320 DAS ISRAËLITISCHE NEUJAHRSFEST PROEFSCHRIFT TER VERKRIJGING VAN DEN GRAAD VAN DOCTOR IN DE GODGELEERDHEID AAN DE RIJKS-UNIVERSITEIT TE UTRECHT OP GEZAG VAN DEN RECTOR-MAGNIFICUS DR C. G. N. DE VOOIJS, HOOGLEERAAR IN DE FACULTEIT DER LETTEREN EN WIJSBEGEERTE, TEGEN DE BEDENKINGEN DER FACULTEIT TE VERDEDIGEN OP DINSDAG 4 JULI 1933, DES NAMIDDAGS TE 2 UUR DOOR lAszló istvAn PAP GEBOREN TE SZENTES (HONGARIJE) A 43 VERLAG VON J. H. KOK — KAMPEN 1933 fe DAS ISRAËLITISCHE NEUJAHRSFEST Dem hochwürdigen Curatorium des Stipendium Bernardinums in tiefster Dankbarkeit gewidmet. DAS ISRAËLITISCHE NEUJAHRSFEST PROEFSCHRIFT TER VERKRIJGING VAN DEN GRAAD VAN DOCTOR IN DE GODGELEERDHEID AAN DE RIJKS-UNIVERSITEIT TE UTRECHT OP GEZAG VAN DEN RECTOR-MAGNIFICUS DR C. G. N. DE VOOIJS, HOOGLEERAAR IN DE FACULTEIT DER LETTEREN EN WIJSBEGEERTE, TEGEN DE BEDENKINGEN DER FACULTEIT TE VERDEDIGEN OP DINSDAG 4 JULI 1933, DES NAMIDDAGS TE 2 UUR DOOR lAszló istvAn pap GEBOREN TE SZENTES (HONGARIJE) VERLAG VON J. H. KOK - KAMPEN 1933 WOORD VOORAF. Het is mij een aangename taak op deze plaats allen dank te zeggen, die mij tijdens mijn akademische studie hier te lande, in het bijzonder bij den arbeid voor mijn dissertatie, met raad en daad hebben terzijde gestaan. Allereerst wil ik den Hooggeleerden Heeren leden van het Curatorium van het Stipendium Bernardinum, die mij niet alleen door het verleenen van een beurs in de gelegenheid gesteld hebben mijn studie in Holland gedurende twee en een half jaar voort te zetten, doch die het mij ook mogelijk gemaakt hebben een studiereis naar Egypte en Palestina te ondernemen, mijn oprechten dank betuigen. Ook was het de goedgunstige beschikking van het Hooggeachte Curatorium, die mij de toegang tot promoveeren heeft opengesteld. Aan U, mijn zeergeachte Promotor, Professor Dr. A. Noordtzij, betuig ik mijn groote erkentelijkheid voor al datgene, wat ik van U heb mogen leeren, zoowel op Uw colleges als bij de persoonlijke besprekingen aangaande teksten en andere kwesties; doch ook voor de zoo vriendelijke bereidwilligheid, waarmede Gij Uw kennis, tijd en bibliotheek te mijner beschikking steldet. In het bijzonder dank ik U echter voor de volle vrijheid die Gij mij, bij het samenstellen van het proefschrift, gelaten hebt. Ook U, Hooggeleerde Obbink, ben ik grooten dank verschuldigd, zoowel voor Uw onvergetelijke colleges en Assyrische lessen, alsook voor de hartelijke belangstelling, die Gij mij steeds betoondet en waarmede Gij mij tot grooten steun zijt geweest. Verder dank ik den Heer H. Herzog die zoo vriendelijk was de taalkundige correctie van mijn werk op zich te nemen. Ten slotte nog een woord van dank aan het personeel van de Universiteitsbibliotheek voor de mij betoonde welwillende hulp. Utrecht, 12 Juni 1933. 1. KAPITEL. Einleitung. Die Frage nach dem israelitischen Neujahrsfeste, die in der letzten Zeit so viel behandelt worden ist, hat noch immer keine endgültige Lösung erfahren. Das Werk von Mowinckel,x) — um nur das zu nennen — das so grosses Aufsehen erregt hat, hat doch keine allgemeine Anerkennung gefunden.2) Mit der Zeit erhoben sich immer mehr und mehr Stimmen gegen seine Hypothese und machten die Schwachen derselben deutlich. Wenn wir im Folgenden versuchen, dieses Problem zum Gegenstand unserer Untersuchung zu machen, tun wir es also in der festen Ueberzeugung, dass hinsichtlich dieser Frage das letzte Wort noch nicht gesprochen ist; im Gegen teil, für weitere Untersuchungen ist der Raum noch breit. Das Problem ist durchaus nicht so einfach, wie es im ersten Augenblick scheint. Es handelt sich hier nicht um ein bekanntes Fest, dessen Zeit und Riten wohlbekannt sind, sondern um ein Fest, worüber wir genauer erst in nachexilischer Zeit unterrichtet sind. Das, was man darüber in der vorexilischen Zeit behauptet, beruht auf Vermutungen. Doch, die Meinungen gehen so stark auseinander, dass wir uns auf keine der über das Neujahrsfest geausserten Hypothesen überlassen können, sondern müssen alles so untersuchen, alsob in dieser Frage noch nichts gesagt worden ware, und erst die Ergebnisse dieser unserer Arbeit den verschiedenen Hypothesen gegenüberstellen. Die erste, hier zu erörternde Frage ist die, nach der Zeit des Neujahrsfestes. Zwar glaubte schon Yolz3) feststellen zu dürfen, das 1) Psalmenstudien II, Das Thronbesteigungsfest Jahwas und der Ursprung der Eschatologie, Videnskapsselskapets skrifter, II. Hist. Filos. Klasse 1921, No. 6, Kristiana 1922. 2) Selbt Gunkel, der in seiner Einleitung in die Psalmen I, 1928, über Mowinckels Psalmenstudien II so urteilt, dass das Werk grossangelegt, originell und ausserordentlich reichhaltig sei (S. 100), bezeugt keine völlige Zustimmung. Vgl. a.a. O. §. 3. II. Mehr oder weniger gegen die Hypothese Mowinckels ausserten sich noch u. a. R. Kittel, Die Psalmen, Leipzig, 1929. 5—6. Auflage. Derselbe, G. V. I. III. §. 71, 3, §. 72, 10. Von Gall, Basileia tou theou, 1926, S. 21 ff. König, Die Psalmen; Eissfeldt, Z. A. W. 1928. S. 81 ff. Steuernagel, Preussische Kirchenzeitung 1928, No. 22—24. P. Béda Rigaux O.F.M. L'Antéchrist 1932, S. 14 ff. 3) Das Neujahrsfest Jahwes (Laubhüttenfest), Tübingen 1912. alte Herbstfest sei das Neujahrsfest Jahves gewesen, — was nach ihm auch Mowinckel und andere angenommen haben — aber ob diese Behauptung gerechtfertigt ist, muss von einer Untersuchung über das Wesen des Herbst-Laubhüttenfestes abhangig gemacht werden. Aber auch dies ist noch nicht das Entscheidende, sondern wir müssen auch einen Schritt weitergehen und die Frage aufwerfen: wann begann überhaupt das Jahr in Israël in der vorexilischen Zeit? Ist es anzunehmen, dass das Neujahrsfest vor dem Exil in den Herbst fiel, und erst in oder nach dem Exil ins Frühjahr verlegt wurde? Wenn das namlich nicht der Fall ist, so werden die Bedenken, die sich gegen die Identifizierung des Herbstfestes mit dem Neujahrsfest geltend machen lassen, noch schwerwiegender. Mit der Lösung dieses — für uns allerdings grundlegenden — Problems, haben wir aber nur den ersten Schritt getan, und wir müssen gleich zur Untersuchung samtlicher mit dem Neujahrsfest in Zusammenhang stehenden Hypothesen übergehen. Die Hauptrolle müssen hierbei selbstverstandlich die sogenannten Thronbesteigungspsalmen spielen. War doch eben die zuverlassige Deutung dieser Psalmengruppe für Mowinckel der Anlass zur Postulation seiner ganzen Neujahrs-Hypothese. Wie sind eigentlich diese Psalmen zu deuten? Zeitgeschichtlich, eschatologisch, oder kultisch? Bieten sie genügende Anhaltspunkte zu einer zeitgeschichtlichen Deutung oder haben diejenigen Recht, die das verneinen? Oder wenn nicht zeitgeschichtlich, wie dann: eschatologisch, oder kultisch? Können in der Tat sichere Andeutungen an ein grosses Thronbesteigungsfest Jahves aus diesen Psalmen ermittelt werden? Um hierauf eine Antwort zu bekommen, müssen sie mit einigen wirklich kultischen Psalmen verglichen werden. Und weiter, wenn die Unsicherheit einer kultischen Deutung sich ergeben hat, wie steht es mit der eschatologischen Deutung ? Ist sie wirklich zu verwerfen, wie Mowinckel und andere meinen? Spricht die Aktualitat dieser Psalmen und die in ihnen gebrauchten Perfecta gegen diesen Deutungsversuch oder lassen sich vielmehr diese Einwande gegen die eschatologische Deutung nicht leicht entkraften? Dies sind alles Fragen, die der Beantwortung harren, und auf deren Beantwortung bei der weiteren Untersuchung so viel ankommt. Es versteht sich von selbst, dass wir bei der Exegese dieser Psalmen auch Gelegenheit haben müssen, in die Eschatologie Israels einen Bliek zu werfen. Auch mit der Exegese der Thronbesteigungspsalmen ist aber noch nicht alles getan. Sie sind wohl von grossem Belang bei der Beurteilung der Thronbesteigungshypothesen, aber für die Frage, ob ein Thronbesteigungsfest Jahves in vorexilischer Zeit bestand, können sie doch nicht entscheidend sein. Wir müssen vielmehr allen Quellen nachgehen, die sich angeblich auf dieses Fest beziehen sollen, um feststellen zu können, ob und inwiefern diese Stellen sichere oder wenigstens wahrscheinliche Andeutungen auf das genannte Fest haben. Natürlich kann bei diesem Verfahren die Verfassungszeit der betreffenden Stelle nicht ausser acht gelassen werden, zumal wir es hier mit einem Fest zu tun haben, das in der vorexilischen Zeit seine Blüte gehabt haben soll und nach dem Exil mit dem Fehlen des Verstandnisses für den wahren Kult, aus dem religiösen Leben des Yolkes verschwand. 4) Eben deshalb wollen wir schon hier betonen, dass eigentlich zuerst nur Stellen des Alten Testaments in Betracht kommen können und die Angaben der Mischna nur nach einer gründlichen Kritik zu verwenden sind, da die Entstehungszeit dieser Schriften (hier kommt für uns die Rosch ha-schana in Frage) erst in spat nachexilische oder sogar in nachchristliche Zeit fallt, und so die eventuellen Angaben derselben bei der Postulation eines ausgesprochen vorexilischen Festes nicht ohne Weiteres zu verwerten sind. Und wenn wir das alles getan haben, bleibt noch immer das Entscheidendste übrig. Die Ergebnisse der bisherigen Untersuchungen mögen sie positiv oder negativ ausfallen — können nur darauf eine Antwort geben, ob wir Angaben für ein Thronbesteigungsfest Jahves — es sei im Alten Testament oder in der Tradition — haben. Aber selbst wenn wir gar keinen aufzuweisen vermogen, bedeutet dieser Umstand doch nicht unbedingt, dass das Fest nicht existiert haben kann, sondern nur soviel, dass wir jetzt keine Angaben mehr darüber besitzen. Deshalb könnte es aber doch existiert haben. Die Antwort auf diese Frage, ob nun die Möglichkeit besteht für die Existenz eines solchen Festes im vorexilischen Israël, hangt von einer anderen Frage ab; davon namlich, was man im alten Israël unter Kultus verstanden hat, und welche Stelle der Kultus im religiösen Leben Israels einnahm? Wenn nun die Untersuchung dieses Problems ergibt, dass der Kultus im religiösen Leben des alten Israels eine sehr wichtige Rolle spielte, dann besteht die Möglichkeit, dass das Thronbesteigungsfest Jahves existiert haben kann, im anderen Falie ist es aber einfach ausgeschlossen. Ganz undenkbar ist namlich, dass in einem Volk, wo man für den Kultus kein oder sehr wenig Interesse hat, die Hauptbetatigung der Religiösitat mit einem Fest, also doch im Kultus ausgeübt, verbunden gewesen ware. Das heisst mit anderen Worten: in diesem Fall haben wir gar kein Recht mehr zu der Postulation eines solchen Thronbesteigungsfestes. Hier, das heisst bei der Frage nach dem Kultus in Israël, müssen wir unsere Aufmerksamkeit noch auf ein anderes, verwandtes Gebiet lenken, das so oft und gern herbeigezogen wird, namlich auf die babylonisch-assyrische Welt. Seit den Untersuchungen der letzten 4) Dies sind eigentlich Worte Mowinckels. Siehe a.a. O. S. 189, 208 u. ö. Jahrzehnte steht das babylonische und auch das assyrische Neujahrsfest ganz klar vor uns.B) Die Betrachtung desselben wird wieder viel zu der Beurteilung der Möglichkeit eines Thronbesteigungsfestes im alten Israël beitragen. Zwar kommt hier nicht so sehr das babylonisch-assyrische Fest als Ganzes in Betracht, sondern vielmehr die Motive desselben. Wir müssen — wenn auch per tangentem — in das religiöse Leben und Denken des Volkes einen Einblick gewinnen, von welchem wir wissen, dass in dessen Mitte ein Thronbesteigungsfest des Gottes tatsachlich vorgekommen ist und bestanden hat. Und nachdem wir das gewonnen haben, müssen wir dieses Bild mit dem anderen vergleichen, was wir über das religiöse Leben und Denken des alten Israels haben und sehen, ob und inwiefern zwischen den beiden Analogien bestehen. Wenn sich namlich ergeben wird, dass das religiöse Leben und Denken in Babylonien-Assyrien ganz anders geartet war als in Israël, so werden wir der Hypothese über das Neujahrsfest-Thronbesteigungsfest in Israël nicht viel Wahrscheinlichkeit beimessen dürfen. Denn das wird mir jedermann zugeben können: Israël ist nicht ohne Weiteres mit Babylonien-Assyrien und Jahve nicht mit Marduk gleichzusetzen! Falls mit dieser letzten Etappe die ganze Mowinckelsche Hypothese über das Neujahrsfest erledigt ist, bleibt die Frage noch übrig: wenn nicht die, was dann? Erst jetzt können wir nun das Problem des eigentlichen Neujahrsfestes — so, wie wir es im Alten Testaments vor uns haben — aufnehmen. Wann begann man das Neujahrsfest zu feiern, zu welcher Zeit wurde es gefeiert, und was für einen Charakter besass das Fest? Unsere Abhandlung führt den Titel: „Das israelitische Neujahrsfest". Schon von hier aus kann der Leser leicht ersehen, was wir damit zum Ausdruck bringen wollen. Wir wollen uns bei der Untersuchung des israelitischen Neujahrsproblems auf das Alte Testament beschranken und ziehen die Mischna und das nachbiblische Judentum überhaupt nur sofern in Betracht, als es für die Beurteilung der Hypothesen über das israelitische Neujahrsfest notwendig ist. Der E) Siehe vor allem die Arbeiten von H. Zimmern, Zum babylonischen Neujahrsfest. I. II, in Berichte über die Verhandlungen der KöniglichSachsischen Gesellschaft der Wissenschaften. Filol. Hist. Klasse 58, 3 (1906), 70, 5 (1918) und Das babylonische Neujahrsfest, Der Alte Oriënt, 25, 3. Ferner: F. M. Th. Böhl, Mimus en drama op het Babylonische Nieuwjaarsfeest, Stemmen des Tijds, X. Derselbe, Nieuwjaarsfeest en koningsdag in Babylonië en in Israël, 1927. E. F. Weidner, Die Fahrt zum Neujahrsfest, Nieuwe theologische Studiën, VI, 1923; Th. Dombart, Esagilla und das grosse Mardukfest zu Babyion, Journal of the Society of Oriental Research 1924; Sven Aage Pallis, The Babylonian Akitu festival, Kobenhavn 1926. Vgl. noch V. A. B. I. No. 81, 85; IV. 115, 129, 153, 157, 161, 169, 235, 261, 285. Grund, warum wir diese Schranken für uns aufgestellt haben, obgleich das Neujahrsfest im religiösen Leben des Judentums eine durchaus grosse und wichtige Rolle spielte, besteht darin, dass schon das Problem des Neujahrsfestes innerhalb des Rahmens des Alten Testaments eigentlich ein ganzes Problem-komplex in sich einschliesst und die Beschreibung und Beurteilung des Neujahrsfestes im Judentum wieder eine ganz selbstandige Arbeit erfordert. Ueber die Methode unserer Arbeit haben wir bereits oben bemerkt, so, dass es jetzt genügt darauf hinzuweisen, dass wir erst eigentlich eine „tabula rasa" machen wollen, um uns von den Hypothesen möglichst nicht beeinflussen zu lassen. Wir wollen nur die Ergebnisse unserer Arbeit mit den Ergebnissen anderer Forscher vergleichen und auseinandersetzen. Schon daraus ist es verstandlich, dass wir bei der Literatur nach keiner Vollstandigkeit strebten, sondern nur das Notwendigste herbeigezogen haben. Ob dieses Verfahren nun Vor- oder Nachteil der Arbeit ist, mussen wir der Beurteilung der Kritik überlassen. 2. KAPITEL. Hypothesen über das Neujahrsfest. P. Volz. S. Mowinckel. Bevor wir uns zu unserer eigentlichen Aufgabe wenden, mochten wir gerne erst — zur Orientierung — mit wenigen Worten die über das Neujahrsfest aufgestellten Hypothesen schildern, damit wir gleich im Stande sind, einen Einblick in den gesammten, mit dem israelitischen Neujahr zusammenhangenden Problemenkomplex zu gewinnen. Deren sind es zwei, die wir hier aufführen wollen, die eine ist mit dem Namen Volz', die andere mit dem Mowinckels verbunden. Im Jahre 1912 erschien als 67. Nummer der Serie „Sammlung gemeinverstandlicher Vortrage und Schriften aus dem Gebiet der Theologie und Religionsgeschichte" ein Heft, aus der Feder Volz', das betitelt war: Das Neujahrsfest Jahwes (Laubhüttenfest). Wie wir schon aus dem Titel ersehen können, wird hierin von dem Verfasser die Vermutung ausgesprochen und zu beweisen versucht, dass das alte Herbstfest (spater Laubhüttenfest genannt) mit dem Neujahrsfeste gleichzusetzen sei. Als Zeit der Untersuchung und der Beschreibung des Festes wahlt Volz zwar das Zeitalter Jesu Christi, aus dem die Quellen am reichlichsten fliessen, aber das so gewonnene HerbstNeujahrsfest glaubt er bis in die alteste Zeit verlegen zu können. *) *) Vgl. S. 2. und 39. Die Hauptlinien seiner Beweisführung sind ungefahr folgende: in der nachexilischen Zeit bestanden in Israël nur zwei wichtige Jahresfeste: das Passah im Frühjahr und das Laubhüttenfest im Herbst. Das Aeltere von ihnen war das Laubhüttenfest. 2) Dieses wird auch schlechthin als „chag" bezeichnet. Es ist auch natürlich, dass dies so ist. Jeder Gott hat doch seinen „Tag" einmal im Jahr.3) Und wie nun in Babylonien-Assyrien dieser Tag zugleich das Neujahrsfest war, so auch in Israël.4) Der naturgemasse Anfang des Jahres ist in Palastina der Herbst; damit lasst auch der „Bauernkalender von Gezer" das Jahr beginnen. Auch Ex. 23 : 165 und 34 : 225 lautet: das Herbstfest sei zu feiern, „wenn das Jahr herausgeht" bzw. „mit der Wende des Jahres". Aber nicht nur diese Stellen bekunden den Anfang des Jahres im Herbst, sondern auch Deut. 31 : 10: „Am Anfang des Erlassjahres, am Hüttenfest wird das Gesetz verlesen; in der Synagoge schliesst der einjahrige, bzw. dreijahrige Turnus der Toralektüre mit dem Hüttenfest und beginnt von vorne an dem darauf folgenden Sabbath" und „als das Neujahr in das Frühjahr verlegt wurde, musste man auch ein grosses Frühjahr-Jahwefest haben." 5) Dieses Herbst-Neujahrsfest hatte nach Volz ursprünglich einen historisch-geistigen Charakter. Es war ein Tag zum Andenken an die Schöpfung, den Weltanfang und die Gründung der Gemeinde, also den Beginn der Herrschaft Gottes. 6) Auch der Gerichtsgedanke fehlt nicht, und weil der letzte Jahresschluss eben „der Tag Jahves" ist, ist damit auch die eschatologische Stimmung mit dem Feste verbunden. 7) Der Umstand, dass in unseren Berichten über das Herbstfest dasselbe vielmehr als ein „bauerlich-materielles" vor uns steht, hat seinen Grund darin, dass das alte Jahvefest in den neuen Verhaltnissen in Kanaan umgestaltet wurde und sich der anders gearteten Lebensweise anpasste. Dieser Charakter ist aber sekundar.8) Auch das Wohnen in Laubhütten an diesen Tagen hat nichts mit dem In-Hütten-Wohnen wahrend der Weinlese zu tun, sondern ist vielmehr ein Nachbilden des Tuns der Gottheit. „Weil die Gottheit im Zeit erscheint, wohnen an ihrem Erscheinungstag auch die Kuitgenossen im Zeit bzw. in Zweighütten." 9) Das ist die kurze Zusammenfassung dessen, was Volz in diesem 2) S. 1. *) S. 7 f. 4) S. 13. 5) S. 13 f. «) S. 14. 7) S. 15. 8) S. 16 f. 9) S. 22. Büchlein über das Neujahrsfest Jahves sagt, wobei die Riten der nachexilischen Zeit natürlich unbeachtet geblieben sind. Da wir unten bei der Besprechung des Laubhüttenfest-Neujahrsfest-Problems auf seine hier geschilderte Hypothese zurückkommen müssen, werden wir jetzt auf die Kritik derselben verzichten und gleich auf die Schilderung der Hypothese Mowinckels übergehen. Viel gründlicher und ausführlicher als Volz behandelt das Problem Mowinckel in seinen Psalmenstudien II unter dem Titel: Das Thronbesteigungsfest Jahwas und der Ursprung der Eschatologie. Obwohl er ganz unabhangig gearbeitet hat, stimmen seine Ausführungen über das Neujahrsfest im grossen und ganzen mit denen Volz' überein. Nur hat das Fest durch die Arbeit Mowinckels einen einzigartigen Charakter bekommen, das dadurch, dass aus ihm die Eschatologie entstanden war, auch auf das Judentum und Christentum grossen Einfluss ausgeübt haben soll. Im Folgenden werden wir nun versuchen die Hauptgedanken dieser Arbeit Mowinckels kurz und ganz ohne Polemik wiederzugeben. Anlass und zugleich Ausgangspunkt zur Untersuchung dieser Frage boten für Mowinckel einige Psalmen, für die die Worte: mrv charakteristisch sind.10) Die Exegese dieser Psalmen ergab für ihn, dass die zeitgeschichtlich nicht sicher erklart werden können.11) Aber nicht nur die zeitgeschichtliche, sondern auch die eschatologische Erklarung findet er unberechtigt.12) Bei der eschatologischen Erklarung bleibt namlich die Aktualitat derselben unbegründet, und ferner ist mit keinem Wort gesagt, und auch unverstandlich, dass die Perfecta dieser Psalmen auf die Zukunft zu beziehen sein sollten. Deshalb muss man eine andere, bessere Erklarung suchen, die nur die kultische sein kann. Denn was ist eigentlich der Kult? Der Kult ist eine dramatische Handlung. Er ist aber auch zugleich Wirklichkeit. Was man spielt, das ist man nach primitiver Anschauung. Darum ist der Kult ein wirkliches und Wirklichkeit hervorbringendes Drama. Dieses Drama stellt ein Stück der Geschichte des Lebens der Gottheit dar, und so ist es die Wiederholung und Wiederbelebung grundlegender Heilstatsachen. Diese Wiederholung wird dadurch notwendig, weil eben nach primitiver Meinung nichts unendliche Dauer hat, und ohne Wiederholung verliert jede Handlung ihre Kraft.13) In Israël hatte man nun schon sehr früh die Vorstellung, dass 10) Diese Psalmen sind: Pss. 47 (wo aber eigentlich "1^0 n,n'\V steht) 93, 96—99. In Psalm 98 kommt das Stichwort "]^Q ni!T nicht vor, doch können wir ihn mit den anderen zu einer Gruppe nehmen. Darüber weiteres siehe unten S. 61. 11) Vgl. Teil I. Kap. I. 3. a. 12) Vgl. a.a.O. 3. b. 13) Vgj a.a.o. 4. b. Jahve König ist. Aber wenn es so ist, dann musste man das auch erzahlt haben, wie und wann er König geworden war, und sein Königwerden, d. h. seine Thronbesteigung musste im Kult wiederholt werden, eben aus den oben genannten Gründen.14) Ja, es bestand in Israël ein grosses Fest, das Thronbesteigungsfest Jahves, und mit diesem Fest stehen die genannten Psalmen in Zusammenhang. Dieses Fest fand im Herbst statt und war identisch mit dem — in den spateren legislativen Bestandteilen des Pentateuchs Laubhüttenfest genannten — grossen Herbstfest. Es war eigentlich ein Neujahrsfest, was man aus Ex. 23 : 16b und 34 : 22b noch gut ersehen kann.15) Dass dieses Thronbesteigungsfest in der Tat am Neujahr bestand, dafür burgen nicht nur die schon genannten nw Psalmen, deren kultische Bestimmung also hierdurch für Mowinckel als gesichert erschienen, sondern auch andere Stellen des Alten Testaments, die auf dieses Fest zu beziehen sind. So vor allem I Kön. 8, vielleicht auch II Sam. 6. und deren Parallele in der Chronik. Hier ist zwar scheinbar über eine einzige Handlung die Rede, aber in Wirklichkeit ist die Thronbesteigung Jahves gemeint. Das kann man schon daraus folgern, dass I Kön. 8. im Herbst, am grossen Herbstfest spielt. Die Chronik gibt auch Psalm 96. an, welcher bei der in II Sam. 6. geschilderten Gelegenheit angeblich gebraucht wurde: dieser Psalm ist aber bekanntlich ein "|^a mrp Psalm. Ferner beruft sich Mowinckel auf Neh. 8 : 10, wo das Neujahrsfest als besonderer Festtag Jahves erscheint; auf Num. 23 : 21, in welchem — jedenfalls alten — Bericht die „teruath-melekh" in Israël als Sitte bezeugt ist; auf Sach. 14 : 16, wonach auch die Völker das Laubhüttenfest feiern und den König Jahve anbeten werden; und endlich auf Hos. 7 : 5, wo von dem Tag „unseres Königs" die Rede ist, worunter Mowinckel das Thronbesteigungsfest versteht.xe) Aber nicht nur durch diese biblischen Stellen — wozu er noch eine Menge Psalmen nimmt — sieht Mowinckel seine Hypothese bestatigt, sondern auch durch die Tradition. In der Tradition erscheint namlich das Neujahrsfest als der Tag des Schofarblasens, der Königsherrschaft Jahves, der Schöpfung und des Gerichts. Dazu kommt noch, dass die Tradition einige Psalmen als Neujahrspsalmen bezeichnet, die Mowinckel als Thronbesteigungspsalmen erklart.17) Das Zentrum dieses ganzen Festes war nun eine grosse Prozession, in deren Mitte Jahve — das heisst sein Symbol, die Lade —: auf den «) Siehe S. 39 und S. 45. 15) Vgl. Teil I, Kap. II, 2. 16) Vgl. Teil I, Kap. I, 4, d. Kap. II, 2, a. Kap. IV, 1. 17) Diese Psalmen sind Pss. 47. und 81. Vgl. Teil I, Kap. 4. d. Kap. II. 2. a. Zion gebracht wurde, womit die eigentliche Inthronisation vollzogen war.1S) In diesem Augenblick brach die festfeiernde Menschenmenge in lauten Jubel aus: nw Jahve ist König geworden. Hierzu vergleiche man das babylonisch-assyrische Mardukma sarru des Schöpfungsepos Enuma elis. Den Hintergrund zu diesem Fest bildeten verschiedene Mythen: so eine Exodusmythe, welche eigentlich den Streit Jahves mit dem Drachen darstellte und erst spater auf den Aufzug aus Aegypten übertragen wurde. Noch spater war der Schauplatz dieses Streites in der Nahe Jerusalems und war gegen die Feinde Israels gerichtet. So ist langsam aus dem Streit Jahves mit dem Drachen ein Gericht über die Völker geworden.1B) Die Entstehung dieses Thronbesteigungsfestes wird von Mowinckel in die alteste Zeit verlegt.20) Seine Existenz dauerte aber nur bis zum Exil. Das Exil mit dem Verlorengehen der Lade und mit dem Schwinden des Verstandes für den wahren Kult war für unser Fest verhangnisvoll. Nach dem Exil spielte es keine Rolle mehr. Die Religion des nachexilischen Judentums ist keine Kultusreligion mehr, sondern eine Gesetzreligion, wo für ein solches, rein kultisches Fest kein Platz mehr ist. Dieser Umstand macht es dann auch verstandlich, warum wir über dieses Fest, das in der vorexilischen Zeit doch das Fest schlechthin und die Hauptbetatigung der israelitischen Frömmigkeit war, im Gesetz keine sicheren Angaben, sondern nur Spuren davon haben.21) Vor seinem Yerschwinden — also vor dem Exil — hat aber das Fest schon die Eschatologie hervorgebracht. Denn Mowinckel sagt: „Die Eschatologie ist dadurch entstanden, dass alles, was man ursprünglich als unmittelbare, sich im Laufe des Jahres verwirklichende Folgen der im Kult erlebten alljahrlichen Thronbesteigung Jahwas erwartete, in eine unbestimmte Zukunft hinausgeschoben wurde." 82 ) lm Titel dieses Kapitels haben wir nur zwei Namen genannt, den Namen Volz' und den Mowinckels, weil eben diese beiden Gelehrten die Begründer einer neuen (Volz) oder wenigstens mehr ausgebrei, teten (Mowinckel) Hypothese über das israelitische Neujahrsfest sind. Wenn wir nun im Folgenden noch weitere zwei Namen nennen, geschieht das mehr der Vollstandigkeit halber, denn sie haben im Wesentlichen nichts neues gegeben. H. Schmidt hat schon in seiner Recension über Mowinckels Psalmenstudien II.23) seine Sympathie für die Mowinckelsche Hypothese gezeigt, und in seinem Büchlein: 1S) Vgl. Teil I Kan. II 3 c. 19) Vgl. Teil I Kap. II 1 a—f. 20) Vgl. Teil I Kap. IV 3. 21) Vgl. Teil I Kap. I 4 c. Kap. IV 4. 22) Vgl. Seite 226. 23) Th. L. Z. 1924 No. 4/5 Spalte 77—81. Pap 2 Die Thronfahrt Jahves24) führt er nur die Gedanken Mowinckels auf sehr anschauliche Weise weiter. Doch, man kann bei ihm bereits merken, dass er die Uebertreibungen Mowinckels — vor allem in der Beurteilung der Psalmen — gesehen hat.25) Freilich aber ist er selbst wieder bei anderen Fragen noch weiter gegangen als Mowinckel. Auch der hollandische Alttestamentler und Oriëntalist F. M. Th. Böhl hat sich in seiner Leidener Antrittsrede mit diesem Problem beschaftigt, und übernahm die Ergebnisse der Arbeit Mowinckels.28) Da diese beiden Letztgenannten im grossen und ganzen mit Mowinckel übereinstimmen, so werden wir sie im Laufe unserer Untersuchung ausser acht lassen dürfen und bei der Besprechung der verschiedenen Probleme nur die Arbeiten Yolz' und Mowinckels berücksichtigen. 3. KAPITEL. Der Jahresanfang im vorexilischen Israël. Nachdem wir in den zwei ersten Kapitein eine allgemeine Ein1'ührung in den mit dem israelitischen Neujahrsfeste verbundenen, gesammten Problemenkomplex gegeben und dadurch ein ungefahres Bild darüber bekommen haben, welche Fragen wir hier zu bewaltigen haben, können wir nun auf die eigentliche Arbeit übergehen und die einzelnen Probleme nacheinander behandeln. Doch beginnen wir nicht mit der Besprechung der im 2. Kapitel erwahnten Hypothesen, sondern mit dem Versuch der Lösung einer grundlegenden Frage, namlich der nach dem Beginn des israelitischen Jahres im vorexilischen Zeitalter. Wann begann das Jahr im alten Israël? Auf welche Jahreszeit fiel also der Jahresanfang, auf den Herbst oder auf das Frühjahr? Für einen Laien scheint diese Frage sehr einfach zu sein. Die Juden feiern doch in jedem Jahr das Neujahrsfest mit der Jahreswende, 24) Sammlung gemeinverstandlicher Vortrage und Schriften aus dem Gebiet der Theologie und Religionsgeschichte, No. 122, Die Thronfahrt Jahves am Fest der Jahreswende im alten Israël, 1927. 35) Vgl.: „gar keine Beziehung vermag ich zu entdecken zwischen dem geschilderten Fest und Gedichten wie Pss. 123, 131, 130, 133, 126, um nur diese zu nennen. Es ist schade, dass die Bezeichung dieser Lieder als m>l?Qn rVIP den Verfasser verleitet hat, auch sie vom Kult aus verstenen zu wollen." „Auch ein Abschnitt, wie Jes. 6 gehort nicht unmittelbar den Kreis dieser Untersuchung..." Th. L. Z. 1924, Spalte 78. 2e) F. M. Th. Böhl, Nieuwjaarsfeest en koningsdag in Babylonië en m Israël, Groningen 1927. und diese Jahreswende wird von ihnen auch heute noch am gleichen Tage gefeiert, wie es im Gesetz vorgeschrieben steht, das heisst am ersten des siebenten Monats, also im Herbst. x) In der Wirklichkeit ist die Sache aber gar nicht so einfach. Im Gegenteil! Wenn wir nur diese eben genannte Vorschrift nehmen, finden sich darin zwei Neujahre: eines am ersten des siebenten, und das andere am ersten des ersten Monats, da der offizielle Jahresanfang doch am ersten des ersten Monats ist.2) Noch viel schlimmer ist die Sache im Alten Testament selbst. Ueber ein Neujahrs/esi steht namlich im Alten Testament direkt kein Wort. Was man darüber vermutet, ist nicht wahrscheinlich. Man3) nimmt zwar an, in Lev. 23 : 24 und Num. 29 : 1 sei ein Neujahrsfest am 1. des siebten Monats und in Lev. 25 : 9 ein Neujahrsfest am 10. desselben Monats vor uns, doch der Text der zitierten Stellen berechtigt diese Annahme keinenfalls. Die Tatsache namlich, dass in Lev. 23 : 24 und in Num. 29 : 1 der erste Tag des siebten Monats als Festtag bezeichnet wird, an welchem Horn geblasen werden soll «und keine Arbeit verrichtet werden darf, wird viel eher einfach mit der besonderen Stélle des ersten Tages des siebten Monats in Verband stehen. Das bedeutet aber noch nicht, dass dieser Tag das Neujahrsfest gewesen sein soll, denn darüber steht im Text kein Wort. Ebensowenig kann auf Grund von Lev. 25 : 29 angenommen werden, dass das Neujahrsfest ursprünglich am 10. des siebten Monats gewesen sein soll. Das war ja der Versünungstag der jom ha-kippurim! Falls diese Schwierigkeiten gegen die Annahme eines Neujahrsfestes auf Grund der obigen Stellen nicht bestanden, würden diese Stelle doch immer nur für eine spatere Zeit massgebend sein. Denn in den altesten Festkalendern (Ex. 23, 34, Deut. 16) steht über ein Neujahrsfest am 1. oder am 10. des siebten Monats noch gar nichts. Dabei ist aber die Frage nach dem Neujahrsfest in der alteren vorexilischen Zeit und damit die Frage überhaupt nach der Jahreswende im alten Israël offen geblieben. Wenn wir nun die Angaben des Alten Testaments, die sich bei dieser Frage aufführen lassen, betrachten wollen, so ist das Erste, was ins Auge fallt, der bedauernswerte Umstand, dass das Material viel zu wenig ist, um ein klares Bild hinsichtlich dieses Problems bekommen zu können. Das hat sehr verschiedene Ursachen. Zunachst konnten die Verfasser der kanonischen Bücher naturgemass nicht damit rechnen, dass wir, Kinder einer viel spateren Zeit, genaueres 1) Siehe Fiebig, Rosch ha-schana, Giessen 1914, S. 74—75. 2) Vgl. a.a.O. !) Siehe Eissfeldt RGG2 II. Sp. 555 unter Feste II 4 a. über einige Fragen wissen mochten. Sie haben in erster Linie für ihre eigenen Zeitgenossen geschrieben, bei denen sie viel voraussetzen konnten, und deshalb sind uns über solche Fragen keine genauen Angaben überliefert worden. Wir müssen aber dabei noch etwas bemerken. Es ist bekannt, dass die Bücher der Könige und Chronik erst exilischen, bzw. nachexilischen Ursprungs sind. Das bedeutet aber zugleich, dass wir die Angaben dieser Bücher über die Zeitrechnung für die Königszeit nicht ohne weiteres verwerten können. Es versteht sich namlich von selbst, dass ein Geschichtsschreiber bei den chronologischen Angaben seines Werkes die Rechnungsweise seiner eigenen Zeit und nicht die einer vergangenen Zeit braucht, vorausgesetzt, dass inzwischen eine Aenderung in der Zeitrechnungsweise eingeführt worden war. Bei der Beurteilung der Frage nach der Jahreswende im alten — königlichen und vorköniglichen — Israël dürfen also die Angaben der oben genannten Bücher nur mit Vorsicht angeführt werden. Ganz sichere Anhaltspunkte würden eigentlich nur die prophetischen Bücher bieten, da wir über die Entstehungszeit derselben am besten orientiert sind. Andererseits liegt es aber in der Natur der Sache, dass in diesen Büchern sich nur ausserst wenige Angaben finden lassen, und deshalb müssen wir eben alle uns zu Verfügung stehenden Stellen des Alten Testaments in Betracht ziehen. Gestützt auf Ex. 23 : 16 und 34 : 22 — wo das Herbst-Lesefest mit nitcn nxv bzw. rwn nsipn in enge Beziehung gebracht wird — hat man nun behauptet, die Jahreswende im alten Israël sei im Herbst gewesen.5) Darin stimmten die Meinungen im grossen und ganzen überein. Aber nicht mehr bei der weiteren Frage, ob diese, das Jahr mit dem Herbst beginnende, Rechnungsweise sich im Laufe der Zeit behauptet hat, oder ob eine Aenderung eingeführt worden ist. Indem namlich die meisten annehmen, diese Zeitrechnung habe sich bis zum Exil oder jedenfalls kurz vor das Exil behauptet, und erst um diese Zeit sei ein Jahresanfang im Frühling eingeführt worden, versucht z.B. Schiaparelli zu beweisen, dass eine Aenderung schon sehr früh, vielleicht unter Salomo eingetreten ist.8) Er behauptet namlich, dass II Sam. 11 : 1 bereits einen Frühlingsjahresanfang voraussetzt. Aenlich auch I Kön. 20 : 22, 26; II Chron. 24 : 23; 30 . 2, 15, 35 : 1 und Jer. 36 : 22. Danach würde also die Aenderung zwischen Ex. 23 : 16 und 34 : 22 einerseits und II Sam. 11 : 1 anderseits 5) So schon A. Dillmann, Ueber des Kalenderwesen der Israeliten vor dem babylonischen Exil, Monatsberichte der Berliner Akademie 1882, S. 915 ff. 6) G. Schiaparelli, Die Astronomie im Alten Testament, S. 102 f. Vgl. auch J. Lewy, Forschungen zur alten Geschichte Vorderasiens, Leipzig 1925; F. X. Kugler, Von Moses bis Paulus 1922; E. Mahler, Handbuch der jüdischen Chronologie, 1916. fallen, das heisst, nach Schiaparelli in die Zeit Salomos. Im Folgenden stellen wir uns nun die Aufgabe, alle in Betracht kommende Stellen gründlich und genau zu untersuchen, um letzten Endes daraus eine Folgerung hinsichtlich dieser Frage ziehen zu können. Zuerst wollen wir etwas naher betrachten, inwieweit die mehr oder weniger allgemein verbreitete Behauptung, das Jahr im alten Israël sei mit dem Herbst begonnen, berechtigt ist. Hier müssen wir uns aber vor allem darüber Klarheit verschaffen, was wir unter einem Jahr verstehen. Wenn wir es namlich einfach mit dem ökonomischen Jahr gleichstellen und so unter einem Jahr die Zeit verstehen, die von der Saat bis zur Ernte verlauft, und nicht einen kalendarisch festgesetzten Zeitraum, dann können wir die obige Behauptung ruhig annehmen. Denn ein solches, landwirtschaftliches Jahr ist in Ex. 23 : 16 und 34 : 22 sicher gemeint. Dass aber nur dies und kein kalendarisches Jahr gemeint ist, ist aus den allgemeinen, einen gewissen Zeitraum zulassenden Angaben (nwa bzw. nsipn) gut ersichtlich. Fraglich ist nun, ob man sich — wenigstens seit der Einführung des Königtums — mit einer Zeitrechnung nach dem landwirtschaftlichen Jahr begnügt hat. Oder hat man vielmehr das Bedürfnis eines kalendarisch geregelten Jahres empfunden und demgemass auch eine entsprechende Zeitrechnung eingeführt? In den sogenannten Festkalendern des Exodus, worin die drei grossen Jahresfeste beschrieben sind, lesen wir über das Herbstfest folgendermassen: mtsrqa nx -J2DN1 rwn nxxa c]DXn jm (Ex. 23 : 16ö) bezw.: n:trn nsipn rfONn jm (Ex. 34 : 22b). Aus diesen Berichten glaubte man erschliessen zu können, dass wir hierin zweifellos Angaben für eine Jahreswende im Herbst haben. Nach dieser allgemein angenommenen Auffassung sollten die Ausdrücke rutyn DNï und rucn nsipn nichts anderes bedeuten, als eben die Wende des Jahres, mit anderen Worten das Neujahr. Im allgemeinen ware nun diese Gleichstellung richtig, doch nur, sofern man das oben Gesagte vor Auge halt. Hier muss namlich die Frage wieder betont werden, ob mit dieser Jahreswende das kalendarische Neujahr gemeint ist? Und auf diese Frage müssen wir mit einem entschiedenen „Nein" antworten. Nein, mit diesen Ausdrücken kann nur die Jahreswende des ökonomischen Jahres gemeint sein. Das wird schon durch die einfache Tatsache nahe gelegt, dass die hier aufgezahlten Feste ohne Ausnahme einen ausgesprochenen landwirtschaftlichen Charakter tragen und daher nicht überal am selben Tage gefeiert werden können, sondern abhangig sind von allerlei klimatologischen Verhaltnissen. Dies wird noch durch die folgenden Umstande bestatigt. Dieses Herbst-Lesefest, worüber wir in Ex. 23 und 34 lesen, wurde im israelitisch-jüdischen Reich am 15. des 7. Monats begangen. — wie es auf Grund von I Kön. 12 : 32 f. anzunehmen ist. Bei der Reichsspaltung unter Rehabeam und Jerobeam verlegt aber letzterer das Fest für das Reich Israël auf den 15. des 8. Monats. ') Warum hat er das getan? Nur um die Unabhangigkeit seines Reiches auch dadurch zum Ausdruck zu bringen? Das ist doch nicht wahrscheinlich. Vielmehr ist es anzunehmen, dass diese Tat Jerobeams mitunter auch ganz natürliche Gründe hatte. Das Lesefest war doch ein Dankfest für den Ertrag des Jahres nach der Einholung der Früchte. Im südlichen Juda konnte man das wohl schon am 15. des 7. Monats feiern, aber nicht mehr im nördlichen Israël. Deshalb fand es Jerobeam nötig, dieses Dankfest um einen Monat zu verlegen und auf den 15. des 8. Monats festzusetzen. Dieser Umstand zeigt aber auch, dass an den genannten Stellen die Ausdrücke rutfn HNï und nsnpn nicht die Jahreswende eines offiziellen kalendarischen Jahres bedeuten, sondern nur die eines ökonomischen. Im ersteren Falie ware es ganz unbegreiflich, warum man diese Jahreswende auf den 15. des 8. Monats verlegt, im letzteren ist es aber ganz natürlich. Daneben müssen wir auch einen anderen Umstand hervorheben, der wieder gegen die Gleichstellung der oben genannten Ausdrücke mit dem kalendarischen Neujahr spricht. Und das ist die einfache Tatsache, worauf uns schon Dillmann aufmerksam gemacht hat, dass überall im Gesetz und an erster Stelle hier in Exodus bei der Aufzahlung der Feste immer die Mazzoth vorangestellt ist und das Herbstfest als letztes erscheint. Also ist die Reihe der Feste: Mazzoth-Wochen-Herbstfest. Daraus hat Dillmann m. E. mit Recht den Schluss gezogen, dass für die Schreiber dieser Festkalender das Jahr schwerlich im Herbst begonnen haben kann, sondern vielmehr im Frühjahr; anders hatten sie die Reihe der Feste doch wohl mit dem Herbstfest anfangen müssen. Darauf werden wir aber unten noch zurückkommen. Eine ganz andere Auffassung vertritt J. Begrich in seinem Buche: Die Chronologie der Könige von Israël und Juda, Tübingen 1929, S. 66 ff. Nach Begrich haben wir in Ex. 23 und 34 Herbstdatierungen, doch ist das kalendarische Jahr nicht identisch mit dem ökonomischen. Das folgert er aus dem Ausdruck rwn nwt, welcher nur den Beginn des Jahres bedeuten kann. Ursprünglich fiel das Lesefest vor das Ende des kalendarischen Jahres (rwn nspra) aber aus klimatologischen Gründen wurde es auf den Beginn des offiziellen Jahres (rutrn nxx) verlegt. Diesen Vorgang sieht er in I Kön. 12 : 32. Auch 7) X. Kön. 12 : 32. Nach rnirvn JftD könnte man auch daran denken, dass das Fest auch gleichzeitig mit dem judaischen zusammenfiel. Doch legt die Bemerkung in Vers 33 ("Q^D N"Q It^N) nahe, dass hier eine Verschiebung stattgefunden hat. H. Grimme (A.R.W. 1911, S. 130 ff.) behauptet, dass hier von einem zweiten eingeschalteten Adar die Rede sei und also nicht von der Verschiebung des Herbstfestes. Doch ist diese Behauptung nicht beweisbar und an sich sehr unwahrscheinlich. im Kalender von Gezer sieht er einen Beweis für seine Vermutung. Unsere Antwort ist darauf: PNï bedeutet in der Tat Ausgang, Aufgang (der Sonne oder der Sterne; so auch Riedel in Z.A.W. 20, S. 329 ff.) und nur raumlich bedeutet es: zu Ende gehen. Doch dürfen wir die zwei Ausdrücke rwn DNï und nJBTl nBïpn gleichsetzen, weil sie praktisch gleichbedeutend sind. Der Termin des Festes ist namlich nicht genau fixiert. Die oben genannten Ausdrücke: Wende des Jahres und Anfang des Jahres lassen einen gewissen Zeitraum zu, und so dürfen sie ohne Bedenken identifiziert werden. Das Jahr, welches hier gemeint ist, ist das landwirtschaftliche. Wie wir unten noch sehen werden, verbieten weder innere, noch aussere Gründe die Annahme, dass die Stellen Ex. 23 und 34 Mosaischen Ursprungs sind. Ist dem aber so, dann kann nsatn napn und rutfn DNï nie so erklart werden, wie Begrich es tut. Der sogenannte Bauernkalender von Gezer kann auch nichts beweisen, da darin nur acht Monate erwahnt sind, und daher kann es auch ganz zufallig sein, dass die Aufzahlung mit der Ernte und nicht mit der Saat beginnt. Es werden aber auch andere Stellen aufgeführt zur Unterstützung der Behauptung: das Neujahr falie im alten Israël in den Herbst. So z.B. I Sam. 1 : 20 f. Hierin haben wir einen Bericht über die Geburt Samuels. Es steht hier DWi nspn^ Wi.8) Unter diesem CQTt napn will man nun wieder die Jahreswende verstehen und so darin ein Zeugnis für den Herbst-Jahresanfang sehen. Doch ist dies nicht richtig. Dieser Ausdruck hat mit dem Neujahr garnichts zu tun. Er kann hier nur so viel bedeuten, dass zwischen den in V. 19 erzahlten Vorgangen und der Geburt Samuels ein volles Jahr verflossen ist. Ob aber dabei das kalendarische Jahr mit dem Herbst oder mit dem Frühling begonnen hat, ist mit keinem Wort gesagt und kann daraus auch nicht gefolgert werden. Der niederlanclische Alttestamentler Dr. C. van Gelderen nimmt in seinem Kommentar „Koningen" — wenigstens als wahrscheinlich — an, dass wir auch in I Kön. 8 : 38. ein Zeugnis dafür haben, dass in der Zeit Salomos das Jahr mit dem Herbst begann.9) Wie kommt er zu diesem Resultat? Die Arbeiten an dem Tempelbau wurden im Frühjahr begonnen, und der Tempel ist im Herbst fertig geworden. Wenn wir also in Y. 38 lesen, dass die ganze Arbeitszeit 7 Jahre dauerte, dann müssen wir unter diesen 7 Jahren entweder 6 y2 oder 7% Jahre verstehen. Die Entscheidung hangt natürlich davon ab, ob man das Jahr im Früling oder im Herbst beginnen liess. Im ersten Falie kommen wir namlich auf 7y2 Jahre, das heisst 7 Winter und 8) Man lese auf Grund von 6 mss. nspn!>. Vgl. auch Ex. 34 : 22, und II Chron. 24 : 23. '• ' 9) Dr. C. van Gelderen: Koningen, Kampen 1926, S. 125 f. 8 Sommer; im letzteren dagegen nur auf 6Y2, d. h. 7 Sommer und 6 Winter. Welche Annahme von den beiden richtig ist, kann aus dein Texte mit Sicherheit nicht gefolgert werden. Van Gelderen zieht den Herbst-Jahresanfang dem Frühlings-Jahresanfang vor, weil er sich sagt, man baut doch eher im Sommer als im Winter, und daher sind, wenn hier 7 Jahre stehen, damit wohl 7 Sommer gemeint und nicht 7 Winter. Dies ist nicht ausgeschlossen, doch ist es m. E. nicht mehr als möglich. Daher darf dieser Stelle bei der Beurteilung des Jahresanfangs nicht viel Beweiskraft beigemessen werden. Bei der weiteren Frage nun, ob dieser Jahresanfang im Herbst sich behauptet hat oder eine Aenderung in der Zeitrechnung eingeführt worden ist, nehmen Schiaparelli und andere10) an, dass in der Zeitrechnung bald — nach Schiaparelli bereits unter Salomo — eine Neuerung eingetreten ist. Sie setzen diese Neuerung zwischen Ex. 23 : 16 und 34 : 22 einerseits und II Sam. 11 : 1 andererseits. Nach deren Meinung setzt namlich II Sam. 11 : 1 einen Frühlingsjahresanfang voraus. Der zitierte Vers begint also: mtPn roiBT^ TH Dv^>3n pxï ni)!? und es geschah bei der Wiederkehr des Jahres, in der Zeit als die Könige auszuziehen pflegen ... Schiaparelli will nun den Ausdruck rwn rawn einfach mit dem Neujahr gleichsetzen, und daher sagt er, dass wir hierin einen Beweis dafür haben, dass man in dieser Zeit das Jahr schon vom Frühjahr an rechnete. Doch ist diese Behauptung nicht richtig. rwn rawn ist namlich nicht gleich mit dem Neujahr schlechthin, sondern bedeutet vielmehr die Rückkehr des Jahres in dieselbe Periode, kann also gleichwohl Frühlings- oder Herbstaquinoktium bedeuten.11) Auch der Umstand, dass hier neben dieser rwn naitfn eine Erklarung steht, diese namlich: bei der Wiederkehr des Jahres, als die Könige auszuziehen pflegten, spricht entschieden dagegen, dass dieser Ausdruck speziell das Neujahr bedeutet hatte. Nein, weil man hier zum Ausdruck bringen will, dass die Zeit des Frühlingsaquinoktiums gemeint ist, sieht man sich genötigt diesen Umstand mit einer erklarenden Glosse hervorzuheben. Würde diese rwn roityn tatsachlich das Neujahr bedeutet haben, dann hatte man die darauf folgende Anmerkung nicht hinzufügen brauchen, da doch jedermann hatte verstehen können, dass damit nur die Zeit des Frühjahrs gemeint sei. Ebenso wenig wie II. Sam. 11 : 1 können natürlich auch die anderen Stellen, wie I Kön. 20 : 22; II Chron. 24 : 23 (rwn nspn); 35 : 1, 36 : 10 usw. als Beweise für einen Jahresanfang im Frühling aufgeführt werden. Die an diesen Stellen vorkommenden rwn rwn oder rwn nspn bedeuten ebensowenig 10) Siehe auch Dr. F. A. Herzog, Die Chronologie der beiden Königsbücher, 1909. 11) Vgl. auch Dr. B. D. Eerdmans, Th. T. 39 S. 454. speziell das Neujahr, wie am oben angegebenen Orte, sondern bezeichnen nur die Wendepunkte des Jahres. Ganz anderer Meinung als Schiaparelli sind in dieser Frage Wellhausen, Nowack u.a.12) Sie messen den oben aufgeführten Stellen gar keine Beweiskraft hinsichtlich eines Jahresanfangs im Frühling bei. Nach ihnen haben wir vor dem Exil keine einzige Angabe dafür, dass man den Herbstjahresanfang aufgegeben hatte und auf eine das Jahr mit dem Frühling beginnende Zeitrechnung übergegangen ware. Im Gegenteil, in einigen, bei Jeremia vorkommenden Synchronismen glauben sie es bestatigt zu finden, dass der Herbst als Jahresanfang sich bis zum Exil behauptet habe.13) Ebenso folgern sie aus dem Bericht über die Passahfeier des Josia, dass das Neujahr unter Josia auf den Herbst fallen musste. Um zu sehen, ob und inwiefern diese Behauptungen richtig sind, wollen wir nun versuchen diese Angaben etwas naher zu betrachten. Zuerst also der Bericht über Josias Passahfeier in II Kön. 23. In den Kapitein 22—23 vom II Könige steht der bekannte Bericht über die Restauration des Tempels und die Auffindung des Gesetzes, das wir gewöhnlich Deuteronomium nennen. Nachdem der Inhalt dieses Gesetzbuches dem König Josia bekannt geworden war, und es auf ihn einen grossen Eindruck gemacht hatte, nahm er allerlei religiöse Massnahmen vor, um die Satzungen des „Bundesbuches" zu erfüllen. Nach der Abschaffung des Götzendienstes lesen wir in 23 : 21—23 rvon ~i3D ^ znnro 03v6k mrv(> nos wy -iojó oyrrb-nN -|bon w*i D^rra nirv!> nrn nosn rww htbw rw nnry ruotfa nrn das heisst also, dass man unter Josia noch im Jahr der Auffindung des „Bundesbuches" das Passah nach den Vorschriften dieses Gesetzbuches gefeiert hat. JDa man das Passah am 14. des ersten Monats feiern muss, ware es in der Tat naheliegend anzunehmen, dass das Jahr nicht mit dem Frühjahr, sondern mit dem Herbst begann. Die Behauptung Schiaparellis 14) namlich, dass man auch bei einem mit dem Frühling beginnenden Jahr noch zwei Wochen für die Vorbereitungen zur Verfügung hatte, scheint mir doch viel zu gezwungen und deshalb sehr unwahrscheinlich zu sein. Andererseits würde ich mich trotzdem nicht dafür entscheiden, dass das Jahr hier nach dem Herbst gerechnet wurde. Ein bisher noch nicht genügend gewürdigter TJmstand gibt mir schweres Bedenken gegen diese Annahme. Man hat namlich den summarischen, die zeitlichen Verhaltnisse ganz ausser acht lassenden Charakter des Berichtes des Königsbuches nicht genügend berücksichtigt und zu Gunsten dieses Berichtes den Bericht 12) Siehe Wellhausen, Prolegomena 1886, S. 109 f.; Nowack, Lehrbuch der hebraischen Archaologie 1894, I. § 38. 1S) Jeremia 25 : 1, 46 : 2, 32 : 1, 39 : 1, 52 : 12. 14) Siehe a.a.O. des Chronisten über denselben Vorgang — m. E. Unrecht als secundar betrachtet. Wir müssen uns daher fragen, ob die Erzahlung der oben genannten Vorgange, wie wir sie im Königsbuch finden, nicht eine summarische Zusammenfassung ist, ohne dass der Verfasser dabei nach chronologischer Genauigkeit oder Richtigkeit gestrebt hatte. Es genügt ein kurzes Durchlesen dieser Kapitein einen davon zu überzeugen dass dies tatsachlich der Fall ist.15) II Kön. 23 : 4 20 kann nur als die kurze Zusammenfassung einer langjahrigen Arbeit verstanden werden. Wahrend in Vers 8 als Grenzen des Reiches Josias Geba und Beerseba angegeben werden, finden wir den König in Vs. 15 20 im Gebiete des alten Samaria, wo er reformatorisch zu handeln versucht. Auch die jüdaische Reform, worüber wir in den Versen 4 14 horen, ist ein Komplex von Ereignissen, welche durch mehrere Jahre voneinander getrennt sind. Vers 4 spricht nur von der Entfernung der f remden Kultusgerate aus dem Reichstempel in Jerusalem. Erst in V. 6 f. wird von der Entfernung der Aschera und der mit ihr so sehr verbundenen Kedeschen gesprochen, d. h. erst jetzt wird die Reformation in Jerusalem radikal. Genau mit derselben Vorsicht handelt Josia auch auf dem Lande. Zuerst wird der Verehrung der fremden Götter ein Ende gemacht (V. 5) und nur danach wird der degenerierte Jahve-BamaDienst aufgehoben (V. 8). Indessen bleibt der Schamaschdienst vorlaufig unangetastet, weil das ein Beweis der assyrischen Suzeranitat war. Erst v. 10—13 erzahlen uns, wie auch dieser Dienst beseitigt war. Die Annahme, dass die Reform Josias mehrere Jahre hindurch dauerte und deshalb der Bericht des Königsbuches darüber sehr summarisch ist wird auch noch durch eine andere wichtige Tatsache begünstigt. Als namlich Psammetich I Josia zum Vasallen macht, (617/6) 16) versetzt sich der jüdaische König dagegen nicht. Erst in 609 will er es versuchen den Aegyptern Widerstand zu leisten, wobei er bekanntlich bei Megiddo fiel (II Kön. 23 : 29; II Chron. 35 : 20 ff.). Der Grund, warum er die Suzeranitat Aegyptens jahrelang duldete, wird wohl darin liegen, dass seine Hande mit der Reform gebunden waren und diese Reform sich nicht ohne Widerstand durchsetzen konnte. . . Wie wir also daraus ersehen können, sind die beiden Bene e über die Reformen Josias nicht im Streit mit einander. Der Verfasser von II Kön. 22—23 erzahlt alles so, als ob diese Ereignisse sich innerhalb einer ausserst kurzen Zeit abgespielt hatten. Der Chronist aber is) siehe Th. Oesterreicher, Das deuteronomische Grundgesetz, 1923, und Sellin, Geschichte des israelitisch-jüdischen Volkes, 1.1S..286. D^en wieder Gressmann, Josia und das Deuteronomium, Z.A W N.F. I. Baumgartner, Der Kampf um das Deuteronomium, Theol. R. N.F. I. und Begrich S. 73 ff., 205 f. i6) Vgi. Noordtzij, Gods Woord2 bl. 438 ff. hat die zeitlichen Verhaltnisse der Vorgange mehr auf den Vordergrund gerückt. Wenn also das Kötiigsbuch im Jahre der Auffindung des Gesetzbuches das Passah schon nach den Yorschriften desselben Gesetzbuches feiern lasst, ist daraus noch nicht mit Notwendigkeit zu folgern, dass für ihn der Jahresanfang also in den Herbst fiel, sondern dieser Umstand erklart sich vielmehr aus der Art seiner ganzen Erzahlung. Und so kann diese Stelle bei der Beurteilung der Frage, ob der Jahresanfang in der Zeit Josias in den Herbst oder in das Frühjahr fiel, keinen Ausschlag geben. Und nun zu den Jeremiastellen. Im Buche Jeremias haben wir einige synchronistische Angaben über judaische und babylonische Könige oder Ereignisse, woraus man vielleicht etwas auf den damaligen Jahresanfang schliessen kann. So wird die Schlacht bei Karkemis zwischen dem Pharao Necho und dem damaligen Kronprinzen Nebukadnezar in das vierte Jahr des judaischen Königs Jojaqim gesetzt.17) Das ware also das Jahr 605 v. Ch. Wie gesagt, war Nebukadnezar damals nur Kronprinz und der König war sein Vater Nabopolassar. Doch wird in Jer. 25 : 1 dieses vierte Jahr des Jojaqim auch mit dem ersten Regierungsjahr des Nebukadnezar gleichgestellt. Aus diesem Umstand .hat bereits Dillmann18) den Schluss gezogen, diese Gleichstellung sei nur möglich, wenn wir annehmen, dass die Regierungszeit des judaischen Königs mit dem Herbst begann, die seines babylonischen Kollegen hingegen mit dem Frühling. In der Tat kommt es bei dieser Annahme gut aus: die erste Half te des vierten Jahres des Jojaqim ist gleich mit dem letzten Jahre Nabopolassars und die zweite Half te des vierten Jahres mit dem ersten Regierungsjahr des Nebukadnezar. Doch ist die Sache nicht so einfach, einmal schon darum, weil die Worte: hn -fiorrooj!» nWinn rwn nvi in der LXX fehlen; zum anderen sehen sie sehr glossenahnlich aus. Freilich kann auf der anderen Seite wieder nicht geleugnet werden, dass mit der Ausschaltung von Jer. 25 : lö die Schwierigkeit doch nicht aufgehoben ist. Die Schlacht bei Megiddo war namlich im Jahre 609 v. Ch., und der Rest dieses Jahres wurde als „Anfang der Regierung Jojaqims" bezeichnet,1B) also die Zahlung seiner Regierungszeit begann man mit dem Jahre 606, (ob mit dem Frühjahr oder mit dem Herbst, das möge hier dahingestellt bleiben) und sie dauerte bis 598 . 20) Da sein Nachfolger nur drei Monate lang regierte, und der Rest dieses Jahres wieder als „Anfang der Regierung" Zedeqias bezeichnet wurde,21) 17) Jer. 46 : 2. 18) A.a.O. 19) Jer. 26 : 1; dagegen in 27 : 1 lese Zedeqia. 20) II Kön. 23 : 36; II Chron. 36 : 5. 21) II Kön. 24 : 8; II Chron. 36 : 9; Jer. 27 : 1; vgl. Anm. 19. Die Gefangennahme Jojachins geschah wohl im Sommer 597 v. Ch. beginnt Zedeqias Regierung mit dem Jahre 597 und dauert elf Jahre, also bis 587.22) Dieses Jahr wird aber als das 19. der Regierung Nebukadnezars angegeben,23) woraus sich ergibt, dass das erste Jahr Nebukadnezars doch 605, also das vierte Jahr der Regierung Jojaqims gewesen sein muss. Dahinein fügen sich auch die anderen Synchronismen des Jeremias und des Königsbuches, worin das zehnte Jahr des Zedeqia mit dem 18. des Nebukadnezar gleichgestellt und die Gefangennahme Jojaqims ins ach te Jahr des Nebukadnezar gesetzt wird.24) Aber eben dieser Umstand, dass in diesen synchronistischen Angaben als erstes Regierungsjahr Nebukadnezars 605 (und hier sicher mit dem Frühling beginnend!) bezeichnet wird, welches auch das Jahr der Schlacht bei Karkemis ist, beweist uns, dass wir die Lösung der darin liegenden Schwierigkeit, dass die Schlacht bei Karkemis und das erste Regierungsjahr Nebukadnezars gleichwohl in das vierte Jahr des Jojaqim gesetzt sind, nicht dadurch erzielen können, dass wir in Juda ein von Herbst bis Herbst laufendes Jahr voraussetzen im Gegensatz zum babylonischen, welches mit dem Frühling beginnt, sondern einzig und allein darin, dass für die Schreiber dieser Berichte, also auch von Jer. 46 : 2 und 25 : 1 b wenn es echt ist —, die Schlacht bei Karkemis im ersten Jahr des Nebukadnezar war. Und in der Tat, in Jer. 46 : 2 steht kein Wort über Nabopolassar, sondern es heisst:-iXNTüai ron "IBW... min"' "6n "inw p D'p'W1? nwn rwn ^33 Es wird also über Nebukadnezar als über den König von Babel geredet. Die oben genannten Synchronismen bieten auch bei dieser Annahme keine Schwierigkeit. Es fallt aber zudem noch eine Stelle schwer ins Gewicht gegen die Annahme, dass die Synchronismen in Jer. 46 : 2 und 25 : 1 ein in Juda im Herbst beginnendes Jahr voraussetzen, und das ist Jer. 36 : 22, eine bisher gar nicht gewürdigte Stelle,25) worin wir jedoch einen sicheren Beweis dafür haben, dass das Jahr unter Jojaqim mit dem Frühling und nicht mit dem Herbst begann. In Jer. 36 steht die bekannte Erzahlung über die Vernichtung der Rollen des Buches Jeremia durch den König Jojaqim. Die Rollen werden dem König vorgelesen, wonach er sie stückweise ins Feuer wirft. Dieses Feuer brannte vor ihm in einem Kohlenbecken, da er im Winterpalast sass. Die Zeit dieses Ereignisses wird als der neunte Monat angegeben. Wenn wir nun diese Zeitangabe mit den klimatologischen Verhaltnissen Palastinas vergleichen, so ergibt sich, dass man die Monate nur vom Früling an gerechnet haben konnte. In diesem Falie kommt die Zeit um November-Dezember aus. Hatte man die Monate vom 22) II Kön. 24 : 18; II Chron. 36 : 11; Jer. 39 : 1 ff., 52 : 1 ff. 23) II Kön. 25 : 8; Jer. 52 : 12. 24) Jer. 32 : 1; bzw. II Kön. 24 : 12. 25) D0Ch siehe auch bei Begrich a.a.O. S. 71 f. Herbst an gerechnet, so ware der neunte Monat Juni-Juli, was natürlich ausgesehlossen ist. Man könnte nun einwenden, dass der Vers verdorben ist und selbst die Worte: 'irirrin Bhrn in der LXX fehlen. Doch ist damit unsere Vermutung nicht widerlegt. Wir lesen namlich bereits in Vers 9, dass dieser ganze Vorfall sich im neunten Monat abspielt. Und diese Zeitangabe fehlt nicht in der LXX. Deshalb ist es eigentlich ganz einerlei, ob wir die Zeitangabe in Vers 22 lesen oder streichen, die Zeit bleibt doch der neunte Monat, und der erste daher der Nisan. Diese Tatsache ist wieder darura von grossem Belang, weil sie unsere frühere Vermutung — das Jahr hat unter Jojaqim nicht mit dem Herbst begonnen, trotz Jer. 46 : 2 und 25 : 1 gegen Dillmann und andere — aus derselben Zeit bestatigt. Die Meinung also, nach welcher das Jahr in vorexilischer Zeit immer mit dem Herbst begann, welche also vor dem Exil keinen Beweis für einen Jahresanfang im Frühjahr hat, und welche die Kalenderreform in das Exil verlegt, scheint sich nicht auf ganz zuverlassige Anhaltspunkte gestiitzt zu haben. Obwohl wir im Obigen nur die Stellen behandelt haben, die man zur Unterstützung dieser Meinung aufgeführt hat, ergibt sich daraus schon, dass diese Hypothese auf sehr unsicherem Boden gebaut zu sein scheint. Wie wir aber aus dem oben Dargelegten ersehen können, bieten diese Behauptungen letzten Endes doch nichts Sicheres für die Beurteilung der Frage, ob das Jahr im alten Israël vom Herbst an gerechnet wurde, und ob diese Rechnungsweise sich bis zum Exil behauptet hat. Das Material,. welches hierbei in Betracht gezogen werden kann, ist so ausserst gering, dass man bei der Rekonstruktion der Tatsachen immer vor die grösste Schwierigkeit gestellt wird. Doch da wir bei den weiteren Untersuchungen ohne ein Ergebnis über die Frage nach dem Jahresanfang unsere Arbeit schwerlich werden verrichten können, müssen wir versuchen, aus den uns zu Gebote stehenden Angaben eine möglich zuverlassige Lösung des Problems zu finden. Da wir aber, je naher wir jüngerer Zeit kommen, mehr und sicherere Angaben finden, so werden wir als Ausgangspunkt die spatere Zeit wahlen und von hier aus weiter zurück gehen, so weit es möglich sein wird. Wir beginnen also mit einer Bemerkung des Josephus. Er schreibt, dass Nisan nur zum religiösen Zweck als Jahresanfang betrachtet wurde, wogegen bei der Datierung der Dokumente über Kaufe, Verkaufe usw. Tischri als Jahresanfang galt.26) Dieser Umstand ist umso interessanter, da, wie wir wissen, der offizielle kirchliche Jahresanfang schon von P auf Nisan festgestellt wurde. 27) Wenn wir nun 2e) Antiquitates I. 3, 3 . 27) Ex. 12 : 2. von hier aus die verschiedenen Perioden der Zeitrechnung zurückverfolgen wollen, so finden wir, dass die Makkabaer das Jahr vom Frühling an rechneten, aber die Seleuziden-Aera vom Herbst an. 28) Die Papyri von Elephantine bekunden aber begreiflicherweise wieder einen Frühlings-Jahresanfang. Für das aus dem babylonischen Exil heimgekehrte Judentum haben eigentlich auch zwei Neujahre bestanden. Denn das kirchliche Jahr wurde vom Frühling an gerechnet, und als erster Monat erscheint der Nisan. Trotzdem ist der Neujahrstag auf den ersten des siebten Monats festgelegt, fallt also in den Herbst29) Wir kommen aber damit zum schwierigeren Teile unserer Frage, das heisst zu der Frage: wie war es in der vorexilischen Zeit? Hat man in der Zeit vor dem Exil nur ein Neujahr gehabt, in welche Jahreszeit fiel es, in den Frühling oder in den Herbst? Wir können schon hier unsere Vermutung darüber aussprechen, dass wir bereits in vorexilischer Zeit ein Nebeneinander zweier Neujahre vor uns haben.30) Denn soweit wir die Behauptung Eerdmans 31) berechtigt finden, dass namlich ein Jahresanfang im Herbst in vorexilischer Zeit nicht geleugnet werden kann, müssen wir aber auf der anderen Seite betonen, dass wir für einen auf den Frühling fallenden Jahresbeginn, gleichwohl in vorexilischer Zeit, auch sichere Angaben haben, die ohne weiteres nicht übersehen werden dürfen. Im Folgenden gehen wir nun auf die Begründung dieser Hypothese über, wobei wir uns ausschliesslich auf zuverlassige biblische Angaben stützen wollen. I. Neujahr im Herbst. Für einen Jahresbeginn im Herbst kommen natürlich die Bestimmungen der Festkalender in Ex. für das HerbstLesefest in Betracht. Wie wir schon oben (S. 21 f.) gesehen haben, war dieses Fest rwn nspn bezw. rwn n.vïl zu feiern. Ob man nun unter diesen Ausdruck den Ausgang des Jahres im Sinne von „Ende des Jahres" oder im Gegenteil als „Ausgang des Jahres aus der Ewigkeit",32) also Anfang desselben versteht, ist hier einerlei und möge daher dahingestellt bleiben; obschon ich nicht verschweigen kann, dass ich diese letztere Auffassung unwahrscheinlich, weil zu 8) So nach Dr. S. Krauss, Talmudische Archaologie II, 1911, S. 417 f. Doch vgl. dagegen Begrich a.a.O. S. 70; F. X. Kugler, Babylonische Mondrechnung S. 10, Stemkunde mit Sterndienst I, S. 214, Von Mose bis Paulus S. 301 ff.; W. Kolbe, Beitrage zur syrischen und jüdischen Ge- schichte 1926, S. 5 f. _ 29) Vgl. Ex. 12 : 2, und die Datierungen der jüngeren Bucher wie Sacharia, Nehemia einerseits und Lev. 23 : 24 anderseits. 30) Aehnlich auch Riedel in Z.A.W. 20, S. 329 ff. und W. H. Green Die Feste der Hebraer, übersetzt von Otto Becher, 1894, S. 268 f. \ gl. auc Dillmann a.a.O. 31) Alttestamentliche Studiën II, 1908, S. 18 f. 32) So Riedel a.a.O. Vgl. auch S. 23 oben. philosophisch finde. Jedenfalls fiel die Wende des Jahres nach diesen Berichten in den Herbst. Mehrere einwandfreie Stellen für den Herbst-Jahresanfang können aber auch nicht aufgeführt werden. Was wir namlich sonst noch über das Herbst-Laubhüttenfest im Pentateuch finden, enthalt entweder keine Angabe, die wir hier brauchen könnten (cf. Deut. 16 : 18—15), oder spricht gerade für einen Frühlingsjahresanfang (cf. Lev. 23 : 39 ff.). Eventuelle Angaben der Königsbücher können hingegen nicht ohne Einwand benutzt werden, da — wie wir bereits oben (S. 19 f.) dargelegt haben — der Verfasser dieser Bücher im Exil schrieb. Wenn also das Exil eine Aenderung gebracht hat, dann braucht der Verfasser nicht mehr die alte, sondern die neue Rechnungsweise. Aus demselben Grunde können die Angaben der Chronik noch weniger in Betracht gezogen werden.33) II. Neujahr im Frühling. Wenn wir aber jetzt die für einen ins Frühjahr fallenden Jahresanfang in Betracht kommenden Angaben mit derselben Strenge prüfen, so bleibt deren Anzahl auch nicht gross. Immerhin genug dafür, dass die Existenz eines ins-Frühjahr fallenden Neujahres ernstlich nicht in Zweifel gezogen werden kann. Wie wir schon einmal betont haben, kommen hierfür in erster Linie die sogen. Festkalender in Betracht. Und zwar deren vier: Ex. 23, 34; Lev. 23. und Deut. 16. Die Aufzahlung der Feste in allen vier Festkalendern ist die gleiche. Sie beginnt mit dem Passah-Mazzoth — also mit dem Frühjahrsfest — und endigt mit dem HerbstLaubhüttenfest. Es liegt also ganz nahe anzunehmen, dass der Jahresanfang für diese Kalender der Frühling und nicht der Herbst war, sonst ware das Laubhüttenfest das erste in der Reihe. Umso wichtiger ist diese Tatsache, da wir an vier Stellen dieselbe Aufzahlungsweise finden, von denen zwei sicher aus vorköniglicher Zeit stammen, und auch die jüngste schwerlich jünger als die Zeit Hisqia sein kann. Das ist um so interessanter, als wir in denselben Berichten zwei Jahresanfange vor uns haben: in Ex. 23 : 16& und 34 : 22ö einen Herbst-Jahresanfang und in der Aufzahlungsweise aller vier Stellen einen Jahresbeginn im Frühjahr. Doch sind diese Festkalender nicht die einzigen Angaben für einen Frühlings-Jahresanfang in vorexilischer Zeit. Es kommt auch Jer. 36 : 22. hinzu. Wie wir namlich oben (S. 28 f.) bereits gesehen haben, haben wir hierin einen sicheren Beweis dafür, dass man das Jahr unter Jojaqim vom Frühling an rechnete. Endlich können wir noch für das letztere Jahr Zedeqias Jer. 39 : 2 anführen, wo das Jahr gleichfalls nach dem Frühling ge- S3) Als ausserbiblischer Beleg könnte der Bauerkalender von Gezer erwahnt werden, doch möchte ich dem nicht viel Beweiskraft beimessen. Vgl. auch S. 23 oben. rechnet wurde. In diesem Bericht über den Fall Jerusalems lesen wir namlich, dass die Stadt im vierten Monat erobert wurde. Dieselbe Zeitangabe findet sich auch in Jer. 52 : 6 f., wo auch der weitere Bericht über die Zerstörung des Tempels steht, und dieselbe in den fünften Monat gesetzt wird. Da wir nun andererseits wissen, dass die Tradition die Zerstörung des Tempels in den Herbst setzt — und diese Tradition geht bis auf Sach. 7 : 3 zurück — so ist es natürlich, dass bei dieser Angabe auch der Frühling als Jahresanfang gebraucht wurde.34) Wie unter I. wollen wir die eventuellen Angaben der historischen Bücher auch hier ausser acht lassen. Deshalb vermogen wir aus vorexilischer Zeit keine Stelle mehr zur Unterstützung unserer Hypothese aufzuführen. Für die Frage nach dem Beginn des Jahres im vorexilischen Israël ergibt sich nun aus den obigen Darlegungen Folgendes. Bereits aus altester Zeit haben wir ein Nebeneinander zweier Neujahre vor uns. Das eine, welches das landwirtschaftliche Jahr einerseits abschliesst, andererseits beginnen lasst, ist im Herbst. Das andere, mehr kirchlichoffizielle, fiel ins Frühjahr. Das Erste ist schon von Natur gegeben. Wann aber das Letztere eingeführt wurde, kann mit Sicherheit nicht festgestellt werden. Im Bundesbuch steht es aber bereits vor uns. Dieses Nebeneinander hat sich die Jahre hindurch wahrscheinlich immer behauptet. Wir müssen betonen: wahrscheinlich! Denn wie wir eben gesehen haben, stehen uns aus der Zeit vor dem Exil nur einige Angaben zu Gebote. Ueber Verhaltnisse eines Zeitraums von mehreren Jahrhunderten kann man aber aus diesen Angaben nur der Wahrscheinlichkeit nach urteilen. Da wir aber schon in altester Zeit dieses Nebeneinander vorfinden, und auch — um nur das zu nennen — in der Mischna (Rosch ha-schana I. 1, bei Fiebig) mehrere Neujahrsfeste bezeugt sind, spricht dieser Umstand jedenfalls dafür, dass unsere Vermutung berechtigt ist. Wollen wir nun auf das Ergebnis des ganzen Kapitels einen kurzen Bliek werfen, so fallt es nicht schwer festzustellen, dass das Neujahr als Fest in Israël nie grosse Bedeutung gehabt haben kann. Das beweist vor allem schon der auffallende Umstand, dass wir darüber direkt keine Angabe besitzen, wir mussen unsere Vermutungen auf indirekte Angaben stützen. Man musste in jedem Jahr im landwirtschaftlichen Leben ein Neujahr haben, als man mit der Arbeit des verflossenen Jahres fertig geworden, die Arbeit eines kommenden aufs Neue aufgenommen hat. Und auch für das Staats- und kirchliche Leben muss ein Neujahr bestanden haben, wonach man alles — vor allem natürlich die Feate — berechnen konnte. Jedoch spielten 34) Vgl. dazu Begrich a.a.O. S. 72 f. diese Neujahre \yeiter keine wichtige Rolle mehr. Ware es anders gewesen, so müssten wir sichere, direkte und mehr Angaben darüber besitzen. Dieser Umstand wird aber noch bei der Beurteilung anderer, mit dem Neujahrsfest zusammenhangenden Probleme schwerwiegend ins Gewicht fallen. 4. KAPITEL. Das grosse Herbstfest (Laubhüttenfest). Nachdem wir so die Frage des vorexilischen Jahresanfangs besprochen haben — wobei wir als Ergebnis festgestellt haben, dass in Israël von Anfang an zwei Neujahre bestanden aber kein Neujahrsfest bezeugt ist — können wir zu den im 2 Kapitel aufgeworfenen Problemen zurückkommen, wobei wir zuerst die Hypothese Volz' über das Herbst-Laubhüttenfest ins Auge fassen wollen. Die Frage ist hier also, ob die Behauptung Volz'1), das Herbst-Laubhüttenfest sei das Neujahrsfest Jahves gewesen, welches ursprünglich einen historischgeistigen Charakter hatte, richtig ist. Urn darauf nun eine Antwort zu geben, müssen wir das ganze Herbst-Laubhüttenfest und seine eventüelle Entwicklung untersuchen. Bei dieser Arbeit werden wir uns, die Aeusserungen Volz' über den Gegenstand vorlaufig ganz ausser acht lassend, an erster Stelle nur mit den diesbezüglichen Angaben des Alten Testaments befassen, und erst, nachdem wir daraus ein klares Bild gewonnen haben, die Ergebnisse unserer Untersuchung mit Volz' Ansicht auseinandersetzen. Damit hoffen wir ein doppeltes Ziel zu erreichen: erstens wird das Ergebnis unserer Arbeit möglichst unbeeinflusst und direkt aus den Quellen gewonnen, und zweitens gilt die Arbeit nicht so sehr der Kritik Anderer, sondern vielmehr der Gewinnung eigener Ansicht über den Gegenstand. Dadurch wird dann auch ermöglicht, die Auseinandersetzung mit Volz möglichst kurz zu fassen. Das Fest der Laubhütten erscheint unter diesem Namen zuerst in Deut. 16 : 13 ff. und Lev. 23 : 33 ff. Doch besteht kein Zweifel darüber, dass das Fest viel alter ist, allein kommt es unter einem anderen Namen vor. Es heisst: „chag ha'asif" — Fest der Lese. Die altesten Berichte, die wir über dieses Herbst-Lesefest besitzen, finden sich in Ex. 23 : 16ö und 34 : 226. Der erstere steht im Bundesbuch, *) Vgl. Volz, Kap. 2. Das Jahwe-Jahresfest zugleich Neujahrsfest. Besonders S. 16. Pap 3 der letztere ist in das Werk des sogenannten Jahvisten aufgenommen, j edoch ist er viel alter, als dag Werk des Jahvisten selbst. Aller Wahrscheinlichkeit nach stammen also beide Berichte noch aus vorköniglicher, vielleicht gerade aus mosaischer Zeit. Beide Angaben stehen in den sogenannten Festkalendern, worin wir die Aufzahlung der drei grossen Jahresfeste: Mazzoth-Wochen-Herbst-Lesefest finden. Im Bundesbuch lesen wir über dies Fest folgendes: nt«3 rpttn jm mfcTrp "|2DN2 rucn und in Ex. 34 : 225 noch kürzer rUBTi nspn ryDNn ;m. Daraus können wir folgendes feststellen: Die Zeit des Festes ist der Herbst, nachdem man den Ertrag des Jahres vom Felde eingesammelt hat, jedoch óhne genauere Zeitbestimmung. 2) Dieser Umstand entspricht auch vollstandig dem Charakter des Festes. Wenn wir namlich weiter nach dem Charakter des Festes fragen ist es nicht schwierig festzustellen, dass gleich wie die beiden anderen, ihm vorangehenden, Feste — das Mazzoth- und Wochenfest — auch unser Herbst-Lesefest einen ausgepragten landwirtschaftlichen Charakter hat. Nach der Beendigung aller Arbeit eines landwirtschaftlichen Jahres hat jeder israelitische Mann vor Jahve zu erscheinen, um Ihm für den Ertrag des Jahres zu danken. Nicht mehr, aber auch nicht weniger steht an den angegebenen Stellen. Was nun das Alter dieser Angaben betrifft, so haben wir sie vermutungsweise schon in die vorkönigliche, bzw. genauer in die mosaische Zeit gewiesen. Hier müssen wir also das nur noch naher zu begrunden versuchen. Wie schon gesagt, gehort Ex. 23 : 165. dem sogenannten Bundesbuche an.3) Es würde viel zu weit führen hier das ganze Problem des Bundesbuches zu besprechen, daher werden wir uns nur auf das Nötigste beschranken. Trotz anderer Meinungen ist dieser Gesetzeskorpus viel alter als die Zeit der Könige. Ueber einen König horen wir darin kein Wort. Die Verhaltnisse sind noch recht emfach, die Geldwirtschaft ist nicht entwickelt (22 : 24) und die Eroberung des Landes gehort überhaupt noch der Zukunft an (Vgl. 20 : 24f.; 21 : 13). Innere Gründe sprechen also nicht gegen die Annahme eines hohen 2) Begrich a.a.O. S. 79 ff. denkt, dass in diesen Ausdrücken eine genaue mit dem kalendarischen Jahr zusammenhangende Zeitangabe gememt sei. Ganz ohne Zeitbestimmung steht nach ihm dagegen Deut. 16 : 13—15 wen dort der kalendarische Jahresanfang schon auf den Fruhling verlegt ist. Da die Jahreswende nicht mehr in der Nahe des Festes liegt,' ka™ Festkalender auch keine diesbezügliche Angabe enthalten (89). Doe gleiche dagegen das oben auf S. 22 f. Ausgeführte. 3) Meistens wird Ex. 20 : 23-23 : 19. als Bundesbuch genannt (nach Ex 24 -7), jedoch mit Unrecht, denn das Bundesbuch begmnt mit Kx. 20 1 und endigt mit 23 : 33. Vgl. J. J. P- Valeton, Karakter en literarische opzet van het Sinaïverhaal, Versl. en Med. der Kon. Akad. v. W., Afd. Letterkunde IV 9 S. 67 ff. Alters dieses Gesetzbuches. Was man namlich dagegen geltend gemacht hat, dass z.B. 23 : 11 Oei und Weinbau voraussetzen,4) besagt nichts, da den Israeliten der Landbau von Aegypten und Midian her bekannt waren. Ebensowenig kann auch 23 : 19 mit Recht als Grund dagegen geltend gemacht werden, da hier nicht der Tempel — also nicht der Salomonische Tempel — gemeint ist, sondern der „beth el", das Gotteshaus überhaupt. Da wir aber anderseits sichere Belege für die Gewohnheit, Gesetze in Stein einzumeisseln und aufzustellen, bereits aus der Zeit Mose und Josua besitzen, 5) so haben wir auch keinen ausseren Grund die Mosaitat des Bundesbuches zu leugnen. Was weiter den anderen Bericht anbelangt, gehort derselbe dem — mit Unrecht — sogenannten Jahvistischen Dekalog an. 8) Diesen „Dekalog" finden wir in Ex. 34 : 10—27. Er ist eine Serie von Satzungen ganz verschiedener Art. Dieser — seit Goethe so vielfach behandelte — Abschnitt erhebt den Anspruch mosaisch zu sein. Und wohl mit Recht. Hier haben wir namlich den Auszug, oder besser gesagt, die Trümmer der in Ex. 20—23 erhaltenen Bestimmungen. Ob dabei nun das Bundesbuch oder dieser „Dekalog" primar sei, darauf würde ich weder mit „Ja", noch mit „Nein" antworten, sondern bin vielmehr der Ansicht, dass hier dasselbe Gesetzeskorpus ■— einmal in besser erhaltener, das andere Mal in verstümmelter Form — sowohl vom Elohisten wie vom Jahvisten aufgenommen wurde. Nach alledem haben wir also das oben gleich gewonnene Bild über das Herbst-Lesefest aus der Zeit vor der Einwanderung in Kanaan. Aus der Zeit nach der Festsetzung im Lande haben wir die Berichte in Ri. 21 : 19 ff., I Sam. 1 : 3 ff., I Kön. 8 : 2 und 12 : 32. In Ri. 21 : 19 ff. ist in Zusammenhang mit der Wiederherstellung des Stammes Benjamin einiges auch über das Herbst-Lesefest erzahlt. Nach diesem Bericht scheint unser Fest das grösste gewesen zu sein, da sein Name als OW3 mrv -JH, das heisst das Jahve- Jahresfest bezeichnet wurde. Es ist ein fröhliches Fest, wenn die Jungfrauen der Stadt im Reigentanz nach den Weinbergen ziehen. Derselbe fröhliche Charakter des Festes wird auch durch I Sam. 1 : 3 ff. bezeugt, wonach selbst die betrunkenen Weiber nicht zu den 4) So zuletzt noch Bertholet. Siehe R.G.G. 2. Auflage unter „Bundesbuch". 5) Vgl. z.B. Deut. 27 : 8, und Jos. 8 : 32. 6) Goethe war der erste, der die Frage aufgeworfen hat, ob wir darin nicht den Dekalog vor uns haben. (Vgl. Goethes Schrift: Was stund auf den Tafeln des Bundes?) Aus diesem Abschnitt kann man aber nur mit Gewalt einen Dekalog formen. Vgl. Sellin, Einleitung 1925, S. 27 f. und Karge, Geschichte des Bundesgedankens 1910, S. 291 ff. und 359 ff. ausserordentlichsten Erscheinungen gehörten. Doch können mehrere Züge des Festes diesen Berichten nicht entnommen werden. Auch I Kön. 8 : 2 besagt nicht viel, da hier nur so viel steht, dass das Fest, auf dem die Aeltesten Israels sich versammelt haben, im Monat Etanim — nach einer erklarenden Glosse im siebten Monat7) — war. Dieses Fest war aller Wahrscheinlichkeit nach unser Herbstfest. Doch da hier mit dem Feste eine spezielle Gelegenheit — die Einweihung des neuen Tempels — verbunden ist, können wir aus diesem Berichte für das Wesen und die Züge dieses Festes wei ter keinen Schluss ziehen. Sehr interessant und wertvoll ist dagegen die Angabe in I Kön. 12 : 32. Diese Stelle — worüber wir übrigens oben in Kap. 3. schon gesprochen haben — besagt nun, dass nach der Reichsspaltung das Fest in Juda und in Israël nicht mehr gleichzeitig gefeiert wurde, sondern für Israël verlegte Jerobeam es — wohl aus praktischen Gründen — auf den 15. des achten Monats, wogegen es in Juda am 15. des siebten Monats gefeiert wurde. Der Name ist hier wieder, wie in Ri. 21 : 19 ff. und I Kön. 8 : 2 einfach „hè-chag", also das Hauptfest. Sein Charakter bleibt stets landwirtschaftlich, doch wird im Gegensatz zu den bisherigen Angaben seine Zeit schon genau angegeben. Es kann namlich kein Zweifel darüber bestehen, dass die Festsetzung auf einen bestimmten Tag nicht das Werk Jerobeams war, sondern es war auch in Juda schon vorhanden.8) Doch besitzen wir über diesen Yorgang keinen Bericht. Der Zweck dieses Verfahrens war allerdings ein praktischer: das Lesefest nicht wochenlang feiern zu lassen, jenachdem der eine früher, der andere spater mit der Ernte fertig geworden war, sondern von einer grosseren historischen oder geographischen Einheit — erst das Gesammtreich, spater Juda und Israël einzeln. Die einzige Voraussetzung ist dabei natürlich, dass dieses Datum so spat angesetzt war, dass bis dahin jedermann mit der Ernte fertig sein konnte. Die weiteren gesetzlichen Angaben zum Herbst-Lesefest bieten uns die Festkalender in Deut. 16 : 13—15 und Lev. 23 : 33—43. Die erstere davon gehort dem eigentlichen Deuteronomium, das heisst dem unter Josia aufgefundenen Gesetzbuche, die andere dem sogenannten Heiligkeitsgesetze an. Da diese beiden Stellen sehr wichtig sind, geben wir sie in genauer Uebersetzung wieder: „Und Jahve redete zu Mose also: Rede zu den Israeliten also: Am 15. Tage 7) Dass wir hier mit einer Glosse zu tun haben, beweist auch der Umstand, dass diese Worte in LXX BL fehlen. 8) Diese Vermutung wird durch I Kön. 12 : 33, wo nur über den Monat steht, dass ihn Jerobeam ersonnen habe, aber nichts über den Tag, nahegelegt. Das ist damit zu erklaren, dass der Tag auch in Juda schon festgestellt war, und das Werk Jerobeams ist hier nur die Verlegung des Festes um einen Monat. desselben siebten Monats soll man Jahve sieben Tage lang das Hiittenfest feiern. Am ersten Tage ist Versammlung am Heiligtum; da dürft ihr keinerlei Werktagsarbeit verrichten. Sieben Tage hindurch habt ihr Jahve ein Feueropfer darzubringen; am achten Tage habt ihr Versammlung am Heiligtum zu halten und Jahve ein Feueropfer darzubringen — Festversammlung ist es; da dürft ihr keinerlei Werktagsarbeit verrichten. Das sind die Festzeiten Jahves, an welchen ihr Versammlungen am Heiligtum ausrufen sollt, dass man Jahve ein Feueropfer darbringe. Brandopfer und Speiseopfer, Schlachtopfer und Trankopfer, je nach dem Erfordernis des betreffenden Tages, abgesehen von den Sabbathen Jahves und abgesehen von euren Gaben, sowie von allen euren Gelübdeopfern und allen euren freiwilligen Spenden, die ihr Jahve geben wollt. Jedoch am 15. Tage des siebten Monats, wenn ihr den Ertrag des Landes einheimst, sollt ihr sieben Tage lang das Fest Jahves feiern; der erste Tag ist ein Ruhetag und der achte Tag ist ein Ruhetag. Und ihr sollt euch am ersten Tage prachtige Baumfrüchte, Palmenzweige und Aeste von dichtbelaubten Baumen, sowie von Bachweiden holen und sieben Tage lang vor Jahve, eurem Gotte, fröhlich sein, und sollt es als ein Fest Jahves feiern jedes Jahr sieben Tage lang; das ist eine für alle Zeiten, von Geschlecht zu Geschlecht geltende Satzung: im siebten Monat sollt ihr es feiern. Da sollt ihr sieben Tage lang in Hutten wohnen, damit eure künftigen Geschlechter erfahren, dass ich die Israeliten habe in Hütten wohnen lassen, als ich sie aus Aegypten hinwegführte, ich, Jahve, euer Gott." (Lev. 23 : 33—43.) „Das (Laub) Hüttenfest solist du sieben Tage lang feiern, wenn du (den Ertrag) von deiner Tenne und von deiner Keiter einheimsest. Und du solist an deinem Feste fröhlich sein, du und dein Sohn und deine Tochter, dein Skiave und deine Sklavin, der Levit, der Fremdling, die Weise und Witwe, die in deinen Ortschaften (wohnen). Sieben Tage lang solist du Jahve, deinem Gotte an der Statte feiern, welche Jahve (dein Gott) erwahlen wird, denn Jahve, dein Gott, wird dich segnen in allem, was dir (vom Felde) einkommt, und bei allem, was deine Hande tun; darum solist du nur fröhlich sein." (Deut. 16 : 13—15.) Wir wollen nun zuerst Deut. 16 : 13—15 etwas na her betrachten. Wie wir schon nach einem kurzen Bliek sehen können, hat unser Fest seit Ex. 23 : 16b und 34 ; 22b eine grosse Entwicklung durchgemacht. Es lautet nicht mehr: du solist das Fest der Lese feiern, sondern; du und dein Sohn und deine Tochter und dein Skiave und deine Sklavin und jedermann, der innerhalb deiner Pforte ist. Und zwar dort, welchen Platz Jahve dafür bestimmen wird. Auch der Name ist nicht mehr der alte „chag ha'asif" geblieben, sondern es heisst „chag ha-sulckoth" (16 : 13) und ist zu einem mehrtagigen Fest geworden (ebendort). Es ist zwar nicht naher bestimmt, wann es zu feiern sei, nur wie in Exodus so viel gesagt, dass: „wenn du von deiner Tenne und von deiner Keiter einheimsest" (ebendort). Doch ist nach der Angabe in I Kön. 12 : 32 wahrscheinlich, dass der Verfasser dieses Abschnittes die Kenntniss dieser Zeitbestimmung voraussetzt. Trotz dieser Neuerungen ist der alte Charakter des Festes bewahrt geblieben. Es ist ein frohes Dankfest für den Ertrag des Jahres. Jahve hat das Werk seiner Hande gesegnet, deshalb soll jeder Israelit vor Ihm jedes Jahr erscheinen, und sich vor Jahve freuen. Ein viel schwierigeres Problem bietet uns der Abschnitt Lev. 23 : 33—43. 9) Wie schon oben bemerkt, gehort derselbe dem sogenannten Heiligkeitsgesetz an, über dessen' Verfassungszeit so viel gestritten wurde. Er stammt aus ungefahr derselben Zeit, wie das Deuteronomium — also ungefahr aus der Zeit Hisqias — doch genügt ein einmaliges Durchlesen dieses Abschnittes, einen davon zu überzeugen, dass derselbe garnicht einheitlich ist. Man vergleiche hur V. 34 und 39 oder V. 34, wo das Fest als siebentagig erscheint, mit V. 36. wonach es achttagig war; ebenso auch 39a, 40, 41, 42 einer-, und 39b anderseits. Es bleibt also nichts anderes übrig als anzunehmen, dass der ursprüngliche Text des Abschnittes einer Ueberarbeitung unterzogen wurde. Die Frage ist dabei nur die: welche war nun dieser ursprüngliche Text, den wir als mit dem Deuteronomium ungefahr gleichzeitigen anzunehmen haben? Um darauf eine Antwort zu geben, miissen wir aber das ganze Problem der Entstehungszeit des Heiligkeitsgesetzes wenigstens berühren. Wenn man namlich H für exilisch halt — ob dem Ezechiel voraufgehend, oder nachfolgend, spielt dabei keine Rolle — so ist man genötigt nur die oben genannten Vs. d. h. und 39b einem Redaktor zuzuschreiben. Freilich bleibt dabei in den Versen 33—36 einer-, und 39—43 andererseits ein Doppelbericht über das Fest, zwischen die die Verse 37—38 eingeschoben wurden. Wenn wir aber mit Sellin annehmen dürfen,10) dass H vorexilisch ist und vielleicht auch dem Deuteronomium voraufgeht, so müssen wir viel weiter gehen. Danach ware, meiner Ansicht nach, der ursprüngliche Text in den Versen 39a, 40—42 zu suchen. Spater, nachdem aus dem siebentagigen Feste ein achttagiges geworden war, fügte man den Halbvers 39b hinzu, und der Abschnitt 23 : 33—36 ist dann zu dem so gestalteten Text ») Zu diesem Abschnitt vgl. Eerdmans, Alttestamentliche Studiën IV, 1912, S. 107 ff. 10) Sellin, Einleitung, S. 29. 39—42 eine Parallele. Die Verse 37—38 gehören natürlich nicht hierher. Endlich hat man dem ganzen Abschnitt noch die Verse 43—44 und darin eine historische Erklarung und Bedingung der Laubhütten beigegeben. Für die Annahme unserer Vermutung sprechen erstens die Aehnlichkeit zwischen Lev. 23 : 39 und Deut. 16 : 13 (vgl. dagegen Lev. 23 : 33 ff.); zweitens die genauere Beschreibung der Laubhütten findet man in Lev. 23 : 40 ff., dessen Kenntnis in Deut. 16 : 13 ff. wahrscheinlich vorausgesetzt ist, denn dort steht kein weiteres Wort darüber; drittens im gleichen Kapitel (Lev. 23 : 5 ff.) erscheinen Passah und Mazzoth als zwei gesonderte Feste, das eine am 14., das andere am 15. des Monats, dagegen nimmt Deut. 16 : 1 ff. Passah und Mazzoth als ein Fest; viertens der Abschnitt Lev. 23 : 33—36 ist zwar parallel zu 23 : 39a, 40—42, j edoch ohne den Vers 43. Welche nun alter ist: die Verwandlung des siebentagigen Festes in ein achttagiges, oder die historische Erklarung der Laubhütten, ist schwer zu entscheiden. Dass wir bei P in Num. 29 : 12 ff. über die Beziehung der Laubhütten zum Exodus nichts horen, besagt noch nichts, da wir hier nur die Aufzahlung der am Laubhüttenfeste darzubringenden Opfertiere haben und weiter nichts über das Fest selbst. Aus der Tatsache, dass im ursprünglichen Texte des Num. 29 : 12 ff. das Fest noch als siebentagiges erscheint und die Verordnungen für den achten Tag erst spater hinzugefügt sind, ergibt sich, dass diese Verwandlung jünger ist als P. Andererseits scheint es mir wahrscheinlicher, dass in Lev. 23 : 39 erst 39b eingeschoben war und nachher der Vers 43 hinzugefügt ist. Diese meine Vermutung beruht darauf, dass man den Vers 43 ohne weiteres weglassen kann, wogegen die Ausscheidung des achten Tages aus den Versen 33—36 ohne Schwierigkeiten nicht vorgenommen werden kann. Die einzige Neuerung bei unserem Feste, die hier besprochen werden muss, ist die Einführung der Laubhütten. Was ist nun eigentlich der Ursprung und die Bedeutung der Laubhütten? Die Tradition, welche uns erstmals in Lev. 23 : 43 begegnet, gibt den Laubhütten eine geschichtliche Erklarung. Hier heisst es: „alle Landeseingeborene in Israël sollen in Hütten wohnen, damit eure künftigen Geschlechter erfahren, dass ich die Israeliten habe in Hütten wohnen lassen, als ich sie aus Aegypten hinwegführte, ich, Jahve, euer Gott." Doch kann diese Erklarung nicht als die ursprüngliche und richtige betrachtet werden. Denn wie gesagt, kommt sie erst in Lev. 23 : 43 vor, worüber wir oben bereits gesehen haben, dass wir es hier mit einer spaten Stück zu tun haben. Der ursprüngliche Bericht über das Laubhüttenfest in Lev. 23 und auch in Deut. 16 kennt eine geschichtliche Erklarung der Laubhütten noch nicht. Und wie wir gleichfalls gesehen haben, ist der Gebrauch der Laubhütten im Feste überhaupt nicht ursprünglich, — da wir in den Exodusstellen darüber noch nichts hören — sondern sie ist eine spatere Bildung. Dieser Erklarungsversuch steht wahrscheinlich mit dem Bestreben in Zusammenhang, für die Feste überhaupt einen geschichtlichen Hintergrund aus den Erlebnissen des Yolkes zu formen, wie wir diesen Versuch auch bei dem Passahfest, — einem uralten Fest — beobachten können. Nach einer anderen Meinung waren die Laubhütten auf eine Gewohnheit zurückzuführen, nach welcher man in der Zeit der Weinlese in Hütten wohnte. Letzten Endes sollten in diesem Falie die Laubhütten kanaanaischen Ursprungs sein.11) Wir haben in der Tat Belege dafür, dass die Kanaaniter ein solches Lesefest hatten. Jedoch ist es nicht nachweisbar, dass man dabei in Hütten gewohnt hat.12) Dem Umstande, worauf man sich eventuell beruft, dass namlich noch die Sitte besteht, dass die Einwohner der Stadt oder der Dörfer in der Zeit der Lese in die Berge ziehen und die Dörfer wie ausgestorben sind, darf m. E. bei der Beurteilung der vorexilischen Laubhütten keine grosse Bedeutung beigemessen werden. Gressmann13) will sie aus den Adonismysterien ableiten. Er sieht im Laubhüttenfeste Vegetationsriten, die ursprünglich aus dem Kulte des Baai-Adonis stammen. Die Laubhütten waren dabei als speziell geartete Adonisgarten gedacht. Doch hat gegen diese Auffassung der Laubhütten Kittel14) m. E. mit Recht geltend gemacht, dass die Adonisgarten für die Gottheit bestimmt waren, doch die israelitischen Laubhütten sind es für die festfeiernden Kuitgenossen. Wir wissen in der Tat nichts davon, dass in den Adonismysterien die Festgenossen in den Adonisgarten gewohnt hatten. Noch weniger gehort ein „hieros gamos" zum Laubhüttenfest! Ich glaube, bei der Frage nach dem Ursprung und der Bedeutung der Laubhütten muss vielmehr Wensinck15) Recht gegeben werden. Er spricht in einer Abhandlung über das arabische Neujahr und die Laubhütten die Vermutung aus, dass diese Gewohnheit, am Herbstfest in Laubhütten zu wohnen, mit primitiven Anschauungen über gefahrliche Zeiten zusammenhangt. Es ist bekannt, dass nach primitiver Anschauung die Menschen in gewissen Zeiten der Macht der 11) So z.B. Wellhausen in seinem Prolegomena. Aber auch Kittel, G. V. I, II. (Auflage 6—7). S. 199. Anm. 1. 12) Siese z.B. Ri. 9 : 27. Vgl. zum Ganzen J. A. Wensinck, Arabic New Year and the Feast of Tabernacles, 1925, Verhandelingen der Kon. Akademie van Wetenschap, (1925), Letterkunde Nieuwe Reeks, Deel XXV, No. 2. 13) Der Alte Oriënt. XXIII 3. 14) Siehe Kittel, G. V. I, II. (Aufl. 6—7). S. 199. Anm. 1. 15) A.a.O. bösen Geister und Damonen besonders ausgesetzt sind. Diese Machte bedrohen vor allem die festen Wohnstatte der Menschen, wodurch diese gewissermassen als Tabu geiten (Vgl. auch das Passah!). Demnach hat man auch das Herbstfest als eine kritische Periode betrachtet, wahrend der die festen Wohnstatten — Hauser — gemieden und Laubhütten gebaut wurden. Zeitlich kann diese Erklarung der Laubhütten mit dem Aufkommen derselben gut stimmen, da sie uns erst in Lev. 23 bezw. in Deut. 16 bezeugt sind. Die Einführung derselben kann also möglicherweise in die alteste Königszeit gesetzt werden, zu welcher Zeit auch der Uebergang vom In-Zelten-Wohnen auf die festen Hauser gut denkbar ist. Wenn wir nun das über das Herbst-Laubhüttenfest bisher ausgeführte in einem einheitlichen Bilde zusammenfassen wollen, so ergibt sich daraus folgendes. Das Fest unter dem Namen „chag ha'asif" ist uns bereits aus vorköniglicher Zeit bezeugt. Es erscheint als ein Dankfest für den Ertrag des Jahres. Daher wird es auch am Ende des landwirtschaftlichen Jahres gefeiert. Eine genaue Zeit und Dauer des Festes ist in diesen altesten Berichten noch nicht vorhanden, was aus natürlichen Gründen gut verstandlich ist: jedermann konnte bei der Jahreswende feiern, nachdem er mit.seiner Arbeit fertig geworden war. Im Laufe der Zeit werden sowohl die genaue Zeit, als auch die Dauer des Festes geregelt, und die Zeit auf den 15. des siebten Monats — bzw. in Israël im achten — und die Dauer auf sieben Tage festgesetzt. Dies geschieht wahrscheinlich aus praktischen Gründen, damit eine grössere geschichtliche oder geograpische Einheit das Fest einheitlich feiern kann. Gleichzeitig mit dieser Neuerung wird wahrscheinlich wohl noch eine andere Eingang gefunden haben. Diese Neuerung ist die Einführung der Sitte, wahrend der Festtage in Laubhütten zu wohnen. Obgleich die Tradition diese Laubhütten aus der Zeit des Auszuges aus Aegypten und der Wanderung und dem Wohnen in Zeiten in der Wüste ableiten will, wird der Ursprung dieser Sitte viel eher die Furcht gewesen sein, wonach man in kritischen Perioden die festen und mit einem Dach versehenen Hauser am liebsten meidet. Trotz dieser Neuerungen hat aber das Fest von seinem ursprünglichen Charakter soviel wie nichts eingebüsst. Es ist noch immer als grösstes Jahresfest ein Erntedankfest, dessen landwirtschaftlichen Charakter auch in dieser Königszeit unverkennbar ist. Nach dem babylonischen Exil hat unser Fest endlich so viel Aenderung erfahren, dass die Dauer des Festes verlangert wurde, indem man zu den bisherigen sieben Tagen noch einen achten hinzugefügt hat, und man war bestrebt, es von seinem ursprünglichen Charakter zu trennen und statt dessen mit einem national-historischen Charakter zu versehen. Dies geschah dadurch, dass man die Laubhütten mit dem Exodus in Verbindung brachte. Die Bedeutung des Festes war aber von Anfang an sehr gross. Es wird nicht nur schon frühe als „hè-chag" schlechthin bezeichnet, sondern auch Sach. 14. lasst selbst die Heiden an diesem Feste nach Jerusalem pilgern, um Jahve anzubeten. Das ist also das Bild, welches über das Herbst-Laubhüttenfest aus den Schriften des Alten Testaments vor uns tritt. Wenn wir nun die so gewonnenen Ergebnisse mit denen von Volz' Arbeit vergleichen, wird es nicht schwer fallen festzustellen, dass zwischen beiden grundlegende Unterschiede bestehen. Die folgende Auseinandersetzung mit Volz' Neujahrsfest Jahwes (Laubhüttenfest) wird kurz diesen Unterschied hervorzuheben und die Richtigkeit unserer Ergebnisse gegenüber denen Volz' sicherzustellen versuchen. Das erste, was ins Auge fallt, ist die Verschiedenheit des Charakters des Festes nach der Darstellung von Volz und nach unserer. Wie wir namlich oben gesehen haben, hatte das Fest von alters her einen ausgesprochenen agrikulturellen Charakter. Dieser wurde erst spat durch einen nationalen ersetzt. Volz behauptet, dass das Fest ursprünglich einen „historisch-geistigen" Charakter gehabt habe, welcher nach der Einwanderung und Niederlassung in Kanaan unter kanaanitischem Einfluss durch den „bauerlich-materiellen" verdrangt wurde. Doch haben bereits die ersten Rezensenten von Volz' Büchlein dem Verfasser mit Recht vorgeworfen, dass diese seine Behauptung der Wirklichkeit nicht entspricht.16) In Wirklichkeit ist uns — wie wir auch oben gesehen haben — der „bauerlich-materielle" Charakter des Festes bereits in den ersten Berichten darüber deutlich bezeugt, wogegen der „historisch-nationale" uns erst nach dem Exil begegnet. Die Sache ist also gerade umgekehrt wie Volz es meint. Wenn er namlich schreibt: „der Jahresanfang erinnert an den Weltanfang" und an „die Gründung seiner Kultgemeinde", so kann er sich bei diesen Behauptungen wohl auf talmudische, aber nicht auf vorexilische-biblische Stellen berufen. Nach der spateren Tradition") gilt das Neujahrsfest dem Andenken an das Königtum Jahves und an die Weltschöpfung, aber nicht nach dem Alten Testament. Und auch nach der Tradition ist es das Neujahrsfest und nicht das Laubhüttenfest, und beide dürfen m. E. nicht ohne weiteres gleichgesetzt werden. Solange wir über das Herbst-Laubhüttenfest als alteste Berichte Ex. 23 : 16b und 34 : 22b vor uns haben, kann der agrikulturelle Charakter des Festes — wenigstens mit Recht — nicht geleugnet und dem gegenüber ein „historisch-geistiger" Charakter als ursprünglich behauptet werden. 16) Vgl. W. Baudissin: Volz, Das Neujahrsfest Jahves in Th. L. Z. 1913, 5 ff. und M. Löhr: Paul Volz, Das Neujahrsfest Jahves in O. L. Z. 1913, 161. 17) Vgl. P. Fiebig, Rosch ha-schana, Giessen 1914, S. 49 ff. die Malkhijjoth; und S. 53 ff. die Zikronoth. Ganz falsch ist ferner die Vermutung Volz' über die Bedeutung der Laubhütten. Wie es scheint, nimmt er an, dass die Laubhütten (ursprünglich Zelte aus Tuch, nach Hos. 12 : 10) schon von Anfang an zu dem Feste gehörten, und die Kuitgenossen wollten mit dem In-denHütten-Wohnen nur das Tun der Gottheit, mit anderen Worten das Wohnen und Erscheinen Jahves im heiligen Zelt nachahmen.18) Doch steht demgegenüber — nach den oben Ausgeführten — fest, dass die Laubhütten ursprünglich nicht zum Herbstfest gehörten, sondern sie sind Produkt einer spateren Zeit. Und weiter würde ich auf die einzige Angabe in Hos. 12 : 10 nicht so viel bauen, wie Volz das tut. Diese ist namlich die einzige Stelle, wo in Zusammenhang mit einem Fest (ob damit das Herbstfest gemeint ist?) nicht Hütte (sukka), sondern Zelt ('ohel) erwahnt wird. Daraus kann aber m. E. nicht gefolgert werden, dass man am Herbstfest ursprünglich Zelte an Stelle der Laubhütten gebraucht hat. Diese Hoseastelle ist erstens viel zu dunkel, um daraus mit Sicherheit schliessen zu können, dass hier das Herbstfest gemeint ist. Zweitens macht der Umstand, dass die Angabe über unser Fest in Lev. 23 und Deut. 16 — die doch mit Hos. 12 : 10 ungefahr gleichzeitig sein müssen — nichts von einem Zelt, sondern nur von Laubhütten wissen, die Vermutung: das Zelt sei die ursprüngliche Festwohnung gewesen, recht unwahrscheinlich, ja unmöglich. Ist dem aber so, dann kann das Wohnen der Kuitgenossen in Laubhütten mit dem Erscheinen Jahves im heiligen Zelt nicht mehr in Beziehung gebracht werden. Endlich müssen wir noch eine Antwort auf die Frage geben, ob die Gleichstellung von Volz: Laubhüttenfest : Neujahrsfest, berechtigt ist. Wie wir oben gesehen haben, steht in den Quellen nichts darüber, dass das Herbst-Laubhüttenfest ein Neujahrsfest gewesen ist. In der alteren Zeit — in der ersten Halfte des Königtums — wird über ein Neujahrs/esi überhaupt kein Wort gesagt. Es ist unleugbar, dass das Herbstfest — da es ein landwirtschaftliches Dankfest war — in die Zeit fiel, wo das landwirtschaftliche Jahr zu Ende ging und das neue zugleich begann. Demgegenüber steht aber der Punkt auch fest, dass, wahrend dieser letzgenannter Charakter des Festes — für den Ertrag des Jahres Dank zu sagen — in Ex. 23 : 16ö und 34 : 22b sich klar ergibt, wir für den Neujahrscharakter desselben aus den genannten Stellen nichts gewinnen können. Es ist mit keinem Worte gesagt und kann aus dem Text auch nicht gefolgert werden, dass das hier vorgeschriebene Fest das Neujahrsfest Jahves gewesen ware. Was ferner die spatere Zeit betrifft, kann die Behauptung Volz' dafür noch weniger zutreffend sein. Mit der Festsetzung des Neujahrsfestes in den Herbst hat man namlich für dieses Fest — wie ls) Volz a.a.O. S. 21 f. bekannt — einen besonderen Festtag eingeführt, und zwar auf den ersten Tag des siebten Monats.10) Also war es wieder nicht das Laubhüttenfest, welches am 15. dieses Monats begann. Ganz irrtümlich ist weiter die Behauptung Volz', alsob man in der spateren Zeit mit der Verlegung des Jahresanfangs auf das Frühjahr sich genötigt gesehen hatte, das Passah einzuführen, damit man bei Jahresbeginn ein grosses Jahve-Jahresfest habe.20) In diese Behauptung liegen sogar zwei Irrtümer: erstens fand eine Verlegung des Jahresanfangs auf den Frühling in der spateren Zeit garnicht statt, und zweitens wurde das Passah nicht erst spater eingeführt, sondern es war eines der altesten Feste Israels, — wenn nicht gerade das alteste — welches noch mit dem Hirtenleben in Zusammenhang stand. Spateren Ursprungs ist nur das Bestreben, das Fest von seinem ursprünglichen Charakter zu lösen und dafür mit einer nationalhistorischen Farbe zu versehen. Mit dieser seiner Behauptung will Volz nur seine andere Hypothese sicherstellen, dass das Herbstfest und das Neujahrsfest eins waren. Dieser Versuch kann aber nach dem Obigen als gescheitert betrachtet werden. Zur weiteren Unterstützung seiner Hypothese beruft sich Volz auch auf das babylonisch-assyrische Beispiel. „Wie in Babylonien und Assyrien das Hauptfest des höchsten Gottes zugleich Neujahrsfest ist, so auch in Israël" (S. 13). Aber wir wollen nun sehen, ob diese Schlussfolgerung berechtigt ist. Darf man aus der Tatsache, dass es in Babylonien und Assyrien so war, ohne weiteres den Schluss zie'nen, dass es auch in Israël so sein musste? Um darauf eine befriedigende Antwort zu geben, müssen wir erst kurz das babylonische Neujahrsfest untersuchen. Das babylonische Neujahrsfest — akitu, oder zagmuku — ist seit den Ausgrabungen und dank der Arbeit Zimmerns beinahe vollstandig bekannt. Danach war es das höchste Fest des Hauptgottes von Babel, Marduk, welches beim Beginn des Frühlings vom ersten bis zum zwölften Nisan zu feiern war. Das ganze Fest zerfiel in zwei Hauptteile. Der erste Teil umfasste die ersten fünf Tage und hatte einen vorbereitenden Charakter. Die Verordnungen für den ersten Nisan fehlen noch. Das uns bekannte Ritual beginnt mit dem zweiten Nisan. An allen diesen Tagen — zweiten bis fünf ten Nisan — steht der Oberpriester schon früh — noch vor Sonnenaufgang — auf, wascht sich in Tigris und Eufratwasser, spricht ein Huldigungsgebet vor Marduk, worauf noch verschiedene Riten folgen. Besonders hervorzuheben ist der vierte Tag, an welchem der Oberpriester vor 18) Rosch ha-schana (bei Fiebig) I. lc. Vgl. auch Eissfeldt, R.G.G. 2. Aufl. II Sp. 555. 20) Siehe a.a.O. S. 10 und 14. Marduk das ganze Weltschöpfungsepos Enuma elis vortragen musste. Demgegenüber dauerte der zweite Teil — das eigentliche Fest — sieben Tage und zerfiel seinerseits wieder in drei Hauptteile. Am sechsten Nisan kamen die Götter der anderen Stadte, vor allem Nebo aus Borsippa, nach Babel. Am gleichen und folgenden Tage wurde die Gefangennahme, Verurteilung, Leiden und Tod Marduks mimisch dargestellt. Am neunten Nisan und an den folgenden Tagen wurden weiter die Auferstehung Marduks, sein Kampf mit den feindlichen Machten und sein Sieg über sie, seine Thronbesteigung, die damit verbundene Schicksalsbestimmung für das folgende Jahr und die Huldigung der Götter vor Marduk, endlich seine Hochzeit dargestellt. 21) Die eigentliche Liturgie des Festesist das bekannte Weltschöpfungsepos Enuma elis, welches — wie wir oben gesehen haben — am vierten Nisan durch den Oberpriester vorgelesen wurde. Wenn wir diese Liturgie mit der anderen, durch uns oben skizzierten vergleichen, fallt es nicht schwer festzustellen, dass zwischen beiden ein gewisser Unterschied besteht. Das Fest, wie oben geschildert, wurde namlich in der Zeit des neubabylonischen Reiches gefeiert, und ist nicht mehr ursprünglich, daher auch nicht einheitlich. Es haben in das Fest — wie Böhl22) m. E. mit Recht vermutet — Züge aus einem Tammuzfeste Eingang gefunden. Es sind dies die Bestandteile, die nicht in der Liturgie des Enuma elis-Epos zu finden sind: die Vorgange am sechsten bis achten und am zwölften Nisan, mit anderen Worten das Leiden und Sterben Marduks und seine Hochzeit. Nach Ausscheidung dieser Partien können wir sehen, dass das Wesentliche des Festes sich auf den 9—11 Nisan konzentrierte. Danach war das babylonische akitu-Fest, ein Fest des Sieges Marduks über seine Feinde, seiner Thronbesteigung — womit auch die Huldigung der Götter vor dem Götterherrn verbunden war — und der darauf folgenden Schicksalsbestimmung. Es war gedacht „als alljahrliche Wiederholung der einstmaligen ersten Weltneujahrsfeier, oder umgekehrt: die Weltschöpfung wurde gedacht als eine Neujahrsfeier des mit ihr beginnenden grossen Weltenjahres", wie Zimmern das ausdrückt.23) Wie wir also sehen, steht hinter diesem Fest die babyIonische Auffassung über den Mikrokosmos-Makrokosmos, nach welcher, wie die Schöpfung der Beginn eines Weltenjahres war, jedes Neujahr die Wiederholung der am ersten Anfang stattgefunden Ereignisse ist. Wie die Schöpfung erst nach dem Sieg Marduks über 21) Zum Ganzen vergleiche Dr. H. Zimmern, Das babylonische Neujahrsfest. A.O. XXV : 3. und die in Kap. 1. Anm. 5. angegebene weitere Literatur. 22) Böhl, Nieuwjaarsfeest en koningsdag in Babylonië en in Israël, 1927, S. 28 ff. 23) Zimmern, Das babylonische Neujahrsfest, A.O. XXV 3. S. 9. Tiamat möglich war und stattfand, so muss dieses Ereignis in jedem Jahr stattfinden, weil eben jedes Neujahr ein neuer Beginn ist. Nicht darum ist also das akitu ein Neujahrsfest, weil es das Hauptfest des höchsten Gottes ist, sondern darum ist es das Hauptfest des höchsten Gottes, weil er an diesem Tage über seine Feinde siegt, die Macht an sich reisst, die Königsherrschaft über die Götter antritt und die Welt schafft. Was darauf folgt ist ein neuer Beginn, ein Neujahr. Dieser Umstand steht aber wieder mit astralen Erscheinungen und historischen Ereignissen in Zusammenhang, namlich damit, dass Marduk als Gott der Frühlingssonne um diese Zeit der herrschende Planet wird, und — wie bekannt — unter Hammurapi Babel die führende Rolle an sich riss, womit naturgemass die Erhebung des Gottes von Babel zum Hauptgott und Schöpfergott zusammenhing. Aus den Obigen ist es gut ersichtlich, dass das babylonische Neujahrsfest ein reines Naturfest war, was selbstverstandlich aus dem Naturcharakter der Gottheit zu erklaren ist. Dazu, dass man sich bei der Hypothese: das israelitische Laubhüttenfest sei das Neujahrsfest Jahves gewesen, auf Babylonien berufen könne, ware nun nötig, dass Jahve auch ein Naturgott gewesen sei. Das war aber bekanntlich nicht der Fall. Danach steht es aber fest, dass aus der Tatsache, dass in Babyion das Hauptfest des höchsten Gottes das Neujahrsfest war, — mit Recht — nicht ohne weiteres der Schluss gezogen werden kann, dass es auch in Israël so gewesen sein musste. Marduk ist namlich nicht gleich Jahve, und Babyion nicht Israël. Die Voraussetzungen des Festes in Babyion waren in Israël nicht gegeben. Die ganze Weltbetrachtung und der Gottesbegriff, welche die Entstehung des babylonischen Neujahrsfestes möglich machte, war der israelitischen Religion völlig fremd. Assyrien kann hierbei natürlich ganz ausser acht gelassen werden, da die Assyrier auf religiösem Gebiet nicht selbstandig waren, sondern die religiösen Begriffe, Handlungen und Riten der Babylonier einfach übernahmen. Alles in allem: solange wir in zuverlassigen, vorexilischen, biblischen Quellen über den Neujahrscharakter des israelitischen HerbstLaubhüttenfestes keinen Bericht haben, dürfen wir uns zur Unterstützung einer diesbezüglichen Hypothese auf das babylonischassyrische Beispiel nicht berufen. Denn das babylonisch-assyrische Neujahrsfest ist kein Analogon! Wie wir aber oben bereits dargelegt haben, bezeugen die altesten Quellen über das Herbstfest den Neujahrscharakter desselben keinen Falls. Die Wiederkehr des Herbstfestes beruht nicht auf astraler Spekulation, sondern hat ganz natürliche Ursachen: jedes Jahr bringt seinen Ertrag. In jedem Jahr muss man also für den Ertrag des Jahres auch Dank sagen. Deshalb ist das jahrliche Herbstfest. Im Gegensatz zu den Angaben der altesten Quellen kann man sich auf die Mischna natürlich mit Recht nicht berufen. Wenn die Mischna dem Laubhüttenfest einen gewissen Neujahrscharakter zuschreibt, so kann die hierin bezeugte Ueberlieferung sicher nur als jüngeren Ursprungs betrachtet werden als die des Bundesbuches, oder von Ex. 34, weshalb die Ursprünglichkeit der letzteren nicht geleugnet werden durfte. Denn der Grund, weshalb die Mischna dem Laubhüttenfest einen gewissen Neujahrscharakter zuschreibt, liegt darin, dass die Juden, die um diese Zeit bereits zerstreut waren, zur Bewarung der Einheit des Volkes ein speziell jüdisches Neujahrsfest haben wollten. Jedoch, angesichts dessen, dass das Volk kein landbautreibendes Volk mehr war, konnte das Fest naturgemass kein reines Landbaufest sein. Wohl war aber das vergeistigte Laubhüttenfest dazu geeignet. So wurde erst diesem ein gewisser Neujahrscharakter zugeschrieben, und nachher vor das Laubhüttenfest ein spezielles Neujahrsfest eingeführt. 5. KAPITEL. Die Erklarung der sogenannten Thronbesteigungspsalmen. Die Arbeiten verschiedener Gelehrten haben in der letzten Zeit die Aufmerksamkeit der Alttestamentler in immer steigenderem Masse auf die Psalmen gelenkt. Nachdem das Interesse der Forscher auf religionsgeschichtlichem Gebiet sich von der Mythologie zum Kultus gewandt hatte, wollten die Alttestamentler auch nicht mehr so verachtlich über den Kult reden. Man suchte nach dem „wahren" Kult in Israël, wofür als Quellen weder die prophetischen Bücher, noch das Gesetz für authentisch erklart wurden. x) Die Psalmen sind die einzig zuverlassigen Quellen, woraus man noch den Kult des alten Israels erkennen kann, wurde behauptet. 2) Von hier aus ist es auch verstandlich, dass, wahrend man noch vor nicht langer Zeit — über das israelitische Neujahr schreibend — die Psalmen beinahe ausser acht hatte lassen können, gegenwartig auf die Erklarung verschiedener Psalmen der grösste Nachdruck gelegt werden muss. Ja, wie wir in der Einleitung und auch im 2. Kapitel kurz gesehen haben, sind die Psalmen in das Zentrum gerückt bei der Frage, ob ein Neujahrsfest und auf diesem Fest die Thronbesteigung Jahves im alten Israël x) Vgl. Mowinckel, Psalmenstudien II, Teil I, Kap. 1, 4 c. Kap. IV 4. 2) Ebenda. bestand. Eine Gruppe Psalmen war eben „der Stein des Anstosses", die Mowinckel veranlasst hat, das genannte Fest zu postulieren. Daher versteht es sich von selbst, dass wir, wenn wir die Frage des ïsraelitischen Neujahrsfestes behandeln, auch die Psalmen heranziehen müssen. Wir wollen die grösste Aufmerksamkeit der Erklarung der Psalmen schenken, denn wir sind davon überzeugt, dass die ganze Neujahrhypothese Mowinckels von der Erklarung der Psalmen abhangig gemacht werden soll. Und mit dem Ergebnis dieser Arbeit steht oder fallt praktisch die ganze Hypothese. Da wir aber der Erklarung der Psalmen so grosse Bedeutung beimessen, können wir uns mit einer kurzen Uebersicht der hierbei in Betracht kommenden Psalmen nicht begnügen sondern, bevor wir uns der Besprechung der Mowinckel'schen Hypothese über die Thronbesteigung Jahves am israelitischen Neujahrsfeste zuwenden, wollen wir diese Psalmen gründlich untersuchen, um so erst die Quellen selbst sprechen zu lassen und zu sehen, !ob darin in der Tat Anhaltspunkte zur Postulation eines solchen Festes zu finden sind. Die erste Frage, die von selbst auftaucht, ist hierbei natürlich die: welche sind also die Psalmen, die wir in Betracht ziehen müssen? Wenn wir nun bei der Auswahl dieser Psalmen Mowinckel folgen wollten, so würden wir eine grosse Anzahl vor uns haben, deren Behandlung die Ramen dieser Abhandlung sprangen müsste. Doch ist dies nicht nötig. Bereits Schmidt3) hat ihm ja vorgeworfen, dass er auch Psalmen heranzieht und behandelt, die mit dem Laubhüttenfest-Thronbesteigungsfest nichts zu tun haben. Auch Gunkel4) hat ihn beschuldigt: „Er hat „Helena in jedem Weib" gesehen". Daher erscheint eine Sichtung des hierbezüglichen Materials dringend notwendig. Den Masstab zu dieser Arbeit liefert Mowinckel selbst. Oben, in unserem Kapitel 2 haben wir mit der Hypothese Mowinckels schon Bekanntschaft gemacht. Danach war der Mittelpunkt dieses Thronbesteigungsfestes die feierliche Prozession, worin Jahve auf den Zion gebracht wurde, und die darauf folgende Inthronisation, wobei die Menge das Stichwort rief: nin\ Das ist das Wesentlichste des Festes. Das muss also auch der Masstab sein, nach welchem wir beurteilen müssen, welchè Psalmen für die Postulation eines solchen Festes in Anmerkung kommen können. Wenn wir aber diesen Masstab anwenden, so schrumpft die Anzahl der bei Mowinckel behandelten Psalmen auf ein Minimum ein. Ohne hierbei lange polemisieren zu wollen, ob ein Psalm hier zu behandeln sei, oder nicht, stellen wir einfach fest, dass nach unserer Ueberzeugung bei der Postulation eines solchen Thronbesteigungs- • 3) Siehe Th. L. Z. 1924. No. 4/5. Sp. 78. 4) Gunkel, Einleitung in die Psalmen I. Halfte 1928, S. 104. festes nur die Psalmen 47, 93, 96—99 in Betracht kommen können. 5) Dies sind die Psalmen, die nicht nur die Königsherrschaft Jahves feiern, sondern worin Jahve als jetzt Königgewordener erscheint. Auch iiber eine hiermit verbundene Prozession horen wir nur in diesen Psalmen. Wie wir schon oben erwahnt haben, ist für diese Psalmen das Stichwort: "j!>a mrv am meisten charakteristisch. Dasselbe kommt in 93 : 1; 96 : 10; 97 : 1 und 99 : 1 vor. Da Psalm 47 ein sogenannter Elohimpsalm ist, kommt darin dieses Stichwort als DVlï'N "]^a vor. Allein in Psalm 98 findet es sich nicht. Doch können wir auch diesen Psalm hier behandeln, und zwar aus folgenden Gründen: der Ton des ganzen Psalmen ist so sehr verwandt mit dem der anderen, dass die Verse 9 und 96 : 13 zum Beispiel wörtlich übereinstimmen. Der Psalm ist voll mit Imperativen, mit denen der Verfasser sein Volk aufmuntert, Jahve zu loben und Ihm zuzujubeln. Da wir in Vers 6 auch erfahren, dass dies Jubeln Jahve dem König gilt, kann es möglicherweise auch reiner Zufall sein, dass das bekannte Stichwort hier fehlt. Die Grundstimmung des Psalmen empfielt jedenfalls ihn hier zu behandeln. Mehr Psalmen als die oben erwahnten sechs wollen wir aber nicht heranziehen, da die andere für die Postulation eines Thronbesteigungsfestes nichts Sicheres bieten. Sie könnten überhaupt nur mit Gewalt hier herangezogen werden. Nachdem wir nun unseren Stoff so begrenzt haben können wir mit der eigentlichen Arbeit, der Erklarung der Psalmen beginnen. Psalm 47. Zur Musikleitung (?). Von den Söhnen Qorah. Ein Psalm. 2. Ihr Völker alle, klatscht in die Hande! jauchzet Gott zu mit lautem Frohlocken! 3. Denn Jahve, der Erhabene, ist furchtbar, ein grosser König ist er über die ganze Erde. 4. Völker zwang er unter uns, Nationen unter die Füsse; 5. er machte uns unser Erbe weit, den Stolz Jakobs, das er liebt. Sela. 6. Gott stieg empor mit Jubelschall, Jahve bei Posaunenklang. 7. Singt unserem Gotte, singet! Singt unserem Könige, singet! 8. Denn König ist über die ganze Erde Gott, singet ein Kunstlied ! 9. König geworden ist Gott über die Nationen, Gott hat sich auf seinen heiligen Thron gesetzt. 10. Die Edeln der Völker sind versammelt, samt dem Volke des Gottes Abrahams. Denn Gott gehören die Fürsten der Welt; er ward hoch erhaben. Zuerst einige kurzen Bemerkungen zum Text. Da in V. 5. 1.2^—irn1 Un^rUTlK syntactisch schwer zu verstehen ware — "QT in V. 4. ist imperf. iterat., aber irD'1 lsann keine iterative Bedeutung haben — lesen wir nach Stade Z.A.W. 23 S. 169 und Gunkel S. 203 2m\ gleich: er erweiterte. 5) Die Frage, welche Psalmen zu den „Thronbesteigungsliedern" gerechnet werden können, behandelt Gunkel eingehender in seiner Einleitung in die Psalmen I. Halfte, 1928, § 3, No. 8. Pap 4 In V. 7 für D\-li>N mit der LXX 1^,^; vgl. auch in V. 7 b In V. 8 lesen wir mit mehreren Handschriften vgl.auch V. 3 b V. 10 lautet: „die Edeln der Völker sind versammelt, das Volk des Gottes Abrahams"; der Sinn ware darnach, dass die Völker an die Stelle Israels getreten sind. Es ist recht zweifelhaft, ob der Verfasser von Psa m dies gemeint hat. Viel wahrscheinlicher ist es, dass vor 01' ein Dl? irr- tümlicherweise ausgefallen ist. Deshalb lesen wir DrTOK KTD»'; bo auch Gunkel a.a.O. u.a. 'JJIQ in übertragenem Smne: Helden, Vornehme, Fürsten. Nach der Ueberschrift beginnt der Psalm mit zwei Imperativen, mit welchen der Verfasser ausdrücklich die Völker auffordert, Jahve zuzujubeln. Schon aus den hierbei gebrauchten Ausdrücken konnte man darauf schliessen, was der Grund dieses Frohlockens ist, da wir das Handeklatschen in II Kon. 11 : 12 und das Zujauchzen (jmn) in I Sam. 10 : 24 als den dem neuen König gebührenden Gruss kennen. Doch wird dieser Grund im folgenden Vers auch direkt angegeben: „denn Jahve, der Erhabene, ist furchbar, ein grosser König ist er über die ganze Erde". Dieser Umstand hat fur die Israëli ten auch eine besondere Bedeutung. Denn damit ist verbunden, dass er die Völker unter die Füsse der Israeliten geworfen und ïhr Erbteil erweitert hat. Diese Imperfecta können hier nur iterativ aufgefasst werden. Die futurische Bedeutung verbietet, dass Jahve in V 3 schon als König der ganzen Erde genannt wird. Da Jahve eigentlich der König Israels ist, (vgl. V. 7 so musste erst die Unterwerfung der Völker unter die Füsse Israels geschehen danach konnte Jahve erst König der ganzen Erde genannt werden. Deshalb kann auch W in V. 5 nicht richtig sein, wenn wir auch in den Uebersetzungen dies Zeitwort finden. Denn in ïesem a e müsste man es als Perfektum praeteritum ansehen (was nicht gerade ausgeschlossen ist vgl. König Syntax § 158). Es wird aber wohl eine Umstellung von 3m' sein. Dem sieghaft einziehenden König Jahve gebuhrt also das Frohlocken. In den folgenden Versen sieht nun der Verfasser diesen Aufzug und die Inthronisation Jahves im Geiste und beschreibt es. Gleichwie die irdischen Könige, zieht auch Jahve, der Konig des Alls, unter Jubelschall und Posaunenklang hinauf. Wahrend bei dem irdischen König die Burg meistens auf einem Berg lag, ist Jahves komglicher Palast im Himmel; dorthin muss er hmaufziehen. Und wahren dessen hört die Aufmunterung des Psalmisten nicht auf, urn Jahve zuzujubeln. Jetzt aber hat der Zug das Ziel erreicht: Jahve ist oben er ist König geworden, jetzt besteigt er den Thron und nimmt darauf seinen Platz ein. Rings um ihm sind alle Edeln versammelt. di Vornehmen der Völker und das ganze Volk des Gottes Abrahams so gebührt es dem König der Erde, denn ihm allem gehoren die Edeln der Erde, und niemandem ausser ihm. — Das ist mit wenigen Worten, aber trotzdem mit grosser Anschaulichkeit in diesem Psalm erzahlt. Nach dem Zeugnis der Tradition und dem Gebrauch der Synagoge ist unser Psalm ein Neujahrslied. 8) Der Inhalt des Liedes wiederspricht dem keinesfalls, im Gegenteil, stimmt damit gut überein. Wie wir namlich gut wissen, war das Neujahrsfest des Nachexilischen Judentums zugleich das Fest der Königsherrschaft Jahves (vgl. P. Fiebig, Rosch ha-schana, Giessen 1914). In diesem Psalm bildet aber den Mittelpunkt die Königsherrschaft Jahves über die ganze Erde und aller Völker. Der Psalm ist ein Stück Eschatologie. Es gibt keinen sicheren Anhaltspunkt für eine zeitgeschichtliche Erklarung, wohl kann man aber die Zukunfterwartung der Israeliten darin sehen (Jahve der König der Welt, Unterwerfung der Völker, Erhebung Israels, algemeine Anerkennung Jahves und Huldigung seitens der Völker etc.). Die im Psalmen gebrauchten Perfecta sind Perfecta prophetica, wie wir die auch bei Jesaia finden (9 : 1—3, vgl. Driver, Tenses § 14. und König, Syntax §§. 132. 133.). Was den Aufzug in V. 6 betrifft, so wurden darüber schon viele Meinungen geaussert. Ich bin der Ansicht, dass, da der Thron Jahves im Himmel ist, (vgl. Pss. 11 :4 und 103 : 19) an den himmlischen Thron gedacht ist. Auf die durch Mowinckel vertrittene Frage, ob mit diesem Aufzug nicht eine Kultprozession gemeint sei, in deren Mitte Jahve zum Beispiel durch die Lade vergegenwartigt auf den Zion gebracht wird, müssen wir mit der grössten Entschiedenheit mit „Nein" antworten. Um diese Auffassung zu begründen, wollen wir einen Psalm herbeiziehen, welcheï in der Tat eine ahnliche Kultprozession beschreibt. Einen solchen finden wir in Psalm 68. Den wollen wir nun etwas naher betrachten. In diesem Psalm ist — in den Versen 25 ff. — der Einzug Jahves in Zion geschildert. Da heisst es: „sie sahen deinen Einzug, o Gott, den Einzug, mein Gott, und mein König, im Heiligtum: voran die Sanger, hinten die Saitenspieler, inmitten paukenschlagender Jungfrauen. In Chören preisen sie (lese: imi nach Gunkel) Gott, den Herrn in Israels Gemeinden (lese: M"ipoQ nach Gunkel); da ist Benjamin, gering an Menschen (lese: DIN nach Gressmann) Fürsten Judas, das reich an Mannern (lese: DTID 31 nach Gunkel), Zebulons Fürsten, Naphtalis Fürsten." Wie wir sehen, steht hier eine genaue Beschreibung des Zuges: Sanger, Saitenspieler, Paukenschlagerinnen einerseits, und die Stamme Israels andererseits. Ware nun auch in Psalm 47 eine wirkliche Prozession vor den Augen des Verfassers gewesen, dann hatte er mit derselben Pünktlichkeit und Gründlichkeit fi) Vgl. P. Fiebig, Die Mischna, Rosch ha-schana 1914, S. 59. I.; Elbogen, Der jüdisehe Gottesdienst in seiner geschichtlichen Entwicklunc, 1931, 3 Aufl. § 24. A. 11. beschrieben, wie der Verfasser des Psalmes 68 das tut. Oder wir müssten wenigstens etwas dem Aehnliches auch in Ps. 47 finden. Was finden wir aber in unserem Psalm von der ganzen Prozession. Nur Jubeln, Jauchzen, Singen, Handeklatschen, dann ein Wort über den Aufzug Gottes (OV^N n^!7), endlich zwei Momente der Thronbesteigung (imhe und lehp 3«H) und eine Schlusszene der Huldigung. Hinter dieser Beschreibung kann nie eine Kultprozession stehen, die der Verfasser des Psalmes in jedem Jahr hatte sehen sollen, solange wir eine solche Beschreibung eines Einzuges Jahves besitzen, wie Psalm 68 : 25 ff. Wohl verstandlich ist der Psalm aber, wenn man voraussetzt, dass der Verfasser das alles, was er in dem Psalm beschreibt, im Geiste erlebt, mit den Augen des Glaubens sieht und danach schildert. Darum gibt er keine genaue Beschreibung der Prozession, wie im Psalm 68, sondern nur einige Hauptzuge der Thronbesteigung. Und dabei ist viel Freude und Frohlocken. ') Psalm 93. _ . Jahve ward König, hat sich in Hoheit gekleidet, so hat sich Jahve gekleidet, mit Kraft sich gegürdet. Ja, festgestellt wurde der Erdkreis, dass er nicht wankt. 2. Feststeht dein Thron von uran, seit Ewigkeit bist du! 3. Ströme erhoben, Jahve, Ströme erhoben ihr Donnern. Dasst die Ströme ihr Gebraus erheben, 4. mehr denn Donnern gewaltiger Wasser, mehr denn Meeresbrandungen herrlich, herrlich ist Jahve in der Höhe. 5. Deine Verheissungen sind sehr treu und wahrhaftig erfunden, deinem Hause kommt Heiligkeit zu, Jahve, fur alle Zeiten! Zum Texte dieses Psalmes brauchen wir nicht viel zu bemerke^ Der Text ist so gut in Ordnung, dass er beinahe keiner Korrektur bedarf Nur Vers 5 müssen wir die Wörter: OnnN ein wenig umstellen und für den gegenwartigen Text lesen wie folgt: D,~,"Ott"3I2 ® aber nur ein Schreibfehler, welcher durch die scriptio continua und den unpunktierten Text verursacht wurde. Der Psalm beginnt mit dem Bekannten Stichwort: Jahve ward König, worauf die Beschreibung seiner Kleidung folgt. Das Konigliche Gewand Jahves besteht nicht in Samt und Gold, wie bei den irdischen Königen, sondern in Hoheit, und sein Gurtel ist Kra . ie Folge dieses Königwerdens ist, dass die Erde von nun an festste , ohne Wanken. Der Psalmist braucht hierbei für seine Zeitgenossen nichts zu erklaren. Es war ja allgemein bekannt, was man d™te* zu verstehen hatte. Wie auch aus anderen Psalmenstellen ersichtlich ist, war die Vorstellung der Israeliten von der Erde die, dass sie T) Zum Psalm 68 vergleiche man M. Noordtzij: De achtenzestigste en de zestiende psalm, Kampen 1900. auf dem Urmeer ruht, und zwar auf Saulen befestigt. (Psalm 75 : 4; vgl. auch 46 : 4; 82 : 5; 89 : 10 ff.; 96 : 10.) Dass dem so ist, ist dem Werk Jahves zu danken, der die Erde befestigte. Denn das war nicht immer so. Ueber den früheren Zustand, als Jahve noch nicht König geworden war, erwahnt der Psalmist in Vers 3 ein Moment, dass sich die Ströme einst erhoben — natürlich gegen Jahve. Doch ist der Psalmist bei der Erwahnung dieses alten Vorganges so sicher in der Sache Jahves, dass er sogar selbst auf die Aufmunterung der Ströme gegen Jahve übergeht und sagt: lasst die Ströme ihr Gebraus erheben, Jahve ist doch viel herrlicher in der Höhe. Das heisst mit anderen Worten, auch durch die Empörung der Ströme wird nur die Erhabenheit Jahve kundgetan. Denn die Empörenden vermogen doch nichts gegen ihn. Endlich schliesst den ganzen Psalm das Zeugnis des Psalmisten über die Zuverlassigkeit von Jahves Verheissungen und die Beteuerung der ewigen Heiligkeit des Tempels. Nach allgemeiner Auffassung ist nun auch dieser Psalm den anderen sogenannten Thronbesteigungspsalmen ahnlich zu erklaren. Da das Stichwort in ihm vorkommt, und überhaupt der ganze Psalm die Königsherrschaft Jahves vor Augen hat, nimmt man an, dass er auch der genannten Gruppe angehört.8) Es kommt mir aber vor, dass diese Auffassung den wirklichen Sinn des Psalmes nicht recht verstanden hat. Ich muss mich namlich fragen: was ist eigentlich der Zweck dieses Psalmes? Steht darin die Thronbesteigung Jahves, oder noch allgemeiner gesagt: seine Königsherrschaft im Mittelpunkt? Ist es so, dann ist Vers 5 jedenfalls ein sehr eigenartiger Schluss dazu. Aber ich muss sagen, ich bin über di-esen Psalm ganz anderer Meinung. Ich sehe meinerseits gar keine Verwandschaft zwischen diesem Psalm und den anderen „Thronbesteigungspsalmen". Im Gegenteil, es besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden. Wahrend namlich in den „Thronbesteigungspsalmen" die Hauptsache die Königsherrschaft, speziell das Königwerden Jahves ist, kommt dasselbe in unserem Psalm nur als Motiv vor. Wenn man unseren Psalm mit anderen, wie 96 oder 97 usw. vergleicht, muss es gleich auffallen, welch ganz andere Atmosphare unser Psalm hat als die anderen. Ich bin der Meinung, dass wir diesen Psalm nicht aus dem ersten, sondern. aus dem letzten Vers heraus zu verstehen haben. Das bekannte Stichwort am Anfang hat nur die Exegeten dazu verleitet, ihn mit den „Thronbesteigungspsalmen" zu behandeln, (beziehungsweise, als eine Thronbesteigung Jahves noch nicht bekannt 8) So S. Mowinckel, Psalmenstudien II; H. Schmidt, Die Thronfahrt Jahves; H. Gunkel, Die Psalmen, und Einleitung in die Psalmen, und auch C. Steuernagel in der Preussischen Kirchenzeitung 1928, No. 22—24. Anders König in seinem Kommentar zu den Psalmen. war, mit den anderen Jahve-malakh-Liedern), obgleich dieser Psalm mit ihnen nichts zu tun hat. Der Zweck dieses Psalmes ist die Zuverlassigkeit von Jahves Verheissungen und die ewige Heiligkeit des Tempels zu beteuern. Dazu braucht der Psalmist als Motiv das Königwerden Jahves. Eines Königs, dessen Kleid Hoheit, dessen Gürtel Kraft ist, dessen Thron von uran steht, und der selbst seit Ewigkeit ist, gegen den die aufrührerischen Ströme nichts vermochten, denn er ist hoch erhaben über sie, ich sage, eines solchen Königs Verheissungen sind sicher treu und zuverlassig, seinem Hause kommt gewiss ewige Heiligkeit zu. Das ist meines Erachtens der Gedankengang dieses Psalms. Der Psalm hat also mit der Eschatologie nichts zu machen. Das Königwerden Jahves wird darin nur von dem Psalmisten erzahlt, aber weder durch geistige, noch durch leibliche Augen als Realitat gesehen. Auch die Erwahnung der Ströme ist nur ein Motiv, und dient die Erhabenheit, die Majestat und Unübertrefflichkeit Jahves hervorzuheben, worauf das Endresultat aufgebaut wird. Wenn wir nun diesen Psalm so richtig verstanden haben, brauchen wir nicht lange mehr zu untersuchen, ob daraus für ein Thronbesteigungsfest etwas zu gewinnen ist. Denn nach dem oben Ausgeführten steht es fest, dass ein Zusammenhang zwischen unserem Psalm und dem vermuteten Thronbesteigungsfest von vorneherein ausgeschlossen ist. Psalm 96. Singt Jahve ein neues Lied, singt Jahve alle Welt! 2. Singt Jahve, segnet seinen Namen, verkündet sein Heil Tag für Tag! 3. Erzahlt unter den Heiden seine Herrlichkeit, unter allen Vólkern seine Wunder! 4. Denn gross ist Jahve und hoch zu preisen, über alle Götter ist er zu fürchten. 5. Denn alle Götter der Heiden sind nichtig, Jahve aber hat den Himmel geschaffen. 6. Majestat und Hoheit vor seinem Angesicht, Herrlichkeit und Pracht in seinem Heiligtum. 7. Bringet Jahve, ihr Völkergeschlechter, bringet Jahve Ehre und Verherrlichung! 8. Bringet Jahve seines Namens Ehre, tragt Gaben herbei, tretet in seine Vorhöfe ein! 9. Fallt nieder vor Jahve in heiligem Schmuck, erbebet vor ihm alle Welt! 10. Verkündet unter den Heiden: „Jahve ward König! Ja, festgestellt wurde der Erdkreis, dass er nicht wankt; er richtet die Völker mit Gerechtigkeit." 11. Des jubele der Himmel und frohlocke die Erde, das Meer erbrause und was es füllt! 12. Es jauchze die Flur und alles darinnen, darum sollen alle Baume des Waldes jubeln 13. vor Jahves Antlitz, denn er kommt, denn er kommt die Erde zu richten. Er richtet die Welt in Gerechtigkeit, und die Völker nach seiner Treue. Da der Text im grossen und ganzen in Ordnung ist können wir uns auf einige, mehr allgemeine Bemerkungen beschranken. in Vers 3 be- deutet eigentlich Dinge, die aussergewöhnlich, ausserordenthch smd, also Wundertaten im allgemeinen und nicht im speziellen Sinne des Wortes. in Vers 4 in komparativem Sinne gebraucht; vgl. König Syntax § 308 d. tü in Vers 6 nicht Kraft, wie meistens gebraucht, sondern in übertragenem Sinne: Herrlichkeit, bzw. Verherrlichung; vgl. Ges. Buhl. ^•>n in Vers 9 eigentlich unter Geburtsschmerzen beben, hier aber: aus Ehrfucht zittern vor Gott; vgl. Ges. Buhl. In Vers 10 streicht man meist D^V PT mit I Chron. 16; doch halte ich es nicht für erlaubt. Wenn man etwas wegen der Metrik streichen muss, dann halte ich noch immer den vorangehenden Teil („ja, festgestellt wurde der Erdkreis, dass er nicht wankt") für sekundarer. Doch ist die Streichung hier nicht möglich, da der Vers in seiner jetzigen Gestalt drei Motive der Eschatologie wiedergibt: Thronbesteigung, Weltschöpfung Gericht. Zu fX = darum vgl. Psalm 56 : 10 und Jer. 22 : 15. Der Psalm ist ein sehr fein aufgebauter, eschatologischer Hymnus. Der Verfasser versetzt sich im Geiste in die Endzeit, als Jahve die Königsherrschaft über die ganze Welt tatsachlich angetreten hat. Vor des Verfassers Augen stehen zwei Gruppen Menschen: die ganze Welt und ihre Nationen einerseits (an sie sind die Verse 1, 7—9, 11—12 gerichtet) und das auserwahlte Volk, Israël andererseits (in den Versen 2—3, 10). Der Aufbau des Psalmes ist so schön, dass der eine Vers folgerichtig auf den anderen folgt. In den Imperativen des ersten Verses wendet sich der Verfasser an die ganze Welt und fordert das All auf, Jahve mit einem neuen Lied zu loben. Nach dieser allgemeiner Aufforderung kommt im zweiten Vers — wieder mit Imperativen — ein spezieller Aufruf an das auserwahlte Volk. Denn dieses kann wirklich die niriB" Jahves verkünden, wovon es nach eigener Erfahrung Zeugnis ablegen kann. Damit hangen auch die aneifernden Worte zur Verkündigung der Majestat und der Wundertaten Jahves des dritten Verses zusammen. Die Begründung dieser Verse (1—3) finden wir nun in den folgenden Versen 4—6. Warum muss man Jahve lobpreisen? „Denn er ist gross, er ist herrlich und über alle Götter zu fürchten." Inzwischen werden diese Behauptungen des vierten Verses mit der Anmerkung des fünften „wahrend die anderen Götter nichtig sind, hat Jahve die Welt geschaffen", schön und fast unbemerkt unterstützt; Jahve ist also ein wirksamer Gott, gegenüber den toten Göttern. Wie die Minister vor dem Angesicht eines Königs so stehen vor Jahve Herrlichkeit und Pracht. Die Konsequenzen dieser Verse zieht der Psalmist nun in den Versen 7 ff., worin er jetzt nicht mehr nur zu einer Verherrlichung Jahves in Lobgesangen ruft, sondern nach der Anerkennung dessen, dass er der Starke, der Herrliche ist, zur Anbetung in seine Vorhöfe, und zum Opfern. Was der Psalmist bis hieher gesagt hat, war nur eine Einleitung. Zur Hauptsache kommt er erst jetzt. Mit dem 10. Vers wendet er sich wieder an Israël mit einer Aufforderung. Und darin gibt er zugleich auch den Grund an, warum das neue Lied, warum die auser- gewöhnliche Verherrlichung Jahves usw. Jahve hat sein Königtum angetreten, er hat die Erde festgestellt, und jetzt kommt er zu Richten. Wie die folgenden Verse zeigen, gilt das Hauptinteresse deö Psalmisten dieser letzten Handlung Jahves, dem Gericht. Er hat nicht nur offenbar Freude daran, sondern er ruft die ganze geschaffene Welt — Himmel und Erde, das Meer und alles, was darinnen und darunter ist — auf, sich mitzufreuen, denn Jahve kommt sicherlich die Erde mit Gerechtigkeit und nach seiner Treue zu richten. Jetzt müssen wir die Frage nun wieder aufwerfen, was können wir aus diesem Psalm für ein angebliches Thronbesteigungsfest Jahves gewinnen? Zuerst müssen wir hier bemerken, dass unser Psalm im Alten Testament zweimal vorkommt. Einmal hier, und noch einmal in I Chron. 16. Bei Gelegenheit der Ueberführung der Lade auf den Zion unter David lasst der Chronist durch David dem Asaf ein Psalm geben. Dieser Psalm, welcher sich in I Chron. 16 : 8—36 befindet, ist aus zwei im Psalter stehenden Psalmen zusammengearbeitet: aus Psalm 105 und 96. Doch ein Vergleich der beiden Texte kann jedermann davon überzeugen, dass unser Psalm der altere ist. Und da der Psalm garnicht von David herrühren will — der Inhalt spricht ja gerade dagegen —, kann der Historizitat des Berichtes des Chronisten keine Wahrscheinlichkeit beigemessen werden. Noch komplizierter wird die Sache durch die Ueberschrift des Psalmes in der LXX. Hier steht: ein Lied Davids, als der Tempel (eigentlich: Haus) nach der Gefangenschaft aufgebaut wurde. Wie man gleich sieht, ist diese Ueberschrift ein nonsens. Man könnte sie nur so erklaren, dass es ein Lied Davids ist, welches nach der Gefangenschaft bei der Einweihung des neuen Tempels gebraucht wurde; doch ist es nicht gerade wahrscheinlich, und daher kann die Ueberschrift ausser acht bleiben. Danach sind wir aber bei der Beurteilung des Psalmes auf ihn allein angewiesen, und damit ist zugleich jeder zeitgeschichtliche Erklarungsversuch aufzugeben. Was der Psalm uns sagt, haben wir oben schon versucht wiederzugeben. Danach ist er ein eschatologischer Hymnus, welcher mit einem angeblichen Thronbesteigungsfest Jahves (welches nota bene in vorexilischer Zeit in vollem Gang gewesen sein soll) nichts zu tun hat. Im Folgenden wollen wir noch kurz behandeln, was unser Psalm nicht enthalt, welche Hypothesen darauf nicht aufgebaut werden können. Nach Mowinckls Meinung9) versteekt sich hinter Vers 5b ein Schöpfungsmythus, welcher gleichwohl, wie in Babylonien, auch in Israël vorhanden war und einen Teil der Neujahrsfestzeremonien ausmachte. Was ist nun dazu zu sagen? Wie wir aus dem Aufbau des Psalmes gleich sehen können, sind die beiden Verse 4—5, mit 9) A.a.O. I. Teil, Kap. II, la. ■O = denn beginnende, Begründungssatze zu dem vorher Gesagten. Wahrend nun diese Begründung in Vers 4 ganz allgemeiner Art ist (Jahve ist gross und hoch zu preisen usw.) will der Vers 5 die Herrlichkeit Jahves dadurch — und ganz richtig — hervorheben, dass die Wirksamkeit Jahves mit der Nichtsnützigkeit der Götzen in Gegensatz gestellt wird, indem der Vers sagt: alle Götzen der Völker sind — und hier will ich das ursprüngliche hebraische Wort zitieren — d. h. Nichtse, die eigentlich keine Existenz haben, wahrend Jahve der Schöpfergott ist. Aus diesen Worten nun auf einen auf dem Neujahrsfeste eine Rolle spielende Schöpfungsmythus Schlüsse zu ziehen, ist ohne jeden Grund. Wenn ein Israelit namlich die Grosse Jahves gegenüber der Nichtigkeit der Götzen hervorheben will, ist ihm dazu nichts so gut geeignet, als die Hervorhebung der Schöpfertat Jahves. Wenn wir also in einem Psalm die Begründung der Aufforderung zum Lobpreis Jahves darin finden: denn er hat den Himmel geschaffen, so brauchen wir gar nicht in einem hypothetischen Fest einen Schöpfungsmythus vorauszusetzen, worauf die Worte anspielen sollten, sondern wir können diese Worte als sehr natürliche Aeusserungen eines glaubigen Israeliten annehmen. Darin findet sein Glaube nur den richtigen Ausdruck, ohne dass dabei hinter den Worten sich ein Schöpfungsmythus verstecken sollte. Nicht besser steht es aber auch mit einer anderen Behauptung Mowinckels, nach welcher wir in diesem Psalm auch für einen Götterkampf (ad analogiam Marduk-Tiamat) einen Beleg finden.10) Diesen Beleg sieht er in Vers Ab. Der Irrtum liegt hier selbstverstandlich bei der unrichtigen Beurteilung des ï>17. Der Sinn dieser Worte ist nahmlich nicht: er (das heisst Jahve) ist furchtbar über alle Götter, in der Bedeutung, dass Jahve sich in einem angeblichen Götterkampf mit den Göttern sich als furchtbar erwiesen hatte, sondern: über alle Götter ist er zu fürchten — wie wir schon oben übersetzt haben. Bei dieser Aussage des Psalmes hat also Jahve mit den Göttern nichts zu machen, nur mit den Menschen; für sie gilt es, dass Jahve mehr zu fürchten ist, als alle Götter — da diese ja Nichtse sind. Wie wir namlich bereits oben bemerkt haben, hat *?V hier eine komparative Bedeutung. Damit ist aber der Götterkampfmythus in unserem Psalm auch abgetan. Endlich bleibt noch die Frage nach dem sogenannten Gerichtsmythus. Wie steht es nun mit dieser Frage? Nach Mowinckel gehorte dem vermuteten Thronbesteigungsfeste auch ein Gerichtsmythus an.11) Zur Unterstützung dieser Hypothese beruft er sich auch auf unseren Psalm.12) Doch meines Erachtens mit Unrecht. Der Gedanke, 10) Ebenda und Kap. II, lb. 11) Kapitel II, le. 12) Ebenda S. 70 und 71. dass mit der Endzeit auch das Gericht Jahves kommen wird, ist durch die Eschatologie bezeugt. Der Israelit konnte sich das Kommen Jahves als König auch nicht anders vorstellen, ohne dabei gleich an ein Gericht zu denken, welches dieser König — Jahve — halten wird, natürlich zuerst über die Feinde Israels, über die Völker. Wenn wir also in unserem Psalm über das Gericht Jahves lesen, so zwingt uns das doch nicht gleich einen Gerichtsmythus zu postulieren, sondern ist aus dem ganzen Geist des Psalmes gut ersichtlich. Wollen wir nun das Gesagte kurz zusammenfassen, so müssen wir noch einmal betonen, dass u. E. der Psalm gar keinen Grund zur Postulation eines Thronbesteigungsfestes und seiner Mythen bietet. Hatte der Verfasser des Psalmes das gemeint, was Mowinckel ihm zumutet, so hatte er es sagen sollen. Denn er hatte es ruhig sagen können. Wozu waren diese Mythen hinter die harmlosen Worte eines solchen Psalmes versteekt, wie Psalm 96 der Fall gewesen ware? Dies wird natürlich durch die Einzigartigkeit des Festes noch erschwert, welche Mowinckel ihm zuschreibt. Für ein solches Fest sind in unserem Psalm sicherlich keine hinreichenden Belege. Psalm 97. Jahve ward König! Die Erde frohlocke! Die vielen Insein mögen jubeln! 2. Gewölk und Dunkel um ihn her, Recht und Gericht tragen seinen Thron. 3. Feuer geht vor ihm her, und verbrennt ringsum seine Feinde. 4. Seine Blitze erhellen die Welt, die Erde sieht es und kreisst. 5. Berge zerschmelzen, wie Wachs vor dem Angesicht Jahves, vor dem Antlitz des Herrn aller Welt. 6. Seine Gerechtigkeit künden die Himmel, alle Yölker schauen seine Herrlichkeit. 7. Alle BilderDiener werden beschamt werden, die der Götzen sich rühmten; alle Götter sinken vor ihm in den Staub. 8. Zion aber hört es mit Freuden, Judas Töchter frohlocken über deine Gerichte, Jahve! 9. Denn du Jahve, bist der Höchste, über alle Welt, bist hoch erhaben über die Götter alle! 10. Jahve liebt, die das Böse hassen; er bewahrt seiner Frommen Leben, rettet sie aus der Frevler Hand. 11. Licht geht auf den Gerechten, Freude den einfaltigen Herzen. 12. Ja freut euch, ihr Gerechten, an Jahve und dankt seinem heiligen Namen! Zuerst einige Korrekturen zum Text des Psalmes. In Vers 10 lesen wir: die Jahve lieben, hasset das Böse! Der Ausdruck lautet nach mehreren Manuskripten: die Jahve lieben, hassen das Böse (l?~i 'fOtf nijV UHN), oc da dieser Psalm mit einer solchen Ermahnung, oder im zweiten Falie mit einem sentenzartigen Spruch nichts zu tun hat, scheint eine Korrektion des Textes nötig zu sein. Danach lesen wir nach Wellhausen, Duhm und Gunkel: JTI nW 2HX Jahve liebt, die das Böse hassen. Das passt viel besser zu den darauf folgenden Ausdrücken. — Ferner in Vers 11 steht y-,- Tlky _ ein Licht ist gesat; dafür ist besser mit 1 MS LXX. Hie. b. i. mr geht auf, zu lesen; vgl. Kittel B.H. Unser Psalm beginnt mit der Proklamation der Thronbesteigung Jahves, nach welcher wir noch im ersten Vers die übliche Aufforderung zum Jubeln lesen. Und zwar ergeht diese Aufforderung dieses Mal an die „ijjim", worunter überhaupt die Enden der Erde zu verstehen sind (vgl. z.B. Jes. 41 : 1, 5, usw.). Darauf folgt die Beschreibung der mit der Thronbesteigung Jahves zusammenhangenden Erscheinungen. Um die Gegensatze noch scharfer hervorzuheben, ist die Umgebung Jahves ganz Dunkel, in Wolken gehüllt (zu pi; bei göttlichen Offenbarungen vgl. Ex. 16 : 10; 19 : 15 f.; Num. 9 : 15—22; Deut. 4 : 11; I Kön. 8 : 11 ff.; Ez. 1 : 4; 10 : 3; Nah. 1 : 3. Sonst auch bei dem Strafgerichte, wie Ez. 30 : 3 usw.). Darin ist sein Thron aufgestellt, dessen Stütze nicht unterworfene Völker sind, wie man das auf altorientalische Bilder so oft sieht, sondern „sedeq" und „mischpath". Feuer geht vor ihm her, und vernichtet seine Feinde. In den Versen 4—6 folgen nun verschiedene Naturerscheinungen und ferner in 7—8 die Beschamung der Bilder-Diener, die Niederwerfung der Götzen vor Jahve, und endlich die Freude Zions und der Töchter Judas über das Gericht Jahves. Vers 9 ist das Lob Jahves, und den Schluss des ganzen Psalmes bildet ein hoffnungsvoller Ausspruch an die Gerechten und eine Aufmunterung, sich daher zu freuen, und Jahve zu loben. Nun müssen wir freilich auf die Besprechung der Hypothesen zurückkommen, bei welchen sich Mowinckel auf diesen Psalm beruft. Er sieht in Vers 7 die Bestatigung seiner bereits bei dem vorherbehandelten Psalm genannten Vermutung, dass namlich neben dem Thronbesteigungsfest auch ein Götterkampfmythus zu dem Fest gehort. 13) Er hat vor allem den Ausdruck ll>~nnr®7i vor Augen. Doch kann man daraus auf einem Götterkampf m. E. keine Schlüsse ziehen; noch weniger natürlich auf einen Götterkampfmythus! Der ganze siebte Vers sagt namlich nur so viel, dass bei der Erscheinung Jahves als König die Bilder-Diener beschamt werden und die Götzen vor Jahve in den Staub fallen. Das ist aber sehr natürlich und dazu braucht kein Götterkampf stattzufinden. Denn die Vorstellung ist diese: Jahve ist der einzig wahre Gott, die Götter sind nur „elilim" (vgl. zum Beispiel Psalm 96 ; 5) und ihre Diener sind daher nur ,,'obede pesel" Bilder-Diener. Und das lasst Jahve vorlaufig alles zu. Wenn er aber als König kommt, und die Weltherrschaft antritt, werden diese Bilder-Diener beschamt werden, weil sie nicht dem wahren Gott, Jahve gedient haben, und dann fallen auch alle Götzen in den Staub, wohin sie gehören. Denn sie waren Nichtse und hatten nur den Schein etwas zu sein, solange sie „Diener" hatten. Dieses Ereignis setzt aber keinen Götterkampf voraus. Das ware auch auf 13) Vgl. Kap. II lb. dem Boden des Alten Testaments nicht möglich. Die Existenz der Götter wird zwar im Alten Testament nicht schlechthin geleugnet, doch wird ihnen Persönlichkeit und vor allem wirksame Tatigkeit nicht zugedacht (man vergleiche z.B. die Worte Davids in I Sam. 26 : 19 oder eine Stelle wie Jer. 2 : 11). Sie sind eben nur „elilim", Nichtse (vgl. auch die anderen Scheltwörter für Götter im Alten Testament!). Wie hatte nun nach dem Jahve-Glauben der Israeliten zwischen Jahve, dem Seienden, dem Schöpfer Himmels und der Erde und diesen untatigen, nichtigen Götter ein Götterkampf stattfinden können ? Niemals! Es genügt die blosse Erscheinung Jahves in seiner Herrlichkeit und Macht, dass die Götter verschwinden. Ich möchte hierbei nur noch an die bekannte Erzahlung über den Vorfall zwischen Jahve, besser gesagt der Lade Jahves und dem philistaischen Gott Dagon im Tempel von Asdod erinnern! (I Sam. 5.) Ferner will Mowinckel auch für seinen Exodusmythus in unserem Psalm einen Beleg finden,14) und zwar in den Versen 2—4, wo die Beschreibung der Erscheinung Jahves steht. Er sagt: „Wenn Psalm 97 den Aufzug Jahwas als eine Theophanie mit Wolken und Donner und Blitzen und flammenden Feuer und Rauch schildert, so ist es höchstwahrscheinlich die Sinaioffenbarung, die dem Dichter vorgeschwebt hat" S. 56. Dieser Satz kann im allgemeinen wohl zutreffen. Ich selbst würde es auch nicht bezweifeln, dass, wenn ein israelitischer Dichter die Erscheinung Jahves schildert, ihm, bewusst, oder unbewusst, die Erscheinung Jahves vor seinem Volke am Sinai vor den Augen schwebt. Die Schlussfolgerung aber, dass man namlich deshalb gleich einen Exodusmythus postulieren soll, welcher mit dem vermuteten Thronbesteigungsfest in Zusammenhang gestanden haben soll, halte ich entschieden für unberechtigt. Dazu bietet der Psalm durchaus keinen hinreichenden Anhaltspunkt! Psalm 98. Ein Psalm. Singt Jahve ein neues Lied, denn er hat Wunder getan! Ihm hat seine Rechte geholfen und sein heiliger Arm. 2. Jahve tat kund sein Heil, vor den Augen der Völker offenbarte er seine Gerechtigkeit. 3. Er gedachte seine Gnade und Treue dem Hause Israël. Alle Enden der Erde schauten das Heil unseres Gottes. 4.. Jauchzet Jahve zu alle Welt! frohlocket, jubelt und singet! 5. Singet Jahve zur Zither, zu Zither und lautem Gesang! 6. Zu Trompete und Posaunenschall jauchzet vor dem Antlitz des Königs-Jahve. 7. Das Meer erbrause und was es erfüllt, die Erde und die darauf wohnen! 8. Ströme sollen in die Hande klatschen insgesamt die Berge jubeln 9. vor Jahves Antlitz, denn er kommt, denn er komt, die Erde zu richten. Er richtet die Erde mit Recht und die Völker in Gerechtigkeit. 14) Siehe Kap. II 1 c. S. 56. Der Text des Psalmes ist gut in Ordnung, so dass wir dazu nicht viel zu bemerken haben. Wie wir bereits oben bemerkt haben, ist Vers 9 wörtlich gleich mit 96 : 13, nur das in Psalm 96 : 13 in 98 : 9 dagegen steht. Diese Aehnlichkeit nötigt nun uns auf Grund einiger LXX MSS. in den Vers 9 noch ein fa '3 einzuschieben und zu lesen, wie oben in der Uebersetzung steht. Am Anfang dieses Kapitels, als wir die Begrenzung des hier in Betracht kommenden Stoffes vorgenommen und diese Arbeit kurz zu begründen versucht haben, mussten wir bereits über diesen Psalm einiges erzahlen. Schon dort haben wir erwahnt, dass dieser Psalm u. E. hier mit den anderen „Jahve malakh"-Liedern zu behandeln ist. Obwohl das für die anderen „Jahve-malakh"-Lieder charakteristische Stichwort darin fehlt, ist er mit ihnen doch durch die gemeinsame Stimmung, duch ahnlichen Eingang (vgl. Ps. 96 : 1 mit 98 : 1), gleichem Schluss (vgl. Ps. 96 : 13 mit 98 : 9) und die gleiche Ursache, weshalb der Dichter die Welt — sowohl die Menschen wie die Natur — zum Preise Jahves ruft, verbunden, namlich durch die Tatsache, dass Jahve endlich seine Königsherrschaft angetreten hat. Das ist — trotz des Fehlens des Stichwortes — auch aus unserem Psalm leicht zu ersehen. Denn nicht nur die gleichen Wörter sind darin gebraucht wie in den anderen „Jahve malakh"-Liedern, die man auch bei der Thronbesteigung der irdischen Könige braucht (ynn, 12W Sp', sondern V. 6 sagt auch ganz offen, dass dieses Lob Jahve, dem König gilt. Wie Psalm 96 beginnt auch unser Psalm mit der Aufforderung, Jahve mit einem neuen Lied zu verherrlichen. In den darauffolgenden Versen — lb-3 — lasst der Verfasser dann ahnen, was die Ursache seines Aufrufes ist. Wundertaten hat Jahve mit Israël verrichtet, seine rettende Tat und damit seine Gerechtigkeit vor den Augen der Völker kundgetan, so dass alles die Rettungstat des Gottes Israels sehen konnte. Diese Tat Jahves nötigte dann den Psalmisten, in den Versen 4—8 mit einer ganzen Reihe von Imperativen sich an das Weltall zu wenden und die ganze geschaffene Welt zum Lobpreise Jahves anzuspornen. Letzten Endes ist der Grund dieser unermesslichen Freude uns in V. 9 angegeben: „denn Jahve kommt zu richten." Wenn wir nun den Psalm mit wenigen' Worten charakterisieren wollen, so fait zuerst die Grosszügigkeit desselben auf und die fast bis in Ekstase gesteigerte Freude, die den Psalm erfüllt. Obwohl wir allein in den Versen 4—8 nicht weniger als 9 Verben finden, mit denen der Dichter die Welt zum Lobpreise Jahves und zum Ausdruck ihrer Freude ruft, geht er nirgends auf Einzelheiten über. Ueberall nur allgemeine, unbestimmte Andeutungen. So weit möglich, kein Positivum, was bei einem eschatologischen Psalm auch sehr gut verstandlich ist. Dieser Charakterzug des Psalmes macht es auch schwierig, ja unmöglich, auf ihn weitgehende Hypothesen zu bauen. Daher ist die Meinung Mowinckels15), dass die Wundertat Jahves auf seinen Kampf mit dem Drachen zu beziehen ware, entschieden abzulehnen. Der Vers sagt das mit keinem Wort, dass hier ein Drachenkampf gemeint ware, und aus den unbestimmten Ausdrücken und "ira1 lb~ninPin) kann das auch nicht gefolgert werden. Viel naherliegend ist es anzunehmen, dass der Verfasser unter den Wundertaten entweder die in Ps. 47 : 4 gemeinte Unterwerfung der Völker Israël oder die Gesammtheit der mit dem Erscheinen Jahves zusammenhangenden Ereignisse erwahnen wollte. Das erstere ist, an den Ausdrücken in den folgenden Versen gesehen, wahrscheinlicher, doch ist auch das Letztere nicht ausgeschlossen. Aber angesichts des Charakters des ganzen Psalmes halte ich die Postulation eines Drachenkampfes auf grund von Ps. 98 : 1 für unbegründet. Psalm 99. Jahve ward König, die Völker mogen zittern, er nahm auf den Cheruben Platz, die Erde erbebe! 2. Jahve ist gross in Zion und erhaben über die Völker alle! 3. Preisen soll man deinen Namen, den grossen und furchtbaren; heilig ist er! 4. Und die Starke eines Königs ist, dass er Rechtsnorm liebt: du hast Gesetzmassigkeit zustande gebracht, Rechtsnorm und Gerechtigkeit in Jakob hast du geschaffen. 5. Erhebet Jahve, unsern Gott, fallt nieder vor dem Schemel seiner Füsse, denn heilig ist er! 6. Moses und Aaron sind unter seinen Priestern, Samuel unter denen, die seinen Namen anrufen. Sie riefen zu Jahve und er erhörte sie. 7. In einer Wolkensaule sprach er zu ihnen; sie bewahrten seine Zeugnisse, die Satzungen, die er ihnen gab. 8. Jahve, unser Gott, du hast sie erhört, ein vergebender bist du ihnen gewesen, doch ein Racher bei ihren Freveln. 9. Erhebet Jahve, unsern Gott, fallt nieder vor seinem heiligen Berge, denn heilig ist Jahve, unser Gott! Da der Aufbau des Psalmes ein wenig kompliziert ist, haben die Exegeten im Text allerlei Textanderungen vorgenommen, die nicht alle ganz berechtigt sind. Hier haben wir naturgemass keinen Platz, alle diese Aenderungen zu besprechen, sondern wir müssen uns damit begnügen, dass wir möglichst den ursprünglichen Text lesen, nur die nötigsten Korrekturen vornehmen, die anderen Aenderungen dagegen ausser acht lassen. Doch haben wir auch so noch einiges zum Texte zu bemerken. So wollen wir z.B. in Vers 1 2^ als 2W punktieren, da das Verb auch in 1 a so stent. Zum Gebrauch dieser zwei Verba ist auch Psalm 47 : 9 zu vergleichen. Ferner lesen wir auf Grund von mehreren Manuskripten m Vers 5 vor NIH Bh"!p ein 'D = denn vgl. Kittel. B.H. Unser Psalm ist der letzte unter den „Jahve-malakh"-Liedern, und ist auch von diesen in einem gewissen Sinne abweichend. Das Haupt- 15) Siehe Kap. II la. motiv ist zwar dasselbe, und er beginnt auch mit demselben bekannten Stichwort „Jahve-malakh". Aber die Grundstimmung des Psalmes ist von der der anderen ganz verschieden. Wie wir oben gesehen haben, sind die anderen „Jahve-malakh"-Lieder voll von Freude und Aufforderungen zum Freuen und Lobsingen, oft gar bis zur Ekstase gehend. In unserem Psalm ist das alles nicht zu finden. Er ist mehr kontemplativ als pathetisch. Auch der Gesichtskreis ist beschrankter. Im Mittelpunkt des Interesses steht nur ein Gedanke, dass der — in der Zukunft — gekommene König-Jahve absolut gerecht ist. Da aber der Dichter unter der Gerechtigkeit Jahves die Gerechtigkeit für Israël verstand, so kommt es, dass die Folgen des Kommens Jahves für die Welt, für die Völker nur schreckenerweckend sind. In diesem Psalm finden wir nirgends solche Aufforderungen wie z.B. in Psalm 96 : 1, 7 usw.; vor den Augen des Dichters dieses Psalmes steht nur Israël. Daher spricht er auch immer über „unseren Gott". Doch ist die Verwandschaft mit den anderen „Jahve-malakh"-Liedern unleugbar. Im Mittelpunkt steht zwar die Gerechtigkeit Jahves, aber die Gelegenheit, bei der diese Gerechtigkeit betont wird, ist eben die Thronbesteigung Jahves und das damit verbundene Gericht. Unser Psalm beginnt mit der Proklamation der Thronbesteigung Jahves, doch geht er nicht üblicherweise in eine Aufforderung an die Völker oder an die Welt über, den neuen König-Jahve zu preisen. Im Gegenteil statt dessen betont er, dass dieses Ereignis für sie keine Freude, sondern Angst und Zittern bedeutet. Auch in den folgenden Versen lobt er Jahve selbst, statt ihn loben zu lassen. Um auf das Hauptmotiv überzugehen, stellt der Psalmist in Vers 4 fest, dass die Starke eines Königs seine Liebe für die Gerechtigkeit ist, worauf die Hervorhebung dieser Eigenschaft Jahves folgt. Vers 5 ist endlich eine Aufforderung Jahve zu loben, jedoch ergeht sie nur an Israël. Nun folgt ein Bliek in die Geschichte, wo auch das Gefolge des König-Jahves gezeigt wird: Moses, Aaron und Samuel sind neben ihm, die grössten Manner des Volkes rufen seinen Namen an, und er erhörte sie und war gnadig, doch auch Rache übend, wenn sie frevelten. In diesem Vers 6 kommt die Betonung der Gerechtigkeit Jahves noch starker zum Vorschein. Zum Schluss eine ahnliche Aufforderung zum Lobe Jahves, wie in Vers 5, gleichwohl nur an Israël. Auch aus der Erwahnung Moses und Aarons in Vers 6 will Mowinckelle) für einen angeblichen Exodusmythus Schlüsse ziehen, doch scheint mir viel wahrscheinlicher, was Gunkel in seinem Kommentar in Bezug auf die Erwahnung dieser Namen sagt. Der Dichter will hiermit die Erhabenheit des König-Jahves nur noch mehr hervorheben, dass er die grössten Manner seiner Nationalgeschichte so auf- 1B) Siehe Kap. II lc. führt. Wie in Psalm 93 : 1 die Ausdrücke, dass die Kleider Jahves Majestat sind und sein Gürtel Kraft ist, und im Psalm 96 : 6, dass vor ihm Majestat und Hoheit stehen, oder im Psalm 97 : 2, dass die Stütze seines Thrones Recht und Gerechtigkeit ist, nur der Hervorhebung seiner unermasslichen Herrlichkeit dienen, so auch die Erwahnung Moses und Aarons unter seinen Priestern und Samuels unter denen, die seinen Namen anrufen. Mit einem Exodusmythus kann man diesen Vers also nur schwerlich in Verbindung bringen. Nachdem wir so die einzelnen Psalmen behandelt haben, können wir nun das Ergebnis unserer bisherigen Arbeit in einem einheitlichen Bild zusammenfassen und dabei versuchen die Gattung der hier behandelten Psalmen zu bestimmen. Bei der Besprechung der obigen Psalmen haben wir namlich einfach vorausgesetzt, dass sie eschatologisch zu erklaren sind, ohne dass wir diese Voraussatzung naher zu begründen versucht hatten. Das haben wir absichtlich getan um die Richtigkeit der eschatologischen Deutung dieser Psalmen nach der Besprechung aller hierher gehörigen Psalmen besser und einheitlicher begründen zu können. Bevor wir aber auf die Begründung der Richtigkeit der eschatologischen Deutung dieser Psalmen übergehen, müssen wir noch etwas bemerken: die Exegese der „Jahve-malakh"Lieder hat oben gezeigt, dass ein Psalm unter ihnen — Psalm 93 — eigentlich nur irrtümlicherweise mit ihnen behandelt wird und mit der Thronbesteigung Jahves — ob diese eschatologisch oder kultisch gemeint ist, ist hierbei einerlei — nichts zu tun hat. Wenn wir also im Folgenden über die Thronbesteigungspsalmen sprechen und deren richtige Deutung bestimmen wollen, ziehen wie den Psalm 93 nicht mehr heran, sondern lassen ihn beiseite. Die altere Auffassung, die unsere Psalmengruppen zeitgeschichtlich verstehen wollte, hat sich im Laufe der Zeit als unbegründet erwiesen. Die zwei Hauptbedenken, die sich gegen diesen Deutungsversuch vor allem mit Recht geltend machen lassen, sind folgende: 1. Im Texte der betreffenden Psalmen finden wir gar keine Anweisung auf bestimmte historische Ereignisse, mit denen die Psalmen in Beziehung stehen sollten. Der massoretische Text gibt als Ueberschrift nirgends eine historische Situation an, weshalb die hierauf bezüglichen Angaben der LXX als sekundar und wertlos betrachtet werden müssen. Aber auch der Inhalt der Psalmen ist derartig, dass daraus auf bestimmte historische Vorgange keine Schlüsse gezogen werden können. 2. Auf der anderen Seite macht auch der Ton der betreffenden Psalmen diese Auffassung unmöglich. Solche Situationen, die die Stimmung dieser Psalmen erklarlich machen könnten, kennen wir aus der Geschichte des israelitischen Volkes nicht. Selbst der starkste Nationalismus hatte sich in Zusammenhang mit einem eventuellen Sieg nicht so aussern können, wie wir in diesen Psalmen über die Thronbesteigung Jahves lesen. Eine zeitgesehichtliche Deutung dieser Psalmen ist also nicht anzunehmen. Ist dem aber so, dann bleibt die weitere Frage offen: wie sind sie dann zu deuten? Um darauf eine Antwort zu geben, wollen wir sie erst einheitlich betrachten. Das Leitmotiv, welches durch alle diese Psalmen hindurchzieht, und sie beherrscht, ist die Thronbesteigung Jahves. Dieses Ereignis bewegt den Dichter zum Schreiben. Deshalb spornt er seine Glaubensgenossen, die Völker, die ganze lebendige und tote Welt an, Jahve Lobpreis zu singen. Daneben tritt noch als Nebenmotiv der Gedanke des Weltgerichts mehr hervor, welches auch mit der Thronbesteigung Jahves verbunden ist. Wie gut ersichtlich ist, ist dieses Gericht für Israël die Befreiung von dem politischen und religiösen Einfluss der heidnischen Völker. Daher sollen sich die Töchter Judas darüber freuen. Für die Völker dagegen ist es ein Strafgericht. Deshalb mögen sie zittern. Welchen Charakter hat nun diese Königsherrschaft, deren Aufrichtung unsere Psalmen besingen? So viel haben wir bereits gesehen, dass diese Psalmen zeitgeschichtlich nicht gedeutet werden können. Die Antwort aber: wie denn? sind wir noch schuldig geblieben. Nach der Ablehnung des zeitgeschichtlichen Deutungsversuches hat man an der eschatologischen Deutung festgehalten, bis Mowinckel auch diese als unberechtigt bezeichnet und durch eine kultische ersetzt hat.17) Die Frage ist also nicht mehr, ob zeitgeschichtlich oder eschatologisch, sondern ob eschatologisch oder kultisch? Wir wollen nun erst den kultischen Deutungsversuch Mowinckels in Betracht ziehen und untersuchen, ob und inwiefern dieser als berechtigt und gesichert gelten kann. Nachdem er gegen die eschatologische Erklarung dieser Psalmen zwei Hauptbedenken geltend gemacht und diese daher abgelehnt hatte, wollte Mowinckel unsere Psalmen vom Kult aus verstehen. Und zwar folgendermassen18): Wie wir schon öfters erwahnt haben, ist das Hauptmotiv in diesen Psalmen die Thronbesteigung Jahves. Von hier aus hat er nun diese Psalmen mit den Angaben der historischen Bücher des Alten Testament verglichen, worin die Thronbesteigung dieses oder jenes israelitischen bzw. judaischen Königs berichtet wird.19) Das Ergebnis dieser vergleichenden Arbeit war, dass zwischen den genannten Berichten und unseren Psalmen in vielen Punkten Uebereinstimmung festzustellen war. Wie dort der neue König mit dem Ruf begrüsst wird: Dl^BÓN "ita oder NVT -|!>o,20) so ertönt in diesen Psalmen das "f>D nw als Huldigungsgruss an den König-Jahve. 17) Siehe I. Teil, Kap. I 3 und 4. 18) Vgl. Kap. I 4. 19) So z.B. I Sam. 10; II Sam. 15 : 10; I Kön. 1 : 39; II Kön. 9 : 13. usw. Vgl. Mowinckel a.a.O. Kap. II 2 a. 20) Siehe II Sam. 15 : 10. bzw. II Kön. 9 : 13. Pap 5 In beiden Fallen finden wir den Aufzug auf die königliche Burg, wahrend bei dem Aufzug die „terua" und „qol schofar" tönt, und die Zuschauer in die Hande klatschen.21) Angesichts dieser frappanten Aehnlichkeit und der in unserem Psalmen sich findenden Aktualitat sah Mowinckel sich nun genötigt anzunehmen, dass in diesen Psalmen die wirkliche Thronbesteigung Jahves geschildert wird. Und zwar musste diese Thronbesteigung vor den Augen der Gemeinde geschehen sein, denn sonst bleibt die Aktualitat unbegründet und daher unverstandlich. Der Dichter, der diese Psalmen geschrieben hat, musste s. E. diese Thronbesteigung mit eigenen Augen gesehen und miterlebt haben. Er musste es gesehen haben, wie Jahve hinaufzieht, den Thron besteigt und den Ruf gehort haben: „Jahve ist König geworden"! Denn nur so sei es recht verstandlich, dass er auch selbst voll begeisterung ruft: „singt Jahve ein neues Lied, singt Jahve, lobt ihn, jubelt ihm zu!" usw. Das kann aber (nach Mowinckel) nur so erklart werden, dass diese Thronbesteigung Jahves sich im Kult Israels abgespielt haben musste. Dazu war natürlich auch ein Fest notwendig, an dem diese Thronbesteigung Jahves gefeiert werden konnte. Das war eben das Thronbesteigungsfest Jahves, welches nach Mowinckel in der vorexilischen Zeit am LaubhüttenfestNeujahrsfest begangen wurde. So postuliert Mowinckel also ein Fest, für welches die Psalmen bestimmt waren und mit dessen Hilfe er diese Psalmen gut erklaren kann. Jedoch müssen wir uns fragen, ob diese Postulation und damit natürlich auch dieser ganze kultische Deutungsversuch berechtigt ist. Der Umstand namlich, dass das so gewonnene Fest mit seinen Zeremonien Gelegenheit bietet, die verschiedenen Ausdrücke der Psalmen daraus befriedigend zu erklaren, beweist an sich noch nichts. Denn über ein ganz und gar unbekanntes Fest kann man so viele Hypothesen aufstellen, bis alle Probleme befriedigend gelost sind. 22) Und zumal das Alte Testament über unser Fest sogut wie nichts weiss, ist unsere Frage sehr begründet. Da wir unten im folgenden Kapitel das angebliche Thronbesteigungsfest Jahves noch zum Gegenstand unserer Untersuchung machen werden, so wollen wir hier nur fragen, ob die Postulation dieses Festes aus unseren Psalmen — zu deren Erklarung es eigentlich postuliert wurde — hinreichend gestützt werden kann. Nach dem oben bei der Erklarung der einzelnen Psalmen Ausgeführten können wir 21) Vgl. die oben angegebenen biblischen Stellen. 22) C. Steuernagel ist auch der gleichen Meinung. Er schreibt in der Preussischen Kirchenzeitung: „Man kann also die Hypothese ganz so gestalten, wie man sie für die Erklarung bis ins einzelne hinein braucht." 1928, No. 22, Sp. 345. i auf diese Frage ruhig eine vernemende Antwort geben. Wie wir gesehen haben, steht in diesen Psalmen nur ein Hauptmotiv mit voller Sicherheit vor uns: die Thronbesteigung Jahves, nebst welcher noch das Gericht mehr betont wird. Was in diesen Psalmen sonst noch vorkommt, ist aus dem Aufbau und Inhalt derselben restlos verstandlich ,auch ohne Herbeiziehung des Kultes. Die einzige Frage bleibt also, wie wir diese Thronbesteigung Jahves zu verstehen haben. Und da wir bei der eschatologischen Erklarung dieser Thronbesteigung alle durch den Text dieser Psalmen vor uns gestellten Probleme ohne jede Gewaltsamkeit erklaren können, würde es in Streit sein mit den Vorderungen der Wissenschaft, wenn wir nach einer anderen Erklarung suchen wollten und zu Gunsten dieser anderen Erklarung ein bisher ganz und gar unbekanntes Fest postulieren würden. Dazu kommt, dann die oben erwahnten zwei Hauptbedenken Mowinckels gegen die eschatologische Erklarung sich leicht entkraften lassen. Was die erstere Behauptung betrifft, dass in diesen Psalmen mit nichts gesagt wird, dass die darin gebrauchten Perfecta auf die Zukunft zu beziehen sein sollten, so müssen wir dagegen stark betonen, dass eine solche Konstruktion nicht nur hier vorkommt. Es ist wahr, in unseren Psalmen werden die Perfecta gebraucht ohne dass der Dichter dabei bemerkte oder nur andeutete, dass sie sich auf die Zukunft beziehen. Aber — um nur diese Stelle zu nennen — wir lesen auch in Jes. 9 : 1 ff. Perfecta, die sicher auf die Zukunft bezogen werden müssen, ohne dass dies angedeutet worden ware. Der zur Gewissheit gehobene Glaube des Propheten spricht hier in Perfecta über die Zukunft, wie auch in unseren Psalmen. Die Zeit, in der unser Psalmist lebte, teilte gewiss, mehr oder weniger, seine Stimmung. Daher brauchte er, als er über die Thronbesteigung Jahves sprach, dabei nicht zu bemerken, dass das, was er sagt, erst in der Zukunft geschehen wird, sondern das wusste jedermann. Er lebte im Geiste in der Zukunft, und darum schreibt er das so Gesehene in Perfecta. Das war für seine Zeitgenossen nicht verwunderlich, nur vielleicht für uns (man findet hierzu mehrere Beispiele bei König, Syntax und Driver, Tenses). Damit hangt aber auch der andere Einwand Mowinckels zusammen: die Aktualitat dieser Psalmen. Natürlich ist in diesen Psalmen eine überraschende Aktualitat zu finden, da der Dichter auch sein Volk um sich sieht, und daher können seine Aufforderungen auch an es ergehen. Jedoch können wir uns nicht damit begnügen, dass wir mit dem Beweis der Unberechtigtheit der zeitgeschichtlichen und kultischen Deutungsversuche unserer Psalmen und mit der Widerlegung der gegen die eschatologische Deutung aufgeführten Argumente diese negative begründen, sondern wir müssen unsere Auffassung auch positiv begründen, indem wir versuchen darzutun, warum wir uns ge- nötigt sehen, unsere Psalmen — besser gesagt, die Thronbesteigung Jahves in ihnen — eschatologisch aufzufassen. Der Gedanke, dass Jahve König ist, war sehr alt in Israël.23) An erster Stelle ist er aber König über das erwahlte Volk, Israël. Seine Königsherrschaft über die ganze Welt kommt erst spater auf. Theoretisch finden wir das zuerst bei Amos, aber praktisch noch spater in Jer. 10 : 7. Neben diesem durch die Propheten vertretenen Gedanken bestand auch eine andere, mehr populare Auffassung über die Königsherrschaft Jahves über die Welt. Danach war diese mit der Erhebung Israels und der Unterwerfung der Völker an das Volk Israël verbunden. Hierbezügliche Berufungen finden wir auch schon ziemlich früh in Israël (vgl. z.B. im Jakobs-Segen Gen. 49 : 10). Als diese Ansprüche durch die Geschichte nicht honoriert wurden, im Gegenteil die Unterdrückung Israels durch fremde Völker immer spürbarer wurde, wird diese Erwartung der Thronbesteigung Jahves in die Eschatologie hinausgeschoben. Wenn wir also in diesen Psalmen lesen, dass Jahve über die ganze Erde König geworden ist, und dass das Weltall ihn bei dieser Gelegenheit begrüsst, ferner dass die Fürsten der Völker sich mit Israël versammelt haben, um Jahve zu huldigen, ist das offenbar alles eschatologisch zu verstehen. Aehnlich verhalt es sich auch mit dem anderen Motiv dieser Psalmen, mit dem Gericht. Aus der Eschatologie ist der Gedanke gut bekannt, dass, wenn Jahve kommen wird, mit seinem Kommen ein Gericht wird verbunden sein, welches für Israël ein Heilsgericht, für die Völker hingegen ein Strafgericht sein wird (Joel 3—4). Wie wir also sehen, müssen diese Psalmen aus dem Gesichtspunkt der Eschatologie betrachtet werden. Denn so können sie befriedigend erklart werden, ohne dass man dabei Hypothesen aufstellen müsste. Dass wir zu der Aufstellung dieser Hypothesen auch andererseits keine hinreichenden Anhaltspunkte, dagegen aber schwere Bedenken finden, werden wir in den folgenden Kapitein noch sehen. 23) Zu diesem Problem vergleiche man den Aufsatz Eissfeldts in der Z.A.W. 1928, S. 81 ff. Aber auch Von Gall in der Wellhausenfestschrift, Beiheft zur Z.A.W. 27. 1914, S. 145 ff. Jahve als König erscheint zuerst im sogenannten Schilfsmeerlied (Ex. 15 : 1—18). 6. KAPITEL. Das Thronbesteigungsfest Jahves. Wie wir schon oben erwahnt haben, gaben die sogenannten Thronbesteigungspsalmen für Mowinckel den Anlass zur Postulation eines Neujahrs-Thronbesteigungsfestes am Laubhüttenfest. Die Untersuchung dieser Psalmen hat nun im vorhergehenden Kapitel das Ergebnis geliefert, dass: 1. zur Erklarung dieser Psalmen ein hypothetisehes Fest nicht nötig ist, und 2. dass diese Psalmen auch keine hinreichenden Belege zur Postulation eines Thronbesteigungsfestes bieten. Nachdem wir diese Quellen ersten Ranges behandelt haben, können wir unsere Untersuchung ausbreiten und das ganze, von Mowinckel vermutete Fest ins Auge fassen, um die Möglichkeit seiner Existenz und damit die Richtigkeit der Hypothese überhaupt zu beurteilen. Bei dieser Arbeit wollen wir wieder derselben Methode folgen, welcher wir auch im 4. Kapitel bei der Besprechung des Laubhüttenfest-Neujahrsfest-Problems gefolgt sind, das heisst also, erst werden wir die Belegstellen untersuchen, was sie uns sagen. Wir nehmen daher die durch Mowinckel angegebenen biblischen Stellen unter die Lupe, auf welche er sich bei der Postulation des Thronbesteigungsfestes beruft.*) Bei der Aufführung seiner biblischen Belege ist Mowinckel sehr vorsichtig. Es ist namlich bekannt, dass weder das Gesetz noch die geschichtlichen noch die prophetischen Bücher direkte Belege für die Existenz eines Thronbesteigungsfestes bieten. Man muss sich also bei der Postulation desselben auf Andeutungen stützen. Diesen Umstand nun — d. h. das Fehlen der direkten Belege — erklart Mowinckel dadurch, dass die kanonischen Bücher des Alten Testaments nach dem Exil einer Redaktion unterzogen wurden.2) In diesem Zeitalter war aber die Blütezeit des „wahren" Kultes in Israël schon vorbei; man hatte keinen Verstand mehr für den Kult, man war viel zu sehr an das Gesetz gebunden. 3) Was man kultisch verrichtete, war kein Kult mehr im eigentlichen Sinne; man tat es nur, weil das Gesetz es vofschrieb. Daher müssen wir — so Mowinckel — zufrieden sein, wenn wir in der Bibel nur Anspielungen, Andeutungen auf dieses Fest finden. 4) Und diese lassen sich, nach ihm, leicht finden. Dass das Neujahrsfest im vorexilischen Israël mit dem Herbst- x) Diese Stellen sind bei ihm zusammengestellt auf Seite 42 f. seines Buches. Siehe auch unten S. 70. 2) Vgl. I. Teil Kap. I 4c. 3) Ebenda. 4) Ebenda S. 36. Laubhüttenfest identisch war, das steht für Mowinckel, ahnlich wie für Volz, fest. 5) Auf die weitere Frage nun, ob dieses Laubhüttenfest-Neujahrsfest zugleich das Thronbesteigungsfest Jahves war, antwortet er mit einem entschiedenen „Ja" und die Begründung seiner Antwort gibt er im Folgenden: „1. zur Zeit des Neujahisfestes hat Salomo die Lade zu dem neuen Tempel „hinaufziehen" lassen, und in den Hauptzügen ist dieser Aufzug Salomos eine kuïtische Wiederholung des Aufzuges der Lade unter David, der eben deshalb wahrscheinlich am selben Tage stattgefunden haben wird. Beide diese Feierlichkeiten werden nun in der Chronik mit unseren Thronbesteigungspsalmen in Verbindung gebracht. 2. Der Neujahrstag ist der besondere Festtag Jahwas (Neh. 8 : 10). 3. Der Neujahrstag ist das Fest des Schofarblasens; das Schofarblasen ist aber für unser Thronbesteigungsfest charakteristisch (Ps. 47 : 6, 81 : 4). 4. Der Neujahrstag ist in der Tradition das Fest des Königtums Jahwas, wie auch unser Thronbesteigungsfest. 5. Der Neujahrstag ist nach der Tradition das Fest zum Andenken der Schöpfung, ebenfalls wie unser Thronbesteigungsfest. 6. Der Neujahrstag ist nach derselben Tradition der Tag des Gerichts. 7. Einige der Thronbesteigungspsalmen werden sowohl in der Tradition, (Ps. 47, 81) wie im Texte des betreffenden Psalms (Ps. 81 : 4) in Verbindung mit dem Neujahrsfeste gebracht. 8. „Der Königsjubel" nach Num. 23 : 21 ist in Israël alte Sitte gewesen. 9. Zach. 14 weiss noch, dass es Sitte ist, zur Zeit des Herbstfestes Jahwa als König in Jerusalem zu verehren. 10. So ist denn auch „der Tag unseres Königs" Hos. 7 : 5 der Festtag des Königs Jahwa, d. h. sein Thronbesteigungstag." 6) Wir beginnen jetzt also mit der Untersuchung der hier aufgeführten Belegstelle, und zwar nehmen wir zuerst die biblischen und nachher die Zeugnisse der Tradition. I Kön. 8. Nachdem wir in I Kön. 6 einen Bericht über den Tempelbau Salomos und in 7 über seine übrigen Bauten gelesen haben, wird uns im achten Kapitel die Einweihung des neuen Tempels und der Aufzug der Lade dorthin berichtet. Wie unser Text bezeugt, geschehen diese Festlichkeiten im Monat Etanim an „dem Fest", worunter selbstverstandlich das Herbstfest zu verstehen ist. Und das ist auch sehr natürlich. Wie wir in I Kön. 6 : 38 lesen, ist man mit der Arbeit am Tempel im Monat Bul fertig geworden, das heisst im Herbst. Die beste Gelegenheit zur Einweihung des neugebauten Tempels war also das bevorstehende Herbstfest, welches bekanntlich das grösste Jahresfest war. ') Den 5) I. Teil, Kap. II 2b. «) Seite 42—43. . „ , 7) Es wurde ja als „chag" schlechthin bezeichnet. Vgl. z.B. I Kon. 8 : 2; oder 12 : 32. Mittelpunkt des ganzen Berichtes über diese Tempelweihe bildet das Einweihungsgebet Salomos, welches in eine historische Erzahlung über die Einzelheiten des Festes eingeschlossen ist. So lesen wir, dass das Volk sich in Jerusalem versammelte, um dem Fest beizuwohnen. Danach wird der Zug selbst beschrieben. Vor der Lade geht Salomo mit den Aeltesten Israels, hinter ihnen die Priester mit der Lade. Im Tempel angelangt, wird die Lade im „debir", im Allerheiligsten des Tempels aufgestellt und Salomo beginnt sein Gebet. Nachdem er sein Gebet beendigt hat, segnet er die versammelte Gemeinde, wonach geopfert wurde. Die weiteren Festlichkeiten dauerten noch sieben Tage, bis Salomo das Volk am achten Tage entliess. Das in diesem Kapitel beschriebene Fest, d. h. die Tempelweihe Salomos, ist nach Mowinckel nun kein einmaliges Fest, sondern es ist dies das Fest der Thronbesteigung Jahves, wiedergegeben als ein einmaliges Fest: das Fest der Tempelweihe. Zur Unterstützung dieser Vermutung führt Mowinckel an, dass diese Tempelweihe an einem Fest im Herbst, also am Herbst-Laubhüttenfest gefeiert wurde. Dieses Herbst-Laubhüttenfest war aber eben das durch ihn postulierte Thronbesteigungsfest Jahves. Den Mittelpunkt des Festes bildet der Aufzug der Lade nach dem Heiligtum, welcher auch am vermuteten Thronbesteigungsfest im Mittelpunkt gestanden haben soll. Da die genaue Beschreibung des Festes im Königsbuch Mowinckel verdachtig erscheint, nimmt er auf Grund des Obigen an, dass der Berichtstatter von I Kön. 8 ein mit eigenen Augen gesehenes Fest in die Zeit Salomos zurückverlegt, und die Tempelweihe Salomos einfach nach dem Muster des jahrlichen Thronbesteigungsfestes beschreibt. 8) Doch kann diese Auffassung Mowinckels über I Kön. 8 nicht als die richtige betrachtet werden. Wir haben namlich gar kein Recht, die Einmaligkeit der in I Kön. 8 erzahlten Vorgange zu bestreiten. Der Umstand, dass der Verfasser der Königsbücher im Exil schrieb, (das will ja niemand bezweifeln) kann keinesfalls bedeuten, dass er über keinerlei mündliche oder schriftliche Ueberlieferung verfügte. Wenn er also ein unter Salomo stattgefundenes Fest beschreibt, so kann mit ziemlicher Sicherheit angenommen werden, dass ihm über dieses Fest Aufzeichnungen zur Verfügung standen Daraus, dass diese Feier am Herbstfest stattfand, können keine weitgehenden Schlussfolgerungen gezogen werden. Denn wie wir sahen, hatte das ganz natürliche Gründe. Dass an diesem Fest die Aufführung der Lade den Mittelpunkt bildete, liegt gleichfalls in der Natur der Sache. Bleibt also nur eines: der Umstand dass der 8) Siehe auch I. Teil, Kap. II 3c, S. 109. Berichterstatter über Einzelheiten dieses Festes ziemlich gut orientiert zu sein scheint. Aber dieser Umstand berechtigt doch die Leugnung der Einmaligkeit dieses Festes nicht ! Niemand im Laufe der Geschichte hat daran gedacht diese Einmaligkeit zu bezweifeln, bis auf Mowinckel. Und auch er hatte dazu die Postulation eines jahrlichen Thronbesteigungsfestes nötig. Da aber, wie wir unten noch sehen werden, diese ganze Postulation unberechtigt und daher abzulehnen ist, können wir auch die Meinung Mowinckels nicht teilen, dass in I Kön. 8 das Thronbesteigungsfest Jahves gemeint ist, sondern wir müssen an der natürlichsten Erklarung festhalten, dass namlich hier einzig und allein die Tempelweihe Salomos geschildert wird. Zur Unterstützung seiner Behauptung: in I Kön. 8 sei das Thronbesteigungsfest Jahves gemeint, beruft sich Mowinckel auch darauf, dass das Einweihungsgebet Salomos (II Chron. 6 : 41) mit den Worten des Psalm 132 endigt, welcher Psalm nach Mowinckel ein Thronbesteigungslied ist. Diese Behauptung Mowinckels hat aber bei der Beurteilung der Frage, ob I Kön. 8 ein einmaliges Ereignis, oder das vermutete Thronbesteigungsfest Jahves beschreibt, keine Beweiskraft. Denn Mowinckel bezeichnet den Psalm 132 nur irrtümlicherweise als einen Thronbesteigungspsalm. Der Psalm 132 hat in der Wirklichkeit mit einem Thronbesteigungsfest Jahves nichts zu machen. Er steht mit der Ueberführung der Lade auf Zion unter David in Verband. Ueber eine Thronbesteigung Jahves steht aber kein Wort darin.9) II Sam. 6. Noch weniger Glück hat Mowinckel mit II Sam. 6, worin die bekannte Erzahlung über die Ueberführung der Lade auf den Zion unter David steht. In diesem Kapitel ist namlich auch das mit keinem Wort erwahnt, dass die hier geschilderten Ereignisse an einem Feste, ja sogar am Herbst-Laubhüttenfeste geschehen sind. Im Gegenteil, aus der Natur der Erzahlung ist dies gerade ausgeschlossen! Denn was lesen wir in diesem Kapitel? David hat den Absicht, die Lade Jahves nach Jerusalem, in seine neue Kesidenzstadt zu überführen. Zu diesem Zwecke versammelt er eine ansahnliche Anzahl Israeliten und zieht mit ihnen nach BaalatJehuda (d. h. Kirjat Jearim). In einer feierlichen Prozession wird nun die Lade von hier nach Jerusalem gebracht, doch erreicht man das Ziel nicht. Es kommt ein Unglück dazwischen. Uzza berührt die Lade, worauf er neben der Lade tot zu Boden fallt. David erschrickt und fürchtet sich, die unheilbringende Lade mit sich weiter nach Jerusalem zu führen, sondern er lasst sie bei dem 9) Vgl. auch Gunkel, Die Psalmen und Einleitung in die Psalmen § 3, No. 8. Gittiter Obed Edom. Jedoch, als er das durch die Lade zugebrachte Glück des Obed Edom sieht, beschliesst David nochmals die Lade nach Jerusalem zu führen und diesmal gelingt ihm auch sein Unternehmen: Die Lade wird auf den Zion gebracht. Es ist aus dieser Erzahlung gut ersichtlich, dass diese Ueberführung nicht auf einmal geschehen ist, sondern zwischen den beiden Versuchen verliefen drei Monate.10) Gesetzt also, dass der erste Versuch am Herbstfest gewesen ware, welche Vermutung übrigens mit nichts belegt werden kann, konnte die eigentliche Ueberführung nicht mehr am Herbstfest geschehen. Was Mowinckel weiter zur Unterstützung dieser Auffassung anführt, dass namlich der Chronist in seinem Bericht über diese Vorgange zwei Psalmen durch David verfassen lasst, die „Thronbe3teigungspsalmen" sind und daher die Beziehung zwischen dem hier Erzahlten und dem Thronbesteigungsfest für den Chronisten feststand, hat keine Beweiskraft. Denn von den in I Chron. 16 in Zusammenhang mit den genannten Ereignissen erwahnten zwei Psalmen hat der zweite — Psalm 106 — mit dem Thronbesteigungsfest nichts zu tun. Selbst Mowinckel führt ihn nicht an als Thronbesteigungspsalm! Wahrend bei dem anderen — Psalm 96 — der Chronist eine schlechte Ueberlieferung wiedergegeben hat. Wie wir namlich oben bei der Erklarung der Psalmen gesehen haben, weiss der massoretische Text dieses Psalmes von einer Autorschaft Davids nichts, und die LXX bietet mit ihrer Ueberschrift wieder eine falsche historische Angabe.11) Der Inhalt des Psalmes spricht keineswegs für die Davidische Autorschaft. Nach alledem haben wir gar keinen Grund anzunehmen, dass wir in I Kön. 8 und II Sam. 6 bloss eine Verkleidung haben sollten, hinter der das Thronbesteigungsfest Jahves steekt. Neh. 8 : 10. In diesem Kapitel steht bekanntlich die Verlesung des Gesetzes und danach die Feier des Laubhüttenfestes unter Esra und Nehemia. Am 1. Tage des 7. Monats wird das Volk versammelt, und Esra, der Schriftgelehrte, liest das Gesetz vor. Dies macht auf das Volk einen so grossen Eindruck, dass es zu trauern und weinen beginnt. Der Tag ist aber nicht zum Trauern bestimmt. Darum trosten Esra, Nehemia und die Leviten das Volk, es solle nicht trauern, sondern es möge essen, trinken und fröhlich sein und auch denen Portionen schxcken, die nichts haben: „denn heilig ist dieser Tag unserem Gott!" Die hier geschilderten Ereignisse 10) Siehe II Sam. 6 : 11. 11) „Ein Lied Davids, als der Tempel (eigentlich: das Haus) nach der Gefangenschaft aufgebaut wurde". Vgl. auch oben im 5. Kapitel zu Psalm 96. Seite 56. geschahen im Jahre 458 v. Ch.12) Darin, dass in diesem Bericht ein Fest als besonderer Festtag Jahves bezeichnet wird (mehrmals DDv6n mrvi> Nin vhp genannt) und dass an diesem Tage Gaben ausgeteilt wurden, sieht Mowinckel wieder die Bestatigung seiner Hypothese: auch in dieser Zeit galt noch der Neujahrstag als der grösste Festtag, und die Sitte der Austeilung der Gaben an diesem Tage war auch noch in Gebrauch. Doch ist diese Schlussfolgerung Mowinckels m. E. unberechtigt. Denn erstens ist es gar nicht gesagt, dass wir in Neh. 8 : 10 ein wirkliches Neujahrsfest vor uns haben. Im Text steht darüber kein Wort und wie bekannt, war der erste Tag des siebten Monats schon von Haus aus heilig. Weiter die Zeit des Unterganges des Thronbesteigungsfestes fallfc nach Mowinckel mit dem des Staates zusammen. Also liegen zwischen diesem und dem in Neh. 8 erzahlten Ereignisse ca. anderthalb Jahrhunderte; aber zwischen dem Verschwinden des angeblichen Thronbesteigungsfestes und der Verfassungszeit unseres Berichtes noch um ein Jahrhundert mehr! Wenn also in diesem Bericht zu lesen ist, dass das gemeinte Fest Jahves ein heiliger Tag war, an welchem auch Gaben an die Armen ausgeteilt wurden, wie hat man dann das Recht, daraus auf ein vor• exilisches Thronbesteigungsfest Schlüsse zu ziehen? Diese Schlussfolgerung ware auch dann noch unberechtigt, wenn wir beweisen könnten, dass das in Neh. 8 : 10 gemeinte Fest das Neujahrsfest sei. Denn, wie wir oben gesehen haben, das Laubhüttenfest war kein Neujahrsfest, und ein Neujahrsfest scheint im alten Israël überhaupt keine Rolle gespielt zu haben. Wir sind der Meinung, dass aus einem, schwerlich vor dem 4. Jahrhundert stammenden Bericht auf das eventuelle Thronbesteigungsfest weder pro noch contra Schlüsse gezogen werden können. Was die weitere Behauptung Mowinckels angeht, dass namlich der Neujahrstag das Fest des Schofarblasens ist, welches Schofarblasen auch für die Thronbesteigungspsalmen charakteristisch sein soll, verhalt es sich damit so, dass der Neujahrstag ein Fest des Schofarblasens nach der jüdischen Tradition ist, aber nicht nach dem Alten Testament.13) Das Schofarblasen kommt wohl im Zusammenhang mit dem Jubeljahr, als Ankündigung desselben vor, aber nicht am Neujahrstage, sondern am Versöhnungstag, am 10. 12) Zu dieser Zeitangabe vergleiche Kittel, G. V. I. III. 2. § 62. 13) In der Mischna wird das Neujahrsfest als Fest des Schofarblasens bezeugt. Vgl. P. Fiebig, Rosch ha-schana, S. 58 f.; 94 ff.; I. Elbogen, Der jüdische Gottesdienst in seiner geschichtlichen Entwicklung, S. 140 f. Im Alten Testament kommt nur njmn oder nynn piDf in Zusammenhang mit dem Neujahrsfest vor. Vgl. Lev. 23 : 24; Num. 29 : 1 f f. des Monats.14) Andererseits kann dieses Schofarblasen für die Thronbesteigungspsalmen auch nicht als besonders charakteristisch bezeichnet werden. Unter den vielen ahnlichen Ausdrücken kommt dieser namlich nur zweimal in diesen Psalmen vor: in Ps. 47 : 6 und 96 : 6. Daneben kommt das Verbum l?nn auch nur noch dreimal vor, namentlich in Ps. 47 : 2; 98 : 4, 6. Wenn der Neujahrstag also in der Tradition als njmn DV bezeichnet wird, so haben wir deshalb noch nicht das Recht, auf Grund der Thronbesteigungspsalmen zu behaupten, das Neujahrsfest sei das Thronbesteigungsfest Jahves gewesen. Denn das Schofarblasen ist ein Signal, welches zu verschiedenen Zwecken gebraucht wurde. In den Thronbesteigungspsalmen gilt dieses Signal — wie dies aus den geschichtlichen Berichten über die Thronbesteigung irdischer Könige zu erschliessen ist — dem König Jahve, wahrend das am Neujahrsfest nicht der Fall ist. Das Schofarblasen hat hier vielmehr den Zweck, den Anfang des neuen Jahres zu verkündigen, was wir ad analogiam des Schofarblasens am Versöhnunstag des 50. Jahres und auf Grund der Mischnaüberlieferung anzunehmen haben.15) Ferner beruft sich Mowinckel auch darauf, dass einige der durch ihn als Thronbesteigungslieder angenommenen Psalmen sowohl im Texte des betreffenden Psalmes wie auch in der Tradition mit dem Neujahrsfeste in Verbindung gebracht werden. Bei dieser Behauptung denkt er an die Psalmen 47 und 8116) Von diesen beiden Psalmen kann Psalm 47 in einem gewissen Sinne — aber jedenfalls nicht im Sinne Mowinckels ! — als Thronbesteigungspsalm behandelt werden, wogegen in Psalm 81 die Hauptmotive des vermuteten Festes sich nicht finden lassen.1T) In der Tradition wird uns nun in der Tat berichtet, dass diese Psalmen am Neujahrstage in der Synagoge gebraucht wurden. Was bedeutet das aber? Gewiss nicht mehr, als dass in und etwas vor der Entstehungszeit der Tradition diese Psalmen als Neujahrspsalmen bekannt waren. Aber angesichts dessen, dass die Quellen der hieraufbezüglichen Tradition — der Rosch ha-schana — nur bis in die frühe nachchristliche Zeit, vielleicht höchstens bis in die Zeit Jesu Christi hinaufreichen18), kann aus dem oben erwahnten Grunde daraus kein ") Siehe Lev. 25 : 9. 15) Vgl. P. Fiebig, Rosch ha-schana S. 94 ff. Das Schofarblasen war sosehr ein Signal, dass die Juden sogar verfolgt wurden von den Römern, weil diese dachten, dass es ein Signal zum Aufruhr sei. Siehe Fiebig a.a.O. und I. Elbogen, Der jüdische Gottesdienst S. 140. 16) Vgl. P. Fiebig, Rosch ha-schana, S. 59, und I. Elbogen, Der jüdische Gottesdienst, S. 147. 17) Siehe auch unten S. 76 f. 18) Vgl. P. Fiebig, Rosch ha-schana, Einleitung IV S. 11 f. Schluss gezogen werden, ob diese Psalmen auch an einem vorexilischen Fest gebraucht wurden, um von hier aus die Verbindung zwischen Neujahrsfest. und Thronbesteigungsfest Jahves sicherzustellen. Es bestehen zwei Möglichkeiten: entweder sind diese Psalmen zu dem Zweeke verfasst, am Neujahrstag gebraucht zu werden, oder man hat sie erst spater dafür in Anspruch genommen. Welche von beiden nun zutrifft, kann nicht aus der Tradition, sondern nur aus dem Text des betreffenden Psalmes erschlossen werden. Wie wir oben bei der Besprechung der Psalmen gesehen haben, war das nachexilische Neujahrsfest das Fest des Königtums Jahves und daher auch das der Eschatologie. Da der Psalm 47 nun dieses eschatologische Königtum Jahves besingt, haben wir kein Recht, die Möglichkeit, dass dieser Psalm von Anfang an dem Zweck diente am Neujahrsfest gebraucht zu werden, in Zweifel zu ziehen. Anders verhalt es sich aber mit Psalm 81. Wenn der Text dieses Psalmes nichts enthalt, was für das Neujahrsfest charakteristisch sein sollte, so sind wir genötigt anzunehmen, dass hier die Gemeinde einen Psalm in Gebrauch genommen hat, welcher ursprünglich mit dem Neujahrsfest nichts zu tun hatte. In diesem Fall legt also die Tradition nur über den Gebrauch, aber nicht zugleich auch über den ursprünglichen Zweck dieses Psalmes ein Zeugnis ab. Aber abgesehen davon, kann dieser Mischna-Ueberlieferung nicht viel Beweiskraft bei der Beurteilung des Thronbesteigungsfestes beigemessen werden. Wie wir namlich oben schon angedeutet haben, sind die zwei ersten nachchristlichen Jahrhunderte die Zeit der im Rosch ha-schana vorkommenden Rabbinen. Da wir aber oben bereits gesehen haben, dass ein Neujahrs/esi in vorexilischer Zeit keine Rolle gespielt zu haben scheint, dürfen aus so spaten Ueberlieferungen nicht so leicht Schlüsse gezogen werden hinsichtlich der Frage, ob das Neujahrsfest in vorexilischer Zeit das Thronbesteigungsfest Jahves gewesen ist. Was nun die andere Frage betrifft, ob im Texte des Ps. 81 selbst die Beziehung zwischen dem Psalm und dem Neujahrsfest bezeugt ist, so mussen wir darauf — gegen Mowinckel — mit „Nein" antworten. In Y. 4 — worauf er sich beruft — ist namlich nicht vom Neujahrsfest, sondern vom Neumondfest (und vom Fest am Vollmond) die Rede19), welche natürlich nicht ohne weiteres gleichgestellt werden können. Denn die Meinung, dass unter dem Neumondfest hier, wegen des darauf folgenden „Festes am Vollmondtage", (worunter die jüdische Tradition das Laubhüttenfest verstanden hat20) das Neujahrsfest zu 19) Der Vers lautet: UJn Dvi> nD23 ISW BHfD lVpH. 20) Ygl. Gunkel, Die Psalmen, S. 357. verstehen sei, kann mit nichts bewiesen werden. Ebenso gut kann hier auch der erste Tag des ersten Monats und das Passah gemeint sein, oder, noch wahrscheinlicher, keines von beiden. Denn im Gesetz wird für diese Feste das Schofarblasen nicht vorgeschrieben, aber wohl kommt das Schofarblasen als Signal bei religiösen Gelegenheiten vor. 21) Auf das, was das Wichtigste bei dieser Frage ist, kommen wir aber erst jetzt. Wie wir oben im 5. Kapitel gesehen haben, bietet der Psalm 47 keinen hinreichenden Grund dazu. daraus ein Fest der Thronbesteigung Jahves zu postulieren und daher den Psalm als Thronbesteigungspsalm — im Sinne der Mowinckelschen Hypothese — zu behandeln. Er ist wohl ein eschatologischer Psalm, welcher am Neujahrsfeste des Judentums verwendet wurde. Noch weniger kann der Psalm 81 mit dem vermuteten Neujahrsfest in Zusammenhang gebracht werden. In diesem Psalm steht kein Wort über die Königsherrschaft Jahves oder über den Aufzug des neuen Königs. Daraus aber, dass in Vers 4 das Wort „terua" vorkommt, kann noch nicht gefolgert werden, dass dieser Psalm mit dem angeblichen Thronbesteigungsfest in Beziehung gestanden hatte. Denn es war nicht nur ein Fest, auf welchem die „terua" gebraucht wurde. Zu weiterer Unterstützung seiner Hypothese beruft sich Mowinckel auf Num. 23 : 21, um zu zeigen, dass der Königsjubel in Israël eine alte Sitte war, da wir ihn bereits in der Bileamsage vorfinden. An der angegebenen Stelle lesen wir folgendes: OWN? : "Q nimni ïni? mrv 'wicu hw ntn nSi aprn ps Die Frage ist nun, was die „teruat melekh", der Königsjubel, hier bedeutet? Um diesen Ausdruck erklaren zu können, müssen wir uns erst über die Situation Klarheit verschaffen. Israël lagert in der Gegend des Jordan, unweit von Jericho; ihm gegenüber steht Balak, der Moabiterkönig, mit seinem Heer. Da Balak und sein Heer schon gehort haben, wie es den Amoritern ergangen war, dürfen sie nicht zum Angriff übergehen, sondern der König lasst erst Bileam-ben-Beor — dem er hier die Rolle eines arabischen Kahins zutraut — kommen und wil! durch ihn die Israeliten verfluchen lassen. Nachdem er erst die Gesandten Balaks mit ablehnender Antwort zurückgesandt, kommt Bileam endlich doch in das Lager des Moabiterkönigs. Doch anstatt zu verfluchen, segnet er die Israeliten im Auftrage Jahves. Als er die Israeliten einmal schon gesegnet hatte und Balak ihn noch immer bat sie zu verfluchen, geht er wieder hin und kommt zurück mit der Antwort Jahves. Auf der Frage des Moabiterkönigs, was Jahve geantwortet habe, sagt nun Bileam die oben 21) Vgl. Gunkel a.a.O. zitierten Worte. Aus den oben Gesagten können wir nun für den Ausdruck „teruat melekh" auch Klarheit gewinnen. Dieser Ausdruck hangt offenbar mit den Worten „Jahve sein Gott ist mit ihm" zusammen. Den Schlüssel zum Verstandnis des Ganzen liefert nun u. E. I Sam. 4. In diesem Kapitel stehen die Israeliten den Philistern gegenüber, und nachdem sie die erste Schlacht verloren hatten, liessen sie die Lade Jahves aus Silo in das Lager kommen, damit die Gegenwart der Lade ihnen zum Sieg verhelfen möge. Als die Lade in das Lager kommt, brechen die Israeliten in ein gewaltiges Geschrei aus, „das sich die Erde bewegte". Dieses Geschrei wird nun mit den Worten ausgedrückt: nynn 2TP1 nHj. 22) Wenn wir also in Num. 23 : 21 lesen, dass in Israël „teruat melekh" zu hören ist, so ist es so zu erklaren, dass die vor dem Feinde stehenden Israeliten die Lade mit dieser „terua" begrüssen, was der Prophet Bileam-ben-Beor — eigentlich nicht mit Unrecht — als Königsjubel deutet. Nicht mit Unrecht, weil Jahve schon im sogenannten Schilfmeerlied (Ex. 15 : 1—18) als König vorgestellt wird. 23) Daher kann auch der seine Lade begrüssende Jubel als nwm bezeichnet werden. Daraus ist es aber leicht ersichtlich, dass dieser Ausdruck mit keinem Feste etwas zu tun hat, und bei der Postulation eines Thronbesteigungsfestes man sich darauf nicht berufen kann. Hierin liegt also keine Hindeutung auf ein angebliches Thronbesteigungsfest Jahves, und der Vers setzt nicht voraus, dass der Königsjubel etwas Dauerndes, im Leben Israels sich immer Wiederholendes ware, — wie Mowinckel es meint — sondern nur so viel, wie I Sam. 4 und wie wir oben dargelegt haben. Sach. 14 : 16. Auch dieser Vers sollte sich nach Mowinckel auf das vermutete Thronbesteigungsfest beziehen. Jedoch steht er bei dieser Behauptung vor einer grossen Schwierigkeit, die er übersehen zu haben scheint. Sach. 14 kann namlich unmöglich vorexilischen Ursprungs sein.24) In der Zeit als dieses Kapitel geschrieben wurde, waren die Feste schon sicher entwickelt, und daher bestanden schon sowohl das Neujahrsfest, am 1. des siebten Monats, wie der Versöhnungstag am 10. und das Laubhüttenfest am 15. desselben Monats. Im erwahnten Vers — worauf sich Mowinckel beruft — steht nun kein Wort über das Neujahrsfest, sondern nur über das Laubhüttenfest. Wir lesen hierin, dass einst auch die Völker sich am Laubhüttenfest in Jerusalem versammeln werden um das 22) I Sam. 4 : 5. 23) Siehe: V. 18: nyi 0^17^ "fa' nVT. 24) Vergl. schon die Datierungen in Sach. 1 : 1 und 7 : 1. Naheres über die Verfassungszeit von Sach. siehe in den Einleitungen. Fest in Jerusalem zu feiern, und den König-Jahve anzubeten. Da, wie wir sahen, in diesem Vers expressis verbis das Laubhüttenfest erwahnt wird und nicht das Neujahrsfest, obgleich in dieser Zeit die zwei Feste gesondert nebeneinander bestanden, ist es klar, dass diese Stelle bei der Postulation: das Neujahrsfest sei das Thronbesteigungsfest Jahves gewesen, keineswegs angeführt werden kann. Hos. 7 : 5. Was endlich diese Hoseastelle betrifft, ist deren Text in einem so schlechten Zustand, dass die Uebersetzung und daher auch das Verstehen derselben die grösste Schwierigkeit bietet. Die Exegeten haben verschiedene Textanderungen vorgeschlagen, auf deren Besprechung wir aber hier nicht eingehen wollen.25) Eins steht aber allerdings fest. Wenn wir auch den gegenwartigen massoretischen Text lesen, welcher „jom malkenu" bietet, so kann mit nichts bewiesen werden, dass mit diesem Ausdruck: „Tag unseres Königs" ein Fest -Jahves, ja sogar das Thronbesteigungsfest Jahves gemeint ware. Im Obigen haben wir uns die biblischen Belege vorgenommen um zu sehen, ob die Hypothese Mowinckels durch diese Belege hinreichend unterstützt werden kann. Im Folgenden gehen wir auf die Besprechung seiner übrigen Belege, die er aus der Tradition nimmt, über. Diese Tradition steht in der Rosch ha-schana vor uns. Mit diesem verhalt es sich anders, wie mit den biblischen Belegen. Wahrend er bei der Anwendung der biblischen Belege durch die kühne, oft gewaltsame Exegese seinem Ziel naher zu rücken weiss.26) liegt sein Fehler bei der Anwendung der aus der Tradition geschöpften Zeugnisse darin, dass er der Mischna-Tradition bei der Beurteilung dieses — nach ihm ausschliesslich vorexilischen — Festes unberechtigterweise grosse Bedeutung zuschreibt und dadurch zu nicht ganz zuverlassigen Resultaten kommt. Wir müssen hierzu namlich nochmals stark betonen, dass man nicht vergessen dürfte, dass die Verfassungszeit der in der Rosch ha-schana kodifizierten, hieraufbezüglichen Ueberlieferung erst das zweite Jahrhundert ist, und die Quellen dieser Tradition nur bis in die Zeit Jesu Christi zurückverfolgt werden können. 27) Aus einer so jungen Ueberlieferung dürften Schlüsse auf ein angeblich in vorexilischer Zeit bestandenes Fest nur mit dem grössten Yorsicht gezogen werden. Wenn wir daher in der Mischna lesen, dass das Neujahrs- 2S) Naheres über Hos. 7 : 5 siehe in den Kommentaren, vor allem bei Sellin, Kommentar zum Alten Testament 1922. 2e) Man denke nur an die Erklarung verschiedener Psalmen, oder Stellen, wie II Sam. 6, I Kön. 8, Hos. 7 : 5, um nur einige zu nennen! 27) Vgl. oben S. 75. fest das Fest des Königtums Jahves.28) ein Gedenktag an die Schöpfung 29) und ein Gerichtstag ist, 30) welches mit Schofarblasen begangen werden soll 31) so müssen wir erst gründlich nachprüfen, woher die Tradition diese Angaben hat, bevor wir ein solches Urteil aussprechen, wie Mowinckel es tut: dass namlich diese Ueberlieferung ein Zeugnis dafür ist, dass ein Thronbesteigungsfest Jahves bestand, es am Neujahrstage gefeiert wurde und als Thronbesteigungsfest auch zugleich der Tag des Andenkens an die Schöpfung und des Gerichts war. Was nun diese Angaben der Mischna betrifft, so können sie m. E. aus den zeitgenössischen Eschatologie erklart werden. Oben, bei der Besprechung der Psalmen haben wir schon per tangentem erwahnt, dass sich im nachexilischen Judentum die Eschatologie immer mehr und mehr ausbreitete. Schon in den kanonischen Büchern kommt der Gedanke vor, dass in der Endzeit Jahve erscheinen und seine Erscheinung mit einem Gericht verknüpft sein wird.32) Diese Gedanken entwickelten sich in der ausserkanonischen Apokalyptik noch mehr.33) Die jüdische Eschatologie scheint nun mit dem Neujahrsfest in enger Beziehung gestanden zu haben. Denn wie wir bereits bei Ezechiel lesen, hat er sein Traumgesicht über den neuen Tempel eben am Anfang des neuen Jahres erlebt.34) Und dieser Umstand, dass die Eschatologie mit dem Neujahrsfest in Beziehung gebracht wird, ist menschlich auch gut begreiflich. Jedes Neujahr ist eine Wende; niemand weiss, was es mit sich bringen wird, aber jedermann erwartet die Erfüllung seiner heissesten Hoffnungen von dem neuen Jahr. So war naturgemass das Neujahrsfest das geeigneteste Fest für eschatologische Gedanken. Man erwartete mit dem neuen Jahr das ersehnte Erscheinen Jahves, welches der Fremdherrschaft ein Ende machen wird und Israël erhöht. Da aber dieses Erscheinen Jahves mit einer Neu3chöpfung verbunden wird, so wird am Neujahrsfest auch dem Andenken an die Weltschöpfung Platz eingeraumt. Wenn wir also in der Mischna lesen, dass das Neujahrsfest ein Fest des Königtums Jahves, des Gerichts, und auch 2S) Siehe P. Fiebig, Rosch ha-schana. S. 49 ff. Die Malkhijjoth. Auch I. Elbogen, Der jüdische Gottesdienst in seiner geschichtlichen Entwicklung, S. 141 ff. 29) Siehe P. Fiebig a.a.O. S. 48; 53 ff. Die Zikhronoth. Auch I. Elbogen a.a.O. S. 141. 30) Siehe P. Fiebig a.a.O. S. 61; 65 ff. Auch I. Elbogen a.a.O. 31) Siehe P. Fiebig a.a.O. S. 58 ff. Die Schopharoth, und S. 94 ff. Die Schopharoth. Vgl. auch I. Elbogen a.a.O. S. 141 ff. 32) Vgl. zum Beispiel Mal. 3. 33) So vor allem im Henochbuche, in der Baruchapokalypse, IV Ezra, Sybillinen usw. 34) Siehe Ez. 40 : 1 ff. Gedenktag an die Weltschöpfung ist, ist das doch noch kein Beweis dafür, dass in vorexilischer Zeit ein Thronbesteigungsfest bestand, womit diese Gedanken verbunden waren. Sondern aus dieser Tatsache kann man nur so viel schliessen, dass in der Zeit der Entstehung dieser Tradition der Gedanke des Königtums Jahves mit dem Neujahrsfest eng verbunden war. Damit hangt das Schofarblasen zusammen, und das andere, das Gericht und die Schöpfung, gehort organisch zur Eschatologie. Mit dieser Feststellung ist freilich die Frage, ob die MischnaAngaben bei der Beurteilung des Thronbesteigungsfestes mit Recht verwendet werden können, nicht endgültig beantwortet. Es bleibt dabei ein Problem ungelöst: Was ist der Ursprung der Eschatologie? Wenn wir namlich mit Mowinckel annehmen dürfen, dass die Eschatologie sich eben aus diesem Thronbesteigungsfest entwickelt hat, dann können wir uns auf die Mischna-Angaben ohne Bedenken berufen. Wenn namlich Mowinckel Recht hat mit seinem Satz: „Die Eschatologie ist dadurch entstanden, dass alles das, was man ursprünglich als unmittelbare, sich im Laufe des Jahres verwirklichende Folgen der im Kulte erlebten alljahrlichen Thronbesteigung Jahwas erwartete, in eine unbestimmte Zukunft hinausgeschoben wurde" 35) so ist die ganze Eschatologie nichts anderes als das, in die Zukunft projizierte Bild dessen, was man am NeujahrsfestThronbesteigungsfeste erwartete. Mit anderen Worten, wir müssen dann den Inhalt der Eschatologie einfach zurückprojizieren, um das Thronbesteigungsfest vor uns zu haben. Doch scheint mir Mowinckel mit dieser Behauptung nicht im Rechte zu sein. Gesetzt den Fall, dass das Thronbesteigungsfest Jahves bestand, ist es noch immer unhaltbar, die ganze israelitisch-jüdische Eschatologie aus diesem Feste ableiten zu wollen. Wie ist es namlich zu erklaren, dass sowohl am Ufer des Euphrat, wie auch in Aegypten zwar ein Neujahrsfest bestand, aber keines von beiden eine Eschatologie hervorgebracht haben? Oder wie ist es andererseits zu erklaren, dass bei vielen Vólkern die Eschatologie entstand, ohne dass ein Neujahrsfest und auf ihm die Thronbesteigung des einheimischen Gottes bekannt gewesen ist? Warum soll das angebliche Thronbesteigungsfest ausschliesslich in Israël die Eschatologie hervorgebracht haben? Und warum soll die Eschatologie allein hier in einem eventuellen Fest ihren Ursprung haben? Die einzig mögliche Antwort auf diese Fragen ist meines Erachtens die Yerneinung der Behauptung Mowinckels.36) Der Ursprung der Eschatologie ist nicht 3B) Mowinckel, Psalmenstudien II, S. 226. 36) Zu dieser Frage vergleiche man auch A. von Gall, Basileia tou theou, S. 21 f. und Béda Rigaux, L'Antéchrist, S. 14 ff. Pap 6 in einem hypothetischen Thronbesteigungsfest und überhaupt nicht in einem Fest zu suchen. Der Boden, auf welchem die Eschatologie entstehen kann, ist die Erkenntnis dessen, dass die Welt verganglich und Gott der Ewige ist. Dazu kam in Israël noch, in Verband mit seiner eigenen Geschichte, das Selbstbewustsein des Volkes das auserwahlte Volk Gottes zu sein, welches Selbstbewustsein zur Entwicklung der Eschatologie nicht wenig beigetragen hat. Zu dieser Entstehung und Entwicklung war aber gar kein Thronbesteigungsfest Jahves nötig! Nachdem wir so die Auffassung Mowinckels über den angeblichen Ursprung der israelitisch-jüdischen Eschatologie abgelehnt haben, können wir nun auch auf die oben vorlaufig unbeantwortet gelassene Frage eine entscheidende Antwort geben, ob die MischnaAngaben bei der Beurteilung der Existenz des Thronbesteigungsfestes mit Recht aufgeführt werden können. Danach, wie wir gleich oben dargelegt haben, kann diese Antwort nur verneinend sein. Die Anwesenheit und wichtige Rolle zentraler eschatologischer Gedanken am Neujahrsfest des Judentums ist noch keine Bürgschaft für die Existenz eines vorexilischen Thronbesteigungsfestes. Denn die Eschatologie setzt eben kein Fest notwendig voraus. Wenn wir nun das in Zusammenhang mit dem durch Mowinckel vermuteten Thronbesteigungsfest bisher Ausgeführte in einem einheitlichen Bild zusammenfassen wollen, so ergibt sich daraus Folgendes: Die Psalmen, zu deren Erklarung das Thronbesteigungsfest eigentlich postuliert war, bieten weder hinreichende Gründe zu dieser Postulation, noch bedürfen sie ihrer. Sie können auch aus der nachexilischen Eschatologie gut und ganz ungezwungen verstanden werden. Von den übrigen, durch Mowinckel aufgeführten biblischen Belegen kann keiner als einwandfreier Beweis für die Existenz eines vorexilischen Thronbesteigungsfestes gelten. Und was die aus der Tradition genommenen Angaben betrifft, so können sie als Beweise für die Existenz eines vorexilischen Thronbesteigungsfestes nicht gelten. Denn sie stehen mit der zeitgenössischen Eschatologie in Verbindung. Diese Eschatologie hat aber ihren Ursprung nicht in einem Fest, also besser gesagt, in dem vermuteten Thronbesteigungsfest Jahves. Das bedeutet aber praktisch die Unberechtigtheit der Mowinckelschen Hypothese über das Thronbesteigungsfest Jahves. Doch, wir betonen, nur praktisch. Die Möglichkeit der Existenz eines solchen Thronbesteigungsfestes ist namlich dadurch faktisch noch nicht ausgeschlossen. Es könnte auch auf reinem Zufall beruhen, dass wir keine direkten Belege darüber im Alten Testament besitzen, weshalb auch die sehr zweifelhaften Anspielungen ganz unbrauchbar sind. Wir geben ohne weiteres gerne zu, dass wir über den vorexilischen Kultus eigentlich ziemlich schlecht orientiert sind. Eben deshalb können wir die theoretische Möglichkeit der Existenz des vermuteten Thronbesteigungsfestes auf Grund der obigen Ausführungen noch nicht leugnen. Zwar hat diese Postulation praktisch keinen Sinn und keinen Wert, da sie überflüssig ist, und da sie mit keinem sicheren Beleg unterstützt werden kann, muss diese Postulation jedoch nur auf Grund einer anderen Erwagung abgelehnt werden. Und mit dieser Erwagung meine ich die Untersuchung dessen, ob das Milieu im alten Israël für das Entstehen und die Existenz dieses Festes geeignet, oder überhaupt möglich war. Die zögernde Haltung, die die meisten Alttestamentler gegenüber der Hypothese Mowinckels einnehmen, erklart sich meines Erachtens daraus, dass sie die kultische Möglichkeit der Mowinckelschen Hypothese nicht gründlich genug erwogen haben. Wenn wir hier und im Folgenden eine scharfe Unterscheidung zwischen praktischer und prinzipieller Möglichkeit des Thronbesteigungsfestes machen, so tun wir es darum, weil wir die prinzipielle Entscheidung in dieser Frage einzig und allein von der kultischen Möglichkeit der Mowinckelschen Theorie abhangig machen wollen. Bei der Postulation des Thronbesteigungsfestes beruft sich Mowinckel auf die babylonisch-assyrische Analogie. Wenn wir also endgültig entscheiden wollen, ob diese Hypothese Mowinckels unbedingt abzulehnen ist, dann müssen wir auch diese Analogie vor der Entscheidung in Betracht ziehen. Wir kennen Babyion und das geistige und religiöse Leben dort ziemlich gut; wir wissen, in welchem Milieu dort das Thronbesteigungsfest Marduks entstand und existierte. Wir brauchen also nur das religiöse Leben dieses Volkes mit dem Israels zu vergleichen um zu sehen, ob die Voraussetzungen, die die Entstehung und Existenz des Festes in Babylonien und Assyrien möglich gemacht haben, auch in Israël vorhanden waren. Dies zu untersuchen, wird die Aufgabe des folgenden Kapitels sein. 7. KAPITEL. Die kultische Möglichkeit des Thronbesteigungsfestes im alten Israël. Schon eine kurze, oberflachliche Bekanntschaft mit Mowinckels Psalmenstudien II genügt feststellen zu können, welch grosse Bedeutung der aussere Kultus nach Mowinckel im religiösen Leben Israels gehabt haben soll. Darin zeigt sich Mowinckel als Anhanger der neueren religionsgeschichtlichen Schule, welche im Gegensatz zur alteren Auffassung den Hauptnachdruck nicht auf die Dogmen und Mythen, sonder auf den Kultus legt.1) Diese Auffassung ist gewiss auch berechtigt. Denn zwischen Kultus und Mythus ist sicher der erstere primar. Der Fehler liegt bei Mowinckel nur in der Uebertreibung und in der Einschranckung des Begriffes. Denn was ist eigentlich Kult? „In bestimmten Lauten und Worten, Gasten und Handlungen sich aussernde Betatigung, die dem Zwecke dient, zu den übersinnlichen Machten (oder zur übersinnlichen Macht) in Beziehung zu treten und sich ihre Hilfe zu eigen zu machen, bzw. die von ihnen ausgehenden Gefahren von sich abzulenken." 2) Das heisst also nicht nur die Zeremonien und Kulthandlungen, sondern ebensosehr auch die spontane Aeusserung der frommen Seele (zum Beispiel: das Gebet) kann und muss als Kult betrachtet werden. Was sehen wir dagegen bei Mowinckel? Man hat bei ihm immer den Eindruck, als ob er unter Kult nur die Kulthandlungen versteht, was natürlich eine unberechtigte Einschrankung des Begriffs ist. Wir haben hier keinen Raum für die ausführliche Behandlung dieses Problems, denn das würde uns von unserem Thema viel zu weit ab führen. Andererseits können wir aber darauf doch nicht verzichten, den mit Israël in Zusammenhang stehenden Teil der Frage zu behandeln. Denn angesichts dessen, dass nach der Hypothese Mowinckels die Hauptbetatigung der israelitischen Religiösitat mit dem Thronbesteigungsfest, d. h. mit einer Kulthandlung verbunden gewesen sein soll, kann die Berührung dieses Problems bei der Behandlung der Mowinckelschen Hypothese nicht ausgeschaltet werden. Zuerst taucht hierbei natürlich die Frage auf, welche Stellung der Kult im religiösen Leben des alten Israël einnahm.3) Das heisst mit anderen Worten: inwiefern ist die Yermutung berechtigt, welche dem Kult eine so überwaltigende Bedeutung zuschreiben will, dass sich sozusagen die ganze religiöse Betatigung des israelitischen Volkes an einem Fest, naher bestimmt in einer kultischen Handlung des Festes ausdrückt? Dies ist zugleich die Frage, um welche sich hier alles dreht, und mit welcher die ganze Thronbesteigungshypothese Mowinckels steht oder fallt. Denn, wenn die Untersuchung ergeben 1) Er selbst bekennt sich Schüler Grönbechs zu sein. Vgl. das Vorwort zu Psalmenstudien II. 2) Siehe Bertholet in R.G.G. (2. Aufl.) unter „Kultus" (Bd. III, Sp. 1365 f.). 3) Wenn wir hier und im Folgenden den Ausdruck „Kult" brauchen, so wird damit der ausserliche Kult gemeint. Doch mit der Bemerkung, dass dies nur der Einfachheit halber geschieht und eine solche Einschrankung des Begriffes selbst unberechtigt ist. wird, dass der Kult im religiösen Leben des alten Israël tatsachlich eine herrschende Rolle gespielt hat, dann ist die Möglichkeit der Existenz eines solchen Festes, wie es das durch Mowinckel vermutete Thronbesteigungsfest Jahves ist, nicht ausgeschlossen. Diese Möglichkeit bleibt in diesem Fall auch dann bestehen, wenn wir über dieses Fest im Alten Testament nur ausserst seltene und zweifelhafte Belege haben. Dieser Umstand mag in diesem Falie dann auf Zufall oder in der Redaktionsarbeit der nachexilischen Zeit beruhen. Ist dem aber nicht so, wird die Untersuchung über das religiöse Leben des vorexilischen Israël ein anderes Bild vorzeigen, nach welchem der Kult keine grosse Bedeutung gehabt hat, dann ist die Thronbesteigungshypothese Mowinckels unbedingt abzulehnen. Es ist namlich ausgeschlossen, dass in einem Volk, wo man dem Kult keine grosse Bedeutung zuschrieb, die Hauptbetatigung des religiösen Lebens sich an einem Fest, und in dessen Kulthandlung abgespielt hatte. Bei dieser Untersuchung kommen nun nicht nur die prophetischen Aeusserungen über den Kult in Betracht. Es ist ja wohlbekannt, dass die Propheten sich von Amos ab stark ablehnend gegen den verausserlichten Kult verhielten. Wir wollen daher nicht nur diese prophetischen Aeusserungen betrachten, sondern wir gehen in der Zeit weiter zurück, um die Rolle des Kultes schon in vorprophetischer Zeit zu sehen. Wir haben oben bereits erwahnt, dass wir über den Kult des alten Israël sehr schlecht unterrichtet sind. Dieser Umstand bedeutet aber nur die Schwierigkeit, nicht zugleich auch die Unmöglichkeit der Arbeit. Es werden sich in den historischen Büchern wohl Angaben über Priester und Opfer finden lassen, die wir bei der Beurteilung unserer Frage gut verwerten können. Denn letzten Endes sind hierbei die Aeusserungen der alteren Zeit über Priester und Opfer massgebend. Wenn wir nun mit der Betrachtung der Rolle der Kuitpersonen beginnen, so begegnen wir sogleich der auffallenden Tatsache, dass in der Jahve-Religion der Priester nicht der wichtigste Person ist. Nein, neben, oder noch mehr, vor ihm steht der Prophet, dessen Amt viel wichtiger ist, als das des Priesters! Und so finden wir es schon von der Zeit Moses an. Der Prophet ist es, der unmittelbar mit der Gottheit verkehrt, aber nicht der Priester, der sie nur durch die heiligen Lose befragen kann. Einige Beispiele zur Illustration. Die Hauptaufgabe der Priester war in Israël Thora, d. h. Unterweisung zu erteilen.4) Was finden wir aber hierbei? Der Priester empfangt die Thora nicht unmittelbar vom Gott selbst, sondern er vermittelt nur die durch den Prophet — Moses — von Gott empfangene 4) Vgl. Deut. 33 : 10. Unterweisung. Er ist also in dieser Hinsicht lediglich ein Lehrer. Das bedeutet aber zugleich, dass dem Priester auf Grund der ThoraErteilung der Gottheit gegenüber keine besondere Stellung zukommt. Was er weiss, das ist keine Geheimlehre, denn er hat es zur Aufgabe diese Lehre an das Volk zu übermitteln. Ja, Jahve wollte sich vor das ganze Volk, und vor seinen Kindern offenbaren, nicht vor die Priester! Daher kommt es dann, dass in Israël kein den Laici gegenüberstehender, mit der Gottheit allein verkehrender Klerus bestand. Eine andere Aufgabe des Priesters ist das Opfern, oder in weiterem Sinne die Verrichtung des Dienstes am Tempel. Und doch wie merkwürdig: an Moses — den Propheten — ergeht der Auftrag Jahves, wie er das Zelt und die Lade Jahves machen lassen soll, nicht an Aaron, den Priester. 5) Und auch das Vorbild des heiligen Zeltes wird Moses, nicht Aaron gezeigt. a) Oder spater, als das Zelt fertig ist, wird wieder Moses beauftragt dasselbe einzuweihen.7) Ja, Moses ist es, dem Jahve die Kleidung der Priester beschreibt, und sogar die Einweihung Aarons zum Priester geschieht durch Moses den Propheten ! 8) Man kann freilich dagegen einwenden, diese Stellen seien aus der sogenannten Priesterschrift, können also mithin für die altere Zeit nicht massgebend sein. Doch müssen wir demgegenüber betonen, dass die Zeit schon vorüber ist, als man, wenn man von einem Stück bewiesen hatte, dass dasselbe aus dieser oder jener Zeit stammt, ohne weiteres angenommen hat, dass auch der Inhalt des betreffenden Stückes aus derselben Zeit stamme. Wir haben namlich inzwischen bereits gelernt, dass wir zwischen literarer Form und Inhalt eine scharfe Unterscheidung machen müssen. Ware das nun nicht so, müssten wir unbedingt zugeben, dass auch der Inhalt der Priesterschrift aus der nachexilischen Zeit stammt, trotzdem könnte es nicht geleugnet werden, dass die Frage, die uns hier beschaftigt, damit noch nicht endgültig erledigt ist. Denn in diesem Falie kommt von selbst die andere Frage auf: können wir in vorexilischen Quellen keinen Beleg dafür haben, dass die Situation zwischen Priester und Prophet die gleiche war, wie wir in den obigen Stellen gefunden haben? Und diese Belege lassen sich tatsachlich finden. So lesen wir zum Beispiel, dass als die Prioritatsfrage durch Mirjam und Aaron aufgeworfen wird, Jahve sich nicht auf die Seite des Priesters, sondern auf die des Propheten stellt.9) Ferner als das Volk durch die Anbetung des goldenen Kalbes gegen Jahve sündigt, nicht der 8) Vgl. Ex. 25. ®) Ebenda. 7) Ex. 40 : 1 ff. s) Ex. 39 : lff. bzw. 40 : 12 ff. ») Num. 12 (E) Priester — Aaron, der mitschuldig war — sondern der Prophet — Moses — betet für das sündige Volk und auch für den Priester!"10) Oder spater als das Priestergeschlecht Elis durch seine Sünde das Zorngericht Jahves auf sich zieht, Samuel, der Prophet ist es, der dieses traurige Schicksal verkündet und nachdem das Gericht volzogen wurde, tritt er in den Vordergrund der Geschichte.11) Neben der Unterweisung und dem Opfern war auch das Befragen Jahves durch die Urim und Tummim eine Aufgabe der Priester.12) Und bei dieser Funktion könnte man vielleicht geneigt sein anzunehmen, dass die Priester dadurch eine grosse Macht ausüben konnten. Doch war es nicht so. Wie wir aus den Stellen, wo die Urim und Tummim gebraucht werden, ersehen können, wurde das heilige Los nur selten, in den wichtigsten Angelegenheiten befragt. Und selbst in solchen Fallen, wenn inzwischen Jahve seinen Willen auf irgendeine andere Weise vermuten liess, wurde das Befragen des Loses abgebrochen und zwar auf einer Weise, die nicht gerade eine hohe Ehrfurcht bezeugt.13) Also wie wir sehen, wurde den Priestern auch durch die Handhabung der Urim und Tummim keine besondere Stelle gesichert. Von der Zeit Davids verschwand das heilige Los ja überhaupt. Wenn wir nun weiter von den Kuitpersonen auf die Kulthandlungen übergehen wollen, und dabei die Rolle des Opfers besprechen, so tritt uns zuerst die Frage entgegen: was ist eigentlich der Sinn und Zweck des Opfers nach dem Alten Testament? „Das Opfer ist ein Symbol der Dankbarkeit und des Versöhnungsbedürfnisses gegenüber dem hundertfaltig wohltatigen und oftmals durch Impietat verletzten himmlischen Herrn" schreibt König.14) Und wohl mit Recht. Das heisst aber mit anderen Worten: einzig und allein der Mensch hat das Opfer nötig und nicht Gott! Bei den anderen Vólkern finden wir die Vorstellung, dass das Opfer eigentlich ein solches Mittel ist in der Hand der Menschen, durch welches sie die Götter beeinflussen können. Eine solche Bedeutung hat aber in Israël das Opfer nie gehabt. Jahve hat nie als Fliege auf den angenehmen Duft des Opfers geflogen, wie die Götter in Babyion. Es ist zwar nicht zu leugnen, dass im Alten Testament das Opfer auch als „Speise" Jahves bezeichnet wird15), aber die Tatsache, dass diese Ausdrucksweise sogar von den Propheten gebraucht 10) Ex. 32 : 19 ff.; Deut. 9 : 20 (E bzw. D). «) I Sam. 3. 12) Vgl. Deut. 33 : 8. 1S) Vgl. z.B. I Sam. 14 : 19. 14) E. König, Theologie des Alten Testaments, 1922, S. 293 f. 15) So auch in Lev.,21 : 6, 8 usw. wird16), zeigt, dass hinter diesem Ausdruck sich keine, dem babylonischen ahnliche, Vorstellung über das Opfer als Nahrungsmittel der Gottheit steckte. Das es dem so war, das beweisen zur Genüge die sonstigen prophetischen Sprüche über das Opfer, wonach Jahve des Opfers nicht bedarf!17) Wir wollen aber hierbei noch etwas bemerken. Die Bedeutung des Opfers war in Israël auch dadurch beschrankt, dass die Wirkung desselben nicht grenzlos war. Wir wissen namlich, dass in der Beurteilung der Sünden eine scharfe Unterscheidung gemacht wurde zwischen nm T3 und nJUttÓ begangenen Sünden.18) Mit Opfer konnte nur die letztere versühnt werden, wahrend im ersteren Falie galt es: rotte aus! Im Obigen haben wir nun einiges darüber erwahnt, wie das Alte Testament über den Kult urteilt. Die Bedeutung der darin hervortretenden Ablehnung gegenüber den Kuitpersonen und der Kulthandlung wird nun durch einen Umstand noch mehr verstarkt. Und dieser ist die allgemein anerkannte — und auch von Mowinckel stark hervorgehobene — Tatsache, dass wir im Alten Testament sehr wenig über den Kult des vorexilischen Israël hören. Auf Grund der oben erwahnten Stellen kommen wir aber durch das Fehlen der Angaben über den vorexilischen Kult zu einem ganz anderen Ergebnis wie Mowinckel. Wahrend er namlich diesen Umstand dem Nichtverstehen des nachexilischen Judentums für eigentlichen Kult zuschreiben will, glauben wir auf Grund der uns zu Gebote stehenden negativen Angaben feststellen zu dürfen, dass dieses Fehlen der Angaben über den vorexilischen Kult in Israël nicht dem nachexilischen Judentum, sondern ausschliesslich dem religiösen Denken und Glauben des vorexilischen Zeitalters zuzuschreiben ist. Man hatte in Israël dem Kulte nie eine grosse Bedeutung beigelegt. Von hier aus ist es auch zu erklaren, dass sich im Alten Testament über den Kult so wenige Angaben finden lassen. Und sobald eine Richtung den Kult höher einschatzen wollte, fehlte es nicht an Opposition, wie dies bei den Propheten gut ersichtlich ist. Um zugleich auch auf die Frage eine Antwort zu geben, ob man sich bei der Postulation des Thronbesteigungsfestes Jahves auf babylonisch-assyrische Parallelen berufen darf, wollen wir nun im Folgenden einen Bliek auf die Situation in Babyion werfen. Was war nun der Kult nach der religiösen Anschauung der Babylonier? Auf diese Frage mochten wir fast antworten: alles. Wir lesen schon im Weltschöpfungsepos „Enuma elis", dass der Mensch ge- i«) Vgl. Ez. 44 : 7, Mal. 1 : 7. 17) Vgl. I. Sam. 15 : 22; Am. 5 : 27 ff.; Mi 6 ; 6 ff. usw. 18) Vgl. Num. 15 ; 30, 33 : 3 bzw. Num. 35 : 11, 15. schaffen wird, damit die Götter Ruhe haben.19) Den Menschen wird die Ausübung des Kultes aufgetragen, und mit diesem Auftrag haben die Götter ihre Sorgen abgelegt. Das bedeutet aber zugleich, dass nach babylonischer Anschauung die Götter das Opfer und überhaupt den Kult nötig haben und nicht der Mensch. Dies bestatigt auch die Sintfluterzahlung im Gilgamesch-Epos.20) Nachdem der am Leben gebliebene Utnapistim das Opfer angezündet hat, kommen die Götter wie die Fliegen auf den angenehmen Geruch des Opfers hin und machen dem herbeieilenden Enlil die schwersten Vorwürfe, warum er die Menschen vernichten wollte. Und vom babylonischen Gesichtspunkt aus gesehen war dieser Versuch Enlils in der Tat unvorsichtig und nicht überlegt: wer hatte dann „die Arbeit für die Götter" verrichtet — wie der Kult hier genannt wurde —? Bei einer solchen Grundanschauung über den Zweck des Kultes ist es dann auch nicht zu verwundern, wenn der Kult im religiösen Leben der Babylonier eine so überragende Stelle einnahm. Zwar diente der Kult an erster Stelle der Erhaltung der Götter (also wie schon oben erwahnt, hatte ihn die Gottheit nötig), aber an der Erhaltung des nationalen oder des Stadtgottes hatte auch die menschliche Gemeinschaft ein grosses Interesse. In alter Zeit hat nun jedermann den Kult seines Gottes verrichtet. 21) Diese Funktion ging aber bald auf den Priester über. Dieses Priestertum wurde zwar durch den Staat organisiert, aber anfangs war der Unterschied zwischen staatlichen und priesterlichen Aemtern ziemlich gering. Doch ist die Bedeutung der Priester mit der Zeit nur gewachsen. Dazu hat auch die Tatsache das Ihrige beigetragen, dass hier nicht nur das „Dass", sondern ebensosehr auch das „Wie" des Kultes wichtig war. Mit anderen Worten, es genügte nicht, dass man den Kult verrichtet hatte, sondern das musste auch auf genau geregelte Weise geschehen. Geschah es nicht nach den Vorschriften, so hatte es keine Wirkung. Aber neben dem oben Gesagten kann nichts so gut die grosse Bedeutung des Kultes in BabylonienAssyrien schildern, wie der Umstand, dass die kultischen Texte einen grossen Teil der Literatur ausmachen, und selbst das bekannte Weltschöpfungsepos „Enuma elis" ein kultisches Stück ist.22) In diesem Milieu ist nun in Babylonien das Neujahrsfest, das 10) Vgl. Enuma elis, Tafel 6, Zeile 107—108, bei Ebeling in Gressmann, A. T. u. B. (2. Aufl.). 20) Siehe Gilgamesch-Epos Tafel 11, Zeile 160 ff. a.a.O. 21) Bruno Meissner, Babylonien und Assyrien II, S. 1. und 52; J. A. Graig, Assyrian and Babylonian religious texts, I 57, 31. 22) Zu den letzten Abschnitten vergleiche man B. Meissner, Babylonien und Assyrien II, Heidelberg 1925, Vierzehntes Kapitel: Die Priester und der Kultus, S. 52 ff. Thronbesteigungsfest Marduks entstanden. Bei der starken Betonung des Kultes war für die Entstehung eines solchen Festes die Situation ausserst günstig. Wir fragen uns aber, ob danach, was wir eben ausgeführt haben, die Voraussetzungen im alten Israël ahnlich waren? Kann das babylonische Neujahrsfest und mit diesem die Thronbesteigung Marduks auf Grund kultischer Voraussetzungen als Analogon bei der Postulation eines eventuellen Thronbesteigungsfestes Jahves in Israël gelten? Auf diese Frage können wir nach dem Obigen nur eine verneinende Antwort geben. Denn wie wir sahen, ist in BabyIonien, auf dem Boden, wo das Neujahrsfest Marduks entstanden ist, eine starke Betonung des Kultes zu beobachten. In Israël hat dagegen, wie wir gesehen haben, der Kult keine wichtige Rolle gespielt. Und sobald der Kult etwas mehr in den Yordergrund des Interesses zu rücken versucht, so erhebt sich dagegen sogleich eine heftige Opposition, deren Spuren in Babylonien vergebens zu suchen sind! Bei solchen kultischen Voraussetzungen kann aber das babyIonische Beispiel nicht als Analogon betrachtet werden. In diesem Kapitel haben wir versucht, eine entscheidende Antwort auf die Frage zu geben, ob die Existenz eines Thronbesteigungsfestes auf Grund kultischer Erwagungen vorausgesetzt werden kann. Es war hierbei nicht unsere Absicht, den Kult im vorexilischen Israël eingehend zu behandeln. Das ware ja eine Arbeit für sich. Wir wollten nur die Richtlinien zeigen, wonach die Entscheidung zu fallen ist. Sei das skizzierte Bild noch so dürftig, eines kann doch mit Sicherheit daraus erschlossen werden. Dies ist die Verschiedenheit der Stellung, die der Kult im religiösen Leben des Volkes Israël und der Babylonier einnahm. Diese Verschiedenheit beruht letzten Endes auf der Grundanschauung beider Völker über den Zweck des Kultes, nach welcher in Israël der Mensch, in Babylonien dagegen die Gottheit des Kultes bedarf. Auf Grund dieser Erwagungen müssen wir nun die Existenz eines solchen Thronbesteigungsfestes, wie sie Mowinckel in seinen Psalmenstudien vor Augen hat, aus kultischem Gesichtspunkt für unmöglich erklaren. Und die Ablehnung der Mowinckelschen Thronbesteigungshypothese ist jetzt schon von prinzipieller Art. Nach dieser Hypothese soll namlich das angebliche Thronbesteigungsfest die Hauptbetatigung der israelitischen Religiösitat gewesen sein, ebenso, wie auch das Thronbesteigungsfest Marduks in Babyion einen entsprechenden Charakter hatte. Da wir aber keine sicheren Beweise für die Existenz dieses Festes im alten Israël haben, erfordert die Postulation desselben unbedingt, dass der Kult, in welchem das Fest ja wurzelt, in Israël eine — wenigstens — ahnliche Stellung und Bedeutung gehabt haben muss, wie in Babylonien. Und da dies nicht der Fall war, ist die Möglichkeit der Existenz dieses Festes im alten Israël prinzipiell zu verneinen! Denn es ist ganz unhaltbar, dass in der Jahvereligion, der Mittelpunkt der ganzen Religiösitat ein Kultfest gewesen sei (worüber wir übrigens nichts Sicheres wissen), wahrend diese Religion prinzipiell keine grosse Bedeutung des Kultes kennt, im Gegenteil, gegen die starkere Betonung des Kultes immer mit voller Kraft protestiert. 8. KAPITEL. Zusammenfassung. Das eigentliche Neujahrsfest. Wenn wir nun das über das israelitische Neujahr Ausgeführte in einem einheitlichen Bild zusammenfassen wollen, so ergibt sich daraus folgendes: 1. Die Jahreswende wurde nach den Angaben des Alten Testaments im vorexilischen Israël nie besonders hervorgehoben. Man kannte auch in dieser Zeit schon zwei Jahreswenden: einmal die des ökonomischen Jahres im Herbst und zum anderen die des kalendarischen, kirchlich-offiziellen Jahres im Frühling. Ein Neujahrs/est aus dieser Zeit ist aber nirgends im Alten Testament bezeugt und ist unter diesen Umstanden auch wenig wahrscheinlich.1) 2. Das in die mosaische Zeit hinaufreichende Herbstfest, spater Laubhüttenfest genannt, war ein Erntedankfest und kein Neujahrsfest; es hatte ursprünglich einen „bauerlich-materiellen" und nicht einen „historisch-geistigen" Charakter.2) 3. Zur Erklarung der sogenannten Thronbesteigungspsalmen braucht man kein Neujahrs-Thronbesteigungsfest zu postulieren, denn diese Psalmen sind aus der Eschatologie viel besser zu erklaren.3) 4. Die genannten Psalmen bieten auch keinen hinreichenden Grund zur Postulation eines solchen Thronbesteigungsfestes.4) 5. Die zur Unterstützung dieser Hypothese aufgeführten sonstigen biblischen Stellen beweisen die Existenz des angeblichen Pestes tatsachlich nicht. Entweder haben sie mit einem Neujahrsfest nichts zu tun, oder (wie Nehemia) haben keine Beweiskraft für die Existenz der am Neujahrsfest angeblich stattgefundenen Thronbesteigung Jahves.5) *) Vgl. dazu 3. und 4. Kapitel. 2) Vgl. dazu 4. Kapitel. 3) Vgl. dazu 5. Kapitel. 4) Ebenda. 5) Vgl. dazu 6. Kapitel. 6. Die Mischna-Angaben sind so spaten Ursprungs, dass sie bei der Beurteilung eines ausgesprochen vorexilischen Festes weder pro noch contra in Betracht kommen können. 6) 7. Die Existenz des babylonischen Neujahrsfestes ist noch keine Bürgschaft dafür, dass ein ahnliches Fest auch im alten Israël existiert hat. Das babylonische Beispiel dürfte nur dann gewissermassen Beweiskraft haben, wenn es als Analogon betrachtet werden könnte. Die Verschiedenartigkeit der religiösen Grundanschauungen über den Kult in Israël und in Babylonien verbietet aber eine Gleichsetzung: Israël = Babylonien, weshalb das babylonische Beispiel eher als Gegenbeweis statt als Beweis für die Existenz eines Thronbesteigungsfestes angeführt werden kann. 7) Auf Grund dieser Erwagungen können wir also mit Sicherheit feststellen, dass im vorexilischen Israël — bis in die jüngste Königszeit hinunter — kein Neujahrs/est gefeiert wurde und ein Thronbesteigungsfest Jahves nie existierte. Mit diesen Feststellungen sind die über das vorexilische israelitische Neujahrsfest geausserten Hypothesen natürlich abgelehnt. Damit sind wir auch mit dem schwierigsten und grössten Teil unserer Arbeit fertig. Uebrig bleibt aber noch die Frage: wenn nicht diese Hypothesen, was denn? Im Folgenden müssen wir uns also noch ein Bild darüber zu machen versuchen, was das Neujahrsfest nach den Angaben des Alten Testaments war. Was über das eigentliche Neujahrsfest in Israël zu sagen ist, kann mit wenigen Worten gesagt werden. Wie wir schon in der Einleitung crwahnt haben, beginnt das Neujahrsfest erst im nachexilischen Judentum eine wichtige Rolle zu spielen. Im Alten Testament horen wir darüber noch sehr wenig. Die Stellen, die die Existenz eines Neujahrsfestes — mit mehr oder weniger Wahrscheinlichkeit — bezeugen, sind Num. 29 : 1 ff.; Lev. 23 : 23 ff.; Ez. 40 : 1.8) Wie wir daraus ersehen können, finden wir aus der vorexilischen Zeit nicht einmal Spuren eines Neujahrs/esies. Denn als alteste dieser Berichte kann die Ezechiel-Stelle gelten, die aus dem 14. Jahre nach dem Fall Jerusalems datiert ist. Danach kann die Einführung der Feier des Neujahrsfestes schwerlich vor die Zeit der letzten Könige Judas, also etwas vor den Untergang des judaischen Staates, angesetzt werden. Als Zeit dieses Festes wird im Gesetz der erste Tag des siebten Monats angegeben, fallt danach also vor die zwei anderen Feste: 6) Ebenda. 7) Vgl. dazu 7. Kapitel. 8) Zu Neh. 8 : 1 ff. vgl. oben unter 6. Kapitel. Versöhnungstag und Laubhüttenfest und eröffnet die Reihe dieser Feste. Das Fest war jedenfalls eintagig. Ueber die Einzelheiten des Festes wird uns aus den biblischen Stellen so gut wie nichts berichtet. Das Gesetz schreibt das Trompetenblasen vor, aber nur als Signal. Bei Ezechiel steht auch darüber kein Wort. Nur über die Opfer-Vorschriften sind wir durch Num. 29 : 1 ff. besser unterrichtet. Wenn rnan dieses dürftige Bild über das Neujahrsfest sieht, kann man schwerlich umhin zu erklaren, dass das Neujahrsfest in und eventuell auch nach dem Exil noch keine grosse Bedeutung gehabt haben kann. Wir müssen namlich noch hervorheben, dass das Neujahr als solches nur in Ez. 40 : 1. erwahnt wird. Die übrigen angegebenen Stellen, lassen den ersten Tag des siebten Monats eigentlich nur als den ersten Tag des siebten Monats feiern und nicht ausgesprochen als Neujahrsfest. Das Neujahrsfest entwickelt sich erst nach der Heimkehr aus dem Exil und erreicht seine höchste Bedeutung lm nachexilischen Judentum, wo es zum Nahrboden der eschatologischen Gedanken geworden ist. Das so entwickelte Fest hat sich dann bis zu unseren Tagen erhalten, und die Rosch ha-schana bietet uns über dieses Fest das Material. Dieses Fest gehort aber nicht mehr in den Bereich unserer Untersuchung. Inhaltsverzeichnis. Seite VORWORT 5 1. KAPITEL: Einleitung 9 2. KAPITEL: Hypothesen über das Neujahrsfest. P. Volz, S. Mowinckel 13 3. KAPITEL: Der Jahresanfang im vorexilischen Israël . . 18 4. KAPITEL: Das grosse Herbstfest (Laubhüttenfest) . . 33 5. KAPITEL: Die Erklarung der sogenannten Thronbestei- gungspsalmen 48 6. KAPITEL: Das Thronbesteigungsfest Jahves 70 7. KAPITEL: Die kultische Möglichkeit des Thronbestei- gungsfestes im alten israël 84 8. KAPITEL: Zusammenfassung. Das eigentliche Neujahrs¬ fest 92 STELLINGEN. I. Het Israëlitische herfstfeest was geen nieuwjaarsfeest. II. In het voorexilische Israël kende men tweeërlei jaartelling, de ééne met het voorjaar, de andere met de herfst beginnend. III. Een „Thronbesteigungsfest Jahwas" heeft in Israël nooit bestaan. IV. I Sam. 15 : 35 sluit de ontmoeting van Saul met Samuël in I Sam. 19 : 24 niet uit. V. Jer. 80—31 is geen „boek over Efraïm". VI. De bewering van Mowinckel dat de psalmen uitsluitend door tempelzangers gedicht zijn, is onjuist. VII. In Babylonië bestond oorspronkelijk geen priesterschap. VIII. De bewering van Volz, dat de gebeurtenissen uit Hand. 2 bij gelegenheid van het herfstfeest zouden hebben plaats gevonden, is niet vol te houden. IX. De zieken hebben ook recht op de bediening van het Heilig Avondmaal. X. De instelling van het bisschopsambt in de Hongaarsche Gereformeerde Kerk is niet in strijd met de Heilige Schrift. XI. De doodstraf kan niet verdedigd worden. XII. In den Koran zijn de verschillende gedachten van Mohammed aangaande het laatste oordeel niet met elkaar in overeenstemming. XIII. De opvatting van Paulus over het huwelijk in I Cor. 7 is uit de toekomstverwachting van zijn tijd te verklaren. XIV. Het graf van Christus volgens Gordon kan geen aanspraak maken op historiciteit.