuns ains mensas „sie werden sein ein Fleisch". 145) 41, 10: stai wirdai bhe preibittisnai „die Wort vnnd Verheyssunge". 41, 12 (stai wirdai bhe) preibillïsna muss verfehlt sein. 146) S. auch Bern, 150. 147) S. Trautmann 216. Ob das dort verzeichnete buttantaws „Hausvater" ein sachliches buttan beweisen kann, bezweifle ich. Es kommen daneben vor: butta tawas, butte tawas, butti taws, butlastaws (Gen. Sg. btittas). Eher dürfte 37, 13 ein neutraler Nominativ buttan vorliegen; dieses buttan kann aber auch Akkusativ sein. 148) Solmsen meinte KZ. 44, 185: „Niemand wird die litauischen Nom. Pl. Masc. auf -ai von den preussischen auf -ai trennen wollen". 149) Es ist nicht ganz sicher, dass diese lit. Formen -ë aus idg. -oi, urbalt. -ai haben. Diese Endung war gewiss die ursprüngliche. Es könnte aber im Litauischen anihre Stelle ein auf analogischem Wege aufgekommenes -ei getreten sein. S. Endzelin Lietuviuc tauta 2, 289. Mir ist das nicht wahrscheinlich. Apr. stai wird auf jeden Fall urbalt. -ai < idg. -oi haben. Dass stai nach waikai (— lit. vaiiati) u. dgl. entstanden sein sollte, kommt mir unannehmbar vor. 150) In diesem Falie würden die weiblichen Plurale gennai usw. nach dem weiblichen Nom. Pl. stai gebildet sein. Dieses stai selber ist auf jeden Fall eine erst auf preussischem Boden nach der Analogie des Maskulinum entstandene Form; s. S. 105 über gennai usw. 151) Natürlich ist es nicht stricte zu beweisen, dass der Untergang der Formen für die 3. Person Dual und Plural auf das Urbaltische zurückgeht. Auf jeden Fall aber zeigt das samlandische Material, dass in dieser Mundart der Schwund dieser Personalformen alter ist als der Untergang der neutralen Deklination mit ihren speziellen Formen fur don Nom.-Akk. Sing. und Plural. Dann dürfen wir aber auch für das Litauische kaum einen direkten Zusammenhang zwischen diesen beiden Erscheinungen vermuten. 152) Den Akutus von sztdi schreibt Zubaty wohl richtig dem interjektionellen Gebrauche dieser Form zu. 153) In einem Aufsatze, der in den Indogermanischen Forschungen erscheinen wird, hoffe ich nachzuweisen, dass die Akzentverschiebung nach dem Gesetze De Saussures nicht auf die baltoslavische Periode zurückgeht, dass also Falie wie lit. ranka: rankq = russ. rukd: ruku auf blossem Parallelismus beruhen. 154) Kul'bakin hat offenbar den von mir zitierten Aufsatz Meillets übersehen. 155) Trautmann meint, es sei bisweilen „noch fühlbar, dass in dem -ts ein Pronomen steekt" (273). Die Beispiele Trautmanns sind aber so wenig zahlreich und der pronominale Wert des Suffixes -ts ist so schwach fühlbar, dass Zweifel ,an die Richtigkeit von Trautmanns Beobachtung gerechtfertigt ist. 156) S. S. 120. Das Fortleben des Stammes *i- (lit. jis hat sekundares ;!) nur in der Enklisis lasst sich mit dem enklitischen Gebrauche von *tas > -ts vergleichen. 157) Berneker Die preussische Sprache 202: „tans „er", tenna „sie". — Eine Weiterbildung des Pronominalstamms *telto- mit -no-, wie sie der Pronominalstamm *o- in lit. anès erfahren hat, und der Stamm 1eo- in dor. *r>oï, an. kann „er" aus urnord. *hanaR." 158) Der Nominativ «tiio's bedeutet bekanntlich „selber". 159) S. Brugrnann Die Demonstrativpronomina 54, Grundriss 2 », 2, 391, oben S, 111. 160) Es ist dies die sogenannte fünfte Ausgabe der litauischen Bibel. Der Text geht zurück auf die von L. J. Rhesac.s. in den Jahren 1810—'16 bearbeitete Redaktion der Bibel von 1734/5. 161) S. S. 122 ff. 162) Weil das Preussische und das Litauische nicht dieselben Kasusausgange haben, führe ich die Stammform an. 163) Bekanntlich kommen pronominale Genitive Plural sehr oft mit Singularbedeutung vor: steison neben stessei usw. Bei keinem andern Pronomen werden die Formen auf -son so oft für den Singular gebraucht wie bei tans, tans. Nur einmal kommt tennessei vor, und zwar im Enchiridion (na tennessei pallaipsans „nach seinen Geboten"), sonst im Ench. stets tennëison, tennëison, in I tanassen (1 X), in II tanassen (1 X). Diese Formen auf -en sind auffallig. Wenn wir daran denken, dass „unser" in II achtmal nouson und nie anders, in I fünfinal nuson, einmal nusun, einmal nusan, einmal nusen lautet, wahrend tanassen, tanassen an der einzigen Stelle wo es vorkommt in den beiden Katechismen auf -en ausgeht, so ist die Frage berechtigt, ob dieses tanassen, tanassen formell vielleicht etwas anderes ist als ein Genitiv Plural. Ich halte das nicht für unmöglich: ich glaube, dass es ein vom Genitiv Singular aus gebildetes Pronomen possessivum sein kann. Bekanntlich liegt auch dem possessiven Fürworte der 1. und 2. Person Plural der Genitiv des Pron. pers. zugrunde; vgl. auch das zum russischen Genitiv Plural ich gebildete ichnij. Das preussische katanassen asch, katanassen hest übersetzt das deutsche „was sein (seyn) ist" ; die Uebersetzer dürften hier sein (seyn) als possessives Pronomen aufgefasst haben. Das einzige, was bei dieser Auffassung auffallig bleibt, das ist der Auslaut -en in I. In II kommt -en für -an widerholt vor; in I ist ein solches -en sehr seiten, aber es gibt jedenfalls ein paar Falie, und zwar ausser nusen (Nusen rickis „Vnser herr"; daneben einmal nusan; sonst nuson und einmal nusun) iungkfrawen „Jungfrau" (: II jungprawan, Ench. 3 X lumprawan), und wohl auch betten (pho stan betten eden „nach dem Abendmal"); dieses letzte Beispiel ist deshalb unsicher, weil dem Gen. bitas des Ench. in I und II bietis bezw. bytis gegenüberstehen. Die Form tennëison, tennëison, die im Enchir. 12 X mit Singularbedeutung gebraucht wird, kann kaum etwas anderes als ein Genitiv sein: man denke an die widerholt vorkommende Verbindung mit paggan (vgl. stesse paggan „darum"). 164) S. Solmsen aaO. Fussnote 2. Die dort für das Bewahrtbleiben von ai gegebene Erklarung kommt mir wenig natürlich vor. 165) Den Nom. Plural halt Meillet unrichtigerweise für eine „innovation du prussien". 166) Ausserdem würden die Adjektive direkt oder indirekt durch *ei beeinflusst. S. S. 62. 167) 48, 2, 24; 49, 29; 51, 26; 56, 22; 58, 15, 27; 59, 27; 60, 9; 64, 28; 66, 19 (2 X), 20, 21; 71, 15; 75, 7; 83, 21, 29; 87, 16 f.; 90, 24; 91, 11; 97, 24; 98, 17; 100, 17; 102, 7 f.; 104, 16, 19, 20; 105, 28; 106, 24. 168) Aus Doritsch Beitrage z. lit. Dialektologie § 168 und § 204 (S. CXI und CXXXIII) geht her vor, dass zu der altmemeler Mundart der altesten litauischen Sprachdenkmaler die heutigen Dialekte von Klooschen-Bartel und Rund-Goerge mit ihrem Nom. Plur. anè, ané „sie" genau stimmen. — Dass die Form dnis, anis, welche Doritsch aus einigen ostlitauischen Mundarten aufgezeichnet hat, ein Nomin. Plur. ist, ist Doritsch selber entgangen; es geht aber aus den von ihm publizierten Texten klar hervor (s. S. 70, 11; 73, 7: dnis buvo tavdrisëei; 73, 35; anis jéme ddvities térpu sdvi). 169) Diese Betonung dürfen wir wegen des hei Dauksza widerholt vorkommenden dnis ansetzen, 170) Abgesehen von p&tys. Merkwürdige Formen sind die zemaitischen und nordlitauischen partizipialen Nominative Plur. jójamis, norédamis. Insofern gehen sie uns nicht direkt an, als wir sie auf keinen Fall als die Prototypen, nach welchen anys gebildet wurde, ansehen dürfen. Sind vielleicht umgekehrt diese Partizipialkasus nach anys oder *ys gebildet? Es kommt mir wahrscheinlicher vor, dass -amis, -damis (-ys) unter dem Einfluss von esantis (-ys) u. dgl. entstanden sind. Solche Formen (die durch Uebertritt in die i-Deklination zu erklaren sind und also mit szirdys, dantys, dial. móterys auf éiner Linie stehen) werden von Klein (s. Bezzenberger Beitrage z. Gesch. d. lit. Spr. 158) und Kurschat Gramm. 302 der Memeier Mundart zugewiesen (vgl. Doritsch aaO. CXXXIV f.; Ma. von Rund-Goerge bei Memel), früher aber haben sie auch in andern Gegenden bestanden; vgl. Bezzenberger aaO. 158 f. Ich habe nicht untersucht, inwiefern das noch jetzt der Fall ist. Das Nebeneinander von -antys, -intys und -anti, -inti (Rund-Goerge turentes neben turente; vgl. schriftlit. sukantëji beiKurschat aaO. 293) kann leicht neben -anti, -dami (-ë-ji, -ë-s) ein sekundares -antys, -damys hervorgerufen haben. 171) Dauksza schreibt oft dn\s, ebenso pdtu, dtvk, dkjs USw., — widerholt auch ohne Akzentzeichen. Zahlreiche Beispiele kommen Post. Cath. ed. Wolter 273 ff. vor. Der Haken unter dem i wird hier keine Nasalierung bezeichnen, sondern einfach gebraucht werden urn dieses i von demjenigen des Nomin. Sing. und Akk. Plur. zu unterscheiden. Ebenso wird oft jus „ihr, vos" geschrieben, wohl zur ünterscheidung vom Akkusativ. Es kommen ab und zu Druckfehler vor; so steht 276, 28atcjsanstattatcis(Akk. PL). — Bekanntlich gibt es einen Vokal, und zwar e, bei welchem der Haken nie die Nasalierung bezeichnet, sondern stets das Vokaltimbre. — Wer diese Auffassung von dnü usw. und jus nicht akzeptiert, der nimmt am besten sekundare Nasalierung der von Haus aus oralen Vokale an; vgl. mens für més u. dgl., worüber Bezzenberger BB. 9, 31 ff. zu vergleichen ist. 172) Das ist nicht wahrscheinlich. Dort wo das Sprachgefühl einen vom Indikativ verschiedenen Potentialitatsmodus verlangte, wurde offenbar der sogenannte Optativ verwendet. 173) Vgl. etwa 22,15 ff.: Wir sollen Gott lieben | das wir bey seinem Namen nicht Fluchen | Schweren | Zeubern ( Liegen oder triegen | Sondern den selben .. . Anruffen | Beten | Loben vnd dancken. 174) Nicht in allen Fallen sind die Forscher in der Beurteilung der einzelnen Bildungen einig; s. Bezzenberger aaO. 41, 119 f., Trautmann 287. 175) Es ist hier von turriti „habet!", seggïtei „tut!", endiris „sieh!" milijti „liebt!", kirdijti „hört!", lillitei „sprechtl", laukijti „sucht!" die Rede. Auf keinen Fall sind es Optative. Endiris ist eine Injunktivform, und was die Plurale auf-tó, • tei anbetrifft, so macht es wenig aus, ob wir den Namen Indikativ oder Injunktiv dafür wahlen. Die Endung -tei, -te, -ti ist eine Neubildung des Preussischen bezw. (falls für -ti von -U auszugehen ist) des Urbaltischen; s. S. 61; es ist also weder eine primare noch eine sekundare indogermanische Endung. Wir begegnen ihr bei allen Modis. Die Pluralformen des Imperativs bildeten für das Sprachgefühl der alten Preussen mit den Singularformen éin Paradigma, — anderseits aber werden Indikativ- und Imperativformen nicht stets auseinandergehalten: vgl 61, 1: kai ious... seggïtei „das jr ... thut", 63, 12 f.: bhe kai ious segijtei „auff dasjr thut". Ueber das Verhaltnis vor seggêti zu seggïtei s. Bem. 21. 176) Auch Nesselmann hatte sich Die Sprache der alten Preussen 69—76 auf den Boden der altpreussischen Sprache gestellt. Obgleich er Tempora und Modi durcheinander behandelt und ein grosser Teil seiner Ansichten vollstandig veraltet ist, gebührt seiner Auffassung des Modussystems der Vorzug vor der Trautmannschen. 177) Dass der preussische Text den daneben gedruckten deutschen Text nicht wörtlich übersetzt, ist für unsern Zweck von keiner Bedeutung. 178) Vgl. z. B. 23, 25 ff.: kai mes ni perioeckammai schlait. . laikumai \ reide klausêmai \ bhe mukinnimai, — 25, 7 ff.: kai mes ni perioeckammai neggi ernertimai \ Schlait ... laikumai \ .. schlüsimai | laikumai, — 25, 15 ff.: kai mes seggê | mai schlaits . galbimai bhe brewinnimai , 25, 23 ff.: kai mes giwammai usw., — 27, 1 ff.: kai mes ni immimai \ neggi pidimai \ Schlaits galbimai.... 179) Allerdings kommt ein (wohl unrichtiger) gemischter Modusgebrauch bisweilen vor; vgl. 35, 29 f. Kodden Deiws lemlai \ bhe kümpinna „Wenn Gott bricht vnd hindert". 180) Es gibt ein paar sichere Falie, wo der Stricb über dem Vokal die Geltung eines Nasals hat; s. Bezzenberger BB. 23, 288. Diese Falie sind aber so wenig zahlreich, dass wir bei irgendwie zweideutigen Formen kaum das Recht haben, den Strich so aufzufassen. Und wir stehen auf noch unsichererem Boden, wenn wir dort, wo der Druck emm hat, ein ëm der Willschen Handschrift vermuten. Bezzenberger erklart auf diese Weise die ihm sonst unbequemen Formen giwemmai, paikemmai, klantemmai (aaO. 89 f., 118 Fussn. 1). 181) Diese Ansicht kommt mir einfacher und natürlicher vor als diejenige Bezzenbergers (KZ. 41, 118 mit Fussnote 1), nach welcher paikemmai ein vom Setzer missverstandenes *paikëmai und po-paika ein Fehler für *po-paikü aus *-paikö[iq sein soll; *-paikü sollte dann zu -paickëmai in einem ahnlichen Verhaltnis stehen wie billa zu lillëmai. S, die vorige Fussnote, 182) Vorlaufig stelle ich inich hier auf den Boden der litauischen Konjugation. Unten wird sich ergeben, dass einige von diesen Verben zur indogermanischen ai: i-Klasse gehören. Auf dieses Problem kann ich aber erst eingehen, nachdem das vollstandige Material mitgeteilt ist. 183) Diese Form beweist wenig. Auch ttönintei, -i „stenend" hat -int-, 184) S. weiter S. 144. 185) S. S. 15 f. Ueber die Quantitat des i s. S. 141. 186) Anders Bezzenberger aaO. 102. 187) Ob Akzentverschiebungen dieser Art im Litauischen überhaupt stattgefunden haben, entscheide ich nicht. Die Annahme liegt nahe, dass die von Endzelin und W. Schulze KZ. 44, 50 ff. bezw. 130 f. verzeichneten altlitauischen und dialektischen Formen buliic, hulumbei, stoiós (Dauksza), tartum (2. Ps. S.), buiü (3. Ps.), stojös (Baranowski bezw. Mundart von Dusetos) einen verschobenen Akzent haben, — und dann wird die Ursache wohl in der Intonation der jetzt betonten Silbe zu suchen sein. Von einem sekundaren „Akut" (s. Archiv f. sl. Phil. 36, 373 f.) kann freilich kaum die Rede sein. — Vakaras halte ich wegen des Plurals vakaraï für ein altes Oxytonon (s. Bem. 137); deshalb glaube ich, dass das von Schulze angeführte wakaröp eine altertümlichere Betonung hat als toakaro. 188) Wijrimans wird zunachst zum Akkus. Sg. wijrin zu stellen sein; auf eine ahnliche Weise ist wohl crixtianimans zu beurteilen. 189) S. auch Endzelins Rezension von Bogorodickij's Ocerki po jazykovêdéniju i russkomu jazyku. Zurnal Minist. Narodn. Prosvesóenija 1909. 190) Der indogermanische Wechsel ai: a (aus ai) hat für keinen Indogermanisten mehr etwas Auffalliges, — obgleich die Bedingungen, Worunter das i schwand, m. Ë. noch nicht feststehen. 191) Weil immimai ursprünglich kaum zur ai: ï-Klasse gehort hat (s. S. 143 f.), ware ein anderes Beispiel besser gewesen. 192) Hiermit soll nicht gesagt sein, dass ich jede Form, die von diesen Gelehrten hierhergestellt wird, auf diese Weise für richtig gedeutet halte. 193) Oder als Optativ aufzufassen? 194) S. Bezzenberger BB. 26, 171 Fussn., wo dinkauimai als eine Form mit analogischem i aufgefasst wird. 195) Die 1. Ps. Sg. auf idg. -ö würde im Pr. *imu oder *imü lauten. 196) Vgl. turrimai: turriti; gchlüsimai: scAlüsiii. 197) finim,/init, Yïz.fmis werden sekundare Formen sein. Anders Endzelin in seiner Bezension von Bogorodickij's Ocerki (zurnal Min. Nar. Prosv. 1909), wo ai. janimdh verglichen wird. Die Identitat des lett. -im mit dem ai. -imerkenne ich an; aber in diesem Zeitwort halte ich sowohl das lett. i wie das aind. ï für sekundar. 198) Das Griechische verallgemeinerte die Konjugation mit -na-: -na-: ddiivypi: difivofisv usw., das Altindische diejenige mit -na(i)-: -ni-: jandmi: j&uimdh usw. Das Urbaltische wird die beiden Klassen deshalb besser auseinandergehalten haben, wqil hier der Diphthong ai als Diphthong erhalten geblieben war; aufgriechischemundaltindischem Boden veranlasste die Monophthongierung den Zusammenfall der Hochstufenvokale a und a(i). 199) Das n des Infinitivs wird kaum aus nn entstanden sein; zinóli ist vielmehr ein idg. *§,na-ti. 200) Von indogermanischem Standpunkte gehort auch -siunimai hierher. Fürs baltische Sprachgefühl ist es kein «-Prasens. 201) In der sekundaren Personalendung -ait war der Diphthong wohl bewahrt geblieben; s. Bern. 198. Ein Monophthong liegt vor in dem Infin. auf lett. -indt = lit. -mok. In welchen Formen das ai lautgesetzlich monophthongiert war, ist kaum prazis zu sagen. S. Bern. 190. 202) Leskien Der Ablaut der Wurzelsilben im Litauischen 432 (170) ff. fasste die Verba auf -inti als eine ursprüngliche Denominativklasse auf. Das wird kaum richtig sein. Vgl. über den Ursprung dieser Klasse Porzezinskij K istorii form spr'azenija v baltijskich jazykach 129 ff., wo die Meinungen von Osthoff, Brugrnann, Fortunatov und Uljanov mitgeteilt werden. 203) Dass imma 1. Ps., eb-immai 3. Ps. ist, ist ohne Belang. Im Altpreussischen wird ja die 3. Person sehr oft für die 1. Ps. Sg. gebraucht. Ich wüsste sogar keine Form, wo die thematische Endung der 1. Pers. (idg. -ö = lit. -«-*) mit Sicherheit vorlage. Auch crixtia „taufe" ist wohl formell eine 3. Person, keine 1. Person. 204) Nach der Analogie von -ai neben -a kann po-waidinnei „bedeutet" (41, 34) neben dem im Texte gleich folgenden , po-ioaidinne (43, 1) entstauden sein. Bezzenberger fasst KZ. 41, 98 diese Formen als *-waidinnêi[t] bezw. daraus eutstandenes *-toaidinnë auf. Daneben halt er für -waidinnei die Herleitung aus *-waid%nëja für möglich. -e liegt ausserdem noch in dem als 3. Pers. Pl. gebrauchten en-laipvnne „befehlen" und in dem als 1. Ps. Sg. fungierenden taukinne (zu lesen für tankinne) „gelobe" vor; es ist also ausgeschlossen, dass po-waidinne einfach ein Fehler ist. [Bei po-waidmnei ist mit dieser Möglichkeit zu rechnen.] Deshalb braucht natürlich Bezzenbergers Auffassung noch nicht richtig zu sein, und ich kann dieselbe nicht für plausibel halten, solange noch andere Wege offenstehen, — noch abgesehen davon, dass ich ein innerhalb des Preussischen aus -èi entstandenes -e für sehr unwahrscheinlich halte. Und es gibt tatsachlich einen andern Weg; Berneker 212 hat uns denselben bereits gezeigt. Freilich wird Berneker nicht in allen Punkten recht haben: die S. 222 von ihm ausgesprochene Ansicht, dass taukinne „e für im Auslaut verkürztes a" habe, beruht auf der unrichtigen Voraussetzung, dass taukinne der Form nach eine 1. Ps. Sg. sei; es ist vielmehr eine 3. Ps.; s. die vorige Fussnote. Aber mit vollem Rechte identifiziert Berneker das -e der 3. Pers. Sg. auf -inne mit demjenigen von lise „kriecht". Wie ist nun lise zu beurteilen? Bezzenberger KZ. 41, 92, dem Trautmann 279 folgt, fasste lise als eine Form nach der /«-Konjugation auf. Das baltische Prasens wird aber wohl vielmehr mit dem slavischen Prasens abg. lësq, lëzesi identisch sein, welches zur e/o-Klasse gehort; auch das von Bezzenberger und Trautmann zitierte poln. lezie hat slav. e und nicht je. Ich möchte mit po-waidinne usw. und Use zunachst giwemmai neben giwammai vergleichen. Ob das e das unveranderte thematische e oder jüngeren Ursprunges ist, entscheide ich nicht. Auf jeden Fall ist das Vorkommen eines e im thematischen Prasens des Preussischen nicht zu leugnen. 205) Nach / scheint auslautendes -a oder -e bereits in der vorhistorischen Periode des Preussischen geschwunden zu sein. Vgl. damit lit. -ys aus -ijas gegenüber sonst im Frühlitanischen überall bewahrt gebliebenem -as. Wegen des Schwundes eines auslautenden kurzen Vokales in andern Fallen vgl. Neophilologus 2, 108 f., oben S. 77. 206) Auslautendes -ai kommt nur in wenigen Formkategorien vor. Vgl. kai: kaigi. S. S. 120 f. 207) Vielleicht eine Prasensform. S. S. 16. BS MARTIN US NIJHOFF - UITGEVER - 's-GRAVENHAGE Cosijn, P. J., Altwestsachsische Grammatik. 1883. Svo. ƒ 7.20 Elnonensia. Monuments de la langue Romane et de la langue Tudesque du 9e siècle, recouverts par Hoffmann de Fallersleben et publiés avec une traduction et des remarques, par J. F. Willems. 2e éd 1845. Met facsim. gr. 8vo. ƒ 1.50 Franck's Etymologisch Woordenboek der Nederlandsche taal. Tweede druk door N. van Wijk. Met registers der Nieuw-Hoogduitsche woorden. 1912. gr. 8vo. In linnen ƒ 18.— Kern, H., Die Glossen in der Lex Salica und die Sprache der Salischen Franken. Beitrag zur Geschichte der deutschen Sprachen. 1869. 8vo. ƒ 1.90 Stoett, F. A., Middelnederlandsche spraakkunst. Syntaxis 2e geheel omgewerkte druk. 1909. 8vo. ƒ5 ; in linnen ƒ5,75 Verdam, J., Middelnederlandse!] Handwoordenboek. 1911. gr. 8vo. In linnen ƒ 10.— Verwijs, E. en J. Verdam. Middelnederlandsch Woordenboek. (Met medewerking van S. J. Fockema Andreae) gr. 8vo. Prijs per aflevering 1 Gulden. Jaarlijks verschijnen 4 a 5 afleveringen. Verschenen: Deel I. (A—C) Gld. 12.—; in half leder Gld. 15 — n. (D—G) Gld. 17.—; , Gld. 20 — III (H—K) Gld. 18.—; „ „ „ Gld. 21.— IV. (L—N) Gld 20.—; „ „ „ Gld. 23.— V. (Oi Gld. 18.—; „ „ „ Gld. 21.— VI. (Po—R) Gld. 14.-; Gld 17.— VII. (S) Gld. 20.—; „ „ „ Gld. 23.— „ VIII. (T—Verst) Gld. 20.—; „ „ „ Gld. 23.— ,, IX. aflevering 1—8 (Verst—Voremont). Door de buitengewone verhooging, zoowel van papier- als van drukprijzen, is de prijs van het negende (en laatste) deel op Gld. 1.25 per aflevering gesteld. Woordenboek der Nederlandsche Taal, bewerkt door M. de Vries, L. A. te Winkel, E. Verwijs, P J. Cosijn, C. C. Uhlenbeck, W. L. de Vreese, J W. Muller, A. Lodewijckx, A Kluyver, A. Beets, G. J. Boekenoogen, J. Heinsius, J A. N. Knuttel en R. van der Meulen. gr. 8vo. Prijs per aflevering f 1.—. Jaarlijks verschijnen 5 a 6 afleveringen. Complete deelen: I, IH/S, EU/?, IV, V, VI, VIII >, IX, X, XI. Tez. 12 dln. Van de nog niet complete deelen verscheen: III afl. 26—27, VII afl. 1—7, VIII afl. 13, XII afl. 1—6 en XIII afl. 1-5. ,N.B. De oorspronkelijke prijs van de thans verschenen 179 afleveringen bedraagt f 164.926 of zooveel mogelijk gebonden in 12 halflederen banden ƒ 200.926. Voor nieuwe inteekenaren slechts ƒ 92.— of zooveel mogelijk gebonden ƒ 128. — . Wijk, N. van, Verslag van een reis naar de voornaamste centra van Slavische Wetenschap en Slavische Cultuur. (25 April—3 Augustus 1914) 1915. 8vo. ƒ 0.60