ORIENTALISTÏSCHE STUDIËN ENNO LITTMANN ZU SEINER 60. GEBURTSTAG j AM 16. SEPTEMBER 1935 ' , CBERREICJftT VON SCHÜLER^.AÜS REINER BONNER UND TÜB1NGF.R ZEIT HERAÜSGEGEBEN VON R. PARET V LEIDEN ; E;J. BRJLL 1935 . ORIENTALISTÏSCHE STUDIËN foto Lobe 4-knKfc TüBinaj Sr//o 6. ORIENTALISTÏSCHE STUDIËN ENNO LITTMANN ZU SEINEM 60. GEBURTSTAG AM 16. SEPTEMBER 1935 ÜBERREICHT VON SCHÜLERN AUS SEINER BONNER UND TÜBINGER ZEIT HERAUSGEGEBEN VON R. PARET LEIDEN E. J. BRILL 1935 PRINTED IN THE NETHERLANDS VORWORT Die jüngeren und jüngsten Littmannschüler haben die hier veröffentlichten orientalistischen Studiën zusammengebracht. Sie mochten damit ihrem verehrten Lehrer und Meister zu seinem 60. Geburtstag eine kleine Freude machen und zugleich ihrer Dankbarkeit Ausdruck verleihen — ihrer Dankbarkeit für all die wissenschaftliche Förderung und die menschliche Anteilnahme, die sie wahrend ihrer Studienzeit und in den nachfolgenden Jahren vom Jubilar erfahren durften. Ursprünglich war geplant, die einzelnen Beitrage in Maschinenschrift zu überreichen. Herr Verlagsdirektor Th. Folkers hat davon erfahren und sich daraufhin in dankenswerter Weise bereit erklart, die Drucklegung ohne Inanspruchnachme eines Druckkostenzuschusses zu übernehmen. Der Kreis der Gratulanten erfuhr durch dieses Eingreifen eines orientalistischen Verlegers eine sinnvolle Erganzung. Neben der Lehrtatigkeit Littmanns findet nun auch die Wirkung, die er durch seine zahlreichen und vielseitigen wissenschaftlichen Publikationen ausgeübt hat und noch ausübt, ihren Widerhall. Es ist hier nicht der Ort, den Jubilar als Gelehrten, als Lehrer und als Menschen zu würdigen. Nur ein einzelner Punkt muss im Vorbeigehen noch kurz berührt werden, weil er im Gesamtbild der hier vereinten Studiën auffallend und auf den ersten Bliek vielleicht sogar storend zum Ausdruck kommt: Littmann hat seine Schüler wohl in die Methode wissenschaftlicher Forschung eingeführt, aber darüber hinaus hat er ihnen keinen einheitlichen Stempel aufgedrückt. Es gibt keine besondere Littmann-Schule. Aussenstehende mögen darin einen Nachteil sehen. Aber die, die selber bei ihm gelernt und studiert haben, sind wohl anderer Ansicht. Sie fiihlen sich ihm eben dafür zu besonderem Dank verpflichtet, dass er bei aller Anteilnahme und bei aller Sorge um ihr weiteres Ergehen nie versucht hat, ihre wissenschaftliche Entwicklung auf eine bestimmte Linie und auf ein enger um- VI Vorwort grenztes Forschungsgebiet festzulegen. Durch diese freundlich kluge Zurückhaltung hat er für immer die Herzen gerade auch derjenigen Schuier gewonnen, die — mit oder ohne Berechtigung — sich dazu berufen glaubten, eigene Wege zu gehen. Die Verfasser der in diesem Band zusammengestellten Studiën schauen alle mit Dankbarkeit und Hochachtung auf das bisherige Schaffen und Wirken des Jubiiars zurück. Aber zugleich richten sie den Bliek in die Zukunft, indem sie der Hoffnung und dem Wunsch Ausdruck geben, dass ihr verehrter Lehrer ihnen auch weiterhin so wie bisher zugetan sein möge, und dass es ihm in den kommenden Jahren vergönnt sei, die Orientalistik in Forschung und Lehre noch um ein grosses Stiick vorwarts zu tragen. Der Herausgeber INHALT H. A. WlNKLER-Tübingen; Die Aleph-Beth-Regel. ... i K. G. KUHN-Tübingen: y» ,lfp liTirP. Ueber die Entstehung des Namens Jahwe 25 F. HORST-Bonn: Die Formen des althebraischen Liebesliedes 43 K. H. RENGSTORF-Tubingen : Dlpl? : locus. Eine Erlauterung zu Tosefta Sukka IV, 28 55 H. WüTHNOW-Darmstadt: Eine palmyrenische Biiste . . 63 F. STIER-Tübingen: Zur Komposition und Literarkritik der Bilderreden des athiopischen Henoch 70 O. Spies-Aligarh : Ueber wichtige Handschriften in Meschhed 89 M. WEISWEILER-Berlin : Arabische Schreiberverse . . . .101 R. PARET-Heidelberg: Der Plan einer neuen, leicht kom- mentierten wissenschaftlichen Koranübersetzung . .121 E. RUOFF-Stuttgart: Ein Beitrag zur orientalischen Alexander- sage 131 F. H. Ali-Assiut: Sauql, der Fürst der Dichter .' . . . 139 C. H. rempis-Tübingen: Avicenna als Vorlaufer cOmar Chajjams 149 DIE ALEPH-BETH-REGEL EINE BEOBACHTUNG AN SINNLOSEN WÖRTERN IN KINDERVERSEN, ZAUBERSPRÜCHEN UND VERWANDTEM. VOK HANS ALEXANDER WINKLER I. Die Sprache ist das vornehmste Mitteilungsmittel der Menschen untereinander. Für jeden erkannten Begriff wird in der Sprache ein Symbol, ein Wort, gepragt. Jedes Symbol gehort mit seinem Begriff zusammen wie ein Bild mit dem Gegenstand, den es darstellt. Es gibt sinnlose Wörter, also solche, die nicht Bilder eines konkreten Begriffes, nicht Mitteilungstrager, sind. Es ist merkwürdig, dass es solche Wörter gibt, denn sie widersprechen dem Wesen der Sprache: sinnvoller Mitteilung. Sie wirken wie ein magischer Schnörkel inmitten verstandiger Schrift, wie eine futuristische Komposition neben sachlicher Illustration. Neubildung sinnloser Wörter finden wir einerseits gelegentlich bei Kindern, andrerseits bei Geisteskranken. Bumke teilt die Rede eines Schizophrenen mit: „Denn war da der Regierer Wolfükrer, war da, der Schanzelist, der Kanzelist Pregillo, Goltemann, Bogollo, Belgo, Golletin, Ollewin, Kawelotin, die waren alle da"1). Jan et berichtet von einem Manne, der jeden Satz mit der Formel: „Maman ratan bibi bitaquo, je vais mourirm, begleitete 2). Und Fraulein Blackman kennt als Spruch eines Narren in Oberagypten: „Kee ree bra ra kee ree bru9 s). Neben solchen seltenen und kurzlebigen Neubildungen finden wir sinnlose Wörter als Erbe aus alter Zeit einerseits in Spielsprüchen der Kinder, andrerseits als Zauberformeln. Beispiele werden nachher mitgeteilt und besprochen werden. ') O. Bumke, Lehrbuch der Geisteskrankheiten3 (München 1929) 705. *) P. Janet, Les Névroses (Paris 1919) 78. 3) W. S. Blackman, The Fellahm of Upper Egypt (London 1927) 191. Festschrift Littmann « 2. Die sinnlosen Wörter erscheinen im Spiel- und Zauberspruch in der Regel nicht einzeln, sondern in oft rhythmisch und melodisch abgestimmter Anhaufung. Diese Anhaufungen lehren erstens, dass nach dem Verlassen des Geheges sinnvoller Rede der Sprecher diese Freiheit geniessen will, indem er viele solcher sinnlosen Wörter aneinanderreiht, gleichsam in ihnen schwelgt; die Anhaufungen zeigen uns aber zweitens, dass diese Freiheit nur eine beschrankte ist, dass namlich in der Regel eine kleine Anzahl von einmal erreichten Motiven variiert wird, der Sprecher also an diesen Motiven haftet. Die oben mitgeteilten Beispiele der sinnlosen Wortbildungen Geisteskranker, insbesondere Bumke's Zitat zeigen schon dieses Haften an Motiven. Ein vierjahriger Knabe liebte es, Wollfaden als „Schlangen" nebeneinander zu reihen. Ich fragte ihn, wie sie hiessen. Die Frage ermöglichte die folgende momentane Worterfindung: brinnora, brinngax, anxkax, raligax, ganxgux, bauma. Ein paar Tage spater fragte ich ihn beim gleichen Spiel nochmals nach den Namen. Diesmal hiessen sie: rano, federhalterpox, federhalterpreno, schlüsselbeina, andro, granora, granoraprona, prino, androra, granoraschlüssel, teekanna, schasselgox. Die Erfindung wurde beeinflusst durch Dinge, die dem Jungen beim Suchen nach den Namen gerade in die Augen fielen: Federhalter, Schlüssel (Schlüssel b e i n, weil er sich vor etlicher Zeit das Schlüsselbein gebrochen hatte), Teekanne. Die Form andro wurde durch meine Frage: wie heisst die andre ? bestimmt. Auffallend und typisch ist die Neigung, seltene Laute zu benutzen, z.B. auslautendes xl). Als ich in einer Seminarübung einmal darauf hinwies, wie schwierig es sei, sinnlose Wörter zu erfinden, meinte einer der Teilnehmer, es sei leicht, und prasentierte sogleich: kix kux kex box plenx plunx plax flux hox knots, und bewies damit glanzend das zwangsweise Haften am Motiv. In Zaubersprüchen stehen die sinnlosen Wortbildungen manchmal unter dem Einfluss fremder Sprachen: die Neuschöpfungen werden nach dem Klange solcher Sprachen ausgerichtet. Eine in Ostdeutschland aufgezeichnete Formel beginnt: aron + y aran + syran + cyron + eer aston + crisan + castan + bastan + syran + castan etc. 2). Ein alter lateinischer Spruch heisst tnotas ') VgL Jacoby im Handwövterbuch d. deutsch. Abergl. 3, 1587. *) W. J. A. v. Tettau und J. D. H. Temme, Die Volkssagen Ostpreussens, Litthauens nnd Westpreussens2 (Berlin 1865) 271. vaeta darüs dar dar es astataries dissunapiter'). In einem griechischen Zauberpapyrus lesen wir: »xx,ap *XXup «xpxpxprovpii X*XXP X*P*X<»X Wnrrovw Xupx XuX a^rovfii^ XuXamTou XtzpetXwTOu xtA2), und in einem arabischen Zauberbuch (die kurzen Vokale sind willkürlich erganzt): ïalaja halaja halüS malus harus jahalas jahaja laja bamahul makajül mahaja majaha hadük düdak dadhad dtharad mahaja dajüh dajüha darüh dthal dlhüw usw.3). In einem indischen Zauberspruch heisst es: anye manye ar au parau amane mamane citte carite same samita visante mukte muktatame same avisamasame jaye ksaye aksaye aksine usw. *). In einem kirgisischen Spruch heisst es: arysyny kourysyny mourtyny goustyny kourgany kiribkany tchouia tchiga bara bara dava achindaou bouchmdaou darindaou mirandaou ... hondaïbastan men djastan tchiga bersoun ber bastan 8). Die Beispiele zeigen hinlanglich das Haften am Motiv. In der vom Sprachbewusstsein nicht kontrollierten Rede kann sich der Sprecher nicht leicht von einmal gefunden Formen befreien. Er hat das Bedürfnis, neue Formen zu bilden, es gelingt, indem er die gefundene Form durch Kürzung oder Zusatze verandert. Manchmal verschiebt sich dann die Aufmerksamkeit auf einen solchen Zusatzteil und dieser wird ein neuer Kern für Wortbildungen: ein neues Motiv. Bumke's Schizophrener soll uns diesen Vorgang noch einmal vergegenwartigen: Regierer, Wolführer, Ausgangsmotiv ist Regierer, daran ist Wolführer zunachst durch eine sachliche Assoziation angeschlossen: ein Regierer ist eben ein Mann, der führt. Wolführer ist aber vor allem wegen des reimenden Anklanges emporgetaucht. Dem Sprecher kommt beim Motiv Regierer eine Kanzlei in den Sinn: der Schanzelist, der Kanzelist. Vielleicht ist das nun folgende Pregillo durch den Personennamen irgendeines Bürobeamten veranlasst. Aus diesem Worte Pregillo wuchert nun als neues Motiv die Silbe gill, beeinflusst von dem auslautenden o : Goltemann, Bogollo, Belgo, Golletin. Jetzt rückt der Zusatz -etin-, dem Sprecher ') Cato, De agri cultura, cap. 160. Vgl. Jacoby im Handw. d. d. Aberel. s. v. Darata. * »)K. Preisendam, Papyri Graecae Magicae I (Leipzig 1928) 118. *) Cod. Par. 2630, f. 13a. *) Saddharma-Pundarlka = SBE 21 (Oxford 1884) 371 Anm. 3. 5) J. Castagné, Magie et Exorcisme chez les Kasak-Kirghizei et au tres Peuples Turks Orientaux, Rev. d. Ët. Isl. 1930, 130. vielleicht durch ostdeutsche Personen- und Ortsnamen vertraut, in den Mittelpunkt, wird zum Motiv: Ollewin, Kawelotin. 3. Genaue Wiederholungen eines Motivs sind selten, sie widersprechen dem Schöpfungsbedürfnis, das Neues hervorbringen will, sie widersprechen vor allem aber der harmonischen ökonomie der Sprecharbeit: man vermeidet es, die sprachbildenden Muskeln ungleichmassig zu belasten. Andererseits ist eine Wiederholung des Motivs die geringste Mühe. Der Vorteil dieser geringsten Mühe wird mit der Freude an der Neuschöpfung verbunden, indem ein Motiv leicht verandert wiederholt wird. Die Veranderung kann den Vokal treffen, z.B. in dem sinnlosen Produkt meines Seminarschülers kix kux kex, oder sie kann den Anlaut treffen, z.B. anye manye ar au parau in dem zitierten indischen Spruch. Diese Veranderung des Anlauts sinnloser gleichklingender Wörter fiihrt zum Gegenstand dieser Untersuchung, zur AlephBeth-Regel. Es lasst sich über ein grosses Gebiet die Neigung beobachten, ein erstes sinnloses Wort mit dem Kehlkopfverschluss eben Aleph — oder einem andern hinten im Munde gebildeten Laut zu beginnen, dieses Wort dann zu wiederholen, den Anlaut jedoch in einen Lippenlaut — z.B. Beth — zu verwandeln. 4. Sehr ergiebig für diese Regel sind die Abzahlverse der Kinder. Dem Erwachsenen erscheinen sie albern, dem Kind sind sie umso amusanter, je sinnloser. Letzter Ursprung dieser Verse war vielleicht ein sehr ernstes Auslosen durch eine Zauberformel. Auch diese Kinderverse haben wie Zauberverse die Kraft behalten, fremdsprachige Elemente anzusaugen, so sind aus dem Latein der Kirche und der Schule Wörter und Klange in die Abzahlverse eingedrungen. Im folgenden sind die Beispiele nach den Sprachen, in denen sie begegnen, geordnet. Deutsche Abzahlreime. Eene meene mink mank pink pank use buse backe deck (packe dich) eier beier weg (Südhannover)'). Die Aleph-Beth-Regel erscheint hier dreimal: eene meene, use buse, eier beier. Die Silben mink mank, pink pank zeigen die ') Fehlt bei einem Spruch die nahere Qnellenangabe, so stammt er aus eigener Beobachtung oder aus mündlicher Mitteilung. andere Regel, die in sinnlosen Bildungen oft wirksam ist: ein Wort wird mit verandertem Vokal wiederholt. Ene bene dunke tnunke abe schnabe dicke dacke ulle bulle reiter ross du bist jetzt los (Steiermark) '). Ene bene dunke funke rabe schnabe dippe dappe kasenappe uhle buhle ras ib ab aus du bist draus (Ratibor). Enne benne bitschen batschen zibberde bibberde bohnenknatschen zibberde bibberde bu und raus bist du (Freiberg in Sachsen). Ohnche b'óhnche ditche datche sibbele bibbele bohnenknatche sibbele bibbele buff du kriegst en knuff (Hameln). Enede tnenede migedi mi abede babede pompani ex lex loch (Schweiz) 2). Anna wanna pumpania sia wia kompania am dam retter stamm uti wedda anna kamm (Riga, wohl jiddisch). Anger wanger tigger tanger sia wia kumpernia wira wara wia wum (Steiermark) 3). ') A. Schlossar, Kinderreime aas Steiermark, Zeitschr. f. Volkskunde 5 (1895) 284. Ahnlich in Wien: J. Schröer, Kinderreime, Zeitschr. f. deutsche Myth. 2 (1854) 219, and in der Wetterau: J. Kehrein, Volkssprache und Volkssitte in Nassau 2 (Bonn 1872) 118 Anm. 1, und im Wendland: W. t. Schulenburg, Wendisches Volksthum in Sage, Brauch und Sitte (Berlin 1882) 174. *) G. Züricher, Kinder lied er der deutschen Schweiz = Schriften d. Schweiz. Ges. f. Volkskunde 17 (Basel 1926) 203 Nr. 2862. 3) Schlossar 283. Ankus pankus suspiankus sedatippchen sedanon hicke picke grammaticke hokus pokus suspion (Fommern) ') Eckati peckati zuckati me awi schwavi domine quitum quitum habine nuss puff kern du bist draust (Pressburg) 2). Einfluss des Schullateins ist hier deutlich, grammaticke zeigt geradezu die Quelle awi schwawi domine = ave suavis domine? ecketi ist schon im Mittelalter bezeugt3). Acke backe bone knacke elle belle buff baff du bist af (Werder) 4). Aken baken bonenstaken ri ra rutsch (Barmen) 5) Ellere bellere sak vuil tellere knippele knappele bauz (Braunschweig)8). Asel wasel thomas glasel wiz wuz aussig'stutzt (Steiermark)'). Deutsche sinnlose Abzahlverse haben am haufigsten einen Labial als Anlaut des ersten nachgereimten Wortes. Doch nicht selten beginnt das nachgereimte Wort auch mit einem Dental. Eene deene dinus kara wacka wienus kara wacka wicka wacka eia weia wum (Schlesien)8). 1) F. Drosihn, Deutsche Kinderreime und Verwandtes aus dem Munde des Volkes vornehnüich in Pommern gesammelt. Hsg. v. C. Bolle und F. P o 11 e (Leipzig 1897) 90. 2) Schröer 218. *) I. V. Zingerle, Das deutsche Kinderspiel im Mittelalter(Innsbruck 1873)43. *) H. F r i s c h b i e r, Preussische Volksreime und Volksspiele (Berlin 1867) 126 Nr. 526. ») O. Schell, Abzahlreime aus dem Bergischen, Zeitschr. f. Volkskunde 5 (1895) 70. «) R. Andree, Braunschweiger Volkskunde2 (Braunschweig 1901) 438. 7) Schlossar 284. 8) W. E. Peuckert, Schlesische Volkskunde (Leipzig 1928) 184. One töne to gapernelle no isabelle pumpernelle ibeli bibeli pump (Schweiz)'). Unebe dunebe doi kitschi kiewer mot obra dobra fldpes (Schassburg)l). Itsche titsche silberklitsche itsche titsche raus (Freiberg i. S.). Selten sind andere Anlaute des ersten nachgereimten Wortes. Elleri selleri sippel de sa rippel de rappel de ruil (Freiberg i. S.). Eis keis negeli begeli zing ge de binggede schnackede backede schnellede bellede pupp us und du bist us (Schweiz)3). Schwedische Abzahlreime. Ene bene duneke funeke rabe snabe kisse nappe dippe dappe ule bule sibba ba us stule kra us 4). Die annahernde Gleichheit mit dem oben als zweiten und dritten mitgeteilten, in Deutschland so weit verbreiteten Reim ist jnffkwurdig. Enger Zusammenhang deutscher und schwedischer Kindersprüche begegnet uns unten noch einmal. Enom benom bom roller eller dom hox pox filiox usw. 8) ') Züricher 803 Nr. 2848. 2) J- Haltrich, Zur Volkskunde der Siebenbürger Sachsen. Hsg. Y. J. Wolff (Wien 1885) 184. 3) Züricher 204 Nr. 2886. 4) J- Nordlander, Srenska Barnvisor ock Barnrim = Nyare Bidrag till Kannedom om de Svenska Landsmllen ock Svenskt Folklif 25 (1886) 128. •) Nordlander 128. Appel pappel piron paron puff') Atticke tatticke l&nton t&nton setnile maka k&ckeli kaka ar tan tartan pos2). Englische Abzahlreime. Eenie meenie manie mo catch a nigger by the toe if he squeals let hint go eenie meenie manie mo 3). Eeny meeny mony my pestalbny bony stry harby darby walk 4). Ena mena bora mi kiska lara mora di eggs butter cheese bread sticks stock stofte deads). Eatum peatutn penny pie pop a lorum jettum i ease oze ease ink pease porridge man's drink a). Ecka becka donie crokie ecka becka doo ease cheese butter bread out goes you 7) Ina dina dinalo dash cattla weena twina wash speech spot shail be done tweedidum twadlum twenty-one 8) >) Nordlander 124. *) Nordlander 126. S) R. C. Maclagan, Additions to the Game» of Argyleshire, Folk-Lore 16 (1905) 45o. Vgl. J. O. Heek, Folk Poetry and Folk CriticUm. Journ. of Am. Folk-Lore 40 (l9«7) 36 Nr. 79 . *) L. Böckheler, Das englische Kinderlied = Aus Schnfttum und Sprache der Angelsachsen 2 (Leipxig 1935) 33- *) Böckheler 31. •) Maclagan 450. 7) Heek 37 Nr. 88. •) Maclagan 450. Italienischer Abzahlreim. Enkete penkete puftine abele f abele domine usw. (Mailand)'). Slavische Abzahlreime. Op ka popka pira para puf stara dzëra (altes Loch) puf ober bober puf (Wendland) 2). Ober bober zider za ober bober pik (Odessa), Rumanische Abzahlreime. Ala vala porto cala cioc boe usw. (Kronstadt, ahnlich in der Wallachei)3). Arabische Abzahlreime. Ana mana porti kala tsina mina puf Der Vers wurde mir in Kairo von einem dort ansassigen Armeniër als Abzahlvers der arabischen Strassenjugend genannt. Ent mini maji nimör kets eka ma jistöle. Dieser Vers wurde mir von einem Kopten aus Asjüt als Abzahlvers der dortigen Kinder mitgeteilt. In Palastina zahlen die Kinder ab: Ifudrug budrug tdmmet tudrug min teldte qurqtf hummus fiS und Hadaje badaje menagil taije tUft azür maca zarzür*). In beiden Versen sind die einleitenden Formeln hudrug budrug und hadaje badaje, die unsere Aleph-Beth-Regel zeigen, sinnlos. •) Mündlich von Herrn Federici, Lektor am Romanischen Seminar Tübingen. *) Schulenburg 175. s) Nach freundlicher Mitteilung von Prof. V. L. B oio ga, Klausenburg. *) E. Graf von Mülinen, Jugendspiele der KarmelbevölkerungsGrothe's Beitrage zur Kenntnis des Orients 7 (1909) 58 f. Die weite Verbreitung unserer Regel von Schweden bis Oberagypten und von England bis Südrussland ist merkwürdig. Noch merkwürdiger aber ist, dass in diesem Bereich einige Gebiete ausscheiden. Die Franzosen z.B. benutzen bei ihren sinnlosen Abzahlreimen selten die Veranderung des Anlauts, sondern andern den Vokal und insbesondere die auslautenden Silben der sinnlosen Wörter, z.B. Du bibi du bobo carafi carafo du triage du coco '). Andern sie den Anlaut, so doch in eigener Weise, z.B. notierte ich in Paris: As tam' gram' sic et sic et colégram' bour et bour et ratatam' as tam' gram' 2). Der Reim ist auch nach Griechenland geraten: VA - ar pi - vrift 771x1 - irlxt - piyt, TOVpi - TTOUpi - pifi & - ar pi. - vrxfi 3). Das Ohr des Franzosen horcht auf das Wort- und Versende, das Ohr des Deutschen und Schweden auf den Wort- und Versanfang. In englischen Abzahlreimen finden wir oft recht ergiebig neben der Anlautanderung die Vokalanderung angewandt z.B. As eerie orie ickery am piek ma nick and shick ma sham orum scorum piek ma norum shee sho sham shutters 4). >) E. Rolland, Rimes et Jeux de 1'Enfance = Les Litteratnres Populaires 14 (Paris 1883) 231. 2) VgL C. Bonnemère, Jeux de 1'Enfance et d'Adolescence = Revue des Traditions Populaires 3 (1888) 466. Rolland, Rimes 250. *) £. n. Ktipox/ftfc, *EAA«f»uti) Aaoypaip/a I (Athen 1922) 57. 4) Maclagan 449. 5. Unsere Aleph-Beth-Regel finden wir auch in Zaubersprüchen und Verwandtem. Um den zukünftigen Mann zu sehen, sprechen die Madchen im Erzgebirge in der St. Andreasnacht: Eas beas Sankt Andreas, Lass mir erscheinen Den Herzallerliebsten meinen, In seiner Gestalt, in seiner Gewalt, In seinem Habit, Wie er Sonntags und Wochentags giht. Eas beas ist dem Andreas vorgereimt. Nicht selten hört man in anderen Gegenden auch eas keas. In einem alten lateinischen Spruch heisst es ista pisia sista x), in einem mittelalterlichen hax pax max Deus adimax 2). Ein estnischer Zauberspruch beginnt Orraporra Höllenschweif*), eine moderne indische Wetterregel mit ebenso sinnlosem Aua baua4). In dem eingangs zitierten indischen Zauberspruche erschien unsere Regel mehrfach anye manye arau parau usw. In einer kirgisischen sinnlosen Beschwörung hören wir: kara keldy onda keldy monda keldy olda keldy bolda keldy ... baryboula barytoula isindaou fichindaou imandaou chinandaou 8). Mit Zauberworten vielfach identisch sind die Damonennamen, auch sie zeigen oft die Aleph-Beth-Regel. In der Sage vom toten Pan klagt in einer Lausitzer Fassung ein Buschmannchen: mHipelpipel ist tot", in einer danischen spricht der Zwerg: „Grüsse AU und sage, dass Wati tot ist", in einer anderen erscheinen Atfod und Vatfod als solche Geisternamen 6). In einer Variante aus dem Irak hört ein Reiter die Geisterbotschaft: „Sage meinen Schwestern Hanni und Manni, das Tariaksanni sterben wird" 7). ') Cato, De agri cultura, cap. 160. 2) Jacoby, s.v. Hax etc. im Handw. d. d. Abergl. 3, 1586 f. *) F. Kreutzwald und H. Neus, Mythische und magische Lieder der Ehsten (St. Petersburg 1854) 82 f. 4) G. A. Grierson, BihSr Peasant Life (Calcutta 1885) 281. 5) Castagné 133. 6) A. Taylor, Northern Parallels to the Death of Pan = Washington University Studies 10 (1922) 26 und 25. *) E. S. Stevens, Folk-Tales of cIraq (Oxford 1931) 10. Eine den nordischen Fassungen sehr nahe stenende Variante bringt G. Dalman, Arbeit und Sitte in Palastina I, 2 = Bei trage zur Förderung christlicher Theologie, 2. Reihe, Bd. 17 (Gtttersloh 1928) 637 f. Die Zwerge heissen bei den Armeniern Acuc Pacuc oder AjcJ Majoj') (diesem Namen liegt Gog und Magog2) zugrunde). Die Rosse der Sonne heissen in einer armenischen Mythe Enik, Menik, Benik und Senik8). Altkan Sohn des Malikan erscheint als Geistername in einem Talisman indischer Muslime 4). 6. Nicht selten erscheint in im übrigen sinnvollen Sprüchen zu Anfang ein sinnloses Element, wie eben eas beas und orraporra. Ein ostfriesischer Kindervers lautet: Eede beede büxen Satten up trappen (sassen auf der Treppe), Wullen enander lappen (wollen einander schlagen). Um en stückje brot Haun se enander dot. Ein münsterisches Volkslied beginnt: Elleri belleri schone Stadt, Wir haben zwei Bilder aneinander gemacht5), ein wendlandisches Kinderlied: Inne winne wette Wir treten auf die Kette 6). •) M. Abeghian, Der armenische Volksglaube. Jenaer Diss. (Leipzig 1899)110. 2) ma als Vorsatzsilbe des vollstflndig oder mit verandertem Anlaut wiederholten Wortes findet sich auch sonst, z.B. "dn mailn „China", im Sinne „das fabelhafte China". Eine französische Besprechung beginnt: Got et magoi et suf er magot etc. (A. Lefèvre, Prières Populaires en Seine et Marne, Rev. d. Trad. Pop. 7 (1892) 246), als deutscher Zauberspruch der Kinder findet sich hokus pokus malokus, im sinnlosen Eingang eines katalonischen Kinderliedes Cuiru maduiru (F. Liebrecht, Zur Volkskunde (Heilbronn 1879) 39°f)- Aucn *»» ta-> t'i P' *• wird nicnt selten eingefügt, z.B. in Schneckerwersen: parecknQ. F e i f a 1 i k, Kinderreime nnd Kinderspiele aus Mahren, Zeitschr. f. d. Myth. 4 (1856) 329), ante pararite supparante etc. in einer französischen Besprechung (F. Liebrecht, Des Gervasius von Tilbury Otia Imperialia (Hannover 1856) 251), Kattle baratile in einem Kinderlied (O. Pletsch, Allerlei Kleinigkeiten (Stuttgart o.J.) 2) Hermann Paperman im Namenneckvers (Frischbier, Volksreime 73 f.), weiter eia popeia im Wiegenliedanfang. Anch etepetete ist nach diesem Prinzip aufgebaut. ka als Vorsilbe in abracadabra, la als Vorsilbe schon bei Jes. 28, 10 und 13: sau lasau kou lakau. 3) The Mythology of AU Races, Vol. 7: Armenian, by M. H. Ananikian (Boston 1925) 51. 4) Ja'far Sharlf. Islam in India or the QinOn-i-Islim. Hsg. v. G. A. Herklots, neue Auflage von W. Crooke (Oxford 1921) Tafel bei S. 248. *) Münsterische Geschichten, Sagen und Legenden (Munster 1825) 212. 6) Schulenburg 178. lm Südhannoverschen sagen die Pfingstknechte: Holle polle tolle Eek weit woll, wat eek wolle '). Ein pommerscher Fastnachtsvers beginnt: Hippe Idepippel Die Wurst hat zwei Zippel2), und ein ostpreussisches Wiegenlied: Helle pelle zippelschelle *). Zu vergleichen ist ein westpreussischer Kindervers: Hannchen und Manneken Sassen beide auf'n Steg 4). In dem oberagyptischen Dorfe Kiman beginnt ein Handabschlagespiel mit der sinnlosen Formel hungul bungul, ein Ratespiel mit der Formel ja kadi ja modi8). 7. In Ratselversen wird der Gegenstand des Ratsels, das Unbekannte, manchmal durch ein sinnloses Wort symbolisiert. Sogar ganz aus sinnlosen Klangwörtern bestehen manche finnischen Ratsel, die Klangwörter stellen die Gerausche des Ratselgegenstandes dar. Auch bei diesen sinnlosen Bildungen erscheint unsere Aleph-Beth-Regel. Aus Finnland: Hyyryn pyyry hyyryteUa siipon saappo siipotella holpon tolppo holpotella °). Handmühle, Sieb und Mörser. Aus Deutschland: Holl boll Mutter gniggel gnaggel Vater glattköppê Kinner. Spinnradspule, oder auch Bohnen, Erbsen (Mark)'). ') Vgl. H. Pröhle, Gebrauche aas den Harzgegenden, Zeitschr. f. d. Myth. 1 (1853) 80. *) E. Roediger, Allerlei aas Barwalde, Zeitschr. f. Volksk. 13 (1903) 98, rgl. Drosihn 151. *) Frischbier, Volksreime 13 Nr. 60. *) Frischbier, Volksreime 77 Nr. 300, vgl. Nr. 298 u. 303 u. S. 128 Nr. 538. ») H. A. Winkler, Bauern xwischen Wasser und Witste (Stuttgart 1934)158,160. •) G. Henssen, Finnische Volksratsel, Zeitschr. f. Volksk. N. F. 5 (1933) 52. *) H. Schaar, Plattdeutsche Ratsel, Zeitschr. f. Volksk. (4 (1904) 172 f. Hummelke trutnmelke lag up 'r bank, hummelke trummelke feil von 'r bank, Et was kein doktor in'n gansen land, De hummelke trummelke we'er maken kann. Das Ei (Braunschweig). Statt hummelke trummelke sagt man auch runzeldepunzel, in Westfalen hüppelken püppelken, in Oldenburg humpelken pumpeiken. Die Englander sagen humpty dumpty '). Ein englischer Ratselvers von der Kerze heisst: Little Nancy Etticoat In a white petticoat And a red nose; The longer she stands, The shorter she grows 2). Ganz wie bei den Abzahlversen verandert der Franzose in dem sinnlos benannten Ratselgegenstand nicht den Anlaut, sondern die auslautende Silbe: Si pendi-pendette n'avait pas reveillé dor mi-dor met te, couri-courette aurait mangé dor mi-dor mette. Das bedeutet: Si la pomme en tombant n'avait pas réveillé 1'homme qui dormait, le loup aurait mangé 1'homme 3). 8. Unsere Aleph-Beth-Regel finden wir weiter in Wörtern, die Gerausche, Tumulte und ein Durcheinander darstellen. Die grossen Hunde der Wilden Jagd bellen hau wau, hau wau, die kleinen jick jack, jick jack, heisst es in Mecklenburg4). Wieder haben wir die beiden Prinzipien der Verwandlung gleichlautender sinnloser Wörter hübsch nebeneinander: Veranderung des Anlauts und Veranderung des Vokales. Holter di polter und hulla di bulla sind eindrucksvolle Gerauschsymbole. Das Signalgerat der Köhler Hillebille scheint aus einem solchen Symbol seine Benennung erhalten zu haben. Husepus husepus ist Symbol für den Gang eines lahmen Gaules im Marchen 5). ') Andree 493. Vgl. R. Wossidlo, Mecklenburgische Volksüberlieferungen 1 (Wismar 1897) 17 f. 2) Böckheler 27. Vgl. A. H. Fauset, Negro Folk Tales from the South, Journ. of Amer. Folk-Lore 40 (1927) 276. *) E.-Z. Massicotte, Formulettea, Rimettes et Devinettes du Canada, Journ. of Am. Folk-Lore 33 (1920) 320. *) K. Bartsch, Sagen, Marchen und Gebrauche aus Meklenburg I (Wien 1879) *) J. Bolte u. G. Polivka, Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmarchen der BrOder Grimm 3 (Leipzig 1918) 96. lm EngKschen finden wir z.B. higgledy piggledy „Durcheinander", hurly burly .Tumult, Wirwarr", hodge podge „Mischmasch". Im Rumanischen finden wir harcea parcea „Durcheinander", im Türkischen und Neupersischen herg umeri „tumultus confusio»! In einem türkischen Marchen schnarcht einer hirr - mirr'). Und ein arabischer Dichter bekam den Beinamen Haisa-Baisa, er soll einmal die starke Erregung einer Menge mit diesem Symbol bezeichnet haben 2). 9- Endlich finden wir die Aleph-Beth-Regel als Grundlage von Reimen, durch die Personennamen lacherlich gemacht werden. Z.B.: Ilse Bilse Niemand will se. Kam der Koch, Nahm se doch 3). Emmeken pemmeken beginnt ein braunschweiger 4), Eedewatla wedewatla ein schlesischers), Heter Peter ein ostpreussischer 6) Spottvers. Ein anderer aus Braunschweig heisst: Uldrich bultdrich kdkebein Lett sick for twei pennig sein In Deutschland weit verbreitet sind Schemen durchgehend sinnloser Spottverse, die auf jeden Namen angewandt werden können. Z.B.: Anna widde wanna konditer kondanna krummbeenige Anna (Freiberg i. S.) Anne alawanne katische katanne (Schweiz 8). ') I. Kunos Turkische Volksmarchen aus Adakale 2 = Beitrïge zum Studium der türkischen Sprache und Literator 2 (Leipzig 1907) 239. *) C. van Ar en donk, s.v. Haisa-Baisa in der Enzykl. d. Islïm. *) E. Zeissig, Volkstttmliche Kinderpoesie inOschatz=LandesvereinSlchsischer Heimatschutz, Mitteilungen, Heft 10—12 (Dresden 1923) 214. 4) Andree 455. 5) Peuckert 197. ^ Frischbier, Volksreime 102 Nr. 453. 7) Andree 454. •) Züricher 237 Nr. 3427. Vgl. K. Wehrhan, Kinderlied und Kinderspiel = Handbucher zur Volkskunde 4 (Leipsig 1909) ,44f; Peuckert 197; Drosihn 135; Frischbier, Volksreime 73 f. Geradeso necken auch schwedische Kinder einander: Anna videvanna kast-anna du l&ngbenta Anna ') Anna videvanna kdntanna stackars lilla Anna *). Ein englischer Neckreim beginnt: O rare Harry Parry When will you marry ? 3) Hierher zu stellen ist wohl ein muselmannischer Spottname für die Serbisch-Orthodoxen: Sokac bokac % die lacherlichen Personennamen Singiltak und Pingiltak 5) in einem osttürkischen Schwank und die Namen füniya und Muniya in einem indischen Marchen 6). 10. In diesen Spottversen auf Personennamen kommt die AlephBeth-Regel nur dann voll zur Geltung, wenn der Name mit einem hinten im Munde gebildeten Laute beginnt, ausserdem haben wir in diesem Falie nicht mehr ganz sinnlose Bildungen vor uns, sondern nur sinnlose Zusatze an sinnvolle Wörter. Diese das Wort bis auf den Anlaut wiederholenden Zusatze beginnen mit einem Lippenlaut. Damit führen uns diese spotthaften Namenserweiterungen zu der letzten Gruppe unseres Materials: ein sinnvolles Wort wird mit labialem Anlaut wiederholt. So beginnt ein deutscher Zauberspruch: ,Ich segne dich vor die gicht, vor die bicht...'). Vgl. oben unter 4 im Andreas-Vers: in seiner Gestalt, in seiner Gewalt. In einem münstenschen Lied von den Freuden des Himmels heisst es: David streicht die Harfe, Moyses die Barfe 8) l) Nordlander 222. *) Ebenda. 3} j. O. Halliwell, The Nursery Rhymes of England* (London 1843) 182 Nr 12Q Vel. Böckheler 56. . *) E?Schneeweiss, Volksndinmg imPHvatal(Bosnien),ZeiUchr.f.österr. Volk* kU^A24v.(Lel8C8oq, Von Land und Leuten in Ostturkestan (Leipzig ,928) 104 ff. ?, k°^e' HaPa°se!V^2den Akten des Brunner Hexenprosesses, Am UroueU 3 (1892) 100. *) Mttnsterische Geschichten 215. In einem Kinderlied von der zerbrochenen Briicke hören wir: Wir wollen sie wieder bauen lassen Mit Steinen, mit Beinen '), oder: Mit Edelstein, mit Bedelstein2) In einen schlesischen Madchenspiel ist von sieben Kindern die Rede: Wie heissen sie denn? Zwei Haschen, zwei Röschen, zwei Möschen, [zwei Möpschen 3). In einem pommerschen Kniereiterlied heisst es; Hei, so reiten die Junkern Mit den blanken Flunkern. Hei so reiten die Frauen Mit den weiten Mauen *). Erwahnt sei hier auch ein Spiel des Mittelalters zirlin mirlin gassentirlin *). In Schwenningen am Neckar neckte man vor dreissig Jahren heulende Kinder mit „Heiier (Heuler) von Weiler" und brachte sie damit in Raserei. Im Marchen von der schonen Katrinelje (Grimm KHM 131) gibt es „ein halb Pfund Hutzeln, eine Hand voll Prutzeln, eine Hand voll Wurzeln". Einen Dummkopf oder brummigen Gesellen nennt man in Schwaben Daute-Maute. Fremdlandische Namen werden gelegentlich zu Witz oder Spott im Sinne unserer Regel verdreht. So entstand vielleicht aus dem romanischen cucania im Mittelalter kurreltnurre „Schlaraffenland". Und als Amanullah von Afghanistan 1928 die ') G. Hanauer, Abzahlreime aas dem Kurpfalzischen, Zeitschr. f. Volkskunde 5 (l895) 45°- Vgl. Frischbier, Volksreime 179 Nr. 693. J) J. Le wal ter, Deutsches Kinderlied und Kinderspiel. In Kassei aus Kindermund in Wort und Weise gesammelt. Hsg. v. G. Schlager (Kassei 1911) 83 Nr. 254. 3) Peuckert 200. *) Frischbier, Volksreime 36 Nr. 137. s) Zingerle 43f. Vgl. E. L. Rochholz, Alemannisches Kinderlied und Kinderspiel aus der Schweiz (Leipzig 1857) 425 f. Festschrift Littmann Berliner besuchte, nannten sie ihn Ullemulle. Manchmal ist ursprüngliche Form und Sinn des Vordergliedes nicht mehr erkennbar, doch ein solcher zu vermuten, z.B. Hoppelpoppel „Bauernfrühstück", Juchtelfuchtel „Ausgelassenheit" (beide Ausdrücke aus Berlin), Hack und Mack, Klimbim, Kuddelmuddel, Schorlemorle, Techtelmechtel. Im Englischen finden wir z.B roly poly „Kegelspiel, Pudding, gemeine Person". Das Englische is reich an solchen Bildungen, doch herrschen auch andere Anlautfolgen. Im Russischen heist gogelmogel ein geschlagenes, gequirltes Ei. Im Italienischen ist in Piemont trigo migo ein „heimlicher Anschlag, Verwicklung"; trigo zu intrigo „Verwicklung, Intrige". ') lm Vorderen Oriënt finden wir das Prinzip weit verbreitet und in lebendiger Anwendung. So im Armenischen: „Wiederholung mit gleichzeitigem Erzatz des Anfangskonsonanten durch m dient zum Ausdruck der Verallgemeinerung, z.B. girkc-mirkc „Bücher und dergl.", cur-mur ,krumm und schieP usw." 2). Im Neupersischen hörte Prof. F. C. Andreas z.B.gorüz-moraz „Wildschweine" im Sinne „die unverschamten Wildschweine", luti-puti „ein rechter Taugenichts". Rigveda II, i, 2 steht: „Dein, o Agni, ist das Amt des hotar, dein das Amt des potar* 3). Und ebendort VIII, 47, 16 lesen wir: Zu Trita und zu Dvita führe, Morgenröte, den bösen Traum" 4). Im nichtindogermanischen Oriënt finden wir das Prinzip ebenso lebendig wie bei den Armeniern bei den Osmanen und anderen türkischen Völkern : sabit-mabit „Offiziere und dergl.", altyn-maltyn* Gold und dergl." 5). Desgleichen wird es in den semitischen Sprachen angewandt6). Im Hebraischen haben wir aus hohem Altertum tohu wabohu. Im Jiddischen ist das Prinzip nicht selten, z.B. huder-muder „Ge- ') Mündlich yon Herrn Dr. Bonnino, früherem Lektor am Romanischen Seminar in Tübingen. *) F. N. Finck, Lehrbuch der neuostarmenischen Litteratursprache (Marburg i.H. 1902) 53 VgL u. Foy. 3) Nach freundlichem Hinweis von Herrn Dr. H. We 11 er, Tübingen. *) A. Hillebrandt, Lieder des Rgveda = Quellen der Religionsgeschichte 5 (Göttingen und Leipzig 1913) 87. 8) K. Foy, Der Purismus bei den Osmanen = Mitteil. d. Sem. f. Oriënt. Sprachen I (1898), Westas. Studiën 47 f. — O. Böhtlingk, Ober die Sprache der Jakuten (St. Petersburg 1851) 105 f. ")C. Brockelmann, Grundriss der vergleichenden Grammatik der semitischen Sprachen 2 (Berlin 1913) 461 f. fangnis", tertel-mertel „ein Kartenspiel", saher-maher „unsauberes Geschaft". Auch im Neusyrischen ist das Prinzip bezeugt. Im Arabischen finden wir es seit alter Zeit') bis heute 2). In abessinischen Sprachen ist das Prinzip nicht selten 3). Zu vergleichen sind hier vielleicht die Namen von sagenhaften Vólkern in Nordabessinien, „das Unheil von Kalla und Balla 4). 11. Einmal auf die Anlautfolge Aleph-Beth aufmerksan geworden lauschen wir darauf in sinnvollen Wortpaaren und finden, dass diese Folge recht oft angewendet wird5). Z.B. imDeutschen! Art und Fahrt; Irrungen, Wirrungen; Handel und Wandel; Hangen und Bangen; Hülle und Fülle; Huckel und Buckel; hegen und pflegen; hui und pfui; Knall und Fall; Gut und Blut, glimmern und flimmern; glitzen und blitzen; Dach und Fach; toll und voll; de- und wehmütig: Rand und Band; leben und weben; Sack und Pack; sach- und fachgemass; Saus und Braus; schaften und walten; schiedlich und friedlich; Stein und Bein; Stock und Block. In einigen Fallen erscheint ein Wort sinnlos vorgereimt, um die Beth-Folge zu gewinnen; grimmeln und wimmeln8); rullen und brullen'); durch Rusch und Busch8); durch Hüscher und Büscher 9). Ausnahmen sind selten, z.B. Wand- oder Handstein ,0); Weg und Steg. ' ') Vgl. M. Grttnert, Die Alliteration im Alt-Arabischen, Verh. d. VII Intern SEÜ^li1 WiCn" SCm- SeCt' {WiBn l888) l83-«7- - R. Brünnow. Das' KUabu-l-Itba^. wa-l-Muzawagati des Abu-l-Husain Ahmed ibn Fins ibn Zakariya Onent. Stad. Theodor Nöldeke ... gewidmet 1 (Giessen 1906) 225-248. ^ ..VgL E' Litt,na,,,,» Finianus. Die Abenteuer eines amerikanischen Syrers (Tübingen 1932) Anm. zu S. 8 Z. r v. u., 11 Z. 1, 31 Z. 11, 36 Z. 2 r. u. 2 C. Brockelmann, Semitische Reimwortbildungen, Zeitschr. f. Sem. 5 (1927) iof 4) E. Littmann, Sternensagen und Astrologisches aus Nordabessinien, Arch. f Religionsw. 11 (1908) 313. *) Vgl. H. Güntert, Über Reimwortbildungen im Arischen und Altgriechischen = Indogerm. Bibl. 3, 1 (Heidelberg 1914) 179—186. °) Z.B. K Müllenhoff, Sagen, Marchen und Lieder derHerzogthümerSchleswig, Holstein und Lauenstein (Kiel 1845) 575. x ?tG;,R' Widmann' SrgerKche Leben... D. Johannis Fausti. Hsg. t. J. N. Pfitzer (Nürnberg 1695) 3'2. 8) A. Kuhn, Sagen, Gebrauche und Marchen aus Westfalen 1 (Leipzie l8ï«rt 199 Nr. 223. * 6 w 9) H. Frischbier, Hexenspruch und Zauberbann (Berlin 1870} 140 10) Grimm KHM 157. Aber nicht nur sich reimende Worte werden in der AlephBeth-Folge aneinandergekoppelt. Auch andere feste Wortpaare werden zu einem guten Teile in dieser Folge vereinigt») z.B. Angst und Bange; Amt und Würden; Acht und Bann; Art und Weise; Eulen und Meerkatzen; Hals und Bein; Haus und Feld; Hangen und Wurgen; Hopfen und Malz; Heller und Pfennig; Herr und Meister; hübsch und fein; Grund und Boden; kurz und bündig; recht und billig; Nutz und Frommen; Strich und Faden. Eine bemerkenswerte Ausnahme macht Fug und Recht. 12. Was ist die Ursache der Aleph-Beth-Folge ? Sie ist durch die Mechanik des Sprechens bedingt. Der Kehlkopfverschluss ist das erste, der Lippenverschluss das letze Hemmnis des sprachbildenden Luftstromes der Lunge. Beide Verschlüsse sind am bequemsten zu bilden, daher sind Kehlkopf und Lippen auch die Orte, an denen vornehmlich die ersten Sprachlaute des Kindes entstehen. Es entspricht der Ökonomie der Sprecharbeit, nach einem Kehlkopflaut diej enigen Muskeln zu benutzen, die dem Kehlkopf, der soeben gearbeitet hat, am fernsten liegen: die Lippen. Dabei ist die Folge Kehlkopflaut-Lippenlaut, und nicht umgekehrt, durch den Weg des ausströmenden Atems bedingt. Wenn man nun nach Anwendung der Aleph-Beth-Folge ein sinnloses Wort weiter varieren würde, welcher Anlaut müsste nach dem Kehlkopf- und Lippenlaut als dritter folgen? welcher Teil des Mundes ware jetzt am meisten „ausgeruht", um innerhalb der harmonischen Arbeitsverteilung nun an die Reihe zu kommen? Es sind die Gaumenlaute, denn der Gaumen liegt einerseits den Lippen, die ja eben gearbeitet haben, fern, aber auch noch fern genug vom Kehlkopf, der vorher beansprucht war. Und als Anlaut eines vierten Reimwortes würde dann ein Zahnlaut zu erwarten sein. Diese Folge finden wir nun tatsachlich in unserem Material bestatigt. Ich erinnere an den Neckyers Anna widde wanna konditer kondanna, und an zirlin mirlin gassentirlin. In beiden Fallen tauchen Gaumen- und Zahnlaute in der erwarteten Folge auf. Die Folge Kehlkopf- LippenGaumenlaut ist gut bezeugt in den folgenden Beispielen: >) Zwei andere Regeln, die die Wortfolge in solchen Paaren bestimmen, lassen sich haufig beobachten: l. einsilbige Wörter stehen vor mehrsilbigen, 2. Wörter mit hellem Vokal stehen vor solchen mit dumpfem Vokal. Kam ein Schiffchen von Engelland War beladen mit Hirschlemirschle Kirschlemirschle \Grispelgraspelgrien in einer Besprechung: Oete boete krahenfoete honigblatt gód is dat 2). In einer indischen Beschwörung finden wir trtyavatt itini vitini citini trtti usw3). Und in indischen Marchen schnuppert der Menschenfresser: How mow khow oder hye mye khye, a human being I smell 4). In einem türkischen Marchen horen wir die Einleitungsformel estek pestek deveje kóstek*). Jüdische Mütter in Galizien besprechen ihre vom bösen Auge getroffenen Kinder mit der nicht recht übersetzbaren Formel: Ny hory ny bory ny denbyny kory«). Im Arabischen finden wir hasan „schön" erweitert zu hasan basan kasan „sehr schön"7). Diese Anlautfolgen erklaren sich also aus der Mechanik und Okonomie der Sprachbildung, sie sind naturgegeben. 13- Wir fragen weiter nach dem Erfolg und der Absicht sinnloser Wortbildungen. Wenn es im Marchen grimmelt und wtrnmelt, wenn holter di polter der Menschenfresser kommt, wenn er „hau mau chau ich rieche Menschenfleisch", sagt, wenn einer hirr-mirr schnarcht, so wird durch solche Lautsymbole die Rede ausserordentlich belebt. Wenn jemandes Name nach der Formel Anna widde wanna angegriffen wird, so argert sich der Mensch, denn irgendwie wird er dadurch lacherlich gemacht. In den im Oriënt so beliebten Wortwiederholungen nach Art von sabit mabit wird ebenfalls das im sinnvollen Worte Genannte durch diesen Zusatz irgendwie lacherlich gemacht, die Scharfe des Begriffes wird gebrochen, daher kann der Erfolg auch eine Verall- ') Frischbier, Volksreime 97 Nr. 432. 2 c^"' Weïtfalen 2' 206 Nr' 586. Vgl. Frischbier, Volksreime 46 Nr. .78 f. 3) Saddharma-Pundarïka, SBE 21, cap. 21, S. 372. *) Bolte und Polivka 1, 290 f. «) Künos 1,57; 2, 80. •) J. Robinsohn, An ajen-hore oder güt aeug, Am Urquell S ^894) 20. ') Griinert 224. ' gemeinerung des Begriffes sein. Ich erinnere mich an einen Türken, der zur Zeit des Pfundsturzes spekulierte und dabei tüchtig Geld verlor. Er schimpfte auf die ganze Geschichte: Pfund Mund und auf den Bankier namens Eisele :Eisele Meisele. Was ist durch diese sinnlosen Wortzusatze geschehen ? Vergegenwartigen wir uns, was das Wort, das Symbol eines Begriffes, für den Menschen bedeutet. Wir finden durch die ganze Welt Ehrfurcht vor dem Wort. Nur unserer Zeit der Reklame, des Radios und der Zeitung ist sie abhanden gekommen. Früher wussten die Menschen, dass mit der Pragung des Wortes ein Begriff fest erfasst und begrenzt wurde, dass damit die Schöpfung selber sich noch einmal im Menschenhirn wiederholt hatte. Darum finden wir das Wort selber oder im Munde des Schöpfers in vielen Kosmogonien am Anfang allen Seins. Nicht nur in den Theologien der alten Hebraer, Aegyptens, Irans oder Indiens ') finden wir es. Noch lebendiger ist es bei den Naturvölkern geachtet. Die Eskimos überliefern, dass in der Urzeit die Zauberworte entstanden, ein zufallig ausgesprochenes Wort konnte plötzlich Kraft bekommen, und was man wünschte, konnte geschehen2). Die sudamerikanischen Uitoto wissen: „lm Anfang gab das Wort dem Vater den Ursprung" 3). Die Batak auf Sumatra definiëren in einem Sprichwort: „Ein Wort ist ein pagar (eigentlich TJmzaunung, in übertragener Bedeutung: ein Schutzmittel); ein Wort ist eine Scheidewand, trennend von dem, was nicht taugt, ein Wort zieht Unheil, ein Wort zieht Segen herbei *)". Ein Wort ist eine Umzaunung: es umschliesst den Begriff, eine Scheidewand: es sichert den Begriff im wogenden Chaos. Und unsere sinnlosen Nachreime sind Einbrüche in diesen Zaun, in diese Scheidewand. Durch diese Lücke dringen Affekte >) Vgl. Th. Hopfner, Oriënt und griechische Philosophie = Beihefte zum Alten Oriënt 4 (Leipzig 19*5) 34- — H. S. Nyberg, Question» des Cosmogonie et de Cosmologie Mazdéennes, Journal As. 1929, 217.— Schöpferwort in Indien: Ene. of Rel. and Eth. 4, 157 a. F. Lokas, Die Grundbegriffe in den Kosmogonien der alten Völker (Leipzig 1893) 81 f. — Vgl. auch ttber das „Wort" E. Troelt sch, Protestantisches Christentum und Kirche in der Neuzeit = Geschichte der christlichen Religion = Kultur der Gegenwart Teü x, Abt. IV, I (Berlin und Leipzig 1909) 45»- 2) K. Rasmussen, Rasmussens Thulefahrt (Frankfort a. M. 1926) 41a. *) K. Th. Preuss Religion und Mythologie der Uitoto = Quellen derReligionsgeschichte IO (Göttingen und Leipzig 1921) 659, 25—27. «) J. Winkler, Die Toba-Batak auf Sumatra in gesunden und kranken Tagen (Stuttgart 1925) 104. in das bis dahin in kühler Ratio geborgene Wort ein, sei es nun nur gemütliches Beleben der Rede, sei es Spott, sei es Unwille. Und wir begreifen nun, warum im Zauberspruch sinnlose Wörter eine so hervorragende Rolle spielen: sie sind die Symbole, mehr — die Gefasse, der durch und durch vom Affekt getragenen, den Affekt erregenden, ungreifbaren jenseitigen Damonen und Machte. Wie in der bildenden Kunst die Damonen als scheussliche oder unheimliche Masken, als Monstra, als Zwitter aus Mensch und Tier erscheinen, so erscheinen sie in der Sprache in seltsamen, aufregenden, sinnlosen Wörtern. Und dass wir endlich sinnlose Wörter bei Kindern und Narren finden, begreifen wir nun auch, denn in ihrem Leben herrschen Afiekte in hohem Masse. 14. Wir haben die Lautfolge, der diese Zeilen gelten, AlephBeth-Regel genannt. Wir fanden, dass als dritter Anlaut eines sinnlosen Reimwortes nicht selten ein Gaumenlaut folgt. Es is doch sehr erstaunlich, dass das alte hebraische Alphabet mit der gleichen Lautfolge beginnt. Noch erstaunlicber, dass diese Lautfolge dreimal wiederkehrt, gleichsam dasGerippe des hebraischen Alphabetes ist: 1. Aleph Beth Gimel Daleth; 2. He Waw Heth Teth; 3. eAjin Pe Koph Taw. 1 j 2 n d n r 1 n Gerade vor hundert Jahren hat R. Lepsius') als erster auf diese Eigentümlichkeit Mngewiesn. Sie ist nicht zufallig. Die Leute, die die unerhörte Leistung voUbrachten, einen Wortkörper zu fessen und zu analyseren und die Handvoll Laute herauszuhorchen, mit denen dann jedes menschliche Wort dargestellt werden konnte, werden sich auch fiber den Charakter der Laute Gedanken gemacht haben. Ich denke, diese Leute waren Phonetiker par exellence. Wie im einzelnen das Alphabet zum ersten •) R. Lepsius, Ober die Anordnnng und Verwandtschaft des semitischen, indischen, alt-persischen, alt-agyptischen und athiopischen Alphabets = Abh d Kei Ak. d. W. Berlin. Hist.-phü. KL 1835. Male geordnet wurde, wann und wo das geschah, ist eine offene Frage. Die Meister folgten auf dem naturgegebenen Wege dem lautbildenden ausströmenden Luftstrom und reihten in dreimaliger Folge erst die von einander entferntesten, dann die zwischen diesen Polen liegenden nachstentfernten Laute: AlephBeth, dann Gimel-Daleth; He-Waw, dann Heth-Teth; cAjin-Pe, dann Koph-Taw, aneinander. Sie haben nach phonetischen Gesichtspunkten den Schatz der Buchstaben geordnet, noch heute bezeugt es unser Alphabet. iy ïpp, mm ÜBER DIE ENTSTEHUNG DES NAMENS JAHWE TOK KARL GEORG KUHN Wenn hier eine neue Erklarung der Entstehung des Namens Jahwe für den Gott des Volkes Israël im Alten Testament vorgelegt werden soll, so ist das gewiss nicht mehr ein erster Versuch auf wissenschaftlichem Neuland. Gibt es doch seit mehreren Generationen wohl kaum einen Forscher auf dem Gebiet der orientalischen Sprachen oder des Alten Testaments, der nicht zu dem Problem, das dieser Gottesname aufgibt, in irgend einer Form Stellung genommen hat. Und doch ist immer noch nicht eine gesicherte, eindeutige Erklarung gelungen. Das gibt uns das Recht, erneut diese Frage hier aufzurollen und auf neuen Wegen ihre Lösung zu versuchen. I Über den Gebrauch des Jahwenamens im AT. hinaus haben uns mannigfache Funde der letzten Jahrzehnte — bis in die neueste Zeit hinein — immer reichere Kenntnis auch von dem ausserbiblischen Vorkommen dieses Gottesnamens in seinen verschiedenen Formen gebracht. Ein Überblick über diese verschiedenen Formen und ihr Vorkommen ist daher unsere erste Aufgabe. Da G. R. Driver in seinem Aufsatz "The original form of the name ,Yahweh': evidence and conclusions" in ZAW. 46 (1928), S. 7 ff. das ausserbiblische Vorkommen des Gottesnamens zusammengestellt hat und Hans Bauer in seinem Aufsatz „Die Gottheiten von Ras Schamra" in ZAW. 51 (1933), S. 92 ff. das so wichtige Vorkommen des Gottesnamens T> in den Texten aus Ras Schamra bespricht, können wir uns hier auf eine kurze Übersicht unter Hervorhebung nur des Wesentlichen beschranken. 1. Altes Testament a) Der selbstandige Gottesname lautet mfT d. i. rTlfT. Diese Form kommt sowohl im stat. abs. wie cstr. vor; stets aber nur als selbstandiges Wort, d.h. nie in theophoren Eigennamen. Der Name bezeichnet dabei durchweg den Gott Israels im Gegensatz zu den Göttern der andern Völker. Daneben erscheint derselbe Gottesname auch öfters — ebenfalls als selbstandiges Wort — in der Form flfl (also mit lautbarem H). einmal daneben jedoch auch als HV b) In theophoren Eigennamen hat der Gottesname a) wo er erster Bestandteil des Eigennamens ist, die Formen VP oder "Qi /3) als zweiter Bestandteil des Eigennamens die Formen }fP" oder ,"P" (ohne Mappïk), ganz selten auch ft" (in *PnN)- 2. Mesac-Inschrift Hier (also etwa 850 v. Chr.) begegnet der Gottesname in Zeile 18 in der Form niPP, ebenso wie im AT. als Name des Gottes Israels. Es ist das bisher die einzige Stelle, wo die Form mPP sich ausserhalb des AT. gefunden hat'). 3. Elephantine-Papyri In diesen aramaischen Papyri (und Ostraka) einer jüdischen Militarkolonie auf der Nilinsel Elephantine aus dem 5. Jahrh. v. Chr. findet sich der jüdische Gottesname in folgenden Formen: ») Von den griechischen Transkriptionen I«/3» und lam* natttrlich abgesehen; über diese s. A. Deissmann, BibeUtudien (1895), S. 3. ff— Die Vermutung, dass der akkadische Name Yafrvii-AN aus dem 20. Jahrh. v. Chr. den Gottesnamen flVV enthalte (H. Bauer, ZAW. 51 [1933], S. 93) kann hier füglich beiseitegesetzt werden. Denn es gibt unter den unzahligen mit unserm Gottesnamen zusammengesetzten Personennamen sonst keinen einzigen gerade mit der Form nTTP gebildeten! Zudem kann der Name Yahwi-AN ebensogut auch anders gedeutet werden (H. Bauer, a. a. O.). a) Als selbstandiger Name in der Form UT. Daneben ein einziges Mal die Form flJT ')• b) In Eigennamen *) als erster Bestandteil fast stets in der Form ~VP; daneben auch hier einmal die Schreibung "JIJT1)! Ausserdem selten in der Form "T» 3) und einmal (defektisch geschrieben) "» *). Wie die Defektivschreibung zeigt, ist die letztere Form "V: Jö- (nicht Jau-) zu lesen; also ebenso wie im AT. Bei der Schreibung pJiT ist das zweite n jedenfalls mater lectionis für ö5). Das bedeutet aber, wie weiter unten gezeigt werden soll6), dass diese Form nur J*ho~ gelesen werden kann. Da nun der gleiche Fersonenname einmal in der Schreibung llKHiT und das anderemal als -fiNUT begegnet2), ist auch die Form "irP als erster Bestandteil von Eigennamen, gen au wie im AT., als J'hd- zu lesen. Für die Form liT als selbstandigen Gottesnamen wird meist die Aussprache Jahü angenommen. Jedoch, auch der Name in seiner selbstandigen Form begegnet ja einmal in der Schreibung TW, also gleichfalls J*hö\ Daraus muss aber der Schluss gezogen werden, dass auch die gewöhnliche Form des selbstandigen Gottesnamens, VT, ebenso zu lesen ist, also J*hd. Denn es ist unmöglich, dass die gleichen Leute zur gleichen Zeit zwei verschiedene Aussprachen für den Namen ihres Gottes nebeneinander hatten, Jahü und J'hd. Und ebenso unmöglich ist auch die Deutung der Form ,-BT als einfachen Schreibfehlers für VP = Jahü, da die Schreibung flJT zweimal völlig unabhangig voneinander begegnet. Und ausserdem, will man glauben, dass ein Schreiber sich ausgerechnet bei dem Namen seines Gottes verschreibt, zumal sonst Schreibfehler in den Elephantine-Pap)rri nicht gerade haufig sind ? — Der Gottesname "|,T der ElephantinePapyri ist also, sowohl als erster Bestandteil von Eigennamen als auch als, selbstandiger Name, stets Jthö zu lesen. ') (A.) Cowley (Aramaic Papyri of the fifth century B.C. [1923]), Nr. I3,M. *) "TIKnrP Cowley Nr. i,2 neben TWVT Cowley Nr. 28,,,. 3) Nnr ™ ]TW Cowley Nr. 81, ,4. (33.) ,9 (neben den Schreibungen jrUTP Cowley Nr. i8,5 und ■pStV Cowley Nr. 2^,). 4) pn1 Cowley Nr. 8i.8 (neben der Schreibung 7jmiT Cowley Nr. 30„8;3i,l7). ») Siehe S. 38 Anm. 2 •) Siehe S. 38. /3) Als zweiter Bestandteil von Eigennamen hat unser Gottesname in den Elephantine-Papyri fast stets die Form fP"» daneben einigemale N'"- Die Schreibung N^" neben PP" ') zeigt, dass einfach -ja zu sprechen ist; d. h. das n ist dabei lediglich mater lectionis für a (also auch hier der gleiche Befund wie im AT.). Nur ganz selten findet sich neben Jl>" die vollere Form irP"a)> die sehr wahrscheinlich, ebenso wie im AT., -jahü zu lesen ist. 4. Funde in Palastma Sowohl der selbstandige Gottesname als auch mit ihm zusammengesetzte theophore Personennamen sind in Palastina auf Siegeln, Krughenkeln, Grabern, Ossuarien u.a. gefunden worden 3). a) Als selbstandiger Gottesname findet sich da der Name auf Krughenkeln aus dem 5.—4. Jahrh. v. Chr., die bei den Ausgrabungen in Jericho und Jerusalem ans Licht kamen 4), in den Formen ïrp und rP; die Form 1J"P auch auf einer Münze aus der Zeit um 400 v. Chr. 5). b) In theophoren Eigennamen erscheint der Gottesname auf diesen Funden ») als erster Bestandteil des Namens in den Formen "IST, "1* und (selten) defektisch geschrieben "i; also in den gleichen Formen, wie auf den Elephantine-Papyri. Wichtig ist dabei vor allem, dass sich die Form "IST schon vom 8. vorchristlichen Jahrhundert ab etwa nachweisen lasst. /3) Am Ende der Eigennamen erscheinen die Formen IST"» PP" und und zwar finden sich die Eigennamen mit IST" am Ende bereits etwa vom 9. Jahrh. v. Chr. an, wahrend die auf rP" endigenden Eigennamen (also wie in den Elephantine-Papyri) erst von etwa 500 v. Chr. an nachweisbar sind 6). Die volleren *) So wird der Name ein und desselben Mannes einmal (Cowley Nr. 33,1) JViT und einmal (Cowley Nr. 34,5) (PJT geschrieben. 2) Und zwar nur in jongeren Schriftstücken, erst aus der Zeit um 300 v. Chr. (Cowley Nr. 81 und 82). 3) Die Einzelnachweise bei G. R. Driver, a.a.O., S. 15—17 u. S. 22 f. 4) Wie mir Herr Prof. Watzinger, Tübingen mundlich mitteflte, ist er jetzt der Ansicht, dass die Krughenkel aus Jericho noch I—2 Jahrhunderte alter sind. ") Eine sehr schone Abbildung dieser yielbesprochenen Münze des British Museum s. bei A. B. Cook, Zeus I (1914), Plate XXI (hinter S. 232); s. über sie auch W. W. Graf Baudissin, Kyrios, II (1929), S. 198 f.; dort auch weitere Literatur genannt. 6) G. R. Driver, a.a.O., S. 16 f. Formen auf 1,-p- sind demnach vermutlich alter als die auf i"P". Besondere Beachtung verdienen hier noch die mit unseren Gottesnamen zusammengesetzten Eigennamen auf den von Reisner veróffentlichten Ostraka aus Samaria, die dem 9. oder der ersten Halfte des 8. Jahrh. v. Chr. zugeschrieben werden '). Hier findet sich namlich, einerlei, ob als erster oder letzter Bestandteil des Personennamens, durchweg die Form "p für den Gottesnamen, die dabei sicher Jam (nicht Jö) zu lesen ist. 5. Keilschrifttexte 2) a) Für sich selbstandig stehend begegnet der Gottesname in babylonisch-assyrischen Texten nicht. *) Dagegen findet er sich in einer ganzen Reihe von theophoren Personennamen als erster oder zweiter Bestandteil, und zwar in Personennamen, die nicht akkadisch, sondern fremd, und zwar westsemitisch sind 3). Dabei hat der Gottesname in den Texten etwa vom 9. Jahrh. v. Chr. ab, sowohl als erster wie als zweiter Bestandteil der Personennamen, wohl durchweg die Form Jam (in verschiedenen Transkriptionen), also T> (nicht 1,-p). Der gleiche Befund also, wie in den der gleichen Zeit angehörenden Ostraka aus Samaria! Höchst bemerkenswert ist nun, dass hierbei mehrfach mit Jam zusammengesetzte Personennamen begegnen, deren Trager kaum Israëli ten gewesen sein können, so vor allem der Name JaubPdi eines Königs von Hamath. Man hat gemeint, in diesem Jau-bï'di doch einen Israeliten sehen zu mussen, von der Voraussetzung ausgehend, dass der Gottesname Jahwe in allen seinen Formen, also auch Jau, stets ganz ausschliesslich den Gott Israels bezeichnet. Die gleich zu besprechenden neuen Funde von Ras Schamra zeigen aber die Unhaltbarkeit dieser Voraussetzung bezüglich des Namens Jau, wodurch auch die Annahme, dieser Jau-bPdi sei Israelit gewesen, unnötig wird. «) Siehe: Harvard excavations at Samaria 1908—1910, Vol. I (1924), [Part IV by G. A. Reisner] S. 227 ff. *) Als auf dem Gebiet der Keilschriftforschung von Hans aas nicht Zustandiger stütze ich mich hier ganz aaf die diesbezüglichen Zusammenstellungen G. R. Drivers a.a.O., S. 8—14. 3) Über die scheinbare Ausnahme Yafcioi-AN (20. Jahrh. v. Chr.) siehe S. 26 Anm. 1. — Ob die von Hans Bauer in ZAW. 51 (1933), S. 93 angeführten Namen' Ya-u-ht und Ma-mt-lu-ia-u tatsachlich den Gottesnamen Jau enthalten und nicht etwa anders zu erklaren sind, wage ich nicht zu entscheiden. In den jüngeren Keilschrifttexten, etwa vom 5. Jahrh. v. Chr. ab, erscheint der Gottesname in theophoren Eigennamen «) als erster Bestandteil des Namens in der Form Jahu-, (3) als letzter Bestandteil des Namens (so hau f i g) in der Form -jama, einmal daneben -ama. Ob diese Form direkte Wiedergabe von iT" (aber sicher nicht von }!"P") ist oder auf D,_ zurückgeht'), T TT muss dabei offen bleiben. 6. Ras Schamra-Texte Mit zu dem wichtigsten, was uns diese jüngst aufgefundenen Texte an Neuem bringen, gehort die Existenz eines Gottes 1"> als Mitglied des safonischen Pantheons2). Das bisher vorliegende Material darüber hat Hans Bauer in ZAW. 51 (1933), S. 92 ff. zusammengestellt. Dass dieser Name V identisch ist mit unserm Gottesnamen, kann nicht zweifelhaft sein angesichts der Tatsache, dass sich gerade die Form f) unseres Gottesnamens bis ins 9. Jahrh. v. Chr. hinauf als Bestandteil von theophoren Eigennamen so haufig belegen lasst, und zwar — oft bei den gleichen Eigennamen — in standigem Wechsel mit den andern Formen UT und JT. Damit haben wir hier den bisher weitaus altesten Beleg (14.— 12. Jahrh. v. Chr. mindestens) für unsern Gottesnamen, und zwar in der Form f». Das Wichtigste dabei ist, dass wir in diesem Namen hier nicht den Gott Israels vor uns haben, sondern eine bereits vorisraelitische, phönizisch-kanaanaische Gottheit!3). ') Vgl. D»3{( 1 Kön 14,3, u. ö., identisch mit Pl»3K I. Chron. 3„0 u. ö.! — Man konnte übrigens dieses O*" vielleicht auch zusammenstellen mit dem in den Texten aus Ras Schamra gefundenen Gottesnamen V (dort ein selbstandiger Gott; nicht identisch mit Y>), den allerdings H. Bauer ZAW. 51 (l933)i S. 92, = Dl' "Tag" setzt. Zu diesem ff> von Ras Schamra und dem tf" in D*3N ware dann noch der Name ^Jffii zu stellen (Gen. 46, ,0; Ex. 6,15), wo also dieses O» erster Bestandteil des Namens ware: ist Gott"; (das Verhaltnis D»: 7VF9T dabei ebenso wie [m. E.] üüf' ?WDUÏ und 3Jt: ^NrOM, — mag aucn das 1 hier vielleicht das Possessiv-Suffix der i. pers. sing. sein.) 2) Wie es Hans Bauer nennt. ») Mit diesem Jau hat der Name lam der griechischen Texte (insbesondere Zauberpapyri) sicher nichts zu tun (s. dazu im Folg. S. 38f.). Wohl aber vielleicht der Name Jö bei den Mandaernjs. Lidzbarski, Johannesbuch der Mandaer, H (1915), S. XXII ff. und W. W. Graf Baudissin, Kyrios, II (1929)1 S. 214. Von da aus fallt nun helles Licht auf eine Reihe von mit Jau zusammengesetzten Personennamen, die bisher mit der Schwierigkeit belastet waren, dass ihre Trager kaum Israeliten gewesen sein können. Denn nun zeigt es sich, dass dieser Gottesname Jan nicht auf Israël allein beschrankt war, dass also sehr wohl auch Nichtisraeliten Trager von mit Jau zusammengesetzten Namen sein konnten. So insbesondere der oben genannte Jaubfdi, König von Hamath, zu dessen Namen 2. Sam. 8,I0 eine treffende Parallele liefert, wo der Sohn eines andern Königs von Hamath DTP = ,Jau ist erhaben" heisst. Weiter zeigt sich auch, dass der Name der Mutter Moses -Q3ti (d. i. Jau-kabid = „ Jau ist machtig") durchaus nicht notwendig inner-israelitisch sein muss, sondern auch ausserhalb Israels möglich war'). Endlich brauchen auch die mit fl gebildeten Eigennamen auf den von Reisner veröffentlichten Ostraka aus Samaria (9. oder 8. Jahrh. v. Chr.) durchaus nicht mehr durchweg alle als israelitische angesehen zu werden. Zusammenfassung Überschauen wir das Ganze noch einmal, so sehen wir, dass die Form ï» = Jau die altest erreichbare Form unseres Gottesnamens ist (Ras Schamra). Sie ist auch als Bestandteil von theophoren Eigennamen vom 9. Jahrh. v. Chr. ab nachweisbar. Sie ist zugleich die Form, in der der Name auch als nichtisraelitischer, phönizisch-kanaanaiscber Gottesname erscheint. In allen andern Formen ist der Name nur als der des ausschliesslichen Gottes des Volkes Israël zu belegen. Und zwar findet sich a) die Form PI in» nur ein einziges Mal ausserhalb des AT., aber schon im 9. Jahrh. v. Chr., in der Mesae-Inschrift. Für die Bildung von theophoren Personennamen ist diese Form nie verwendet worden. *) Die Form 1,-p dagegen findet sich als Bestandteil von Eigennamen schon vom 9.-8. Jahrh. v. Chr. ab (im AT. als erster Bestandteil des Namens mit der Vokalisation TT», als letzter Ipp-). Die Aussprache Jtfiö- (als erster Bestandteil von ') Hans Bauer, a.a.O., S. 9a f. Eigennamen) lasst sich seit dem 5. Jahrh. v. Chr. belegen (Elephantine-Papyri). Von der gleichen Zeit an >) findet sich 1PP auch als selbstandiger Name (Krughenkel aus Jericho und Jerusalem; Elephantine-Papyri). Auch hierfür ist die Aussprache J'hd durch die Elephantine-Papyri seit dem 5. Jahrh. v. Chr. belegt. c) Die Form PP findet sich als selbstandiger Name ebenfalls etwa seit dem 5. Jahrh. v. Chr. (Krughenkel aus Jericho und Jerusalem) 2) (im AT. 1 PP)- Von der gleichen Zeit an findet sich PP" auch als letzter Bestandteil von Eigennamen (im AT. und in den Elephantine-Papyri: rP"). Die Namen auf ff* sind demnach erst einige Jahrhunderte spater zu belegen als die volleren Formen auf 1PP". ') Oder schon I—2 Jahrhunderte früher, s. S. 28 Anm. 4. 2) Oder schon 1—2 Jahrhunderte frtther. — Möglicherweise sogar schon im 9.-8. Jahrh. v. Chr., wenn namlich der Tonscherben aus Samaria mit der Aufschrift (veröffentlicht von G. A. Reisner in: Harvard excavations at Samaria 1908—1910, Vol. I [1924], S. 238 und 243 unter Nr. 65) dieser Zeit angehört (wie, wohl richtig, Reisner anzunehmen scheint). II Wie sind nun diese verschiedenen Formen des Namens und ihr Verhaltnis zueinander zu deuten ? Meist nimmt man niPP als die Urform an und lasst die übrigen Formen durch Verkürzung aus ihr entstanden sein: rnn> > (*ipp » irr» > pp > pp und nf*> pyv > *ipp » m» > t>. Die Urform niPP erklart man dann auf die verschiedenste Weise, meist unter Ableitung von einer Wurzel pppt- So wurden u. a. folgende Urbedeutungen des Gottesnamens schon vorgeschlagen: „Der ins Dasein rufende"; „der durch die Lüftefahrende"; „der Schleuderer"; „der mit seinen Blitzen fallende". Bekanntlich reiht sich auch das AT. selbst in die Reihe dieser Erklarungen ein, indem Ex. 3„4 der Name rfJPP erklart wird als „Ich bin, der ich bin", also als Ableitung von der Wurzel pnpj = ppPl „sein". Aber derartige Deutungen von Eigennamen, wie Ex. 3,14, sind itómer erst das Ergebnis nachtraglicher Reflexion über einen altüberkommenen, nicht mehr verstandenen Namen und gehen darum gewöhnlich an dem eigentlichen Ursprung des Namens völlig vorbei. Man vergleiche nur im Griechischen die Deutungen des Namens 'AWAAav als ahrotoiw oder ahrotovuv oder aticb wo\kÜ¥ oder als eine Ableitung von airÓMvfu u. a. (wahrend 'AxèMuv in Wirklichkeit eine bereits vorgriechische, wahrscheinlich kleinasiatische Gottheit ist). Zudem ist rt)JT gar nicht die alteste Form des Namens, aus der die andern Formen alle abgeleitet werden müssten! Die alteste Form ist vielmehr, wie die Funde aus Ras Schamra jetzt zeigen, die Form v = Jau, also die einfachste und zudem bereits vorisraelitische Form. Damit ist von vornherein zum mindesten die Möglichkeit gegeben, dass die Entwicklung nicht von der Form rtVV durch sukzessive Verkürzungen bis zu sondern umgekehrt von der einfachsten Form *p (= Jau) fort- Festschrift Littmann schreitend bis zur kompliziertesten TVffV ging. Und wenn nun diese Entwicklung sich Schritt für Schritt sprachlich einwandfrei begründen lasst, dann wird eine solche Möglichkeit zur stets wachsenden Wahrscheinlichkeit. Diese sprachliche Entwicklung von Stufe zu Stufe zu verfolgen, ist daher nun unsere entscheidende Aufgabe. t. Jau > Jahü Den Schlüssel zum Verstandnis der Entwicklung von der Urform Jau zu Jdhü (und dann auch weiter zu Jah und zu Jahuë) gibt die Analogie der Form Jdhü zu der in der lebendigen Sprache sicher am haufigsten vorkommenden Nominalklasse der zweiradikaligen Verwandtschaftsnomina 3K ,Vater", PIK „Bruder" und Dn „Schwiegervater" in ihrer ursprüng- lichen Form *3dbü, *3dhü, * hdmü'). Da die Form Jau, in der die Hebraer diesen Gottesnamen ursprünglich — gleichviel wie und woher — übernommen haben 2), als Wortform innerhalb des Hebraischen ganz singular ist, d. h. aus dem Schema der hebraischen Sprache völlig herausfallt, wurde sie in Angleichung an dieses Schema empfunden als Jd-u, d. h. als Wortstamm Ja + Nominativendung u 3). Dieses Jd-u wurde dann unter dem Zwang der Analogie zu den ihrer Form nach am nachsten liegenden Wörtern 3dbü (Stamm 'ab + [langer] Nominativendung -ü), 3dhü und hdmü, also den z w e i radikaligen Verwandtschaftsnomina, durch Erweiterung des als Stamm empfundenen Ja mit h zur Zweiradikaligkeit, zu Jdhü. Vorauszusetzen ist dabei natürlich, dass diese Entwicklung Jau > Jdhü bereits zu einer Zeit erfolgte, wo im Hebraischen ') Auf diese Analogie und die aus ihr sich ergebenden Konsequenzen ist, soweit ich sehe, bisher noch nicht hingewiesen worden. Sie ist aber, wie ich hier zeigen will, die Grundvoraussetzung für das Verstandnis der Entstehung unseres Gottesnamens überhaupt. 2) Denn dass der Name Jaff von aussen übernommen und nicht aus dem Hebraischen selbst erwachsen ist, wird wohl nach den Funden von Ras Schamra nicht zu bestreittn sein. s) Also ein analoger Vorgang, wenn auch in anderer Form, wie bei derÜbernahme des Namens Alexander ins Arabische: Die Form Alexander> Aliskandcr wurde empfunden als al-iskander, d.h. Iskandir -f- vorgesetztem arabischem Artikel alund infolgedessen die Form Iskander auch ohne den Artikel fflr diesen Namen verwendet. die Nominativendung ü — zum mindesten bei den drei Verwandtschaftsnomina 3dbü, 3dkü, hdmü — noch lebendig im Gebrauch war. Stammerweiterung durch h findet sich beim Übergang von Zwei- zu Dreiradikaligkeit im Semitischen öfters, so vor allem bei der Pluralbildung von zweiradikaligen Nomm.: (Zu dem Stamm *ab:) arab. 'abahdt, syr. "abahata und "abaliê ,Vater"; (zu dem Stamm Aam:) syr. h'mahê „Schwiegervater"; (zu dem Stamm "am:) hebr. '«maköt, syr. 'amhata „Magde";, (zu dem Stamm san:) arab. sanahdt (neben sanauat) „Jahre"; (zu dem Stamm Um, bzw. htm:) syr. S'mahata und s'mahë „Namen"; (zu dem Stamm '*/:) hebr. 't/öhtm und der Sing. hebr. Vrt, arab. "ilah „Gott" u.a. Dieselbe Stammerweiterung durch h findet sich aber auch in dem ganz andern Falie von hebr. PDü „hoch werden", wenn dies (wie wohl richtig) neben den Stamm 33J „erhöhen", „wölben" (davon 3| „Erhöhung", „Wölbung": „Schildbuckel", „Rücken") zu stellen ist'). Man sieht also: Wenn schon die Stammerweiterung (von Jd-u) als solche durch die Analogie (mit 'dbü, 3dhü, hdmü) gefordert war, dann lag die Erweiterung gerade durch ein h (zu Jdhü) jedenfalls am nachsten. Dabei ist noch besonders zu beachten, dass der Gottesname Jdhu mit seiner Analogie zu den zweiradikaligen Verwandtschaftswörtera nicht allein steht unter den Gottesnamen. Es gibt vielmehr noch zwei weitere Gottesnamen von genau der gleichen zweiradikaligen Form: i. Der babylonische Gott Nabu und 2. das Wort *ilu „Gott". 2. Jahü>Jah>Ja Die Analogie der Form Jdhü zu den Verwandtschaftswörtern blieb nun auch bei der weiteren Sprachentwicklung, d. h. beim Verschwinden der Nominalendungen, erhalten: Wie *abü zu 3*t ') Dass es für eine Erweiterung des Stammes durch h beim Übergang von der Ein radikaligkeit (d.h. von einem aus Konsonant + kurzem Vokal bestehenden Stamm) zur Zweiradikaligkeit keinen Beleg gibt, dass also ein ganz nnmittelbares Analogon besnglich des k zu der Entwicklung yd-u > Jdh-u fehlt, liegt in der Natur der Sache. und 'ahü zu PIS, so wurde auch Jahu zu pp (selbstverstandlich mit lautbarem Pi) ')• Infolge dessen ist im AT. die Form pp — neben der weiter unten zu besprechenden Form fTWT — die einzige Form, in der unser Gottesname als selbstandiges Wort begegnet 2). Am haufigsten findet sich die Form PP in der Namenskom- position, und zwar als zwei ter Bestandteil des Namens, also am Ende des Wortes. Das PI am Wortende verlor dabei in ganz gesetzmassiger Entwicklung seinen Lautwert (-jah"> -ja), genau wie auch die urspriingliche pausale Femininendung -ah zu -a wurde3). Die Aussprache -ja (und nicht .mehr -jah) ist für das 5. Jahrh. v. Chr. sicher belegt durch die Elephantine-Papyri4). Dass neben dieser Form -ja als zweiter Bestandteil von Eigennamen auch die altere Form -jdhü erhalten blieb s), ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, wie konservativ die Sprache nicht selten gerade bei Eigennamen ist. Dabei musste natürlich das ursprüngliche -jahü, weil bei den damit endigenden Eigennamen die Silbe jti stets den Hauptton des Wortes trug, zu -jahü werden6). Es stehen daher jetzt im AT. stets nebeneinander beide Formen: IPP^S und PP^N, irPDV und PPDT usw. usw. Wichtig ist dabei, dass die sprachgeschichtlich altere Namensform auf 1PP" auch viel früher belegt ist (vom 9. Jahrh. v. Chr. ab) als die jüngere Form auf PP- (erst etwa vom 5. Jahrh. v. Chr. ab) 7). 3. Jahü>J*hÓ Neben der gradlinigen Entwicklung Jahü > Jah > -ja. und Jahü>-jahü lief noch eine zweite, völlig andersartige einher, ') Man kann auch, wenn man will, die Form pp als die Pausalform zu JihM verstenen, die natürlich im Kultus als Akklamation unendlich haufig vorkam (njpWH)! *) Dass stattrp einmal (Ps. 118, 5) die Schreibung TV begegnet, hat seine genaue Parallele in dem bisweilen sich findenden fïV statt das gewöhnlichen und richtigen Tl? „ihr". **) Diese Entwicklung führte ja dann erst zur Verwendung des n im Hebraischen als mater lectionis für 5 am Wortende überhaupt. *) Siehe oben S. 28. ») Bzw. archaisierend beibehalten wurde und wieder mehr „in Mode kam"; vgl. G. K. Driver, a.a.O., S. 19 unten und hier S. 28 Anm. 2. 6) (Hans)Bauer-(Pontus)Leander, (Histor. Gramm. der hebr. Sprache des AT., I [1922]) $ a6 g. und m. *) Siehe oben S. 28f. die von Jahü zu J'ho führte. Diese zweite Entwicklung ging wahrscheinlich aus von der Verwendung der Form Jahü bei der Namenskomposition als erster Bestandteil des Namens, und zwar genauer von der dabei stets eintretenden Akzentverschiebung. Denn wenn die Satze Jahü natan oder Jahü ram usw. als Eigennamen verwendet wurden, d.h. jeweils zu einem Wort komponiert wurden, musste notwendig eine Verschiebung des Wortdruckes eintreten von Jahü natan, Jahü ram zu Jdhu-natan x) und Jdhu-ram usw. Das unbetonte kurze a der Silbe Jd vor der Nebendrucksilbe wurde dabei gesetzmassig dann zu Schwa reduziert2) und das ü der Nebendrucksilbe hu Tvurde zu ö: Jdhu-natan > J'ho-natan. Das treffendste Analogon zu dieser Entwicklung ist die Entwicklung von ursprünglichem Nabü (jedenfalls über N&bu) zu hebr. N'bo (133) 34). — Die Namen nintlM, "WKYUna und ntK^aa, die also die Form N'bu- (und nicht N'bo-) enthalten, bedeuten kein Argument dagegen. Denn hier hat das ü wohl darin seinen Grund, dass diese Namen als Fremdnamen unmittelbar aus dem Akkadischen übernommen wurden, ohne dass sie eine Entwicklung innerhalb des Hebraischen durchmachten. Und ausserdem steht ja einmal doch auch daneben die (jedenfalls jüngere) Namenstranskription mit o: Nebozaradan im Ahikar-Roman (gemass Gesenius-Buhl, Wörterbuch, s. v.). Als weitere Parallelen zu der Entwicklung Jahü> J'ho- kann man wohl auch daneben stellen die drei Falie des sogenannten 1 compaginis am stat. cstr. (das stets betont ist!) im AT. 5): Das *)-*- = Hauptdrucksilbe, = Nebendrucksilbe im Wort. 2) Bauer-Leander § 16 n' (S. 239). ») In welcher Beziehung dabei der babylonische Gott Nabu zu dem Berg Neb in Moab und den gleichnamigen Stadten in Moab und in Juda steht, ist hier gleichgültig. Der Name ist jedenfells derselbe. *) Ebenso, wie hier bei der Entwicklung Nóiü > N'bd = J&hü > J'kö% gehen die beiden Namen auch einander völlig parellel in der anderen Entwicklung Jdhü >Jah (entsprechend J4ia>'5i): Ndbü>NSi\ nur schreitet hier die Entwicklung dann noch weiter (gemass Bauer-Leander § 14 j) von Nib zu Nob. Der Stadtname 3J im AT. ist also ursprünglich identisch mit dem Stadtnamen f3J! (Dazu vgl. Gesenius-Buhl, Hebr. Wörterbuch, s.v. l'3J, Nr. 4). *) Dass es sich in all diesen Fallen um eine besonders altertümliche, ganz bewusst gewahlte Ausdrucksweise handelt (wie wenn im heutigen Deutsch „dichterisch" als öfters begegnende ptriIVn = „das Getier der Erde" (aus hajjdtuüber hajjatü- ..'..> hajj'{p-..'..); ferner "iB¥ 133 „der Sohn des S." (Nu. 23„8) und TJD 133 „der Sohn des B." (Nu. 24,3.,B) (aus binu über binü- ..'..> b'nb-.'..); endlich D'Q 13^0 „Wasserquell" (Ps. II4,8) (aus mcfjdnu über ma'janü- ..'..> macj'no-. .'..). Die Form **jj*fl ist demnach sicher nicht eine künstliche Vo- kalisation der Masoreten, wie man verschiedentlich gemeint hat, sondern war eine tatsachliche Form der lebendigen Sprache. In den Elephantine-Papyri ist diese Form J'ho nun auch der selbstandige Gottesname (also die genaue Parallele zu der Form N*bp als selbstandigem Wort im AT.). Denn, da das 5 durch die zweimal begegnende Schreibung nPP neben dem gebrauchlichen lfp *) gesichert ist2), kann dieses 1!"P nur J'ho gelesen werden 3). Von hier aus wird nun auch das in den griechischen Zauberpapyri (und sonst) so haufige, vielbesprochene Ixu verstandlich. Jmu ist einfach die genaue Transkription eben dieser Form^Aö unseres Gottesnamens. Die Wiedergabe des Schwa durch x — das einzige, was dabei schwierig erscheinen könnte — hat wiederum ihre genaue Parallele in dem Namen 133 des AT., der in LXX als Nx(3ov, N*/3w oder N*/3«u transkribiert wird. Also, wenn auch die Transkription schwankt in der Wiedergabe des 1, so ist sie doch ganz einheitlich in der Wiedergabe des Schwa durch *! 4. Jajj > Jö Die in der Namenskomposition, und zwar meist als erster Bestandteil des Namens (neben J'kö und mit diesem oft wech- besonders gewahlte Formen jetzo und jetzund gebraucht werden statt jtttf), zeigt sich sofort, wenn man die einzelnen Stellen im Zusammenhang liest. Die Deutung dieses 1 als Possesiv-Suffix der 3. masc. sing. (Bauer-Leander § 65 i) trifft darum kaam das Richtige, zumal sich ja gerade im stat. cstr. überhaupt zumeist die alteren Formen der Nomina gehalten haben. ') Siehe oben S. 27. *) Auch hierzu ist wieder das treffendste Analogon der Name N*bp, der in der Mesa'-Inschrift, Zeile 14, in der Schreibung H3J begegnet ( = 13J) im A.T.). n als mater lectionis für ó ist auch sonst'nicht selten. *) Eine Form J3ht, die mehrfach vorgeschlagen wurde, ist — zum mindesten in dem Aramiischen der Elephantine-Papyri — sprachlich ein Unding und ist auch Überhaupt nirgends irgendwie zu belegen (auch nicht durch die griechische Transkription lom; siehe dazu gleich das Folgende). selnd) begegnende Form Jö ist nun nicht, wie meist erklart wird, durch Kontraktion aus J*kö entstanden, sondern geht u n m i 11 e 1- bar auf die Urform Jau zurück. Die im Hebraischen ja ganz gewöhnliche Kontraktion a»>ö ist dabei erst in relativ spater Zeit erfolgt, da die alteren keilschriftlichen Transkriptionen (vom 9. Jahrh. v. Chr. ab) der mit diesem Gottesnamen zusammen- gezetzten Eigennamen noch die unkontrahierte Form Jau bieten'), ebenso wie die Ostraka aus Samaria*). Die kontrahierte Form J9 ist sicher zu belegen erst vom 5. Jahrh. v. Chr. ab durch die Elephantine-Papyri 3). Jau- (bzw. Jo-) als erster Bestandteil von Personennamen ist also sprachgeschichtlich die viel altere (jedoch konversativ stets weiter gebrauchte) Form gegenüber dem aus einer völlig anderen sprachlichen Entwicklung entstandenen J*kö- (Jau>Jahü> J*ho-). Sie existierten dann beide nebeneinander in der lebendigen Sprache und stehen nun so auch unterschiedslos nebeneinander im AT., in den Elephantine-Papyri usw.: ?rU1* neben rTU'liT, PD»T» neben I" Itt : I • t ppjirn usf. 5. Jahü oder Jah >Jahuë Der letzte Schritt der sprachlichen Entwicklung ist endlich der zu der Form Jdhug führende. Auch bei diesem Schritt, wie schon vorher bei denen von Jau > Jdhü und von Jdhü > Jah, bleibt unser Gottesname der Analogie zu den zweiradikaligen Nominibus treu. Denn JdhuS ist einfach ein nach dieser Analogie gebildeter Plural zu dem zweiradikaligen Stamm Jah. (Ob dabei der Plural bereits von der Form Jdhü oder erst von Jah aus gebildet wurde, ist völlig gleichgültig.) Die Bildung des Plural erfolgte mit der alten masc. Pluralendung aj>«, die im Hebraischen nur im stat. cstr. und vor Suffixen auch spater noch erhalten blieb 4). Sie findet sich jedoch auch mehrfach noch in andern semitischen Sprachen5), so insbesondere in der westaramaischen Pluralendung ai + Artikel a > ajja und in der ostaramaischen Pluralendung ?. Die Pluralbildung bei unserm Gottesnamen muss also bereits ') Siehe oben S. 29. *) Siehe oben S. 29. ») Siehe oben S. 27. 4) Ob diese Pluralendung ai dabei letzten Endes vom Dual herstammt oder etwa von Tomherein selbstandige Pluralendung war,ist ftr unsern Zusammenhang hier gleichgültig. ■) Siehe Brockelmann, Grundriss I, § 242 d und e. zu einer Zeit erfolgt sein, wo die Pluralendung ai, bzw. ê im Hebraischen auch für den stat. abs. der Masculina noch in der lebendigen Sprache gebraucht wurde Der zweiradikalige Stamm Jah ist bei dieser Pluralbildung durch u zur Dreiradikaligkeit erweitert worden in genauer Analogie zu der Pluralbildung einer ganzen Reihe von zweiradikaligen Nominibus. Meist erfolgt allerdings bei diesen die Stammerweiterung durch h; siehe die Beispiele dafür oben S. 35. Aber auch die Stammerweiterung durch « findet sich daneben mehrfach, so in den Pluralen arab. 'amauat (neben 3amat) „Magde", arab. safauat, syr. sefuata „Lippen", arab. sanauat (neben sanahat) "Jahre", arab. 'ihuat und 'ihuan „Brüder". Da bei dem Stamm Jah die Erweiterung zur Pluralbildung durch ein nochmaliges h naturgemass unmöglich war, erfolgte die Erweiterung auch hier durch ff. So entstand die Pluralform J&huë für unsern Gottesnamen. Mit Polytheismus hat dabei diese Pluralbildung nichts zu tun, genau so wenig wie der Plural D^rPK = »Gott" oder die Plurale D'tflN = „Herr" und D^ID = „Besitzer" 2) oder auch Ujüh — „Scheich" '). Das sind vielmehr alles Pluralia maiestatis. 6. J&huë > HUT Der Plural J&huë müsste nun eigentlich korrekt >1,"P geschrieben werden (mit t am Ende). Aber hier trat eben — und zwar zu einer Zeit, wo das Empfinden dafür, dass dieser Name eigentlich eine Pluralform ist, bereits erloschen war — die uns in Ex. 3,u erhaltene Deutung dieses Gottesnamens in Kraft, die ihn erklart als eine verbale Ableitung von mn = rPPI »sein". Demzufolge wurde dann die Form J&huë, genau entsprechend den Imperfecta der Verba *Y'y, mit ,1 am Ende geschrieben, also: PTIPP. Wann diese Anderung erfolgt ist, lasst sich natürlich nicht •) Möglicherweise könnte auch die Verwendung gerade der Endung i bei dem Plural Jahue darin ihre Ursache haben, dass der Gebrauch dieser Form von cstr.r Verbindungen, wie ydnuê-s'ia'öe, ausging und von da aus dann die Form Jahuï auch verselbstandigt wurde. *) Bauer-Leander § 63 Z (S. Sl7{-)- *) J. Euting, Tagbuch einer Reise in Innerarabien, 1. (1896), S. 172. — Die Beispiele liessen sich noch vermehren. mehr genau sagen. Im 9. Jahrh. v. Chr. jedenfalls war sie schon vollzogen, da die MesV-Inschrift bereits, genau wie das AT., den Namen in der umgeanderten Form mJT» bietet. 7. Zusammenfassung Wollen wir nochmals einen Überblick gewinnen über die gesamte Entwicklung des Gottesnamens, wie sie hier beschrieben ist, so geschieht das am besten mit der beigegebenen graphischen Darstellung, in der die Pfeile mit Doppelstrich (=>) diejenigen Entwicklungen bezeichnen, die durch die Analogie zu den zweiradikaligen Verwandtschaftswörtern bedingt sind. Die als Zwischenstufen anzusetzenden Formen sind dabei mit einem Stern versehen und in Klammern gesetzt. 8. Die Urform Jau Als Letztes bleibt uns noch die Frage nach der Entstehung bzw. Herkunft unseres Gottesnamens überhaupt. Diese Frage kann sich nun natürlich nur noch auf die Urform Jau beziehen, da alle andern Formen erst aus dieser entstanden sind. Über Vermutungen wird man allerdings in der Beantwortung dieser Frage angesichts des so hohen Alters der Form Jau wohl nie hinauskommen. In seinem Aufsatz „Die Gottheiten von Ras Schamra" in ZAW. 51 (1933), S. 94 Anm. 1 zieht Hans Bauer für den Namen Jau die Möglichkeit in Erwagung, dass man „in ya- das ursemitische Pronomen „er" (erhalten in der 3. Person des Aorist) sehen könnte, das durch die Endung -« substantiviert worden ware". H. Bauer stellt dort (S. 84) daneben die analoge Möglichkeit für den Gottesnamen '*/ (= dass dieser namlich das ursemitische Demonstrativpronomen V= „der da", „dieser" sei, das dann durch Anfügung der Kasusendungen substantiviert worden ware. In ganz anderer Richtung geht die Vermutung, die der verehrte Jubilar, dem diese Arbeit gewidmet ist, Herr Professor L i 11 m a n n, verschiedentlich mündlich geaussert hat, dass namlich der Gottesname Jau zusammenhangt mit dem indoiranischen Djau-s (= Zeü?, Juppiter). DIE FORMEN DES ALTHEBRAlSCHEN LIEBESLIEDES VON FRIEDRICH HORST Es ist eine eigentümliche Erscheinung in der Literaturgeschichte mancher Völker, dass Sammlungen von Liebeslyrik erst aus einer Zeit vorliegen, wo die übrige Dichtung langst Leistungen von Ansehen aufweisen kann. Diese Beobachtung kann nicht nur für die Literatur der Agypter, Inder und Griechen gemacht werden, sondern gilt auch für das Alte Testament. Die zum Hohen Lied vereinigte Sammlung althebraischer Liebeslieder gehort auf Grund sprachlicher Indizien (aramaische Spracheinflüsse, ein persisches Lehnwort, pardes, ein griechisches, appfrjon) wohl dem 3. Jh. v. Chr. an. Doch wird man immerhin vermuten können, dass in dieser Sammlung mancherlei alteres Gut sich findet und teilweise nur in eine jüngere Sprachform überführt worden ist. Aus bestehender Tradition sind gewiss manche Stofte und Motive hergenommen; auf bestehende Tradition weisen aber vor allem die im Hohen Lied vorhandenen Liedformen des Liebesliedes. Diese Formen sollen im Folgenden ermittelt und in der Art ihrer Verwendung beschrieben werden. Den Ausgang bilde 1. das Bewunderungslied. Im Hohen Lied liegt diese Liedform vor: 1, 9—11; 1, 15—17; 2» 1—3; 4. 9—11J 6, 10 + (4b+) 5a; 7, 7—10. All diese Lieder sind im Anredeschema gehalten. Angeredet wird ') die Geliebte durch den Geliebten, ihr gilt die Bewunderung. Die Umkehrung, Anrede und damit Bewunderung des Geliebten, ist im Hohen Lied — wohl nur durch Zufall — nicht belegt. Zweimal aber ') Auch in 2, I ist Anrede herzustellen. Hinsichtlich der Textgestaltung verweise ich auf meine Bearbeitung in der Biblia hebraica edd. Kittel et Kahle, 3. Anfl. findet sich die kunstvollere Form der wechselseitigen Bewunderung: i, 15—17 und 2, 1—3. Die Eigenart des Bewunderungsliedes lasst sich gut erkennen an dem Beispiel 7, 7—10: Wie schön und wie lieblich bist du, Geliebte voller Wonnen! Solch ein Wuchs von dir gleicht der Palme, deine Brüste den Trauben. Ich sprach: ich will die Palme ersteigen, nach ihren Fruchtbiindeln greifen, und deine Brüste seien mir wie Trauben des Weinstocks und der Duft deiner Nase wie Apfel, dein Gaumen wie edler Wein, der dem, der ihn schlürft, über Lippen und Zahne geht. Das Lied beginnt mit einer Einleitung, die in Form einer rhetorischen Frage die Bewunderung ausspricht, fiigt einen Vergleich an, der Wuchs und Brüsten der Geliebten gilt, und endet mit einem hier sehr breit ausgestalteten Ausklang, der, dabei über das Bild von Palme und Trauben hinausschweifend, den Wunsch nach Vereinigung mit der Geliebten ausspricht. Die allgemeine Aussage der Bewunderung und der spezielle Vergleich gehören als ein erster Liedteil naher zueinander. Beides wird in dem Wechsellied 1, 15—17 doppelt gebracht; auch kann die rhetorische Frage unmittelbar in den Vergleich hineinführen, so 6, 10, oder die Bewunderung wird von vornherein mit einem konkreten Bilde ausgesprochen, so 2, 1. In 4, 9—11 sind die Liedteile umgestellt; der Schlussteil ist voraufgenommen, dann erst folgen die rhetorischen Bewunderungsfragen und die Vergleiche. Bewunderungsfragen und Vergleiche stehen hier insofern in naherer Beziehung zueinander, als schon in die Bewunderungsfragen durch die Komperative Vergleichsbilder eindringen, die dann in Aussageform nur fortgesetzt werden. Eine Umstellung der beiden Elemente des ersten Liedteils findet sich 1,9—11. Der Vergleich eröffnet das Lied, und die anschliessende indirekte Darlegung des Vergleichsbildes in der Form einer rhetorischen Frage spricht die Bewunderung aus. Der zweite Teil des Bewunderungsliedes, der gewöhnlich seinen Ausklang bildet, stellt die „Wirkungen" solcher Schönheit hin. Das ist entweder der Wunsch oder die Sehnsucht nach Vereinigung mit der Geliebten oder die Freude über solche Vereinigung (1, 17. 16b; 2, 3b; 7, 91); das kann aber auch sein das Eingestandnis der bezaubernden Wirkung, die Bliek und Hals- schmuck der Geliebten ausgeübt haben (4, 9), oder die Bitte an die Geliebte, ihren zaubermachtigen Bliek abzuwenden (6, 5a), oder auch das Versprechen, ihr noch prachtigeren Schmuck verfertigen zu lassen (1, 11). Auch der arabischen Poesie ist das Bewunderungslied bekannt. Schone Proben geben davon vor allem die Lieder in 1001 Nacht j vgl. bes. (nach Littmanns Übersetzung) I, 308; JJ, 406; III, 301; 6SSf; V, 62f. 600. 709; VI, 557. Modern: E. Littmann, Neuarab. Volkspoesie, S. 17, No. 22; Dalman, Palast. Diwan, S. 86, No. 13. 2. Vergleiclie und Allegorien Die Grundform des selbstandig stehenden Vergleiches (nur solche kommen hier in Betracht!) ist die kurze spruchartige Zeile mit einem pragnant skizzierten Vergleichsbild. So 1, i3f: Ein Myrrhensackchen ist mir mein Liebster, das zwischen meinen Brosten ruht. Eine Traube der Cyperblame ist mir mein Liebster, (wie sie) in den Weinbergen von Engedi (wachst). Das Beispiel zeigt, dass man solche Spruchzeilén paarweise zusammenstellte und mit zwei parallel gehenden Zeilen die kürzeste Form eines Vergleichsliedes erzielte. — Eine andere Art der Liedbildung liegt in 4, 12—15 vor. Auch hier ist die Grondlage die kurze spruchartige Zeile, namlich v. 12: Ein verriegelter Garten ist meine Schwester, die Braut, ein verriegelter Garten, ein versiegelter QnelL An diese Spruchzeile hat sich nun eine rein oraamentale Erweiterung angesetzt, insofern die Lieblichkeit und Fruchtbarkeit des Gartens detailliert beschrieben wird; ja auch der in v. 12 als Parallelbild beigefügte «versiegelte QuelT wird in diese ornamentale Detailschilderung einbezogen (v. 15). Es muss allerdings auch bemerkt werden, dass 4, 12—15 nicht mehr reines Vergleichslied mit selbstandiger Stellung geblieben ist. Es ist vielmehr als Vergleichslied übernommen und in einen weitergehenden Zusammenhang eingestellt worden, also zur ersten Strofe eines grösseren Liedes gemacht worden. Die sich anschliessende zweite Strofe redet in der Form des Wechselgesprachs und unter Verwendung der Detailschilderung des Hauptbildes der ersten Strofe (nur dieses!) allegorisch vom Genuss der Liebe. Damit kommt das Lied als ganzes dem Typus des Bewunderungsliedes ausserordentlich nahe und ist ein Beispiel für sekundare Komponierung durch Zusammenschweissung oder Ausbau ursprünglich selbstandiger Formtypen. Beispiel eines allegorischen Liedes ist 6,2 („Mein Liebster stieg herab zu seinem Garten ..."). Die jetzt voraufgestellte chorische Einführung 6,1 verwischt zwar den Charakter der Allegorie und möchte ein eigentliches Verstandnis nach sich ziehen. Aber dass hier bildhaft zu fassende Gleichniserzahlung vorliegt, folgt einmal aus der deutlicher redenden Stelle 4,16—5,1, sodann auch aus dem die chorische Komposition 5,2—6,3 abschliessenden Ausspruch 6,3. So bedeutet der Garten mit den Balsambeeten die Geliebte mit ihren Reizen *), das Weiden und Pflücken der Lilien den Genuss ihrer Liebe 2). Ein selbstandiges allegorisches Liedchen liegt ferner vor in 2,15: Fangt uns die Füchse, die kleinen Füchse, die Weinbergverderber, und unsere Weinberge bliihen! Die Deutung dürfte wohl, nach Jacobs ansprechender Erklarung3), auf Abwehr der Nebenbuhler, wenn nicht überhaupt der jungen Manner gehen. Allegorie ist weiter die kurze isolierte Verszeile 1, 12. Der König ist der Höchzeiter, die Tafel, an der er liegt, sein junges Weib, die Narde sind ihre Reize4). Als Allegorie dürfte schliesslich auch 2, 16 f anzusprechen sein, wahrend an der ahnlichen Stelle 8, 14 der allegorisch erotische Sinn aus Missverstandnis weggebogen ware. Vergleich wie Allegorie haben ihren Platz auch im Hochzeitsratsel. Als Ratsel mag vielleicht im Hohen Lied das schon erwahnte Lied 2, 15 genommen werden; ausserhalb davon finden sich zwei Beispiele in Richt. 14, 14 u. 18. Richt. 14, 14 liegt eine Allegorie vor, die, von der umgrenzenden Erzahlung missdeutet, ursprünglich die sexuelle Vereinigung meint5). Das andere Ratsel, 14, 18, hat Frageform und verwendet den Vergleich. ') Agyptisch: „Ich bin für dich wie der Garten, den ich bepflanzt habe mit Blumen und mit allerlei sttssduftenden Krautern■'»."} Erman, Literatur der Agypter, 1923, 311. Ferner: Littmann, Neuarab. Volksp. S. 121, No. 5; Dalman, S. 247, 9; 261. 2) Dalman S. 69, 134. s) Jacob, Gg, Das Hohelied, 1902, 12 (i. Anschl. an Ed. Reuss). 4) Vgl. Talm. Schabbat fol. 63a (Haupt, Bibl. Liebeslieder, 1907, 68). 5) Vgl. Eissfeldt in Zeitschr. f. d. alttestl. Wiss. 1910, I32ff; dazu Hs Schmidt u. PI Kahle, Volkserzahlungen aus Palastina, 1918, No. $0, 10: „Gott fütterte sie alle vierzig, und sie gebaren vierzig Knaben". Es wird im Text als Beantwortung des ersten Rats els beige bracht, ist aber im Grande selbstandig und verlangt als Antwort: die Liebe. Beispiel eines erotischen Ratsels in arabischer Poesie: iooi Nacht, V 451. Anhangsweise sei vermerkt, dass Wortspieldichtungen, wie sie z.B. 1001 Nacht II 460, III 399, VI 455 vorliegen, in der uns überkommenen hebraischen Liebespoesie nicht vertreten sind. 3. Das Beschreibungslied (arab. Wasf) Beschreibungslieder bringt das Hohe Lied in 4, 1—7 mitsamt der nach wenigen Vereen abbrechenden Variante 6, 4a. 5b—7 (der Text ist an einigen Stellen besser, weist aber zweimal auch Lücken auf); ferner in 5, 10—16 und 7, 1—6. 1001 Nacht verwendet den Wasf vorzugsweise in der Reimprosa innerhalb der Erzahlungen (z.B. Ii02f. 141 f. II 393. III 608 f. 654. V 113.365. 450f. 674f. 7o8f); nur einmal ist ein regelrechtes Beschreibungslied mitgeteilt (V 607 f), es ist dort Einschaltung innerhalb einer poetischen Erlebnisscbilderang (von S. 607, Z. 23 bis S. 608, Z. 27 reichend). Moderne Beispiele: Wetzstein bei Delitzsch, Hoheslied und Kohelet, 1875, 174 ff; Dalman, S. 100 f. uoff. i2off. i3off. 245ff. 251 ff. Die Beschreibungslieder haben zum Inhalt eine in bestimmter Reihenfolge verlaufende, mehr oder weniger detaillierte Schilderung aller körpcrlichen Vorzüge der Geliebten, der Braut bezw. der Neuvermahlten oder, seltener, auch des Geliebten (Brautigams). Die einzelnen Körperteile werden der Reihe nach genannt, entweder beim Kopf angefangen (Augen, Haar, Zahne usw.; so 4, iff; 6, 4a. 5b—7; 5, 10 ff) und endend bei Leib, Vulva')bezw. ') Der Text von 4,iff weist zwischen 5a und 7 eine Lücke von 2 Verszeilen auf, die jetzt durch 5b. 6 aufgefüllt ist. Vermutlich hat man die Beschreibung, die wie aus der Reihenfolge zu erschliessen ist, Leib und Vulva gewidmet gewesen sein muss, als allzu anstössig empfunden und durch die versteckte allegorische Aussage ersetzt. Die Tatsache einer Lücke ergibt sich zwingend aus der klaren strofischen Gliederung dieses Liedes. Es hat 3 Strofen zu je 4 Zeilen: v. if; 3f; 5a.. 7- Die vierte Zeile markiert den Strofenabschluss dadnrch, dass sie lediglich das Bild der vortufgehenden Zeile weiter ausführt, wahrend in den ersten drei Zeilen jedesmal von Zeüe zu Zeile Büd nnd Körperteü wechseln. In der letzten Strofe ist v. 7 zugleich Abschlusszeile für das ganze Gedicht. Schön Ut auch der Stilwechsel in diesem Liede; in Strofe I und 3 beginnen die Zeilen mit der Namhaftmachung des bewunderten Körperteils, in der 2. Strofe dagegen mit den Vergleichsbildern. Leib, Schenkel und — zusammenfassend — Gestalt, Gaumen (= Kuss). Oder die Schilderüng geht, wie in 7, 1 ff, von der Bewunderung der Tanzschritte aus zu einer Beschreibung von Hüften, Schoss, Brüsten, Hals, Augen, Nase, Kopf und Haar — also von unten nach oben — weiter. AU diesen Körperteilen wird durch ein bestimmtes, meist feststehendes (in den modernarabischen Parallelen vielfach schablonenhaft feststehendes) Vergleichsbild uneingeschrankte Bewunderung gezollt. Man konnte daher das Beschreibungslied als eine Sonderart des Bewunderungsliedes ansprechen, wo eben der Vergleichungsteil besonders breit ausgefallen ist. Aber das stete Fehlen des „Ausklangs", der dem~ Bewunderungslied eigentümlich ist, und der besondere „Sitz im Leben" mögen es rechtfertigen, das Beschreibungslied als eigene Gattung aufzufassen. Die Beschreibungslieder (auch die arabischen Beispiele) setzen stets ihrem Hauptstück eine Einleitung voraus. Die Einleitung ist in den Beispielen des Hohen Liedes kurz, eine oder, wie in 4, 1 ff, auch nur eine halbe Zeile umfassend. Sie spricht in Form einer Feststellung (4, 1) oder eines Vergleichs (6, 4a) oder einer rhetorischen Frage (7, 2a) eine allgemeine Bewunderung der Schönheit der besungenen Person aus und gleicht darin ganz der Einführung, wie sie im Bewunderungslied vorkommt. Sie kann aber auch, wie in dem Falie 5, 10 ff, der detaillierten Schilderüng eine allgemeine Preisschilderung voraufstellen: Mein Liebster ist blank und rot, überragt die Zehntausende. In zwei Fallen ist der Einleitung noch eine besondere chorische Einführung voraufgestellt: 5, 9 und 7, 1. Eine Abschlusszeile kann entweder fehlen (wie in 7, 1 ff) oder ist der Einleitung korrespondierend gestaltet (4, 7; 5, 16 b). Die beiden Choreinführungen des Beschreibungsliedes, die in 7, 1 bezw. 5, 9 gegeben werden, weisen auf Vorgange bei den Hochzeitsfeierlichkeiten hin. Nach 7, 1 wird das Beschreibungslied auf die Braut von den Umstehenden gesungen, wenn die Braut ihren Tanz vorführt, u.z. wohl nicht nach Art heutiger syrischer Hochzeitsbrauche den Schwerttanz'), sondern (worauf <) So Wetzstein in Zeitschr. f. Ethnol. 5, 1873, 370C 7, 2 hinweist) den Paradiertanz (dschelwe), der heute in hölzernen, mit Perlmutter ausgelegten Stelzschuhen ausgeführt wird'). Das Beschreibungslied auf den Geliebten ist mit anderen Stücken zu einem Liederzyklus vereinigt worden, der vom Suchen nach dem vermissten Geliebten und vom Wiederauffinden und der Vereinigung mit ihm singt. Hier liesse sich an einen Hochzeitsbrauch denken, der den ehedem am Kultfest dramatisch dargestellten Mythus von Tammuz und Ischtar (oder der ihnen verwandten Göttergestalten) auf die Ebene menschlichen Liebeslebens gezogen nachklingen liess. Mag das Beschreibungslied in solchen Hochzeitsbrauchen, u. z. vornehmlich als Lied beim Paradiertanz der Braut2), seinen Ursprung haben, so ist es doch mit der Zeit auch losgelöst davon verwendet worden. Ja, es kann auch für die Beschreibung anderer Dinge übernommen werden, etwa des Schmuckes der Braut oder gar, wie in einem modernen Beispiel (Dalman H2fT), für die Beschreibung eines verlorenen Messers. So beschreibt das Hohe Lied in einem zweistrofigen Gedicht 3,6-11 die aus der Steppe heraufkommende Brautsanfte, beginnend mit einer unmittelbar in die Beschreibung hineinführenden rhetorischen Frage und endend mit einer Aufforderung an die Jerusalemerinnen, hinauszugehen und den König, den Hochzeiter, in seinem Schmuck zu bewundern. Dieses Lied stellt somit eine Mischform zwischen Beschreibungslied, aus dem es hervorgegangen ist, und Bewunderungslied, dem es sich im Aufbau stark angeglichen hat, dar. — Ein Liedsplitter mit ahnlichem Anfang wie 3,6 ff ist 8,5 a. 4. Die Selbstschilderung In zwei reizvollen Beispielen aus dem Munde einer Schonen liegt diese Liedart im Hohen Lied vor: 1,5 f und 8,8-10. Beide weisen eine Zweiteilung auf: die mit Vergleichsbildern dargelegte Schilderüng des gegenwartigen Aussehens und die Rechtfertigung solcher Darlegung aus einem in der Vergangenheit liegenden Verhalten der Brüder (als der Muntwalte des Madchens). In 1,5 f geht die Schilderüng des gegenwartigen Aussehens vorauf und ') So Dalman S. 257, Anm. 2. 2) Beschreibungslieder werden aber heute nicht bei der Dschelwe gesungen. Festschrift Littmann die Rechtfertigung folgt, durch eine überleitende Anrede eröffnet, nach '). In 8,8-10 ist es umgekehrt; das Verhalten der Brüder wird breiter und durch Verwendung der direkten Rede sehr lebendig vorgeführt; die Selbstschilderung ist dann kurz, greift eins der vorher gebrachten Bilder kraftvoll heraus und schliesst mit der Feststellung, dass nun alles gut sei2). 5. Das Prahllied Als Prahllieder würde ich ansprechen 6,8 f und 8,nf. Beide verfahren so, dass sie dem stattlichen Besitz des Königs (Salomo), sei es seinem ertragreichen und wertvollen Weingut fernab in Baal Hamon, sei es seinem ansehnlichen Harem mit seinen 60 Königinnen, 80 Nebenfrauen und den zahllosen Dienerinnen, den eigenen Reichtum gegenüberstellen, die Nahe einer reizvollen Geliebten, das „Einzigsein" seiner „fehllosen Taube", die sich in den Besitz des geliebten Mannes nicht mit anderen zu teilen braucht. Beiden ist ferner eigentümlich, dass sie zum Abschluss durch eine geschickte Wendung, die sie aus der Gegenüberstellung gewonnen haben, das Prahlmotiv zum rechten Klingen bringen: 200 Dukaten zahle ich den Wachtern noch obendrein, so 8,12; der ganze königliche Harem musste solche beneidenswerte und bevorzugte Stellung preisen, so 6,9 b. 6. Das Scherzgesprach In dem Liede 1,7 f fragt ein Madchen in sehnender Liebe aus dem Wunsch nach einem ZusammentrefTen mit dem Geliebten, wo dieser um die Mittagszeit mit seinen Tieren lagert; sie scheue es, seine Berufsgefahrten danach fragen zu müssen. Die Antwort, die der Hirt der „Schönsten unter den Frauen" gibt, besagt: ') Zur Dunkelfarbigkeit des Madchens vgl. den Streit zwischen „braunen" (beduinischen) und „weissen" (stadtischen) Madchen in der neuarab. Volkspoesie. Ferner auch: iooi Nacht III 297. 305; V. 546. 2) Der Sinn dieses Liedes ist übrigens nicht, wie Budde erklart hat, dass die Brüder in Sorge gewesen seien, es könne der Schwester durch ihre aufgeblühte Schönheit Gefahr entstehen. Sie befürchleten vielmehr, es könne ihnen dermaleinst ihre Schwester sitsen bleiben, sei es dass sie glatt wie eine Mauer, reizlos und unzuganglich wird, sei es dass sie allzu freigebig wird („Tür" vgl. Sprüche 22, 22) nnd jedwedem Zutritt gibt. wenn Menschen den Weg zueinander nicht wissen, sollen sie dem Instinkt der Tiere folgen, die finden zueinander. Dabei mag mitschwingen, dass im Alten Oriënt das Ziegenböckchen in besonderer Beziehung zur Liebe stand, also eine besonders verlassliche Leitung sein könne. 7. Die Erlebnisschilderung Die Erlebnisschilderungen sind poëtisch gestaltete Erzahlungen in der Ichform. Aus dem Munde der Geliebten hören wir 2,8.9b vom nachtlichen Besuch des Geliebten (das ursprünglich für sich stehende Lied ist nachtraglich durch die Überleitung 2,10a mit dem folgenden andersartigen Stück 2,10-13 verknüpft worden). Das Motiv des nachtlichen Besuchs des Geliebten spielt auch in dem Traumerlebnis 5,2-6 seine Rolle, ist aber hier so gewendet, dass der Geliebte, als das Madchen aufsteht ihm zu öffnen, entschwunden ist, und lauft damit in das Motiv des Suchens und Nichtfindenkönnens ein '). Wohl durch „Zersingen" ist an dieses Lied mit 5,7f angefügt das Motiv von der Begegnung mit den Wachtern, von denen hier ausgesagt wird, dass sie das suchende Madchen schlagen und misshandeln; ferner folgt ein refrainartiges beschwörendes Wort, das ursprünglich wohl im Sehnsuchtslied zu Hause gewesen ist und hier nun auch den Klang der Sehnsucht nach dem Geliebten verstarken will. Vom nachtlichen Suchen nach dem Geliebten und von der Begegnung mit den Wachtern — hier aber organischer in das Lied eingebaut — handelt 3,i-4b«; das Lied führt aber hin zu einem glücklichen Finden. Der beschwörende Refrain ist auch hier nachtraglich — mit einer leichten Modifizierung seines Eingangs — angehangt worden; 3,4b/3-5. Wahrend alle diese Stücke von relativ grösserem Umfang sind, bestehen die Erlebnisschilderungen des Geliebten nur aus wenigen Zeilen. Das Lied 6,11 f beschreibt kurz das überraschende, unvermutete Zusammentreffen mit der Geliebten im Garten und bricht dann ab. Die Stimmung, die hier herrscht, ist die Freude über die Vereinigung mit der Geliebten. Im Unterschied zu verwandten Beispielen aus 1001 Nacht ist festzustellen, dass auf jede weitere Ausmalung, besonders erotischer Details, verzichtet wird. ') Das gleiche Motiv in knappster Form : looi Nacht, V. 757. Noch kürzer ist, wenn es sich nicht überhaupt nur um ein Fragment einer naher nicht mehr bestimmbaren Liedart handeln sollte, 8,5b. Auffallig ist dabei auch die Anredeform. 8. Sehnsuchtslieder Es ist beachtlich, in welch geringer Zahl von Beispielen der ausgesprochene Typus des Sehnsuchtsliedes im Hohen Lied vertreten ist, wenn man die stattliche Zahl solcher Lieder in 1001 Nacht daneben halt. Und es darf auch vermerkt werden, dass die in der arabischen Poesie oft mit dem Sehnsuchtslied verbundene, öfter aber noch selbstandig neben ihm stehende Klage über enttauschte oder verlorene Liebe, verloren durch Trennung oder Tod, im Hohen Lied überhaupt nicht vorkommt. Man darf das gewiss damit erklaren, dass solche Lieder in eine Sammlung von Liebesliedern, die bei einer Hochzeit gesungen wurden, absichtlich nicht aufgenommen wurden. Denn dass sie ganz und gar gefehlt harten, darf wohl angesichts der Erzahlung über Jeftas Tochter (Richt. 11,37 ff) nicht angenommen werden. Die vorwiegende Form des Sehnsuchtsliedes spricht in einer Reihe von Imperativen den Inhalt des sehnenden Begehrens aus und schliesst, durch ein "denn" verknüpft, eine kürzere oder langere Begründung an. So 2, 4f: Bringet mich in das Weinhaus, hangt Liebe über mich als Abzeichen aus! ') Starket mich mit Rosinenkuchen, labet mich mit Apfeln! Denn liebeskrank bin ich. Wahrend hier auf eine Reihe von Imperativen eine ganz knappe Begründung folgt, liegt es umgekehrt in 8, 6f: Lege mich wie einen Siegelring auf dein Herz, wie eine Spange auf deinen Arm; denn... Und nun folgt anstelle einer Schilderüng des Eigenzustandes eine breit ausgeführte Schilderüng über die Macht der Liebe. Ein imperativischer Ausdruck der Sehnsucht mit einer ange- >) Vgl. dazu Jacob S. II. Ahnl. 1001 Nacht, II 500. schlossenen Begründung und dann nochmalige Aufnahme der Imperative ist die in l, 2—4 vorliegende Auspragung der Form des Sehnsuchtsliedes. Die Begründung hat dabei den Stil des Bewunderungsliedes übernommen. Das Lied 2, 14 (verwandt damit 8, 13) setzt dem regelmassigen Formschema seinerseits noch eine breit fonnulierte Anrede voraus. Aufforderung mit eingeschlossener Anrede bildet in dem Lied 2, 10—13 Eingang und Schluss. Die dazwischenstehende Begründung, eine reizvolle Schilderüng, wie nach Ablauf der winterlichen Regenzeit alles wieder grünt und blüht, schiebt sich dadurch als Kernstück des Liedes kraftig in den Vordergrund. Umgekehrt verhalt es sich bei dem Liede 7, 12—14. Die Aufforderungen gehen hier allmahlich in beschreibende Aussagen über und haben eine Begründung ganz verdrangt. Dazu hat der wohl als Abschluss anzusprechende v. 13 b ausdrücklich das Motiv der Sehnsucht nach dem Geliebten umgesetzt in die Verheissung baldiger Vereinigung mit ihm. Auch das Lied 4, 8, auf dessen Inhalt phönikisch-kanaanaisches Mythengut eingewirkt haben dürfte1), hat die Begründung ganz feilen gelassen und bringt nur die werbenden Imperative. Eine stilistische Variierung dieses Liedtypus unter sinngemasser Wahrung der eigentümlichen Auf baumerkmale liegt in dem Liede 8, 1 f vor. Anstelle der Imperative ist die Wunschformulierung getreten: .O dass du mein Bruder warest...". Der Nachsatz bezw. die Haufung der Nachsatze einer solchen potentialen Bedingung, wie sie der Wunsch hinstellte, vertritt dann die Begründung. Schluss Die althebraische Poesie hat auch für das Liebeslied eine Reihe von Formtypen gepragt, durch die sie die Stimmungen und Gefühle der Liebenden zum Ausdruck kommen lasst. Zweifellos sind uns nicht mehr alle Liedformen erhalten, die ehedem vorhanden waren; es fehlt insbesondere, wie schon oben bemerkt, die Liebesklage. Es fehlen aber auch, verglichen mit dem Reichtum in 1001 Nacht, etwa Abschiedslieder, Trostlieder, Gelöbnisse u. dergl. mehr. Erfreulicherweise fehlen die gereimten Unanstandigkeiten, darunter auch die Loblieder auf die Knabenliebe. Die ') So erstmalig Bertholet in Zeittchr. f. d. alttestl. Wiss. Beih. 33, 1918,47—53. konventionelle Form wird in der Volkspoesie, die im Hohen Lied ausnahmslos zu Worte kommt, weithin mit Meisterschaft beherrscht und wirkt selten als blosse Schablone; vielmehr erfreuen diese Lieder den Leser immer wieder durch die anmutige Differenzierung an Farbtönung und durch ein naives entzückendes Sichhingeben an den Gegenstand der Dichtung, gerade weil es bei alledem ein Wissen üm die Grenzen gibt, um die formalen nicht nur, sondern auch um die der Sache. DlpïS: LOCUS EINE ERLAUTERUNG ZU TOSEFTA SUKKA IV 28 VON KARL HEINRICH RENGSTORF Die Mischna berichtet Sukka V 8: „Die zum Dienst eintretenden (Abteilungen) verteilen (,was ihnen an Schaubroten zukommt, jeweils) im Norden und die abtretenden im Süden; (nur) Bilga verteilt für alle Zeit im Süden, und ihr (Schlacht-)Ring ist festgemacht und ihre Nische verschlossen". Wir hören also von einer empfindlichen Massregelung, die der fünfzehnten unter den vierundzwanzig Priesterordnungen (i.Chron. 24, 14) zuteil wurde. Sie bestand darin, dass sie gewissermassen ihren ordnungsgemassen Platz unter samtlichen Priesterordnungen einbüsste und ausserdem nunmehr auf das Entgegenkommen und die Hilfsbereitschaft der übrigen Ordnungen angewiesen war, wenn sie die für die Durchführung des Opferkultes notwendigen Arbeiten zu tun, und vor allem, wenn sie die Schlachtung der Opfertiere vorzunehmen hatte •). Den Anlass dieser harten Behandlung verschweigt die Mischna. Dafür bringt die Tosefta Sukka IV 28 ihrerseits eine Erklarung oder doch den Versuch einer Erklaruhg, die sich mit geringen Abweichungen auch in den beiden Talmuden findet (b. Sukka 56b Bar.; j. Sukka 55 d, 40ff.). Hier lesen wir2) folgendermassen »): ') Zu den einzelnen Strafbestimmungen der Mischna vgl. H. Bornhauser, Sukka, 1935, S. 170 f. 2) H. Bornhauser steilte mir seine textliche Bearbeitung der Stelle — er bearbeitet den Toseftatraktat Sukka fttr die i. Reihe der bei W. Kohlhammer erscheinenden Rabbinischen Texte — freundlichst zur Verfttgung, die ich dankbar benutzt habe. 3) Bemtrkungen turn Text: Dem Text liegt der Text der Erfurter Handschrift der Tosefta (= E) zugrunde; vermerkt sind die Lesarten der Londoner (=L) und der Wiener (= W) Handschrift sowie des ersten Druckes in der AÜasi-Ausgabe ron iSaif. (= A.) arub ALW — b + 1 DITO np!>Yi AW — cTijnD A — „Bilgas (Schlacht-)Ring ist für immer festgemacht, und ihre Nische ist verschlossen wegen Mirjam, der Tochter Bilgas (d. h. einer Frau aus der Ordnung Bilga), welche abtrünnig wurde und hinging und sich mit einem Offizier der griechischen (d. h. wohl: syrischen) Könige verheiratete. Als namlich die Griechen (d. h. die Syrer) in den Tempel eindrangen, ging Mirjam (ebenfalls) hinein und schlug auf den Altar und sagte zu ihm: 'D,p'l7» D'pv» du zerstörst das Vermogen der Israeliten; aber du stehst ihnen nicht bei in der Stunde ihrer Bedrangnis'. — Und manche sagen: ,Weil sie (d. h. die Ordnung Bilga) den Antritt ihres Tempeldienstes hinzögerte und ihr Bruder Jescheb'ab (die 14. Priesterordnung) hineinging und an ihrer Stelle diente; darum wird Bilga als solche gesehen, die für immer beim Abtreten ist, und wird Jescheb'ab als solche gesehen, die für immer zum Dienst antritt.' Alle bösen Nachbarn ') empfangen keinen Lohn ausser Jescheb'ab, die der Nachbar Bilgas war und Lohn empfing." i) Damit können nur solche Nachbarn gemeint sein, die das an sich zu bringen suchen, was von Rechts wegen dem Nachbarn gehort. VgL dazu etwa Berakot II 9. Wir bekommen also gleich zwei Begründungen der entwürdigenden Behandlung der Priesterordnung Bilga, von der die Mischna berichtet. Die zweite von ihnen wird man für sekundar halten dürfen. Das geht aus der Art und Weise, in der die ganze Frage in den Gemaren der beiden Talmude besprocben wird, mit einiger Sicherheit hervor. Deshalb lassen wir sie im folgenden beiseite und beschranken uns auch quellenmassig auf den ersten Teil der Uberlieferung. Was diesen betrifft, so weisen seine Parallelen im jerusalemischen und im babylonischen Talmud nur geringe Abweichungen auf. Auch hier haben wir dieselbe ratselvolle Anrede an den Altar, nur in der Schreibung Dipi?, Dlpta die ja aber durch die Londoner Handschrift auch für die Tosefta bezeugt ist. Die schmahenden Worte der Mirjam lauten im Jeruschalmi gleich mit Ausnahme des letzten, wo start des ppy der Tosefta ein fpnn erscheint; eine Veranderung des Sinnes bringt die andere Vokabel nicht mit sich. Dagegen ist im Babli aus dem gegen den Altar erhobenen Vorwurf eine temperamentvolle rhetorische Frage geworden : „ Wie lange willst du das Geld (pOD) derlsraeliten vertilgen (PPDÖ), ohne dass du ihnen in der Stunde der Bedrangnis (njflP2 pmn) beistehst?" Hier wird auch mitgeteilt, dass der Schlag auf den Altar mit einer Sandale erfolgte. Da es verboten war, den Tempelbezirk mit Schuhen an den Füssen zu betreten'), bedeutete ein derartiger Schlag eine besonders schwere Versündigung. Hier soll der Zug wohl dazu dienen, die Frivolitat des Verhaltcns der zum Heidentum abgefallenen Priestertochter zu kennzeichnen; gerade sie musste wissen, was sie tat, wenn sie sogar mit einer Sandale nach dem Altar Gottes schlug. Wir verzichten hier auf die Klarung des geschichtlichen Problems der Stelle, zumal sie ohne irgendwelchen festen Ausgangspunkt garnicht möglich ist und der Text einen solchen nicht ohne weiteres an die Hand gibt. Dagegen fragen wir nach dem Sinn der merkwürdigen Anrede, mit der in der Anekdote Mirjam vor den Altar tritt: D^p")*? D'pi^> bzw. Dipi^> Dipi1?- Wir legen im folgenden die zweite Form zugrunde. An sich ist eine derartige Anrede nichts Ungewöhnliches. >) Vgl. Tos. Berakot VII 19. b Joma 39 b Bar. wird erzahlt, dass Rabban Jochanan ben Zakkai den Tempel mit den Worten „Tempel, Tempel (/^Pl, ^^POi warum angstigst du dich ?" „anfuhr", als vierzig Jahre vor seiner Zerstörung neben anderen seltsamen und Furcht erweckenden Geschehnissen die Tempeltore sich von selbst öffneten. Wir haben aber auch Beispiele für eine direkte Anrede des Altars, so i. Kön. 13, 2 in der Unheilsprofetie eines Jahwe-Profeten gegen den Höhendienst in Israël unter Jerobeam, die in der Form einer Weissagung an den von dem König in Bethel errichteten Altar ergeht und mit den Worten n2TD» ri2tO» beginnt; ahnlich ist es wohl Jes. 29, if. 7, wo mit allerdings der Altar des Tempels in Jerusalem gemeint ist, und zwar die obere Flache des Brandopferaltars (vgl. Ez. 43, 15 f.) Dennoch kommt allen diesen Stellen nur die Bedeutung formaler Parallelen zu. Wenn Jochanan ben Zakkai den Tempel „anfahrt", so meint er auch wirklich den Tempel und nicht etwa eine andere Grösse. Das ist 1. Kön. 13, 2 insofern anders, als die Unheilsweissagung gegen den fremden Altar sich im Grunde gegen den richtet, der ihn erbaut hat und für sein Dasein verantwortlich gemacht werden muss, namlich gegen Jerobeam. Jes. 29, 1 ff. gilt der an den Altar gerichtete Weheruf in ahnlicher Weise eigentlich der Stadt Jerusalem als dem Ort des Altars und des Tempels und ihren Bewohnern. Immerhin sind in beiden Fallen die eigentlichen Adressaten Menschen, die in besonderer Weise mit dem betreffenden Altar verbunden sind. In unserer Anekdote dagegen meint Mirjam, wenn sie den Altar anredet, deutlich den, dem er geweiht ist. Hier liegt ein gewichtiger Unterschied gerade gegenüber dem Worte Jochanan ben Zakkais an den Tempel. Der grosse Rabbine wandte sich namlich wirklich beschwörend an den Tempel, wahrend Mirjam unmöglich erwarten konnte, dass der Altar den Israeliten ebenso beistehen würde, wie er sich von ihnen unter nicht geringen Optern an Vermogen bedienen liess. Die lasternde Anrede der abgefallenen Priestertochter gilt vïelmehr Gott. Ihr Sinn liegt ganz auf der Linie von Ps. 14, 1. Das Ausbleiben der göttlichen Hilfe wird zum Anlass, die Sinn- ') Vgl. die Kommentare zu den Stellen. losigkeit des Altardienstes und damit des bisherigen Gottesdienstes Israels überhaupt zu behaupten, und dies wieder enthalt nicht mehr und nicht weniger als die Aufforderung der Judenschaft zum Abfall vom bisherigen Gottesdienst und vor allem auch die Rechtfertie ung des eigenen Abfalls von der vaterlichen Religion. Im Zusammenhang damit dient das Schlagen des Altars mit der Hand oder gar mit einer Sandale (Babli) dazu, den Zorn Gottes herauszufordern — falls Gott überhaupt da ist. Dieser Akt als solcher bedarf keiner Erlauterung; Belege für ein derartiges oder ahnIiches Schlagen der Gottheit oder ihrer Substitute sind aus den verschiedensten Religionskreisen bekannt. Erst nach diesen Erwagungen lasst sich die Anrede selbst ins Auge fassen. Sie wird ganz regelmassig dahin erklart, dass Mirjam ein griechisches Wort zur Anrede benutze: Aww$, Aü«$: Wolf, Wolf1). Dieser Deutung stehen sprachliche Schwierigkeiten in der Tat nicht entgegen; man kommt vielmehr fast notwendig auf Xvxoe, wenn man sich nach einem griechischen Wort umsieht, das hier als Fremdwort gebraucht sein könnte. Aber so einfach die Sache sprachlich zu liegen scheint, so gross sind die sachlichen Schwierigkeiten, die sich aus dieser Deutung des Wortes ergeben. Wie soll die Frau dazu kommen, ausgerechnet mit dem Worte „Wolf" höhnend den Altar anzureden? Soweit At5jw$ sonst als Fremdwort in der spatjüdischen Literatur vorkommt, dient es stets zur Kennzeichnung von Nichtjuden als ebenso wilden wie unreinen Menschen etwa im Sinne unseres „Barbaren" 2). Von diesem üblichen Sprachgebrauch aus führt zu dem Gebrauch des Wortes in der hier besprochenen Baraitha keine Briicke. Vor allem ist die Anrede „Wolf" an den Altar recht auffallig, und die Worte der Frau sind nach dem Bericht eben doch ganz deutlich an den Altar gerichtet. Vollends wird die Anrede „Wolf" sinnlos, wenn man die zweite Halfte des Satzes ins Auge fasst. Kann man von einem Wolf überhaupt erwarten, dass er Beistand leistet? Oder nennt Mirjam den Altar etwa deshalb einen Wolf, weil sich herausgestellt hat und es nun für jeden, der es sehen will, erkennbar ist, dass der „Altar" seinem Wesen nach allein auf das rücksichtsloseste Nehmen bedacht ist, aber nicht daran denkt, ') Vgl. etwa E. Baneth, Ordnung Festzeit, in: Die sechs Ordnungen der Mischna, Bd. n, 1927, S. 358 zu Sukka V 8, sowie H. Bornhauser a.a.O., S. 171. 2) Vgl. die Stellen bei H. L. Strack und P. Billerbeck, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch, Bd. I, 1922, S. 465 f. / seinerseits die ihm dargebrachten Gaben durch Gaben zu erwidern, wie sie ihm zur Verfügung stehen ? Diese letzte Möglichkeit liesse sich annehmen, besonders dann, wenn man in den Worten Mirjams eine bewusste Verspottung des „Werkes" oder der „Leistung" der Frommen und des Volkes zu sehen bereit ware. Man müsste dann nur annehmen, dass ge zeigt würde, wie der „Leistung" keinerlei Lohn entspricht; damit ware dann ihre Sinnlosigkeit erwiesen. Aber es ist fraglich, ob man so weit gehen darf. Zudem sollte man, wenn die Dinge so anzusehen waren, gerade eine direkte Wendung an Gott erwarten. Ohne sie bleibt das Wort dunkel oder doch gedanklich uneinheitlich und zerfahren, uud so kommt man auch auf diesem Wege letztlich nicht zum Ziele. Die notwendige direkte Wendung des Satzes an Gott, die sich über Dlpl7 = AtJxof nicht herstellen lasst, ist nun ohne weiteres da, wenn man auf diese übliche Deutung des fraglichen Wortes verzichtet und statt dessen in Dlpl^ zunachst einmal das lateinische locus wiederfindet. Es ist das lateinische Aequivalent zu dem hebraischen DfpQ, das im Spatjudentum ein haufig gebrauchtes Ersatzwort für den unaussprechlichen Gottesnamen war und als das griechische riirog auch in die religiöse Sprache des hellenistischen Judentums übergegangen ist.') Ist diese Verknüpfung richtig, dann haben wir an unserer Stelle die gebrauchlichste Gottesbezeichnung der Zeit der Tannaiten vor uns, nur im lateinischen Gewande. Das würde zugleich die Lösung der oben besprochenen Schwierigkeit bedeuten, dass der Altar angeredet wird, wahrend doch Gott gemeint ist. Dürfen wir die Gleichsetzung Dip v = locus = D1pD = tóttos vollziehen, dann ist Gott ebenso angeredet wie gemeint. Nur der Schlag gilt dann dem Altar, aber eben dazu, um seinen Besitzer zu einem Gottesurteil herauszufordern, mit dessen Ausbleiben jedoch von vorn herein gerechnet wird. Die vorgeschlagene Gleichsetzung löst also eine nicht unerhebliche Schwierigkeit des Textes. Man wird sagen dürfen, dass das immerhin ein wenig für sie spricht. Noch mehr spricht für sie, dass sie die übliche Herstellung einer Beziehung von j ') Vgl. A. Marmorstein, The old rabbinic Doctrine of God, Bd. I, 1927, S. 93 f. Am«5 nicht nur nicht ausschliesst, sondern im Gegenteil im Sinne einer wirklich sinnvollen Beziehung überhaupt erst ermöglicht. Es gibt zwei Möglichkeiten, bei ihr zu bleiben. Einmal ist möglich, dass von Anfang an ein Wortspiel beabsichtigt war: Gott, der QlpD / locus, erweist sich in seinem Verhalten gegen sein schwer bedrangtes Volk als ein Aww$. Weiter liesse sich daran denken, dass die naheliegende und wohl schon im Babli bewusst nahegelegte Lesung Dlpl7 / Auws den Versuch enthalt, den Gebrauch des heiligen Gottesnamens D1pÖ / locus in einer furchtbaren Lasterung Gottes so weit wie irgend möglich zu vertuschen, wenn damit auch nur eine relative Abschwachung erreicht sein würde. Mir scheint die erste der beiden erwogenen Möglichkeiten die grössere Wahrscheinlichkeit zu besitzen, allerdings in einer gewissen Verknüpfung mit der zweiten. Diese lage darin vor, dass schon frühzeitig die Pointe des Dlpl7 nicht mehr verstanden wurde. Das ist — man wird es sagen dürfen — bereits im Babli der Fall. Hier ist namlich das nTDVH der ursprünglichen Tradition durch ein rf73D ersetzt worden, und das bedeutet im Grande nichts anderes als eine Angleichung an die Bezeichnung des Altars als Es ist das eine Beobachtung, die nicht überrascht. Der Text der Anekdote im Babli zeigt ja auch sonst in der Form ebenso wie in dem Erscheinen der Sandale in der Hand der Mirjam deutliches Wachstum der Ueberlieferang. So wie sie dort heute vorliegt, setzt sie also bereits das Verschwinden von Dïpl^ / locus zugunsten von ÜfpT? / voraus, und zwar ganz eindeutig, da auf jede nahere Reflexion über das doch recht seltsame Wort verzichtet wird. Als Nebenergebnis lasst sich nunmehr noch eine formgeschichtliche Erkenntnis anfügen. Enthalt das üïph Dipt1? ursprünglich ein Wortspiel D1pl7 / locus, aus dem dann ein weiteres Wortspiel locus / Aiixe? herauswuchs, so kann es unmöglich auf Mirjam selbst zurackgehen. In der syrischen Zeit war QlpD als Gottesname noch durchaus ungebrauchlich. Die Anekdote kann ihre Form aber erst in einer Zeit empfangen haben, in der jedermann wusste, dass man mit DTpD und seinen Aequivalenten aus anderen Sprachen von Gott sprechen konnte und sprach. Für diese Zeit seinerseits die ihm dargebrachten Gaben durch Gaben zu erwidern, wie sie ihm zur Verfügung stehen? Diese letzte Möglichkeit liesse sich annehmen, besonders dann, wenn man in den Worten Mirjams eine bewusste Verspottung des „Werkes" oder der „Leistung" der Frommen und des Volkes zu sehen bereit ware. Man müsste dann nur annehmen, dass gezeigt würde, wie der „Leistung" keinerlei Lohn entspricht; damit ware dann ihre Sinnlosigkeit erwiesen. Aber es ist fraglich, ob man so weit gehen darf. Zudem sollte man, wenn die Dinge so anzusehen waren, gerade eine direkte Wendung an Gott erwarten. Ohne sie bleibt das Wort dunkel oder doch gedanklich uneinheitlich und zerfahren, uud so kommt man auch auf diesem Wege letztlich nicht zum Ziele. Die notwendige direkte Wendung des Satzes an Gott, die sich über Dlpl'? = aüjccs nicht herstellen lasst, ist nun ohne weiteres da, wenn man auf diese übliche Deutung des fraglichen Wortes verzichtet und statt dessen in D1pl7 zunachst einmal das lateinische locus wieder findet. Es ist das lateinische Aequivalent zu dem hebraischen D1pD, das im Spatjudentum ein haufig gebrauchtes Ersatzwort für den unaussprechlichen Gottesnamen war und als das griechische tóitos auch in die religiöse Sprache des hellenistischen Judentums übergegangen ist.') Ist diese Verknüpfung richtig, dann haben wir an unserer Stelle die gebrauchlichste Gottesbezeichnung der Zeit der Tannaiten vor uns, nur im lateinischen Gewande. Das würde zugleich die Lösung der oben besprochenen Schwierigkeit bedeuten, dass der Altar angeredet wird, wahrend doch Gott gemeint ist. Dürfen wir die Gleichsetzung Dlpl7 wé locus asx Q1pD = róiroi vollziehen, dann ist Gott ebenso angeredet wie gemeint. Nur der Schlag gilt dann dem Altar, aber eben dazu, um seinen Besitzer zu einem Gottesurteil herauszufordern, mit dessen Ausbleiben jedoch von vorn herein gerechnet wird. Die vorgeschlagene Gleichsetzung löst also eine nicht unerhebliche Schwierigkeit des Textes. Man wird sagen dürfen, dass das immerhin ein wenig für sie spricht. Noch mehr spricht für sie, dass sie die übliche Herstellung einer Beziehung von Dlpl/ zu ') Vgl. A. Marmorstein, The old rabbinic Doctrine of God, Bd. I, 1927, S. 92 f. Awcc? nicht nur nicht ausschliesst, sondern im Gegenteil im Sinne einer wirklich sinnvollen Beziehung überhaupt erst ermöglicht. Es gibt zwei Möglichkeiten, bei ihr zu bleiben. Einmal ist möglich, dass von Anfang an ein Wortspiel beabsichtigt war: Gott, der DipQ / locus, erweist sich in seinem Verhalten gegen sein schwer bedrangtes Volk als ein \vxof. Weiter liesse sich daran denken, dass die naheliegende und wohl schon im Babli bewusst nahegelegte Lesung DïpP / Aiixo$ den Versuch enthalt, den Gebrauch des heiligen Gottesnamens D1pD / locus in einer furchtbaren Lasterung Gottes so weit wie irgend möglich zu vertuschen, wenn damit auch nur eine relative Abschwachung erreicht sein würde. Mir scheint die erste der beiden erwogenen Möglichkeiten die grössere Wahrscheinlichkeit zu besitzen, allerdings in einer gewissen Verknüpfung mit der zweiten. Diese lage darin vor, dass schon frühzeitig die Pointe des Dlpl7 nicht mehr verstanden wurde. Das ist — man wird es sagen dürfen — bereits im Babli der Fall. Hier ist namlich das nTD'VVi der ursprünglichen Tradition durch ein nfeD ersetzt worden, und das bedeutet im Grande nichts anderes als eine Angleichung an die Bezeichnung des Altars als Atixaf. Es ist das eine Beobachtung, die nicht überrascht. Der Text der Anekdote im Babli zeigt ja auch sonst in der Form ebenso wie in dem Erscheinen der Sandale in der Hand der Mirjam deutliches Wachstum der Ueberlieferung. So wie sie dort heute vorliegt, setzt sie also bereits das Verschwinden von Dlpï^ / locus zugunsten von DTpl?/^»? voraus, und zwar ganz eindeutig, da auf jede nahere Reflexion über das doch recht seltsame Wort verzichtet wird. Als Nebenergebnis lasst sich nunmehr noch eine formgeschichtliche Erkenntnis anfügen. Enthalt das Dïpl^ Dlp"6 ursprünglich ein Wortspiel Dlpl? / locus, aus dem dann ein weiteres Wortspiel locus / Awsoj herauswuchs, so kann es unmöglich auf Mirjam selbst zurackgehen. In der syrischen Zeit war DIpD als Gottesname noch durchaus ungebrauchlich. Die Anekdote kann ihre Form aber erst in einer Zeit empfangen haben, in der jedermann wusste, dass man mit D1pÖ und seinen Aequivalenten aus anderen Sprachen von Gott sprechen konnte und sprach. Für diese Zeit kommen nur die Jahrzehnte in Frage, in denen die Mischna und die übrige tannaitische Literatur entstanden. Will man sie noch genauer bestimmen, so könnte man die Schule Akibas als den Kreis vermuten, in dem die jedenfalls viel altere Anekdote ihre endgültige Gestalt empfing, umso mehr, als zur Zeit Akibas das Lateinische offizielle Amtssprache in Palastina war und ausserdem die Geistreichelei ein besonderes Merkmal seiner eigenen Arbeit ebenso wie der Arbeit seiner Schule darstellt. Allerdings entsteht mit diesem Letzten die weitere Frage, ob wir in der Ueberlieferung von Mirjam aus der Ordnung Bilga nicht überhaupt eine atiologische Legende zu sehen haben, in der sich an einen nicht mehr genau herauslösbaren geschichtlichen Kern reflektierende Dichtung angeschlossen hat. Aber dem haben wir hier nicht mehr nachzugehen. EINE PALMYRENISCHE BÜSTE VON HEINZ WUTHNOW Herr Major Würth von Würthenau in Frankfurt am Main besitzt die auf Seite 2 abgebildete Büste mit palmyrenischer Inschrift, die er als deutscher Offizier im Weltkrieg erworben hat. Sie stand im Garten des Nachlah Pascha in Ba'albek. Der Pascha selbst war aus politischen Gründen ausgewiesen worden, sodass über Herkunft und Schicksal des Stückes nichts Naheres zu erfahren war. Ein ahnliches Stück wie das vorliegende fiel auf dem Transport nach Deutschland ins Schwarze Meer. Das Material ist grauer Kalkstein. Die Gesamthöhe der Figur betragt 53 cm, die Breite in Augenhöhe des Kbpfes bis zum rechten Rande der Inschrift 27 cm, die Basis ist 42 cm breit; die Inschrift steht auf einer 12 cm breiten und 15 cm hohen Flache, der ganze Stein ist 13 cm dick. Das Gesicht der Büste zeigt ebenmassige Züge und ist sauber gearbeitet. Die Augenbrauen sind mit zwei neben einander laufenden Strichen, die Pupillen durch einen von einem Kreise umgebenen Punkt dargestellt Der Kopf ist mit einem Turban und einem Diadem bekleidet. Der Turban ist unverziert und nach der linken Seite des Kopfes herabgedreht wie bei der von Ingholt') als PS 32*) beschriebenen. Diese Büste zeigt auch ein ahnliches Diadem: in der Mitte ein durch senkrechte Striche abgeteiltes Pflanzenmuster, zu beiden Seiten „Kreuzlinien". Das rechts und links hoch gekammte Haar verdeckt die Enden des Diadems. Herab hangende Locken fehlen. Auch der sonst den ganzen Kopf umhüUende Schleier ist nur schwach angedeutet und wird erst wie ein Kragen über der rechten Schulter sichtbar 2 "a™;diIfe,,olt> ^dier over Palmyrensk Skulptur, K>benhavn I9a8. *) Ny Carlsberg Glyptotek 1079. und von der linken Hand vor der linken Schulter hoch gehaltenDort ist auch das Gewand mit einer einfachen runden Fibel befestigt, wahrend die rechte Hand einen anderen Zipfel des Schleiers vor der Brust fasst. Schmuckstücke sind wenig heraus gearbeitet: einfache Ohrringe, ein Ring am kleinen Finger und ein Armband mit Anhanger um das Gelenk der linken Hand. Wenn eine Datierung, die die Inschrift nicht gibt, gewagt werden soll, so können rein künstlerische Gesichtspunkte nicht Mass gebend sein. Das von Ingholt geordnete->Material lasst keine künstlerische Entwicklung in der palmyrenischen Skulptur erkennen. Man kann auch nicht etwa ein Vordringen des asiatischen Typus zum Nachteil des hellenischen fest stellen. Der Versuch einer Zeitbestimmung wird sich deshalb nach ausserlichen Merkmalen der Darstellungsweise zu richten haben: die Haltung der Hande und der Wurf des Schleiers weisen auf Ingholts Gruppe III Aa') (1. c. p. 144), also in die Mitte des dritten Jahrhunderts. Die Inschrift lautet: "ia "chü Die beiden ersten Zeilen Maliku bar Maliku sind klar. Die dritte Zeile macht Schwierigkeiten. Das Wort, das man erwartet 721*1 ist unter keinen Umstanden lesbar. Eben so wenig dürften die Zeichen als die Angabe des Jahres anzusprechen sein. ttf als Abkürzung für T\iV ist meines Wissens palmyrenisch nicht bekannt. Die beiden letzten Zeichen sind auch keine Zahlen. Ein Monatsname — etwa QIV — hatte ITV3 bei sich. Die Möglichkeit, dass ein Buchstabe fehlt und etwa HJfltf2) zu lesen ist, besteht nicht, denn es ist keine Spur davon und bei der sorgfaltigen Arbeit unwahrscheinlich. Ich möchte annehmen, dass nicht J» — so deutlich es auch da zu stehn scheint — sondern B zu lesen ist "©"P begegnet haufig: er hat Gutes erwiesen. So CIG 4490: xpevxvrx xuTOtg = tVT? TBTP, Waddington 2596: [kxi xpt]rxvri xvtois = pH/ TBtH» wahrend **p*7 immer mit «//ttif? evexev übersetzt wird. In den von Cantineau >) Auch die Hauptmerkmale bei Ingholt 1. c p. 18 Anm. 4: hoch gekSmmtes Hau und runde Fibel treffen zu. *) noch weniger K1VV oder mVlf- S. 65 EINE PALMYRENISCHE BÜSTE bisher gesammelten palmyrenischen Inschriften (Inventaire des inscriptions de Palmyre. I—VIL Beyrouth 1930 ff = Publications du Musée national Syrien de Damas) habe ich sieben mal •»£)*£" gefunden, aber immer mit Dativobjekt (einmal r&). Auch in der Inschrift 40 aus dem Tempel des Bêl, veröffentlicht von Cantineau in Syria XII 1931 p. 116 und den von Lidzbarski Ephemeris II Palmyrenische Inschriften H, N und U mitgeteilten steht *)S1P nie absolut. — Eine Tatsache, die sich allerdings aus der grosseren Ausführlichkeit all dieser Inschriften erklaren lasst. Zwischen der dargestellten Person und der Inschrift besteht ein Widerspruch: ïD?Q 13 kann keine Frau sein. Bisher hat sich auch noch keine weibliche Büste mit der Beischrift nur eines mannlichen Namens gefunden l). Dass es sich um die Halfte einer Doppelbüste handeln sollte, ist schwer zu glauben. Das Stück war wohl immer ein Ganzes so, wie es jetzt erhalten ist. Der Kopf ist auch sonst ohne Hintergrund auf der linken Seite frei heraus gearbeitet worden wie Ingholts PS 35 zeigt. W. Deonna teilt in der Syria IV 1923 Afonuments orientaux du Musée de Genève eine Büste mit, deren Inschrift (= Lidzbarski, Ephemeris I Palmyrenische Inschriften K) auf der Basis angebracht ist; aber auch diese Ausnahme kann hier kaum vermutet werden, da eben nichts zu fehlen scheint. Über das Verhaltnis des "|")?0 zu der dargestellten Frau lasst sich also aus ahnlichen Beispielen nichts folgern. Vielleicht gibt jedoch der bescheidene Schmuck der Frau einen Hinweis, falls er ihre soziale Stellung charakterisieren soll2). Das Gute, das "|"J^Ü getan hat, mag darin bestanden haben, dass er dieser Frau eine Grabstelle geschaffen hat, die ihr ihre Angehörigen nicht schaffen konnten. Vielleicht handelt es sich um eine Sklavin. Bei dieser Lösung ware auch in der Tat *}S1P ohne Objekt gut ertraglich. Dass der Name der Frau nun gar nicht genannt ist, befremdet trotzdem. ') Ich habe auch an die Möglichkeit einer Falschung gedacht, wofür Legrain, Tomb sculptures from Palmyra in The Museum Journal XVIII 4 p. 325 f. Nr. 1 ein Beispiel ist. Aber den Falschem gelingt es eben nicht, palmyrenische Zeichen nachzubilden, weswegen sie sichs an Kritzeleien genug sein lassen. Leider erw&hnt Legrain nicht, ob auch die rote Ausmalung der Buchstaben versucht ist nachzuahmen, die bei der Würthenauschen Büste noch deuÜich zu erkennen ist. *) Freilich sind uns eine ganze Anzahl Büsten von bescheiden geschmückten Ehefrauen erhalten, aber fast gar nicht mehr aus dem dritten Jahrhundert. Festschrift Littmann « *3^Q 13 13?D kommt in Palmyra noch zwei mal vor: in der schon von Eduard Sachau (ZDMG 1881 p. 735) mitgeteilten Inschrift „auf einem Grabrelief, welches die Büsten von zwei Personen, einer mannhchen auf der rechten und einer weiblichen auf der linken Seite, darstellt." Ihr Text lautet: 13^0 "13 ïd^d •?3n *D"pa *) Die Inschrift ist nicht datiert, und Abbildungen der Büsten waren mir leider nicht zuganglich. Datiert ist jedoch die Inschrift CIG 4483 (nach Cantineau, Inventaire III 22): H (3ovXy xxi 0 itlftot lovKiov AvpyXiov ïyvofiiov tov xxi Zxj3^iy\xv ii? M«A%ov tov ~tixTTOuiiov vrpxniyvia-xvTx ev ëiri$y(u«ff 6cov Ahetixvhpov xxi vmtpsTtivxvrx nxpovaup. 5«jv«t« PovtiXXiou Kpioirtivov tov vtyriax^svov xxi rxig eiriat}(MpXffXlf owfeiXhxrioviv xyopxvoi*.y\i%o? durchgesetzt hat. Eine weitere Stütze darfür bietet auch die Namengebung in den Familien: Mxktxo? wird ausschliesslich in semitischen Namenreihen angewandt: Mxktxw Moxeiftov tou Buxfixpxxov (Vogué 35), IapA/gof Moxeiftov... tou M«A/%ou (Vogué 36), &xiptxpo-xv Uax[fj\ou r]ou Mx\i[x°u] tou Axfitt (Lidzbarski IIL c. U), M*A<#e$ Ovx(2xM.x6ou tou Mxvvxuu tou Hf\x(3tf^ou (Vogué 37), Kupoipx tou M«A/%eu tou 0) Gerade diese Inschrift ist aber eine wesentlich römische mit nur kurzer palmyrenischer Interpretation fur den „Barbaren". Engel im AT (Alttestamentliche Abhandlungen XII, 2. H.f Munster i. W. 1934) S. ioóf. Stellung genommen. Schon hier hier fand ich, dass das literarkritische Problem der BR allein mit den von Beer vorgeschlagenen Kriterien nicht losbar erscheint. Den neuen Weg, sich in dieser wilden Wirrnis zurechtzufinden, scheinen mir nun andere, wenigstens in der Hauptsache unabhangig von der Verderbnis des Textes geltende Beobachtungen formaler (und inhaltlicher) Natur zu weisen. In formaler Hinsicht zerfallen namlich die BR in zwei Kategorien: Reden und Visionen. In den einen Partien horen wir einen Prediger, der endzeitliches Heil und Unheil in der Form der Rede kündet, in den andern einen Seher, der seine Visionen von den verborgenen Geheimnissen des Himmels mitteilt. Zwei Gründe scheinen mir nun diese Formaldinerenzen für die Quellenscbeidung fruchtbar zumachen: 1) die Tatsache der jeweils einheitlichen Form in den übrigen Apokalypsen, 2) die Beobachtung, dass die regelmassig mit „ich sah" (oi.) anhebenden Visionen auch inhaltlich nur lose mit den Reden zusammenhangen. Die charakteristische Mischung von Reden und Visionen machen die BR im Kreise ihrer apokalyptischen Verwandtschaft zu einem literarischen Unicum. Konstanz der Form pragt die aussere Gestalt der übrigen Apokalypsen zur geschlossenen Einheit. Die Form der Rede (oder Predigt), fortlaufend beibehalten, zeigen: 1 Hen 1—5; 91,1—11.18.19 + 93 + 91,12—17 (Zehnwochenapk); 92 + 94—105, ferner Apk. des Elias und die Testamente der 12 Patriarchen. Einheitlich in der Form der Offenbarungsschrift bleiben auch die „Himmelfahrt des Moses" und in der des Briefes die Kap. 78—86 der (syr.) Apk. des Baruch. Stilrein nach der Form der Vision gestaltet erscheint der Bau folgender Apokalypsen: 1 Hen 12—16 (nach 13,10; 14,2 ein Traumgesicht des Henoch); 1 Hen 17—19 und 21—36 (die beiden „Reiseberichte"; 72—82 (das astronomische Buch); 83 (84 ist Doxologie); 85—90 (die allegorische Geschichts- oder 70-Hirtenvision); ferner die Apk des Sophonias; die geschlossenen Gruppen in der Apk des Abraham (9—32); im Testament des Abraham (8—12), im Test. des Isaak (6—9); die griech. Apk. des Baruch. Einem anderen Visionstyp begegnen wir in IVEsra: „Da ward mein Gemüt heftig erregt und in meiner Angst begann ich zum Höchsten zu reden" (I, 3,3.). Die Kp. 3—10 u. 14 beherrschende Form besteht demnach in der Wechselrede zwischen für die unerschöpfliche Fülle von Gerechtigkeit und Weisheit, wie sie nach 49,2 im Auserwahlten verkörpert ist: „in ihm wohnt der Geist der Weisheit und der Geist, der Einsicht gibt, und der Geist der Lehre und Kraft und der Geist derer, die in Gerechtigkeit entschlafen sind" (3). Welcher Geist ist mit den Schlussworten dieses Satzes gemeint? Die Auffassung Gressmanns, wonach der Auserwahlte „ ge wisser massen der Aufbewahrungsort für die frommen Geister ware bis zum Endakt", wird von P. Volz mit Recht abgelehnt (Die Eschatologie der jüdischen Gemeinde2 21). Er selbst geht mit Rücksicht auf den Satzbau von der richtigen Annahme aus, dass sich hier zu den übrigen Eigenschaften noch eine weitere gesellt, „die speziell für die entschlafenen Frommen Bedeutung hat; dies ist am allgemeinsten der Geist der Daseinskraft, der Existenzfahigkeit". Der Ausdruck hat also nach Volz den Sinn: ,,im Menschensohn" (so —, im Text ist aber vom Auserwahlten die Rede!) „wohnt der Geist, durch den er den Entschlafenen Fortdauer nach dem Tod zu geben vermag". Aus der Analogie zum Satzteil: in ihm wohnt der Geist, der Einsicht verleiht, folgert er: „wie der Menschensohn[!] aus seinem Einsichtsgeist heraus Einsicht verleiht, so gibt er aus seinem (Lebens-)Geist heraus das, was die entschlafenen Frommen brauchen: Daseinskraft für die Fortdauer bei der himmlischen Gemeinde". Ich selber möchte eine andere, weniger allgemeine Deutung vorschlagen. Der Vers will zum Ausdruck bringen, dass der Auserwahlte aus seiner anjs. 11,2 gemahnenden Geistesfülle den Frommen die Gaben der Weisheit, der Einsicht, der Lehre und der Kraft verleihe, dazu noch eine weitere, den Frommen in spezifischem Sinne eignende Geistesgabe, namlich die, die sie zu Gerechten machte und „in Gerechtigkeit" entschlafen liess. Wie er ihnen Weisheit, Einsicht usw. gibt, so gibt er ihnen auch Gerechtigkeit. In ihm fliessen also die Brunnen der Gerechtigkeit und Weisheit und alle, die aus ihm zu trinken verlangten, alle „Durstigen" (vgl. Mt 5,6) wurden voll von Gerechtigkeit und bekamen deshalb „ihre Wohnungen bei den Gerechten, Heiligen und Auserwahlten" (48,1). Fast zwangslos ergibt sich also aus den literarischen Indizien (Isolierung von 48,1; „denn" in 48,1) und aus dem exegetischen Befund der Schluss, dass 48,1 und 49 ursprünglich zusammengehörten. Ziehen wir 39,3 ff., die Vision vom Auserwahlten und den Gerechten im Himmel, zum Vergleich heran, so ergeben sich auffallende Ueber- In der zweiten BR fanden wir also Teile aus folgenden Quellen: 1) die schon in der 1. BR (38) vertretene Redenquelle in 45; 48,8—10; 50; 51. 2) die gleichfalls in der 1. BR (39,3ff.; 40? 41? 43/4?) festgestellte Visionsquelle nur vermutungsweise in 48,1 +49. In der 1. BR nicht vertreten: 3) eine 2. Visionsquelle in 46 u. 48,2—7. 4) eine 3. oder mit der 2. identische Visionsquelle nur vermutungsweise in 47. 5) eine 4. Visionsquelle in 52—54,1—6; 56,1—4. Unsichtbar ist, ob in 56,5—8 eine 2. Redenquelle und in 57 eine 5. Visionsquelle fliesst. Die dritte Bilderrede (Kap. 58—69). Kp. 58 über das herrliche Los der Gerechten tragt unverkennbar die Merkmale der Redenquelle an sich: Die Form der zukunftschildernden Rede (vgl. v. li „Da fïng ich an, die dritte BR über die auserwahlten Gerechten zu reden"), die Vorstellungen über die Art des Heils der Frommen, das in 38,2b. 4b; 45,4b; 50,1 auftretende Lichtmotiv, wird hier in fast jedem Vers zu vollem Glanz entfaltet (v. 3 zweimal; 4a.5b . 6 dreimal). Nach 58,5b ist die (wunderbar verwandelte) Erde die Statte der messianischen (und zwar immerwahrenden!) Seligkeit wie in 38, ib. 2b; 45, 2a. 3c. 5. 6b; 48,io; 51,5; 58,5a (Darnach wird zu den Heiligen [= Engeln] gesagt werden, dass sie im Himmel die Geheimnisse der Gerechtigkeit... suchen sollen) entspricht 38,3 (wenn die Geheimnisse der Gerechtigkeit offenbar werden). Dazu kommt als weiterer gemeinsamer Zug die Vorliebe für Wiederholungen, Parallelismen und Kontraste. Die Vision in Kp. 59 scheint wieder ein Stück aus einer Himmelsreise zu sein: „In jenen Tagen schauten meine Augen die Geheimnisse der Blitze und der Lichter und ihr Gesetz" (v. 1). Der fast gleicbiautende v. 3: „Darnach wurden mir alle Geheimnisse der Lichter und Blitze gezeigt...", nimmt sich wie eine Dublette von v. 1 aus, aber die Fortsetzung: „wie sie zum Segen blitzen und zur Sattigung der Erde" zeigt, dass von den beiden Wirkungsweisen „zum Segen oder zum Fluch" (ib. 2b) im folgenden nur die segensvolle geschildert werden soll. Dies geschieht ausführlich in 60,10—23, wahrend 60,1—9, 24f., ein an jenem Platz, im Verborgenen", namlich „die Engel, die vom Himmel auf die Erde herabgestiegen sind, das Verborgene den Menschenkindern offenbart und sie verführt haben, Sünde zu begehen". Der Kompilator der BR entnahm dieses Stück einer nicht naher bestimm baren Visionsquelle, um vom Gericht über die Sünder überzuleiten zu den aus den Noahtraditionen stammenden Erzahlungen über die Geschichte und die Bestrafung der Verrater- und Verführerengel (65—69,25). Der Schluss der dritten BR, 69,26—29, könnte ursprünglich im Anschluss an ein besonderes Kapitel über die Offenbarung des Messias an die Auserwahlten gestanden haben: „Grosse Freude herrschte unter ihnen und sie segneten, lobten, priesen und erhoben, weil ihnen der Name jenes Menschensohnes geoffenbart wurde" (26). Beer vermutet, dass die Verse 26—29 „wahrscheinlich" hinter Kp. 63 oder 64 gehören. Weder das eine noch das andere kann stimmen. Denn in keinem dieser beiden Kapitel werden die Auserwahlten erwahnt, auf die sich v. 26 bezieht. Eher kamen 61 oder 62 in Frage. Aber das Stück tragt sodeutlich das Geprage einer ScMussrede, dass es kaum als Fortsetzung eines dieser Kapitel passt. Entweder stammen also die Verse aus einem Zusammenhang, in dem vorher von der Offenbarung des Messias an die Heilsgemeinde die Rede war, oder von der Hand des Kompilators selbst, der wie 61,10.12 auch in den unmittelbar vorher erwahnten Engeln und Naturgeistern Mitgenossen der messianischen Freude sah. Die quellenkritische Analyse der BR ergab also — von den Noahstücken abgesehen — flg. Befund: 1) eine Redenquelle: 38 + 39,2b; 4S; 48,8—10; 50; 51; 58, wahrscheinlich auch 61,6—63, 12 • 2) eine 1. Visionsquelle: 39,3—14: vermutlich auch 40; 41; 43; 44; 48, I -I-49- 3) eine 2. Visionsquelle: 46; 48,2—7. 4) eine 3., möglicherweise mit der 2. identische Visionsquelle: 47. 5) eine 4. Visionsquelle: 52—54, 1—6; vermutlich auch 61, 1—5. Ergebnislos blieb die Quellenfrage für flg. kleinere Abschnitte: 42, 56,5—8 (Reden); 57,59,64 (Visionen); 69,26—29 (Rede). Die MS-quelle schrumpft also zusammen auf 46; 47?; 48,2—7, und die A-quelle existiert nicht, da der Auserwahlte in den verschiedenen unter 1) 2) 5) genannten Quellen als Richter fungiert. Unser nur in gedrangter Kurze gebotener Versuch, auf neuem Wege das literarkritische Problem der BR zu lösen, hat also zu Resultaten geführt, die wesentlich von Beer—Charles abweichen. Es hat sich gezeigt, dass Charles eine Quelle sieht, wo deren verschiedene fliessen, und — umgekehrt — zur gleichen Quelle gehorige Texte auseinanderreisst. Der literarkritische Irrtum musste auch zu religionsgeschichtlichen Fehlkonstruktionen führen. Die Schlüsse, die sich aus unserer Arbeit für die religionsgeschichtliche Seite der BR ergeben, werden an anderer Stelle folgen. In No. 75 ist eine sehr alte Hs. der 'agtitib al-mahlüqat des al-Qazwïni (Cf. Broek. | 481) erhalten. 23 Z. Nashï, 242 foll., waqfiert 1067. Fasl 15: Adabïjat. Ivanow hat schon pp. 553—557 ein Verzeichnis der Titel gegeben; auf Diwane und Kommentare dazu gehe ich nicht ein; für Einzelheiten verweise ich auf den Katalog selbst. Allerdings ist, wie schon von Ivanow hervorgehoben, in dieser Abteilung nicht viel Wertvolles zu finden. Am wichtigsten scheinen mir die folgenden Nos: No. 2: al-icgaz fil-ahügx wal-algaz des Sacd b. eAlï al-Hazïrï. Cf. Broek. I, 248. Anfang: 2o\jii\ +&oA ^XJI *^ tX-Jl. Schluss defekt, endet: 'i^A vJOi TL**. Altes MS, 15 Z. Nashï, 200 foll. Von grosser Wichtigkeit ist *fuhül a$-hfara° des Abu TemmSm. Cf. H.H. II, 177; Ibn Hall. (ed. Bulaq 1299) I, Das Werk enthalt eine Sammlung von Gedichten vorislamischer und islamischer Dichter und handelt in besondern Kapitein über saha', maratï, nasïb, higa5 etc. Anfang: ^LèuJ!, vjLyöKf Jj. Ende: fj tl^tjt vjL. 10 Z. Nashï, 198 foll., waqfiert 1067. No. 84 *futja faqxh al-zarab des Ahmad b. F ar is b. Zakariji. Cf. Broek. I, 130; Flügel, Gramm. Schulen p. 248; Sujütï, Bugja p.153. Anfang: K?»jjUs Vr«J fc*AJ l**ft ******' Ende: vLs» £ tSf 12 Z- Nashi' »$***•• geschrieben 617; Schreiber: Nizam aS-Saraf al-Husainï. Fasl 17: Rijadïjat. Unter den Werken über Mathematik und Astronomie erwahnt schon Ivanow p. 545 einige astronomische Tafeln (ztg). Von diesen scheint mir wichtig: No. 103 "Zlg des Ibn Abi Sukr (1. Jaskur ?) al-Magribï. Cf. Broek. I, 474; Suter 155. Die Hs. scheint das Autograph zu sein. 28—29 Z. Nashï, 124 foll. Anfang: ^ u^t, gXj! oA^i ^ Ende: lov ^*=>j ^ jHs' é> f** No. 102 *Zig (pers.) des Gijataddïn GamSëd al-Kasanï, eines der Hofastronomen Ulug Begs. Cf. Broek. II, 211; Suter 173. Er unterstützte Ulug Beg beim Bau der Sternwarte, der im Jahre 823/1420 begonnen wurde, und war ihr erster Direktor. Er starb einige Jahre spater, vielleicht 832 '). Die Hs., 22 Z. Nashï, 15 foll. ist nur ein Fragment und enthalt das 6. fasl aus der 4. maqala, das beginnt: .0 J, ^ <-**l^ A^mö. Ende des vorhandenen: .i> } mj ^1 oV^wj r1 " 5" _ Folgende weitere Abhandlungen von Gijataddïn Gamsed sind ebenfalls vorhanden: I) No. 162 *ar-risala al-mukïfïja über das Verhaltnis des Durchmessers zum Umfang des Kreises. Die Hs., 21 Z. Neshi, 29 foll., ist das Autograph. Anfang: Ja*^ll y*üï iU-Oj JL«Jt *U Juü-. Schluss: Otf^ Jytw^o ^ l\.»■"■<-•> i-xj' jJJl oLs yttot «Üy> 2uJ3 Jawtji ,j «Jjjj>l iJJt q-KfcS»! vi»L«j u^SJLit ^l&ixji v_***l»5! v t q-j! II) No. 165 miftah al-hisab, die wohlbekannte Abhandlung über Rechenkunst, verfasst für Sultan Ulug Beg, ist eingeteilt in eine Vorrede und 5 Kapitel. Die Vorrede ist übersetzt von F. Woepke, Passages relatifs a des sommat. de séries de cubes, Rome 1864. Weitere Hss. bei Broek. II, 211. 25 Z. Nastaliq, 98 foll., Anfang fehlt, das Vorhandene beginnt: ... *w>j \*4mA) iüoLiJl oUAfilt. Ende: yA L> JJU aJUiu jl&cKl BvJLjI lk>,! U ƒ>"( Lij», v>iUt (AJJ,. III) No. 84 *risala dar saht-i astarlab (pers.), eingeteilt in eine Vorrede und einige Kapitel. Anfang: — «JUi»yï ^j^T ... oL*j g*>ji cfc^} o'"**''"" * g~> i^-É»*. Ende: _>1 iV*^* "^y*** i**1* ^ «Jyc ijlsï lSjIJ^- IV) No. 84* *risala fïma'rifat satntal-qibla min da°ira hindïja2) mtfrüfa. Anfang: yULxJl Vj &JL5 JwJ-. Schluss fehlt, endet: -e ^•3$ jfjk- Beide Abhandlungen 13 Z. Nashï, zusammen 33 foll. V) No. ui stillam as-sama3, auch ar-risala al-Kamallja betitelt, handelt über die Grossen und Entfernungen der Himmelskörper. 13 Z. Nashï, 31 foll. Weitere Hss. bei Broek. II, 211. Über das Astrolab handelt Ahmad b. Muh. b. 'Abdalgalïl asSingarï3), ein Zeitgenosse des al-Bërünï: ') vgl- jetit W. Hinz, Ulug Beg und seine Zeit, Leipzig 1935, S. 161 ff. *) So der Katalog; wahrscheinlich ist handaslja zu lesen. 3) Gewöhnlich Sigizï genannt, Abkürzung für Sigistani. Festschrift Littmann _ No. 59 *risala fl astarlab. Cf. Broek. I, 219; Suter 80; die Abhandlung ist bei H. H. III, 366 angeführt. 15 Z. Nast., 13 foll. Anfang: (sic!) «l&jl 0I j-c Uajy> LuISlX*5I ijom Ende: vJo^ «JÜ Juü-j AUi' «Ui gkkXj J^j! g^uoJ. Nos. 62, 63, 65 *ar-risdla fil-hisdb waH-gabr wa''l-muqabala des Abu 'l-eAla3 Muh. b. Ahmad al-Bihistï al-IsfaraDinï. Cf. Broek. II, 211. Die Abhandlung besteht aus einer Vorrede und zwei Kapitein. Anfang: oL\cK! jLp»KI gA-v9 «J-I Schluss: Jb» J£ £ rya*JI «JU, Ju*? SyLJtj «U l>*iL. Ein alter Mathematiker ist 'Omar b. Farruhan at-Tabarï, der unter Ma'mOn lebte. Cf. Suter 7; Broek. I, 221. Seine Schriften und Übersetzungen aus dem Persischen scheinen verloren. Von ihm liegt hier vor '): I) No. 83 *ar-risüla fil-ahkam an-nugümïja, 13 Z. Nashï, 104 foll. Vorwort fehlt. Anfang: «JL9_«J SUASj' ,3 j3KI yJ-^'* Schluss: «U iX^Ü-j vjbjit s+jJu jjlet «Jlitj yi jt 0tf U*lc t_>a6j|j. II) No. 85 *ar-ris5la fl istihrag ad-damïr bi-tartq an-nugüm. 13 Z. Nashï, 23 foll. Anfang fehlt; das Vorhandene beginnt: ... SjSy1! ïsLéé J3t 3 £ Uf öUL* IJ! l)-ia-s. Schluss: jjci «JÜ!j 0^.5 vr^ls o^3/*^' a* "^^Hs <^e. Nos 86—88: Sammelhandschrift, enthalt zum grössten Teil Abhandlungen von Sihabuddïn Abu 'l-cAbbas Ahmad b. Ragab al-Magdï (gest. 850), von denen manche unbekannt sind. Cf. Broek. II, 128; Suter 175. Abn Kamil Sügac b. Aslam schrieb: No 98 *ar-risala fi'l-gabr wa'l-muqabala, die spater von dem Rechner al-Istahrï und cAlï b. Ahmad al-cImranï kommentiert wurde. Cf. Fihrist p. 281, 15; Suter 43. Der Anfang der Hs. (geschrieben 581, 28 Z. Nashï, 23 foll.) fehlt; sie beginnt: j-c .. . L-gJjt jfi SJ^yi ïU***^ Schluss: g^yiJf (j*Li>t Lfr>Kj p^3C! (Uiftis ^jKI ^ li/i \4 Xfc>3Ul. No. 130 *larh al-azmal al-handaslja ist ein Kommentar zu Abu '1-Wafa al-Buzganï (gest. 381). Cf. Broek. I, 223; Suter 71. Verfasst von Kamaladdïn Masa b. Jnnus b. Muh. (gest. 639). Cf. Suter 140—42. Die Hs. ist 680 geschrieben, 19—20 Z. Nashï, ') Beide Schriften sind auch im Fihrist (ed. Flügel) p. 273 nicht genannt. Beliebtheit erfreuten und viele Jahrhunderte lang immer wieder aufgegriffen worden sind. Dies gilt in erster Linie für die ohnehin am haufigsten vertretenen, ein Gebet für den Schreiber oder seinen an den Leser geausserten Wunsch um Fürbitte enthaltenden Verse, wahrend solche anderen Inhalts weniger oft wiederholt worden sind. Bei einigen Sprüchen schloss ihr individuelier Charakter die Entlehnung durch spatere Schreiber aus. Manchmal haben die Schreiber auch altere Spriiche um einen oder mehrere Verse bereichert. So wird es verstandlich, wenn der Schreiber eines Berliner Kodex') seinen Spruch ausdrücklich als selbstverfasst bezeichnet. Wenn auch die Originalitat im Laufe der jahrhunderte sichtlich nachgelassen und man sich spater haufiger mit entlehnten Sprüchen begnügt hat, so ist die Phantasie der Schreiber doch nie ganz erloschen. Seit der Mitte des 10. Jahrhunderts d. H. ist man bisweilen dazu übergegangen, den Spruch nicht unter das Kolophon sondern auf das Titelblatt zu setzen, eine Neuerung, die freilich den alten Brauch nicht verdrangen konnte. Der spateren Zeit ist es vorbehalten geblieben, dass Leser oder Besitzer von Handschriften auf den freien Blattern am Anfang oder Schluss einen oder mehrere ihnen bekannte Schreibersprüche anbrachten, um so selber des Segenswunsches spaterer Lesergenerationen teilhaftfg zu werden. Meistens beschranken sich die Sprüche auf einen oder zwei Verse; aber auch aus drei und mehr Versen bestehende Sprüche 2) kommen vor. Ja, die Redseligkeit des Schreibers einer Berliner Handschrift3) geht so weit, dass er seine Gedanken in einem 14-zeiligen Gedicht aussert und obendrein noch zwei weitere kleinere Sprüche hinzufügt. In letzterer Hinsicht steht er freilich nicht allein; denn es ist durchaus nicht selten, dass sich der Schreiber nicht mit einem Spruch begnügt. Unter den mehr als hundert im Folgenden behandelten Handschriften befinden sich nicht weniger als 15, die zwei oder mehr Sprüche aufweisen. Die alteste 4) dieser Handschriften stammt aus dem Jahre 674/ 1275. Die mehr als zwei Sprüche enthaltenden Handschriften gehören alle dem 11. und 12. Jahrhundert d. H. an und lassen ') Glaser 236. *) Berlin Ms. or. 40. 594 (dat. 1254/1838) enthalt einen aus fttnf Versen, Glaser 86 (sttdarabisch, dat 1213/1798) einen aus zehn Versen bestenenden Spruch. *) Sprenger 144 (dat. Kairo 1064/1654). 4) Konstantinopel Köprülü 330. somit den Schluss zu, dass solche Spruchhaufungen in alterer Zeit nicht üblich oder jedenfalls nur sehr selten waren. Aus früherer Zeit ist mir nur eine solche Handschrift ') bekannt; sie enthalt sieben Sprüche, die z. T. allgemeine moralische Sentenzen enthaltend aus dem üblichen Rahmen herausfallen. In lokaler Hinsicht war der Sitte der Schreibersprüche im islamischen Oriënt scheinbar keine Grenze gesetzt. Denn wir finden sie sowohl im Magrib als auch in Agypten und Syrien, im Jemen und bis nach Indien hin. Aus den gleichen Wurzeln erwachsend war der Brauch bekanntlich auch im Abendland weit verbreitet und der Vergleich mit den von Wattenbacha) mitgeteilten abendlandischen Sprüchen weist manche interessante Parallele auf. Die im Folgenden gebotene Zusammenstellung kann keinen Anspruch auf Vollstandigkeit erheben. Sie stellt vielmehr nur das dar, was ich bei gelegentlicher Durchsicht von nicht viel weniger als 8000 meist Berliner und Konstantinopeler Handschriften 3) gefunden habe und dürfte sich an Hand jeder grossen Handschriftensammlung leicht vermehren lassen. Immerhin hoffe ich, dass sie genügt, ein ungefahres Bild von den Empfindungen zu geben, die es die arabischen Schreiber beim Abschluss ihrer Arbeit auszusprechen drang. Unwesentliche oder nur auf Schreibfehlern beruhende Varianten lasse ich unerwahnt. Einige kleinere Versehen habe ich stillschweigend verbessert. Den im Kolophon üblicherweise geausserten Gedanken stehen die Sprüche am nachsten, die lediglich den Dank an Gott und den Segenswunsch für den Propheten noch einmal in Versform wiederholen. So heisst es:4) Kamil ÏW—&-^!s o ■■. < ■ •■ »" iJÉÊ ' cr/1 #*S V0*8 Das Buch ist aus. Ohn' Ende preis' ich Ihn, Der mir zum Werk hat Kraft und Zeit verliehn, Mir beigestanden hat mit Gnaden hehr Und mir geholfen. Ihm sei Lob und Ehr'! >) Berlin Peterm. I 85 (dat. 949/1542). 2) Das Schriftwesen im Mittelalter (3. Aufl.), 491-534. *) lm Folgenden abgekttrzt: B. bzws. K. *) B. Glaser 151 (südarabisch, dat. 877/1472). Kami/') Zu Ende ist das Buch. Gott sei gepriesen, Der Adel, Glanz und Gflte in sich eint! Und Heil sodann Mohammed, dem Propheten, Solang' ein Baum ergrünt, ein Stern mir scheint! Mit dem Dank für die Vollendung seines Kodex verbindet ein Schreiber die Bitte um himmlischen Lohn und Sündenvergebung für sich und den Verfasser des Werkes:2) Wdfir ^^jAx&ï, jüoL*-SJt ,$ ^j-fj-i * u-*^3 o^^i f-> Ju*ï Nun schliesse ich mit Dank an Gott und glaube fest, Dass bei der Auferstehung er geschehen lasst, Dass ich in Edens Heimat Gast Mohammeds sei, Weil dem Propheten ich und seinem Hause treu. Beschenke den, mein Gott, des Buch geschrieben hier, Mit Edelmut! Verzeihe ihm und dann auch mir! Die Bitte um Sündenvergebung für sich kleiden andere in die Worte:3) ') B. Wetzst. II 1426 (dat. 837/1434); B. Peterm. I 245 (dat. 717/1317), der zweite Vers lautet hier: B. Landbg. 362 (türkische Hs., dat. 1157/1744), der zweite Vers lautet hier: O^c vjj^jls a^.j y&>i l* * ^*U' ^ JL»°i B. Wetzst. II 1548 (ca. 1200/1785), der zweite Vers wie bei der vorigen Hs., doch statt • 2) K. Sehit Ali Pasa 1848 (dat. 933/1526). *) B. Wetzst. II 332 (dat. Hamat 824/1421); B. Ms. or. 4°. 1129 (dat. 946/1539)1 statt 15JM) hier jb>; B. Glaser 203 (südarabisch, dat 1060/1650); B. Wetzst II 1668 (dat. 1075/1665); K. Köprülü 88 (dat. 1083/1672); B. Sprenger 114 (dat. 1098/1687); B. Ms. or. 8°. 3665 (dat. 1183/1769); B. Wetzst. II 1261 (ca. 1200/1785); B. Landbg 826 II (dat. 1301/1884); K. Sehit Ali Pasa 774 (am Schluss Ton ziemlich junger Hand). In einzelnen von diesen Hss. heisst es **u statt (_^\>t. Der ganze Spruch lautet in B. Peterm. I 85 (dat. 949/1542): Kami/ *—;—j'l—S' 8^?\j * .' «Wf ,,-a-Tj Das Buch ist aus. Der Freude Gaben Für seinen Eigner sind am Ende. Ach, wenn durch Allahs Gnad' und Güte Sein Schreiber doch Verzeihung fande! In dem beseligenden Bewusstsein der göttlichen Gnade schreibt ein Südaraber:') Kami/ Als ich nicht wusste, wie zum Herrn zu kommen, Die Seel' zu retten vor der Strafe Schmerz, Schien sein Erbarmen mir als Weg zu frommen. Nun hat genug, genug, genug mein Herz. Angsterfüllt vor der Rechenschaft beim Jüngsten Gericht sprechen einige Schreiber: *) TaWÜ l*jjy> Lo ^yx& «i»J L» * LXï LtJLjLw «111 Jjt f-Lclj Ich hab's geschrieben und mir war dabei bekannt, Dass bleiben wird das Buch, doch schwinden meine Hand. Ich bin mir wohl bewusst, dass Gott sie morgen fragt. Ach, wenn ich wüsste, was sie dann als Antwort sagt! 1) B. Glaser 26 (auf dem Titelblatt, dat. 1066/1656). 2) K. Köprülü 707 (dat. 944/1537); B. Wetzst II 255 (dat. 1186/1772), der zweite Vers lautet hier: (in dieser Fassung von spateren Lesern auch in B. Wetzst I 7 und II 1555); B. Sprenger 145 (dat 1204/1790), in der gleichen Fassung wie bei Wetzst. II 255 doch mit dem weiteren Vers: I {jl »»•> Ayla-i ^ * «ISUj i^IjF lr*> c^Le 0La; B. Landbg 105 f. 76a (magrebinisch, dat 1198/1784), die Fassung lautet hier: U^> Lo ^gjjti «>J Lö * Ucc L^LSLw «Ut wt * ^J-t. üLjJo «jlX^Ij Gott möge den, der dies geschrieben, sterben lassen Mohammed zugetan und dem, der einst sein Freund, Und schenk' ihm als Entgelt der ew'gen Heimat Wohnung, Daselbst mit Gott, dem Herrn des hohen Throns, vereint! Um Sündenvergebung und um Unterstützung ihres Gebetes durch den Leser bitten die Schreiber des Spruches: a) Basït byjvc (j»p5t Jaü V^Xï * *—^ L^"*i'l -^-^ Die Schrift nach ihres Schreibers Tod noch lange wahrt, Indes der Schreiber schon begraben in der Erd'. O Herr, dem Diener, der's geschrieben, schenke Ruh'! Und Leser dieser Schrift, bei Gott, sprich „Amen" du! Das Gebet der Schreiber findet sich auf den Besitzer, Leser oder gar den Entleiher ausgedehnt in den Versen: 3) Kdmil kl W- Lsw «-j^IS \-iy-ió3 * yaUJt kXS> (.jói «Ml Ich wollt', dass für die Sünden Gott dem Schreiber [Nachlass schenkt, Des Buches Leser auch und dem, der sich hineinversenkt. Kantil *) wüUülj Ljm x^>LaJ yit * v-a^IjJI (jr^M O4 k ■) K. Köpvülü 1178 (dat 758/1356); B. Wetzst. II 1419 (dat 1109/1698), II1548 (ca. 1200/1785). 2) B. Wetzst II 1584 (dat. 1183/1769), II 255 (dat. 1I86/1772); K. Selim Aga 795 (am Schluss von einem spateren Leser); B. Ms. or. 4°. 36 f. 35b (ca. 1100/1688), der zweite Vers lautet hier: ^ysu~o J^sddl Li^L £ «Jij * «xSUa* Jo ,£$1 êla>j y>ji Nur den ersten Vers des Spruches enthalten die Hss.: K. Fayzullah 1013 (östlich, dat. 731/1330), B. Sprenger 917 (persische Hs., dat 731/1330), i2io (am Schluss von einem spateren Leser), Tübingen Weisweiler ioi und 237 (von spateren Lesern). Zu vier Versen erweitert findet sich der Spruch in B. Sprenger 145 (dat. 1204/1790). 3) K. Fayzullah 301 (dat 800/1397). 4) B. Wetzst. II 1376 (dat 1151/1738). O du, den man allmachtig und freigebig heisst, Gib, dass dem Schreiber und Besitzer du verzeihst! Bast/1) (__=jUÜf ^y» LÖaC «*j'l5u v_aa^I * i^ejj [> JJl», U -dwJt ^Jlc L I^LbJI) aJ yoüüwjlj * «_»JiUü yLf 1} jAc'j O Kenner des Verborg'nen, der verzeiht und alles schafft, Bestimme, dass den Schreiber nicht der Holle Glut hinrafft 1 Verzeih ihm, dem das Buch gehort, und jenem, der es schrieb! Dem Leser, dem Entleiher auch, bringt er's zurück, vergib! Einen durchaus einmaligen Charakter tragt der Spruch, in dem ein Lohnschreiber dem Besitzer seines Kodex d.h. seinem Auftraggeber Ruhm und Glück wünscht: 2) Basït ^kJ3 j-L_i ^Ji^* soLamJI * tjóji yuJt k\0 v_*_=»Lo JU ^ ^Lêü-j gjyy «Jli Lj&jy ^ * a^*Aj? iXamJI Jtj_i ^j, Der Herrschaft Arm mög' heben ihn, dem dieses Buch gehort, Ohn' Unterlass empor, dass er erreicht, was er begehrt! Des Glückes Sterne sei en ihm für immer unter tan, Dass bis zum Mars und Widder gar sein Name steigt hinan! Weitaus am haufigsten sind jene Sprüche, in denen der Schreiber den Leser um seine Fürbitte bei Gott ersucht. Diese Bitte ist mit einem Dank an Gott verbunden in dem Spruch3): Basït JyJI £ 41t ^f?5 oLjJI Cjj * o^J- r>-ïb kX*j> «JU JlJJ. Ti^> \>. «-j-jUÜ jit\ * bLgJLo. «JJ, AJ» &&■ ^Js l Gott sei gedankt, ein Dank, des Fülle nimmer endet, Der Menschheit Herrn, ihm, der dem Baum die Safte spendet! ') K. Köprülü 231 (ca. 719/1319); B. Sprenger 163 f. 51b (dat 1020/1612), der erste Vers lautet hier: l5,Uaj(j ^Sj^>- vj J«JI *Jtj * uJjSoi Jou JjjL oUÜ oUL> Ij; B. Wetzst. II 1394 (dat. 1075/1665), der erste Vers lautet hier im wesentlichen wie bei Sprenger 163, im dritten Halbvers «x>L>- statt «*=J «aJ *) B. Peterm. I 297 (auf dem Titelblatt, dat. 1006/1598). 3) K- Sehit Ali Pasa 351 (dat 641/1243); K. Halis 570(dat 1138/1725); B. Wetzst II 247 (dat. 1091/1680); B. Landbg 721 (dat. 1266/1860; der dritte Halbvers verderbf). In den beiden letzten Hss. lautet der erste Halbvers C^S- l_oi «Ut q^u i_»LXJC!I ^j'. In K. Köprülü 248,1 (dat 708/1308) beschrankt sich der ganze Spruch auf die Worte: Ojsül i *Ut ^jS?3 oL*lt l$#S? * Oj£~ ^ «Ut JwS v JwOÜt Li" Bei Allah! Voller Innigkeit sprich, Leser, du: „Ach, bester Herr, schenk' seinem Schreiber ew'ge Ruh'1" Andere Sprüche dieser Art lauten i Basït •) Der du dies Buch studierst nach meinem Tod Und Früchte erntest, die mein Fleiss gebracht! Es tut ein Fürspruch mir gar bitter not, Den du mir schenkst in meines Grabes Nacht. Baslt2) Vyfó^ iuio' uhM ^ * s^bij fcfrift*^ viaXi -öUÜt Ojyo & LaLJ * SUaJt> *JÜ aj_cO *1 O Leser, der du diese Schrift siehst mit den Augen dein, Vergiss nicht, wohl zu tun dem Schreiber, und gedenke sein! Ein lauteres Gebet an Gott lass werden ihm zuteil! Denn in des Schicksals Wende dient es ihm vielleicht zum Heil. Sarts) syajl LéJUs> ijaz* yajl * q-o J^c «JJL p-wit Bei Gott beschwör' ich jeden, der gewahrt, Was ich geschrieben, wo es auch mag sein, Zu bitten den Erbarmer, dass er mich Erlöst durch Nachlass, Gnade und Verzeihn. Kantil*) •) B. Wetzst. II 252 (dat. 655/1257); K. Köprülü 330 (dat. 674/1275); B. Glaser 76 (sttdarabisch, dat. 1057/1647). ») K. Köprülü 334 (dat. 758/1356); K. Sehit Ali Pasa 402 (8. oder 9. Jh. d. H.), statt fMt hier «HL J K. Halis 648 (ca. 11. Jh. d. H.); B. Peterm. 1181 (dat. 1241/1826); B. Wetzst. II 1751 (am Schluss von junger Hand), statt y^liJUjIf hier «WL iuS>Uo und statt «***ï die bessere Lesart sy^1. 3) B. Sprenger 1037 (dat. Damaskus 767/1365); B. Ms.or. 40. 183 (dat. 1158/1745); B. Landbg 154 (auf dem Titelblatt, dat. 1159/1746), der letzte Halbvers lautet hier: syjtlt) /JwtLwJt s^MU. *) B. Wetsst. II 430 (dat. 835/1432). Ich habe dies geschrieben und kein Zweifel sich mir rührt, Dass meines Grabes Statte einst gar fern davon sein wird. Drum bitt' ich, wer es liest, der mög' zu seinem König flehn, Dass er mir meiner Sünden Last verzeiht und mein Vergehn. Basïtl) t^LJI yA _^Uj jL+j-0' jjj * jujjlXJ jSLXSjh ^jJü tót Ich bitte dich bei Allah, dem die Himmel untertan, Ihm, der der Schöpfer und mit dem sich keiner messen kann: Wenn du dies liest, bitt' Gott, dass er dem Schreiber mög' verzeihn! Vielleicht wird, der's geschrieben, dann entgehn der Hölle Pein. Tawll2) (J-ÉwJI, L5^=»l9 oUI * ^jjJj éLxlL» Jias» IS.S Ijl Ich bitt' dich, Leser meiner Schrift, bei dem, der sterben lasst Und neu ins Leben ruft, wenn die Gebeine langst verwest: Zum Allerbarmer fleh, dass er die Fehler mein verzeiht! Denn ohne Ende übt mein Gott an uns Barmherzigkeit. Basït 3) «tjU lUÜ Aj_??. «JL» * vboÜf "ft hj^. *J LÜ Bei Gott! Wenn deine Augen schaun, was hier geschrieben hat Die Hand des Mannes, dem gar not tut seines Herren Gnad', So bet' die Fatiha, dass du ihn führst, und sprich das Wort: „Die ew'ge Heimat mache Gott zu seinem Zufluchtsort!" Tawïl4) jblül oyijd\ juitxj * «JUl a* (jrl> is lï lj O Leser meiner Schrift, bitt' Gott, er wolle gnadig sein Dem Schreiber, der begraben liegt tief unter dem Gestein! Die Bitte der Schreiber an den Leser um ein Gebet ist mit •) B. Peterm. I 85 (dat 949/1542). 2) B. Sprenger 199 (dat. 1028/16x9); B. Wetzst. II 304 (dat. 1058/1648). *) B. Landbg 421 (ca. 1080/1669). *) B. Landbg 7 (dat. 1212/1797). Bisweilen hat man ihn auch erweitert. So heisst es'): Ragaz 3LJI V ^JUÜt «JL» éj^u, * XJLÜ Ju*i I : -r 0|, **» V*6 ^ CT" (8ic) v^> * 1M5 VHS-c «-> ^ ^_iL«j ü3 Und ferner»): 3UÜ iXjwj ^LiiJt LgJl * (sic) 3li Lac iXS? or ^5 w*<* ^ er* ^ * r-*1-^ lP-^ vhs-J' Uil Die gleiche Bitte um Verzeihung der Fehler seines Kodex enthalt der durchaus persönlich gefarbte Spruch3): Baslt AJjJI v_«Uj ijf^Ü vaJilè 0li * JJL> «JLaoI £ U, vJjuUI j^ï J-=*H «JU* i JÜi JkJU. Aj * L5lk=> Lsu^ L5L> ^rfias Li ^_L*i til «JUt fltf * ^ i jJudt ^Lsl) Ji*«*li Das Buch ist fertig. Jeden Fehb war seine Urschrift bar. Wenn ich was falsch geschrieben, ist's drum meine Schuld fürwahr. Hab' meine Handschrift nicht geproft, Versehen nicht erfasst Nein, wahrend meines Schreibens war ich ganz erfullt von Hast. Drum soll der Leser meines Buchs die Fehler mir verzeihn, Und wenn er's tut, mög' Gott zum Lohn ihm höchstes Glück verleihn! Ein ahnlicher Spruch lautet: 4) Baslt L&jJI «jcJLS U»i oóy. ^éP\ * jkS, Uö Lblj kxë ^ L. IjSw (j^Lill ^li yijj * tk> cs~ulc 0t «Ut tdüJUlJ O der du dieses Buch studierst, das meiner Hande Werk, Und dann aufs neue meinen Worten schenkst dein Augenmerk, Bei Gott beschwör' ich dich, wenn du Versehen von mir siehst, Verzeih sie, denn der beste Mensch ist, wer voll Nachsicht ist! Neben den Bitten für sich richten die Schreiber aber auch Mahnungen an den Leser, die in dessen eigenem Interesse be- ') B. Peterm. I 85 (auf dem Titelblatt, dat. 949/1542). *) B. Ms. or. 8°. 3665 (dat. 1183/1769). 3) B. Sprenger 36 (dat. 626/1229). «) K. Köprttlü 707 (dat. 944/1537); B. Sprenger 144 (dat. Kairo 1064/1654), statt (JaÜt «aIS U*i hier tJaj ièjo m>; B. Wetzst. II 176 (dat. 1091/1680); Tübingen Weisweiler 86 (nicht vom Schreiber), statt «*13 L*i hier «Slpl lj. Diese Varianten mogen darauf beruhen, dass der Spruch in der oben wiedergegebenen Form weniger in den Mund eines Kopisten als eines Verfassers passt. Weil Wissen besser ist als Kleiderstaat, Der doch zerreisst und mal ein Ende hat. Ja, eines Buches Lehr' ist süsser gar Als alle Speisen und ein Trank fürwahr, Als Seidenbetten und ein Seidenkleid Und schöner als ein Kuss von dralier Maid. Drum gib um nichts des Wissens Obhut hin! Wie schön ein Schatz gespart für den Gewinnl DER PLAN EINER NEUEN, LEICHT KOMMENTIERTEN WISSENSCHAFTLICHEN KORANÜBERSETZUNG VON RUDI PARET Der zweite, von Schwally neu herausgegebene Band der Nöldeke'sehen Geschichte des Korans schliesst mit folgenden Worten: „Trotz der grossen Fortschritte, welche die Erforschung des Qorans seit Sale gemacht hat, gibt es bis zum heutigen Tage weder eine diesem Stand der Wissenschaft entsprechende Übersetzung noch Auslegung. Denn die besten Sachkenner pflegten sich seither dieser Aufgabe zu entziehen, sei es, dass sie das Leichtverstandliche nicht reizte, oder dass ihnen das Schwierige unüberwindlich schien...." Diese Ausführungen haben, soweit es sich um Übertragungen ins Deutsche handelt, auch heute noch ihre volle Geltung. Die 1917 erschienene Übersetzung von Lazarus Goldschmidt ist zu wenig auf eine philologisch genaue Interpretation des Textes eingestellt, als dass sie die Lücke schliessen könnte, und so greift man in Ermanglung eines besseren Ersatzes meistens noch zu der wenig zuverlassigen Übersetzung von [Henning (Reclam 1901). Für die anderen europaischen Sprachen liegen die Verhaltnisse zum Teil etwas besser. Die englische Übersetzung von Palmer ist, trotzdem die Erstauflage schon vor über 50 Jahren herauskam, entschieden wertvoller als die deutsche von Henning. Im französischen Sprachgebiet sind zu der Kasimirski'schen Übertragung in neuerer Zeit die von E. Montetund von Laïmèche-Ben Daoud hinzugekommen. Schliesslich sind noch die beiden wertvollsten Neuübersetzungen zu erwahnen: die schwedische von K. V. Zetterstéen (Stockholm 1917) und die italienische von L. Bonelli (Mailand 1929). Aber selbst wenn man alle diese Übersetzungen zusammennimmt, gewinnt man kein befriedigendes Hilfsmittel zur wissenschaftlichen Interpretation des Korans. Eine wirklich brauchbare und zuverlassige Koranübersetzung muss erst noch geschaffen werden. Im folgenden möchte ich versuchen, eine derartige Aufgabe programmatisch etwas naher zu umreissen. 1) Die neue Koranübersetzung muss historisch getreu séin. Der Übersetzer hat sich bei der Bearbeitung des Stoffs — unter Voraussetzung der Authentizitat des Textes — immer wieder die Frage vorzuhalten: „Was hat Mohammed seinerzeit damit sagen wollen?" Die arabischen Kommentare, die voll sind von spateren, unhistorischen Ausdeutungen des Textes, dürfen dementsprechend nur mit grosser Vorsicht benützt werden. (Die bisherigen Übersetzer waren den Kommentaren gegenüber zu wenig kritisch eingestellt.) 2) Statt in den Kommentaren hat man so weit als irgend möglich im Koran selber den Schlüssel zum Verstandnis schwieriger Stellen zu suchen. Mit Hilfe der Korankonkordanz sind Parallelstellen lexikalischer, grammatikalischer und sachlicher Art systematisch beizuziehen und auszuwerten. (Zwei Beispiele für die Möglichkeit der Auswertung von Parallelstellen sind im Anhang mitgeteilt). 3) Die neue Koranübersetzung muss pbilologisch möglichst genau sein, d. h. sie muss sich möglichst eng an den Wortlaut des Originals halten. 4) Sowohl die erbaulichen Erzahlungen des Korans als auch die rechtlichen und dogmatischen Abschnitte sind haufïg unsystematisch im Aufbau und abrupt in der Ausdrucksweise. Man kann die einzelnen Logia Mohammeds oft erst dann richtig auswerten, wenn man aufGrund mühsamer und zeitraubender Einzeluntersuchungen die historische Situation rekonstruiert hat, aus der sie herausgeboren sind. Eine rein wörtliche Übersetzung wird deshalb, auch wenn sie philologisch einwandfrei ist, nicht immer genügen, um den Sinn des Textes zu erfassen und wiederzugeben. Sie ist in all den Fallen, in denen sie den Sinnzusammenhang des Originals überhaupt nicht oder nur undeutlich erkennen lasst, soweit durch Zusatze zu erganzen, bis sie klar verstandlich wird. Die Zusatze stellen dann gewissermassen einen kondensierten historischen Kommentar dar. Sie überbeben — vorausgesetzt dass sie als wissenschaftlich zuverlassig angesprochen werden können — den künftigen Benützer der Überzetzung (und des Originals) der Mühe, bei jeder einzelnen Stelle dieselbe exegetische Kleinarbeit nocheinmal zu leisten. (In beschranktem Mass ist auch in den bisherigen Koranübersetzungen die wórtliche Übertragung durch Zusatze erweitert. Aber diese Zusatze geben oft nur die Erklarungen der arabischen Kommentatoren wieder und sind insofern für die historische Koraninterpretation nicht zu gebrauchen). 5) Technische Einzelheiten. Bei der Verszahlung hat man sowohl den Flügel'schen Druck als auch die neue Ausgabe der Aegyptischen Staatsdruckerei (siehe „Der Islam'', 20/1932, 2—13; 21/1933, 135—40) zu berücksichtigen. Da in den bisherigen Veröffentlichungen der europaischen Orientalistik durchweg nach Flügel zitiert worden ist, empfiehlt es sich, die Flügel'schen Verszahlen an erster Stelle anzuführen. Zur Vermeidung von Missverstandnissen gibt man am besten die Verszahlen der agyptischen Ausgabe (an zweiter Stelle, bzw. in Klammern) auch in den Fallen, in denen sie mit den Flügel'schen übereinstimmen. Bei der Drucklegung dürfte man nicht versaumen, die Surenund Verszahl der auf den einzelnen Seiten übersetzten Abschnitte in den Kolumnentitel aufzunehmen. Einrückungen im Text könnten etwa nach Art der Palmer'schen Übersetzung angebracht werden, wenn sachlich ein neuer Abschnitt beginnt. Auf jeden Fall wird die Übersichtlichkeit erhöht, wenn — wenigstens in den spateren Suren — nicht jeder Vers mit einer neuen Zeile beginnt. Am Schluss der einzelnen Verse oder Abschnitte (eventuell zu Begi nn derselben am Rand) ist auf etwaige Parallelstellen zu verweisen. Bei wörtlichen oder annahernd wörtlichen Übereinstimmungen (z.B. Sure 23, 1 ff. und Sure 70. 22 ff.) gibt man nur die betreffende Suren- und Verszahl. Bei Zusammenhangen sachlicher Art (z.B. Sure 4,3 Mitte und Sure 4,128 (129) Anfang) setzt man ein „vgl." da vor. Die erklarenden Zusatze (s. oben, Absatz 4) sind als solche kenntlich zu machen. Dabei könnte man zwei oder eigentlich drei Arten von Zusatzen unterscheiden: a) In runden Klammern (): Zusatze, die in einer etwas flüssigeren, aber immer noch eng an den Grundtext angeschlossenen Übersetzung wiederholen, was unmittelbar vorher in streng wörtlicher Übersetzung gegeben ist. b) In Kursivschrift, oder in eckigen Klammern []: Zusatze, die über den Grundtext hinausgehen und zur Interpretation und Kommentierung dienen. c) In runden Klammern und Kursivschrift, bzw. in runden und eckigen Klammern ([]): eine Kombination von a und b: Zusatze, die in freierer, sachlich über den Grundtext hinausgehender Übersetzung wiederholen, was unmittelbar vorher in streng wörtlicher Übersetzung gegeben ist. Auf den ersten Bliek wird ein derartiges System von Zusatzen vielleicht etwas verwirrend wirken. Aber bei haufigerem Gebrauch der Übersetzung wird man sich sicher rasch damit befreunden können. Die streng wörtliche Übersetzung könnte übrigens durch halbfetten Druck noch deutlicher aus den sie umgebenden Zusatzen herausgehoben werden. Wenn ich im vorhergehenden für die in Aussicht genommene Koranübersetzung schon ziemlich genaue Richtlinien aufgestellt habe, so könnte das vielleicht den Anschein erwecken, als ob ich mir die Aufgabe zu einfach vorstelle. Dem ist aber nicht so. Trotzdem ich das Ziel deutlich vor mir sehe, bin ich mir der Schwierigkeiten, die den Weg dazu verbauen, klar bewusst. Ich weiss, dass es im Koran Stellen gibt, mit denen selbst die gründlichste exegetische Arbeit nicht fertig werden kann. Auch verstehe ich es vollkommen, wenn man in Fachkreisen verschiedentlich der Meinung ist, zuerst müsse noch eine Menge weiterer Vorarbeiten lexikalischer, grammatikalischer, stilistischer und sachlicher Art erledigt werden, ehe man sich mit einiger Aussicht auf Erfolg an die Übersetzung selber heranwagen dürfe. Schon allein die Tatsache, dass ein so gründlicher Fachmann auf dem Gebiet der Koranwissenschaft wie Josef Horovitz die Voraussetzungen dazu noch nicht für erfüllt hielt, muss bedenklich stimmen. Und trotzdem! Schwierigkeiten sind da, um überwunden zu werden. Übrigens muss ja die Übersetzung nicht schon von heut auf morgen fertig sein. Sie wird in Monaten und Jahren langsam ausreifen. Und ehe sie ihre endgültige Form erhalt, wird sich auch noch Gelegenheit geben, die eine oder andere von den Vorarbeiten, die gegenwartig erst im Entstehen begriffen sind, dafür auszuwerten. Vorerst aber gilt es, die Aufgabe überhaupt in Angriff zu nehmen und so weit zu fördern, als es die gegebenen Verhaltnisse erlauben. Anhangsweise möchte ich versuchen, zwei schwierige koranische Ausdrücke aus dem Koran heraus, d.h. unter Berücksichtigung der entsprechenden Parallelstellen, neu zu deuten. Da es sich dabei nur um Versuche und nicht schon um abschliessende Ergebnisse handelt, ware es mir lieb, wenn der oder jener Fachgenosse sich dazu aussern würde. L „Ha/izai IVl-gkaib*', bzw. lil-ghaib kafizln", „das Geheime be wahrend *. Zweimal steht im Koran ein pradikativer Plural des Partizips von hafiza in Verbindung mit dem prapositionalen Ausdruck IC l-gkaib: a) in der „Frauensure" (4, 38 (34)): ,^«11 0lksb> 0bülS oL^LJs M ±is> U; b) in der Geschichte von Josef (12, 81): Oy» öUj( ^ lif [> In den wichtigsten Ubersetzungen lauten die beiden Stellen folgendermassen (die Wiedergabe von hafizat li 7 ekaib bzw. li 'l-g&aib hafizln in Sperrdruck): Henning: a) Die rechtschaffenen Frauen sind gehorsam und sorgsam in der Abwesenheit (ihrer Ga11en), wie Allah für sie sorgte. b) und wir bezeugen nur, was wir wissen, und nicht können wir das Verborgene abwehren. Goldschmidt: a) Die Ehrbaren sind gehorsam, ein Geheimnis bewahrend weil Gott sie bewahrt. b) Wir bezeugen nichts als das, was wir wissen, sind aber nicht Hüter des Heimlichen. Rückert: a) Ehrbare Frauen aber sind gehorsam und bewahren das Geheimnis, weil Gott sie bewahrt. b) Wir zeugen nichts dan was wir wissen, nicht über das Verborgene sind wir Hüter. Grimme: a) Die frommen Frauen sind treu, Hüter des Geheimen, wie Gott es hütet. b) nicht übersetzt. Palmer: a) and the virtuous women, devoted, careful (in their husbands') absence, as God has cared for them. b) and we bore testimony to naught but what we knew; for ofthe unforeseen we were not keepers. Bonelli: a) le donne buone sono ubbidienti (e) hanno cura (delle sustanze del marito e della propria onesta) durante 1' assenza (di quello), perciö che Dio ha avuto cura di esse (affidandole al loro marito). b) e (noi) non facciamo testimonianza se non per ció che (noi) sappiamo, nè (potevamo) essere guardiani contro 1'imp revedibile. Kasimirski: a) Les femmes vertueuses sont obéissantes et soumises: elles conservent soigneusement pendant 1'absence de leur maris ce que Dieu a ordonné de conserver intact (c'est-a-dire, leur personnes et 1' avoir de leur maris). Weigall, Arthur: Alexander the Great. Lc-ndc-n 1933. Wikken, Ulrich: Griechische Geschichte im Rahmen der Altertumsge- schichte. 2. Aufl. München u. Berlin 1926. (Gr. Gesch.). Alexander der Grosse. Leipzig 1931. (Alex. d. Gr.). Wright, F. A.: Alexander the Great. London 1934. Stuttgarter NS Kurier. Besondere Beilage mit Regierungsanzeiger für Württemberg, Nr. 2, 1935. SAUQÏ, DER FÜRST DER DICHTER VON FUAD HASANEIN ALI q'j—ij v_8—jI—'k> si—jJI ^c I «_J xJULS £t-*-Sf v-^ o' qI—:j' _j—»c ^1 m i^Li ^—^lXJLs ƒ Ls^—ij ükj^-^c Jou i^L^si! Is „Das Ticken im Herzen des Menschen sagt zu ihm: Das Leben zahlt nur Minuten und Sekunden. Erhöhe das Andenken deines Lebens nach deinem Tode, Denn das Andenken ist für den Menschen ein zweites Leben." Ahmad Bey Sauql — so hiess er, bevor er am 19. April 1927 in einem grossen Jubilaum von dem verewigten „Dichter des Nils" Hafiz Bey Ibrahim im Namen der Vertreter der gesamten arabischen Welt „Amlr a&èu'ara0" (Fürst der Dichter) genannt wurde1) — erblickte in Kairo im Jahre 1868 als Spross einer arabisch-anatolisch-griechisch-tscherkessischen Familie das Licht der Welt. Seine Grossvater vaterlicher- und mütterlicherseits waren am Hofe angestellt. Ersterer war ein Kurde, der sowohl die arabische als auch die türkische Sprache gut beherrschte; letzterer stammte aus dem anatolischen Dorf Nigdah und vermahlte sich mit einer freigelassenen moraischen Sklavin. Das durch der Grossvater Fleiss und Strebsamkeit erworbene Vermogen verbrachte Sauqls Vater durch seine Leichtsinnigkeit. So war es eine armliche Umgebung, in der unser junger Dichter auf wuchs. Aber seine hervorragende Begabung wurde dadurch nicht beeintrachtigt. „Fürst der Reime, ich kam, um dir zu huldigen: Hier sind die Vertreter des Orients, sie haben mit mir ihre Huldigung dargetnacht.w Sauql war ein Traumer, der sich im trockenen Garten der Wissenschaft nicht wohl fühlte; er war ein Poet, geboren, um das Leben in sich aufzunehmen und es anderen in seinen Dichtungen zu übermitteln. Nach i4jahrigen Studiën bestand er, im Alter von 19, sein philologisches Examen in den modernen europaischen Sprachen. Wahrend seiner Studienzeit hatte er Lobgedichte auf den Exsultan von Agypten verfasst. Zum Lohn erhielt er nach seinem Examen eine Stelle am Hofe. Etwas spater schickte ihn der Exsultan Tauflq Pascha nach Frankreich, damit er seine schon damals in Agypten erworbenen juristischen Kenntnisse und die der französischen Literatur erweitern konnte. So war er der Sorge um seine Existenz enthoben. Er brauchte jetzt nicht mehr nach Ehren zu jagen. Unser Dichter war von mittelgrosser, schlanker, vornehmer Gestalt. Auf dem Kopf trug er schönes schwarzes Haar. Sein Gesicht war abgezehrt und durchsichtig. In seinem glatten, hellbraunen Antlitz lagen dunkelbraune, sehr lebhafte Augen. Seine Nase war ausgesprochen adlig und von stark arabischer Formung. Er besass Grazie und Heiterkeit und bekannte sich zur Lebensbejahung seiner Zeit. In Frankreich lebte er vier Jahre, davon zwei in Montpellier und zwei in Paris. Diese waren für ihn Lehrjahre, Wanderjahre und Jahre der Reife. In Paris, dem damaligen Herzen der europaischen Gesellschaft, bewegte er sich in literarischen Kreisen, ging aber in keinem Kreis ganz auf. Gesellschaften suchteernur auf, um neue Anregungen zu schöpfen. Er war ein Experimentator und lebte, um zu forschen. Er war ein Geniesser, aber nur, um zu erkennen; seine Aufenthaltsjahre in Frankreich geben uns den Schlüssel zu seiner Weltanschauung. Als Sauql, der Poet, die Welt betrat, fand er eine grosse Vergangenheit und eine kleine Gegenwart vor. Er fand die arabische Sprache, die Sprache der mittelalterlichen Kultur, im Sterben. Das ist nicht weiter verwunderlich, wenn man bedenkt, dass seit dem 16. Jahrhundert fast die ganze arabische Welt unter dem türkischen Kalifat stand. Denn weder die Turken, noch ihre Nachfolger, die Mamluken, hatten das geringste Interesse für die arabische Literatur oder überhaupt für die Wissenschaft. Und so blieb der Oriënt bis zum Ende des 18. Jahrhunderts in finsterer Verlassenheit hinter der europaischen Wissenschaft zurück. Erst als im Jahre 1798 Agypten von Napoleon okkupiert wurde, fand die Schreckensherrschaft der Mamlukendynastie ihr Ende. Nun kam die Bevölkerung Agyptens in direkte Verbindung mit der europaischen Kultur. Die alten Azhar-Gelehrten erwachten und einige von ihnen traten mit frischem Mut in das neue Leben hinein. Durch Champollion und andere wissenschaftliche Forscher wurde die Geschichte Agyptens entschleiert. Rac fing an, seine Strahlen herabzuschicken, aber sie waren doch nicht stark genug, um Agypten, nachdem es so lange geschlafen hatte, wieder zum Leben zu erwecken und die agyptische Finsternis endgültig zu vertreiben. Nicht lange hatten die französischen Gelehrten ihre Tatigkeit ausgeiibt (1798—1801), als Agypten durch Muhammad cAlï Pascha, den Begriinder der heutigen königlichen Dynastie, befreit wurde. Er setzte die wissenschaftliche Tatigkeit weiter fort und führte im Jahre 1821 die Buchdruckkunst in Agypten ein. Damals fing man an, die Werke der klassischarabischen Literatur durch die Drucklegung einem weiteren Publikum zuganglich zu machen. Muhammad cAlï beschrankte sich aber nicht darauf, sondern schickte ausserdem viele Studenten nach Europa, damit sie weiter studieren sollten. Diese Mitglieder der agyptischen Studienkommission kehrten dann spater nach Agypten zurück und raumten für die nachfolgende Generation viele Hindernisse aus dem Wege. Sauqï sagt darüber: „Es genügte ihm, dass er zu einem Toten kam und ihn wieder belebte, Und es genügte Agypten, dass es zu dieser Wiederbelebung kam." In der Regierungszeit Isma^ls (1863—1879) lebte in der agyptischen dichterischen Welt Mahmüd Pascha Samï al-Barudï und begeisterte ihn mit seinen Versen. Aber Sauqï beschrankte sich nicht auf ihn allein, sondern liess sich auch sonst von vielen alten wie neuen Dichtern beeinflussen, so von „al-Baha Zuhair", „Ibn Matrnh", „Van an-Nabïh", „al-Hagri", „Abu NuwSs", „al-Buhturï", „Abü Tammam", „al-Mutanabbï", „al-Macarrï", „a§-Sarïf ar-Rida", „Mihyar ad-Dailamï", „Ibn Hani3", „Ibn Hafaga", „Ibn Hamdïs", u.a.m. Aus diesem Grunde wirken altarabische Poesie sowie auch altarabischer Sagenreichtum tief auf ihn ein und bestimmen sein Wesen. Nun ergriff der Dichter die Leier. Er spielte und gab Kunde von seinem Dasein, von seinem Leid und von seinen Freuden. Jetzt sang Sauql, der Dichter Agyptens, des Agypten der Pharaonen, des Agypten der edlen Kalifen, des Agypten der Türken, des Agypten der heutigen königlichen Familie. Erpries das Agypten der Pyramiden; „kein Volk der Erde schuf ein Gleiches, die Wahrzeichen für die Ewigkeit." Er besang Agypten, das „Heimatland der Sphinx"; „als dunkel und barbarisch noch die Völker, warst du Agypten erfüllt von hohem Wissenslicht". Er besang Agypten, „dem die Völker als Sklaven dienten"; Agypten, „die Mutter der Weisheit", Agypten, „das Land der Lander". Alles schilderte er in einem 290 Verse umfassenden Gedicht, das er im September 1894 vor den Teilnehmern des Orientalistischen Kongresses in Genf vortrug, und das „KibSr alHa wadit fl Wadi Dn-Nïl" betitelt ist. Es leuchtet jedem auf den ersten Bliek ein, dass der Dichter in diesem Gedicht wie auch in seinen anderen Gedichten politische Rücksichten zu nehmen hatte. Er war Hofdichter und er war Agypter. Seine Gedichte durften nicht Anlass zu politischen Schwierigkeiten und Verwicklungen geben. Aber manchmal trieb es ihn doch, aus seiner Zurückhaltung herauszutreten und für sein unglückliches agyptisches Volk Partei zu ergreifen. „Ach, Nero, wenn du die Zeit Kromers miterlebt hattest, Dann hattest du gewusst, wie man Urteile vollstreckt". Wusste er nicht, dass er das Wort, das er beherrschte, jeder Zeit zur Waffe schmieden konnte? Hatte der Fürst der Dichter nicht ein starkes Gefühl für Recht und Unrecht? Empfand er nicht eine enge Verbundenheit mit seinen Mitmenschen ? Litt er nicht selber mit? > iL_j>f «Ij «Jt 0VS I üj^! zri *L_i*JI 0fc „Meine Gedichte waren einst der Gesang in der Freudenzeit des Orients, Und der Trost in seinen traurigen Zeiten". Agypten ging Sauql über alles. Er liebte es bis in den Tod. (_£_hm£J lX-J—Al ^ lult ^, * «rjli / * «r i\_L£L ^Lxjx, _j_J ^jio^ „Mein Vaterland I — wenn ich einmal durch das Paradies von ihm getrennt sein sollte, Dann wird meine Seele im Paradies nach ihm verlangen". Und weil Nationalismus für ihn die Kameradschaft des ganzen Volkes bedeutete, verabscheute er den Kamp f politischer Parteien und liess sich nie als Reklameschild von einer derselben benutzen. Er blieb abgesondert eine Welt für sich und war kein Vergötterer irgend eines Menschen. Seinen Patriotismus zeigte er ganz deutlich in allen seinen Gedichten, wie auch in seinen Dramen. Man braucht nur seine Werke daraufhin durchzusehen, besonders die folgenden monumentalen Gedichte „Abu '1-HöT', „Dikra Dinschway", „Wadac al-Lord Kromer" „28 Fibrajer", „Sahïd al-Haqq", „Takrïm", „Al-Andalus", „Aijuha Sn-Nïl", „AnNaSïd al-Watanï", u.a.m.; von seinen Theaterstücken „Masrac Kleopatra". Fast noch starker spiegelt sich in den Dichtungen Sauqïs seine Liebe zu den anderen Landern arab ischer Zunge. Er war selbst stolz darauf, Araber zu séin, als Araber zu leben und für die arabische Welt zu dichten. „Ja, wir sind hinsichtlich des Orients und der arabischen Sprache (al-fusha) Stammverwandte, Und in den Wunden und Schmerzen sind wir Brüder". „Ja, wenn auch die Lander verschieden sind, so verbindet uns doch Die gleiche Ausdrucksweise und die gleiche Sprache". vi—«s-« J.—J' 1 1»—Lv I xJL-»-ö 3t bj w! ^} L«i „Der Oriënt ist nichts anderes als eine Familie oder ein Stamm, Der bei jedem Unglück seine Kinder zu sich ruft". Er vertiefte sich in die vergangenen Jahrhunderte, nicht weil es im Zuge der Zeit lag oder weil ihm die Gegenwart zu wenig Betatigung geboten hatte, sondern aus Liebe zu dem alten ruhmvollen Arabien. Dichtend sass er an der Seite der vorislamischen und muslimischen arabischen Dichter. Die Geliebte, die er im Eingang seiner Lieder, in „Muhammads Gesang", „Nahg al-Burda", „Masrüc Milner", „Takrïm" usw., besang, war in Arabien und nicht in Agypten. Seine Motive waren Arabien entnommen, und man merkt überall in seinen Werken, dass er bei seinem Schaffen von dem tiefen Gefühlsleben der alten Araber inspiriert war. Wir erleben durch ihn und in ihm nicht nur unsere gegenwartige arabische Welt, sondern auch unzahlige Menschen unserer Ahnen. Mit der Hinwendung Sauqïs zum Arabertum hangen auch seine panarabischen Bestrebungen zusammen, die verschiedentlich in seinen Gelegenheitsgedichten und in seinen dramatischen Werken zum Ausdruck kommen. Sein ganzes Leben hindurch widmete er sich der Aufgabe, die Einheit und das Zusammengehörigkeitsgefühl der arabischen Lander und Völker zu befestigen. Dabei betonte er mit besonderem Nachdruck, dass die Verschiedenheit des religiösen Bekenntnisses kein Grund sein dürfe, um die arabischen Völker untereinander zu entzweien. Er bemühte sich, die drei Weltreligionen — Judentum, Christentum und Islam — gleichmassig zu beurteilen und keine davon gegenüber der andern in den Hintergrund treten zu lassen. In seinen Werken wechselte er in einer poetischen Weise von der altagyptischen Religion hinüber zum Judentum, zum Christentum und endlich zum Islam. „Im Altertum hatte sich Agypten unter der Isis gebeugt, Die gute Taten vollbrachte." „Du hast Moses mit der Thora als Führer gesandt, Und den Sohn der Jungfrau, der das Evangelium lehrte." „Die Barmherzigkeit wurde am selben Tage geboren, an dem Jesus das Licht der Welt erblickt hat, Und die edlen Taten, die rechte Leitung und das Schamgefühl." „Und die Welt wurde durch das Neugeborene erfreut, und erleuchtet wurden Durch sein Licht die Gegenden der Erde." „Und das Wunder des Messias strahlte, Wie das Licht des Sonnenaufgangs durch das Ali." „Einen Gruss, der sanfter ist als der Hauch vom Barada, Und unaufhörliche Tranen, o Damaskus." — „Und in mir sind durch das, was das Schicksal dir zugefügt hat, Wunden entstanden, die tief ins Herz einschneiden." — „O üamaskus, warst du nicht eine Amme für den Islam? Und der Amme seiner Vater ist man doch nicht undankbar!" — „Und die Kolonisatoren haben, auch wenn sie nachgiebig sind, Herzen wie Steine, die nicht weich werden." — „Frankreich kennt das Blut der Aufstandischen, Und es weiss, dass es Licht und Recht ist." Dem 90-jahrigen Martyrer der tripolitanischen Freiheitsbewegung 'Umar al-Muhtar, der mit seinen Mitkampfern brutal in den Tod gejagt wurde, widmete Sauqï einen Nachruf, dessen Anfang Sie haben deinen Leichnam im Sand als Flagge gehisst, Die das Volk morgens und abends anfeuert". Sauqï liebte nicht nur die arabischen Völker, sondern auch diejenigen Nationen, die mit ihnen befreundet waren und für sie Sympathie empfanden. Es ist ein ewiges Denkmal für die gegenseitige Sympathie zwischen Deutschland und der arabischen Welt, das Sauqï errichtet hat durch sein Gedicht „Gruss Wilhelms II. am Grabe Saladins." Er sagt darin: „Der Grösste unter den Menschen ist der, der die Grossen beweint Und sie beklagt, auch wenn sie Gebeine sind". „Und besser als Wolken in der dürren Zeit ist Ein Mann, der die Edlen dadurch, dass er sie prèist, wieder ins [Leben zurflckruft." „Gibt es niemand, der Wilhelm von mir Eine Botschaft ausrichtet, die der Majestat genehm ist?" „Möge Gott Dich beschützen, Du grosser König, Der Du einen grossen König, der in der Erde liegt, wieder aufgesucht hast." „Ich glaube, das Vergessensein hat ihn durstig gemacht, und als Du an seinem Grabe standest, warst Du (für ihn) eine (Regen [spendende) Wolke!" Sauqïs Dichtergenius überstrahlte den ganzen Oriënt, und durch seine grossen Verdienste um die arabische Sprache eroberte er im Sturme die ganze arabische Welt. Zum Klassischarabisehen hatte er über viele Jahrhunderte hinweg ein unmittelbares Verhaltnis. So gelang es ihm sogar, die Töne der heutigen abendlandischen Tanzmusik in die Formen altarabischer Dichtkunst umzusetzen. Der „Fürst der Dichter" schöpfte aber nicht nur aus dem Wort- und Formenschatz des Klassischarabischen. Neben der Schriftsprache hielt er auch seine Muttersprache, den agyptischarabischen Dialekt, in Ehren. Bei seinem Dichten nnd Schaffen griff er immer wieder darauf zurück. Er entnahm der Umgangssprache einzelne Wörter und Ausdrücke, veredelte sie und führte sie in die gehobene Sprache ein. Dadurch wurde der Literatursprache eine wichtige, bisher kaum benützte Quelle erschlossen, aus der sie sich erneuern und bereichern konnte. Dadurch wurde zugleich auch wieder der Kontakt zwischen dein Volk und dem arabischen Schrifttum hergestellt. Sauqï wurde zum Dichter der Frauen und Kinder, zum Dichter aller Stande und Schichten. Dem ganzen Denken und Fühlen des agyptischen Volkes gab er Ausdruck, und mit Recht sind deshalb die Agypter besonders stolz auf ihn. Er verfasste übrigens auch Fabeln und Lieder, die eigens für Kinder bestimmt waren. Sehr beachtenswert sind auch Sauqïs Beitrage zur Bühnendichtung. Er hat mit seinen Leistungen auf diesem Gebiet die Hochachtung der gesamten arabischen Welt gewonnen. Vier seiner Meisterwerke stammen aus der Zeit nach seiner Rückkehr aus der Verbannung nach Spanien (1915—1919): BMasrac Kleo- ZUR KOMPOSITION UND LITERARKRITIK DER BILDERREDEN DES ATHIOPISCHEN HENOCH (KAP. 37—69) VON FRIDOLIN STIER Die Literarkritik an den Bilderreden (BR) des athiopischen Henoch ist über die summarischen Bemerkungen von G. Beer (in Kautzsch, Apokryphen und Pseudepigraphen des Alten Testaments, II. Bd. 227) kaum hinausgewachsen. Der Versuch N. Messels (Der Menschensohn in den Bilderreden des Henoch, Beitr. zur ZATW 35, 1922), die Quelleneinheitlichkeit der Kap. 37—71 nachzuweisen, muss als misslungen gelten. Beer hatrichtig erkannt, dass die BR auch nach Abzug der aus einer Noahapokalypse stammenden Bestandteile (38, 1. 2a; 54,7—55,2; 60; 65,1—69,25) kein einheitliches Geprage zeigen. Als Indizien, nach denen sich „vielleicht" eine literarkritische Scheidung vornehmen liesse, nennt er den Doppelnamen des Messias (Auserwahlter [= A.] und Menschensohn [= MS]) und die verschiedene Bezeichnung der beiden angeli interpretes: „Es scheint, als ob 'der Engel, der mit mir ging', mit der Interpretation der Bedeutung des Menschensohns (Kap. 46,2; doch s. auch 40,5), und ,der Engel des Friedens, der mit mir ging', mit der Erklarung des Wesens des Auserwahlten betraut ist" (s. Kap. 52,5 ff). Wahrend Beer es für gewagt halt, anhand dieser Kriterien die Quellenscheidung im Einzelnen durchzuführen solange nur der athiop. Text zur Hand sei, übernimmt R. H. Charles unbedenklich die Handhaben Beers und findet die MS-Quelle in 40,3—7; 46—48,7; 52,3—4; 61,3—4; 62,2—63; 69,26—29; 70—71, die A-Quelle in 38—39; 40,1—2,8—10; 41,1—2,9; 45; 48,8—10; 50—52,1—2.5—9; 53—54.6; 55,3—57; 61,1—2.5—13; 62,1 (The Apocrypha and Pseudepigrapha of the O.T. II 169). Gegen diese Textscheidung habe ich schon in meiner Arbeit, Gott und sein Esra und Gott, so dass regelmassig auf die Frage des Sehers die durch Uriel vermittelte Antwort Gottes erfolgt. Kp. n u. 13 dagegen enthalten allegorische, jeweils durch den Engel gedeutete Visionen. Aehnlich verhalt es sich mit der syr. Apk. des Baruch. Hier ist das Wechselgesprach in die von Baruch selbst in der Ich-rede gegebene Schilderüng der Zerstörung Jerusalems eingebaut. Die Mahnreden an das Volk (31—34) mgen sich harmonisch in diesen Rahmen ein. In 35—37 berichtet Bar. seine allegorische Vision (36,1: und ich sah) von dem Walde, dem Weinstock, der Quelle und der Zeder, in 3of. die in 38 erbetene göttliche Deutung. Auch hier entwachst die folgende Rede an die Aeltesten (44—46) organisch dem Zusammenhang (41—43). Parallel gebaut ist die folgende Gruppe: 53 (Vision), 54—74 (Deutung), 75—77 (Mahnrede). Als E r g e b n i s dieser Ueberschau darf also festgestellt werden, dass sich die Apokalypsen teils als Ganzes, teils in grosseren zusammenhangenden Partien durchweg an e i n formales Schema sei es der Rede sei es der Vision halten. Die Mahnreden in der Baruchapk. bilden nur eine scheinbare Ausnahme, da sie organisch ins Gesamtgefüge eingegliedert sind. Das regellose Formgemisch der BR darf demnach als formgeschichtliche Ausnahme gelten und drangt uns unwillkürlich die Vermutung auf, dass in der Form das entscheidende Kriterium zur Quellentrennung Hege. Die formkritische Analyse der BR zeigt nun, dass sie nicht in eine MS- und A-Quelle, sondern in Reden- und Visionsquellen aufzulösen sind. Das deutet schon K. 37 an, das wahrscheinlich aus zwei Überschriften besteht: v. 1 (Das Gestekt, das schaute... Henoch...) uhd vv. 2—5 (Und dies ist der Anfang der Weishcitsreden ...). Die erste Bilden-ede (Kap. 38—44). K p. 38 hat die Form der Red e. Den ursprünglichen Schluss dieses Stückes bildete (so schon Beer) 32,2b (.Barmherzigkeit wird ihren nicht zuteil werden" sprach der Herr der Geister), da diese Worte beziehungslos zwischen 39, 1.2a und 3ff. stehen und inhaltlich am besten an 38,6 anschliessen. Den gleichen Fall, dass • eine Rede mit einem Gottesspruch schliesst, haben wir auch in 50,5; 63,12; 105. Mit 3 9,3 f setzt eine V i s i o n s q u e 11 e ein: „in jener Zeit rafften mich eine Wolke und ein Wirbelwind von der Erde bin- weg und setzten mich am Ende der Himmel nieder. Hier schaute ich ein a n d e r e s Gesicht..." Demnach ging im ursprünglichen Zusammenhang nicht die Rede von 38, sondern eine Vision voraus. Die Annahme, dass sich bier die Wanderung Henochs durch die irdischen Raume (17—36) im Himmel fortsetze, wie schon Köstlin vermutete, wird von Beer mit der Begründung abgelehnt, dass dann die Buchüberschrift in 37,1, „in der Henochs Genealogie wie die einer bisher ganz unbekannten Person bis auf Adam zurückgeführt wird", unerklart bliebe (S. 227). Man könnte noch hinzufügen, dass der Reiseberichterstatter den Geistern der Gerechten einen der vier Unterweltsraume als vorlaufigen Aufenthaltsort anweist, wahrend der Verf. von 39,36". sie schon in der Zwischenzeit bis zum Endgericht im Himmel wonnen lasst, vorausgesetzt dass der stark verdorbene und vermutlich überarbeitete Text nicht auf die Zukunft, sondern auf die Gegenwart zu deuten ist. Ware die nur mit gewagten Korrekturen und Streichungen durchfuhrbare Zukunftsdeutung im Recht, so könnte 39,3ff. wenigstens inhaltlich, als Schilderüng des endgiltigen Aufenthalts der Gerechten, der gleichen Quelle wie die Wanderungen Henochs angehören. Bleibt man aber bei der nach dem jetzigen Textbestand ungezwungeneren Deutung auf die Gegenwart, so haben wir in 39,36. das Fragment einer neuen, eine Himmelreise Henochs enthaltenden Quelle, es sei denn, dass kale' eine sekundare auf 21—36 bezügliche Glosse ware. Der Kompilator der BR steilte die beiden Stücke zusammen, weil er in 39,36. die Antwort sah auf die nach 38 naheliegende Frage nach der gegenwartigen „Wohnung" der unsichtbaren Gemeinde der Auserwahlten und des Messias. Hier wie dort fand er die Vorstellung vom Lichtglanz der Gerechten (in 38,4b am Endtag, in 39,7b jetzt schon im Himmel). Der Inhalt der Redenquelle, ihre Eschatologie, auf die wir wegen Raummangel nicht naher eingehen können, würde aber zeigen, dass sie den Glauben an die himmlische Verborgenbeit der unsichtbaren Heilsgemeinde nicht teilt. Kp. 40 gehort vermutlich als Fortsetzung der Himmelsreise der gleichen Visionsquelle an: nach der Schau des Auserwahlten und der Gerechten er halt der Seher noch tieferen Einblick in die Geheimnisse des Himmels; er sieht den Hofstaat der tausenmal Tausende und zehntausendmal Zehntausende von Engeln vor dem Herrn der Geister stehen und unter ihnen die Gesichter der vier Erzengel. Für die Einheit von 40 und 39,36. sprechen folgende Gründe. i) Wenn die vier Angesichtsengel von den „nie Schlafenden" unterschieden werden, so erwartet man, dass diese unmittelbar vorher erwahnt wurden. Dies ist in 39,12f. der Fall. 2) Der Verfasser von v. 3 hat die gleiche Vorstellung von der Himmelsgemeinde wie 39,3ff. Zwar ist eine sekundare Entstehung dieses Verses im Anschluss an 39,36. an sich möglich. Aber Kp. 40 bildet eine literarische Einheit trotz der von Beer als Zeichen der Uneinheitlichkeit gewerteten Tatsache, dass die in v. 9 mit den Namen der Engel verbundenen Pradikate nicht zu deren Funktionen in 3—7 stimmen. Denn in der Formgeschichte ist es kein seltener Fall, dass die neuen und die der Tradition entnommenen Elemente nicht sauber aufeinanderpassen. So kann auch hier die Diskrepanz zwischen den Stimmen und den Namen dadurch entstanden sein, dass der Verf. die einen aus eigenem schöpfte, die andern aus der Ueberlieferung nahm. Gegen die Ausscheidung der vv. 3—7 sprechen v. 8, der die Stimmen der Unbekannten voraussetzt und zur Nennung ihrer Namen in v. 9 überleitet, v. 10, der ebenfalls auf 3—7 zurückblickt und v. 2b, der auf v. 9 hinzielt. Die unter 1) und 2) genannten Gründe können also für den ursprünglichen Zusammenhang von Kp. 40 und 39,36 gekend gemacht werden, ihn zu beweisen, reichen sie nicht aus, sodass die Quellenfrage für Kp. 40 in suspenso bleiben muss. Das gleiche gilt für die Visionen in Kap. 41, 1—2. 3—9; 43 und 44- In 41,1 f. schaut der Seher „alle Geheimnisse des Himmels, wie das Reich verteilt wird und wie die Handlungen der Menschen auf der Wage gewogen werden". Allem nach handelt es sich nicht um das endzeitliche, sondern um das gegenwartige, im Himmel sich abspielende Gericht, denn „dort schauten meine Augen, wie alle Sünder von dort (d. h. von den in v. 2a genannten Wohnungen der Auserwahlten) vertrieben werden — und wie man sie wegschleppt..." (2b.c). Dann liegt auch dieser Vision der in 39,36 ausgesprochene Glaube an ein individuelies Gericht nach dem Tode und den (vorlaufigen) Aufenthalt der Gerechten in himmlischen Wohnungen, der Sünder am Ort der Strafe, zugrunde. Auch der slav. Henoch weiss von „Mass und Wage", die an der „Gerichtsstatte* der Menschen harren (Kp. 49), von der Gefangenschaft der gefallenen Engel im zweiten „Himmel" (Kp. 7 u. 10), wo sie für das „masslose Gericht" aufbewahrt werden {7,1), vom „fürchterlichen Ort" der Sünder (im Norden des dritten[?] Himmels), den sie als „ewigen Erbbesitz" bewohnen (10,1.6), vom Paradies im dritten Himmel, das den Gerechten „bereitet" ist (8; 9,1). Nach 40,2; 41,1; 42,if. 3 sind beide Orte nicht nur bereitet, sondern bereits bewohnt. Die Vision 41,1 f vom Ort und Vollzug des jenseitigen Gerichtes passt zwar inhaltlich in eine Himmelsreise, die vom seligen Aufenthalt der Frommen im Himmel weiss, aber es fehlt an genügenden Anhaltspunkten, sie zum ursprünglichen Bestand der in 39,36 (u. 40?) fliessenden Quelle zu rechnen. Die Vision der Geheimnisse von Blitz und Donner, Winden und Wolken, Sonne und Mond in 41,3—9 kann in einem Himmelsreisebericht nicht befremden, da die astronomischen und physikalischen „Geheimnisse" auch sonst zu den Requisiten der Apokalypsen gehören (vgl. slav. Hen. 4—6; 11—16; 40). Die Frage der immerhin möglichen Quelleneinheit mit den vorangehenden Visionen muss für 41,3—9 offen bleiben. Der Zweck dieses Stückes im gege benen Zusammenhang ergibt sich aus Kp. 43 u. 44. Denn 43,1a (A b e r m a 1 s sah ich Blitze und die Sterne der Himmels...) weist auf 41,3, 43,1b u. 2b auf 41,5f, die „gerechte Wage" (43,2a) auf 41,1b, die Deutung der „nach ihrer Lichtstarke" gewogenen Blitze und Sterne als Sinnbilder der Heiligen, auf das Gericht und die Seligkeit der Gerechten in 41,1 u. 2a zurück. Die Kap. 43 u. 44 setzen also 4i,if. voraus und verwerten die in 41,3—9 enthaltenen Elemente (Blitze, Donner, das Licht und die Ordnung der Gestirne) als Symbole der Heiligen, die nach den Befehlen Gottes wandeln und im Lichte ihrer Gerechtigkeit wie Blitze und Sterne strahlen. Diese Lichtnatur der Gerechten führt hinüber zu 39,7b: „Alle Gerechten und Auserwahlten vor ihm glanzen wie Feuerschein". Das geistige Band, das 41,if. u. 3—9 mit 43/4 und diese zusammen mit 39,36. verbindet, besteht also vermutlich in der Absicht, zu zeigen, wie und warum die Gerechten in die himmlischen Wohnungen gelangen. Kp. 42 ist anscheinend Interpolation. Als einfache Aussage steht es schon der Form nach abseits, nach seinem Inhalt hangt es nur lose an dem die übrigen Kapitel verknüpfenden Gedankenfaden. Wahrscheinlich wurde es nur zu dem Zwecke eingefügt, die mit 39,36. anhebende Aufzahlung der in den himmlischen „ Wohnungen" (39,4—8; 41,2a; 42,11) und „Behaltern" (41,4^ 42,3) enthaltenen Geheimnisse zu vervollstandigen. Die erste BR besteht also literarkritisch aus mindestens drei quellenmassig verschiedenen Bestandteilen: i) 38 + 39,2b: aus einer Redenquelle. 2) 39,3—14: aus einer Visionsquelle. Unsicher blieb, ob diese auch die übrigen Visionen (40; 41; 43; 44) enthielt, sodass mit dem Vorliegen einer 2. oder gar 3. Visionsquelle zu rechnen ist. 3) 42: Interpolation. Wir sahen aber, wie gedankliche Verbindungslinien diese literarisch uneinheitlichen Elemente zu einer gewissen geistigen Einheit zusammenschliessen. Die Frage ist nun, ob sich in den folgenden BR weitere Teile der in der ersten verwerteten Quellen nachweisen lassen. Die zweite Bilderrede (Kap. 45—57). In Kp. 45 taucht allen Anzeichen nach die Reden quelle von 38 wieder auf. Dafür sprechen gemeinsame und ahnlich formulierte Ideen: 38,lb.3.5 = 45,2.5b. 6b (die Hinwegtreibung der Sünder von der Oberflache des Festlandes), 38,2b. 4b (das auf dem Festlande den Gerechten aufstrahlende Licht) = 45,4b. 5 (der zu einem Segen und Licht verwandelte Himmel und die verwandelte Erde als Wohnort der Auserwahlten). Ja, 45 könnte sogar als unmittelbare Fortsetzung von 48 + 39,2b in Betracht kommen, denn es gibt zu den knappen Satzen über die Strafe der Sünder und das selige Los der Gerechten in 38 die weitere Ausführung. Für die Identitat des Verfassers spricht auch die gleich charakteristische, in Wiederholungen (a) und Kontrasten (b) fortschreitende Gedankenfolge. Am Parallelbau von Frage und Antwort in 38 konnte sich die stilistische Neigung zu Wiederholungen natürlich starker auswirken. a b 38,1a par. 3» l> par. 3b-4a 38, la : i>=2a.b : 2« = 2(a)b par. 4b 3a : jb.^a, = 4b : 5.6.39,2b 2« par. 5.6.38,2b 45,2 = 4b = 6b 45,2 : 3 =4,5a : 5b = 6a : 6b Diese Beobachtungen lassen kaum mehr zweifeln an der Identitat des Verfassers von 38 und 45. Kp. 46. In gleich abrupter Weise wie 39,36. auf die Rede in 38 folgt auf 45 die Vision vom Menschensohn und vom Betagten. So gut wie sicher ist, dass sie aus einer andern Quelle als 39,36. stammt. Sonst müsste man — von andern Gründen abgesehen — das völlig Unwahrscheinliche annehmen, dass der Seher auf seiner Himmelsreise den verborgenen Richter der Endzeit zweimal zu Gesicht bekam. Der unvermittelte Einsatz: „Ich sah dort" setzt vorher berichtete Visionen oder mindestens die Entriickung des Sehers in den Himmel voraus. In Kp. 46 haben wir also ein Bruchstück aus einer zweiten, hier sicher feststellbaren, Himmelsreise vor uns. Der Kompilator entnahm ihr die MS-vision, weil sie ihm zum Hauptzweck der 2. BR, das Gericht über die Sünder zu schildern (45,1), das passende Material bot. Kp. 47. Auch dieses dient zu Ausführung des gleichen Themas: Der Seher schaut, wie sich der „Betagte" in der Stunde des Endgerichts „auf den Thron seiner Herrlichkeit'' setzt (3»). Es hat also den Anschein, dass hier im Unterschied zu Kp. 46 nicht der MS, sondern Gott selbst das Endgericht abhalt. Zwar wird gleich nachher in 48,2—7 der Menschensohn als Richter genannt. Aber auffallend ist, dass diese Verse hinter 48,1 gerieten. Dazu kommt, dass Kp. 47 als in sich geschlossene, literarische Einheit erscheint: Die Verse if. und 3f. schliessen sich als Bitte und Erhörung zu einem runden Ganzen zusammen. Der Eindruck der Geschlossenheit wird erhöht durch den Gebrauch der gleichen Wendung: „das Gebet der Gerechten und das Blut des Gerechten" (koll.) am Anfang (1 und 2) und am Schluss (4). Besteht also gegen die Annahme einer ursprünglichen Fortsetzung von 47 durch 48,2—7 die Möglichkeit, dass hier wie in 60, wo die wörtliche Übereinstimmung von v. 2 mit 47,3 den formgeschichtlichen Einfluss von Dan. 7,Qf. verrat, nur der Betagte als Richter auftrat, so gebietet doch die Rücksicht auf Dan. 7,9/. 13F. auch an eine primare Einheit von 47 und 48,2—7 zu denken. Nun zu Kp. 48 u. 49. Hier fallt sofort die isolierte Stellung von 48,1 auf. Diese Vision von den Brunnen der Gerechtigkeit und Weisheit passt nicht zu den Ausführungen über den MS in 2—7. Dagegen scheint 49,1» („Denn Weisheit ist wie Wasser ausgegossen") mit 48,1 zusammen zu hangen, da die Begründungspartikel „denn" in Anschluss an 48,2—10 keinen rechten Sinn hat. Zieht man nun 48,1 zu 49, so ergeben sich weitere Kombinationen. 48,1 hat die Form der Vision, K. 49 die der Rede. Ich vermute daher, dass wir in 49 die vom Begleitengel (oder vom Kompilator selbst) gegebene Erklarung der Brunnenvision vor uns haben. Dann wurden die Brunnen gedeutet als Symbole einstimmungen: in 49,2b* steht der A. vor dem Herrn der Geister, in 39,7» wohnt er „unter den Fittichen des H.d.G.", in 39,4ff. sehen wir die „Gerechten, Heiligen und Auserwahlten" in ihren himmlischen Wohnungen, in 48,1, wie die Frommen kraft der empfangenen Weisheit und Gerechtigkeit zur Wohngemeinschaft mit diesen „Gerechten, Heiligen und Auserwahlten" gelangen, 39,5C („Gerechtigkeit floss wie Wasser vor ihnen") entspricht 48,1 (Brunnen der Gerechtigkeit und Weisheit) und 49,1 (Weisheit ist wie Wasser ausgegossen). Beiden Stücken gemeinsam ist ausserdem der gehaufte Gebrauch der Ewigkeitsformeln: 39,Sd (also ist es unter ihnen von Ewigkeit zu Ewigkeit), 39,6b (unzahlige auserwahlte Gerechte werden für immer vor ihm sein), 39,7d (Gerechtigkeit hört nimmer vor ihm auf); 49,1b (Herrlichkeit hört nimmer vor ihm auf von Ewigkeit zu Ewigkeit), 49,2b (seine Herrlichkeit ist von Ewigkeit zu Ewigkeit und seine Macht von Geschlecht zu Geschlecht). Vergleichen wir damit, so weit es sich um Aussagen über den Auserwahlten (oder MS) und die Heilsgemeinde handelt, das zahlenmassige Vorkommen dieser oder ahnlicher Formeln im übrigen Bestand der BR (48,6; 61,12; 62,14), so bilden sie geradezu ein Charakteristikum dieser beiden Stücke. Dazu kommen als inhaltlich gemeinsame Momente das Wohnen und Richten des A. im Himmel und der Glaube, dass die Gerechten bis zum Endakt im Himmel wohnen. Diese Beobachtungen sprechen für die einigermassen wahrscheinliche Annahme, dass 39,3 ff. und 48,1 +49 zur gleichen (Visions-)Quelle gehören. In Kp. 48 bilden die Verse 2—7 einen zusammenhangenden Komplex. „Zu jener Stunde wurde jener Menschensohn bei dem Herrn der Geister und sein Name vor dem Betagten genannt" (v. 2). Demnach fallt der Zeitpunkt der Berufung des MS ineins mit der Brunnenvision. Diese aber stand, wie wir zu zeigen suchten, ursprünglich im Kontext mit 49. Die Zusammenstellung von 48,1 +49 mit 47 sollte wohl dem Zwecke dienen, die Vorstellung vom Gericht in 47, wo nur der Betagte als Richter waltet, dahin zu erganzen, dass die direkte Ausübung des Gerichtes in den Handen des Auserwahlten liegt. (Vermutlich stand in der Vision oder in deren Deutung, von der in 49 nur ein Fragment erscheint, ausser 49 noch eine weitere Aussage über den A., da sonst bei der Annahme einer unmittelbaren Aufeinanderfolge von 48,1 u. 49 das „vor ihm" [49,1] in der Luft hinge). Nun kann es sein, dass der Kompilator oder ein Ueberarbeiter den in 46 als Richter (der Endzeit) vorgestellten MS auch in der Rolle des Heilbringers wie den Auserwahlten auftreten lassen wollte und aus diesem Gründe die ausführliche Glosse über den MS hinter der Vision von den Brunnen des Heils interpolierte. Die literarische Genesis war also vermutlich die: K. 47, das nur den Betagten als Richter erscheinen Hess, wurde erganzt durch 48,1 + 49 und dieses Stück durch 48,2—7 glossatorisch erweitert. Daran schloss sich als weiterer Zusatz 48,8—10, der sich von der jetzigen Umgebung durch den Inhalt (Gericht über die Sünder) und durch die Form der Rede deutlich abhebt. Und zwar handelt es sich wie in Kp. 45.3 & um eine Gottesrede: „Ich werde sie in die Hande meiner Auserwahlten übergeben..." (9). Dazu kommen weitere, auf Quellengemeinschaft mit 45 u. 38 hinweisende Züge: 48,9 = 3».5b Könige und Machtigen werden in die Hande der Gerechten und Auserwahlten übergeben werden), 48,8b. 9b = 38,5a. 6; 45.6 (die radikale Vernichtung der Sünder). Ferner scheinen die Ausdrücke „Tag des Leidens und der Trübsal" (45,2), „Tag ihrer Angst und Nor" (48,8), „Tag ihrer Not" (48,10) gerade für diese aus der Reden quelle stammenden Stücke charakteristisch zu sein. Das Geprage der Redenquelle tragen auch die folgenden Kp. 50 u. 51. Gleiche Termini und gleichartige Vorstellungen lassen kaum einen Zweifel an ihrer ursprünglichen Zugehörigkeit zu 38; 45; 48,8—10: Der „Tag der Not" (50,2)') wie in den eben genannten Stellen, die „Umwandlung" für die Gerechten und Heiligen (50,1a) wie in 45,4f., das „Wohnen des Tageslichtes über ihnen" (50,1b) wie in 38,2b. 4b; 45,4, der Sieg der Gerechten (50,2b) wie in 38,5b; 48,9a, der Auserwahlte als Richter auf dem Throne Gottes (51,2) wie in 45.3. das Wohnen der Gerechten auf der („sich freuenden" und daher wohl verwandelten) Erde (51,5) wie in 38,2b; 45,2a. 3b. 4f. Dazu kommen ausser der Form der Rede im allgemeinen als weitere gemeinsame Eigentümlichkeiten der abschliessende Gottesspruch (50,5) wie 39,2b, Gott selbst als Sprecher (51,3, wo die « Texte, also, im allgemeinen besseren, manbarëja) lesen wie in 45,3ff.; 48>9- l) Die Worte ba'elat 'enta saheb. a. zatazagba 'ekuj(a) Üvela hate'an sind freilich nach Charles textkritisch nicht gesichert. Nach diesen Anhaltspunkten werden wir 38; 45; 48,8-10; 50; 51 als Teile der gleichen Redenquelle betrachten dürfen. In den folgenden Kp. 52-54, 1-6; 56, 1-4; 57 stossen wir wieder auf eine Visions quelle. Ob v. ia, der über- und einleitettde Satz: „nach jenen Tagen, an jenem Orte, wo ich alle Gesichte über das Verborgene gesehen hatte" von erster oder zweiter Hand stammt, lasst sich kaum mit einem glatten Ja oder Nein beantworten. Unsicher ist auch ob sich ib (ich war namlich durch einen Wirbelwind entrückt und nach Westen geführt worden) auf 39,3 zurückbezieht. Die Visionen sind mit Ausnahme von Kp. 57 alle nach dem gleichen Schema gebaut: Gesicht, Frage des Sehers, Deutung durch den Engel. Gemeinsam ist auch ihr Thema: das Gericht über die sündigen Welt- und Engelmachte und ihre Vernichtung beim Anbruch des messianischen Reiches: Kp. 52, die Vision von den Metallbergen, den Symbolen nicht bestimmter Machte, sondern der Weltmacht überhaupt, deren Kriegswaffen beim Erscheinen des Auserwahlten dem allgemeinen Weltfrieden weichen mussen (8), greift mit v. 7 ins folgende Kapitel hinüber. Denn 53,1 f., die Vision vom tiefen Tal mit offenem Schlund (Josaphat?), das die Sünder mit ihren Huldigungsgeschenken nicht zu füllen vermogen, scheint den Gedanken von 52,7 („in jenen Tagen wird keiner sich retten, weder mit Gold noch mit Silber") naher ausführen zu wollen, 53,7 greift wieder auf 52 zurück. In 54,1 f. wendet sich der Seher „einem andern Teile der Erde" zu und schaut dort die Gehenna, „ein tiefes Tal mit loderndem Feuer", den endgiltigen Strafort für die „Könige und Machtigen" und die „Scharen des Asasel" (54,5 f.).') 54,7-55,1 gehort zur Noahtradition. 55,3 ist entweder ursprüngliche Fortsetzung von 54,6 oder ein aus der Redenquelle stammender („Tag des Leidens und der Trübsal" wie 45,2) und unter den Stichworten: „durch die Hand der Engel gepackt" (= 54,6) angereihter Zusatz. Nach den Stichworten: „Könige und Machtige" (= 53,5; 54,2), „Asasel, seine ') v. 3: „Dort sahen meine Augen, wie sie als [Marter-]Werkzeuge für sie eiserne Ketten ... machten". So übersetzt Beer die Worte: za-mabalecetihömu *enza jegaberewömu, nach dem Zusammenhang nicht richtig, denn diese Ketten sind nicht 55fiir sie", die Könige und Machtigen in v. 2, sondern nach v. 4 für die „Scharen des Asasel" bestimmt, „um sie su ergreifen und in den Abgrund der yollkommenen Verdammnis zu werfen" (54,5). Festschrift Littmann 5 ganze Genossenschaft und alle seine Scharen" (= 54,4) dürfte das Gleiche auch für 55,4 gelten. In unmittelbarem Anschluss an 54, 1—4 wird ursprünglich die Vision 56, 1—4, die der vorangehenden bis in Einzelheiten hinein gleicht, gestanden haben. Das einheitliche Schema und das Ineinandergreifen der Visionen in 52; 53; 54,1—6; 56,1—4 spricht für ihre Herkunft aus der gleichen Quelle. Mit der in 39,3 0". vorliegenden und für 40; 41 ; 48,1 + 49 vermuteten Quelle hat sie den Auserwahlten gemeinsam. Aber dort befindet sich der Seher zur Schau überirdischer Geheimnisse „an den Enden der Himmel" (39,3), hier anscheinend auf der Erde (in 52,1b steht nichts von Entrückung in den Himmel; 53,1: Tal Josaphat? 54,1). Somit scheint in diesen Stücken eine besondere, den Reisen Henochs durch Erde und Unterwelt ahnliche Quelle vorzuliegen. Der Abschnitt 56,5—8 über den letzten, vergeblichen Ansturm der „Parther und Meder" gegen Jerusalem kann weder formell noch inhaltlich als Fortsetzung der Engelrede gelten. Denn 1) v. 4 ist seinem ganzen Geprage nach das Schlusswort des Engels, 2) nach v. 7 (die Stadt meiner Gerechten) handelt es sich um eine Gottesredé, 3) die Aufreizung der Parther und Meder und ihr Sturm auf Jerusalem etc. passt nicht zur Vision von der Fesselung der Sünder durch die kettentragenden Engel. 56,5—8 stammt also aus einer Redenquelle. Für die Frage, ob diese mit der bereits festgestellten Redenquelle identisch ist, fehlen die Anhaltspunkte. Das Stück erhielt seine Stelle hinter der Vision, weil es mit ihr zwei Motive gemein hat: 1) in v. 1 fungieren „Scharen von Strafengeln" direkt, in v. 5 die „sich versammelnden" Engel indirekt als Vollzieher des Gerichts, 2) in beiden Stücken ist der Untergang der Sünder im Wesen gleich, nur in der Form verschieden: in 3 f. werden sie von den Engeln in den tiefsten Abgrund des Tals geworfen", in v. 8 vom Rachen der Scheol verschlungen. Kp. 57 bringt wieder eine, allerdings vom Schema: Gesicht, Frage und Deutung abweichende, Vision. Nach v. 1: „Darnach sah ich wiederum eine Schar von Wagen ..." muss eine erste Wagenvision vorausgegangen sein. Demnach stammt 57 aus einer mit den bisherigen nicht identifizierbaren Visionsquelle. noachitisches Fragment über die Sintflut und die Verteilung der beiden Ungeheuer Leviathan und Behemoth, nichts mit dem Inhalt von 59 zu tun hat. Die vv. 10—23 verraten sieh deutlich als Interpolation, denn sie reissen die Frage nach der Bedeutung der beiden Ungetüme und ihre Beantwortung in 24 f. auseinander. Trotz ihrer inhaltlichen Zugehörigkeit zu 59 wird eine literarische Einheit mit diesem Stück kaum anzunehmen sein, da sie weit über dessen Thema (Lichter, Blitze und Donner) hinausschiessen. Vom selben Thema handelt in gleichen Ausdrücken auch 41,3—9. 41,3: die „Geheimnisse der Blitze und des Donners" =59,11".; 41,8: „zum Segen oder zum Fluch" (von den Wendungen der Sonne und des Mondes) = 59,1b. 2b (von Blitz und Donner); 41,3: Wolken und Tau zur Sattigung der Erde = 59,3: die (wolkenspaltenden und damit den Regen ermöglichenden ?) Blitze zum Segen und zur Sattigung [der Erde] =60,22»; 41,41": die „Behalter" der Winde etc. = 60, u ff. Diese gemeinsamen Elemente reichen aber nicht hin zur Annahme der Quelleneinheit, da sie wahrscheinlich zu den damals allgemein gebrauchlichen Termini und gelaufigen Naturvorstellungen gehören und eine wiederholte Behandlung der gleichen physikalischen und astronomischen Dinge innerhalb eines Reiseberichtes kaum anzunehmen ist. Das geistige Band zwischen 58 u. 59 ( 60,10—23) besteht wahrscheinlich in der auch 43/4 zugrundeliegenden Vorstellung von der geheimnisvollen Beziehung zwischen den Gerechten, die ganz „Licht" sind (58), und den Leuchten des Himmels, Sternen und Blitzen. Kp. 61 beginnt mit einer Vision: „Ich sah, wie in jenen Tagen jenen Engeln lange Schnüre gegeben wurden und sie nahmen sich Flügel, flogen und wandten sich nach Norden zu" (v. 1). Im Norden liegt nach 77,3 und wohl auch für unsere Stelle das Paradies. Nach der Deutung handelt es sich um die Offenbarung und Ueberbringung des Lohnes, den die im Paradies versammelten (61,4), von den Toten erweckten (5) Frommen am Erscheinungstag des Auserwahlten (5b) finden sollen. Das Gesicht steht unter dem Thema von 58 (v. 1: Selig seid ihr Gerechten, denn herrlich wird euer Los sein!) und schildert geradezu die Ausführung des Befehls in 58,3: „Darnach wird zu den Heiligen (= Engeln) gesagt werden, dass sie im Himmel die Geheimnisse der Gerechtigkeit, das Los des Glaubens (=61^.5»), suchen sollen". Daraus erklart sich die Einfügung dieser Vision an der jetzigen Stelle. Fraglich ist, zu welcher Quelle sie ursprünglich gehorte. Das Aufbauschema (Gesicht, Frage, Deutung) stellt sie der Form nach in eine Reihe mit 52—54,1—6; 56, 1—4. Von vornherein darf angenommen werden, dass diese Quelle nicht nur Visionen von der Bestrafung der Sünder, sondern auch solche von der Belohnung der Gerechten enthielt. Den letzteren batte dann der Kompilator die gerade zu 58,3 besonders passende Vision entnommen. Die Vision schliesst mit v. 5. Denn nach dem üblichen Schema beschrankt sich der angelus interpres auf die Deutung der in der Vision gegebenen Elemente, hier also der „Masse und Schnüre". Dazu kommt, dass sich die Verse 6ff. einem andern Thema zuwenden, der begeisterten Schilderüng der gewaltigen, den Herrn der Geister') umbrausenden Hymnen, die am Tag der Messiasoffenbarung und zum Dank dafür einstimmig (6.9.11) aus dem Munde der Engelchöre (6.10.12), der Auserwahlten und der andern auf dem Festlande [und] über dem Wasser befindlichen Machte erschallen werden. — In v. 6 haben wir wahrscheinlich den Auftakt zum eschatologischen Jubel zu sehen. Da dieser nach der Belohnung einsetzt, hat das Stück hinter der Vision seine passende Stelle gefunden. Als Kontrast zum beseligenden Gericht über die Frommen (8) schildern Kp. 62/3 das Strafgericht über die .Könige, die Machtigen und Hohen" und den Schmerz, der über sie kommen wird beim Anblick des Messias. Beide Stücke 61, 6—13 und 62 zeigen, den Trennstrich hinter 61,5 bestatigend, den gleichen Aufbau: 6i,6f. (Befehl zum Lobgesang) par. 62,1 (Befehl an die Könige usw zum „Anschauen" des Messias), 61,8.9a (Inthronisation und Richten des Messias) par. 62,2f. (dasselbe), 61,9bff. (Jubel aller Engel und Gerechten) par. 62,4 f. (Schmerz der Sünder angesichts ihres Richters). Aber unter dem Eindruck ihrer Niederlage müssen auch sie in letzter Stunde den über alles Verborgene Herrschenden d.h. Gott*) „rühmen, preisen und erheben" v.6), ohne durch diese •) Beer meint (s. Übersetzung), in v. 7 galte das Loben und Preisen dem Messias. Dagegen spricht, dass sich sonst im ganzen Stock der Jubel und Dank auf den Herrn der Geister als dem Erbarmer und Offenbarer all seiner Werke (13) bezieht. Daher möchte ich la we'etu in v. 7 auf Gott beziehen und in v. 8 (entsprechend t. 13) die Angabe des Grnndes sehen: sie loben ihn, wefl er den Auserwahlten auf den Thron seiner Herrlichkeit setzte und damit die Heilszeit eröfrhete. *) So meine Auffassung gegen Beer: „die Könige... werden rühmen... den, der verspateten Huldigungen am Vollzug des Vernichtungsgerichtes etwas andern zu können (9—12). Die Verse 13—16 schildern wieder den Gegensatz, das selige Los der Gerechten. Kp. 63 zeichnet noch einmal in extenso das Verhalten der Sünder im Gericht: Bereits den Strafengeln ausgeliefert, bitten sie diese um „ein wenig Ruhe" (1.5.6) zur Anbetung und zum Sündenbekenntnis vor dem Herrn der Geister, aber vergeblich (1 if.). Die Stücke 61,6—63,12 stammen von einem Verfassen Dafür sprechen 1) das einheitliche Gesamtbild des Gerichtes, 2) die gemeinsame Form der Rede, 3) der gleichartige Aufbau, 4) folgende den gleichen Verfasser verratende Einzelheiten: 62,9 = 63,1b; 62,6 = 63,2; 62,10+120 = 63,11 (6c). Die Frage ist nun, ob wir auch in diesen Stücken Teile aus der bekannten Reden quelle vor uns haben. Dafür lassen sich folgende Gründe anführen: 1) Die Form der Rede im allgemeinen, in 62,16 die der Anrede an die Auserwahlten wie in 58. 2) der die Rede beschliessende Gottesspruch 63,2 wie 39,2b; 50,5. 3) der parallele Aufbau von 61,6—13 und 62,iff. wie 38 und die Vorliebe für Kontrastwirkungen. 4) gleiche oder ahnliche Vorstellungen und Formeln: der Auserwahlte auf dem Thron der Herrlichkeit'), dessen Wohnen inmitten der Heilsgenossen 62,14 wie 45,4, die ewige Dauer des Heils 62,16 wie 45,4; 58,3.6, die Herrlichkeit der Auserwahlten 62,i5f. wie 50,1b, das „Licht" 61,6 wie 38,2b.4b; 45,4b; 50,1; 58, der „Tag der Not und Triibsal" 63,8 wie 45,2; 48,8.10; 50,2». Kp. 64 ist wieder Vision: „Auch sah ich noch andere Gestalten über alles herrscht, der verborgen war" (62,6> Gott herrscht über alles Verborgene (= Messias nnd Heilsgemeinde) und offenbart nun beide (den Messias v. 7 und die Gemeinde v. 8). ') Die Redenquelle gebraucht sonst für den Messias die Bezeichnung: der „Auserwahlte" (45,3f.; 51,3-5; 61,8; 62,1), der „Gerechte" nur in 38,2. Da das „Sitzen auf dem Throne der Herrlichkeit" in 45,2; 51,3; 55,4; 61,8; 62,2.3 in fester Verbindung mit dem Auserwahlten vorkommt, halte ich die erst ab 62,5 in den Reden auftretenden Bezeichnungen: Menschen- (Mannes-, Weibes-)sohn fttr sekundar. Dafür macht N. Messel auch die Feststellung geltend, dass der Henochübersetzer i uli( roO mifómov mit walda sabe5, die athiopische Bibel dagegen mit walda 'eguala 3emma chejaw wiedergibt. Nach Messel ist dieser Ausdruck unter dem Einfluss der Bibelübersetzung sekundar in den Henochtext geraten (62,9.14; 62,11; 69,26f.; 7°»,)> ÜBER WICHTIGE HANDSCHRIFTEN IN MESCHHED VON OTTO SPIES Am Ende ihres aufschlussreichen Aufsatzes „Le biblioteche degli Arabi nelT eta degli Abbassidï'') kommt Dr. Olga Pinto auf die gegenwartigen Bibliotheken in den Landern des islamischen Orients 2) zu sprechen, unterlasst es aber, die reichhaltigen öffentlichen und privaten Bibliotheken in Persien 3) zu erwahnen. Unter den Bibliotheken Persiens nimmt diejenige von Meschhed 4) ohne Zweifel die führende Stellung ein, da Meschhed einer der bedeutendsten Mittelpunkte für sYïtisches religiöses Leben ist. Die erste eingehende Schilderüng*) der Bibliothek im Heiligtum des Imam Riza in Meschhed besitzen wir in dem Reisewerk des N i c o 1 a s de Khanikoff, Mémoire sur la Parite Méridionale de l'Asie Centrale, Paris 1861, SS. 100—02, der die Handschriften in den einzelnen Abteilungen summarisch aufzahlt und einige der wichtigsten nennt. Auch C. E. Yate, Khurasan and Sis tan, Edinburgh 1900, gibt S. 327 ff. eine genaue Beschreibung des Heiligtums (mit Photographien und einem Plan) und bringt S. 345/46 eine Liste der dort vorhandenen Bücher nach dem Werk Matlac as-sams des Sanïc ud-Daula8). Ausführlich hat neuerdings ') Firenze 1928 (SA aus Bibliofilia, Bd. XXX); ins Englische ilbersetzt von Fr. Krenkow in Islamic Culture, Vol. in, SS. 210—43. z) Ein Aufsatz von mir über „Die Bibliotheken im Hidschas", insbesondere in Medina, wird im nachsten Band der ZDMG erscheinen. *) Das kleine persische Büchlein Kitabhana-i Iran von cAbd al-cAzïz, o. O. 1311, ist zwar ganz interessant, enthalt aber nicht viel. «) Vgl. E. I., s. v. •) ... je me bornerai a communiquer ici quelques observations qui manquent dans toutes Us relations de mes prédécesseurs, notamment sur la bibliothèque de 1'imam vgl. Khanikoff, loc. cit., S. 100. •) Über Verfasser und Werk vgl. Yate, a. a. O., S. 313 ff. und Browne, Pers. Lit. IV, 453-56- W. I vanow darüber in seinem Aufsatz "A Notice on the Library attachéd to the Shrine of Imam Riza at Meshed™ ') gehandelt. Ivanow konnte im Sommer 1919 die handgeschriebenen Kataloge und auch einige Handschriften einsehen und kommt auf S. 337 zu dem traurigen Ergebnis: "Bevond a few MSS. nothing extraordinary could be found. Most of the books, including printed and lithographed ones, are of recent origin. The old books are mostly very common and well known". Aber dieses Urteil dürfte, wie Ivanow schon selbst hervorhebt, aus verschiedenen Gründen nicht endgültig sein. Nunmehr können wir sagen, dass sich dort doch noch manches findet, was unser reges Interesse hervorruft. Hat doch auch vor etwas mehr als einem Jahrzehnt die Nachricht grosses Aufsehen erregt, dass in Meschhed die Werke der alten Geographen Ibn al-Faqïh, Abü Dulaf und Ibn Fadlan entdeckt worden waren 2). Das liess vermuten, dass dort noch andere Handschriftenschatze verborgen ruhten. Heute liegt dank den Bemühungen der modernen Perser der Katalog dieser Bibliothek in drei Banden gedruckt vor. Er tragt den Titel: Lgjy&wa t^ey&j (j~iA&jLx*<.5 &_5^Lu* «jLs?.LxS' piLJI oÜI, Meschhed 1345, Format 32 X 2Ii- Der Katalog ist in 17 Kapitel eingeteilt, von denen jedes in a) Handschriften, bj Drucke zerfallt. Die gedruckten Werke interessieren uns hier weiter nicht, wenngleich es sich beim Durchblattern zeigt, dass manche wichtige Werke in den vergangenen Jahrzehnten in Persien lithographiert oder gedruckt wurden. Innerhalb der einzelnen Kapitel sind die Werke alphabetisch nach dem Titel des Buches angeordnet, wobei die arabischen und persischen Hss. gemeinschaftlich behandelt sind. Die 17 Abteilungen sind: Drucke Handschriften 90 291 lXjLöe óya!) f&S 3 0 — 166 yjthi* (F 51 229 dWÜÜ' (I** ') Vgl. JRAS, 1920, SS. 535-63- *) Vgl. Ahmet Zeki Validi, JA CCIV, 1924, p. 149ff.; ib. CCVTH, p. 146; ders. in : Bulletin de 1'Académie des Sciences de Russie, Petrogad 1924, pp. 237—48; St. Janicsek, Al-Djaihani's lost Kitab al-Masalik val-mamalik: Is it to be found at Mashhad? in Bulletin of the School of Oriental Studies, London 1928, pp. 15 ff; Herzfeld, Ephemerides Orientales, Nr. 28, Januar 1926; siehe auch J. Marquart, Ungar. Jahrbucher, Vol. IV, 1924, pp. 262, 268—69 und P. Kahle, ZDMG, Bd. 88, 1934, S. 12 ff, 43 ff. Drucke Handschriften 177 319 (f 187 469 *S» (o 45 IOI Jyo) (1 4 30 (Ajc^1' (v 204 214 jucol (A 14 51 ... Jb£.\y*s \ (1 — 31 .... vjL-ól, Jb-, (t. 28 6l (II 35 144 -." - • • j0f j «Jyo (ff 57 .... aLo ÏÜm (r 223 94 ... .*iLó) , $U,Ij (|f 159 124 oLooi (to 27 153 (n 21 189 jybL (1 (Iv Das ergeben 3976 Werke. Was die früheren Zahlen der dort vorhandenen Handschriften betrifft, führt Khanikoff S. ioi für das Jahr 1859 eme Liste von 2997 Werken in 3654 Banden auf, wovon allerdings 1041 Bande Koran e sind, wahrend Ivanow's Liste 2755 Werke enthalt 2). In den Abteilungen 1—6 des Kataloges sind hauptsachlich sfitische Werke vertreten, die unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Erfreulicherweise bewahrheitet sich indes Ivanow's erster Eindruck nicht, dass *it is not in the library of the shrine that the student of Mohammedan history, literature, and spiritual life should seek the key of that unexplored field of study-Shiitic ideas and their development. Indeed it does not seem that a great amount of material could be found in the library for the study of the present state of Shica thought". Auf die sfitischen Werke, besonders solche über Hadith und Fiqh, werde ich noch in einem anderen Zusammenhange eingehen. Es wird sich dabei zeigen, dass einerseits die Werke der bei Brockelmann I, 184 ff, ') Kapitel i—4 umfassen Band I, 5—n Bd. H, 13 17 Bd. HL z) Die handgeschriebene Liste vom Jahre 1312, die auch Ivanow eingesehen hatte. bildete die Grondlage zu dem vorliegenden ausführlichen Katalog. Für Einzelheiten vgl. das persische Vorwort desselben. 402 ff., II, 199 ff., 410 ff. genannten sYïtischen Autoren verdoppelt, wenn nicht verdreifacht werden können, andererseits manche neue, bisher unbekannte Autoren in diese Abteilungen eingeführt werden können. Im folgenden möchte ich nur die Unika oder alte bedeutende Hss. aus einigen Abteilungen ') des Katalogs besprechen. Hss., von denen weitere Exemplare bekannt geworden sind, lasse ich im allgemeinen aus, wahrend ich aber wegen ihres Alters wichtige Hss., die m. E. bei einer evtl. Textedition berücksichtigt werden müssen, aufführe. Die nach diesen Gesichtspunkten erfolgte Auslese ist — vielleicht abgesehen von der Abteilung Rijadljat — nicht sehr gross. Fasl 10: RigaT wa-Ansab. Dieser Abschnitt enthalt eine Reihe jüngerer sYltischer RigSlWerke, auf die ich nicht naher eingehe. Nur auf No. 3 idali al-intibah ft asma3 ar-ruwah des Ibn al-Mutahhar al-Hillï (gest. 726) sei hier hingewiesen. Von dem Werk, das im Jahre 706 verfasst wurde, beflndet sich eine Hs. in Berlin 10164. Vgl. Broek. II, 164. Anfang und Schluss wie Berlin 10 164; 17 Z. NashI, 54 foll. Das erste Werk, das über die Usül al-hadlt verfasst worden ist, ist No. 31 al-muhdit al-fadil, eine Einführung in die Traditionswissenschaft des Abü Muh. al-Hasan b. "Abdarrahman b. Hallad ar-Ramhurmuzï (gest. 360). Vgl. H. H. II, 391; Broek. I, 165; Jaqüt, IrSSd HL 140; Dahabl, Tadkira III, 113. Alte Hs., 25 Z. Nashï, 67 foll. Nach der Ueberlieferungskette, die bis zum Verfasser zurückgeht, folgt: \\*^ «UI KI «Jl K ^ «U iX*il *U| otjJUo «J[ s «UI (^si. Schluss fehlt, letzte Worte: Ou*} «jUj ^jaju-üj. Viele Samae-Vermerke! Das Werk wird ausführlich von M. Weisweiler besprochen. Nos 5—9 enthalten einzelne Teile aus verschiedenen Seriën des tahdlb al-kamal des MizzI (gest. 742). Vgl. O. Spies, BALG, S. 101. No. 5 Bd. II, 33 Z. Nas^I, 229 foll., altes Exemplar, Anfang und Schluss fehlt, reicht von Alif bis zum Anfang von Ha. No. 6 Bd. VI, 27 Z. NashI, 194 foll., Anfang und Schluss fehlt, reicht von Sad bis zum Anfang von cAin. i) Namlich aus den Abteilungen 10, li, 12, 14, 15 und 17. Der Stern vor dem Buchtitel bedeutet: nicht bei Broek. No. 7 Bd. VII, 27 Z. Nashï, 198 foll., enthalt cAin. No. 8 Bd. IX, 21 Z. Nashï, 246 foll., Anfang fehlt, enthalt cAin, Schluss: j Bjbj, JLs-jll *Uw! £ JUX1I «-a*^' ^ j-wUlt tjjl 1*1^) qJ SU Sr mAju (j^AJI. No. 9 Bd. XV, 21 Z. Nashï, 232 foll., Anfang fehlt, enthalt Ha bis zum Anfang von Ja, Schluss: Jujj «Juu ^ojJt ,5 Jbjj Fasl ii: Lugat. No. 1 *Kitab al-istiqaq des al-Asmacï. Cf. Broek. I, 104. Das Werk, das eine baldige Herausgabe verdient, ist erwahnt z.B. Fihrist, ed. Flügel p. 55,25; Flügel, Grammat. Schulen p. 79. Es ist überliefert von AbD Halïfa Fadl b. al-Habbab al-Gumahï1) von Abn cOtman Bakr b. Mohammad al-Mazinï *) und Abu '1-Fadl al-cAbbas b. al-Farag ar-RijaSï9) und Abo Mohammad cAbdallah b. Muh. at-Tawwazï4) von al-Asmacï. Anfang: ^ 0ls gJi Ende: vb£5l ^ ^LJl jJi "XI... 17 Z. Nashï, 11 foll. No. 7 *Tafsxr gara'ib al-Qur'an des Muh. b. Taifur al-Gaznawï as-Sagawendï. Cf. Broek. I, 408. Die Hs., bestehend aus 22 foll., 17 Z. Nashï, beginnt: ... JL> JÉ *U und endet: t. U« Verschiedene Hss. des as-samï fil-asmrii des Ahmad b. Muh. al-Maidanï (gest. 518) sind bei Broek. I, 289 aufgeführt. Hier liegen 2 Hss. vor, die ich nur deshalb erwahne, weil sie alt sind: No. 12 geschrieben 651, 19 Z. Nashï, 90 foll.; No. 13 geschrieben 653, 14 Z. Nashï, 199 foll. Von dem bekannten Kunja-Wörterbuch Kitab al-murassac des Magdaddïn b. al-Aör (gest. 606) liegt hier in No. 49 das Autograph vor. Die Hs., 11 Z. Nashï, 143 foll., ist leider nicht vollstandig; nur der erste Band liegt vor, der bis zum Bab as-Sin reicht. Wichtig sind schliesslich noch No. 61 * Janabtal-luga des Ahmad b. eAlï al-Baihaqï Bugaïarak (gest. 544). Cf. H H II, 660. Hier liegt nur der zweite, im Jahre 535 vollendete Band vor. ') Grammatiker und Traditionarier aas Basra, starb 305. Vgl. Dahabï, Tadkira II,2i8; Sujütï, Bugja 373. 2) Schuier des Asma'ï und Lehrer des Mubarrad, starb 236, n. a. 249 Vgl Flügel S. 83. s) Schüler des Asmacl, starb 257. Vgl. Flügel S. 85. 4) Schuier des Asma% starb 233. Vgl. Flügel S. 82, 84; Broek. L, 108, Anm. 1. 23 Z. Nashï, 312 foll., geschrieben 741. Anfang: ^a» gJI v_AcLait (j löüuu U, yyüt. Ende: *JÜI vju^ü V1^' ^ r>- Auch von seinem 7^ al-mosadir (Cf. Broek. I, 293) liegt eine alte Hs. in No. 6; 19 Z. Nashï, 332 foll.. Anfang: 1*3 *U ^>-JJ. ^/liUi Jw> USj»! k\*s» {jdW. Schluss: 0^X«t ÜL*S' KI. Fasl 12: Sarf wa-Nahw. Im allgemeinen sind nur die üblichen Werke vorhanden. Nur die folgenden verdienen m. E. besondere Beachtung: No. 19 *gawahir an-nahw des Abn 'Alï Hasan b. Ahmad b. cAbdalgaffar al-Farisï aS-Sïrazï (gest. 377). Anfang: (^LJIj xU l\*iL gjt {jta>o\ ^yJül *>Le. j*. Schluss fehlt, Ende: oLXeKt (Jct, ^ 6 Z. Nashï, 103 foll. Beachtenswert ist der Iqlïd genannte Kommentar zum Mufassal des Ahmad b. MahmOd b. cOmar al-Hugandï. Cf. Broek. I, 291; HH II, 489. Er liegt: No. 71 Vol. I, 23 Z. Nashï, 266 foll., geschrieben 736 in Meshhed. Anfang: k^>5 i**3 . Ende: ^rUS'LJI *ÜüdK 4JI No. 121, Bd. III, 21 Z. Nashï, 144 foll.; Anfang: *L>.Kt vJj L\ö> gJ! /Jdt, vi^lt *Ac £»>>• jdl. Ende: yXj *UI J^y. ^ Die Hs. hat viele alte, wohl aus der Vorlage übernommene Samae-Vermerke, die bis auf Abü cAlï al-Farisï (gest. 377) zurückgehen. In diesem Zusammenhang sei noch auf eine sehr alte Hs. des Sarh al-Kitab des Ibn as-Sïrafï hingewiesen. No. 102: 15 Z. Nashï, 159 foll. Zum Schluss mag noch eine alte Hs. des KitSb al-muqaddima des Tshir b. Ahmad b. Babasad Erwahnung finden. Cf. Broek. I, 301. No. 143: 15 Z. Nashï, 29 foll.; Anfang: (JL*Jl g^SJl $ l ^ y>LL ^ ^1. Ende: ^ Fasl 14: Ta'rïh. In dieser Abteüung (Cf. auch Ivanow p. 547) sind nur die folgenden Werke der Hervorhebung wert: No. 8 •abna3 al-anbijc? des Abü Nasr Zuhair b. Hasan b cAlï as-Sarahsï (gest. 454), nach H.H. II, 224 auch als tóVi* al-hulafiï bekannt. Das Werk handelt über die Kalifen und Wesïre bis zum Jahre 422. Anfang: ... ^ *JU j^J.. Ende: «LUI, ^Jl o^sf ^ *ill »y>T x^jJl J^b> y>lt» ^LAAo. 17 Z. Nashï, 96 foll., waqfiert 1067. In No. 14: tcfrlh al-hukamc? scheint das Grundwerk des alQi ftï, nicht die Bearbeitung des az-Zauzanl vorzuliegen. Cf. Broek. I, 325 und die dort zitierte Literatur. Anfang: ... Jjtfl ^j^Jf ^ j^. Schluss fehlt, bricht ab mit der Biographie des Fahraddïn ar-Razï; letzte Worte: AjuJI * JJbJt ^ j^. 21 u. 23 Z. Nast., 78 foll., waqfiert 1067. No. 10 enthalt eine persische Übersetzung des td>rïk al-hukama*, me unter der Regierung des Schah SulaimSn Safawï hereestellt wurde. Anfang: ... ^ oiLs 0j5 ^ ^^5. Ende: JuÜ' K, ÖOq, 15 Z. Nast., 232 foll., geschr. 1296. No. 24: Der tdrlh al-hukama* des Zahïraddïn Abu *1-Hasan Ab b. Abi '1-Qasim Zaid al-Baihaql ist ein Nachtrag zu Uwan at-hikma, dessen Ausgabe von Professor Muhammad Shafi in Lahore vorbereitet wird. Cf. Broek. I. 324, wo als Lebenszeit ca 500-570 angegeben ist. Nun schreibt aber al-Baihaqï selbst am Ende seines Ta'rïh, dass er das Werk im Jahre 599 in Hwarizm vollendet hat. Anfang: "i\ L^l ^ ^ j ^ ^ ^Jl Woxol. Schluss: (^LJt, ^ ^ ^ ^ ^ I$ z Nast^ 50foll. Al-Baihaqï ist übrigens auch der Verfasser der bei H.H n> 435 genannten masarib at-tagarib. Auf No. 18: taiürib al-umam des Ibn Miskawaih (Cf. Broek 3t2)\B Ut. Ende: ^^aS^J.] Oy^s\i\ jJUfj. No. 143 *al-farag al-mahmütn fi'n-nugüm des Radïaddïn cAlï b. Müsa b. Ga'far at-Ta'Osï. Cf. Broek. I, 498. Das Werk wurde im Jahre 650 verfasst: 14 Z. Nashï, 177 foll., Anfang: «JUI .v , • • • UV^f, ojxwJI JsÜ *JbL> J^>. Schluss: ,^«11 rJ^JJ aU*,^. Broek. I, 498 führt nur eine Hs. seines muhaè ad-dacawat wamanhag al-gajat an; hier sind vorhanden No. 166 (geschrieben 948, 19 Z. Neshï, 260 foll.); No. 167 (geschrieben 108, 14 Z. Neshï, 319 foll.); No. 168 (geschrieben 1099, 19 Z. Neshï, 523 foll., mit dem Autograph verglichen durch 0jl\J! jShA ^ UaJI j^c >_«j^iJ!); No. 169 (geschrieben 1059, 18 Z. Neshï, 272 foll.). Lithographie: Bombay 1299. No. 155 Kitab al-mudhal des AbD Ma'sar ist bekannt. Ausser den bei Broek. I, 221 und Suter 29 angeführten Hss. verdient Garullah 1508 besondere Beachtung; Photos davon Berlin, Cod. or. sim. 46. Anfang: v_JL*Jt ^ U*s U 0l>oJI v_*L> ^jjjl *U j^ü. Schluss ist defekt: 0J,L*dl jjLxJuU JbJI jJU ggtf. 25 Z. Neshï, 88 foll. Erwahnenswert ist noch eine Sammelhandschrift, geschrieben 672, 290foll., mit s Abhandlungen, umfassend Nos 185-189. Sie enthalt: I) die bekannten al-mafalic des Hypsikles in der Übersetzung des Qosta b. Lüqa. Cf. Broek. I, 204; Suter 41, wo weitere Hss. verzeichnet sind. II) 'ar-risala fil-miqdar des Aba Sahl Waigan b. Rustem. Cf. Broek. I, 223; Suter 75. III) *ar-risala ft Imtüt mutawazija des Husamaddïn cAlï b. Fadlallah Salar, den ich in der Literatur noch nicht nachweisen kann. Suter S. 195, der ihn nur aus einem Zitat kennt, will ihn mit cAlamaddïn cAlï b. Isma^ü al-Rakkab Salar (p. 195, Art. 481) identifizieren, was jedoch nicht mehr möglich ist, da uns jetzt verschiedene Werke von ihm vorliegen. IV) *ar-risala fl istihrag samt al-qibla desselben. Anfang: xLfilt gljsXJ £ 0! vJukJ L ükjjc. Ende: £sü$\ J»^vJ (JLcl iU3 xUI, V_,JLUI. V) *ar-risala ft ifttisar dtfawi al-maqala al-üla min kitab Uqltdas desselben. Anfang: ... eJ&tl üjLöL Ende: .^Litfl ,^Sx^ AjC^J Gabir b. Hajjan wird zugeschrieben: No. 42 *al-gafr al-aswad; 20 Z. Neshï, 17 foll. Anfang: «Ut ^Uö, ^ict ^yï *U' f^i gjt JU^k, iUldl dU^lj «XcLL il. Schluss: cJyA ^sr^ls • • ■ ^J>Uaj| lirSA*yt Jf j «Ut jL-ait (j»pit ,3, r$ki «vXs^ JUÜ3 JU5. Ich verweise auf das im Erscheinen begriffene Werk von Paul Kraus, Jabir Ibn Hayyan, Essai sur 1'histoire des idéés scientifiques dans 1'Islam, 3 Bde. No. 164 mahrütat d. h. die Kegelschnitte des Apollonius. Cf. Suter p. 21. Die Hs. ist sehr alt, in Neshï-artigem Küfï geschrieben, enthaltend Buch 1—4. Am Anfang eines jeden Buches steht: f^uil /Li g| yo J$l ^y «JL&o; am Anfang der dritten Maqala folgt noch: ^byp w Daher wird die Hs. wohl noch zu Lebzeiten des Verfassers geschrieben sein, wenn man nicht annehmen will, dass dieser Satz aus der Vorlage übernommen worden ist. Anfang: ^ oU^y&if S f^M ^ r** £V o' ü*1 % pj\ gyaiut. Ende des Buches (d. h. der 4. Abhandlung): ^-i-TI £ yyo Dt lk>,l U (AJJ, (^**>y o- 25 z- i54f°l1- Die Hs- ist im Jahre 633 in den Besitz des Abu '1-Hasan yt (so im Katalog!) b. Ibrahïm b. Hibatallah al-HarOnï übergegangen. Was geographische Werke in dieser Abteilung betrifft, so verweise ich auf die schon bei Ivanow p. 548 erwahnte alte Handschrift No. 153 des muegam al-buldan von Jaqüt, Bd. I, enthaltend Alif und Ba. Anfang und Ende defekt, 23 Z. Nes^ï, 315 foll., alte Hs. Anfang des Vorhandenen: «3u&J I05 «m*ö qj( Ende: ^yJi Vr^J" No. 178 Bei *masalik wa-mamalik (pers.) scheint es sich um die persische Bearbeitung des Ibn Hauqal zu handeln. Alte Hs., 13, 14, 16 Z. Nashï, 161 foll., Anfang und Ende defekt. Anfang des Vorhandenen: ^i*jJ oi^- o A «JÜt Jmw L^s tjbli Li * sJul\> .yawitj (j^Uac ^aami Wenn frisch noch diese Zeilen sind, wird modern mein Gebein. Drum fleh, der du sie liest, zu Gott für mich um sein Verzeihn! Vielleicht sieht er, wie ich im Staub erbarmungswürdig ruh', Verzeiht mir mein Vergehen dann und heisst es decken zu. Wafir 2) vSj-^t ,->,! Jj-n * tx* i^-j >^!s Die Schrift wird ewig auf dem Blatte dauern, Wenn ihres Schreibers Leib im Staub zerfallt. Ich hoffe, wer dies Buch sieht, möge sprechen: „Erbarme dich, mein Gott, schenk ihm Entgeit!" Wafir 3) v_aLX*Jl q-« (jo^L*!» i Leo * l?jL*S' t_Sj ^oAJt Li lm Staub wird meine Hand dereinst verwesen, Doch meine Schrift bleibt in dem Buch bestehn. . Ach, möchte drum, wer einst mein Buch wird lesen, Für mich um Rettung von der Strafe flehn! Diese Bitte an den Leser um ein Gebet findet sich auch auf ») K. Fatih 659 (dat 965/1558). *) Maskül (Lithogr. Teheran 1300). Hss.: B. Peterm. I 243 (dat. 831/1427); K. Köprülü 148 (dat. Bagdad 986/1578), der zweite Halbvers hier schlecht: (-AUitj f&j v'r^' 5 B- Sprenger 626 (dat. 992/1584); B. Wetzst. II 319 (dat. 1200/1786). In allen diesen Hss. fehlt der zweite Vers. *) K. Sehit Ali Pasa 686 (dat. 1071/1660); B. Ms. or. 2°. 1283 (dat. 1113/1701), der Spruch hat hier die Fassung: B. Ms. or. 40. 723 (dat. 1264/1848). In etwas abweichender Fassung von junger Hand in B. Wetzst. II 1447. Festschrift Littir.ann g den Verfasser des Werkes, den Besitzer der Handschrift und den Der du dies Buch studierst, bei Gott, fleh um Barmherzigkeit Für seinen Autor! Bete, dass dem Eigner Gott verzeiht! Dir selbst ein Gut erflehe, das dein Herz für sich begehrt, Und für den Schreiber dann, dass Gott Verzeihung ihm gewahrt! Den Wunsch nach Verzeihung der in den Handschriften unterlaufenen Versehen hat man am haufigsten durch den Vers zum Ausdruck gebracht: Ragaz Füll aus die Lücke, wenn du einen Mangel siehst! Erlaucht und gross ist Er, der ohne Makel ist. Kein anderer Spruch ist von den Schreibern so oft wiederholt worden wie dieser. Mir sind allein ungefahr 40 Handschriften a) der Preussischen Staatsbibliothek bekannt, die diesen Vers enthalten. Muhammad b. cAll b. Muhammad at-Tüsï b. as-Sakin, der um 700/1300 ein Lehrbuch der Metrik unter dem Titel Ifsah al-arüd wa-ïdah al-gumüd3) schrieb und sein Werk mit diesem Vers beendigt, bezeichnet Harïrï (gest. 516/1122) als Verfasser desselben. Dafür dass es sich in der Tat vielleicht nicht um einen Einzelvers, sondern um einen aus einem grösseren Zusammenhang entnommenen handelt, spricht vielleicht auch in etwa der Beginn des Verses mit der Partikel fa. Die Schreiber haben dem Vers vielfach dadurch den Charakter der Entlehnung genommen, dass sie ihn in der Ramal-Form wiedergeben: 3b, ^ * bLLÜ L^m J^" 0I «) K. Faysullah 750 (östlich, dat. 709/1309); B. Sprenger 391 f. 67b (dat. 785/1383); K. Faysullah 301 (dat. 800/1397); K. Murat Molla 567 (ca. 877/1473); B. Sprenger 90 (dat. 964/1557); B. Ms. or. 40. 1988 (türkische Hs., dat. 1052/1642); K. Halis 649 (dat. 1136/1723); K. Köprttlü 342 (auf dem Titelblatt von jüngerem Leser). *) Die altesten sind: Ms. or. 2°. 3315 (von der Hand des Kollationators, Kollationsvermerk dat. 809/1407); Landbg 250 (dat. Aleppo 877/1473); Landbg 770 (dat. 888/1483); Landbg 539 (dat. 963/1556); Landbg 997 (dat. Kairo 969/1561); WeUst, II 1393 (dat. Jerusalem 978/1570). Die übrigen Hss. gehörendem 11.—13. Jh. d. H. an. *) Ahhvardt 7149. Leser selbst ausgedehnt in dem Spruch '): Basït gründet liegen. Wir werden an das Wort des Dies irae erinnert Liber scriptus proferetur, in quo totum continetur, unde tnundus iudiretur. wenn ein Schreiber warnend soricht:1) Baslt Die Schreiber sterben, doch ihr Kodex bleibt bestehn. Wer Gutes tut, dem wird's in Glück einst wohl ergehn. Drum wirk für dich und sei voll Furcht, der du dies liest, Vor jenem Buch, das du einst aufgeschlagen siehstl Der folgende Spruch soll den Leser daran erinnern, dass am Jüngsten Tag von ihm Rechenschaft für jedes von ihm geschriebene Wort verlangt werden wird: 2) Wafir Kein Schreiber, der nicht einst verwest im Sand! Jedoch der Hande Schrift bleibt allezeit. Schreib Andres darum nie mit deiner Hand, Als was dein Aug' am Jüngsten Tag erfreut! Ein eindringliches Memento mori enthalt der Spruch:3) Baslt V .. —J- J . - ~ - J W J ^ Dies hat geschrieben meine Hand; die Zeilen künden mir, Dass ich es lasse eines Tag's und fahren werd' von hier. Der du zu Haus, vergiss nicht, dass du reisen musst gar bald! Denn jeder, der ein Haus bewohnt, dereinst von hinnen wallt. >) K. Murat Molla 566 (dat. 607/1210). 2) K. Köprülü II55 (ca. 8. od. 9. Jh. d. H.); B. Landbg. 568 (am Schluss von anderer, aber mit dem Schreiber ungefahr gleichzeitiger Hand, Hs. dat. 732/I33I)ï B. Sprenger 646 (dat. 826/1423); B. Ms. or. 2°. 3398 (schone Mamlukenhs., dat. 900/«495); B- Sprenger 163 (dat. 1020/1612); B. Wetzst. II 1584 (dat. 1183/1769); B. Ms. or. 2°. 3005 (auf dem vorderen Schmutzblatt von junger Hand, etwas ab- weichend). Vgl. hiermit die Verse Ta^-ad-Dln as-Subkls in seinem Mvfuian-mKam (ed Myhrman) p. 69, 44, Obers. v. Rescher p. 36,15 und in Hs. Tübingen Weisweiler 91 f. ia. s) K. Aya Sofya 2378 (dat. 790/1388, im Auftrag eines schafiitischen Oberrichters geschrieben); B. Sprenger 832 (vielleicht nicht vom Schreiber, aber alt, Hs. dat. 848/1444), letzter Halbvers hier: j^ji ijy» Heiter klingt der Gruss des Schreibers an seine Lieben und die Versicherung seiner Treue über den Tod hinaus: •) Tawll JÏ* JjptKfl oJUAl * (JLJ* r3L» fgi» U Ich grüss' euch, die ihr wohnt im Herzen mein! Zu euch zieht's mich in heisser Sehnsucht hin. Mag fern mein Leib auch eurer Statte sein, Es weüt in Liebe doch bei euch mein Sinn. Das Entzücken des Schreibers über den Inhalt des von ihm kopierten Werkes spricht aus den Worten: 2) Kamil o^j <^ J*+r*l "r^ & * ^,La j^^!9 iXiljJI ^1=* Das Buch ist fertig ganz und gar. Es fasst in sich zerstreut Kleinodiën in Haufen oder Perlen schön gereiht, Weist Edelsteine wunderbar und Halsgeschmeide auf. In seiner Prosa bringt's die Mar' von aller Zeiten Lauf. Ein anderer verbindet mit diesem Lob des Inhalts die Mahnung, die Handschrift in gute Hut zu nehmen:3) Basït 0AJ(5 uOsJI fL»& UmAS- jvjü * ywüt öJuJu yu xi*>tj Wie herrlich ist dies Buch! Denn Perlen schliesst es ein, Fasst lauter Dinge, die gar trefflich, hübsch und fein. Drum, Liebster, halt es fest des ganzen Lebens Lauf! Trenn dich nicht leicht von ihm! Halt deine Augen auf! Gib, dass es immerdar vor deinem Antlitz bleib'! Welch guter Freund ist die Arznei für Herz und Leib! •) B. Sprenger 391 (dat. 785/1383). *) B. Ms. or. 2°. 3045 (dat. 677/1278). Die Hs. enthalt Guz' 7 eines Exemplars von Ibn-Halliklns Wafajat al-éjan. In dem Band sind in der Tat nicht wenig Verse in den Text eingestreut. Wenn der Spruch auch fttr Inn-Hallikans Werk verfasst Ut, so kann dies doch nicht vom Schreiber der Hs. geschenen sein, da er ihn mit den Worten einleitet: lué AjLüJlJo jjj _ Einen solchen Lobspruch auf den Inhalt des Kodex (Hamdanl: Iklll, Guz' 10) enthalt auch die Hs. B. Glaser 22 (dat. 1112/1701) auf dem Titelblatt. ») B. Glaser 226 (südarabisch, dat. 938/153 0- Der Schreiber bezeichnet sich ausdrücklich als Verfasser des Spruches. Der erste Vers spielt auf den Titel des Werkes Cfc«£JlyJ! oder ,0X11 ^ (J&jyi (Brockelmann I 44, Ahlwardt 8661) an. Schier unbezahlbar erscheint einem anderen Schreiber sein Kodex. wenn er sagt:') Kamil Wenn man dies Buch verkaufen würd' für soviel Geld, Wie's wiegt, so ware der Verkaufer schwer geprellt. Denn wenn ich wohlverwahrte Perlen gebe hin Und dafür Gold bekomm', ist's wahrUch kein Gewinn. Voller Furcht vor dem Verkauf ihrer Handschrift aussern sich andere in ahnlichem Sinne:2) MutaqGrib Mit schöner Hand hab' ich mein Buch geschrieben, In langer Lebenszeit, mit grossem Fleiss. Ich fürchte, wenn der Tod sich mir einst nahet, Wird man's verschachern für geringen Preis. Es fasse niemals den Entschluss, wem immer ich gehör', Für Geld mich zu verkaufen, selbst wenn seine Hande leer! Bei Gott! Wie scheusslich, wenn er mich verkauft und dann am End' Mich ausgerechnet einer nimmt, der meinen Wert nicht kennt! Die gleiche Sorge um seine Handschrift veranlasst einen Südaraber, mit den folgenden beiden Sprüchen vor ihrer Verleihung 4) ohne Pfand zu warnen:5) Mugtatt «) K. Top Kapu Seray, Ahmeü Salis 2809 (östliche Hs., dat. 861/1456)- Von Lesern geschrieben, mit verschiedenen Varianten, in den Hss.: K. Köprülü 78 u. 342; B. Wetsst. II 188, 246, 1257, 1873; Oxford, Catalogus II p. 179, Nr. 210. In einzelnen von diesen Hss. fehlt der zweite Vers. *) Browne, Hand-List p. XVII, 114 f. (dat. Brussa 968/1561); B. Wetzst. I 67 d (dat 963/1555), doch hier AJS statt A^jLj und Acb* statt u*» 3) B. Ms. or. 40. 1174 (dat- 882/1477). «) Ober das Verleihen von Büchern s. Al-Hatlb al-Bagdadï, Taqjïd ol-Hlm, Hs. B. Sprenger 554 f. 83b—86b, wo auch einige einschlagige Verse angegeben werden;; Ibn-Gamaca, Tadkirat as-sam? ■wd'l-mMlakallim, Hs. B. Ms. or. 4°- «936 f- 39 'Abd-al-BSsit al-cAlmawI, Al-MuHd (Damasltus 1349), P- «30 f-5 Weil in Islamica 2 (1927), P- 556—56I- ») B. Glaser 136 (dat. 854/1451). Ein feines Buch, von mir erwahlt, Dass es die Sorgen bannt! Hab' einen Eid geschworen, dass Ich's nie geb' aus der Hand, Es sei denn, dass ein trauter Freund Ein gutes Pfand gewahrt. Was ich gesagt, ist zwingend drum, Wenn man mein Buch begehrt, O der du dieses Buch verleihst, nur um ein Pfand gib's fort! Denn eher wird das Buch vergehn als des Getreuen Wort. Den Abschluss dieser Sprüche, die der berufsmassige Jbdl -ÈóL> seinem verehrten Meister, der ihm die Wege zum cIlm gewiesen hat, als eine bescheidene Gabe des Dankes und steter Verbundenheit zum 60. Wiegenfeste darbringt, mogen die Verse bilden, in denen ein Südaraber am Schluss seiner Handschrift ') seiner Liebe zur Wissenschaft und ihren Werkzeugen mit den Worten Ausdruck verleiht: Wafir In Bücher steek' ich meinen Überschuss, Zerschliss'ne Kleider sind mir kein Verdruss, ') B. Glaser 61 f. 178b (von alter Hand, vielleicht vom Kollationator, Kollationierung dat. 843/1439). b) nous ne pouvons témoigner, excepté de ce qui est a notre connaissance, et nous ne pouvions nous tenir en garde contre les choses imprévues. Montet: a) Les femmes vertueuses sont dévouées, conservant avec soin, pendant 1'absence (de leurs époux) ce qu'Allah a gardé avec soin (pour elles) (c. a. d. leur personne, leur vertu). b) Nous ne témoignons que de ce que nous savons, et nous ne pouvions nous garder de 1'imprévu. (La phrase est ambigue. Cm peut traduire aussi: „Nous ne pouvons être garants de ce que nous ignorons".) Laimèche-Ben Daoud: a) Les justes d'entre elles sont obéissantes et sauve. gardent 1'honneur du mari en son absence, par la sauvegarde de Dieub) nous n'attestons que de ce que nous savons, etne connaissons point le m y s tè r e. Zetterstéen: a) darför skola ock de rattskaffens kvinnorna varaundergivnaoch aktsamma om vad som Sr fördolt, darför att Gud aktar dem. b) Vi intygaendast vad vi veta, och vi kunde ej hava reda pa det fördolda. Zusammenfassend lasst sich sagen, dass die meisten Übersetzer den Gleichklang von Sure 4,38(34) und 12, 81 nicht berücksichtigt und dementsprechend die beiden Stellen ganz verschieden übersetzt haben. Al-gbaib wird von ihnen im ersten Fall (in Anlehnung an dieMehrzahl der arabischen Kommentare ')) auf die Abwesenheit des Ehemanns bezogen, im zweiten Fall auf ein heimlich drohendes Unheil, bzw. auf ein unerforschliches Geheimnis. Nur Rückert und Goldschmidt bieten für beide Stellen eine einigermassen parallele Übersetzung (hinsichtlich des Ausdrucks li 'l-ziaib auch Zetterstéen). Aber sie fassen sich dabei so kurz, dass man nicht recht weiss, was für einen Sinn man in den von ihnen gegebenen Wortlaut hineinlegen soll. Und nun der Versuch einer neuen Übersetzung, die der Parallelitat der beiden Stellen eher gerecht wird und zugleich den Sinn, der hinter dem Wortlaut steekt, deutlich erkennen lasst! Zuerst einmal ergibt sich die Bedeutung der Stelle 4, 38 (34) {hafizat li 3l-£kai6) mit grosser Wahrscheinlichkeit aus den Parallelstellen: Sure 33, 35: tfiJüLfiJtj oLi^-Üj efc**>i!s oUWltj y^l*»!! ... oUosULj &>jf esM^a • • • ^LtiHR» i Sure 23, 5 und Sure 70, 29: 0yh&> fr&f} * cr*^s; Sure 24' 31: o* O*3*** A5, ^ 4 ^a^-i cr^^'* ^s nan<^eit S1C^ demnach um das Bewahren und Geheimhalten der geschlechtlichen Intirnitaten 2). 1) Tabarl (Kairo 1321), V, %6f.; Zamakhsharï (Kairo 1343/44), L, 203; Rfal(Kairo 1327-30), III, 2i5f.; Baidawl (ed. Fleischer), I, 207f.; Khazin (Bulak 1298), I, 456f-; Nasafï (a. R. von Khazin), 1,456; Djalalain (Kairo 1308), 1,49. 2) So auch Muhammad'Abduh bei Rashïd Rida,Tafsïr al-Manar, V, (Kairo 1328), 71. Von den sonstigen Kommentatoren deuten Zamakhsharï (1,203) und nth ihm Baidawl (1,208) und Nasafï (1,456) den Ausdruck Wl-ghaib wenigstens beilaufig mit li-asrarihim. Ich würde übersetzen: "Und die rechtschaffenen Frauen sind demütig ergeben und das Verborgene (nicht für die öffentlichkeit Bestimmte d. h. die geschlechtlichen Intirnitaten) bei sich bewahrend, wegen dessen, was Gott bewahrt hat {weil Gott bestimmt hat, dass so etwas nicht an die Oeffentlichkeit kommen soll).* Im Anschluss an diese Deutung von Sure 4, 38 (34) kann man nun auch an die Parallelstelle Sure 12, 81 {li =l-gbaib hafizïn) herangehen. Al-gbaib, „das Verborgene", bezieht sich hier natürlich nicht, wie oben, auf die geschlechtlichen Intirnitaten, sondern ganz allgemein auf Dinge oder Begebenheiten, die der Öffentlichkeit nicht bekannt sind (vgl. Sure 72, 26: ^ V: 3Li Jt U>l Sure 81, 24: [yUÈu] ^\ ^ U,). Etwas schwieriger ist die Erklarung von hafizïn. Laïmèche-Ben Daoud und Zetterstéen deuten es (im Anschluss an Tabari, XIII, 22) mit „wissend" (et ne connaissons point le mystère), wie wenn etwa dastehen würde: wa-ma kunna bi 'l-ghaib muhïtin. Ich würde meinerseits hafiza lieber in engerem Anschluss an die oben angeführte Parallelstelle auslegen, im Sinn von „bei sich bewahren», „der Offenthchkeit vorenthalten». Dementsprechend ware folgendermassen zu übersetzen: „O unser Vater! Dein Sohn hat gestohlen Und wir bezeugen nur, was wir wissen, und wir bewahren das Verborgene nicht (wir verschweigen nichts). Frag doch die Stadt (Erkundige dich doch in der Stadt), in der wir waren, und die Karawane (bei der Karawane), in der wir hergekommen sind! Wir sagen bestimmt die Wahrheit." II. AAI al-bait, „die Leute des Hauses". Der Ausdruck ahl al-bait findet sich zweimal im Koran, u z beidesmal als Vokativ, bzw. als Apposition zu einem unmittelbar vorhergehenden Personalsuffix: Sure 11,76 (73) (in der Geschichte von Abraham und Sara), und Sure 33,33 (inmitten von Ermahnungen des Propheten an seine Frauen')). Ausserdem findet sich in Sure 28, 11 (I2) der Ausdruck ahl bait {bait ohne Artikel) in der Geschichte von Mose. An letzterer Stelle verweist die Schwester Moses auf „Leute eines Hauses», die sich des kleinen Findlings annehmen könnten. „Leute eines Hauses" heisst hier wohl soviel wie „Angehörige einer Familie» oder kurz „eine Familie» EbeP lm Aaschluss ™ Sure 28, u (12) könnte man nun auch ') Vielleicht sind Ton Vers 33 an nicht mehr spesiell die Frauen des Propheten sondern ganz allgemein die muslimischen Frauen angeredet. die beiden ersten Stellen deuten als „Angehörige der Familie» oder kurz als „die Familie". In Sure 11,76(73) ware damit die Familie Abrahams gemeint, in Sure 33, 33 die Familie des Propheten. Das ist denn auch die Ansicht der Kommentatoren ') und der allermeisten Übersetzer. Die Deutung von Sure 33, 33 als „Familie des Propheten" hat dann ihrerseits in der gesamten islamischen Literatur weitgehend nachgewirkt. Wenn man in einem spateren Werk den Ausdruck ahl al-bait trifft, weiss man von vornherein, dass damit — je nachdem mit schiitischer oder sunnitischer Akzentuierung — die Familie und Nachkommenschaft des Propheten gemeint ist (vgl. Enzyklopadie des IslSm s. v. Ahl al-bait). Nun besteht aber auch noch die Möglichkeit, die beiden koranischen Stellen, in denen ahl al-bait vorkommt, ohne Anlehnung an Sure 28,11 (12) zu deuten. Denn sie unterscheiden sich ja von der letzteren Stelle ganz deutlich dadurch, dass bait in ihnen mit dem Artikel versehen ist. Bait mit Artikel („das Haus") kommt aber auch sonst im Koran nicht weniger als zwölfmal vor, und dabei hat es ausnahmslos die Bedeutung „das Gotteshaus" (gemeint ist das Kacba-Heiligtum in Mekka)2). Es liegt nahe, dieselbe Bedeutung auch für ahl al-bait anzunehmen und den Ausdruck dementsprechend mit „Leute des Gotteshauses* (d. h. Anhanger des islamischen Ka'ba-Kultes) zu übersetzen *). Das gabe einen ganz guten Sinn. Mohammed hat ja im Lauf seiner ersten Jahre in Medina den islamischen Gebetsritus bewusst nach der mekkanischen Kacba hin orientiert, ja mehr noch, er hat die Ka^a gewissermassen zum Symbol des islamischen Kultus erhoben und die Gründung dieses „ersten Hauses, das den Menschen gesetzt wurde" (Sure 3, 90 (96)) bis auf Abraham zurück- 1) Tabart (Kairo 1321), XII, 44, XXII, 5-7; Zamakhsharï (Kairo 1343/44), 1,447» II,ai2'; RSzI (Kairo 1324), V, 75, VI, 579; BaidSwI (Fleiscber), I, 440 f-, II, «8; Khazin (Bnlaki298), II, 45» ni, 606; Nasafï (a. R. von Khazin), II, 45» f-, IH,^o6; Djalalain (Kairo 1308), 1,120, II, 69. Vgl. auch Ibn Hadjar al-Haitaml, As-sawa ik al-muhrika, Kairo 1307, 87-9. Zur einschlagigen TraditionsUteratnr siehe Wensinck, Concordance et Indices de la Tradition Musulmane, I, 236L 2) Ich möchte auch Sure 52,4 al-bait al-ma'mür auf die Ka'ba beziehen. Anders K. Ahrens, Muhammed als Religionstifter (Leipzig 1935), s- 28 f- 3) Wie ich nachtraglich feststellte, haben Laïmèche-Ben Daoud tatsachlich so übersetzt (ministres du temple). Palmer übersetzt wenigstens die zweite Stelle mit „people of His House". Aber die dazu gegebene Anmerkung macht es fragltch, ob er dabei an das mekkanische Heiligtum gedacht hat. datiert'). Der Ausdruck „Leute des Gotteshauses" würde demnach soviel bedeuten wie „Anhanger der von Abraham gestifteten und von Mohammed erneuerten Religion des Islams". (Vgl. den ebenfalls koranischen Ausdruck ahl al-kitab, .Leute der Schrift", = Anhanger der ausserislamischen Offenbarungsreligionen). Falls diese Deutung richtig ist, könnte man Sure 33, 33 etwa folgendermassen übersetzen: „Und bleibt2) in euern Hausern, und putzt euch nicht heraus, wie in der ersten Heidenzeit (früher in der Heidenzeit), und verrichtet das Gebet, und gebt die Armensteuer, und gehorcht Gott und seinem Gesandten. Gott will damit, dass er solche Gebote und Verbote erlasst, den heidnischen Greuel (die heidhische Unreinheit) von euch wegnehmen, ihr Leute des Gotteshauses (ihr Anhanger des islamischen Ka'ba-Kultes), und euch wirklich reinigen" 3). Die hiermit vorgeschlagene Deutung von ahl al-bait in Sure 33, 33 gewinnt noch weiter an Wahrscheinlichkeit, wenn man den Sinnzusammenhang der Stelle etwas naher betrachtet. Die „Leute des Hauses" sollen des heidnischen Greuels entledigt und rein gemacht werden. Das passt — wenn die Deutung „Haus" = Gotteshaus (Kaeba) richtig ist — ausgezeichnet zu zwei anderen Koranstellen, in denen gerade die Reinheit des mekkanischen Gotteshauses hervorgehoben wird: Sure 2, 119 (125): o^suJt jJr^Jt, yjjTljdl, yviJLÜl L^b Qt J**^ ^^j]; Sure 22, 27 (26): ^ Uwi ^ öly^f ^ 0f ^| DLC öj^ j^swII jTjJI, tfcJlSJIj yviiUïU juj ; sachlich damit übereinstimmend Sure 9, 28: L\Ö> JiMj schon 1472 bei Chajjam, wahrend ihn im ausgehenden 16. Jahr- hundert eine Fariser Handschrift') erstmals Avicenna zuschreibt. Damit dürfte erwiesen sein, dass dieser Vierzeiler nicht von Avicenna stammt, sondern eher von Chajjam verfasst sein dürfte, obwohl dieser gerade so gut der Dichter des „Gegenstücks" dazu gewesen sein könnte. Ahnlich steht es mit Nr. 3: der schon 1460 für Chajjam bezeugt ist. Trotz ahnlicher Ausdrücke, die eine Verwechslung erleichterten, dichtete Avicenna einen Vierzeiler ganz andern Inhalts, der als Nr. 4 der nachfolgenden Proben gebracht werden soll. Nr. 4 (in Ethés Sammlung): o^'i ur** y** ist immerhin rund ioo Jahre früher für Chajjam belegt (1497 gegen 1594 n. Chr.); und Nr. 6: wird gar fast 3c» Jahre spater für Avicenna als für Chajjam gebucht (1748 gegen 1462 n. Chr.). Ebenso ist Nr. 7: o1^ (50* / rund 250 Jahre früher in den Handschriften der Vierzeiler Chajjams zu finden (1528 gegen 1774). Auch der von Ethé vergessene Spruch Nr. 12a: ist für Avicenna erst 314 Jahre nach dem altesten Beleg für Chajjam beansprucht. Wahrend sich also 5 oder 6 der von Ethé für Avicenna gesammelten Vierzeiler als das mutmasslich geistige Eigentum Chajjams herausstellen und der Rest erstmals im 18. Jahrhundert mit Avicennas Namen verbunden wird, haben wir 2 bedeutend altere Quellen, die insgesamt 7 Sprüche als einen Teil des wahrscheinlichen Vierzeilergutes Avicennas bieten. Die alteste Quelle ist die Nuzhatu ' l-Madschalis fi H-Ascffar1) vom Jahre 1331 n. Chr., die unter ihren 4015 Vierzeilern 2 Sprüche unter dem Namen Abü cAll (Ibn) Sinas überliefert. Der andere Beleg stammt aus dem Jahr 1448 n. Chr. und findet ') Bibliothèque Nationale, Suppl. Pers. 793; sieh auch Csillik „Les Mss mineurs . ...", S. 31. *) Naheres sieh in der Einleitung sa "The earliest selection from 'Umar-i Khayyam's Rubacïvat". BSOS iq«. Bd. 8. sich am Rande in der Pariser Handschrift Suppl. Pers. 1777» BI. 326a: er bietet 5 Sprüche Bü cAll Sinas, denen dann am Rande und im Mittelfelde 47 Vierzeiler cOmar-i Chajjams folgen. Es handelt sich also demnach um die folgenden 7 Sprüche: O dessen Sein sich um zwei Hauchlein dreht, die gleich dem Wind sind, der da kommt und geht, du hast auf Wind des Lebens Bau gegründet, so sag, ob solch ein Bau wohl fest besteht! Das Blut ist unsres Leibes Feuersaft und halt, ist's auch nicht Blutschuld, uns in Haft. Drum wenn's dein Leben lang dir Kummer rafft, erzahl mir, was ihm diesen Wert verschafft!x) O Geist, bleibst du vom Fleische stets gebannt, wird dir das wahre Menschsein nie bekannt, und wann am Jüngsten Tag sich alles findet, bleibst du im ewiglichen Heidenstand! Vom höchsten Himmel bis herab zum Sand ward mir das All dem Aussern nach bekannt; doch da im Leben dennoch ich nichts fand, wusch ich von allen Künsten rein die Hand. «) Nuzhaiu 'l-Madschalis, S. 79 und 82; den ersten Spruch könnte man auch übersetzen: Zwei HSuchlein fassen deines Lebens Frist, in der du gleich dem Wind auf Reise bist: du hast auf Wind des Lebens Bau gegründet, so sag, ob solch ein Bau bestandig ist! Dies Leben bot uns nichts als Leid zum Lohn und schwand und gab nur Traurigkeit zum Lohn: mein Denken fasst nur, dass man sterben muss und nichts als Stockwerk hat bereit zum Lohn! O Herz, das eitle Lust und Gierde bindet, beeil dich, eh dein kurzes Leben schwindet: such weder Lust noch Ruhm und sei nicht stolz, dass Er dich liebt und dich der Feind nicht findet! Im Frühschein bin ich fahrtbereit und gehe und lass die letzte Eigen-Heit und gehe: ich fass des Vaters Mantel Jesugleich, werf an der Mutter Brust das Kleid und gehe! Beim Lesen dieser Sinnsprüche fallt uns die grosse Ahnlichkeit mit den Vierzeilern auf, die uns unter dem Namen °Omar Chajjams überliefert sind. Besonders Spruch Nr. 4 erinnert uns an den bekannten Vierzeiler Chajjams: Vom Erdengrund bis zu Saturn empor durchdrang ich früh der Himmelsratsel Flor und löste ihre feinsten Knoten auf — der Schicksalsknoten doch blieb nach wie vor! Kein Wunder, dass spatere Abschreiber diese beiden Vierzeiler, die über „Himmel und Erde* handeln, miteinander verwechselten und schli esslich Chajjams Spruch auch Avicenna (Ethé Nr. 3) zuschrieben, so dass man lange im Zweifel sein konnte, wessen Eigentum der Vi erzeiler tatsachlich ist. Nun aber erkennen wir, wie der Jünger Chajjam einen Gedanken seines Meisters Avicenna aufgreift, ihn in der Wortfolge umkehrt und ihn in bedeutend scharferer Fassung und gröszerer Meisterschaft zum spannenden Ende führt. Auch Spruch Nr. 6 zeigt uns, dass Avicennas und Chajjams Vierzeiler leicht auswechselbar waren, denn er taucht auch schon 1460 n. Chr. in einer Stambuler Handschrift der Vierzeiler Chajjams (S H)') auf. Trotzdem so den Jahreszahlen nach der Spruch für beide Dichter etwa gleichwertig überliefert ist, da S II auf eine ziemlich altere Vorlage zurückgeht, ist Avicenna den ganzen Umstanden nach der wahrscheinliche Verfasser, wahrend der Vierzeiler falschlich Chajjam unterschoben wurde, weil man noch ziemlich lange nach ihrem Tode wusste, dass beide Weisen die gleiche Weltanschauung vertraten. Das ergibt sich vielleicht auch aus dem Umstand, dass die Pariser Handschrift von 1448 die Vierzeiler Chajjams auf die Sinnsprüche Avicennas folgen lasst, oder dass eine Stambuler Auslese Chajjamischer Vierzeiler (S VII, Atif 2257, aus dem 16. Jahrhundert) nach diesen ein Ghazal Avicennas bringt. Wegen seines frühen Beleges gegenüber den von Ethé gesammelten anderen Dichtungen Avicennas dürfte es dies Ghazal verdienen, hier ganz wiedergegeben zu werden, mag vielleicht der Inhalt auch nicht gar zu überwaltigend erscheinen. Das Ghazal, in dem um eine Silbe gekürzten Versmass Chafif « v || geschrieben, findet sich auf BI. 17a-! 8a: «) Wegen der HS sieh den „Quellennachweis, Nr 9" in „tOmar Chajjam und seine Vierzeiler", Tübingen 1935. Wer sich am Lauf der Welt ein Beispiel nahm, dem ward des Weltrads Füllen still und zahm; wer fröhlich den Befehl der Seele tut, halt seines Selbstes Feind in sichrer Hut5); und wer vom Schlafe mit Gebet erwacht, tut Edle und Gemeine tief in Acht. Wer sich von Gott erbittet Sicherheit, der macht sich eilends auf zur Betenszeit; wer will, dass seine Kinder massig sei'n, ') HS nur Uj>. *) In der HS unentzifferbar. 3) Desgleichen, daher auch nicht übersetzt. +) HS nur: Li. B) Da es sich um die „Triebseele" handelt, könnte man auch übersetzen: „wer fröhlich den Befehl der Triebe lasst, halt seines Selbstes Feind in Fesseln fest." der esse selber keine Leckerei'n; und wer sich abharmt, ob er arm, ob reich, ist einem Vögelein im Netze gleich. Wer will, dass er in gutem Rufe steh, geb acht, dass er von sich aus keinen schmah; und wer sich aller Zweifel streng entschlagt, zerschmettert, was der Heide Hebt und hegt; doch wer nicht brennt in selbsterwahlter Not, gleicht einem Feuer, das nur raucht statt loht! Hör nun von mir, wie von dem hehren Hort der Satzung, kurzen Rat in kurzem Wort: Wer sich an Honig gar zu gütlich tut, der büsst mit Kopfweh seinen Übermut; und wer auf leeren Magen Wasser trinkt, des Herz derweil wie rasend klopft und schwingt; und wer zur Schlafenszeit zu essen pflegt, des Leib wird schlaff und schwachlich und erregt Ein jeder, der im Bade Wasser trank, wird wie von langem Fasten schwach und schlank1); der Kerzenrauch, der Schamhaarsalbe Stank benimmt den Kopf und macht uns wirr und krank. Wer nicht im Bade leiden möchte Pein, lehn nicht den Rücken an den Ofenstein! Und barfuss sich im Sonnenschein ergehn, lasst uns die Dinge trüb und flimmernd sehn. Wer zwischen seine Beine halt die Hand, ist als gemeiner denn gemein bekannt. Verhülle deinen Leib mit einem Kleid, dass du nicht fallst in Überheblichkeit! Mit einem starken Kerl zusammensein, bringt deinem Steiss und deinen Knochen Pein, denn wer mit solchen Kerln zusammenkommt, von dem ist sicher, dass es ihm nicht frommt! • ■*) Die halbe Weisheit ist, dass man sich bricht, (vielleicht gibt's Bessres als Erbrechen nicht!) Iss wenig, wenig hab mit Frau'n zu tun, dann magst du froh vor schlimmen Dingen ruhn. . ...*) Solang vor Krankheit ist dein Sein gefeit, iss du nach Möglichkeit zur rechten Zeit! — Hör diesen Rat nun von cAlï Sïna, dass vor dem Richter du gerecht stehst da! •) In der HS untentzifferbar. 2) Desgleichen, daher auch nicht übersetzt. •) Nicht gut wiederzugeben; wahrscheinlich fehlen dazwischen 2 Zeilen. 2*