1414 ED. HOORNIK Q e B U R t Ein lyrischer Cyclus Ubertraaen von WOLFGANG CORDAN E 51 GEBURT ED. HOORNIK GEBURT Ein lyrischer Cyclus Ubertraaen von WOLFGANG CORDAN VERLAG A.A.M. STOLS MAASTRICHT I Erneut vom mond die hügel schwellen, Es schnaubt das ross, zu früh im stall. . In ihr des stromes wuchs und fall. Tïef in den dünungen der wellen Spurt sie den dunklen sich ihr zugesellen Ihn, der berg ist und ist basalt, Der schmerz und angst zu lusten ballt Um atmend heiss sie zu umstellen. Noch ruft ihr herz nach höhern dingen, Noch hört die brust die vogel singen, Dann siegt ihr blut, strömt ungestaut. Doch mit schon schattenhaften sinnen Fühlt sie ein zartestes beginnen Und stöhnt mit miitterlichem laut. II Noch fst der tag mir unbekannt Noch weiss ich nicht ob du, mein sehnen, Dich wagtest bis zu meinem land: Wirst du dich meinem fleisch bekennen? Empfangnis, du verwandelst still Tief ruht die saat der unerlösten. Reich mir den mantel, wenn es kühl, Küss mir die brüste, die entblössten. Nach meiner kehle schlagt die angst, Behüte mich, lass mich nicht weichen, Mach mich so sanft wie du verlangst Gib meinem schoss das mutterzeichen. Nun wachst du, doch ich suche ruh, Mit falbem dunst die nacht wird dichter. Nun schliessen wir die augen zu. Das haus ist still, gelöscht die lichter. III Von kimm zu gegenkimm gestreckte Frucht weich in dammerndem morast, Fischaugig schuppenblind bedeckte, Zottig gewachs in traumesglast: Als sichs in meinem schlaf bewegte Hab ich dich werdende erfasst. IV Mit fahnen will der tag beglücken. Du, der du in mir bliebst zur nacht: Ich stehe auf das haus zu schmiicken, Du ruhst, von mir so still gemacht. Fontanen singen wasserraume Und tauben kreisen weiss im licht. Mit taubenaugen will ich traumen, Schliesse um dich die augen dicht... Mein traum: neun zarte knaben schlangi Den kreis und neigten sich mir zu Und neunmal musste ich verlangen; Der neunte, wusste ich, warst du. Denn rosen durften dich umwallen, Ranunkel, kranz von heidekraut, Du warst der göttlichste von allen, Aus mir gebaut ... Wenn meine lenden viel getragen O, kind, du warest sanfte last: So muss der stab die rebe tragen Der baum den bast. Nach siiden süsse winde fliegen, Ich rufe doch du horst mich nicht, Ich rufe wieder ... in dem wiegen Des hellen schilfs — bist du da nicht ? Ich ruh auf feuchter halden grunde Auf meiner weide nahr ich dich Und schöpfend aus des brunnens munde Spiegle ich beide: dich und mich. V Nun ich das mahl will zubereiten Klopft einer an mit dumpfen schlag Und riittelt, stösst in meinen seiten: O schmerzvoll reifender ertrag. Im schweren schoss ruhn meine hande: Wer schreibt darin unser gebot? Ich hör das schlagen an die wande: Nun schlagt mich Gott. VI Zuweilen hasse ich dich, Gott, verstohlen. Die jahre kreisen durch mein blut. Glaube verdorrt mich und bestohlen— Ob fluch der kinderlosen auf mir ruht? Doch will ein taumel mich verandern Der apfelbaum schwingt hin und her; Ich neige mich vor messgewandern Und priester wehn in gold daher. Sturzregen sprühn auf fensterrahmen Dann mussen sie ins dunkle ziehn. Ich bete: du bist tiefes amen Das amen und der neubeginn. Und über steinen, drauf das schlichte ,,Vater und mutter" mild genannt, Wird nun das kind aus diesen dichten Nachten geboren und benannt. Ich schrei: lass nicht die frucht verderben Mach ihn zum tier das mich zerreisst Lass ihn von meinen saften erben Bis er mich preist. Erspare, Herr, mir dieses eine: Dass sich ein wechselbalg entringt. Gib dass voll blut der schoss noch deine Ehre besingt. Nimm von mir all die wüsten traume Die schlangen und die höllische brut Gib sanftheit in des herzens raume Die weinend ruht. So wie das kind in mir geborgen So lass mich ruhn in deiner hand. Du bist der tag, er ist der morgen, Ich bin das land. Ich hasse, Gott, mitunter dich verstohlen. Die jahre kreisen durch mein blut. Ich fühle leer mich, arm gestohlen— Setz mich in glut. VII O erde, schwer wie duft der rosen Noch sind die tage nicht erfüllt. Reif, rose, bis die wangen rosen Sei dann erfüllt. O hülle, lange inhaltslose, Doch nun bis an den rand gefüllt. O süsse mater dolorosa: Mit mut mich füllt. Und du, dem nabelstrang verbunden, Wie seinem volke einst der könig, Mit dolchen stich. Und warst du sagenschwer gefunden Steintafelschwer, und zögst wie blei mich: Doch trüg ich dich. VIII O meere, die an küsten stranden, Noch streift durch roten tang die hand mir. In buchten tief im strudelsande Wachst unbesorgt das muscheltier. Und wiegt das seepferd sich am stengel Hütet und schiitzt das kleine ei — An meinen lenden wacht ein engel Und steht mir bei. Und Gott vor dem sich meere neigen Er beugt auch mich — ich weiss ihn nicht. Doch trinkend wird mein kind ihm steigen Vors angesicht. IX Noch schlummernd, dich noch gar hiflosen Wiegend bis ich ermattet schlief, Betaste ich dich: hand voll rosen . .. O dorn, der aus dem schlaf mich rief. Die kalte nacht halt mich umfangen — O mond, der durch mein fenster scheint: Wie bleichen tödlich meine wangen, Zuckt nicht der mund als ob er weint? Noch von dem mutterleib umfangen. O flut . . . o blut . . . noch gut gewahnt, Von tod und leben noch umfangen Bis eins uns trennt. Dies ist der tisch mit seinen stühlen, Dies durchgang den mir sorgfalt bot In jedem ding kann ich dich fiihlen: Bist du nun tot? Lass dann zur nacht dies haus verbrennen, Verseng dies fleisch das dich umschloss. Nein: innen wüst mich zu berennen Heb wieder an, stein mir im schoss. X DIE FRUCHT SPRICHT: Was suchst du mich? was treibst du rund Wie ein junge braut ums haus? Was stöhnt dein herz und mahnt dein mund: Schon steigt der schleuse wasserbraus. Wie soll mein zartes haupt dies tragen . .. ? Begehr mich nicht. Geh in mich ein. Das tier wirft tier. Der baum schafft baum. Der gute meister keltert wein. Bin ich es wert, geh in mich ein. Ich finde mehr in dir als wohlbehagen . .. Ich spiele in dir, stosse innen, Ich teile mit dir, bin aus dir gebaut, Doch will ich dir noch nicht entrinnen — Bespiele mich ich bin dein laut. XI Aus neue steht des sommers rote Luft zitternd über stadt und feld. O mond, der neunmal mich bedrohte, Geh auf: die uhr ist mir gestellt. Verdurstend sieht man tfere traben, Fliegen umschwirren ihre pein. Wer wird die neugebornen laben Mit milch? wer wird die amme sein? Die brüste schwellen zu den spiegein Zwei knospen dehnen reif sich aus. Durch driisen spiek ein süsses wiegein — O kindermund, trinke mich aus. Bald leuchten lampen durch den abend, Ich breche frischen brotes krust, Zum letzten mal nah ich dir labend, Der du im schoss schon tiefer ruhst... XII Die tage dass du blut noch rannest Sind fern und schon unwirklichkeit. Die tage dass du kind begannest Erfüllt, dies tragen ewigkeit. Noch bin ich du, noch du das meine Das in mir lagerstatte sucht. Dass deine lampe frieden scheine Sonst sei, o nabelstrang, verflucht. O kind, in einsamkeit getragen, Das heftig nach dem leben schreit: Komm neue ordnung uns zu sagen Und rhythmus einer neuen zeit. XIII O stunde: nun willst du entweichen. Ich breche auf von schmerz verbrannt. Du reckst dich. Ich umschling die speichen In bettes rand. Nun blühen rosen meinen wangen. Von blut und wasser rot betaut Fühle ich dich nach uns verlangen — dein erster laut. Der tag kommt auf: zwei stimmen singen: Bist du da, mutter — du, mein kind? O licht in dem die tauben schwingen. Es werde licht. Dein lauf beginnt. VERZEICHNIS DER ANFANGE Erneut von mond die hügel schwellen .... 5 Noch ist der tag mir unbekannt 6 Von kimm zu gegenkimm gestreckte 7 Mit fahnen will der tag beglücken 8 Nun ich das mahl will zubereiten 10 Zuweilen hasse ich dich, gott, verstohlen ... 11 O erde schwer wie duft der rosen 1 j O meere die an kusten stranden 14 Noch schlummernd, dich noch gar hilflosen ... 15 Was suchst du mich? was treibst du rund . . . 16 Aufs neue steht des sommers rote 17 Die tage dass du blut noch rannest 18 O stunde nun willst du entweichen 19