Verlagshandlung vormals E. J. BRILL, Leiden. Bod, P., Historia Hungarorum ecclesiastica, inde ab exordio Novi Testamenti ad nostra usque tempora ex monuinentis partira editis, partim vero ineditis, fide dignis, collecta. Edidit L. W. E. Rauwenhoff adjuvante Car. Szalay gr. 8°. 3 vol /'17.50. Calaml, W., Altindischer Ahnencult. Das (^raddha naeh den verschiedenen Schulen mit Benützung handschriftlicher Quellen dargestellt. 8°. » 4.50. Clirist, P., Die Sittliche Weltordnung. 8° » 1.75. Clirist, P., Die Lehre vom Gebet nach dem Neuen Testament. Ein Beitrag zur Kenntniss und Würdigung des ursprünglichen Christenthums. 83. » 1.80. Hauri, J., Der Islam in seinem Einfluss auf das Leben seiner Bekenner. 8° » 3.50. Issel, E., Die Lehre vom Keicbe Gottes im Neuen Testament. 8°. » 2.— Issel, E., Der Begriff der Heiligbeit im Neuen Testament. 8°. . » 1.00. •Talm, G, Das Buch Ester. Nach der Septuaginta hergestellt, übersetzt und kritisch erklart. 8° 1,75. Linde, Ant. von der, Antoinette Bourignon, das Licht der Welt. Mi bildlichen Reproductionen. gr. 8° 2.90. Monumenta rcformationis Belgicae. Tomus primus qui continet antiquissima volumina ex libris prohibitis originis Belgicae quae vocantur Oeconomica Christiana et inde ducta Summa der godliker schrifturen. Textu.s recensuit, originem indagavit J. J. van Toorenenbergen. gr. in-8°. » 4.50. Pleyte, W., Lettre a Th. Devéria sur quelques monuments relatifs au dieu Set. (Av. 7 pl.) A 50 Pleyte, W., Set dans la barque du Soleil. (Av. 1 pl. hiérogl.) . » —.50. Pleyte, W., La reli^ion des Pré-Israélites; recherches sur le dieu Set (Av■ 10 1>1) » 2.75] Foels, II. Examen critique de 1'histoire du sanctuaire de 1'Arche Tome Ier- 80 2.50. Kiielsclii. ^ R.( Geschichte und Critik der kiri;hlicben Lehre von der ursprünglieben Vollkommenheit und vom Sündenfall. 8°. » 2.75. Sciimoller, 0., Die Lehre vom Reiche Gottes in den Schriften des Neuen ie^taments. 8° ^ Weygoldt, G. P., Darwinismus, Religion, Sittlichkeit. 8°. . . . » 1.50. DRüCKBKEt vormals E. J. BRILL. — Leiden. 18(52 AEGYPTEN und die BI BEL DIE URGESCHICHTE I8RAEL8 IM LICIIT DER AEGYPTISCHEN MYTHOLOGIE VOS Dn. DANIËL VÖLTER, Professor cl ex* Theologie in Amsterdam. BUCHHANDLUNü UND ÜRUCKEItEl VOBMAL8 E. J. BRILL — LEIDEN. 1903. D 20 AEGYPTEN und die BIBEL AEGYPTEN und die BIBEL DIE URGESCHICHTE ISRAELS IM LICHT DER AEGYPTISCHEN MYTHOLOGIE VON Da. DANIËL VÖI/TER, Professor der Theologie in Amsterdam. BUCHHANDLUNG UND DRUCKEREI VOSMALS E. J. BRILL — LEIDEN. 1903. DRUCKEREI vormals E. J. BRILL. — Leiden. Ich habe den folgenden Blattern nur wenig voranzuschicken. Als ich vor einigen Jahren im Interesse neutestamentlicher und altchristlicher Studiën mich mit der aegyptischen Mythologie beschiiftigte, drangten sich mir so zahlreiche Parallelen und Combinationen zum Alten Testament, speciell zur Urgeschichte Israels auf, dass ich der Sache, so fern sie mir ursprünglich lag, meine volle Aufmerksamkeit zu schenken begann. So ist im Lauf der Zeit die vorliegende Schrift entstanden, in der ich mich auf einen, so viel ich weiss, noch nicht betretenen Weg begebe und mit Hilfe der aegyptischen Mythologie Licht zu bringen versuche in ein Gebiet, das immer noch eine völlige terra incognita ist. Möchte dieser Versuch nicht vergeblich sein und möchte von dem Interesse, das heute Babel so einseitig für sich in Anspruch nimmt, nun auch Aegypten sein Teil werden. D. VÜLTER. Amsterdam, April 1903. IN H A L T. Seite EINLEITUNG • 1—2 I. ABRAHAM, LOT, SARA, ISAAK, REBEKKA, HAGAR, IS- MAEL', QETURA 3—30 H. JAKOB UND SEINE FAMILIE 31— Cl 1. JAKOB 31—46 2. esau 46—49 3. JOSEPH 49—56 4 DER STARKE JAKOBS. DER HIRTE. DER STEIN ISRAELS. SCHADDAJ 56—60 5. LABAN. LEA UND RAHEL 60—61 III. MOSE UND DER GOTT VOM SINAI 01—91 IV. DIE LADE JAHVES. DER STAB AARONS. DIE EHERNE SCHLANGE. DIE EROBERUNG JERICHOS. RACHAB . . 92—102 V. ANHANG. SIMSON 103-112 SCULUSS. . . . • 113 Die Urgeschichte Israels stellt sich uns im Grossen und Ganzen als ein dreifacher Stufenbau dar. Sie besteht im Wesentlichen aus der Geschichte des Abraham, aus der des Jakob und der des Mose. Alles erscheint in einem historischen Zusammenhang und in einem chronologisehen Schema. Doch braucht man nur eineu Bliek in den Inhalt dieser Geschichte zu werfen, um zu sehen, dass wir es hier mit der Geschichte einer Zeit zu thun hal)en, in der die Götter noch auf Erden wandeln, den Menschen erscheinen und sich offenbaren und mit ihnen zum Teil recht menschlich verkehren. Mit andern Worten: wir sehen, dass wir es hier mit nichts anderem zn thun haben als mit Mythologie. Doch ist mit einer solchen allgemeinen Behauptung noch wenig bewiesen, solange nicht im Einzelnen die Hauptfiguren und vornehmsten Erzahlungen mythologisch erklai*t sind, und die mythologische Quelle, der sie entstammen, nachgewiesen ist. Diesen Nachweis wollen wir im Folgenden zu führen versuchen. Die Geschichte des Abraham, des Jakob und des Mose zeigt sich von Pal&stina abgesehen mit keinem Lande so eng verknüpft als mit Aegypten. Ist daher fremde Mythologie auf die Urgeschichte Israels von Einfluss gewesen, so wTird man von vornherein in erster Linie an die aegvptische zu denken haben, um so mehr, da auch Palastina selbst in der altesten Zeit unter aegyptischer Herrschaft gestanden hat. Was man aber so apriori vennuten darf, bestatigt eine nahere Untersuchung. Denn es zeigt sich, dass die vornehmsten Gestalten der Urgeschichte Israels den Hauptfiguren 1 (les aegyptischen Pantheons entsprechen oder deren oharakteristische Züge an sich tragen1). 1) Für die folgeude Untersuchung habe ich in erster Linie benützt: Brugsch, Religion urd Mythologie der alten Aegypter, 2. Ausg., Leipzig, Hinrichs, 1891; Brugsch, Die Aegyptologie, Leipzig, Friedrich, 1891; Or. A. Wiedemann, Die Religion der alten Aegypter, Miinstcr, Aschendorff, 1890; G. Maspero, Histoire ancienne des peuples de 1'Orient, classique. Les origines. Paris, Hachette et Co. 1895; U. Maspero, Les contes populaires do 1'Egypte ancienne, Paris, Maisonneuve et Co. 1882. Wo im Folgenden einfach Zahlen ohne weitere Angabe genannt sind, ist immer das zuerst erwahnte Werk von Brugsch gemeint. lerner habe ich zu Rate gezogen: Diimiclien-Meyer, Geographie und Geschichte des alten Aegyptens, Berlin, Grote, 1887; Meyer, Geschichte des Alterthums, I, II. Stuttgart, Cotta, 1884, 1893; C. P. 'L'iele, Geschiedenis van den godsdienst in de oudheid, Amsterdam,' van Kampen & Zoon, 1891—1895; Chantepie de la Saussaye, Lehrbuch der Religionsgeschichte, 2. A. Freiburg und Leipzig, Mohr, 1897. I. ABRAHAM, LOT, SARA, ISAAK, REBEKKA, IIAGAR, ISMAEL UND QETURA. Zu den bekanntesten und anziehendsten Bestandteilen der Abrahamsgeschichte gehort die Erzahlung von der Einkehr Gottes bei Abraham zu Mamre und vom Untergang Sodoms (Gen. 18. 19). Es scheint uns, dass in dieser Erzahlung ein aegyptischer Mythus sieh wiederspiegelt, von dem bei Brugsch (S. 435 vgl. aucli S. 206 f.) und bei Wiedemann (S. 32 ft'.) die Rede ist '). Der Mythus, soweit er für unsere Frage in Betracht kommt, ist dieser. In der Urzeit, als der Himmel noch nicht über der Erde sich wölbte, und Götter und Menschen auf dieser noch gemeinschaftlich neben einander wohnten, batte Ra, der König über Götter und Menschen, seine Residenz in der aegyptischen Stadt Hununsu. Die Menschen führen Reden gegen den alternden König Ra und der Gott beschliesst ihren Untergang, doch nicht ohne vorher den Rat der Götterversammlung gehort zu haben. Auf den Aufruf Ras erscheinen die Götter und darunter aucli Nun in eigener Person, um als Aeltester gleichsam den Yorsitz in der Versammlung zu übernehmen. Die Gottheiten werfen sich vor dem Angesichte Ras zur Erde nieder, um ihm ihre Huldigung zu bezeigen, auf dass er sagen möchte seine Rede in Gegen wart des Vaters der Aeltesten, welcher die Menschen schuf, und der König war der denkenden Geister (Brugsch: und die reinen Seelen erzeugte). Da sprach Ra zum Nun, dem altesten Gotte, aus dem er entstauden war, und zu den uranf&nglichen Göttern: Wohlan! Die 1) Der Mythus ist auf der Hinterwand einer Seitenkammer im Grab Königs Seti I zu Biban-el-Moluk in Bild und Wort dargestellt (206). Menschen, welche aus meinem Auge entstanden sind, führen Roden gegen mich. Sagt mir, was ihr dagegen thun würdet. Möget ihr für mich Rat suchen. Nicht will ich sie tóten, bis ich gehort haben vverde eure Rede mit Bezug darauf. Nun, als der Aelteste, tritt als Sprecher auf' und leitet seine Erwiderung mit einer schraeichelhaften Ansprache an seinen Sohn Ra ein, indem er sich der Worte bedient: „Mein Sohn Ra, der du grösser bist als sein Vater und sein Erzeuger". Im Verlauf seiner Antwort gibt er dem (lotte Ra den Rat, seinem „Auge", der Göttin Hathor, den Auftrag zu geben, das Menschengeschlecht, das aus Resorgnis wegen ihrer Reden nacli der Wïiste bezw. in die Berge geflohen war, zu vernichten. Ra nimmt den Vorschlag wohlgefallig aut und die Göttin Somchit oder Sechet vollzieht das Werk der Rache. Doch ist die Vernichtung nicht so vollstiindig, wie es der Macht des Ra entsprochen hiitte. Es bleibt ein Rest von Menschen am Leben, die von Reue ertasst über ihr Thun Ra sich anbieten, diejenigen, die sich einst gegen ihn verschworen hatten, zu toten. Ra verzeiht ihnen, beschliesst aber doch auf die Regierung der Welt zu verzichten uud sich in die Höhe zu erheben. Wir haben in diesem Mythus gewissermassen das aegyptisclie Seitenstück zu der babylonischen Sintfluterzahlung. Wie die letztere in Genesis 6 ff. eineu Platz gefunden bat, so scheint uns der angeführte aegyptische Mythus in Genesis 18 und 19 verwertet zu sein. Der Unterschied zwischen dem aegyptischen Mythus und der biblischen Erz&hlung ist im Grund nur der, dass, wiilirend es sich dort um ein Strafgericht über die ganze Menschheit handelt, hier die Anklage und das Gericht speciell auf Sodom bezogen ist. Abgesehen hiervon lasst sich die Vergleichung bis in die Einzelheiten durchführen. Wie im aegyptischen Mythus Gott noch auf Erden wandelt und da mit Göttern und Menschen verkehrt, so auch in der biblischen Erzahlung. Wie dort Gott die Reden der Menschen wider ihn als Ursache seines Grimmes und seines Entschlusses zu strafendem Einschreiten bezeichnet, so nennt Gott hier (Gen. 18, 20) als Grund das Geschrei, das gross geworden ist über Sodom nnd Gomorra, und ihre Sünde, die sehr schwer ist. Und wie Gott dort mit der Strafe zögert, so zögert Gott auch hier und will zuerst selbst sehen, wie es in Sodom steht. Erzahlt der aegyptische Mythus ferner, dass Gott zumïchst die Götterversammlung, speciell seinen Vater Nun, um Rat gefragt liabe, so kommt auch in der Erzahlung der Genesis Gott in Begleitung von zwei andern himmlischen Wesen zu Abraham, um mit diesem die Sache zu besprechen. Nach dem aegyptischen Mythus muss Ra über sein Vorhaben, das Menschengeschlecht zu vertilgen, sich zuniichst vor dem altesten Gotte Nun aussprechen, weil dieser die Menschen schut' und König war der denkenden Geister bezw. die reinen Seelen erzeugte. Aelmlich motivirt Gott in der Genesis die Mitteilung seines Yorhabens und die Besprechung desselben mit Abraham in den Worten: „Wie kann ich Abraham verhehlen, was zu thun ich im Begriffe bin. Abraham soll ja zu einem grossen und machtigen Yolke werdeu und durch ihn sollen gesegnet werden alle Völker der Erde. Dean ich liabe ihn erkoren, damit er seinen Kindern und seinern Hause nach ihm anbefehle, dass sie den von Jalive gewollten Weg einhalten, indem sie Gerechtigkeit und Recht üben, damit Jahve auf Abraham alles kommen lasse, was er über ihn geredet bat" (Gen. 18, 17. 19). Man sieht: die Motivirung im aegyptischen Mythus ist die ursprüngliche und natürliche, wahrend in der alttestamentlichen Erzahlung im Zusammenhang mit der Vermenschlichung Abrahams die Verlmltnisse verschoben sind und die Motivirung dadurch eine weuiger klare geworden ist. Sein Yorhaben über oder gegen die Menschen muss Ra dem Nun mitteilen, weil dieser der Urheber der Menschen und der denkenden Geister oder der reinen Seelen ist, nicht weil er, wie Abraham, der Stammvater vieler Völker und speciell des gerechten Volkes erst werden soll. Die beiden Erzahlungen entsprechen indessen einander noch weiter. Abraham stellt sich in der Erzahlung der Genesis (18, 22) vor Gott gerade wie im aegyptischen Mythus Nun vor Ra. Auch in der ehrerbietigen Weise der Anrede üottes zeigt sxcn eine gewisse v erwanuscnait aui Deiaen Seiten (Gen. 18, 27. 30—32). Im aegyptischen Mythus scheint nun allerdings Nun seinem Sohne Ka ohne Weiteres zuzustimmen, w&hrend in der Genesis Abraham zunachst Fürbitte für Sodom einlegt. Um einer wenn auch kleinen Anzahl Gerechter willen soll Sodom verschont werden. Aber wie im aegyptischen Mythus das Strafgericht wirklich zur Ausführung kommt, so auch nach der Erzahlung der Genesis, da die kleinste von Abraham genannte Zahl von Gerechten in Sodom nicht vorhanden ist. Lot wird indessen mit seinen Töchtern nach dem alttestamentlichen Bericht gerettet und auch in dem aegyptischen Mythus ist schliesslich von der Rettung eines Restes bussfertiger Menschen die Bede. Die Vertilgung selbst geschieht hier und dort mit Feuer. Denn Sec-het, die als Besiegerin der Feinde der Götter ein Messer in der Hand tragt, ist als das Auge des Ra nichts anderes als die versengende Glut der Sonne. Und wie nach der Erzahlung der Genesis die Vertilgung an einem bestimmten Ort geschieht, so erfolgt sie auch nach dem aegyptischen Mythus nicht über die ganze Erde bic, sondern an einem Ort in der Wüste oder in den Bergen, wohin die Menschen gefiohen waren. Innerhalb dieser Erzahlung vom Untergang Sodoms spielt nun aber auch Lot eine Rolle, der ein Neffe Abrahams gewesen sein soll. Lot rettet sich mit Gottes Hilfe nach Zoar uud wird dort durch Vermischung mit seinen beiden Töchtern der Stammvater der Moabiter und Ammoniter. Seine Frau dagegen, die auf der Flucht aus Sodom sich umgekehrt hat, bleibt zur Salzsiiule erstarrt zurück. Schon die Angabe, dass Lot ein aus Ur in Chaldiia mitgekommener Neffe Abrahams gewesen sei, scheint darauf zu weisen, dass man in Lot eigentlich den Vertreter eines östlichen Volkes zu sehen hat. Ich möchte vermuten, dass auf diesen Bestandteil unserer Erzahlung persische Überlieferung von EinÜuss gewesen ist. Lot mit seiner zur Salzsaule erstarrten Frau erinnert an die persische Salzwüste Lut ')• Vielleicht 1) Cf. Ciuigor, Uatirauiaolie Kullur im Altortuin. Jirluuyeu, Doicliert, 1882. S. 135. dass man sich Lut als den früheren Bewohner dieser wiiste gewordenen Gegend vorgestellt bat. Die Vermischung Lots mit seinen beiden Töehtern scheint ebenfalls ant' Persien zu weisen, da hier die Ehe des Vaters mit den Töehtern zu Hause ist. Und wenn man fragt, wie Elemente persischer Herkunft in die biblische Erzahlung vom Untergang Sodoms verflochten werden konnten, so liegt die Antwort auf diese Frage nahe genug. Die Vertilgnng Sodoms und seiner gottlosen Bewohner durch Feuer und Schwefel bat die Erinnerung wachgerufen an die persische Vorstellung von dem Feuerstrom glühenden Metalls, in dem die Gottlosen ihren Untergang finden, wahrend die Gerechten unversehrt daraus hervorgehen. Mit dieser persischen Religionsvorstellung, die man auf den Untergang Sodoms und seiner Bewohner anwandte, hat man zugleich auch die Figur des Lot herübergenommen. Um die furchtbare Naturkatastrophe, die zur Bildung des toten Meers führte, zu erklaren, hat man also Mythologieën zu Hilfe genommen, in denen sich Vorstellungen tanden von einem mit Feuer vollzogenen oder zu vollziehenden Gericht an den Bewohnern der Erde. Hiezu boten sich die aegyptische und die persische Mythologie an und aus Zügen von beiden ist dementsprechend unsere biblische Erzahlung vom Untergang Sodoms zusammengesetzt. Der aegyptische Mythus, den wir oben mitgeteilt halten, liefert aber auch noch für einen andern Bestandteil der Abrahamsgeschichte eine vollkommene Erklarung. Denn wenn darin Nun derjenige genannt wird, der die Menschen schut' und König war der denkenden Geister, oder der, wie Brugsch übersetzt, die reinen Seelen erzeugte, so entspricht dem, dass in der Genesis Abraham als der gesegnete Völkervater erscheint, dem eine ganz ausserordentlich reiche Nachkommenschaft verheissen wird, und von dem neben einer ganzen Reihe von Vólkern auch das gerechte und fromme auserw&hlte Volk ausgehen soll. Und auf die Verheissung, dass Abrahams Nachkommenschaft so zahlreicli sein soll wie der Sand am Meer oder wie die Sterne des Himmels, füllt noch ein besonderes Licht von der Thatsache aus, dass Nun in Memphis nicht bloss als Ptali d. h. Bildner oder als Ar-ta d. h. Schöpfer der Welt erscheint, sondern auch als Tanon d. h. der Vervielfaltiger oder Vervielf<igte, der aus der Einheit hervorgieng und sich millionenfach vervielfilltigte (111). Nun im aegyptischen Mythus ist freilich ein Gott, Abraham in der alttestamentlichen Erz&hlung eiu Mensch. Alter gerade von jenem Mythus aus begreift sich die Vermenschlichung Abrahams, einesteils sofern Nun Stammvater der Menschen ist und auf Erden ist und bleibt, auch nachdem Ka sich in den Himmel zurückgezogen hat, andernteils, sofern Nun, obwohl ein Gott und der Yater des Ka, doch zugleich der alteste Unterthan und vornehmste Diener desselben ist, wie Abraham dies gegenüber Jahve sein soll. Ist die Gleichsetzung Abrahams mit Nun hiemit, wie uns scheint, genügend begründet, so haben wir damit einen festen Ausgangspunkt für Weiteres gewonnen. Nun ist das Urgewi'Lsser als milnnliches Princip aufgefasst. Seine weibliche Ergtlnzung ist die Nunet, die feuchte Urmaterie als empfangendes und gebarendes Princip (129 f.). Wenn nun Abraham Nun ist, dann wird Sara der Nunet entsprechen. Wie Sara dem Abraham den Sohn der Verheissung, den Gesegneten des Herrn gebar, so ist aus Nun und der Nunet der Lichtgott Ra in die Erscheinung getreten. Dementsprechend lieisst es in einem Hymnus an den Sonnengott: „Es zeugte dich der Gott Nun und es gebar dich die Göttin Nunet" (130). Und wie Abraham und Sara bei der Geburt des Isaak als alt erscheinen, so lieisst auch Nun der „Alte" (117) und wird ebenso Nunet in ihrer Identitilt mit der Kuh Mehtuer (131) „die Alte'' genannt (115). Der Lichtgott Ka ist der höchste der aegyptischen Götter, der zwar keiuen eigenen Cultus besass, aber in seiner Verschmelzung mit verschiedenen Localgottheiten allgemein verehrt wurde, besonders als Amon-Ra, welch letzterer selbst wieder die Attribute des Chnum oder Chnum-Ra wie auch des Min an sich nimmt '). Das heilige Tier des AmonRa wie des Chnum-Ra ist der Widder, der den Gott re- 1) Cf. z. B. Lauge bei Saussaye2 I, S. 115. 121. 157. pr&sentirt und speciell seine Zeugungskraft zura Ausdruck bringt (105. 244 f. 308. 340. 494. 681. 684 f. 688 f.). Dernentsprechend wird Araon-Ra wie Chnum-Ra vorgestellt als der befruehtende Widder, der Phallus (809, 310), der Stier oder Gatte seiner Matter, der sein eigener Ursprung ist (94. 95. 310. 315. 414. 495. 676. 681. 685 f. 695) 1). Ist also Abraham = Nun und Sara = Nunet und ist der Solin von beiden Ra, der zugleich wieder ihr Gott ist, so muss man nach dem Vorbild des aegyptischen Mythus erwarten, dass der Gott Abrahams d. h. Ra auch die Sara, seine Mutter, befruchtet hat. Von dieser Vorstellung enthalt in der That die alttestamentliche Erzahlung noch deutliche Spuren. Bei der Einkehr in Mamre fragt Gott Abraham nach seinem Weib Sara und sagt: „Ich werde übers Jahr um diese Zeit wieder zu dir kommen; dann wird dein Weib Sara einen Solin haben". „Da lachte Sara, heisst es dann, in sich hinein, indem sie dachte: Nachdem ich welk geworden bin, sollte ich noch der Liebe pflegen? und mein Gemahl ist ja [auch] alt." Gott aber erwidert: „Sollte für Jahve irgend etwas unmöglich sein?" und er wiederholt, was er bereits zu Abraham gesagt hat (Gen. 18, 9—15). In Gen. 21, 1. 2 wird dann weiter erzfthlt: „Und Jahve suchte Sara heim, wie er gesagt hatte.... und Sara ward schwanger und gebar dem Abraham einen Sohn, in seinem Greisenalter". Der Gott Abrahams tritt hier aut ganz in der Rolle des Amon-Ra oder des Chnum-Ra. Aber es ist mehr. Nach Gen. 12 wird Sara in Aegypten vom Könige zum Weib genommen und dem Abraham erst wieder zurückgegeben, nachdem schwere Plagen den Pharao und sein Haus getroffen hatten. Nun ist Ra König von Aegypten 2) und erklilrt sich so die ganze Erzahlung unter der Voraussetzung, dass Abraham = Nun und Sara = Nunet ist, einfach von dem Verhilltnis aus, in dem Ra nach der aegyptischen Mythologie zu seiner Mutter bezw. zu seinem eigenen Ursprung steht. 1) In demselben Verhiiltuis zu ihrer Mutter stehen auch andere aegyptische Götter. 2) Cf. z. B. Lange bei Saussaye2 I, S. 115. "VVenn Abraham in dieser Erzahlung dem Aegypterkönig gegenüber seine Frau Sara als seine Scliwester bezeichnet, was sie auch wirklich war, so entspricht das ganz dem Verhaltnis zwischen Nun und Nunet, das teils als ein geschwisterliches teils als ein eheliches aufgefasst werden kann. Die «ranze Erzahlung von dem Zusammenstoss Abrahams mit dem Aegypterkönig wiederholt sich in der Erzahlung vom Zusammenstoss Abrahams mit dem König Abimelech von Gerar (Gen. 20). Statt des Pharao ist nun Abimelech der Reprftsentant des Königs Ra. Und dabei ist noch besonders bemerkenswert, dass in dieser Erzahlung der Gott Abrahams wie Amon-Ra bezw. wie Chnum-Ra als Hender geschlechtlichen Fruchtbarkeit erscheint. Denn nach Gen. 20, ?7. 18 heilt Gott auf das Gebet Abrahams den Abimelech, sein Weib und seine Magde wieder, nachdem er zuvor jeden Mutterschoss im Hause Abimelechs fest verschlossen hatte um der Sara, des Weibes Abrahams willen, die Abimelech zu sich genommen hatte. Liegt nun dem Gott Abrahams der Gott Amon-Ra bezw. Chnum-Ra zu Grunde, so lasst sich daraus auch weiter erklaren, dass Gott dem Abraham das Gebot der Beschneidung gegeben hat (Gen. 17). Es ist ja ganz natürlich, dass diesem Gott, der das Princip der Miinnlichkeit und der befruchtenden Kraft ist und geradezu „der Phallus, der Herr der Götter" (310), oder „der heilige Phallus, welcher die Minne erzeugt", heisst (309), durcli die Beschneidung das mannliche Zeugungsglied geweiht wird. Ein Beschneidungsbund, wie ihn nach Gen. 17 Gott mit Abraham macht, ein Bund, der die Fruchtbarkeit Abrahams zum Ziel hat, und kraft dessen Abraham zum Vatei \ielei Völker werden soll (Gen. 17, 4 ft.)> ein soleher Bund entspricht gerade einem Gotte vom Wesen des Amon-Ra oder Chnum-Ra. Der aegyptische Ursprung der Beschneidung steht ja fest schon auf Grund der Erwagung, dass sie innerhalb der alten Culturwelt uur diejenigen Völker haben, die irgendwie in Berührung gekommen sind mit Aegypten, wo die Beschneidung schon Jahrtausende vor (_hr. zu llause ist. Dazu koramt, dass in Jos. 5 die Beschneidung ganz bestimmt aus Aegypten hergeleitet wird. Und aach nach Ex. 4, 24 ft', hangt sie ganz ersichtlich mit dem Betreten aegyptischen Bodens zusammen. Nach beiden Stellen geschieht die Besehneidung mit einem Stein oder Steinmesser, das aucli die Aegypter gebrauchten, und das an das Steinmesser des Thot, des aegyptischen Gottes der Gesetzgebung auf jedem Gebiet, speciell auch dem des Cultus, erinnert. Aus der Beziehung auf einen Gott, der dem Amon-Ra oder Chnum-Ra entspricht, erklflren sich weiter auch Schwurformen, wie wir sie Gen. 24, 9 (bei Abraham) und Gen. 47, 29 (bei Jakob) finden, Schwurformen, wobei der Schwörende seine Hand unter die Lende dessen legen musste, der den Schwur forderte. Das Zeugungsglied ist dabei offenbar gedacht als das Symbol des Gottes, der selbst der heilige Phallus ist. Und wenn mit dem Gottesbegriff Vorstellungen sich verbanden, die den Pr&dicaten des Amon-Ra oder Chnum-Ra entsprachen, so begreift sich auch leicht, dass hier die Ausübung der Unzucht im Dienst der Gottheit ihren Anknüpfungspunkt hatte. Noch Amos 2, 7 wird erziililt, dass in Israël Yater und Sohn zu derselben Dirne giengen, um den Namen Jahves zu heiligen. Eine besonders merkwürdige und für unsern Zweck wichtige Erzilhlung ist die von der Opferung Isaaks in Gen. 22. Gott verlangt von Abraham, dass er ihm seinen einzigen Sohn opfere, weist ihm dann aber, nachdem er seinen Glaubensgehorsam erprobt, einen Widder, der sich plötzlich wunderbarerweise Abrahams Blieken als an der C uit statte gegenw&rtig zeigt, als den Stellvertreter des Solmes zum Opfer an. Ein Widder ist nun, wie bereits erwühnt, das heilige Tier des Amon-Ra wie des Chnum-Ra. In diesem Tier verkörpert sich der Gott. Es ist seine Hïille. Ein Widder war denn auch in Mendes am Cultort des ChnumRa stets gegenwartig (291. 30S) und auch in Theben war Amon-Ra durch einen Widder reprasentirt und lagen den Strassen entlang, die zum Tempel des Amon-Ra führten, Riesenbildnisse von Widdern, die den Zugang bewachten ')• 1) Wiedemann, a. a. O. S. 68. Widder durften darum in Theben nicht geschlachtet werden. Nur aasnahmsweise geschah es an einem bestimmten Feste. Herodot (II, 42) teilt zur Erklarung davon die folgende mythische Erzfthlung mit. «Die Thebaner nun samt Allen, die nach ihrem Yorbild der Schafe sich enthalten, geben tblgenden Grond von diesem Brauche an. Herakles (Chons) habe durchaus den Zens (Amon) sehen wollen, und dieser habe nicht gewollt, dass er ihn schaue. Endlich aber, auf langes Andringen des Herakles, habe es Zens so gemacht, dass er einen Widder abzog, den abgeschnittenen Kopt' des Widders sich vorhielt, das Vlies desselben anthat und so sich jenem zeigte. Seitdem machen die Aegypter das Bild des Zeus widderköpfig Ihre Widder, fahrt Herodot fort, opfern die Thebaner nicht, sondern sie sind ihnen eben darum heilig. Nur an einem Tage des Jahrs, bei dem Feste des Zeus (Amon) schlachten sie einen einzigen Widder, ziehen ihn ab, und thun damit wieder das Bild des Zeus an, zu welchem sie alsdann ein anderes Bild des Herakles herbeibringen. Haben sie dies gethan, so wehklagen alle, die beim Tempel sind, um den Widder, und dann bestatten sie ihn in einer hl. Lade''. Das Fest des Zeus oder des Amon-Ra, von dem Herodot redet, ist das Fest, an dem der Gott in der Gestalt eines Widders sich den Blieken der Menschen zeigt, und an dem der Widder, der ihn darstellt, geschlachtet wird. Gerade dies aber sind die hervorstechendsten Züge der biblischen Erzahlung von der Opferung Isaaks. Der Widder, der auf einmal wunderbarerweise den Blieken Abrahams sich zeigt und von ihm an der Stelle der Sohns geschlachtet wird, ist die Erscheinung Gottes selbst, und da der Sohn ebenso wie der Gott Abrahams Ra bezw. Amon-Ra ist, so ist auch hier der Widder der Reprasentant des letzteren. Dass wir mit dieser Deutung im Rechte sind, beweist der Name, den Abraham dem Orte gegeben haben soll. Er nannte ihn den Berg, wo Jahve sich sehen lasst (22, 1-1). Eben in der Gestalt des Widders hat Abraham Gott zu sehen bekotnmen. Und dass ihm Abraham nach aegyp- tischem Vorbild den Widder schlachtet, erklart sich daraus, dass Abraham = Nun zwar der Vater aber zugleich der oberste Diener des Amon-Ra ist. Zur n&heren Bestimmung des aegyptischen Festes, das wolil den Hintergrund unserer Erzahlung bildet, sei noch dies bemerkt. „Nach den Vorstellungen der Aegypter, sagt Brugsch (S. 269), trat die Sonne am Frühlingspunkte in die obere Hemisphare hinein und das damit verbundene Frühlingsfest ward gefeiert, sobald der Neumond unmittelbar darauf sich am Himmel zeigte". Eine solche Conjunction, in welcher nach der Denkmalersprache „sich Sonne und Mond die Hand reichten", wurde auch für den Schöpf'ungstag vorausgesetzt (cf. Horapollon 1, 10). Und dementsprechend bezeugt Proclus (270), dass die Aegypter den widderköpfigen Amon darum am meisten verehrten, weil der Widder, das erste Bild ira Zodiakus, in welchem die Sonne in das Frühlingsaequinoctium eintritt, als Anfang der Genesis angesehen ward (cf. auch 105. 2-12—245). Das in Verbindung mit dem Mondstand gefeierte Fest der Frühlingsgleiche war der Anfang des Sonnenjahrs und entsprach somit der Nauruz-Feier der heutigen Perser und Araber (270). Schwieriger scheint sich die Erzahlung von Abrahams nachtlichem Kampt' und Sieg in Gen. 14 erklaren zu lassen. Die Könige von Sodom, von Gomorra, von Adma, von Zebojim und von Bela haben sich gegen Kedorlaomer, den König von Elam, erupört, und dieser fallt nun mit den Königen von Schinar, von Ellasar und van Gojim in das Land, alles siegreich vor sich niederwerfend. Im Siddiruthal stellt sich ihm der König von Sodom mit seinen Verbündeten entgegen, wird aber geschlagen. Abrahams Neffe Lot, der in Sodom wohnt, wird mit seiner Habe von den Siegern weggeführt. Auf die Kunde davon macht sich Abraham mit 31S Knechten und mit Mamre, Eschkol, Aner als Verbündeten auf, jagt den Siegern nach bis Dan. schlagt sie bei Nacht und kehrt, nachdem er ihnen alles wieder abgenommen hat, zurück. Auf dem Rückweg zieht ihnen der König von Sodom entgegen in das Thai Schawe, das Königsthal. Und Melchisedek, der König von Salem brachte Brot und Wein heraus; derselbe war ein Priester des El Eljon. Und der segnete ihn und sprach: Gesegnet sei Abraham von El Eljon, dem Schöpfer Himmels und der Erde! Und gepriesen sei El Eljon, der deine Gegner in deine Hand gegeben bat! Und er (Abraham) gal) ihm den Zehnten von allem. Darauf erklart der König von Sodom, dass er nur die Seelen halten wolle, w&hrend die Hal)e Abraham behalten soll. Aber Abraham lehnt dies ab, er will für sieh nichts nehmen von dem, was dem König von Sodom gehort. Nur seine Knechte und Verbündeten sollen ihren Anteil bekommen. Wir brauchen auf die Frage, ob diesem Bericht, der weder aus J noch aus E noch aus P zu stammen scheint. ein Alterer einfacherer Bericht zu Grande liegt, für unsern Zweck nicht des Naheren einzugehen. In den Versen 5b — 9 und 2-tb (dann aber auch wohl in Vers 13 Schluss) mag man spatere Erweiterungen zu sehen haben. In jedem Fall aber sind die Verse 18—20, in denen zwischen das Auftreten des Königs von Sodom in V. 17 und 21 so unerwartet der König Melchisedek von Salem eingefübrt wird, zu streicheu. Schultz') erklart, die Verse 18—20 seien offenbar dazu bestimmt, der hl. Stadt Jerusalem = Salem eine, schmerzlich vermisste, Weihe aus der Urzeit zu geben. und hier eingeschoben, wo das „Königsthal" (in V. 17) dazu eingeladen habe. Das dürfte zutreffend sein. Es ist dasselbe Bestreben, das in Gen. 22, 2 zur Einfügung des Namens Moriah geführt hat. Nur wird man dann anzunehmen haben, dass die Naherbestimmung des Tbals Schawe durch die Worte: „das ist das Königsthal" (nach 2 Sam. 8, 11 wahrscheinlich bei Jerusalem) am Schluss von V. 17 ebenfalls bereits ein Bestandteil des in den Versen 18—20 gemachten Einschubs ist. Wenn man nun aber aucli die Erzahlung in Gen. 1+ in dieser Weise vereinfacht, wird ihr historischer Charakter damit doch nicht gesichert. Soviel Namen der Bericht auch 1) Alttestl. Theol.' S. 65, Anm. '2. nennt, zu einer klaren historischen Situation lassen sie sich nicht zusammenreimen, und das Auftreten des Abraham selbst ist doch zu wunderbar, als dass es für wirkliche Geschichte genommen werden könnte. W ir haben es bei der ganzen Erzahlung ohne Zweifel zu thun mit mythologischen Vorstellungen in historischem Gewande. Dass ein grosser Fürst wie Abraham auf fremdem Grund und Boden unter den Terebinthen des Amoriters Mamre, des Bruders von Eschkol und Aner, gewohnt haben soll, obwohl er doch viel reicher und machtiger war als sie, lasst sich, wenn man bei allgemein menschlichen Verhaltnissen stehen bleibt, nicht verstellen. Es lasst sich nur begreifen, wenn man annimmt, dass Abraham ein bei den Terebinthen von Mamre d. h. von Hebron verehrter Gott gewesen ist. Nun könnte man die Erzahlung in Gen. 14 aus der Erinnerung daran zu erklaren suchen, dass die um Hebron wohnenden Stamme der vorisraelitischen Landesbewohner sich einst mit Hilfe jenes Gottes erfolgreich einer elamitischen Ueberherrschung oder Ueberflutung erwehrt batten. Aber auch damit dürfte die Sache doch nicht zur Genüge aufgehellt sein. Die nachtliche Schlacht selbst und der Triumph im Thai Schawe scheint uns ebenfalls aut mythologische Elemente zu weisen und zwar auf solche, die eben wieder von der Gleichung Abraham = Nun aus ilire Erklarung linden. Der Erzahlung liegt, wie ich glaube, wiederum nichts anderes als eine Sonnensage zu Grunde, eine Sage von Ra. speciell von der Sonnenfahrt des Ra in der Unterwelt, wie sie in den in den Königsgrabern aufbewahrten U berlieferungen, im „Bucli voni Am-Duat" („von dem was ist in der Tiefe") und in dem „ Buch von den Toren1' geschildert wird. ')• Der König Ra und seine Genossen wie z. B. Qeb und Schu verlieren ihre Herrscliaft. Ihr Reich filllt den feindlichen Gegnern des Lichts anheim. Das geschieht alltilglich, jeden Abend. Ra selber und seine Mitherrscher versinken in der Unterwelt und müssen ihre aufeinanderfolgenden Raume 1) Wiedemann, a. a. O. S. 47 und S. 55 ff. durchwandern, wie die Könige von Sodom und Gomorra in den Erdharzgruben versinken, die im Thai Siddim so zahlreich hinter einander waren. Wie nun Abraham in der Nacht die Gegner des Königs von Sodom überwindet und im Thai Schawe, wohin dieser ihm entgegenzieht, ihm alles wieder zurückerstattet und ihn also wieder in seine Herrsehaft einsetzt, so ist es Nun, der in der Nacht in der Tiefe, in dem Urgew&sser, das sich vor der die 12. Nachtstunde andeutenden letzten Pforte ausbreitet, dem Ra wieder zurn Triumph über seine Feinde verhilft, ihn auf seinen Thron erhebt und ihn in seine Herrsehaft und seinen Besitz wieder einsetzt'). Als König im Osten tritt Ra zu Tage. Darum ist in unserer Erz&hlung auch ein östlicher König, der König von Sodom zu seinem Representanten geworden. Und dass hinter diesem König von Sodom in der That niemand anders als Ra selber steekt, das zeigen noch deutlicli die Verse Gen. 14, 21 tf'., nach welchen nicht bloss die Menschen sondern auch die ganze Siegesbeute dem Ivönig von Sodom gehören s), und wo Abraham selbst bei Jahve, dem höchsten Gott, dem Schöpf'er des Himmels und der Erde schwört, dass er keinen Faden noch Schuhriemen, überhaupt nichts von dem, was dem König von Sodom gehore, annehmen wolle. Das wird in unserer Erziihlung allerdings so motivirt, dass Abraham sich nicht habe nacbsagen lassen wollen, dass der König von Sodom ihn bereichert habe. Alter der eigentliche Grund ist oline Zweifel der, dass man hinter dem König von Sodom sich den König Ra, den höchsten Gott, den Herrn der Welt zu denken bat. Eine bedeutsame Rolle in der Abrahamsgeschichte spielt nun weiter der Brunnen zu Beerseba (Gen. 21 cf. 26), den Abraham selbst gegraben haben soll. Sof'ern Abraham eigentlich Nun oder das Urgewiisser ist, scheint sich die Zurückführung des Brunnens auf Abraham einfach daraus zu erkliiren, dass der Brunnen als Sitz oder Ausfluss des 1) Cf. Wiedemann, a. a. O. S. 58 und Brugsch, a. a. O. S. 216. 2) Cf. hiezu Wiedemann, a. a. O. S. 33 unten. Urgew&ssers aufgefasst warde, als der Ort, wo der Lichtgott Ra aus dem Schlunde des Nun, in dem er gebildet wird, hervorgeht'). Eia Beweis für die Richt igkeit dieser Auffassung liegt in der Erzahlung von dem Vertrag, den Abraham und der König Abimelech beim Brunnen von Beerseba schliessen (Gen. 21, 22 ff.). Abraham muss dem Abimelech schwören, dass er gegen ihn und seine Yerwandten nie treulos handeln sondern sich freundschaftlich erzeigen werde, wie Abimelech sich gegen Abraham gezeigt habe. Abraham wird als der eigentliche Eigentümer des Brunnens anerkannt, er ist ja = Nun = das TJrgew&sser. Aber der König Abimelech, der hier wieder als der Reprasentant des Königs Ra erscheint, hat die Freundschaft und Hilfe des Abraham = Nun nötig, denn der letztere muss ihn t&glich in seinem Schlunde bereiten und ihn aus dem Urgewftsser emporheben, damit er mit den andern Göttern, wie Qeb und Schu, seine Herrschaft wieder antreten kann. Die biblische Erzahlung schliesst in Gen. 21, 33 mit den Worten: „Er (Abraham) aber pflanzte eine Tamariske zu Beerseba und rief daselbst den Namen Jalives an, des ewigen Gottes." Der Baumcultus ist in Aegypten zu Hause. Die Aegypter opfeilen unter ihren heiligen Biiumen2) und hatten solche auch in ihren Tempeln (cf. z. B. 353). In unserem Falie aber, d. h. weil der Baum von Abraham = Nun gepflanzt wird, dürfte man an die Sykomore der Nut zu denken haben, einen Baum von smaragdgrüner Farbe, aus dessen Mitte der Lichtgott Ra zura Vorschein kommt, wandelnd über der Wolkenregion (173). „Ganz im Osten der infernalischen, unteren Hemisphare, da wo sie sich mit der Oberwelt berührt, in der Niihe des Sonnenthors, steilte man sich jenachdem eine Sykomore, ein Sykomorenpaar oder einen Sykoinorenhain vor, welcher der Himmelsgöttin Nut geheiligt und inmitten eines 1) Auch der Mörissee wurde als eiu Werk des Nun au der Spitze der Ogdoas aDgeseheu (Brugsch, S. 157. 148. 155), und in der Sage von der Vernichtung des Menschengeschlechts erscheint Nun von Ka über allo Löcher der Erde gesetzt (Wiedemann, S. 36 unten). 2) Maspero, a. a. O. S. 121 f. cf. auch Lange bei Saussaye '2, I, S. 153. 2 elysaischen Gefildes des Namens Ara gelegen war" (175). Der hier vorgetragenen Erkl&rung des Brunnens von Beerseba entspricht es, dass Beerseba eiue uralte Cult- und Orakelstatte war, die aber von Amos als unrein verworfen wird (Amos 5, 47; 8, 14). Einen mythologischen Rest meinen wir ferner auch zu finden in der Erzahlung von dem Begrabnis von Sara und Abraham in Machpela, jener Doppelhöhle gegenüber Mamre auf dem Acker des Hethiters Ephron, des Sohnes von Zoar, die Abraham samt allen Baumen auf dem Acker sich zuru Erbbegrabnis erkauft haben soll (Gen. 23. 25). Die Höhle auf dem Feld mit den Biiumen erweist sich ebenfalls als eine Cultusstatte. Ihre Bedeutung wird eine ahnliche sein wie die des Brunnens von Beerseba. Die Aegypter haben Nun und Nunet sich vorgestellt in der unterirdischen Zone und zwar iu dem „Schlund" (krrt), wo sie den Leib des Sonnengottes bilden. In einer daraut bezüglichen Inschrift heisst es: „Nachdem der grosse Gott nach diesem Schlunde gelangt ist, geht die dichte Finsternis zu Ende und der Gott erscheint in seiner für diesen Schlund bestimmten Kafergestalt (oder als hoper). Es sind die Gottheiten des Nun und der Nunet (Chaos als erzeugende und gebarende Urmaterie), des Hehu (Eros) und der Hehud für diesen Schlund bestimmt, um den grossen Gott zu bilden. Er tritt heraus aus der untern Hemisphare, er nimmt Flatz in der Ad-Barke, er erscheint bei den Lenden der Himmelsgöttin Nut" (137) ')• Die Höhle Machpela war ursprünglich wohl als die Geburtsstatte des Sonnengottes betrachtet, als die Darstellung des Schlundes, in welchem Nun und Nunet seinen Leib bilden. Der Name Machpela = duplicitas weist auf dieses Götterpaar, das sich in dem Schlunde oder der Höhle befindet und das Chaos nach seiner doppelten, erzeugenden und gebarenden Seite reprasentirt, Gegenüber Machpela lag Mamre, der Ort, wo Gott sich geoffenbart liat, erschienen 1) Durch eine Felsenspalte dachte mau sich auch die Barke des Sonnengottes jeden Abeud iiis Totenreich hinübergleitend, cf. Lange bei Sausaye1 S. I, 163. ist. Beide Orte Machpela und Mamre gehören offenbar zusammen, siud zwei zu einander in Beziehung stellende alte Cultusstatten des Sonnengottes, wo seine Geburt und sein Aufgang gefeiert vvurde, wahrend sie spater umgedeutet wurden auf den Ort, wo Abraham den Besuch Gottes erhalten hat, und auf die Statte, wo Abraham neben Sara begraben ist. Wir haben im Bisherigen, wie ich meine, genügende Beweise gewonnen für die Annahme, dass Abraham dem Gotte Nun und sein Gott dem Sohn des Nun, dem Sonnengott Ra entspricht. Wie in dem Mythus von Nun die Ansatze liegen, die zur Vermenschlichung des Nun bezw. des Abraham und zu seiner Auffassung als des vornehmsten Üieners des Sonnengottes geführt haben, das halten wir bereits gesehen. Indem man dann den Gott des Nun bezw. des Abraham d. h. Ra gedeutet hat auf Jahve, ist das Bild von Abraham als dem alten und treuen Diener Jahves entstanden, das nun in der Genesis vor uns liegt. AH' die alten, ursprünglich auf den Oult des Ra und des Nun bezüglichen Yerehrungsstiitten hat man so in die Geschichte des Jahvedienstes aufgenommen. Abraham erscheint nun aber in der Genesis vornehmlich auch als der Völkervater, und auch dies erkliirt sich aus seiner Identitat mit dem Urvater Nun, dem Vater von Göttern und Menschen, der, wie es in jenem Mythus heisst, die Menschen schut' und der König war der denkenden Geister bezw. die reinen Seelen erzeugte. Von ihm aus hat man die Herkunft und niihere oder entferntere Verwandtschaft einer Reihe von Yölkerstammen zu erklaren gesuclit. Aus der Haupt- und Segenslinie haben sich durch Isaak und Esau die Edomiter und Amalekiter, und in Concurrenz mit ihnen durch Isaak und Jakob die Israeliten abgeleitet. Durch Nebenlinieu werden alter noch andere Völker auf Abraham zurückgeführt, so in erster Linie die Ismaeliten durch Ismael, den Sohn der Hagar. Von der Qetura hat Abraham noch sechs Söhne, wovon Joqschan durch Dedan der Stammvater der Aschuriter, Letuschiter und Leummiter ist, wahrend von Miiljan die midianitischen Stamme Epha und Epher und Chanokh und Abida und Eldaa sich herleiten. Im Ganzen hat Abraham acht Söhne, einen von der Sara (Isaak), einen von der Hagar (Tsmael) und sechs von der Qetura (Zimran und Joqschan, Medan und Midjan, Jischbaq und Schuach). Vielleicht dass auch dieser Achtzahl der Kinder Abrahams noch eine populare Erinnerung an die Achtzahl der Kinder des Nun zu Grunde liegt. Demi Nun ist „der Urvater der Acht" (148; der Chmun oder Schmun, löO). Nun befasst die Vater und Mütter von allem, was da ist, als Ogdoas in sich (148). Abraham bewegt sich nun der Ueberlieferung nach, wenigstens von seinem eigentlichen Sesshaftwerden in Kanaan an, ausschliesslich in dem südlichen, Aegypten unmittelbar benachbarten Theil Palastinas. Und es ist denn auch bezeichnend, dass Abraham nicht bloss überhaupt als der Stammvater gerade solcher im Süden wohnhafter Völkerstilmme wie der Ismaeliten und Midianiter erscheint, sondern dass speciell Esau, der Stammvater der Edomiter und Amalekiter, als der Erstgeborene von Abrahams Hauptsohn Isaak vorgestellt wird, wahrend der Vater der Israeliten Jakob nur durch Erschleichung sich das dem Esau zukommende Erstgeburtsrecht angeeignet hat. Die Abrahamslegende ist darum ursprünglich vielleicht nicht einmal specifisch israelitisches Eigentum gewesen. Jedenfalls war sie im südlichen Palestina eigentlich zu Hause. Sie will die Yerwandtschaft aller in dieser Gegend bis zur aegyptischen Grenze wohnenden semitischen Stamme zum Ausdruck bringen. Zu dem Zweck wird Abx*aham vorgestellt als der Hebr&er (Gen. 14, 13), der aus Charran bezw. Ur in Chaldiia (Gen. 11 Schluss und Gen. 12, 1—9) in Palastina eingewandert ist und da als Fremdling (Gen. 23, 4 cf. 35, 27) gelebt hat. Aber dies ist nur die eine Seite der Sache. Die Genesis erziihlt noch von einer andern Einwanderung Abrahams in Palastina, von einer Einwanderung aus Aegypten (Gen. 12, 10 ff. und Gen. 13), und diese ist die eigentliche, die zur bleibenden Ansiedlung Abrahams und zwar gerade im südlichen Palastina geführt hat. Tragt die erste Erzahlung dem Charakter Abrahams als eines semitischen Stammvaters Rechnung, so kommt in der letzteren die Erinnerung an den aegyptischen Ursprung der Abrahamsfigur zum Ansdruck, und eine Spur davon finden wir auch noch in der Erzahlung von der Hagar, sofern dieselbe als eine aegyptische Sclavin oder als die Aegypterin bezeichnet wird (Gen. 16, 3; 21, 9). Aber auch das Bewusstsein, dass Abraham eigentlich ein Gott ist, macht sich in der Erzahlung der Genesis gelegentlich noch geltend. So wenn die Hethiter zu Abraham sagen: „Als ein Fürst Gottes bist du unter uns" (Gen. 23, 6). Und zu derselben Vorstellung kommt man, wie wir bereits sahen, von der Erzahlung in Gen. 14 aus, dass Abraham bei den Terebinthen des Amoriters Mamre, des Bruders von Eschkol und Aner, gewohnt haben soll (Gen. 14, 13). Selbst bei dem Bearbeiter von Gen. 14 scheint das Gefühl davon noch lebendig zu sein, wenn er den Melchisedek dem Abraham nach seinem Siege Opfergaben (Brot und Wein) bringen lasst. Wir müssen nun aber auch einen Augenblick bei dem Sohn von Abraham und Sara, bei Isaak verweilen. Ist Abraham gleich Nun und Sara gleich Nunet, so muss ihr Sohn Isaak gleich Ra sein. Darauf haben wir denn auch bereits oben gewiesen. Der Name Isaak d. h. „der Lacher' würde denn auch zu dieser Deutung Isaaks auf die lachend aufsteigende Sonne sehr wohl passen. Auch sofern Isaak der eigentliche und echte Sohn Abrahams, der Sohn der Verheissung, der Gesegnete des Herrn ist (Gen. 26, 29), gleicht er dem echten, grossen, gesegneten und segenbringenden Sohn des Nun und der Nunet d. h. dem Himmels- und Sonnengott Ra '). Aber wie reimt sich 1) Dass Isaak der Gott Abrahams bezw. der Gott Abrahams und Nahors ist, sieht man noch besonders deutlich in Gen. 31, 42 und 53. Der Schrecken Isaaks ist die Schrecken erregei de Gestalt oder Erscheinung des Sonnengottes. Dabei sei daran eriuuert. dass die Sphinx, in welcher der Sonnengott Ha sich verkörpert, noch heute von den Wüstenbewohnern „Vuter des Schreckens" genannt wird (cf. Wiedemann a. a. O. S. 103. 104). dann mit dieser ErkU'trung, die doch dem Isaak eine ganz ausserordentliche Bedeutung zu geben scheint, die Thatsache, dass Isaak in Wirklichkeit ziemlich in den Hintergrund tritt, eine relativ nur unbedeutende Holle spielt, dass seine Geschichte zum Teil nur als ein Abklatsch der Abrahamsgeschichte (Brunnen Lachaj Roi, Al>imelech von Gerar, Mamre) erscheint, und eigentlich nur, sofern sie Isaak als Gemahl der Rebekka und als Vater von Esau und Jakob schildert, einige Selbst&ndigkeit besitzt 1 Hier scheinen wir vor einem Rütsel zu stehen, und doch ist dieses Rütsel auf Grund dessen, was wir bereits festgestellt haben, nicht schwer 7,u erkhiren. lm Zusammenhang mit der Vermenschlichung des Nun bezw. des Abraham ist aus dem Solme des Nun oder des Abraham eine doppelte Figur geworden. Einerseits ist er der Himmels- und Sonnengott geblieben, der er von Hause aus ist, der Gott des Nun und des Abraham, andererseits hat man den Sohn des Nun bezw. des Abraham nun ebenfalls menschlich vorgestellt. Aber da die grosse Bedeutung von Nuns oder Abrahams Sohn am Himmelsund Sonnengott haften blieb, so blieb für den menschlichen Sohn Abrahams' wenig mehr tibrig. Und doch von der Auffassung des Abraham als Völkervaters aus, von dem viele Völker und das gerechte und gesegnete speciell abstammen, war ein menschlicher Sohn des Abraham und der Sara d. h. Isaak unentbehrlich. Nach dieser Seite ist denn auch die Geschichte Isaaks in der Erzahlung von seiner Ehe mit Rebekka eigentümlich ausgearbeitet, und im Zusammenhang hiemit haben sich, wie wir sofort sehen werden, der Figur Isaaks selbst einige neue, eigenartige Züge angeheftet. Diesen Hindruck bekommen wir in erster Linie, wenn wir in Gen. 24, 62 ü. lesen: „Isaak aber war vom Kommen nach dem Brunnen Lachaj Roi gekommen — er wohnte namlich im Negeblande — und Isaak war, um auf dem Feld zu klagen, gegen Abend ausgegangen, und er batte seine Augen erhoben und siehe Kamele kamen. Da erhob Rebekka ihre Augen und sah Isaak und sie sprang vom Kamele herab und sprach zu dem Sclaven: Wer ist dieser Mann, der auf dem Felde uns entgegengeht ? Der Sclave antwortete: das ist mein Herr. Da nahm sie den Schleier und bedeckte sich". Haben wir hier nicht den Sonnengott, dessen Ausgangspunkt der Schlund des Nun, das l'rge wasser, hier der Brunnen Lachaj Roi ist, und der dann gegen Abend klagend über seinen Untergang zur Erde sich neigt? Ist dem so, dann wird man in der Frau, die ihm entgegenkommt, wohl den Abendstern zu erblicken haben. Gerade dies legt aber die Frage nahe, ob auf die Erzahlung von Isaak und Rebekka nicht auch der Mythus von Tammuz und Istar eingewirkt hat. Dass Isaak vom Brunnen Lachaj Roi konimend des Al)ends klagend iibers Feld geht, erinnert in der That an Tammuz '), den Gott der Frühlingssonne und der Frühlingsvegetation, die unter dem Einfluss des Wassers herrlich aufgegangen ist, und dann des Wassers ertnangelnd vor der versengenden Glut der Sommerzeit wehklagend dahinstirbt. Und wenn nun im Augenblick, da der Sonnengott Isaak-Tammuz klagend dahinstirbt, die Rebekka von der Reise bei ihm eintrifft, sich in den Schleier hüllt und von Isaak gebracht wird in das Zelt seiner Mutter, wo Isaak sie als sein Weib lieb gewinnt und sich damit tröstet, so driingt sich unwillkürlich der Gedanke an die Istar auf, die Göttin des Abendsterns, die nach einer Zeit des Herumirrens, sich wieder zu dem Gemahl ihrer Jugend kehrt und ihm folgt in die Unterwelt. Istar ist die Tochter des babylonischen Mondgottes Sin. Rebekka wird als die Tochter Bethuels bezeichnet. Bethuel ist darum wohl ebenfalls als Mondgott aufzufassen Dein Isaak, der als Sohn des Abraham und der Sara bezw. des Nun und der Nunet — Ra ist, hat man also, da Ra keiue Gemahlin hat, und da Isaak doch als Staiumvater semitischer Volksstiumne gedacht werden sollte, eine Göttin semitischen Ursprungs als Frau zugesellt, und im L) Jeremias bei Saussaye2, I. S. 190 lf. Zusammenhang hiemit haben sich selbst einige Zfige des mit jener Göttin verbundenen Gottes d. h. des Tammuz auf Isaak übertragen '). Wir können von diesen Ergebnissen sofort Gebrauch machen bei der Erklarung der Erzahlung vom Aufenthalt Isaaks beim Philisterkönig Abimelech in Gen. 26. Der Grundstock der Erzahlung besteht offenbar aus den Versen 7—14. 16. 17. 19—BB, und diese haben ursprflnglich wohl unmittelbar an Kapitel 24 angeschlossen 2). Auch unter der Hftlle dieser Erzahlung scheint sich der Mythus von I ammuz und Istar noch deutlich erkennen zu lassen. W enn Isaak bereits nach dem ersten Liebesglück wegen der Schönheit seiner Frau, die die begehrlichen Blicke der Philister und des Abimelech selbst auf sich zieht, sich fürchten muss, wenn er, nachdem er zu grossem Reicbtum gekommen, wegen der Eifersucht der Philister und des Abimelech aus dem Lande muss, wenn er dann im Grund von Gerar wohnt, und seine Hirten hier einen Brunnen graben und lebendiges Wasser finden, wenn beim Graben eines weiteren Brunnens Streit entsteht, beim Graben des dritten aber er unbehelligt gelassen wird, so entspricht das allerdings in den Grundzügen der aegyptischen Yorstellung, dass der Sonnengott im Westen in die Hand seiner Feinde fallt, hinuntermuss in die Unterwelt, um, nachdem er diese durchlaufen, im Urwasser des Nun wieder zu neuem Leben und neuem Glanze zu erstehen. Aber erinnern jene Züge nicht speciell an Tammuz, dem die Gemahlin seiner Jugend untreu wird, und der nach kurzer üppiger Frühlingspracht vor der versengenden Hitze der Sonne weichen und in die Unterwelt muss, aus der er, nachdem auch Istar ihm dahin gefolgt ist, und ein ihr zu Hilfe gesandter Götterdiener sich in den Besitz des Lebenswassers gestellt hat, trotz des Wütens von Allatu mit Tstar wieder befreit wird? Wenn in der alttestamentlichen 1) Ist Isaak in seiner Identitat mit Tammuz speciell als Gott der Frühlingssonne und Frühlingsvegetation zu denken, dann begreift sich sein Name „der Lacher" besonders gut. 2) Vgl. hiezu llolziuger, Genesis, p. 175. Erzilhlung von den Hirten Isaaks die Rede ist, so heisst Tammuz selber „der Hirte'', und wenn dort das Brunnengraben eine so grosse Rolle spielt, so entspricht dem, dass Tammuz selbst den Titel: „Herr der Wasserwohnung" führt. Aber auch auf den Schluss der Erzilhlung, darauf dass Isaak schliesslich nach Beerseba komint, hier einen Brunnen grabt und von Abimelech, der zu ihm kommt und mit ihm ein Bündnis schliesst, als der Gesegnete Jahves anerkannt wird, wirft die Gleichsetzung Isaaks mit Tammuz ein helles Licht. Beerseba, der Brunnen im Osten, ist der Ort des triumphirenden Wiedererstehens des Isaak-Tammuz, won wo der Frühlingssonnengott aufs Neue seinen wenn auch kurzen Siegeslauf beginnt. Wenn er von da ausgeht in seiner Kraft und Pracht, erweist er sich als den Gesegneten des Herrn. Das Bündnis aber, das hier der König Abimelech mit ihm schliesst, erklitrt sich sofort, sobald man erkennt, dass Abimelech im Unterschied von Tammuz, dem Gott der Friihlingssonue, der eigentliche Sonnengott ist, der mit dem Gott der Frühlingssonne zuniichst in Frieden und Freundschaft lebt, mit ihm verbündet oder gewissermassen selbst identisch ist — daher die Reise Abimelechs zu Isaak nach Beerseba — und erst spater als Gott der versengenden Sonnenhitze sich gegen ihn kehrt und ihn zum Weichen und Vergehen bringt. So reprasentirt Abimelech in gewissem Sinn den machtigeren Gott und als solcher erscheint ja auch Abimelech, nicht bloss sofern er Landeskönig überhaupt ist, sondern auch sofern er Isaak zwingt, das Land zu verlassen, und selbst spiiter bei dem Bündnis, sotern er es ist, der dem Isaak dieses Bündnis antriigt. Trotz dieser von dem babylonischen Frühlingssonnengott Tammuz auf Isaak übertragenen Züge bleibt es übrigens dabei, dass Isaak im Grunde d. h. von Hause aus doch nichts anderes ist als der aegyptische Sonnengott Ra, der Sohn des Nun und der Nunet. Das zeigt sich auch im Weiteren nicht bloss daran, dass Isaak schliesslich ebenfalls zu Mamre wohnend gedacht wird (Gen. 35, 27—29), dem Ort, den wir bereits als Cultstatte des Ra kennen gelernt haben, sondern dafür zeugen aueh die dem Isaak zugeschriebenen Söhne Esau und Jakob, die, wie wir zeigen werden, deutlich die aegyptische Herkunft des Isaak oder speciell seine ursprüngliche Identitat mit Ra bezeugen. Wir haben bisher nur im Vorbeigehen von Hagar und Qetura, den beiden andern Frauen Abrahams gesprochen. Vielleicht dass mit Hilfe der aegyptischen Mythologie auch die Bedeutung dieser Figuren sich noch etwas naher bestim men lasst. Hagar wird als die aegyptische Sclavin der Sara bezeichnet, die Abraham zur Beifrau nahm (Gen. 16). Schon die Schwangerschaft Hagars erregt die neidische Eifersucht der Sara, und um der Bedrückung zu entgehen, flieht Hagar aus Abrahams Haus in die Wüste bis zur Quelle auf dem Weg nach Sclmr, wo der Engel des Herrn sie umkehren heisst und ihr die Geburt Ismaels verkündigt, von dem er sagt: „Der wird ein Mensch wie ein Wildesel sein: seine Hand wider jeden und jedes Hand wider ihn; und er wird allen seinen Verwandten auf' dem Nacken sitzen". Von diesem Brunnen, den sie selbst nun Beer lachaj roi nennt, nach Hause gekehrt gebiert sie Ismael, aber nachdem dann Sara ebenfalls einen Sohn, Isaak, geboren hat, bricht der Hader bald wieder aus (Gen. 21). Das muntere oder mutwillige Wesen Ismaels erregt aufs Neue die Eifersucht der Sara, und diese verlangt darum, dass der Sohn der Magd nicht mit ihrem, der Herrin, Sohn erben, vielmehr samt seiner Mutter ausgetrieben werden soll. Dies geschieht. Mutter und Kind irren in der Wüste. Das Brot und das Wasser aus dem Schlauch gehen zu Ende, und Hagar wartet auf' das Sterben des von ihr unter einen Strauch gelegten Ivnaben. Aber Elohim liört auf' die Stimme des Knaben und ruft der Hagar durch seinen Engel zu: Steh auf, heb den Knaben auf und fasse ihn fest mit der Hand, denn ich werde ihn zu einer grossen Nation machen. Und zu gleicher Zeit öffnete ihr Elohim die Augen, dass sie einen Wasserbrunnen sah und den Knaben franken konnte. Und Elohim war mit dem Knaben, und er wurde erwachsen und wohnte iu der Wüste und wurde ein Bogenschtitze. Und er liess sich nieder in der Wüste Paran und seine Mutter nahm ihm ein Weib aus dem Lande Aegypten. Zur Erklarung dieser Erzahlung gehen wir aus von dem Verhaltnis der Hagar zur Sara. Hagar und ihr Sohn stellen sich als die Concurrenten von Sara und ihrem Sohn vor. Hagar und Ismael erscheinen gegemïber Abraham in demselben Verhaltnis von Frau und Sohn wie Sara und Isaak, aber Sara macht gegenüber jenen für sich und ihren Sohn ihr Vorzugsrecht als der rechtmassigen Gemahlin J) in eifersüchtig gewaltthiltiger Weise geltend. Der dein Abraham entsprechende aegyptische Gott Nun hat eigent lich nur eine Frau gehabt, die der Sara entsprechende Nunet, die Mutter des Ra. Aber diese Nunet hat nun ebenlalls Concurrentinnen und darunter besonders eine, die ^Nit oder Neit von Sais, die wie Nunet darauf Anspruch macht, ein weiblicher Nun (113) d. h. die kosmogonische Urmutter und speciell die Mutter des Lichtgottes Ra zu sein (118 ff. 33S ff. 352 f.). Wenn wir fragen, ob diese Neit von Sais der Figur von Abrahams aegyptischer Beifrau Hagar zu Gruude liegt, so kommt dieser Vermutung sofort die Thatsache entgegen, dass an dem Schutthügel von Sais heute noch der Name Sa-el-Hager haft et, -) eine Bezeichnung, die unmittelbar an den vom arabischen hagara (sich absondern, sich entfernen) abzuNamen hd^ar erinnert. Und was wir sonst von der saitischen Neit wissen, ist nur geeignet, unsere Vermutung weiterhin als richtig zu bestatigen. Die Neit von Sais war vielleicht ursprünglich eine libysche Kriegsgöttin und wurde jedenfalls von den Bewohnern des libyschen Landes west lich vom Delta sehr verehrt, so dass sich wolil verstellen liesse, dass in dieser Göttin der westlichen Wüstenbewohner auch die Nomaden östlich vom Delta ihre göttliche Stammmutter gesehen hiitten. Auf den Darstel- 1) Sclion im Namen n~lïï> Herriu, Fürstiu liegt der (iegensatz zum Kebsweib ausgoilriickt. 2) Düiuichen, Geographie des alteu Aegypteus S. 248, 74. lungen erscheint die Neit mit Pfeil und Bogen in der Hand; sie ist die göttliche Bogenschützin, und wenn sie das Urbild der Hagar ist, so erklart es sich daraus, dass das Alte Testament von dem Sohn der Hagar erziihlt, er sei ein Bogenschütze geworden. Es ist nun aber insbesondere das Irren der Hagar in der Wüste mit dem Kinde selbst, was in der mythologischen Ueberlieferung von der Neit sein Seitenstflck oder vielmehr sein Vorbild hat. Als kosmogonische Urmutter wird die Neit wie die kosmogonische Mehtuer auch in Kuhgestalt vorgestellt, und als diese Kuh-Göttin wird die Neit mit der Gottesmutter Isis identificirt, wahrend aus ihrem Sohn Ra ein Horus wird (843)'). Ein solches Fliehen und Irren in und durch die Wüste, wie es die alttestamentliche Ueberlieferung von Hagar berichtet, erziihlt nun die aegyptische Mythologie von der Isis. Wie die Hagar wegen der Bedrïickung und Anfeindung, die sie im Hause Abrahams erfiihrt, dasselbe verl&sst und in die Wüste geht, so verlasst die Isis die Wohnung des ihr und ihrem Kinde teindlichen Set, ihres Bruders, und irrt durch die Wüste (343. 344. 402). Und wie die Hagar nach der alttestamentlichen Erzahlung das eine Mal (Gen. 16) flieht, wahrend sie noch schwanger ist, das andere Mal hinausgeht mit dem bereits geborenen Kinde, so stellt auch der aegyptische Mythus die Flucht der Isis in dieser doppelten Form vor, dass sie entweder mit dem bereits geborenen Kinde durch die Wüste irrt oder das Kind erst darnach gebiert (402 — 404). Aber die Vergleichung lasst sich noch weiter führen. Wenn Hagar nach Gen. 16 flieht auf dem Weg nach Schur (Mauer) d. h. wohl nach der östlich von Pelusium gelegenen Grenzfestung (aegyptisch anbt, Mauer, Umwallung, griechisch: ró rtyyov, tcè rt{jya), also nach einem Punkte, hinter welchem die Wasserdistrikte und Papyrussümpfe Unteraegyptens beginnen, so flieht auch Isis dem aegyptischen Mythus zufolge nach den Yerstecken der unteraegyptischen Lagunen. 1) Cf. auch Wiedemanu, a. a. 0. S. 78 oben. Freilich wird die Hagav unterwegs vom Engel des Herrn aufgefordert naeh Hause zurückzukehren. Aber diese Rückkehr der Hagar zu erziihlen, dazu sieht sich der alttestamentliche Berichterstatter genötigt durch das Interesse, einen Zusammenhang zwischeu Gen. 16 und Gen. 21 herzustellen. Doch bietet der aegyptische Mythus gerade auch zu dem Auftreten des Engels des Herrn, der der Hagar einen guten Rat gibt, eine Parallele. Der fliehenden Isis gibt im aegyptischen Mythus der Gott Thot solch einen guten Rat: „Ich Isis verliess die Wohnung, in welche mich mein Bruder Set gesteckt hatte. Siehe da sprach Thot, der grosse Gott, der Fürst der Wahrheit im Himmel und auf Erden zu mir: Komm! Isis, das ist auch etwas Gutes, zu gehorchen, und es wird der Eine leben, wenn der Andere als ein Ratgeber auftritt. Verbirg dich mit dem kleinen Knaben. Er komme zu uns, wenn er erwachsen ist und seine ganze Starke erlangt haben wird. Du setze ihn (dann) auf den Thron seines Vaters und überliefere ihm das Königsamt und das Scepter des Landes" (402). Die Erziihlung ferner in Gen. 21, dass Hagars Sohn in der Wüste dem Yerdursten nahe ist und dann durch den Wasserquell, der sich wunderbarerweise auf'thut, und aus dem er getriinkt wird, gerettet wird, hangt teils damit zusammen, dass der Feind der Isis und ihres Kindes der böse Set ist, der Herr der Wüste, der Urheber aller schiidlichen Einflüsse, speciell auch der Bewirker der Dürre und des Durstes, andererseits damit, dass das Wasser nach der aegyptischen Mythologie das Lebenselement ist, aus dem das Kind der Isis, der junge Horus, ersteht. Dass die Hagar ihren Sohn in der Wüste unter einen Strauch legt, ist ein Zug, für den man ja nicht notwendig nach einem Analogon zu suchen braucht. Doch ist zu bemerken, dass die Neit ihre heiligen Baume hat (353). Ja es gibt selbst noch eine nahere Parallele. Im Nomos von Arabia erscheint Horus, der Sohn der Isis, als Sopt, der Herr des Ostlandes. Und auf den Darstellungen ist es bald dieser Sopt bald seine Mutter, die im Schatten des diesem Gotte heiligen Nebesbaums Platz nehmen (56(5 f. 569). Endlich könnten wir noch darauf weisen, dass auch zu der feindlichen Haltung der Sara, die die Hagar und ihren Sohn nicht in ihrem Hause dulden will, der aegyptische Mythus eine Art Seitenstück zu enthalten scheint. Aut ihrer Wanderung kommt namlich Isis in eine Stadt, wo eine vornehme Frau aus der Ferne sie erblickt und die Thüre vor ihr zuschliesst aus Unwillen ftber ihre Begleiter d. h. die 7 Scorpione. Diese toten darauf den Sohn der Frau, der aber von der Isis wieder belebt wird (403. 402). Sind wir mit dieser Gleichsetzung der Hagar mit der saitischen Neit-Isis im Recht, dann dürf'te sich aut' demselben Wege wohl auch die aegyptische Parallele oder das aegyptische Urbild der weiteren Frau Abrahams d. h. der Qetura feststellen lassen. Da Abraham dein Urvater Nun entspricht, so werden wir wie in Sara und Hagar auch in Qetuia eine der aegyptischen kosniogonischen Urniütter zu erkennen haben. Unter diesen tritt neben der Neit besonders die Hathor hervor, und ihr Name zeigt denn auch eine unverkennbare Yerwandtschaft mit dem Namen Qetura. Doch können wir zu unseier Annahine keine weiteren Begeben, da das Alte Testament von der Qetura nichts naheres erziihlt. M ir können höchstens darauf weisen, dass die Qetura in Gen. 25 speciell als die Stammutter arabischei Stamme vorgestellt wird, wozu passen würde, dass die Hathor gerade auch zu dem bereits erwiihnten Gott Sopt, dem Herrn des Ostlands (Arabia), dessen Cultus nach Brugsch (507) weit in den Osten hinein sich erstreckt haben muss, als Mutter in Beziehung gebracht wird (569). Ubersehen wir zum Schluss noch einmal die ganze Abrahamslegende in ihren verschiedenen Teilen, so erweist sie sich durchweg als ein Niederschlag von Sonnensagen, der Sagen von Ka und seinem Vater Nun. Und eben dies, dass die Abrahamslegende diese einheitliche Erklarung gestattet, ist ein starker Beweis für die liichtigkeit der letzteren. II. JAKOB UND SEINE FAMILIE. 1. JAKOB. Die Geschichte Jakobs hangt nach der Erz&hlung der Genesis mit derjenigen Abrahams und lsaaks aufs engste zusammen. Sie ist die unmittelbare Fortsetzung davon. Denn Jakob ist neben Esau der Sohn von Isaak und Rebekka. Ob die Einreihung Jakobs in diesen Familienzusammenhang in der Stellung eines Sohnes von Isaak und Zwillingsbruders von Esau ursprünglich ist, erscheint uns allerdings recht zweifelhaft. Wenn wir lesen, dass Jakob als der jüngere Zwillingsbruder des Esau geboren sei, aber schon im Mutterleibe und bei der Geburt dem Esau den Vorrang streitig gemaeht habe, wenn wir ferner vernehmen, dass er den Bruder überlistet und ihm um ein Linsengericht das Erstgeburtsrecht abgekauft und darnach noch mit Hilfe der Mutter den Erstgeburtssegen von seinem Vater erschlichen habe, so ist in diesen Erzilhlungen die Tendenz mit Handen zu greifen. Und diese Tendenz lasst sich nicht verstehen, wenn man nicht annimmt, dass hier von israelitischer Seite reagirt wird gegen eine iiltere, anders lautende Darstellung, in welcher Esau als der erstgeborene oder gar einzige und dementsprechend auch gesegnete Sohn des Isaak vorgestellt war. Dann muss man aber auch weiter vermuten, dass Jakob ursprünglich nicht als Sohn von Isaak und Zwillingsbruder von Esau gedacht war. Fassen wir die Erziihlungen vom Verhitltnis Jakobs zu Esau naher ins Auge! In den Versen Gen. 26, 34. 35; (27, •46); 28, 1—9 haben wir einen fortlaufenden Zusammenhang, eine aus P stammende Erzühlung, innerhalb welcher die aus JE geflossene Erzahlung in Gen. 27 keine Stelle hat. Es sind nicht zwei zusammengehörige, sondern zwei paralIele und als solche einander ausschliessende Erzahlungen ïiber dieselbe Sache. Beide wollen darthun, warutn Jakob statt Esaus den Segen des Vaters bekam. Nach der einen (Gen. 21) erlangt ihn Jakob durch die List seiner Mutter, nach der andern segnet Isaak den Jakob statt des Esau wegen des Herzeleids, das ihm Esaus Weiber bereitet haben (Gen. 26, 34. 35; 28, 1-9). Daneben stellt sich nun noch die aus J stammende Erzahlung von dem Kauf von Esaus Erstgeburtsrecht durch Jakob (Gen. 25, 29—34), die zeigen will, wie Jakob rechtmassig statt Esaus in den Besitz der Erstgeburt getreten ist. Wie ist nun das Verhaltnis dieser drei Erzahlungen zu einander des Nüheren zu erklaren? Die ursprüaglichste ist wohl die von JE in Gen. 27 (V. 1—45). An dieser Erzahlung, welche den Uebergang des Segens auf Jakob durch grobe TJeberlistung des Isaak seitens Ilebekkas und Jakobs erkliirt, hat, wie es scheint, schon J Anstoss genommen, und darum hat J die Erzahlung in Gen. 25, 29—34 zuvor eingefügt, urn auf die Erzahlung in Gen. 27 ein besseres Licht fallen zu lassen, sotern durch jene Erzahlung gezeigt wird, dass Jakob ein Recht auf den Erstgeburtssegen hatte, da er dem Esau zuvor die Erstgeburt rechtmassig abgekauft hatte. Da aber doch auch in dieser Erziihlung Jakob die Rolle des Listigen spielt, hat P beide Erzahlungen (die in Gen. 27 und di^ in Gen. 25, 29—34) verworf'en und durch seine Erzahlung in Gen. 26, 34. 35; (Gen. 27, 46;) 28, 1 — 9 ersetzt, worin gezeigt wird, dass der Segen des Vaters auf ganz normale, sittlich vollkommen zu rechtfertigende Weise dem Jakob statt dem Esau zugefallen ist. Dass Gen. 27 sich so als die relativ urspriinglichste Erzahlung erweist, ist nun fiir die weitere Beurteilung der Verhaltnisse von grosser Bedeutung. Gerade in dieser Erzahlung ist der Uebergang des Erstgeburtssegens von Esau auf Jakob so künstlich und gezwungen, und die Erschleichung so grob als nur möglich vorgestellt. Das lasst sich nur erklaren von der Annahme aus, dass hier ursprünglich eine Segnung Esaus durch Isaak berichtet war, und dass man zu einer künstlichen Correktur dieser ursprünglichen Ueberlieferung seine Zuflucht nehmen musste, um Jakob an die Stelle des P^sau zu setzen. In der Erzahlung, dass Isaak, da er alt ward, seinen Sohn Esau segnen wollte, dass dieser die hiezu nötigen Vorbereitungen traf, und dass er dann schliesslicli aucli einen Segen, wenn aucli nach dem heutigen Text nur einen Nebensegen, bekam — in diesen Zügen haben wir noch die lteste des ursprünglichen üerichtes. Von hier aus fallt nun aber auch ein kritisches Licht auf die Erziihlung von der Geburt des Esau und Jakob als der Söhne Isaaks aus Rebekka. Denn diese Erzahlung mit dem Bericht, dass Esau und Jakob Zwillinge waren, dass ferner die Zwillinge im Mutterleib gegeneinander stiessen, und dass bei der Geburt Jakob die Ferse des Esau festhielt, sowie mit der Prophezeiung, dass der Grössere dem Kleineren dienen soll, tendirt bereits auf die spiitere Erziihlung vom Uebergang des vaterlichen Segens von Esau auf Jakob. Ist nun diese letztere Erziihlung nicht ursprünglich, so gilt dies auch von der ganzen Erziihlung von Jakobs Zwillingsgeburt mit Esau. Jakob erscheint nun aber in der Erziihlung der Genesis doch noch mit anderen Banden an die Familie von Isaak und Rebekka gekettet zu sein. Laban, der Vater von Jakobs Frauen Lea und Rahel, soll der Bruder von Rebekka, der Tochter Bethuels, des Sohns von Nahor, gewesen sein. Allein in der Erzahlung von Jakobs Heirat in Gen. 29 ist von Bethuel gar keine Rede, und wird Laban selbst unmittelbar ein Sohn Naliors genannt (Gen. 29, 5). Und umgekehrt komrnt in den Stammbiiunien von Abrahams und Iiebekkas Familie, Gen. 11, 27 ff. und Gen. 22, 20 ff., Laban nirgends vor. Allerdings tritt Laban dann in der Geschichte von Rebekkas Heirat auf, aber es ist leicht zu sehen, dass der Name hier nur kiinstlich eingesetzt ist. Rebekka wird in dieser Erzahlung wiederholt die Tochter Bethuels genannt (Gen. 24, 15. 24. 47). Aber warum tritt Bethuel dann in der Angelegenheit seiner Tochter und in 3 seinern eigenen Hause nicht hervor? Warum vertritt vielraelir Lab in nehen «Ier Mixtter Bethuels Stelle? Wenn Bethuel bereits tot gewesen wiire, dann liesse sich das begreifen. Aber das ist durchaus nicht der Fall. In der Verhandlang mit Abrahams Knecht wird Bethuel neben Laban ausdrücklich sprechend eingeführt. Aber das ist nur ein einzigesmal der Fall, und er tritt auch hier nur im Schatten Labans auf (24, 50). Das ist eine so wunderbare Sache, dass icli sie mir nur daraus erkliiren kann, dass Bethuel nachtraglich absichtlich aus einem bestimmten Grunde durch Labau verdriingt worden ist. In den Versen Gen. 24, 29. 30 ist ohne Zweifel 29a und 30a interpolirt, wahrend in 29h und 30b ursprüuglich nicht Laban sondern Bethuel das Subject war. Vielleicht wurde zur Vorbereitung dieser Interpolationen bereits in V. 28 das „Haus des Vaters" in das „Haus der Mutter" verandert. In V. 50 ist offenbar Laban vor Bethuel eingefügt. Auch wo sonst in Gen. 24 heute Laban oder „Bruder" steht, hat ursprünglich überall Bethuel oder „ Vater" gestanden (53. 55), und wo darin Rebekka heute „Schwester" genannt wird, war sie ursprünglich als „Tochter" bezeichnet. In den Versen 59. 60 macht die gegenwartige Bezeichnung „Schwester" schon darum Schwierigkeiten, da neben Laban auch die Mutter Reliekkas als handelnd und redend gedacht wird. Man sieht: Isaak hat seine Frau aus dem Geschlecht Nahors und Jakob hat ebendaher seine beiden Frauen. Doch die darauf bezüglichen Erzahlungen stammen aus zwei allerdings verwandten, aber ursprünglich nicht unmittelbar aneinanderschliessenden Überlieferungskreisen. Erst spiiter, als man Jakob zum Sohn von Isaak und Rebekka gemacht hatte, hat man auch den Versuch unternommen, die beiden Überlieferungen auszugleichen und hat zu diesem Zweck den Schwiegervater Jakobs, Laban, zu einem Bruder der Rebekka, der Tochter Bethuels, gemacht und hat in diesem Sinn die Erzahlung in Gen. 24 komgirt. Für die These, dass Jakob ursprünglich nicht der unmittelbare Sohn von Isaak und der Zwillingsbruder von Esau gewesen ist, könnte man sich aber auch noch auf Gen. 31 berufen, d. h. auf die Erzahlung von Jakobs Flucht vor Laban. Wenn wir da lesen, dass Laban mit seinen Brüdern dem Jakob nachjagte und ihn in Gilead einholte, und wenn wir dann sehen, dass da auf eininal Jakobs Brüder (V. 32. 37. 46. 54) bei diesem sind, so scheint hier vorausgesetzt, zu werden, dass Jakob eigentlich in Gilead zu Hause ist und da seine Familie hat. Die Reise nach Charran müsste darum auch von Gilead aus ursprünglich unternommen worden sein und könnte nicht, wie heute in Gen. 28, 10 erziihlt wird, von Isaaks Wohnplatz zu Beerseba ausgegangen sein. Wenn im Zusammenhang damit in Gen. 28, 19 Jakobs Traum von der Himmelsleiter nach Bethel verlegt wird, das vorhin Lus hiess, so beruht axxch dies lediglich auf spaterer Correktur. Das Bethel oder Himmelspforte, von dem in Gen. 28, 17 die Rede ist, ist wohl ursprünglich eine andere heilige Statte als das Bethel, das früher Lus hiess, und wohin Jakob erst am Sehluss seiner Wanderung in Gen. 35 gekommen ist. Vermutlich ist es erst E gewesen, der die beiden Orte mit einander combinirt hat. Der Ort, wo Jakob den Traum von der Himmelsleiter hatte, müsste demnach in Osten zwischen Gilead und Charran gelegen sein. Nach all' dem kann' es nicht zweifelhaft sein, dass, wenn die Erzahlung der Genesis 35, 27—29 den Jakob schliesslich gerade noch zum Tod und Begrabnis des Isaak in Mamre eintreffen lasst, dies ebenfalls nicht ursprünglich sein kann, sondern lediglich die Frucht der Zusammenarbeitung dei' Jakobsgeschichte mit derjenigen von Abraham, Isaak und Esau ist. Der Vers 35, 27 ist offenbar nur ein Flickvers, der dem genannten Zwecke dienen sollte. Esau hat nach der ursprünglichen Erzahlung den Isaak allein begraben, und der ganze Bericht von Isaaks Tod und von seinem Begriibnis durch Esau (V. 28. 29) gehort ursprünglich nicht in den Zusammenhang von Gen. 35. Dieser Bericht ist nachtraglich hier eingeschoben, und zugleich mit ilim ist die Stammesgeschichte von Esau in c 36 an diese Stelle gekommen. Vom Tod und vom Hegrabnis Isaaks durch Esau sowie von der Nachkommen- schaft Esaus muss ursprünglich unmittelbar hinter c. 26 die Rede gewesen sein. Auch 27, 1. 2 weist noch deutlich daraufhin, dass hinter c. 26 zunachst der Tod von Isaak erzahlt war. Die nachtragliche Einschaltung von 27,1—35, 27 hinter c. 26 hfiugt eben wiederum dainit zusaminen, dass man Jakob zu einem Sohn von Isaak und zum Zwillingsbruder von Esau geraacht hat. Sowenig nun aher Jakob bei dem Begrabnis Isaaks zu Mamre ursprünglich beteiligt gewesen sein kann, sowenig kann die Erzahlung, dass er schliesslieh selbst in Mamre begraben worden sei, für ursprünglich gehalten werden. Wenn in Gen. 49, 29—32 von einem dahin gehenden Wunsche Jakobs und in Gen. 50, 12—13 von einer Ausführung dieses Wunsches die Rede ist, so sind auch dies nur Zusatze oder Correkturen, die sich konsequent aus der Einfügung des Jakob in den unmittelbaren Familienzusammenhang von Abraham und Isaak ei'gaben. Das ursprüngliche Grab Jakobs wird bei der Tenne Atad (Gen. 50, 7—11) oder etwa auf dem Acker bei Sichem zu suchen sein, den Jakob von den Kindern Hemors gekauft hatte, und in dem auch Joseph begraben worden ist (Gen. 33, 19; Jos. 2\, 32). Wenn nun Jakob ursprünglich kein Sohn von Isaak und Bruder von Esau gewesen ist, so erhebt sich die Frage, in welchem Verhaltnis er dann zu ihnen gestanden hat. Doch wollen wir diese Frage vorlaufig ruhen lassen und zunachst die andere zu beantworten suchen: wer ist Jakob gewesen ? Gehen wir aus von der Erzahlung von dem Traume, den Jakob nach Gen. 28 auf seiner Reise nach Charran gehabt hat. Da liegt Jakob auf der Erde, das Haupt auf einen Stein gebettet, und traumt, eine Leiter stande auf Erden und berührte mit der Spitze den Himmel und die Engel Elohims stiegen an ihr auf und nieder. Jahve erscheint ihm und verheisst ihm, dass das Land, auf dem er liege, ihm und seinem Samen gehören werde, dass er sich ausbreiten werde nach Abend, Morgen, Mitternacht und Mittag, und dass durch ihn und seinen Samen alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden sollen. Jakob nennt beim Erwachen die Statte „Pforte des Himmels''. Die aegyptische Mythologie scheint uns zu dieser Erzahlung eine sprechende Parallele anzubieten. Qeb, der Vater des Osiris, ist der Erdgott, der gewöhnlich dargestellt wird als ein liegender Mann, die eine Hand dem Himmel, die andere der Erde zugewendet. Sein Sitz ist das Gebiet von On oder Heliopolis, die im Osten gelegene Himmelszone, in welcher sich die Sonne an jedem Morgen von Neuem erhebt (577). Qeb ist darum auch der Himmelspförtner an dieser Stelle, denn er schiebt die Riegel zurück, um die Pforte des Himmels zn öfFnen und dem kommenden Licht den Weg frei zu machen (580. 609 f.). Er ist der Freund der Toten, der ihnen als Führer dient an der Pforte des Himmels, und in dessen Gegenwart der zu neuem Leben Erstandene, wie der Sonnengott selbst, auf der „Himmelsleiter" zur Höhe emporsteigt (580. 590). Man sieht: zu jedem einzelnen Punkt der Erzahlung in Gen. 28 haben wir hier die Parallele oder das Vorbild, 1, zu der liegenden Haltung Jakobs, 2, zu dem Traum von der „Himinelsleiter", 3, zu dem Namen „Himmelspforte", den Jakob dem Orte gibt '). Und wenn die östliche Himmelszone der Sitz des Qeb ist, so entspricht dem ganz unser bereits früher gewonnenes Resultat, dass Jakob den Traum nicht in Bethel, sondern im Osten, auf seiner Peise von Gilead nacli Charran gehabt hat. Von der Thatsache aus aber, dass Qeb der Herr des Erdbodens ist (576), erkliirt sich auch der Segen, der dem Jakob zu Teil wird, die Verheissung, dass das Land ihm und seinem Samen gehören soll, dass er sich ausbreiten soll nach allen Himmelsgegenden, und dass durch ihn und seinen Samen 1) Auch im Segen Bileams (Num. 24, 9) erscheint Jakob oder Israël als ein liegender Mann: „Er li at sich hingestreckt wie ein Löwe und wie eine Löwin, wer will ihn aufreizen"? Man könnte iiberdies fnigen, oh diesem Bilde nicht speciell die Darstellung des Qeb zu Grunde liegt, nach welcher er hingestreckt oberhalb der seltsamen Gestalt zweier mit einander verbundener Löwenleiber in liegender Stellung der Wachter des Gottes Aker d. h. der Unterwelt ist (580)? Doch ist es in der- aegyptischeu Mythologie Aker nicht Qeb, der durch das Löwenbild dargestellt wird (cf. Wiedemann, a. a. O. S. 103). gesegnet werden sollen alle Geschlechter auf Erden. Wil- fflgen hiezu eine zweite Parallele. In Gen. 32, 22 ff', wird erzahlt, nachdem Jakob die Jabboqfurt überschritten gehabt, habe mit ihm in der Nacht und Einsamkeit ein Mann gerungen und als dieser gesehen habe, dass er ihn nicht zu überwinden vermochte, habe er Jakobs Hüftpfanne angerührt, so dass diese verrenkt worden sei. Darauf hal)e der Mann gesagt: Lass mich los, denn die Morgenröte ist autgegangen. Jakob aber habe ihm gesagt, er lasse ihn nicht los, er segne ihn denn. Darauf habe der Mann ihn nach seinem Namen gefragt und ihm gesagt, er solle tortan nicht mehr Jakob sondern Israël heissen, denn gekitmpft habe er mit Elohim (und mit Menschen) und habe überwunden. Jakob, lieisst es dann weiter, nannte den Namen des Orts Pniel, „denn gesehen habe ich Elohim von Angesicht zu Angesicht und doch habe ich meine Seele gerettetUnd die Sonne strahlte ihm entgegen, als er an I'niel vorüber war, er hinkte aber an seiner Hüf'te. Gehen wir hier wiederum von der Gleichung Jakob = Qeb aus, so bietet auch zu diesem Mythus die aegyptische Mythologie die Erkl&rung an. Gebb, Qeb, Keb, je nach den alteren oder jüngeren Schreibungen der alten Wurzel gbb, ffthren, sagt Brugsch (224), auf die Vorstellung der Biegung und Krümmung zurück. Mochte man die Krümmungen auf die gewundene Gestalt der Fluss- und Kftstensti iche oder auf die natürlichen Unebenheiten des Erdbodens oder auf die kreisförmige Gestalt des orbis terrarum beziehen, in allen lallen ist die Vorstellung der \\ indung, Krümmung im Gegensatz zur geraden Linie beim Namen Qebs die massgebende gewesen. Aus den von derselben Wurzel hergeleiteten Bedeutungen der Schw&che (gab) und des Lahmens (gbgb) übertrug sich auf den Erdgott die Nebenvorstellung eines leidenden, schvvachen, gelah raten Mannes, wie er sich nicht selten in den Darstellungen producirt. /urückgelehnt zeigt sich die lang ausgestreckte Gestalt des Erdgottes unter dem mit Sternen besüten und vom Lichtgott Schu gestützten Körper der Himmelsgöttin Nut auf dem Boden liegend, das Antlitz wie Trost und Hoffnung suchend nach dem Himmel gerichtet, hald wie verzweifelnd niederwarts gebeugt (224). Tch meine: es liegt nahe, in diesem gel>ogenen, gekrümmten oder lahmen Gott Qeb das Urbild des verrenkten, hinkenden -Jakob zu erkennen. Die alttestamentliche Erzahlung ftlhrt die Verrenkung von Jakobs Hüfte zurück anf einen Kampf, den Jakob in deiNacht init Gott gehabt habe, und dieser Gott wird ara Schlusse der Erzahlung deutlich als Sonnen-oder Lichtgott charakterisirt. Wenn wir nun auf den Abbildungen (z. B. bei Brugsch S. 210.578) sehen, wie Qeb gekrümmt oder verrenkt ara Boden liegt zu den Fiissen des die Himmelsgöttin Nut stützenden oder emporhebenden Gottes Schu, so erweckt schon diese Abbildung den Gedanken an einen Kampf, der vorher stattgefunden hat, und zwar an einen Kampf zwischen Qeb und Schu. Schu ist namlich der Erheber des Himmels und zugleich der Stellvertreter und das Bild das Sonnengottes Iia selbst, die neue Sonne, die von der alten eingesetzt ist '). Und nach dem Mythus ist es dieser Gott Schu, der die Hiranielsgöttin Nut, die in der Nacht auf der Erde d. h. dem Gotte Qeb zu ruhen scheint, gegen Morgen mit Gewalt von ihrem Gemahle scheidet 2), so dass nun die Sonnenstrahlen durch den Luftraum fallen können. Wenn die alttestamentliche Erzahlung dies vorstellt als einen nachtlichen Kampf Jakobs mit Gott, als einen Kampf, nach dessen Beendigung die Sonne aufgeht, so tliut sie dies ganz im Sinn der aegyptischen Mythologie 3). CJnd wenn nach der alttestamentlichen Erziihlung Jakob Gott nicht loslasst, ehe er ihn geseguet hat, so bietet auch dazu der aegyptische Mythus die Erklarung an, sofern der Sonnenstrahl, so feindlich er sich zunachst gegen das intime Verhaltnis zwischen Himmel und Erde zu erweisen scheint, eben doch wieder zu einem Segen für die Erde wird. 1) Wiedemann, a. a. O. S. 18. 36. 151; Brugsch, a a. O S. 717. 718. 719. 2) Maspero, S. 160. 167. 3) Maspero, S. 128 f. 167. 140. Aber noch ein anderer specieller Zug der alttestamentlichen Erzsihlnng scheint sich aus dem aegyptischen Mythus zu erklaren. In Gen. 32, 23 ff. wird erziihlt: „Und er (Jakob) erhob sich in selbiger Nacht und nahm seine beiden Weiber und seine beiden Sclavinnen und seine elf Kinder und überschritt die Jabboqfurt. Er nahm sie niim'ich und brachte sie über das Flussthal und brachte, was ihm gehorte, hinüber. Und Jakob blieb allein zurftck. Da rang ein Mann mit ihm" etc. Dass Jakob sich hier von seiner Familie, speciell von seinen Frauen, in der Nacht trennt und allein zurückbleibt, scheint zunachst ein seltsamer Zug der Erziihlung zu sein. Der Zweck dieser Abscheidung und dieses allein Zurückbleibens ist ja aus der alttestamentlichen Erziihlung nicht recht zu erkliiren. Aber ist nicht auch gerade fflr dieses Itatsel der Schlüssel im aegyptischen Mythus zu finden? Darin handelt es sich ja gerade bei dem Zusammenstoss von Qeb mit Schu in der Nacht um die 1 rennung des Qeb von seiner Gemahlin Nut. Das ist nun in der alttestamentlichen Erziihlung popular so gewendet, als ob Jakob selbst vor dem Kampt mit Gott sich von seiner Familie getrennt liabe. Dass der Kampt Jakobs mit Gott, in Folge dessen Jakobs Hüftpfanne verrenkt wird, gerade an den Jabboq verlegt wird, hangt, abgesehen davon dass dafür eine östliche Gegend angenommen werden musste, vielleicht speciell zusammen mit der physikalischen Beschaffenheit jener Gegend, wo der Jabboq sich in vielen Krümmungen zwischen dem Gebirge durchs steile Thai bricht, wührend westlich das Gebirge abfallt nacli dem Jordanthal. Diese Natur der Gegend mag dazu beigetragen haben, dass man den Kampt, in dem des Erdgottes Hüfte verrenkt wurde, gerade an dieser Stelle fixirt hat. Im Anhang zu dieser Erziihlung vom Kampte Jakobs mit (rott mochten wir aber noch das Folgende bemerken, liei Sanchuniathon ]) finden wir die Erziihlung von einem Kampt, den Kronos oder El tiir seine Mutter Ge par- 1) Baudissiu, Sauchuaiathon, Horz.'s K. E. », XIII S. 366. 370. teinehmend mit seinem Vater [Jranos gehabt habe. Kronos habe den Uranos entmannt und darauf Liïnder und Stödte der Erde unter seine Gemahlinnen und Kinder verteilt. Kronos oder El ist = Qeb = Jakob und Uranos ist = Schu (Ra)1), und man könnte um so mehr geneigt sein, diese Erzahlung zu der alttestamentlichen vom Kampfe Jakobs mit Gott in Beziehung zu bringen, als dem Kronos bei Sanchuniathon auch der Beinanie Israël beigelegt zu sein scheint. Aber von einer Verstümmelung Gottes durch Jakob ist in der alttestamentlichen Erzahlung doch keine Rede, und wenn die aegyptische Mythologie eine solche Verstümmelung kennt, so wird davon doch eine ganz andere Vorstellung gegeben. Eine Stelle des Totenbuchs erzahlt von einer Verstümmelung des Ra, welche dieselbe ist wie diejenige, die Kronos seinem Vater Uranos beibringt. Aus den herabfallenden Blutstropfen des penis (aeg. bah) seien die Gottheiten „penes (aeg. ami-bah) Ra" hervorgegangen, ahnlich wie nach der griechischen Sage die Erinnyen und Giganten aus den erdwarts fallenden Blutstropfen des Uranos (581 cf. 423). Allein diese Verstümmelung ist nach dem Totenbuch eine Selbstverstümmelung des Ra (423). Allerdings werden im Totenbuch dem Osiris die Worte in den Mund gelegt: „ Ich habe meinen Vater Qeb und meine Mutter Nut an jenem Tag der grossen Verstümmelung eingeschlossen" (225. 581). Allein daraus ist noch nicht mit Sicherheit zu schliessen, dass gerade Qeb es war, der dem Ra oder Schu jene Verstümmelung beigebracht hat. Bei dieser Verstümmelung oder Entmannung ist wohl eher an die des Set zu denken (455. 4(53). Sanchuniathon hat vielleicht verschiedene Mythen mit einander vermengt. Aber möglich bleibt es doch immer, dass der Mythus von Qeb in einer solchen Version existirte, wie sie von Sanchuniathon vorausgesetzt wird, und die Thatsache, dass in der alttestamentlichen Erzahlung Jakob Gott nicht loslasst, bis er ihn gesegnet hat, gibt immerhin der Vermutung 1) Dafür dass Schu bei dem Kampf mit Qeb uur als Steilvertreter von Ka selbst fuugirt, vgl. man Maspero, a. a. O. S. 140. einigen Raum, dass auch die alttestamentliche Erzahlung die dem Sanchuniathon bekannte Form des Mvthus zur Grundlage hat. Die alttestamentliche Erzahlung bringt mit dem Kampf Jakobs mit Gott den Namen Israël in Zusammenhang. Den soll Gott ihm statt des Namens Jakob gegeben haben (Gen. 32, 28. 29). Den letzteren Namen dagegen soll Jakob schon bei seiner Geburt erhalten haben, weil er mit seiner Hand die Ferse Esaus festgehalten habe (Gen. 25, 26). Diese Erklarung des Namens Jakob ist olme Zweifel nur spatere populare Deutung und verliert für uns schon darum allen W ert, weil Jakob, wie wir sahen, ursprünglich nicht der Bruder von Esau gewesen sein kann. E. Meyer (Z. A. 1. W. 1886, S. 1 16) will Jakob erklitren entweder = „El ist listig oder = „El belohnt". Aber er übersieht eine dritte Möglichkeit. npy bedeutet das Höckerige, ünebene, also Gebogene, Krumme und darum könnte der Name auch auf das Gebogen = Gekrümmt = Yerrenktsein des Jakob sich beziehen, wovon in der Erzahlung vom Kampf Jakobs mit Gott die Rede ist. So wflrde der Name Jakob gerade dem Namen des Qeb entsprechen, der dieselbe Bedeutung hat. Es wird sich auch nicht leugnen lassen, dass der Name Jakobs, in diesem Sinne aufgetasst, auf den Gott des Erdbodens sehr gut passt. Dann aber ist auch nicht richtig, dass Jakob seit diesem Kampf mit Gott nicht mehr Jakob sondern Israël geheissen habe. Im Gegenteil enthalt der Mythus in erster Linie gerade die Erklarung für den Namen Jakob. Er erkliirt höchstens zugleich, wie Jakob auch Israël heissen konnte, sofern er mit Gott gekampft hat. Aber vvenn Israël wirklich ursprünglich „H streitet" bedeutet, so hat der Name wahrscheinlich einen andern Ursprung. Denn jener Kampf, von dem der alttestamentliche Mythus erzahlt, ist ja keineswegs ein eigentlicher Sieg Jakobs gewesen. Eher darf man vielleicht annehmen, dass, als die Stómme in siegreichem Kampf in Kanaan vordrangen, der Gott Jakob, dem man als Gott des Erdbodens den Besitz des eroberten Gebiets zu danken hatte, den Namen Israël bekam, und dass dieser Name dann zugleich der Name des Volkes wurde. Wir können nun aber sofort auf eine dritte Parallele weisen, aus der sich das Eecht zn der Gleiclnmg Jakob - Qeb ebenfalls zu ergeben scheint. In Gen. 50 finden wir die Erzahlung von Jakobs Tod und Begrabnis Als Jakob gestorben war, heisst es da, zog Joseph mit seinem Hause und seinen Brüdern hinauf nach Kanaan, um seinen Vater seinem V\ unsche gemass dort zu begraben. Als sie bis zur Stechdorntenne, vvelche jenseits des Jordans ist gekommen waren, hielten sie dort eine sehr grosse und schwere Klage, und es veranstaltete Joseph für seinen Vater eine Trauer von sieben Tagen. Als nun die Landesbewohner, die Kanaaniter, die Trauer bei der Stechdorntenne sahen, sprachen sie: Eine schwere Trauer ist dies iür die Aegypter. Darum nannte man ihren Namen Abel Mizraim (Trauer der Aegypter), welches jenseits des Jordans ist. Diese Erzahlung ist schon darum von grossem Interesse weil die um Jakob Trauernden ausdrücklich Aegypter genannt werden, und die Trauer selbst als ein aegyptischer Brauch gekennzeichnet wird. Aber noch bedeutsamer ist, dass gerade auch hiefür wieder der Mythus von Qeb die Erklarung an die Hand gibt. Plutarch (c. 32) erwithnt namlich eines „heiligen Klagegesangs" auf den Erdgott Qeb (Kronos), worm die Aegypter den zur Linken entstehenuen und den zur Rechten umkommenden beklagen (225) '). Gerade von dieser letzteren Ueberlieferung aus werden wir aber zu einer weiteren, vierten, Parallele geführt. Die beiden dem Jakob am nachsten stehenden Söhne, die Söline seiner Lieblingsfrau, sind Joseph und Benjamin Bei der Geburt des letzteren starb Rahel. Sie hatte ihn noch selbst 1) Plat. c 32: jP^ó( 'CTTIV tefi( M w , ro,( „f,rT( h „ „7s ^tvov. ^ iJtl i 1 T 7 th°"' Ti » 'f»t rk Sè Tfl( vótov Z f ***>-<* f" Tüv vorim 6 « » ro7( fSopttoii; vtó rü( Benoni, Sohn des Leids, der Trauer genannt. Sein Vater aber nannte ihn Benjamin, Sohn der rechten Seite (Gen. 35, 18). Der Name des andern, reichgesegneten, Lieblingssohnes, Joseph, bedeutet dagegen nach Gen. 30, 24, von rpi abgeleitet, „möge er hinzufiigen" (Juss. Hiph.), oder „der hinzufügt" (Part. Qal). Entsprechen nun diese beiden Lieblingssöhne des Jakob ihren Namen nach nicht genau jenen beiden Seiten des Qeb, der zur Rechten urakommend zu Trauer und Klage Anlass gibt, aber zur Linken wieder neu ersteht? Und weiter, wenn Joseph und Benjamin die beiden Seiten des Qeb = Jakob selbst sind, erklart sich dann nicht, dass sie dem Jakob ain n&chsten stehen, unter sich eng zusammenhangen und den übrigen Söhnen des Jakob gegenüber eine besondere Gruppe bilden? Mit jener Vorstellung von Qeb scheint aber noch eine andere Erzahlung einen Zusammenhang zu verraten, die Erzahlung namlich von der Adoption und Segnung der Söhne Josephs durch Jakob in Gen. 48. Joseph stellt seinen Erstgeborenen Manasse an Jakobs rechte, den Jüngstgeborenen Ephraim an Jakobs linke Seite. Aber der zur Linken stellende Jüngste bekommt den Hauptsegen, der zur Rechten stellende Aeltere den Nebensegen, und darum kreuzt Jakob seine Hande und segnet den zur Linken stehenden Ephraim mit der rechten, den zur Rechten stehenden Manasse mit der linken Hand. Wenn die Erzahlung bloss bezweckte, den Ephraim als den mit dem Hauptsegen Bedachten hinzustellen, so batte das mit viel einfacheren Mitteln erreicht werden können. Aber gerade dies, dass die Erzahlung sich so umstandlich mit der Stellung von Manasse und Ephraim und mit dem Verfahren von Jakob beschaftigt, und dass so nachdrrtcklich die Aufmerksamkeit darauf gelenkt wird, dass gerade der zur linken Seite von Jakob Stokende durch die Kreuzung der Hande Jakobs den eigentlichen Segen mit der rechten Hand bekommt, scheint uns darauf zu weisen, dass hier ein besonderer mythologischer Zug berücksichtigt ist, ein Zug, der gerade in der obenangeführten Mitteilung Plutarchs seine Erkliirung tindet. Eine Spur davon, dass Jakob ursprünglich dem aegyptischen Qeb entspricht, könnte man schliesslich auch noch im Segen Jakobs Gen. 49 finden, speciell in dem, was Jakob V. 2ti zu seinem Sohn Joseph sagt: „die Segnnngen deines Vaters (d. h. welche dein Vater erhalten luit) giugen hinaus über die Segnnngen der uralten Berge, die Lust der ewigen Höhen". üass hienaeh die über den Bergen und Höhen ausgegossene Segensfülle zu dem dem Jakob von seinem Vater geschenkten Segen gehort, ja scheinbar das höchste Maass desselben darstellt, dürfte sich am besten von der Voraussetzung aus verstehen lassen, dass Jakob = Qeb d. h. der Erdgott ist (cf. auch Num. 23, 10; 24, 5 ff.). Endlich mochten wir noch auf den Segen Bileams weisen, wo von Jakob (Num. 24, 17—19) gesagt wird: „Es geht ein Stern auf aus Jakob, und ein Scepter erhebt sich aus Israël und zerschlagt die Schlafen der Moabiter und den Scheitel aller Söhne Sets". Auch diese Prophezeiung findet auf Grund der Gleichung Jakob = Qeb ihre einfachste Erkliirung. Qeb der Thronfolger, der Kronprinz unter den Göttern, dem der Thron gehört (57S) und der das Scepter führt (cf. die Abbildungen 576 und 582), übergibt Krone, Thron, Volk und Reich seinem Sohn Osiris bezw. Horus, der in der Halle des Qeb d. h. auf Erden zur Freude des Vaters, der Götter und Menschen die Herrschaft über die Welt überninimt (580. 5S3). Der grosse Gegner des Osiris bezw. Horus ist aber Set mit seinem Anhang, dessen Besiegung die Voraussetzung ist für die Herrschaft des Osiris. Man vergleiche hiezu besonders noch den Osirishymnus (S. 398 f.): Die göttliche Enneas ruft freudvoll: Willkommen! Osiris, du Sohn des Horus, du mutiger Triumphator, Du Sohn der Isis, du Sprössling des Osiris. Zurückgedrangt ist die Lüge, Wonne herrscht in der Halle des Qeb Bei der Übergabe des Königlichen Amtes an ihren Herrn, Dem das Königreich verliehen wird. Gefunden ist Horus, Er triumphirt. Das Königreich wird ihm übergeben, Es erscheint für ilm das Diadem auf Befehl des Qeb, Er erfasst das Scepter des Doppellandes Und die Südkrone steht auf seinem Haupte. Beim Schalie des Rufes tritt der Sohn der Isis heran Zu dem Spender des unheilvollen Schlages, Denn er racht seinen Vater etc. etc. 2. ESA u. Wir müssen nun aber zurückkehren zu der Frage nach dem Verhaltnis von Jakob zu Esau. Wenn sie nicht Brüder von einander gewesen sind, welcher Art sind dann die Beziehungen Jakobs zu Esau gewesen, die das Alte Testament doch jedenfalls voraussetzt. Diese Frage wird sich von selbst beantworten, sobald wir festgestellt haben, wer Esau selber gewesen ist. Ist Isaak — Ra und ist Esau der Sohn des Isaak, der diesem als Zwilling, wenn auch nicht zusammen mit Jakob, geboren wurde, so ergibt sich von selbst, dass Esau 'dem Gott Schu, dem Lichtstrahl und der Stütze des Ra entspricht. Denn Schu ist der Sohn des Ra und hat allerdings nicht einen Zwillingsbruder aber eine Zwillingsschwester, namlich die Göttin Tafnut (424. 483. 522). Mit ihr dachte man sich auch Schu in das Sternbild der Zwillinge versetzt r). An der Stelle der Tafnut ware also in der alttestamentlichen Erzahlung Jakob als Zwillingsbruder einjjeschoben. Dass Esau in der That = Schu ist, dafür enthalt die alttestamentliche Erzahlung noch weitere Beweise. Dem Jakob gegenüber erscheint Esau als ein Mann von wilder, rolier Kraft und überlegener Starke. Das passt ganz zu 1) Cf. Wiedemann, a. a.O. S. 19. Schu, olis stand ein Obeliskenpaar und eine Inschrift sagt da von: „Du (Tum) gingst leuchtend auf am Obelisken im Hause des Obelisken. Dein Auswurf ward zum Gott Schu und dein Ausguss zur Göttin Tafnut. Du legtest schiitzend deine Hiinde auf sie als die Stellvertreter deines Wesens. In ihnen bist du vertreten" u. s. w. (283). Der Sinn der Inschrift ist nach Brugsch der: Das werdende Licht steigt aus der untern Hemisphiire zur oberen empor und offenbart sich als ausgegossener Lichtstrahl in der mythologischen Doppelgestalt Schu-Tafnut. In unmittelbarem Zusammenhang mit dem „Starken Jakobs , dem „Hirten", dem „Stein Israels'' wird nun in dem von Jakob dem Joseph erteilten Segen noch einer andern Gottheit Erwahnung gethan. Es heisst namlich in Gen. 49, 25 weiter: „und mit Schaddaj, der segne dich mit Segnungen des Himmels droben, mit Segnungen der Wassertiefe, die drunten lagert, mit Segnungen der Brüste und des Mutterschosses". Die andere alte Stelle, wo von Schaddaj die Rede ist, ist Num. 24 (Y. 4 ff; V. 16 ff.). Hier wird Schaddaj in erster Linie als Gott der Offenbarung aufgefasst, aber er erscheint auch hier in besonders enger Beziehung zu Jakob und ist offenbar auch als der Urheber der durch reichen Wassersegen bewirkten Herrlichkeit Jakobs gedacht. Nach beiden Stellen ist also Schaddaj allem nach speciell der Gott Jakobs, und darum haben wir auch bei Schaddaj ohne Zweifel wiederum an den Gott Schu zu denken. Wenn Schaddaj mit Fr. Delitzsch vom assyrischen èaddü „hoch" aus = der Hohe zu erklaren ist, so passt die Bezeichnung sehr gut auf den Gott Schu. Denn dieser ist der Hohe. Die aegyptischen Texte reden von der Hölie des Schu (431). Sofern Schu Licht- und Himmelsgott und speciell auch Gott des Wolkenhimmels ist, erklart sich, dass er als Offenbarungsgott und als derjenige betrachtet wird, der mit den Segnungen des Himmels segnet. Weniger begreiflich scheint, dass er auch die Segnungen der Wassertiefe und die Segnungen der Briiste und des Mutterschosses schenkt. Doch wird er eben als oberster Gott gedacht, der dem Joseph alles das schenken kann, was dieser braucht. In Joel 1, 15 und Ez. 1, 24 scheint noch die Erinnerung lebendig zu sein, dass Schaddaj = Schu der Gott der Wolkenregion ist, der sich in Sturm und Unwetter offenbart]). 5. LABAN, LKA UND RAHEL. Nach der Erzahlung der Genesis hat Jakob die Töchter Labans von Charran zu seinen Frauen gehabt. Wer ist dieser Laban, wer sind diese Töchter? Wenn man bedenkt, dass im Hebraischen albus, substantivisch album, albor' nró Mond bedeutet, so drangt sich von selbst die Ver- mutung auf, dass Laban nichts anderes ist als ein Mondgott, und dass die beiden Töchter Labans die beiden Hauptphasen des Monds d. h. den Neumond und den Vollmond bedeuten. Lea, die altere, ist der Neumond, Rahel der Yollmond. Darum wird von der ersteren gesagt, dass ihre Augen matt waren. Aber urn so grösser ist ihre Fruchtbarkeit, denn dem Neumond wurde ein besonderer Einfluss aut die Fruchtbarkeit zugeschrieben (334 f. 4(50. (575). Wenn andererseits Kabel der Vollmond ist, so erklart sich ohne "Wtiteies nicht bloss, dass von ihr gesagt wird, sie sei schön von Gestalt und von Aussehen gewesen (Gen. 29, 17), sondern auch dass ihr geringere Fruchtbarkeit zugeschrieben wird. Diese nimmt namlich nach der Vorstellung der alten Völker mit dem Vollmond ab. Zum Beleg tïir das Gesagte sei darauf gewiesen, dass die Aramiier und Palmyrener wie die Baby Ion ier die Mondgottheit miinnlich aufgefasst haben. Der Mondgott von Charran heisst Baal-Charran und wird 1) Masporo, a.». O. S. 170. 178. durch Vollmond und Sichel dargestellt'). Dieser Mondgott Baal-Charran ist, wie ich verrnuten möchte, der Laban von Charran der Genesis. In seinen Abzeichen, Vollmond und Sichel, haben die Israeliten seine Töchter gesehen, zwei den beiden Hauptphasen des Mondes entsprechende weibliche Mondgottheiten, die sie zu Frauen ihres Jakob machten. Die Verschwagerung zwischen Laban und Jakob erkliirt sich bei der Autfassung von Laban als Mondgott und von Jakob als Erdgott teils aus dem EinHuss, der dem Mond auf die Fruchtbarkeit der Erde zugeschrieben wurde, teils aus dem Bedürfnis, dem Jakob, der in seiner Identitilt mit Qeb eigentlich die aegyptische Nut zur Frau hat, mit Rücksicht auf seine Stellung als Stammvater eines semitischen Volkes Frauen semitischen Ursprungs zur Seite zu stellen. Die Auffassung Labans als Mondgottes und Jakobs als Erdgottes sowie der Gedanke, dass dementsprechend die Farbe des ersteren weiss, die des letzteren schwarz sei, und dass von dem Zusammenwirken beider die Fruchtbarkeit abhünge, scheint auch der Erzühlung Gen. 30, 32 ff. zu Grunde zu liegen. 1) Baudissiu, Baal uud Bel in Herz. Realenc. 3 A., II. S. 329. Til. MOSE UND DER GOTT VOM SINAI. Der alttestamentlichen Überlieferung zufolge hat die israelitische Religion ihren eigentlichen Ursprung am Sicai genommen. Da soll sich Jahve dem Mose geoffenhart haben. Nicht als ob Jahve bisher ein unbekannter Gott gewesen wiire. Er wurde nach Gen. 4, 26 schon in der Urzeit angerufen, und überdies deutet die alttestamentliche Erziihlung selber an, dass der Gott vom Sinai, schon ehe er Mose sich offenbarte, der Gott der dort wohnenden semitischen St.'lmme war (Ex. 8, 1. 12; 18; Num. 10, 29 ft'.), und dass die Israeliten in Aegypten selbst in ihm schon vor dem Auszug den Gott ihrer V&ter erkannten (Ex. 3, 6. 13; 5, 1. 3). Nach JE soll nun der Gott vom Sinai oder Jahve durch Mose an Pharao die Forderung haben richten lassen, dass er Israël ziehen lasse, damit es ihm zu Ehren ein Fest feiere (Ex. 4, 18. 23; 12, 31). Was das für ein Fest sein sollte, ist aus JE noch hinreichend zu erkennen. Wenn Jahve die ganze Erstgeburt der Aegypter schliigt, weil Pharao Israël nicht ziehen lassen will, um Gott zu opt'ern, wenn er dagegen Israël verschont, weil es dies zu thun bereit ist (Ex. 11, 4 ft'.; 12, 29 ff.), so dart' man dai'aus schliessen, dass es sich bei dem Fest um das Opfer der Erstgeburt gehandelt hat. Darum nehmen auch die Israeliten ihre Schafe und Kinder mit (Ex. 12, 32. 38). Aber das Fest hat noch eine andere Seite. Wenn es Ex. 12, 34. 39 heisst, dass die Israeliten ihren Brotteig mitnahmen, ehe er durchsauert war und den Teig zu Fladen unges&uerten Brotes buken, so wird man daraus schliessen diirfen, dass das Fest zugleich das der ungesiluerten Brote war. Damit stimmt überein, dass wir in J d. h. in Ex. 34, 18—20, das Gebot des Mazzotfestes und das Gebot des Erstgeburtsopfers unmittelbar nebeneinander finden. In Ex. 23, 14—19 aber haben wir nur einen Auszug ans J (Ex. 34) vor uus, in dem das Gebot des Erstgeburtsopfers abgeschwilcht ist zu dem Gebot: „Vor mir soll man nicht mit leeren Hilnder erscheinen" (cf. Ex. 34, 20). Um so wichtiger ist, dass in Deut. 10 die Darbringung der Erstlinge der Herde (10, 2 cf. 15, 19 ff. und Ex. 13, 6 ff.) ganz bestimmt unmittelbar mit dem Mazzotfest verbunden erscheint, und dass die erstere nun ausdrücklich als die Passahfeier ') bezeichnet wird. Der Abend und die Nacht des Passah sind der erste Tag von Mazzot. Nun kommen aber noch ganz andere Berichte über die Passahfeier zum Vorschein, zunachst in dem wohl nicht von J stammenden sondern zwischen Dt und P zu verlegenden Bericht Ex. 12, 21—27. Hier hören wir von einem ganz eigentümlichen Passahritus. Mose soll vor dem Auszug befohlen haben, dass jeder Israelit für seine Familie als Passahopfer ein Schaf schlachten und mit einem Büschel Ysop von dem Blut des Opfers an die Oberschwelle und die beiden Thürpfosten seiner Wohnung streichen soll, die kein Familienglied wahrend der ganzen Nacht verlassen durfte. Als Grund dieses Gebots habe Mose angegeben, dass Jahve, der in der Nacht die Aegypter schlagen werde, schonend an den Wohuungen mit dem Blutzeichen vorübergehen und dem Verderber nicht gestatten werde, dieselben zu betreten und jemand darin heimzusuchen. Zum Andenken daran soll dieses Passahopfer dauernd in Israël Jahve gebracht werden. P erziihlt (Ex. 12, 3—20) denselben Ritus mit derselben Motivirung und fügt nur die Familienmahlzeit oder Passahmahlzeit hinzu, von dei der Veifasser von Ex. 12, 21—27 noch nichts zu wissen scheint. Überdies wird hier wie in Dt das Passah mit Mazzot unmittelbar verbunden vorgestellt. Dieser in Ex. 12 beschriebene Passahritus wird wohl 1) In Ex. 34, 25 ist der Name wolil crst nachtriiglich eingefiigt (cf. Ex. 23,18). auch schon in Lev. 28 bei der da gebotenen Passahfeier am Abend des 14. des 1. Monats vorausgesetzt sein. Am folgenden 15. lag soll das Mazzotfest beginnen, das durch Lev. 23, 9 11 noch als Fest der Darbringung der Erstlingsgarbe von der Gerstenernte vorgestellt wird, wiihrend das siebentagige Feueropfer noch an die Darbringung der Erstlinge des Viehs zu erinnern scheint. Wie ist nun aber über diese verschiedenen Berichte, speciell über das Verhaltnis von Ex. 12, 21—27 und Ex.' 12, 3 20 zu der vorher erwahnten Überlieferung zu urteilen 1 Literarisch sind jene Berichte in Ex. 12 wohl die spiitesten, aber ist darum aucli ihr Inhalt, ihre Mitteilung über das Passahopfer und den Blutritus so spaten Ursprungs? Wir glauben das nicht sondern sind im Gegenteil überzeugt, dass sie uralte Tradition enthalten. Das Aufkommen eines so primitiven Eitus in spater Zeit, alter andeisaitiger Iradition entgegen, ware völlig unbegreiflich. Aber wie kommts dann, wird man fragen, dass J, .TE, Bb von jenem Blutritus nichts wissen, den Namen Passah überhaupt nicht gebrauchen, und dass erst Dt vom Passahopfer redet, darunter aber die Darbringung der Erstlinge der Herde versteht? Man könnte zur Erklarung hievon schon daraut weisen, dass jener Blutritus einen hauslichen Charakter hatte. Doch dürfte der eigentliche Grund jener Erscheinung ein anderer sein. Wenn in Ex. 12, 21—27 gesagt wird, dass das Bestreichen der Oberschwelle und Thiirpfosten der Wohnungen geschehen müsse, damit Jahve. wenn er Aegypten schlage, schonend an den mit dem Blutzeichen versehenen Wohnungen vorbeigehe und dem Verderben nicht gestatte, dieselben heimzusuchen, so ist liiei noch deutlich zu seheu, dass eigentlich zwischen Jiilive und dem umhergehenden \ erderben zu unterscheiden ist, dass das letztere nicht von Jahve sondern von einer andern göttlichen Macht ausgeht, und dass man darum auch mit dem Blutritus ursprünglich nicht sowohl Schutz vor Jahve als vielmehr vor jener andern bösen Macht bezweckte. Das schliesst nicht aus, dass man den eigentlichen Schutz vor dem Verderben auf Jahve zurückführte und ihm durch Darbringung der Erstgeburt des Viehs sich für seinen Segen dankbar erwies. "W ird sich so wolil aucb von Alters her die Darbringung der Erstlinge der Herde für Jahve an das Passah angeschlossen haben, der Passahritus mit der Blutbestreichung selbst hatte nicht auf Jahve, sonderu auf den vorüberziehenden V erderber, einen von Jahve zu unterscheidenden, ihm feindlichen Clott Bezug, und eben daraus wird es zu erkltiren sein, dass man im Interesse der monotheistischen Entwicklung der Jahvereligion in der alteren Literatur den Passahritus und selbst den Namen Passah unterdrückt hat. An dem an das Passah sich anschliessenden Opfer der Erstgeburt des Viehs für Jahve hielt man fest, und im Deuteronomium ist diese Darbringung der Erstlinge der Herde geradezu an die Stelle des Passahopfers und Passahritus geschoben und mit dem Namen Passah bezeichnet. Aber das eigentliche Passah ist das nicht. Erst spater, als man für den monotheistischen Charakter der Jahvereligion nicht mehr zu fürchten hatte, konnte sich die nie im Yolke ausgestorbene Erinnerung an die eigentliche Passahfeier und den eigentlichen Passahritus wieder hervorwagen, wobei das historische Interesse und die dankbare Pietilt gegeniiber der Vergangenheit die stark mitwirkenden Faktoren waren. Diese wieder auflebende Erinnerung an das alte eigentliche Passah findet literarisch ihren Ausdruck in Ex. 12, 21—27 und Ex. 12, 3—20, wobei übrigens dem religiösen Bewusstsein die Concession gemacht wird, dass die ganze Feier auf Jahve bezogen und die Erinnerung an eine andere göttliche Macht bis auf eine leichte Spur in Ex. 12, 23 ausgetilgt ist. Bei dem Fest des Passah und der Mazzot scheint man also drei verschiedene Bestandteile zn unterscheiden zu haben. Das eigentliche Passah war der Blutritus am Abend, der Schutz vor dem in der Nacht umgehenden Yerderber bezweckte. Daran schloss sich dann Tags darauf als Dankfeier für Jahve die Darbringung der Erstlinge der Herde und zugleich das Mazzotfest. Dass das eigentliche Passah zu der Darbringung der Erstgeburt des Viehs und zu Mazzot ursprüng- 6 lich in der That in dem angegebenen Verhiiltnis gestanden hat, sehen wir noch deutlich an der historischen Darstellung, die schon von JE vom Auszug aus Aegypten gegeben wird. Da will Israël seinen Gott durch ein Fest, das, wie wir sahen, aus dem Erstgeburtsopfer und Mazzot bestand, verehren. Aber ehe es dies thun kann, erlebt es noch die Nacht des Auszugs, in der es durch Jahve vor dem Aegypten heimsuchenden Verderben bewahi*t wird. Und eben zum Andenken an diese Nacht der Bedriingnis und Errettung soll, wie nicht bloss aus Ex. 12, 21—27 und Ex. 12, 3 —20 sondern auch aus Deut. 16, 1 tF. hervorgeht, das Passah gefeiert werden. Nach Lev. 23, 5. 6 und Ex. 12, 6 f&llt Passah und Mazzot auf den Abend bezw. in die Nacht des 14. Tass # Ö im ersten Monat Abib sowie auf den darauf folgenden Tag. Dieser festen Datirung liegt ohne Zweifel die Thatsache zu Grunde, dass die Zeit des Festes eigentlich der in die Mitte des Mondmonats fallende Vollmond war. Darum heisst es auch in Ex. 12, 42: „Eine Nacht der Bewachung (des Wachens) war das für Jahve, als er sie aus Aegypten wegführte". Wenn in Deut. 16, 1 nur von einer Nacht im Monat Abib die Rede ist, ohne n&heres Datum, so ist dabei ohne Zweifel die Zeit des die ganze Nacht hindurch leuchtenden Vollmonds als selbstverstandlich vorausgesetzt. Auf diese Zeit aber wird die Feier seit Urzeiten gefallen sein. Was wir so über die israelitische Passahfeier, über die daran sich anschliessende Darbringung der Erstlinge der Herde sowie das Mazzotfest ermittelt haben, erhalt nun eine ganz merkwürdige Beleuchtung durch die aegyptische Mythologie, die zu all jenen verschiedenen Bestandteilen des Festes die auffallendsten und eingehendsten Parallelen bietet. Bei Epiphanius (Haer. XVIII, 3) finde ich die folgende Mitteilung: „Was jenes Schaf betrifft, das in Aegypten von den Juden geschlachtet worden ist, so wird die Erinnerung daran bei den Aegyptern immer noch in Ehren gehalten, auch seitens der Götzendiener. Denn gerade zu der Zeit, da dort einst das Passah gefeiert worden ist, nilmlich zu Anfang des Frühlings, wenn die erste Tag- und Nachtgleiche ist, nehmeu alle Aegypter, ohne zu wissen was sie thun, Rötel und streichen damit ihre Schafe an, wie auch die Baume, die Feigen und so weiter, indem sie vorgeben und behaupten, dass an jenem Tage einmal der ganze Erdkreis in Brand aufgegangen sein soll. Die feurige Farbe des Bluts aber sei ein Schutzmittel gegen eine derartige grosse Plage". Diese noch zur Zeit des Epiphanius bestehende Gewohnheit der Aegypter, zur Zeit der Frühlings-Tag- und Nachtgleiche ibre Schafe und Baume mit roter, an Blut erinnernder Farbe zu bestreichen zur Abwehr einer Calamitat, ist eine unmittelbare Parallele zu dem altisraëlitischen Brauche, um zur Zeit der Frühlings-Tag- und Nachtgleiche die Oberschwelle und die Thiirpfosten der Hiiuser zur Abwehr des Verderbens mit dem Blut des Passahlamms zu bestreichen. Haben wTir damit für die Annahme, dass das Passahfest aegyptischen Ursprungs ist, bereits einen Anhaltspunkt gewonnen, so können wir noch weiter zeigen, dass das Fest von Alters her in Aegypten zu Hause ist und in der aegyptischen Mythologie seine Erklarung findet. Etwas Naheres über das Fest, in dem wir die aegyptische Parallele bezw. das aegyptische Urbild des israëlitischen Passahfestes sehen, erfahren wir durch Herodot, der uns II, 47. 48 das Dionysusfest der Aegypter beschreibt. „Das Schwein, sagt er, sehen die Aegypter für ein unreines Thier an... Aber der Selene und dem Dionysos opfern sie zur selben Zeit, an demselben Vollmond, ihre Schweine und speisen ihr Fleisch". Dass die Aegypter an anderen Festen Schweine verabscheuen, an diesem opfern, beruhe auf einer Sage, die Herodot nicht mitteilen will. Nach dem 112. Capitel des Totenbuchs ') wird dem Horus (Dionysus) das Schweinsopfer gebracht, weil Set einst in der Gestalt eines schwarzen Schweins dem Auge des Horus 1) cf. Naville, Le Chapitre 112 du Livre des Morts, Études dédiées a Mr. Leemans, Leide, Brill, 1885, p. 75 sqq. eine klaffende Wunde beigebracht batte, und weil nun nach der Bestimmung von Ra das Schwein für Horus, nachdem er genesen, ein Gegenstand des Abscbeus sein sollte. Im Allgemeinen werden wir wohl sagen dQrfen, dass die Opferung des Schweins für Selene und Dionysus an dem genannten lage geschah zum Zeichen des Triumphs dieser Lichtgötter über den die Macht der Finsternis reprüsentirenden Set. Herodot beschreibt dann die Opferung der Schweine und fahrt fort: „aber das (vom Brandopfer) übrige Fleisch essen sie an dem Vollmond, an dem sie die geheiligten Tiere opfern; sonst aber geniessen sie an keinem Tage mehr etwas davon. Die Armen unter ihnen formen aus Mangel an Mitteln Schweine aus ieig, die sie backen und opfern''. Dazu ti'igt Herodot in c. 48 noch die Bemerkung: ,Dem Dionvsos aber schlachtet Jeder am Vorabendmahl des Festes ein Ferkel vor seiner Thür und lasst es dann den Schweinehiiten, der das Merkel verkauft hat, fortnehmen. Im übrigen feiern die Aegypter das Dionysosfest, ohne die Chöre, beinahe ganz ebenso wie die Hellenen''. Nach dem ersten Kalender von Edfu fiel das Fest auf den Vollmond am 15. I ag des Monats Pachon (im sothischen Jahr 31. Marz jul. 462). Das Opfer des Ferkels vor der Thür des Hauses am Vorabendmahl hatte also am Abend des 14. Pachon stattgefünden. Diese Daten entsprechen unmittelbar dem 14. und 15. Abib oder Nisan der Juden. Und wenn man das israelitische Passahfest selbst mit dem aegyptischen Dionysusfest, wie es Herodot beschreibt, vergleicht, so springen die Fax-allelen ebenfalls sofort ins Auge. Dass Herodot den Vollmond, an welchem der Selene und dem Dionysos das Schweinsopfer gebracht wird, den Vollmond nennt, an welchem die (natürlich nicht mit den Schweinen zu verwechselnden) geheiligten Tiere geopfert werden, erinnert unmittelbar daran, dass bei den Israeliten mit dem Passahfest die Darbringnng der Erstgeburt verbunden gewesen d. h. dass dieselbe ursprünglich am Tag nach der n&chtlichen Passahfeier erfolgt zu sein scheint. Und ebenso entspricht die Sitte, dass am Vorabendmahl des Festes jeder Aegypter ein Ferkel schlachtet, der Sehlachtung des Lamms bei den Israeliten am Vorabend des Passahfestes. Bei den Aegyptern erfolgt die Sehlachtung vor der rhüre des Hauses, und ist es oftenbar das Blut dieses Ferkels gewesen, mit dem die Aegypter die von Epiplianius erwahnte, ursprünglich gewiss mit Blut ausgeführte Bestreichung vorgenommen haben. Bei den Israeliten muss das Lamm, mit dessen Blut die Oberschwelle und die I hürpfosten des Hauses bestrichen wurden, ebenfalls vor der Thüre des Hauses geschlachtet worden sein. Freilich scheint nun eine wesentliche Differenz zu bestehen. Der aegyptische Hausvater schlachtet ein Ferkel, das er mit dem Schweinehirten wegsendet, oftenbar als eine Gabe au den bösen Set, dem das Schwein zugehört, und der dadurch abgehalten werden soll, dem Hause Schaden zuzutiigen. Der israelitische Hausvater dagegen schlachtet ein Lamm als Opfer für Jahve. Doch haben wir bereits oben aus Ex. 12, 23 den Schluss gezogen, dass der Blutritus der Passahfeier ursprünglich nicht die Bedeutung gehabt haben kann, vor Jahve zu schïitzen, sondern vor einer andern, Jahve feindlichen Macht. Erst nachtraglich scheint die ganze Feier auf Jahve bezogen worden zu sein. Darum ist es keineswegs unwahrscheinlich, dass das Opfer am Vorabend des Festes auch bei den Israeliten ursprünglich nicht Jahve sondern dem bösen Geist gegolten und in einem Tiere bestanden hat, das dem letzteren zugehörte. In der That findet sich deun auch zu dem aegyptischen Brauch der Sehlachtung des Ferkels und seiner Wegsendung durch den Schweinehirten als einer Gabe an Set hei den Israeliten ein ganz analoger Brauch in den beiden Böcken des Versöhnungstages (Lev. 16), von denen der eine für Jahve als Sündopfer geschlachtet, der andere durch einen schon bereit stehenden Mann (cf. den bereit stehenden Schweinehirten bei den Aegyptern) für Azazel in die Wüste gesandt wurde. Azazel ist ohne Zweifel ein zu einem Wüstendftmon depotenzirter altheidnischer Gott. In seiner Beziehung zur Wüste entspricht Azazel ganz dem aegyptischen Set, der auch als in der \\ üste hausend gedacht wurde (343. 656. 716). Und dass Azazel wie Set die böse Macht der Finsternis ist, tritt speciell bei Heuoch (6, 7; 8, 1; 9, 6; 10, 4._8) noch darin zu Tage, dass er in der Wüste mit ehernen Banden der Finsternis gebunden vorgestellt wird. Wie das Schwein so ist auch der Bock ein dem Set zugehöriges Tier '), und vielleicht hat gerade der von den Israeliten gehegte Abscheu vor dem Schwein dazu geführt, statt desselben den Bock zum Opfer zu gebrauchen, wie ja auch die Aegypter neben dem Schwein Gazellen 2) oder Antilopen 3) dazu verwendet und in den Inschriften dem so sehr verabscheuten Schwein den gleichfalls typhonischen, aber weniger verabscheuten Hippopotamus untergeschoben haben *). Ich möchte nun vennuten, dass der Brauch, dem Azazel einen Bock in die Wüste zu senden, ursprünglich mit dem Passahfest verbunden gewesen, dann in Abgang gekommen ist, um schliesslich von P für das neue Fest des Versöhnungstages verwertet zu werden. Wenn P von zwei Boeken redet, wovon der eine für Jahve als Sündopfer dargebracht, der andere für Azazel in die Wüste gesandt wurde, so hat man es dabei keineswegs, wie schon vermutet worden, mit der Verdoppelung eines ursprünglich nur einzigen Bockes zu thun. Vielmehr entsprechen die beiden Böcke gerade dem doppelten Schweinsopfer der Aegypter, dem Ferkel, das am Vorabend geschlachtet und dann weggebracht wurde für Set, und dem Schwein, das am andern Tag für Selene und Dionysus geopfert wurde. Dass aber nach P der Bock für Azazel lebend weggebracht wird, hangt wohl damit zusammen, dass, losgelöst von dem Blutritus der Passahfeier, der für Azazel bestimmte Bock nicht mehr geschlachtet zu werden brauchte, und dass man überhaupt an einer Schlachtung, also eigentlichen Opferung des Bocks für Azazel Anstoss genommen haben wird. Die Parallele zwischen der israelitischen Passahfeier am 14. und 15. Abib 1) cf. Ed. Meyer, Geschichte des Alterthums I, S. 74. A. 2) Naville, a. a. O. p. 76. 3) Brugsch, a. a. O. S. 463. 4) Naville, a. a. O. p. 76. und der aegyptischen Feier am 14. und 15. Pachon ist also in allein Weseütlichen eine vollstündige. Was nun den mythologischen Hintergrund des Festes betritft, den Herodot zu enthüllen sich scheut, so haben wir auf die Erkl&rung im 112. Capitel des Totenbuchs bereits gewiesen. Plutarch (de Iside et Osiride c. 18) bringt jenes Schweinsopfer bei dem aegyptischen Fest ia Zusammenhang mit der Legende, dass Set-Typhon an einem bestinimten Vollmond einem Schweine nachjagend den hölzernen Sarg mit dem Leib des Osiris gefunden und zertrümmert habe (462). Dass Set auf der Schweinsjagd vorgestellt wird, hat seinen Grund darin, dass das Schwein das Lieblingstier desselben ist. Und wenn er nun auf den Sarg des Osiris stösst und ihn zertrümmert, so hiingt dies mit der Feindschaft zwischen beiden zusammen, die bereits zur Ermordung des Osiris durch Set geführt hat. Jetzt liisst Set selbst noch seine Wut am Sarg des Osiris aus und streut die Glieder des zerrissenen Körpers umher. Aber Isis sucht sie zusammen, und der verjüngte Osiris, der junge Horus, macht sich auf, um als Racher seines Yaters Set zu besiegen. So weist die von Plutarch mitgeteilte Legende auf einen grossen kritischen Moment. Osiris ist die abgeschiedene Jahressonne und reprasentirt — in spaterer Zeit wenigstens zugleich den Mond. Horus ist die junge Frühlingssonne, Set der finstere Gegner von beiden. Es handelt sich also um den Kampf zwischen Licht und Finsternis in der Mond- und Sonnensphiire, der mit dem Sieg des Lichtes end et. In Theben war das Fest des 14. bezw. 15. Pachon dem Chons geweiht. Dieser Chons, der Gott mit dem Sperberkopfe, der wie alle Mondgottheiten die Mondsichel und die Sonnenscheibe als Symbole auf dem Haupte tragt, war der Vorsteher des ersten Monats der Frühlings- und Erntejahreszeit d. h. des Pachon, der nach ihm geradezu Pa-Chons d. h. „der des Chons" genannt war und im Kalender der Kopten heute noch Paschons heisst. hons ist zunö,chst Mondgott, der zunehmende Mond im Mondmonat und der Frühlingsvollmond im Mondjahr, aber er ist zugleich die Sonne im Frühlingszeichen, die junge Frühlingssonne, die mit dem jungen Frühlingsvollmond in dem Monat Pachon gemeinschaftlich ihren Geburtstag feiert (361). Und als Vertreter des jungen zunehmenden Lichtstrahls der Sonne und des Mondes ist er der Bekampfer der damonischen Gewalten, welche in der Finsternis, in den winterlichen Stürmen und in allen Störungen elementarer Art als Gegner des Lichtstrahls und der zeugenden Mutter Natur auftreten (496). Im Kalender von Edfu I wird von dem Vollmond am 15. Tag des Monats Pachon gesagt: „ein grosses Fest im ganzen Lande" und hinzugefügt: „ein grosses vollkommenes Opfer werde vollzogen. Zerschnitten werde eine (typhonische) Antilope [folgen zerstörte Schriftzeichen] in Stücke, und zerhackt werde ein Schwein und auf einen Altar am TJfer gelegt. Gemacht werde der Altar an demselben aus Sand". Ira Kalender von Dendera wird das Fest am 15. Pachon als „das grosse allgemeine Fest des vollen Auges" und als „Sonnenconjunction" bezeichnet (468 cf. 868). Auch ein anderer bei Brugsch (367. 368) mitgeteilter Text von Dendera kennzeichnet das Fest des 15. Pachon mit aller Deutlichkeit als die Nachtgleichenfeier der Frühlingssonne zur Zeit des Frühlingsvollmonds. Mit den vorstehenden Ausführungen meinen wir jedenfalls gezeigt zu haben, dass das aegyptische Fest vom 14. und 15. Pachon und das israelitische vom 14. und 15. Nisan in allen wesentlichen Punkten einander vollstandig entsprechen, und dass das israelitische in allen seinen Eigentümlichkeiten von dem kosmisch-mythologischen Hintergrund des aegyptischen aus begreiflich wird. Unmittelbar verblinden mit dem Passahfest ist das Mazzotfest. Ursprünglich war das Mazzotfest das Fest der beginnenden Ernte. Daher die Darbringung der Erstlingsgarbe oder dessen, was jeder nach dem ihm von Jahve gespendeten Segen zu bringen vermochte. Daher das Essen der Mazzot, der Brote aus der eben gewonnenen Gerste ohne Sauerteig, den hinzuzufügen man unterliess, entweder aus Mangel an Zeit in der Ernte, oder vielmehr, weil er von Alters her zu der Gottesgabe als solcher nicht gehorte. Gerade jene Verbind ung, in der wir Passah und Mazzot bei den Israeliten finden, hat nun auch in der aegyptischen Religion ihr Analogon. Das grosse Fest der Frühlingssonne an dem Tage des Vollmonds im ersten Monat Pachon (17. Marz—15. April im sothischen Jahr) war verbunden mit einem Dankfest zu Ehren der Erntegöttin Rannut nach der eingeheimsten Wintersaat (358)'). Die Frühlingsonne, Horus, der verjüngte Osiris, strahlte im vollsten Jugendglanze, und in einem bei Brugsch mitgeteilten Texte sagt der Gott Horus von Gross-Apollinopolis zu dem regierenden Fürsten: »Ich bereichere deine Aecker durch Millionen von Feldfrüchten, um die Nahrung zu bereiten für Jeden, welchen du liebst", worauf der König antwortet: „Ist zu mir die Göttin Rannut (die Ernte) gekommen, und tritt für mich am Himmel der schone Nordwind ein, so bringe ich ihre (der Felder) millionenfache Ernte zu dir, um deine tagliche Nahrung bereiten zu lassen" (650). Auch an diesem aegyptischen Feste tand, wie schon aus dem Angeführten hervorgeht, die Darbringung der Erstlinge der Feldfrucht statt2). Dass das Fest ebenfalls zum Mond in Beziehung steht, ergibt sich daraus, dass der Mondgott Chons-Thot bezeichnet wird als der „Ausstatter der Erde mit der Feldfrucht, als der Zahler der Jahre, bei welchem sich die Rechnung der Ernte (Rannt) vollzieht, deren Erzeugnisse er jedem Orte spendet, und der das Leben dem fristet, der von ihm geliebt wird" (497 f.). Man wird nun freilich geltend machen, dass das israelitische Mazzotfest als Landbauf'est nicht von Alters her mit dem Passahfest, das ein Hirtenfest war, verbunden gewesen sein könne. Das Mazzotfest, wird man sagen, haben die Israeliten wohl erst nach ihrem Sesshaftwerden in Kanaan kennen gelernt und von den Kanaaniten übernom- ]) Nach andern Texten (ef. Brugsch S. 365) wurde das Fest der Rannut schon am Neumond des Erntemonats Pachon, also am 1. Pachon gefeiert. 2) Meyer (in Dümichen-Meyer), Geschichte Aegyptens, S. 30. men. Allein mit welchem Recht will man denn behaupten, dass die Israeliten erst nach der Inbesitznahme Kanaans den Ackerbau kennen gelernt haben ? Dieser Annahme liegt eine ganz abstrakte und in Bezug auf Israël sehr unwabrscheinliche Scheidung zwischen viehzüchtenden Nomaden und einer sesshaften Bevölkerung, die Ackerbau treibt, zu Grande. Auch wenn die Israeliten ursprünglich vorzüglich Viehzüchter waren, den Ackerbau werden sie daneben schon in Aegypten gepflegt und überall auf ihrem Weg nach Kanaan, wo es gieng, auf der Sinaihalbinsel und zumal im Ostjordanland, soweit es die Befriedigung der unmittelbaren Bedürfnisse an taglichem Brot erforderte, betrieben haben. Die Verbind ung zwischen Passah und Mazzot wird also, oder kann jedenfalls, eine uralte gewesen sein. Und eben dieses Hinzutreten des Mazzotfestes zu dem Passah macht die Übereinstimmung zwischen dem israelitischen Fest des 14. und 15. Abib oder Nisan und dem aegyptischen Fest des 14. und 15. Pachon vollstandig. Wie ist nun aber dieselbe zu erklilren? Dass beide Feste auf verschiedenem Boden völlig unabhangig von einander erwachsen waren, halte ich für eine unmögliche Annahme. Dazu ist die Parallele zu eng und zu vollstandig. Es ist auch wegen des aegyptischen Einflusses, unter dem Israël solange gestanden liat, durchaus unwahrscheinlich. Die israelitische Festsitte wird durch die aegyptische bestimmt sein. Und eine Bestatigung für diese Annahme liegt gerade darin, dass sowohl Passah als Mazzot mit dem Auszug Israels aus Aegypten in Zusammenhang gebracht und als darauf beziigliche Erinnerungsfeste vorgestellt werden. Freilich werden die Feste in dieser spateren historischen Motivirung in Gegensatz zu Aegypten gebracht. Aber das erklart sich teils aus der spateren Umkehrung der politischen Verhaltnisse teils aus dem natürlichen Streben, der israelitischen Religion ihre volle Selbstandigkeit und Eigentümlichkeit zu wahren. Sind nun Passah und Mazzot aegyptischen Ursprungs, oder haben diese Feste wenigstens unter aegyptischem Einfluss ihr bestimmtes Geprage erhalten, so muss von den Göttern aus, auf die in Aegypten die entsprechenden Feste bezogen worden sind, auch auf Jahve, dem die Israeliten ihre Feste feierten, ein Licht fallen. Entspricht Azazel dem aegyptischen Set, dem Gott der Finsternis, der Dürre und Unfruchtbarkeit, der winterlichen Stürme, wie überhaupt des Unheils, so muss Jahve dem Horus oder Chons entsprechen, sofern diese Götter das vornehmlich in der Frühlingsepoche des Jahres emporsteigende, die böse Macht der Finsternis überwindende und die Erde betrachtende Licht bedeuten. Jahve muss also ein Lichtoder Sonnengott sein. Als soldier erscheint er denn auch, wenn er z.B. dem Mose in dem an das Strahlenbüschel der Sonne erinnemden feurigen Busch sich offenbart. Freilich ist es nun die Frage, ob mit diesem solaren Charakter das ganze Wesen Jahves bestimmt ist. lm Alten Testament werden Jahve doch noch andere Eigenschaften zugeschrieben. Nach Gen. 19, 24 ist er der Gott, der über Sodom und Gomorra Feuer und Schwefel vom Himmel regnen lasst, nach Ri. 5, 4. 5 kommt er mit traufenden Wetterwolken vom Sinai, nach Ex. 16, 10; Num. 14, 10; 16, 19; 17, 7 ist Jahves Herrlichkeit in der Wolke verborgen und bricht doch erkennbar für alles Volk daraus hervor, nach Ex. 13, 21. 22 zieht Jahve in der Gestalt einer Wolken- und Feuersaule des Tags und des Nachts vor Israël her. Nehmen wir diese Eigenschaften zu dem solaren Charakter Jahves hinzu, dann ist es nur ein aegyptischer Gott, der zu ihm in Parallele gesetzt werden kann, der Gott Schu, der auch bei den Aegyptern mit dem bereits erwahnten nicht bloss lunaren sondern auch solaren Chons zusammenschmilzt (497. 499), ebenso als Schu-Anhur (488 ff.) oder Schu-Sopt (566 ff.) oder Horbahudti (1 19. 260. 570) dem Horus gleichgestellt wird, und in dem wir bereits früher den Gott Jakobs erkannt haben. Das Reich dieses Schu umfasst alles, was zwischen Himmel und Erde ist. Er ist der Auswurf des Tum-Ra (283) 1) Cf. auch Lange bei Saussaye2 I, S. 123. 2) Cf. auch Maspero, a. a. O. p. 99. 140. oder auch Amon-Ra (186), die neue Sonne, die von der alten (Ra) eingesetzt ist ')• Schu ist also der Vertreter des Ra (283), oder, wie es in einem andern Texte heisst, das Bild des Ra, das in seinem Auge (der Sonnenscheibe) sitzt2). Zugleich ist aber Schu der Himmelstr&ger, der Gott des Luftraums, des Wolkenhimmels (112. 113. 197. 429.431 f.), der mit seinen Strahlen, die Wolken durchleuchtet (719, Zeile 9), wie auch der Gott, der sich in Sturm und Unwetter offenbart3). In der Vorstellung von der Wolkenund Feuersaule scheint uns noch die Erinnerung nachzuwirken an Schu und seine Zwillingsschwester Tafnut, an jenen als den vom Tageslicht erhellten Luftraum mit den Wolken darin, an diese in ihrer Eigenschaft als das Feuer (431), speciell das Morgenrot (137) bezw. als die vom zunehmenden Mondlicht durchzitterte Nachtluft (575) 4). In der israelitischen Überlieferung scheinen die beiden Gestalten zu der einen Feuer- und Wolkensaule zusammengeschmolzen zu sein, was um so leichter begreifiich ist, als Tafnut nur das weibliche Complement zu Schu ist. Sofern aber Schu Gott der Luft, der Wolken, der Atmosphare wie auch des Windes (431. 491) ist, erklart sich durch die Gleichsetzung von Jahve mit ihm auch, dass Jahve mit dem Tau des Himmels Manna regnen lasst (Ex. lü), dass er Gideons Bitte entsprechend das Schafvlies einmal vom Tau befeuchtet werden, das andere Mal trocken bleiben lasst (Ri. 6, 36 ft), ebensowie dass er durch einen günstigen Wind den Israeliten in der Wüste Wachteln sendet (Ex. 16; Num. 11). Hat man schon bisher Jahve, indem man den Namen von mn ableitete, = Himmelsgott, Luftgott, Wettergott, RegeDgott erklart, so passt das alles gleicherweise zu unserer Gleichsetzung von Jahve mit Schu, nur dass man dabei vergessen hat, dass bei der angegebenen Herleitung des Namens derselbe zugleich auch passt auf den Gott, der 1) Wiedemann, a. a. O. S. 36. 2) Wiedemann, a. a. O. S. 151. 3) Maspero. a. a. O. p. 170. 178. 4) Cf. auch Brugscli, S. IX und Aegyptologie, S. 171. seine Strahlen durch den Aether auf die Erde fallen lasst. So scheint es, dass Jahve eigentlich und ursprünglich der Himmelsgott ist, der sich in allen Lichterscheinungen und atmospharischen Erscheinungen offenbart, und dem als solchem unter den aegyptischen Göttern am meisten der Gott Schu entspriclit. Wie kommt es nun aber, dass Jahve gerade mit dem Sinai verbunden gedacht wird? Vielleieht dass wiederum der aegyptische Gott Schn es ist, von dem aus diese Vorstellung sich einigermassen verstandlich machen lasst. Schu ist der Gott, der die Saulen des Himmels erhoben hat '), und eine dieser Saulen ist der in den aeg}>'ptischen Texten geradezu für den Osten eintretende Ostbei'g, der nach Sonnenaufgang hin den Himmel stützt und zugleich der Ort ist, wo die Sonne strahlend sich erhebt (588)'). So ist es nicht zu verwundern, wenn der Himmelstrüger Schu mit dem den Himmel stützenden Ostberg, den man dann mit dem Sinai identificirt hatte, in niihere Yerbindung gebracht und als der Gott, der die Wolken durchleuchtet, speciell in der um und über dem Sinai schwebenden Wolkenregion wohnend gedacht wird. Zu dem Gott vom Sinai steht nun in der allerengsten Beziehung die Person des Mose. Ihm oftenbart sich Gott und er ortënbail wiederum Gott dem Volke. Es legt sich also von selbst die Frage nahe, wer ist Mose gewesen 1 Ist er von Hause aus eine historische Person gewesen, oder ist er ursprünglich eine mythologische Figur gewesen, aus der erst spater eine historische Person gemacht worden ist? Wir sind der letzteren Ansicht, aber wir werden dazu nicht durch irgend eine vorgefasste Meinung geführt, sondern einfach durch die Wahrnehmung, dass die ganze Gestalt und Thatigkeit des Mose in allen wesentlichen Punkten durchaus derjenigen des aegyptischen Gottes Thot entspricht. 1) Wiedemann, a. a. O. S. 18. 2) Cf. auch Lange bei Saussaye2, I, S. 137 unten. Thot ist ein Mondgott gewesen, und zwar war er im engeren Sinn der an jedem ersten Tag des Neumonds eintretende Neumond, sowie speciell der Frühlingsneumond, der als Ausgangspunkt für die Zahlung der Monate und Tage des Mondjahres diente (452). Zugleich aber ist Thot der Gott der Sprache und der Schrift, des Maasses und der Ordnung, der Wahrheit und der Wissenschaft, der Gott der Gezetzgebung, dessen Handwerkszeug die Schreibtafel ist (446. 447). Er lehrte zuerst alles, was sich aut die Natur und das Wesen des Göttlichen bezog, stiftete den Cultus der Götter, fiihrte die Opfer ein, ordnete die staatlichen Verhaltnisse, schrieb die ersten Gesetze (448). Wenn Thot der Stellvertreter des Lichtgottes Ra oder „das Herz und die Zunge des Ra'' genannt wird (441. 452), so erscheint er andererseits im alten Reich auch als Stellvertreter des Osiris, wenn derselbe als Hegemon der Enneas in der Unterwelt auftritt (467), und zugleich wieder als dessen Gehilfe, indem er beim Totengericht dem Osiris als Gerichtsschreiber zur Seite steht (465)*). Um nun die Identitat des Mose mit Thot zu erweisen, vergleichen wir die in Betracht kommenden Hauptziige. Wir beginnen mit der Geschichte von der Berufung des Mose Ex. 3. 4. Da wird erzahlt, Gott sei dem Mose am Berg Horeb erschienen in einem brennenden Busch, und aieser habe die Berufung Gottes von sich weisen wollen mit der Entschuldigung, er habe eine schwere Sprache und eine schwere Zunge, worauf Gott ihm gesagt habe: „Ich will mit deinem Munde sein und dich lehren, was du sagen solist". Wie hier Gott den Mose vom Berge Horel) aus als seinen Stellvertreter absendet, so ist auch Thot der Stellvertreter Gottes, seis des Ra seis des Osiris, und hat für sie zu sprechen. Und wenn die aegyptische Mythologie Thot „den Herrn der heiligen Sprache", „den 1) Mit Bezug auf diese seine Thatigkeit heisst es von ihm: „Er erkennt was die Brust birgt, prüft die Eingeweide und weiss, was darin steekt" (465), wozu man vergleiche Ps. 7, 13: „Du Prüfer der Herzen und Nieren, du gerechter Gott". Auch im 125. Kapitel des Totenbuchs sprieht der Tote: „Kenner der Herzen, Erforscher der Leiber ist deiu Name" (69). Weisen in der heiligen Sprache", „den Sprecher in der oberen Hemisphare", „den starken Iiedner von süsser Zunge" (446) nennt und ihn speciell als ma&cheru d. h. als „richtig von Stimme" bezeichnet, sofern er die Zaubersprüche mit richtiger Betonung und Aussprache hersagen kann '), so iüllt von hier aus ganz besonders darauf ein helles Licht, dass Gott dem Mose, der sich zuniichst mit dem Hinweis auf seine sehwere Sprache und Zunge der göttlichen Berufung entziehen will, die Versicherung gibt, dass er mit seinem Munde sein, ihn lehren werde, was er sagen soll. Als Steilvertreter des Sonnengottes wahrend seines Laufes in der untern Hemisphare erscheint Thot auch mit dem Stab d. h. mit dem Scepter der göttlichen Majestat desselben ausgerüstet (cf. die Abbildungen des Thot -439 mit denen des Tum-Ra 184 und des Osiris 611). Dem entspricht es unmittelbar, dass in Ex. 4, 17 Gott die Unterredung mit Mose beendet mit den Worten: „Und diesen Stab nimm in deine Hand, damit du Zeichen thun solist". Aus dieser Machtübertragung erklaren sich bei Mose wie bei Thot die grossen Zeichen, die sie zu thun vermogen. Was Mose vor Pharao thut, entspricht ganz der Rolle des Thot als des grossen Magiërs und Zauberers par excellence. Speciell die aegyptische Finsternis aber erklart sich aus der Auffassung des Thot als des Monds, der die Sonnenfinsternis bewirkt. Wei ter ist nun aber dem Thot als dem Steil vertreter des Ra bezw. des Osiris die Würde des Strategos übertragen, der den Auftrag hat, die Barbaren zurückzudrangen (452), und dementsprechend tritt auch Mose auf als Anführer des Volks Israël beim Auszug aus Aegypten und beim Kampf gegen seine Feinde. Und wenn wil* nun diesen Auszug Israels aus Aegypten, den Durchzug durchs rote Meer und den Untergang des Pharao und seiner Aegypter 1) Zu dem erst von Maspcro erklarten maa-eheru vgl. Tiele, Geschiedenis van den Godsdienst in de oudheid, Amsterdam, van Kampen & Zoon, 1891—95, I, S. 40. Anm. 2. ins Auge fassen, so scheint auch hiefür wieder die mythologische Ueberlieferung von Thot die beste Erklirung anzubieten. Thot begleitet den Osiris auf seinem Zug nach Asien, und ebenso ist er der Begleiter des Horus in seinem Kampfe gegen Set-Typhon. Von Heracleopolis folgen nach dem Edfuer Horusmythus Horus und Thot dem fliehenden Feind nach Unteraegypten, kommen hier in das Sechet-t a ') genannte Hinterland eines nordöstlich von Heliopolis gelegenen Distriktes und dann nach dessen Hauptstadt T'al2), von wo aus sie den geschlagenen und durchs Meer nach einer nubischeu Küstenstadt flüchtenden Feind weiter zu Schiff verfolgen. Ehe sie nun aufs Meer sich begeben, sagt Thot seine Zaubersprïiche her, um das Meer zu beruhigen und für die Fahrt gunstig zu stimmen, und gibt dem Meer, das sie befahren wollen, den Namen: jum-en-seket „Meer des Durchlaufens" 3). Nach glücklicher Fahrt erblickt Horus die Feinde, die er, indem er sich in eine geflügelte Sonnenscheibe am Vorderteil des Ra-schiffes verwandelt, vollstandig vernichtet. In dieser mythischen Erzahlung haben wir, meine ich, die Grundlage der alttestamentlichen Erzahlung vom Durchgang der Israeliten durch das rote Meer zu erblickeu. Der mit seinen Zaubersprüchen die glückliche Fahrt durch das Meer bewirkende Thot ist das Urbild des den Durchgang der Israeliten mit der Zauberkraft seines Stabes bewirkenden Mose. Und der Name, den Thot dem Meer gegeben haben soll, jum-en-seket „Meer des Durchlaufens", hat wohl überhaupt den Anlass gegeben zu der Legende, dass die Israeliten trockenen Fusses durch das Meer gegangen seien. So haben die Israeliten diese mythische Erzahlung überhaupt und speciell jenen Namen auf sich gedeutet. Den Gegner des Horus und Thot d. h. Set-Typhon haben sie auf Pharao bezogen, und da Typhon der Meeresgott ist, haben sie die Erzahlung von ihrem glücklichen Durchgang mit 1) Diimichen, Geographie und Geschichte des alten Aegvptens, Berlin, Grote 1887, S. 260. 2) lm aussersten Osten des Deltas, vgl. Dümichen, a. a. O., S. 260, Anm. 3) Wiedemann, a. a. O., S. 9. dem Untertauchen des Typhon d. h., auf Pharao fibertragen, mit dem Ertrinken des Pharao und seiner Aegypter enden lassen. Thot ist nun aber auch der Gott der Gesetzgebung, der die Schreibtafel zur Hand hat. Ebenso tritt Mose als Gesetzgeber auf' nnd tragt zwei steinerne Tafeln in der Hand. Dass die Gesetzestafeln in der Lade Jahves bewahrt worden seien, ist spiltere Behauptung. Uie Tafeln haben überhaupt nie bestanden. Gesehen hat sie niemand. Es bestand einfach die Yorstellung oder Überlieferung, dass von Mose Gesetzestafeln herrühren. Was darauf gestanden haben soll. wird verschieden überliefert. Der Dekalog in Ex. 34 ist ein anderer als der in Ex. 20. Bezeichnend ist indessen, dass zu den meisten Ge boten des letzteren aus aegyptischen Texten merkwürdige Parallelen beizubringen sind. Sie finden sich vornehmlich im 125. Capitel des Totenbuchs in dem negativen Bekenntnis, in dem die Seele des Verstorbenen vor dem Gericht des Osiris in der Untei'welt erkliirt, dass sie keine von den verschiedenen Hauptsünden begangen habe '). Zu dem zweiten, fünften, sechsten, siebenten, achten und neunten Gebot finden wir da die parallelen Erkhlrungen des Verstorbenen, dass er nicht gefiucht, nicht gemordet, nicht Unzucht getrieben, nicht gestohlen, nicht falsches Zeugniss abgelegt habe, nicht neidisch gewesen sei, wahrend zutn vierten Gebot der Papyrus Prisse (12. Dynastie) eine Parallele enthiilt in den Worten: „der Sohn, der aufnimmt das Wort seines Vaters, der wird alt werden deswegen" *). Man wird nun allerdings sagen, der Dekalog in Ex. 20 sei jünger als der ia Ex. 34. Aber das gilt bloss im litei'arischen Sinne. Der Inhalt von Ex. 20 kann geradeso alt oder selbst filter sein als der von Ex. 34. Es kam eben bei der Feststellung des Dekalogs einfach darauf an, was man aus der alten Überlieferung dazu herausw&hlte. Seiner lunaren Bedeutung nach ist Thot, wie erwahnt, 1) Maspero, a. a. O. S. 188 ff.; Wiedemann, a. a. O. S. 132 ff. 2) Wiedemanu, a. a. O. S. 134. 6 der Neumond zu Anfang jedes Monats und speeiell der Frühlingsneumond, und wir miissen darum selien, ob auch hier von noch etwas in der Erscheinung des Mose sich verrat. Der Aunahme, dass auch Mose ursprünglich den Neumond bedeutet, kommt sofort die Thatsache entgegen, dass die Neumondsfeier neben dem Passah wohl das illteste, bis in die Urzeit zurückreichende israelitische Fest ist, das mit Jubel und frohen Opfermahlzeiten gef'eiert wurde. Die Neumondsfeier ist ohne Zweifel alter als die Sabbatsfeier. Deun dass jene am ersten, diese am 7. 14. 21. 28. und damit also am letzten Mouatstag stattfand, beweist deutlich, dass sie ursprünglich nicht zusammengehören. Es sind feindliche Brüder. Der Sabbat ist sp.'iter eingefüht worden und hat die Neumondsfeier allmahlich in den Hintergrund gedrangt. Woher nun also diese uralten, f'röhlichen und ausgelassenen Neumondsfeiern 1 Die Erklarung liegt nach unsex-er Ansicht darin, dass die Israeliten ursprünglich auch den Neumond verehrten. Aber inwiefern verrat Mose selbst noch etwas von dieser seiner ursprünglichen Bedeutuug? Vielleicht schon durch seinen Namen. Aus dem Hebraischen ist derselbe nicht zu erklaren. Da die aegyptische Königstochter dem Mose seinen Namen gibt, so wird damit angedeutet, dass der Name eigentlich aegyptischen Ursprungs ist. Die neueren Aegyptologen empfehlen denn auch die Ableitung des Namens vom aegyptischen mes, mesu, das Kind, das sowohl in Zusammensetzung mit Personennamen als auch für sich als Eigenname vorkomme (Ebers, Durch Gosen zum Sinai, S. 525 f.). Ist diese Ableitung richtig, so erkliirt sich der Name Mose vortreölich aus der Gleichsetzung von Mose mit Thot und speeiell mit Thot als Neumond. Denn als der verjiingte Mond erscheint Thot in der Gestalt eines ibisköpfigen Kindes, welches das Uzat- oder üzaauge d. h. den Mond in seiner Hand halt (452) ')• Bedeutet der Name, wie Spiegelberg (Z. d. D. morg. Ges. 53, 1899. S. G33 ff.) 1) Auch der dem Tliot wesentlich entsprechende Mondgott Chons (497) lieisst als Neumond „Chons das Kind" (363. 125 f. 492. 500. cf. auch 234 f. 359). annimmt, „geboren von", „Sohn des", so en, was er damit meinte, und wollte nun gerade durch seine Erzahlung die Möglichkeit abschneiden, dass man sicli für den Stierdienst in Israël aut die Urgeschichte des Volkes berufe. Darum ist es von Wichtigkeit, zu sehen, wo und in welchem Zusammenhang die Geschichte vom goldenen Kalbe untergebracht ist. Sie wird erzahlt gerade in dem Augenblick, da Mose mit den Gesetzestafeln vom Berge herabsteigen wollte. Also scheint sich das Fest des goldenen Kalbs eigentlich nicht sowohl auf Jahve selbst als vielmehr auf Mose bezogen zu haben. Ist dem so, dann ist es Mose, der hier gefeiert wird als Stier. Und die Erkliirung dafür liegt gerade wieder in unserer Annahme, dass Mose identisch ist mit dem aegyptischen Gott Thot und also den Neumond bedeutet. Auf den unsichtbaren Neumond scheint denn auch ganz deutlich Ex. 32, lb zu weisen, wo zur Motivirung des Festesgeltend gemacht wird, dass man nicht wisse, was aus dem Mann Mose, der das Volk aus Aegypten geführt, geworden sei. Das Fest, das die Israeliten dem Stier in der Wüste gefeiert haben, ist also ein Neumondsfest gewesen, vielleicht dasselbe wie das, welches die Aegypter am 1. Phamenot nach der eingetretenen Winterwende gefeiert haben. Es war das Fest des Frühlingsanfangs, speciell des Frühlingsneumonds (458). Dieser, seis Thot seis Chons, wurde dabei gefeiert als der Stier am Himmel (360. 303. 631. 675. 457)J). IJ So heisst Osiris-Lunus-Thot „der Stier des Ilimmels" (457) und wird von Die Befruchtung zahlreicher Kühe wurde mit dem Neumond, speciell dem Frühlingsneumond, in Verbindung gebracht. Auch der hl. Stier Apis wurde durch einen Mondstrahl erzeugt gedacht, der eine Kuh getrotfen hatte '). So erklart sich also das Fest des goldenen Kalbs oder Stiers in der Wüste itn Augenblick, da Mose vom Berge kommen soll, aus der Crleichstellung desselben mit lliot d. h. dem Neumond. Das Fest ist also ebenfalls aegyptischen Ursprungs. Wir glauben aber, dass noch andere Erziihlungen aus dem Wüstenzug Israels auf die Identitat von Mose und Thot weisen und durch diese Gleichung ihre Erklarung finden. Das scheint uns in erster Linie der Fall zu sein bei der merkwürdigen Erzahlung in Ex. 17, 8 ff.. Mose ist hier, wahrend Israël mit Amalek streitet, auf einem Hügel, wo er zun&chst steht, dann auf einem ihm untergeschobenen Steine sitzt. Wenn Mose seine Hitnde emporhebt, siegt Israël, wenn er sie dagegen sinken lasst, siegt Amalek. So ist es Mose, der den Streit zwischen Israël und Amalek entscheidet und zwar durch eine Function, die unmittelbar derjenigen des Züngleins an der Wage gleicht. In dieser Bolle und Haltuag ist nun aber Mose gerade das Ebenbild des aegyptischen Thot. Denn dieser heisst und ist nicht bloss Jder Schiedsrichter oder Schlichter des Streits der beiden Partner" d. h. des Streits zwischen Licht und Finsternis, der dem Licht den Sieg verleiht (453. f. 705), sondern erscheint auch unter dem Namen Techni als derjenige, der durch sein Zeugnis als „ Ausschlagegewicht (tchni) fungirt (440). Darum war der gewölinlich sitzend dargestellte Hundekopfaffe eine sehr beliebte Bezeichnung des Grottes Thot. Denn als Hieroglyphe drückte dieses Tier die Vorstellung der Gleichheit und des Ausgleichens aus, weshalb der sitzende Affe sich in der Mitte des Balkens dem Mondgott Chons in Thehen gesagt: „Wenn er sich verjüngt (d. h. als Neumond) ein feuriger Stier. Wird es für ilin Nacht und bringt der zunehmende Mond das Licht, so lasst er steigen die Stiere, befruchtct die Weiber, lasst wachsen das Ei im Leibe" (300 f. cf. 3155). 1) Wiedomanu, a. a. ü. S. 99. der altaegyptischen Wage (besonders in der Unterwelt) befand. Wegen seiner Beziehung zum Mond, speciell zum Neumond, triigt dieses Tier haufig die Mond- oder Neumondscheibe auf dem Kopte '). Bemerkt sei noch, dass Mose in dieser Schiedsrichterstellung auch in audern Stellen, wie Ex. 2, 11—14 und Ex. 18, 16, erscheint. Die Erzahlung, der die letztere Stelle entnommen ist, muss aber überhaupt noch etwas niiher ins Auge gel'asst werden. Mose setzt sich, so wird Ex. 18, 13 tf'. erziihlt, um dem Yolke Recht zu sprechen, und vom frühen Morgen bis zum spater Abend kommen die Leute zu Mose, um Orakel zu holen. Denn, so erklart er seinem Schwiegervater Jethro, wenn sie eine Rechtssache haben, kommen sie zu mir, damit ich entscheide, wer von beiden Recht hat, und verkiindige ich die Rechtssprftche und Entscheide Gottes. Jethro gibt nun Mose den Rat, sich nicht den ganzen Tag von den Leuten überlaufen zu lassen, sondern zu seiner Entlastung dem Volk eine Anzahl Yorgesetzter zu geben, die von Mose über die Rechtssprechung belehrt dem Volke jeder Zeit Recht sprechen können. Auch hier scheint Mose wiederum ganz dem Thot zu entsprechen. Wie Thot der Richter aut Erden ist (447), so ist hier Mose der Richter seines Volkes, und wie Thot das göttliche Vorbild für den menschlichen Richter ist und den Ehrentitel der „Oberrichter" führt (478), so erscheint Mose den von ihm eingesetzten untergeordneten Richtern gegentiber genau in dieser Rolle. Ich füge hiezu die Erzühlung voni Wasser aus dem Felsen (Ex. 17, 1—7; Num. 20). Dass die Israeliten von Mose bezw. Gott Wasser in der Wüste verlangen, erinnert zunachst an eine von Brugsch (58 f.) erwahnte Erzahlung, 1) Naoh Horapollon (I, 14) wollten die Aegypter aus dem Verhalten der miinnlichen und weiblichen Hundekopfaffen in den ïempeln die Conjunction von Sonne und Mond (beim Neumond) erkennen. Ein stehender und die Hande zum Himmel emporhebender Kynokephalos, mit einem königliclien Abzeiehen auf dem Kopf galt nach Horapollon (I, 15) bei den Aegyptern für den schriftlichen Ausdruck des Mondaufgaugs. Die Stellung des Tiers drücke namlich, wie er hinzufiigt, seine Freude und seinen Dank gegen die Mondgottheit aus, da beide wiederum des Lichtes teilliaftig seieu (154). wonach den König Ramses II seine Hofbeamten ersuchen, den Nilgott d. h. Osiris als Hapi (Nil) aufzufordern, Wasser in der Wüste hervorsprudeln zn lassen. Doch dies nur als Sitnationsparallele. Wichtiger ist eine andere Erwagung. Wie das Volk Israël mit Mose hadert, weil es kein Wasser hat, und wie es darum von ihm verlangt, dass er Wasser schafte, so hadern aucli die Aegypter, wenn die mit iingstlicher Spannung erwartete Nilschwelle nicht zur rechten Zeit eintritt. Und wie bei Mose nach Gottes Aoweisung das Wasser ans dem Felsen hervorsprudeln muss, so rauss es auch bei den Aegyptern aus dem Felsen kommen d. h. aas dem Felsenthor zwischen Assuan — Syene und Elephantine. Mose muss nun nach Gottes Gebot das Wasser bezw. den Fels „schlagen". Abergerade dieser Ausdruck „schlagen" ist wieder ganz charakteristisch aegyptisch. Der Nil „schlagt" bedeutet für den Aegypter der Nil „steigt", und das „schlagen" ist auch beim Nil in erster Linie ein „schlagen" gegen den Fels bei Assuan (376). Um beide Seiten der Gleichung zu einander in Beziehung zu setzen, dazu liegt eine Autforderung in der Erzahlung von Exodus selbst. Denn da sagt Gott zu Mose, dass er den Stab zur Hand nehmen soll, mit dem er auch den Nil geschlagen habe (v. 5). Aber wie soll es nun zu erklaren sein, dass Mose in solch einem Zusammenhang eine Rolle spielt? Die Antwort auf diese Frage liegt wiederum iu der Identitat von Mose mit Tliot. Thot war der Schutzpatron des ersten Monats der Ueberschwemmungszeit (464). Am 1. Thot (19/20 Juli) fand nach alter Vorstellung der Eintritt der Nilschwelle statt (376). Und eben daraus, dass Thot mit dem Eintreten der Nilschwelle seinen Geburtstag feiert, erklart sich auch die Erziihlung, dass das Kind Mose (== Thot) im Nil gefunden wird, wiihrend die im Nil badende aegyptische Königstochter die Isis ist als die vom Nil überschwemmte und befruchtete aegyptische Erde (649). Wir mochten nun aber auch noch auf die Familie des Mose einen Bliek werfen. Der Bruder des Mose, Aaron, wird, worauf schon sein Name weist, von Hause aus nichts anderes sein als der personificirte Reprüsentant des Laden-Cultus und hat wohl ursprünglich mit Mose überhaupt nichts zu tliun, sowenig als die Lade ursprünglich mit dem Gott voin Sinai etwas zu thun haben wird. Erst als der Cultus der Lade mit dem des Jahve vom Sinai verschmolzen wurde, wird auch Aaron seinen Platz neben Mose erhalten haben. Als Schwiegervater des Mose wird das midianitische Stammeshaupt Jethro genannt (Ex. 3, 1; 4, 18; IS, 1 ff.), dessen Tochter Zippora die Frau des Mose gewesen sein soll. Der aegyptische Thot nun hat die Mat, die Tochter des Gottes Ra, zum Weibe (-478. 4S0), und es fehlt denn auch nicht an einer Spur davon, dass hinter Jethro und Zippora eigentlich Ra und Mat sich verbergen. Wenn namlich Jethro dem Mose den liat gibt, als Oberrichter aufzutreten und untergeordnete Richter für die gewöhnlichen Rechtsbedüifnisse des Volks einzusetzen, so entspricht dem, dass Thot geradeso im Auftrag des Ra als Oberrichter auftritt, und dass die Mat, die Herrin der Wahrheit, die aegyptische Themis, „das Halsgeschmeide des Oberrichters" genannt wird. Die Yermenschlichung Moses machte auch die Vermenschlichung seines Schwiegervaters und seiner Frau notwendig, und es ist nur natürlich, dass man dazu die Vertreter eines Stammes wahlte, der sich in uralter Zeit mit Israël verhuilden und ihm vielleicht auch, zu einem Teil wenigstens, seinen religiösen Glauben vermittelt hatte. In Num. 12, 1 ff. ist nun auf einmal von einer kuschitischen Frau des Mose die Rede, oline dass irgendwie angedeutet würde, in welchem Verhaltnis sie zu der Midianiterin Zippora steht, oh sie mit ihr identisch oder aber eine zweite Frau ist, die Mose genominen hatte. Hier scheint man vor einem völligen Riitsel zu stelien. Wie ist dasselbe zu erkliiren1? An eine eigentliche Kuschitin wird man von vornherein nicht denken dürfen, da es durchaus unbegreiflich und unerklarlich ware, wie Mose an eine solche gekommen sein sollte. Gehen wir dagegen davon aus, dass Mose = Thot ist, und dass die Frau des Mose derjemgen des Tliot d. h. der Mat, der Toehter des Ra, entspricht, so ist die Sache alsbald deutlich. Die Mat, die Herrin der Wahrheit, führt namlich den Beinamen „Königin" oder „Herrin von Kusai", da sie in Knsai (Qosi, dem heutigen al-Qusijeh) eine eigene Kultusstiitte liatte (481 ff.)- Ist diese Erkliirung richtig, so weisen die kuschitische Frau des Mose und die Zippora, die ïochter Jethros, gleichmassig zurück auf' die Göttin Mat, die Frau des Thot und Toehter des Ra. Die Erwahnung der kuscliitischen Frau des Mose in Num. 12, 1 ff. führt uns von selbst auf Moses Schwester Mirjam. Das aegyptische Urbild der letzteren meinen wir in der Göttin Nephthys erkennen zu sollen, die zumal in ihrer Gleichstellung mit der Göttin Safehit-Abu zu Thot in demselben sehwesterlichen Verhaltnis steht wie Mirjam zu Mose (447. 474. 457. 733). In Theben erscheint sie sogar als Gemahlin des Thot'), wiihrend sonst Typhon als ihr Gemahl genannt wird. Nach Plutarch (c. 38) nannten die Aegypter den aussersten, begrenzenden, das Meer berührenden Teil der Erde Nephthys. Diese Göttin heisse darum auch Aphrodite, und Typhon d. h. Set in seiner Affassung als unfruchtbares Meer wohne ihr bei. Da Nephthys also das vom salzigen Meerwasser bespülte Land bedeutet, erklfirt sieh von hier aus der Name Mirjam, den Moses Schwester triigt, und der Bitterwasser bedeutet. Obwohl Nephthys gewöhnlich Typhon zum Gemahl hat, ist es nun doch ihre Aufgabe, vor diesem zu schützen und seine Angriffe abzuwehren (733. 737). Dem entspricht es, dass Mirjam beim Untergang des Pharao = Typhon im roten Meer triumphirt. Und wenn Mirjam bei dieser Gelegenheit die Pauke zur Hand nimmt, so könnte man hierin eine Parallele dazu finden, dass Nephthys als Herrin von Hatsochem zur Stadt des Sistrums, des Klapperblechs, in Beziehung gebracht wird, mit dessen Hilfe die typhonischen Störungen ferngehalten werden (732 f.). Nach Brugsch (Aegyptologie S. 282) war das Schlagen des Sistrums zu 1) Cf. Wiodoinanu, a. a. O. S. 119. dem genannten Zwecke die Sache heiliger Frauen und vornehmer Damen. Dass Mirjam als eine Prophetin vorgestellt wird, die den Frauen das Siegeslied vorsingt (Ex. 15, 20. 21), lasst sich von der Nephthys aus wohl insofern erkliiren, als diese in ihrer Gleichstellung mit der Göttin Safchit-Abu (733. 739. 473 ff.) die hermopolitanische Muse ist, vielleicht dieselbe, die nach Plutarch (c. 3) „die göttlichen Dinge denen offenbart, die in Wahrheit Hierophoren und Hierostolen genannt werden" (475). Von Mirjam wird noch erzahlt, dass sie wegen ihres Murrens über die kuschitische Frau, die Mose geheiratet, von Gott mit Aussatz bestraft worden sei und sieben Tage ausserhalb des Lagers liabe zubringen mussen (Num. 12, 1 ff.). Da die kuschitische Frau des Mose der Mat entspricht, die als „Herrin der Wahrheit" prophetischen Charakter hat und als Gemahlin des Mose diesem am nachsten steht, so ist die Eifersucht der Mirjam auf jene wohl begreiflich, sofern Mirjam in ihrer Tdentitat mit der Nephthys bezw. der Göttin Safchit-Abu die hermopolitanische Muse, die „Herrin der Schrift" oder „der Bücher" ist, also ebenfalls auf prophetischen Charakter Anspruch macht, aber zu Mose nur in schwesterlichem Verhaltnis steht. Nephthys scheint nun aber auch die Göttin zu sein, die den Mondwechsel regelt und anzeigt (733 f.). Damit hangt wohl schon zusammen, dass Mirjam gleich bei der Aussetzung des jungen Mose im Nil als diejenige erscheint, die über dem Kind zu wachen hat (Ex. 2, 4. 7. 8) '). Aber auch die Erzahluug von dem siebentagigen Aussatz der Mirjam und ihrem Ausschluss aus dem Lager ist vielleicht aus jeuer Eigenschaft oder Aufgabe der Nephthys abzuleiten. Man könnte versucht sein, dabei an die letzte Zeit des Abnehmens und Verschwindens der Mondsichel vor dem Eintreten des sichtbaren Neumonds zu denken. 1) Nephthys erscheint auch als eine der im Totenbuch und auf Inschriften erwahnten 4 Wiegenfrauen und als Warterin und Amme des Horus (737. cf. 371). IV. DIE LADE JAHVES. DER STAB AARONS. DIE EHERNE SCHLANGE. DIE EROBERUNG JERICHOS. RACHAB. Der israelitische Jahve hat nach der alttestamentlichen Überlieferung auch eine Lade gehabt, wie sie manche der aegyptischen Götter gleichfalls haben, wie sie aber auch bei andern, zumal altsemitischen, Vólkern vorkommt. Als feststehend darf man annehmen, dass die Lade ursprünglich nicht Bundeslade und Behalter der Gesetzestafeln gewesen ist. Die Lade muss vielmehr irgendwie das numen praesens in sich geschlossen haben (cf. besonders 1 Sam. 4—6 und 2 Sam. 6). Wenn nun aber die Lade den Gott selbst in sich geborgen hat, so reimt sich das freilich nicht zusammen mit der Vorstellung vom Sinai als dem Wolmplatz Jahves. Der Cultus der Lade scheint demnach erst nachtraglich mit dem Cultus des Jahve vom Sinai zusammengeschmolzen zu sein. Der Gott der Lade muss also ursprünglich entweder nicht Jahve selbst gewesen sein sondern der besondere Gott irgend eines israelitischen Stammes, oder muss die Lade, wenn sie auf Jahve sich bezog, das Heiligtum eines Stammes gewesen sein, für den Jahve nicht speciell der Gott vom Sinai war. Da nun die Lade spater zu Silo stand, der Hauptcultstatte des Josephstammes, so hat man — und wohl nicht mit Unrecht — angenommen, dass die Lade ursprünglich das Heiligtum der Josephiden gewesen sei. Was ist nun die ursprüngliche Bedeutung der Lade gewesen1? Wenn sie anfiinglich das Heiligtum der Josephiden war, dann muss sie ihre Erklarung finden im Zusammenhang mit dem, was wir über Joseph festgestellt haben. Joseph nun war, wie wir sahen, Osiris und der tote Joseph wurde nach Gen. 50 in eine Lade gelegt, die beim Auszug der Söhne Israels aus Aegypten von diesen mitgeführt warde. Die Lade muss also eine Osirislade gewesen sein und ii'gend eine Incorporationsform des toten Osiris enthalten haben. Der tote Osiris tritt vornehmlich gerne in der Mischform Ptah-Sokar-Osiris auf. Von diesem von Toten und Lebeudigen verehrten Gott gehen die furchtbaren, die Menschen wegrafFenden Plagen aus '). Gerade diesen Charakter bat aber auch der Gott der Lade in 1 Sara. -4 6. Er soll es gewesen sein, der schon die Aegypter mit allerlei Plagen und mit der Pest geschlagen hat. Er ist es wiederum, der den Tsraeliten selbst, die seine Lade ins Kriegslager geholt batten, die Niederlage, deni Hause Eli den Untergang verursacht, und die Einwohner von Asdod, Gath, Ekron, Bethsemes mit furchtbaren Plagen heimsucht. Ebenso ist es der Ladengott, der nacb Num. 16. 17 die nacli seinem Priestertum strebende Rotte Korah von der Erde verschlungen werden und lebendig in die Unterwelt fahren l&sst, 14,700 von den murrenden Israeliten durch eine Plage wegrafft und dann zum Zeichen, dass er Aaron zu seinem Priester erwüblt hat, den Stab desselben über Nacht zum Sprossen, Blühen und Fruchttragen bringt. Dieser Stab sollte nun vor der Lade bewahrt bleiben zur Warming für die Widerspenstigen, dass ihr Murren auf'höre und sie nicht sterben. Wir können die Motivirung dieser Erzahlung durch das Murren über Mose und Aaron rullig als spiitere Einkleidung zur Seite lassen. Die Hauptsache für uns ist, dass der Ladengott hier als (Jrheber grosser Plagen erscheint, und dass zur Lade der blühende Stab oder Baum gehort, zum Zeichen, dass der Ladengott Herr ist über Leben und Tod. Gerade dieser blühende Stab oder Baum bei der Lade scheint uns nun aber wieder deutlich dafür zu sprechen, dass die Lade eigentlich eine Osirislade gewesen ist. „Für das Osirisgrab diente als Schmuck und Symbol für die Hoffnung auf ein erneuertes Dasein ein heiliger Baum oder sonst eine heilige Ptianze, deren Namen die grosse Nomos- 1) Maspero, a. a. O. S. 117. liste von Edfu getreu der Reihe Dacli überliefert hat". „Für jeden Kultusmittelpunkt gab es eine vorgeschriebene Art, wobei natürlich die eine oder die andere an ^erschiedenen Osirisgrabstatten oder Serapeen sich wiederholen konnte"'). In einem der Osiris gewidmeten Gemücher auf dem Dacli des grossen Isistempels von Philae erhebt sich, wie Brugsch (621) erzahlt, über dem Sarge des Gottes ein bliibender Baum, welchen zwei milnnliche Gestalten aus ihren Wasserkrügeu begiessen. Eine andere Darstellung in demselben Gemach zeigt den toten Leib des Osiris, aus dem Getreidehalme hervorsprossen, die eine priesterliche Person mit einem Wasserkruge in der Hand befeuchtet. Die dazu gehorige Inschrift sagt: „das ist die Gestalt dessen, den man nicht kennen soll, Osiris der Mysterien, welcher entsteht aus dem wiederkehrenden Wasser". Vom Wassergiessen ist allerdings in der alttestamentlichen Erzahlung von Aarons Stab nicht die Rede. Aber das ist aucli ein relativ untergeordneter Zug. Doch wollen wir nicht versaumen, darauf hinzuweisen, das das Wassergiessen, wenn es auch nicht in der genannten alttestamentlichen Erzahlung vorkommt, dennoch ein alter religiöser Brauch in Israël gewesen ist. In 1 Sam. 7, 6 wird von den Israeliten erzahlt: Und sie kamen gen Mizpa und schöpften Wasser und gossens aus vor dem Herrn und fasteten denselben Tag und sprachen daselbst: „Wir liaben dem Herrn gesündigt". Geradeso wird auch von Osiris gesagt, dass die Menschen ihm als ihrem Schöpfer Wasser sprengen (656). Zu Gunsten unserer Auffassung móchten wir aber auch auf die Erzahlung 1 Sam. 6, 7 weisen, wonach den Philistem geboten wurde, für die Lade, die sie fortschaffen wollten, einen neuen Wagen zu machen und davor zwei junge siiugende Kühe zu spannen, auf die nie ein Joch gekommen war, wahrend ihre Kalber daheim bleiben sollen. Auch auf diese Erzahlung fallt ein Licht von der Thatsache aus, dass die Kühe der Isis, der Gemahlin des Osiris, heilig sind (Herodot II, 41), und dass die Isis selbst 1) Brugsch, Aegyptologie, S. 309. 310. gerne als Ivuh dargestellt wird und in der Apisstadt in Kuhgestalt den Osirisleib beschützt, wahrend sie zugleich als Isis-Hathor ihr Kind, das junge Apiskall), mit ihrer Milch ernahrt (656) '). Die israelitische Lade ware also hienach ursprünglich eine Lade des aegyptischen Osiris gewesen, und dafür kann man sich auch noch auf die Angabe in 1 Sam. 2, 27 stützen, wo gesagt wird, dass das Haas Eli noch in Aegypten selbst zum Priestertum der Lade berufen worden sei. Was hat nun aber die Lade ursprünglich enthalten? Leer wird sie nicht gewesen sein. Aber sollte sie als Osirislade ein Osirisbild oder einen Osirisleichnam oder eine Osirisreliquie enthalten haben? Das braucht man nicht anzunehmen, wolil aber dass sie irgend eine Incorporationsform des Gottes, dein sie diente, enthalten hat. Da man spater die steinernen Tafeln des Gesetzes darin sich dachte, so hat man vermutet, dass ursprünglich wirklich ein heiliger Stein darin gewesen sei. Dass das hl. Symbol des Ladengottes ein Stein gewesen ist, darauf scheint auch die Erzühlung in 1 Sam. 6, 14. 15 zu weisen, wo die Lade auf den grossen, offenbar heiligen, Stein gestellt wird, aut dem zuvor geopfert worden ist. Und diese Annahme ist um so wahrscheinlicher, als wir dem Steincultus schon in der Geschichte Jakobs begegnet sind, wo Gott dem Jakob nicht bloss durch einen Stein seine Offenbarung vermittelt sondern auch dem von Jakob gesalbten Stein innewohnend vorgestellt und in Gen. 49, 24 geradezu der Stein Israels genannt wird. Als diesen Gott Jakobs haben wir den Gott Schu erkannt, der aber als Sonnengott mit Ra oder Tum selbst identisch gedacht ist. Wenn nun die Lade, die ursprünglich das Heiligtum der Josephiden war, einen Stein enthielt, so ist es wohl nicht oline Bedeutung, dass in der alttestamentlichen Überliefe- 1) Als Schutzgottheiten am Sarg des Osiris tritt allen thalben das Schwesternpaar Isis und Nephthys auf. Uud zwar werdeu dieselben dabei ia der Regel gefliigelt vorgestellt (734. 651). Doch wage ich nicht zu behaupteu, dass eine Erinnerung hieran noch den beiden Keruben zu Grunde liege, unter deren Fliigel Salomo nach 1 reg. 8, 6. 7 die Lade steilte. rung Joseph als Schwiegersohn des Oberpriesters von On oder Heliopolis vorgestellt (Gen. 41, 45) und also in Bezieliung gebracht wird zu dieser aegyptischen Stadt, in deidie Verehrung des Sonnengottes Ra oder Tum ihren vornehmsten Sitz hatte, und wo Ka bezw. Tum einem Stein inkorporirt gedacht wurde, der anfangs eine kleine Pyramide oder ein kleiner Obelisk, spater eine stylisirte Saule war J). Ausser dem kleinen Obelisken von Stein belanden sich im Sonnentempel zu Heliopolis zwei Barken mit einer Cajüte in der Mitte, worin der Gott Platz nahm. Die Mathbarke diente für die Sonnenfahrt des Gottes, bpeciell des Ra, wahrend der Morgenstunden, die Sektibarke für die Fahrt des Gottes, speciell des Tum, am Nachmittag *). Diese Processionsbarken des Sonnengottes von Heliopolis wie der Stein in Obeliskenform, dem er inkorporirt gedacht wird, erinnern stark an die Lade Jahves mit ihrem vermutlichen Inhalt, so dass man wird fragen müssen, ob die israelitische Lade mit dem Stein darin nicht eine Einrichtung nacli aegyptischem Vorbild gewesen ist. Dagegen wird man nun allerdings sofort einwenden, dass der Steincultus oline Zweifel bis in die Urzeit Israels hinaufreiche und eher semitischen als aegyptischen Ursprungs sei. Und im Zusammenhang damit wird man weiter geltend machen, dass der Obelisk in Heliopolis nicht die einzige Incorporationsform des Sonnengottes war, dass man vielmehr daneben eine zweite hatte in dem Vogel Phönix, und dass gerade die letztere wolil die acht agyptische war, wahrend die erstere auf einen uralten vorgeschichtlichen Zusammenhang zwischen Heliopolis und Asien weise -1). Aber mit all dem ist die Frage, die wir oben gestellt haben, nicht aus der Welt geschalft, im Gegenteil wird dadurch die Möglichkeit einer Anknüpfung des israelitischen Ladencultus an den Cultus von Heliopolis erst recht erwiesen. Machen wir uns die Sache doch deutlich! Der Steincultus mag in Israël uralt sein. Aber von einer Lade und einem bestimmten 1) Wiedemann, a. a. O. S. 84. 14. 2) Wiedemann, a. a. 0. S. 13. 3) Wiedemann, a. a. O S. 14. heiligen Stein darin hört man in der altesten Zeit nichts. Auch scheint die Lade, wie wir sahen, zuniichst nicht ein allgemein israelitisches Heiligtum gewesen zu sein sondern nnr das Heiligtum desjenigen Stammes, dessen Haupt in der Überlieferung selbst in Beziehung zu Heliopolis gebracht wird. Daraus aber ergibt sich mit Wahrscheinlichkeit, dass auch der diesem Stamme eigentümliche Gebrauch der Lade mit dem Cultus in Heliopolis in Zusammenhang gestanden hat. Haben wir mit dieser Annahme Recht, so muss der Gott der Lade dern Osiris-Tum entsprochen haben. Diese Yerschmelzung von Osiris und Tum ist leicht zu erklaren. Osiris ist ja eine besondere (astronomische) Form des Sonnengottes Tum, und zwar ist er identisch mit dem Sonnengott Tum in seinem Tageslauf von der letzten Tagesstunde bis zur Mitternacht und in seinem Jahreslaufe von der Herbstgleiche bis zur Wiuterwende, wiihrend dann daraus der verjiingte Tum, Horus, der Sohn des Osiris, entsteht (265 ff.). Dass der Gott der Lade in der That dem Osiris-Tum entspricht, dafür können wir uns nun aber sofort noch auf eine andere alttestamentliehe Überlieferung berufen, nümlich auf die Gesehichte von der ehernen Schlange, welch' letztere erst durch Hiskia aus dem Tempel entfernt worden ist (2. reg. 18, 1). Der Ursprung der ehernen Schlange wird auf Mose zurückgeführt. Num. 21 wird erzahlt, dass die wider Gott murrenden Israeliten in der Wüste von feurigen Schlangen gebissen worden seien, und dass, als das Volk Busse that, Mose auf Gottes Geheiss eine eherne Schlange habe machen und aufrichten müssen zum Zeichen, damit, wer gebissen worden, sie ansehen solle, um zu leben. Nacli der aegyptischen Mythologie nun werden die Gegner des Osiris von feuerspeienden Schlangen heimgesucht. Vornehndich die Göttinnen Bast und Sochit sind es, die in Schlangengestalt Flammenglut auf die Gegner des Osiris speien und dieselben zu vernichten suchen (333). Osiris kann aber auch wieder retten aus der Gefahr. Heisst es doch in einem ilni verherrlichenden Hymnus (632) : 7 „Mensehen und Götter richten ihr Antlitz auf dich, Ivein Böses schadigt sie hei deiner Erscheinung". Wie eikhirt sicli dann aber die Anfrichtnng der ehernen Schlange 1 Zur Beantwortung (Heser Frage sei darauf gewiesen, dass Osiris oft zusammengestellt oder völlig identifieirt wird mit dem heroopolitischen Tum, dessen haufigst wiederkehrender Nebenname Aneh oder Anchi das Leben oder der Lebendige bedeutet, nud dessen Darstellung mit dem Kopf einer Schlange den Cultus dieses Reptils in Heroopolis voraussetzt. In der That sagt die grosse Nomoshste von Edfu von dem Gott des heroopolitischen Nomos: „Eine herrliehe Schlange ist dort als der grosse lebendige Gott in der Stadt Thukot, der verehrt wird an der Statte „Schlangensitz" (se-qereh). Die Schlange Qereh komrat naeh Brugsch auch sonst vor und wird ausdrücklich mit Osiris in Verbindung gebracht. „Osiris, sagt der erste Kalender von Edfu, nimrat die Gestalt dieses Gottes am ersten Tag seinei Geburt an ' d. h. als die ain Neujahrstag aufsteigende Sonne (287—289). So meinen wir die eherne Schlange erklart zu haben durch den Rückgang auf Tum bezw. Osiris-Tum, den Schlangengott von Heroopolis. Diese Hauptstadt des ira Land von Thukoth, hebraisch Sukkot, gelegenen achten unteragyptischen Nomos am Eingang in das östliche Deltagebiet in der Niihe der Bitterseen, ist das aegyptische Pitutn, hebraisch Pithom, also eine der Vorratsstadte im Lande Gosen, die nach der alttestamentlichen Überlieferung die Israeliten dem Pharao bauen mussten (Ex. 1, 4). Wii lassen nun im Anschluss hieran die Besprechung einer bekannten Erzahlung folgen, in der die Bundeslade eine hervorragende Rolle spielt, und die daher einen Prüfstein bilden kann für die Richtigkeit der vorstehenden Ei (ii tei ungen. Es ist die Erzühlung von der Eroberung Jeiichos. Dass Jericho durch die Israeliten eingenommen wurde, wie Jos. (5 erzühlt wird, d. h. durch feierliche üinzüge um die Mauern der Stadt, ist natürlich nicht historisch. Aber wie ist dann die Erzahlung zu erklilren? Die Lmzüge um die Stadt mit der Bundeslade unter Posaunenschall und besonders der siebenfaclie Umzug in der Morgenfrühe des 7. Tags scheint mir auf eine alte in Jericho übliche Freudenfeier zu weisen, die ursprünglich mit der Eroberung der Stadt nichts zu thuu bat, unc? die erst spater auf die Einnahme der Stadt durch Josua bezogen worden ist. Hat man es nun, wie ich glauben möchte, hier ursprünglich in der That mit einer Festfeier zu thuu, so wird man unwillkürlich erinnert an die uralte Freudenfeier des Ptah-Sokaris-Osiris, die, wie Brugsch (S. 618) bemerkt, in den Festkalendern aus den Zeiten des alten Iïeiches so hüufig erwiihnt wird. Durch feierliche „Umgange oder Processionen um die Tempel eingeleitet gehorte sie, sagt Brugsch, zu den pomphaftesten Festlichkeiten des alten Aegyptens. Die Propheten und die heiligen Viiter erschienen nach ihrer Rangoidnung mit Fahnen, Stangen, Gottesbildern, Tiergestalten und heiligen Emblemen in den Handen, um den vorgeschriebenen Umzug „um die Mauern" zu vollziehen und die Opfergaben den Himmlischen darzubringen. Da das Fest in der ersten Tagesstunde begangen wurde, so erklart sich die bisweilen den Festangaben beigefügte Erwahnung „des heiligen Morgens" in den InschriftenJ). Ob der Umzug „um die Mauern" auch bei dem aegyptischen Fest des Ptah-Sokaris-Osiris siebenmal gehalten wurde, ist aus Brugsch nicht ersichtlich. Doch ist der siebenfache Umzug etwas, was sonst auch in Aegypten z. B. bei dem Fest der Aufsuchung des Osiris gebrauchlich war (346). Das Fest war memphitischen Ursprungs und wurde gefeiert zunüchst zu Ehren des Ptali, der aber wegen seiner Beziehung zu dem Sonnenlauf in der untern Hemisphare mit dem (jott Sokar-Osiris oder der „kleinen Sonne' d. h. Wintersonne zusammengestellt wurde. Die heilige Barke, in weieher die Inkarnation des Gottes bewahrt war, wurde denn auch mitherumgetragen2). Die Feier war das dritte grosse Fest wührend der Trauertage 1) Wiedemaun, a. a. O. S. 75, vermutet, dass das Fest friiher Abeuds stattgcfunden habe. Auf welchem Grund diese Meinung beruht, ist nicht eraicbtlich. 2) Cf. Wiedemann, a. a. O. S. 75. um Osiris und fand statt am 20. Choiak (12. Nov. jul.). Die Vergleichung des Festes, auf welches sich, wie wir meinen, die Erzahlung von der Einnahme Jerichos bezieht, mit dem aegyptischen Fest des Ptah-Sokar-Osiris ergibt nach dem 01)igen eine volle Uebereinstimmung. Die einleitenden Umgange und den feierlichen Umzug „um die Mauern", sowie die Begehung des Festes in der Frühe des Morgens, das haben wir hier und dort. An die Stelle der heiligen Barke des Ptah-Sokaris-Osiris tritt nach der israelitischen Erziihlung die Lade Jahves. Das ist nicht zu verwundern. Denn auch die israelitische Lade war eine Osirislade, wobei noch zu bemerken ist, dass in Aegypten selbst die Einführung des Festes in andern Heiligtümern allerlei Veranderungen mit sich brachte, so dass man z.B. statt der Barkc des Sokaris die Sektibarke des Turn mit herumtrug 1). Das Fest galt dem Sieg der Wintersonne. Daraus ware also spiiter der Sieg Josuas vor Jericho gemacht worden. Im engsten Zusammenhang mit der Erzahlung von der Einnahme Jerichos steht nun die von der Hure Rachab, welche den Kundschaftern Josuas in ihrem Hause Aufnahme und Schutz gewahrt, dann sie an einem roten Seil über die Mauer, an der sie wohnt, hinauslasst und zum Dank datïir mit ihrem durch das rote Seil kenntlich gemachten Hause bei der Einnahme der Stadt verschont wird (Jos. 2; 0. 17 ff.). Das Haus der Rachab zu Jericho an der Mauer, wo die Kundschafter Josuas in Sicherheit über Nacht blieben, wird man wohl in Znsammenhang zu bringen haben mit srn, dem off'enen Platz in den Stadten (Deut. 13, 17; 2 Sam. 21, 12; Ps. 55, 12), besonders an den Thoren (Neh. 8, 1. 3. 1(>; 2 Chron. 32, (5), also an der Stadt mauer, wo die Reisenden zu übernachten pflegten (Gen. 19, 2; Ri. 19. 15). Dass nun dieser Ort als das Haus einer Hure bezeichnet wird, dürfte seinen Grund in der Erinnerung an eine lieidnische Göttiu haben, der einst dieser Ort geweiht war, oder die in alter Zeit als die Schutzgottheit dieser Oertlichkeit galt. Und das rote Seil der Rachab wird irgendwie zu 1) Wifidemami, a. a. O. den charakteristischen Kennzeichen dieser Göttin gehort haben. Nun hat eben jener Ptah-Sokaris-Osiris eine Gemahlin Somchit, die ebenso wie Ptah zu Osiris in der engsten Beziehung steht (518). Sie ist eine Schutzgöttin und aussert ihre Gewalt gegenüber allen feindlichen typhonischen Machten dnrcli die (dut des Feuers, das von ihr ausgehaucht wird (520). Ihr werden die Worte in den Mund gelegt: „Ich stelle eine Feuersglut von Millionen Ellen zwischen Osiris und zwischen seinen Feind, indem ich das Böse von ihm abwehre und die Gegner von seiner Halle t'ern halte" (526). Den Leib dieser Göttin umsehloss ein rotes Gewand, und davon führte sie den Titel: „Herrin des roten Gewands". Als rotes Gespinst oder Gewebe aus roten F aden entspricht dieses rote Gewand der Somchit dein roten Seil der Rachab, wie diese beiden überhaupt ihrer schiitzenden Thatigkeit nacli einander entsprechen '). Und es spricht gewiss nicht am wenigsten zu Gunsten unserer Deutung der Rachab, dass dabei gerade auch der Zusammenhang, in welchen die Rachab mit der Einnahme Jerichos gebracht wird, seine Erklarung findet. Liegt der Erzahlung von der Eroberung Jerichos eigentlich die Erinnerung an eine alte, zu Ehren des Ptah-Sokaris-Osiris gehaltene, Freudenfeier zu Grande, so spielte natürlich dabei auch die Gemahlin des Ptah, die mit diesem zu Osiris als Wintersonne in enger Beziehung steht, die Beschützerin des Osiris ist und mit seinen Schwestern und Gemahlinnen Isis und Nephthys identiticiil wird (049 ff.), eine Rolle ]). Ich finde 1) Mythologische Reste finden sich auch sonst im Buch Josua, so in den Erzahlungen von der Eroberung von Ai und vom Streit Josuas mit den Amoritern. Josua, der in der Nacht mitten in das Thai vor Ai geht und dann des Morgens durch das Ausstrecken seiner Lanze die Stadt gewinnt (Jos. 8, 13 ff.), Josua, der dann gegen die Amoriter die ganze Nacht von Gilgal heraufzieht, unter grossem Hagel den Feind bcsiegt und vor dem ganzen Israël ausruft: „Sonne stelle still zu Gibeon und Mond im Thale Ajalon" (Jos. 10) — dieser Josua erinnert unmittelbar an den aegyptischen Kriegs- und Lichtgott Schu-Anhur (— Horbahudti), der als Kiimpfer fiir Osiris (491) mit dem Speere gegen die Feinde des Lichts zu streiten hat, und dessen Kampfe mit Typhon und seinen Genossen sich speciell auf die Winterwende beziehen (490), auf die Epoche also, da die Tage wieder langer und die Nachte wieder kurzer werden. Bezeichnend ist auch die Holle, welche in beiden Erzahlungen Baume und Steine spielen. Der König von Ai wird an einem Baum denn auch diese Annahme nnmittelbar bestatigt durch eine Bemerkung bei Brugsch, der (S. 736 f.) sagt: Bei der Feier des Sokar-Fests am 26. Choiak, an welchem die „kleine Sonne' ihre Wiedergeburt feier te, spielte Nephthys für sich allein eine horvorragende Rolle. Eine Darstellung aus Edfu zeigt sie hinter dem memphitischen Sokar sitzend, welchem der König das oben erwahnte Fest feierte. Wahrend die beigefügten Inschriften den Gott Sokar als Osiris bezeichnen, heisst es in Bezug auf die Göttin: ,Nephthys, die Schwester des Gottes, die Gutthatige in Gross-Apollinopolis, die zur bnneas gehort, welche ihren Bruder vor dem Bedranger (lyphon) beschützt und Feuer auf seine Feinde ausspeit". auf^hangi, walend darna0'1 ein grosser Steinhaufe uber seinem Leiclmam errichtet (. os. , , ) tbenso werden die Komge der Amoriter an Baumen aufgehan<*t Ïw/! n ï' m *!er ^ Si0h verborSe'1 hatten. g^sse S terne gelegt (Jo=s. 10, 2 < (.)■ Das ist naturhch nur spat,ere populare Umdeutung des ursprüuglichen Sinns der bache. Die Steinhaufen beziehen sieh oline Zweifel auf den Liehtgott und seinen Sieg, die Höhle, ahnlich wie die Ilöhle Machpela, auf den Schlund, aus welchem der Liehtgott hervorkommt. Und mit den Baumen wird es sicl. ebenso verhalten. Auch hier wird man an die Sykomore oder Sykomoren der Nut zu denken haben, aus denen der Liehtgott sich erhebt. Der Vorstellung aber vom Auf hangen der Komge bezw. der bereits getöteten Könige an den Baumen dürfte die Knunerung daran zu Grunde liegen, dass die Seelen der Verstorbenen auf den Zweigen jener Sykomoren sich wiegten und unter ihrem Laubdach Kühlung fanden (.l/o—17o). ° Darau. dass Schu-Anhur als Liehtgott mit dem Sonnengott Ra selbst zusammenschmolz ïst vielleicht auch weiter zu erklaren, dass Josua als Sohn des Nun bezeichnet wird, denn Ka ist der Sohn des Nun. V. ANHAN6. SIMSON. Dei Gestalt des Gottes Scliu sind wir schon mehrfach begegnet. Wie popular dieselbe in der israelitischen Sage war, dafür gibt es keinen besseren Beweis als die Simsonlegende. Demi der Gestalt Simsons liegt, wie wir zeigen móchten, der Hauptsache nach die Gestalt des Gottes Schu zu Grunde, der dabei freilich zum Teil mit dem Sonnengott Ka selbst zusammen getiossen ist. Der aegyptische Gott Scha führt den Beinamen Sems, Semsu oder aucli Semsen, was Alter, Aelterer, Aeltester oder anch Erstgeborener bedeutet, und sein Sitz ist in On, wobei nicht bloss an die eigentliche Stadt dieses Namens in Aegypten sondern zugleich an die östliche Himmelszone zu denken ist (434:). So könnte man versucht sein, von hier aus den Namen Simson zu erkliiren, falls man nicht der Ableitung von Sonne den Vorzug geben will. Der Hauptcharakterzug von Simsons Wesen ist seine ausserordentliche Stiirke. Dasselbe gilt von dem Gotte Schu. Er der Himnielstriiger oder Himmelsstützer ist der starkste unter den Göttern. Das Geheimnis der Stiirke Simsons liegt in seinen langen Haaren. Auch beim aegyptischen (iott Schu ist das der Fall. Schu ist namlich der leuchtende Strahl, das ausgeworfeue Licht des Ra, dann speciell die Mittagssonne und im Jahreslauf die sommerliehe Sonne. Nach dieser Seite seiner Bedeutung wird er im Stadium seiner höchsten Kraft, als die glühende Sonne in der heissesten Zeit des Jahres, dargestellt in der Gestalt des Luwen mit der die Sonnenstrahlen symbolisch ausdrückenden Mahne. Mit der letzteren verliert er geradeso wie Simson mit den Haaren die Kraft (432). Nach der Angabe Aelians hielten die Aegypter das Tierkreiszeichen des Löwen für das Haus der Sonne, weil bei dem Eintritt in dieses Zeichen die Sonne am heissesten und glühendsten sei (432). Hiemit hangt wohl die Erzahlung zusammen, dass Simson unterwegs einem Löwen besesrnet sei, ihn bezwungen und getötet habe (14, 5 ff.). O P 7 - ^ ... Die Erklarung davon liegt darin, dass die Sonne in ïhrem Laufe in das Sternbild des Löwen eintritt, und dass dies als eine Überwiiltigung des Löwen durch den Sonnengott aufgefasst wurde. Die Sonne im Sternbild des Löwen ist aber gerade der aegyptische Gott Schu (350), dem darum selbst die Löwenmahne zugeschrieben wird. W enn aber Simson einige Tage nachher im Aas des Löwen Honig findet, den ein Bienenschwarm hineingelegt hat, so hangt das mit der Ansicht zusammen, dass, wenn die Sonne im Sternbild des Löwen steht, die Bienen schwarmen. Daher das Ratsel, das Simson, als die im Sternbild des Löwen stehende Sonne, den Philistern gibt: „Speise ging von dem Fresser und Süssigkeit von dem Starken". Von denselben Yoraussetzungen aus wird ferner auch die Geschichte von den Füchsen, die Simson mit brennenden Schwanzen ausgesendet haben soll in die Getreidetelder der Philister, sotort durchsichtig. Es liegt dem die Yorstellung von dem durch die Sonnenhitze bewirkten Getreidebrand zu Grunde. Auch bei Ovid, Fasti IV, 681, gelten die Füchse als das Symbol des Getreidebrandes. Aus der engen Beziehung, in welcher Schu zur Sonne steht, und aus dem Charakter eines Sonnengottes, der ihm selbst zukommt, erklaren sich min aber ferner auch die immer sich wiederholenden Züge Simsons ins Philisterland. Es is dies die symbolische Darstellung der sich immer wiederholenden Sonnem-eise von Osten nach Westen. Da im Westen, wo die Sonne untergeht, sind die Feinde der Sonne, und damit hangen denn auch die verschiedenen Erzahlungen zusammen von den Versuchen der Philister, Simson gefangen zu halten und seiner Kraft zu berauben. Dass Simson die Anschlage zn nichte macht, die Bande zerreisst und in seine Heimat zurückkehrt, erklart sich daraus, dass die Sonne n ie mals im Westen bleibt, sondern immer wieder ungehemmt mit ungebrochener Kraft im Osten aufgeht. Bezeichnend ist in dieser Beziehung besonders die Erzahlung in Jud. 16, 1—3. Da kommt Simson nach Gaza und liegt über Nacht bei einer Hure, wahrend die Einwohner am Stadtthor aut' ihn lauern, um ihn bei Tagesanbruch zu erwürgen. Simson aber erhebt sich um Mitternacht, ergreift heide Thüren am Stadthor samt den beiden Pfosten, hebt sie aus mit den Riegeln und triigt sie auf seinen Schultern hinauf auf die Höhe des Berges vor Hebron. Dass der Sonnengott im Westen nicht zurückgehalten werden kann, sondern jeden Morgen im Osten wieder aufgeht, ist aucli hier der allgemeine Grandgedanke. Die Hure, bei der Simson die Nacht zubringt, ist die Finsternis, „die Herrin der Unterwelt'', von der in den aegyptischen Texten die Rede ist ]). Der Durchbruch Siinsons aber um Mitternacht erklart sich daraus, dass nach der aegyptischen Mythologie die zwölfte Stunde der Nacht es ist, in der der Sonnengott die letzte Pforte der Unterwelt passirt, und in den Schlund des Nun eintritt, um da aufs Neue gebildet zu werden (137). Weun ferner Simson die Pforten des Stadtthors von Gaza sammt Pfosten und Riegeln auf die Höhe des Berges vor Hebron tragt, so hiingt dies wolil damit zusammen, dass nach aegyptischer Vorstelluug in der östlichen Himmelszone von On die Himmelspforte war, aus welcher, nachdem der Riegel zurückgeschoben ist, der Sonnengott zu neuem Laufe hervortritt. Diese Pforte des Sonnengottes wird hier als die erbeutete Stadtpforte von Gaza vorgestellt, und bezeichnend ist, dass die Pforte gerade bei Hebron niedergesetzt worden sein soll, dem mit Mamre identischen Ort, den wir bereits als uralte Cultstiitte des 1) Cf. Lieblein, Das Todtenreich der alten Aegypter, in Etudes dudiées a Mr. Leemans, p. 11. Sonnengottes, als das hebraische Gegenstück zu dem aegvptischea (In (Heliopolis), kennen gelernt haben. Eine ühnliche Erzahlung flnden wir in Jud. 15, nach welcher Simson in der Steinkluft zu Etam sich aufhalt, und von da gebnnden heraufgeführt wird, um an die Philister ausgeliefert zu werden, aber seine Stricke zerreisst und mit einem Eselskinnbacken 1000 Philister schliigt und dann mit dem Wasser, das aus einer Spalte des Eselskinnbackens hervorquillt, getriinkt wird. Die Steinkluft ist ohne Zweifel nichts anderes als ein Bild der Tiefe, in welcher der Sonnengott des Nachts weilt. Auch in der aegyptischen Mythologie wird die Unterwelt zum Teil als ein Steinbruch vorgestellt. Das Reieh des memphitischen Totengottes Sokar ist ein Steinbruch '). Wahrend seines Aufenthalts in der Unterwelt ist der Sonnengott gleichsam gebnnden in der Macht seiner Feinde. Aber in der zwölften Nachtstunde befreit er sich aus der Gefangenschaft, verlasst die Unterwelt und tritt ein in das Urwasser oder den Schlund des Nun, aus dem er zu neuem Glanze erhoben wird. Auf die Befreiung des Gottes aus der Unterwelt bezieht es sich, wenn von Simson gesagt wird, dass er seine Stricke zerrissen habe und der Triumph des Sonnengottes liegt ausgedrückt in der Erzahlung, dass er 1000 Philister geschlagen habe. Vielleicht dass dabei speciell noch die Erinnerung an Schu-Anhur „den Schlager" oder an SchuSopt „den Schlager der Bergvölker" mitgewirkt hat (541. 491. 5(5ö). Der Schlund des Nun aber, dessen Wasser den Sonnengott wieder belebt und zu neuer Kraft bringt, so dass er sich siegreich erheben und über seine Feinde triumphiren kann, ist der Eselskinnbacken, mit dem Simson die Philister schlügt, und mit dessen Wasser er sich labt. Aut' eine Felsenquelle doch bezieht sich ohne Zweifel der Eselskinnbacken mit der Spalte, welcher Wasser entquillt. Solche Erd- oder Felsenspalten mit einer Quelle wurden ja als die Zugange oder Ausgange des Urgewiissers von Nun betrachtet, aus dem der Sonnengott Ra. sich erhebt. 1) Cf. Lange bei Saussayo2, I, S. 137. Die Stadt Lehi, mit welcher in der Bibel unsere Erzahlung in Zusammenhang gebracht wird, hat eine solche Quelle gehabt, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass dieselbe ein mal eine Cultstatte des Sonnengottes gewesen ist. Nach der alttestamentlichen Erzahlung (Jud. 18, 19 ff.) hatten freilich die Philister, nachdem sie durch die List einer Frau hinter das Geheimnis von Simsons Stiirke gekommen waren und ihm die Haare abgeschnitten hatten, sich des Gewaltigen endlich bemachtigt, ihm die Augen ausgestochen und ihn mit zwei ehernen Ketten gefesselt zu Gaza ins Gefangnis gelegt. Bei einem Fest indessen, das die Philister ihrem Gotte Dagon feierten, hiitte man Simson kommen lassen und ihn in dem Hause oder Tempelgebaude, das innen und auf dem Dache von einer Menge Philister besetzt war, zwischen zwei Saulen gestellt. Da habe Simson die beiden Mittelsaulen, die das Haus trugen, in seine Rechte und Linke genommen, sich mit ihnen geneigt und dadurch das Haus zum Einsturz gebracht, dessen Trümmer ihn mit vielen Philistern begruben. Die langen Haare des Simson, auf denen seine Kraft beruht, sind die Lichtstrahlen des Sonnengottes. Wenn dieser des Abends seiner Strahlenmahne beraubt im Westen versinkt, dann triumphiren seine Gegner über ihn. Und es war ein naheliegendes Bild, den in der Tiefe den Blieken entzogenen, macht- und wirkungslos gewordenen Sonnengott als im Gefangnis befindlicli und in Ketten gelegt sich vorzustellen. Ergibt sich diese Erkliirung aus der Auffassung des Simson als eines Sonnengottes überhaupt, so erinnern doch schon die langen Haare speciell an die Löwenmahne des Schu. Besonders gut aber erkliirt sich von Schu aus das Ausstechen der Augen des Simson. Denn Schu ist das eine Auge des Sonnengottes Ra (195—197), wiihrend seine Zwillingsschwester Tafnut, die mit ihm vielleicht hier zu einer Person zusammengeschmolzen ist, das andere ist (575). Und auch in der aegyptischen Mythologie begegnen wir der Vorstelhmg, dass dem Ra sein Auge verletzt oder entrissen wird (455 f.), womit sich die Aegypter die Abnahme des Lichts in der Zeit der kürzer werdenden Tage erklart haben. Von noch grösserem Wert wird uns aber die Gestalt des Schu sein zur Erklarung der weiteren Geschiehte. Wenn im Dagontempel zu Gaza der geblendete Simson die beiden Hauptsaulen, zwischen denen er steht, umfasst und sie mit sich niederbeugend den Tempel zum Einsturz bringt, so ist das nur die lokale Specialisirung dessen, was der aegyptische Mythus von Schu erzahlt. Schu ist der Gott, der die Siiulen des Himmels erhebt '). Dasselbe wird ausgedrückt durch die Vorstellung, dass Schu des Morgens zwischen Himmel und Erde, die in der Nacht auf einander ruhen, gewaltsam eindringt, den Himmel emporhebt und sich als Stütze unter denselben stellt, so dass nun die Sonnenstrahlen sich entfalten können *). Die Kehrseite ist natürlich, dass des Abends mit Sonnenuntergang Schu dem Himmel wieder seine Stütze entzieht, so dass derselbe auf die Erde niedersinkt, also gewissermassen zusammenzustürzen scheint. Diese in der aegyptischen Mythologie heimische Vorstellung ist in jener alttestamentliclien Erzilhlung konkret verarbeitet, und zwar so, als ob der geblendete Simson zur Rache dafür, dass ihn die Feinde im Westen des Augenlichtes beraubt haben, den Tempel ihres Gottes Dagon habe zusammenstiirzen lassen. Die Grundlage dieser Erzahlung ist offenbar jener aegyptische Mythus von Schu als dem Erheber der Siiulen des Himmels, und dass dem so ist, wird dadurch noch besonders deutlich, dass auch Dagon ein Himmelsgott war, dessen Tempel oder Wohnung eben der von Schu getragene Himmelsdom gewesen ist3). So batten wir die Hauptzüge der Simsonsage mit Hilfe der Gestalt des aegyptischen Gottes Schu, wie wir meinen, befriedigend erklart. Aber es bleiben doch noch mancherlei Fragen iibrig. Wie kommt es, dass die Sage Simson als einen der Richter Israels auffasst, dass sie ihn Ratsel aufgeben h'lsst, und von ihm erzahlt, er habe ein Geheimnis gehabt, das Geheimnis seiner Kraft, das ihm zu seinem 1) Cf. Wiedemann, a. a. O. S. 18. 2) Maspero, a. a. O. S. 160. 167. 3) Baudissin, Dagon, in Herz. Realenc. 3. A. IV. S. 426. Schaden durch die List eines Weibes entlockt worden sei. Aucli auf diese Fragen gibt, wie wir glauben, die aegyptische Mythologie eine ausreichende Antwort. Freilich ist es nicht unmittelbar der Mythus von Schu, in dem wir diese Antwort finden, sondern der Mythus von Ra. Aber die Verschmelzung der beiden Mythenkreise in der Simsonsage kann nicht autt'allen, wenn man bedenkt, dass Schu in der allerengsten Beziehung zu Ra steht, ja zum Teil geradezu in der Rolle des Ra sowohl als Sonnengott wie als König von Aegypten erscheint. Der Mythus van Ra, den wir im Auge haben, findet sich l>ei Maspero ') ausführlich erzahlt. In der Urzeit residirte Ra in Heliopolis. Taglich kam er auf seiner Reise in seine Provinzen, in denen er sich je eine Stunde aufhielt, um alle schwebenden Fragen in höchster Instanz zu entscheiden. Die Kleinen wie die Grossen fanden bei ihm Gehör, er beschwichtigte ihre Klagen, schlichtete ihre Streitigkeiten, belehnte die Würdigen mit Götern aus den königlichen Domilnen, sicherte jeder Familie die Einkünfte, die sie zu ihrem Lebensunterhalt nötig hatte, zeigte ein Herz für die Leiden seines Volkes und suchte ihnen abzuhelfen. Jeden, der zu ihm kam. lehrte er die wirksamen Formeln gegen die kriechenden und wilden Tiere, die Zaubermittel, um die bösen Geister zu verjagen, und die besten Recepte, um Krankheiten zu verhitten. So kams, dass er aus lauter Freigebigkeit schliesslich bloss noch einen Talisman für sich bewahrt hatte, den Namen, den sein Vater und seine Mutter ihm bei seiner Geburt gegeben und allein ihm geoffenbart hatten, und den er in der Tiefe seiner Brust verborgen hielt aus Furcht, dass ein Zauberer sich desselben bemachtigen und ihn für seine schlechten Zwecke missbrauchen könnte. So beginnt der Mythus. Und drangt nun nicht schon hier die Analogie zur Simsongeschichte sich auf? Ist nicht Ra hier wie Simson der grosse miichtige und giitige Richter seines Volks? Und erinnert das von Ra sorgfaltig gehütete 1) a. a. O. S. 160 ff.; cf. aucli Wiedomann, a. a. O. S. 29 ff. Ratsel oder Geheimnis seines Namens, das zugleich das Geheimnis seiner Kraft ist, nicht an das Ratsel, das Simson in Ri. 14 den Philistern aufgibt, und das ebenfalls auf Simsons Wesen und Starke sich bezieht, sowie an das riitselhafte Geheimnis der Kraft Simsons, hinter das die Philister nach c. 16 so gerne kommen wollten? Aber die Parallele zwischen der Simsongeschichte und diesem Mythus von Ra reicht weiter. Wie dem Simson sowohl in c. 14 als in c. 16 sein Ratsel oder Geheimnis trotz seines Widerstrebens nnd seiner Ausflüchte schliesslich listiger Weise von einer Frau entrissen wird, so geschieht dasselbe bei Ra. Auch dem alternden Ra wird von einer Frau nachgestellt in der Absicht, ihm sein letztes Geheimnis zu entreissen. Tsis, bisher eine einfache Frau im Dienst des Pharao, fasst diesen Plan, um sich mittelst des Namens des erhabenen Gottes den Besitz der Welt und göttliche \\ ürde zu erringen. Mit Gewalt. war natürlich gegenüber Ra nichts auszurichten, darum dachte sich Isis einen andern Feldzugsplan aus. Sie bedachte, dass man emen von einer Krankheit befallenen Menschen oder Gott nur dann zu heilen vermöge, wenn man seinen wahren Name kenne, und damit das böse Wesen, das ihn plagt, beschwöre. So beschloss denn Isis dem Ra ein heftiges Leiden zu erwecken, dessen Ursache sie ihm verbarg, um sich dann zu seiner Pflege anbieten und dem Leider das geheimnisvolle, fur eine erfolgreiche Beschwörung unerl&ssliche Wort entrücken zu können. Aus Schlamm, der mit dem Schleim des Gottes durchsetzt ist, bildet die Isis eine Schlange, die sie im Sand des Wegs versteekt. Ra, der auf seiner taglichen Rundreise des Weges kommt, wird von ihr gebissen und erhebt ein fürchterliches Gebrüll. Mit einer bis zum Himmel und seiner Enneas dringenden Stimme ruft er: Was ist das? Was ist das? und seine Götter rufen: Was dann? Was dann? Aber vor Zittem und Klappern vermag Ra nicht zu antworten. Endlich kommt er zu sich und kann sich verstündlich machen. Irgend etwas Schmerzhaftes hat ihn gestochen, sein Herz fühlt es, aber seine Augen können es nicht sehen, seine Hand hat es nicht geschaffen, niemand weiss, was es ist, und doch hat er nie gleichen Schmerz empfunden '). Es is nicht Feuer und es ist nicht Wasser, und doch steht sein Herz in Flammen, zittert sein Fleisch und geht von dem magischen Zauber ein Beben durch seine Glieder. Er ruft die Götterkinder, und sie kommen alle mit ihren Zauberbüchern. Aucli Isis kommt und fragt: „Was ist das? Was ist das, o Göttervater? Sollte es nicht sein, dass eine Schlange den Schmerz in dir verursacht, dass eines deiner Kinder das Haupt gegen dich erhebt? Führwahr es wild durch heilsame Beschwörungen überwunden werden, und ich werde es zwingen, zu fiiehen aus dem Anblick deiner Strahlen". Wie der Soimengott die Ursache seiner Qualen vernimmt, beginnt er aufs Neue zu jammern und sein Unglück und Leiden zu erzahlen. Isis schliigt ihm nun ihr Ileilmittel vor und fragt ihn im Vertrauen um seinen unaussprechlichen Namen. Aber er ahnt die List und sucht sich diuch Aufzahlung seiner Titel aus der Affaire zu zieheu. Ei nennt sich dies und nennt sich das und versichert schliesslich, dass er heisse: Chepera des Morgens, Ra des Mittags, Tam des Abends. Doch es half nichts, das Leiden blieb unvermindert bestehen. Da sagte Isis zu Ra: „Dein Name ist nicht ausgesprochen in dem, was du mir mitge- 1) Wer wird durch diese Erzühlung nicht an die Sage von Polyphem und Odysseus erinnertP Da schreit Polyphem vor Schmerz geradezo wie Ka, dass die andern Cyklopen kommen und fragen, was er denn liabe, und Polyphem kann sowenig als Ra sagen, wer es ist, der ihm den Schmerz verursacht hat. Die Sage von Polyphem nimmt sich wie ein Nachklang dieses Mythus von Ra aus. Genauer schemt sich hinter der Figur Polyphems geradeso wie hinter Simson die Combination Ra-Schu zu verborgen. Daher die gewaltige Süirke des Polyphem, die ihm wie dem Schu eigen ist; daher das eine Auge des Polyphem, das dem einen (Sonnen-) Auge des Ra entspricht, welches Schu reprasentirt; daher vielleicht die Vorstellung des Polyphem als eines Hirten auf den Bergen, entsprechend dem, dass Schu der Hirte am Himmel ist, daher endlich wohl aucli die Vergleichung Polyphems mit einem auf den Bergen geuiihrten Lüwen (Od. IX, 292), da auch Schu mit der Löwenmahne ausgestattet gedacht wird. Die Auffassung des Polyphem aber als des Sohns von Poseidon, dem Gott des Meers, ist unmittelbar damit parallel, dass Ra der Sohn des Nun d. h. des Urgewassers ist. Auch die Vernichtung von Polyphems Auge entspricht der Verletzung oder Entwendung des Auges von Ra in der aegyptischen Mythologie. Dass aber Odysseus so schlau ist und" seinen Namen nicht verrat, erscheint wie ein Gegenstück dazu, dass Ra selber thörichterweise das gethan hat. teilt hast. Sag ihn mir, denn der wird leben, den man beschwört bei seinem eigenen Namen". Voo brennender Pein geplagt gab Ra zu, dass Isis ihn inwendig durchsuche, und dass sein Name aus seinem Busen übergehe in den ihrigen. In der That war der allermachtigste Name im Körper des Gottes verborgen, aber er liess sich nicht anders heransziehen als durch eine Operation, ahnlich derjenigen, weieher die Leichname zum Zweek ihrer Mumificirung unterworfen werden. Isis nalim dieselbe vor nnd hatte den Erfolg, das Gift zu vertreiben und sich selbst dnrch die Kraft des Namens Göttlichkeit zn erwerben. So ward Ra durch die Schlauheit einer einfacheo Frau seines letzten Talismans beraubt. Gerade bei dieser zweiten Hiilfte der Mythus springt die Parallele zum entsprechenden Teil der Simsonlegende besonders deutlich in die Augen. Hier und dort wird der Sonnengott durch die List einer Frau seines letzten Geheimnisses, des Geheimnisses seiner Kraft beraubt. Hier wie dort trachtet der Sonnengott zunachst durch falsche Yorspiegelungen sich des gefahrlichen Angrifï's zu envehren, aber hier wie dort erliegt er schliesslich dem listigen Andrang der Frau. Beidemal wird dann auch atfl Sonnengott eine Operation vorgenommen. Im Mythus von J?a besteht sie in einem eigentlichen chirurgischen Eingriff, wahrend sie bei Simson allerdings sich auf das Abschneiden der Haare reducirt. Und wenn das Mittel, das die Isis dem Ra gegenüber zur Erreichung ihres Zweckes aQwendet, das Gift einer- von ihr hergestellten SchlaDge ist, so ist es bei Delila das Gift der Liebe, das sie dem Simson einflösst. Die Rolle, die im Mythus von Ra die Isis spielt, ist im Simsonmythus sehr passend auf die Philisterin Delila übertragen, deren Name oline Zweifel mit dem hebriiischen zusammenhangt, so dass Delila die Reprüsentantin der Nacht oder Finsternis ware, die den Sonnengott im Westen in ihren Armen empfangt, aber auch um seine Kraft bringt. SCHLUSS. Wir sind mit unseren Ausführungeu zn Ende. Was wir zeigen wollten, ist in Kürze dies, dass die semitisehen Stamme, die im östlichen Aegypten nnd auf der Siuaihalbinsel wohnten nnd spater in dem so lange Zeit aegyptischem Eintluss ausgesetzten Palaestina sich ansiedelten, überall hier nicht bloss in Berührnng mit aegyptischer Cultur sondern ancli mit der aegyptischen Götterlehre nnd dem aegyptischen Götterdienste gekommen sind und davon offenbar die starksten Einwirknngen erfahren halten. Selhst der diesen Stammen vermutlich von Hause aus eigentümliche, ursprünglich wohl recht primitive, Jahveglanhe hat unter dem Eintluss aegyptischer Religionsvorstellungen sich zum Glauben an Jnhve als den Gott vom Sinai entwickelt und insbesondere durch die in der Gestalt des Mose erfolgte Adoption des aegyptischen Thot als des göttlichen Oftenbarers und Gesetzgebers ein Element in sich aufgenommen, das der allmiihligen sittlichen Ausgestaltung der Naturreligion dieser Semiten den grössten Vorsclmb leisten musste. Und gerade diesem Umstand wird es zu einem guten Teil zu danken sein, dass der alte nationale Jahveglaulie die Kraft bekam, sich siegreich zum allein wahren religiösen Glauben in Israël zu erheben, wiihrend alles was sonst von aegyptischen Götterfiguren und Göttermythen in Israël Eingang erlangt hatte, in die Sphare des Menschlich-Historischen herabgedrückt wurde und vornehmlich in allerlei Vater- und Stammessagen seinen Niederschlag tand.