hinein. Das hatte von ihm weder friiher ausgeführt noch geplant und daher auch nicht vorher erzahlt werden können; erfunden hat es wohl das alte hpos. Hiermit will ich nicht geleugnet haben, dass Ovid sich mythographischer Handbücher bedient haben mag ; ich bestreite nur, dass man das durch den Vergleich seiner Darstellung der thebanischen Mythen mit derjenigen der Bibliotheka beweisen kann. Dasselbe was er darüber in mythographischen Handbüchern finden oder daraus hehalten haben konnte, boten auch unzahlige andere Ouellen. Dass er sich aber auch in den thebanischen Metamorphosen an dichterische Vorlagen angelehnt hat, steht fest und soll auch im folgenden ausführlich erörtert werden. Unter diesen Umstanden will mich bedünken, dass die Benutzung eines Handbuches, angenommen sogar, sie stiinde vollkommen fest, fiir die Komposition der Metamorphosen nicht als ein sehr wichtiger Faktor angesprochen werden kann : die Nutzung einer bestimmten Ouelle ist für die Kritik eines Schriftstellers von höchster Wichtigkeit, falls er fiir das was er ihr entnimmt als allein auf sie angewiesen betrachtet werden muss; konnte er genau dasselbe aber auch sonst überallwoher nehmen, so dürfte es nahezu gleichgiltig sein, woher er es tatsachlich genommen hat. Auf diese I-rage werde ich am Schluss meiner Analyse der Metamorphosen nocheinmal im Zusammenhangzurückkommen. Im Raub der Europa ahnelt die Beschreibung tier vom göttlichen Stier übers Meer dahingetragenen Jungfrau (II, 873 ff.) bekanntlich sehr der entsprechenden Stelle in Moschos' (125 ff). Dasselbe Bild findet sich auch Ov. Fast. V, 607 ff, Xonn. Dion. I, 67 ff., Luc. dial. mar. 15, 2. Es stammt ohne 1' rage aus der hellenistischen Poesie, aber es ist durchaus nicht sicher, dass Ovid es Moschos selbst verdankt. Da wir wissen, dass Ovid seiner Schilderung von Kadmos' Abenteuern ein hellenistisches Gedicht zu Grunde gelegt hat, und der Raub der Europa darin zweifellos auch hat behandelt sein müssen, weil der Auszug des Kadmos sonst unmotiviert gewesen ware, so liegt es sehr nahe, zu denken, dass der römische Dichter das ihm mit Moschos gemeinsame Bild auch eben daher entnommen hat. So stellt Ehwald in seinem Kommentar das Verhaltnis richtig dar, nur möchte ich nicht mit ihm als gesichert annehmen, dass Ovids Vorlage von Moschos' (Gedicht abhangig war, vvomit jene in recht spate Zeit, etvva in die des Bion, versetzt wtirde. Es zwingt uns namlich nichts zu glauben, dass gerade Moschos, dessen Verse uns zufallig erhalten sind, der erste hellenistische Dichter gewesen, der Europa in der bekannten Haltung auf dem Rücken des Stieres geschildert hatte. In der Kadmossage wird die Ovid und Xonnos gemeinsame poëtische Yorlage, deren Existenz ich nachgewiesen habe *), für uns bis auf weitere Entdeckungen anonym bleiben mussen. Da sie nachweislich die Entstehung der Sparten enthielt. so leuchtet ein, dass sie jedenfalls nicht vor der Gründung Thebens und der Hochzeit des Kadmos ihren Abschluss erreicht haben kann. In der sich gut und natiirlich daran reihenden Aktaionsage hat man bemerkt, dass Ovid an zwei Stellen die L'nschuld seines Helden betont (\ s. 141 f. und 176) und daraus geschlossen, er polemisiere wohl damit gegen die andere Fassung der Sage, in der Aktaion wegen eines Vergehens verwandelt wurde, nicht, wie hier und auch sonst meistens, weil er die Göttin zufallig beim Baden erblickt hatte. Dann müsste man natürlich eher sagen, dass bei Ovid noch die polemische Tendenz seines hellenistischen V orbildes durchklinge: denn persönlich konnte er ja keine Veranlassung haben, sich iiber solche Dinge zu ereifern. Ich fürchte indessen, dass wir eigentlich nicht das Recht haben, die angeführten \ erse Ovids als sicher polemischer Xatur zu betrachten ; vielleicht trügt hier der Schein. Die lange Aufzahlung der Namen der Hunde des Aktaion verdankt Ovid aber sehr wahrscheinlich einer poëtischen Quelle: derselben, der er auch kurz \orher die sechs gut gewahlten Nymphennamen (Vs. 169 ff.) !) De Ov. myth. S. 63—68. Ausser dem von Kienzle a. a. O. S. 28 bemerkten habe ich meiner Beweisführung nichts hinzuzufügen. Ich möchte aber ein Versehen auf S. 64 berichtten. Die Reihe der von Nonnos aufgezahlten boiotischen Ortschaften. welche die Kuh auf dem Wege von Delphi nach Theben durchschreitet, ist geographisch möglich und kann auf das Original zurückgehen bis auf zwei Fehler: Chaironeia hatte zwischen Panopeus und Koroneia erxvdhnt sein mussen und Tanagra ware zu streichen. entnommen haben mag. Es behauptet wohl niemand, dass der römische Dichter diese 36 griechischen Hundenamen selber 1'iir seine Zwecke erfunden oder zusammengesucht habe; es ware das eine unnötige Mühe gevvesen, da wir ja wissen, dass schon seit dem epischen Zeitaltergriechische Dichter bei der Atisschmükkung dieser Sage in der Erfindung schoner Hundenamen mit einander gewetteifert haben ]). Allerdings sind diese Namenlisten spater auch in die mythographische Litteratur übergegangen, und vielleicht war das auch schon zu Ovids Zeiten der Fall; es lasst sich daher die Möglichkeit nicht bestimmt bestreiten, dass Ovid die von ihm verwandten Namen einer solchen abgeleiteten Quelle entnommen haben mag. Es folgt die Geschichte von Semele und der Geburt des Dionysos in ihrer bekannten klassischen Form. Sie enthalt einen kleinen individuellen Zug, der bei der Quellenuntersuchung nicht vernachlassigt werden darf. Juno verwandelt sich namlich bei Ovid, wie auch bei Nonnos, um Semele zu betören, in ihre alte Amme: diese Amme heisst bei Ovid Heroë und ist aus Epidauros. Woher hat Ovid diese Details? Mich diinkt es nicht wahrscheinlich. dass er sie erfunden hat. Der Name Beroë aber ist in Griechenland erst seit dem hellenistischen Zeitalter in Gebrauch gewesen. Dass bei Vergil (Aen. V, 620) Iris sich einmal in eine Trojanerin Beroë verwandelt, scheint mir kein überaus bemerkenswertes Zusammentreffen, denn der Name Beroë war ja nicht ungewöhnlich. Nach der Geburt des Dionysos folgt nicht sofort die Pentheussage, sondern vorher ist die Geschichte des Teiresias, der ja in jener eine Rolle spielt, eingeschoben, zunachst ohne andere Begründung, als dass sie ungefahr zur gleichen Zeit mit jener statt- l) In der interpolierten Stelle Apoll. bibl. III, 32 stehen zwei kleine verstümmelte Fragmente zweier epischer Gedichte mit je 4 und 3 Hundenamen. Die Tatsache der Interpolation. welche Kienzle a. a. O. S. 30 bezweifelt. habe ich Mnem. 1907, S. 128 f. durch ein neues Argument starker gestützt. Bei Hygin (fab. 181) steht die ovidische Liste und eine andere mit 46 Namen, weiche schon wegen der grossen Anzahl der Namen ebenfalls als hellenistisch anzusehen sein dürfte. Bei Pollux (Onom. V, 47) sind die vier Namen verzeichnet, die Aischylos den Hunden des Aktaion gegeben hatte gefunden haben soll. In der Form unterscheidet sie sich in nichts von der alten bekannten und bereits für Hesiod bezeugten Fas- sung i). Teiresias vvird von Juno geblendet und erhalt von Jup- piter zum Ersatz die Gabe der Weissagung. Dann folgt die Ge- schichte des Narkissos, ebenfalls eine boiotische Sage ~), die aber nicht vor dem hellenistischen Zeitalter in der Litteratur aufge- taucht ïst. Ihre Einführung ist dadurch motiviert, dass sie zuerst den Teiresias, der das traurige Schicksal des schonen Jünglings vor- ausgesehen hatte, in den Ruf eines grossen Wahrsagers brachte. ()b die Rulle des Teiresias in der Sage des Narkissos von Ovid erfun- ) Die Geschichtc wird auch erwahnt bei Ant. Lib. 17: Vrix.xxor ?■ Man muss es als möglich bezeichnen. dass Nikander s.e in d!e Metamorphose des I.etikippos eingeschachtelt hatte ') Von Narkissos erzahlte man nicht nur in Thespiai (Gruppe. Griech. Myth. S. ,026, A. 2) und dass Thespiai hier nicht als Heimatsort des Nark.ssos gemeint war, geht daraus hervor, dass er ein Sohn des Kephissos heisst, der ja mit Thespiai nichts zu tun hat. leisen Anklange an jene Tragödie keine unmittelbare Benutzungdes Euripides beweisen. Hatte Ovid sich hier also auf die Pentheussage beschrankt, so ware nur das eine zu sagen, seine Darstellung unterscheide sich nicht von der allgemein verbreiteten Fassung der Sage, wie sie auch in den Handbüchern steht, und eben deshalb ware es völlig unmöglich, seine unmittelbare Ouelle ausfindig zu machen. Xun findet sich aber bei ihm in die Geschichte des Pentheus die Erzahlung der Bestrafung der tyrrhenischen Seerauber eingeschoben. Xach der Bibliotheka (III, 37 f.) geschali diese jedoch erst einige Zeit nachher; also kann entweder ein mythographisches Handbuch, das die Kreignisse in derselben Reihenfolge wie die Bibliotheka erzahlte, hier Ovids Quelle nicht gewesen sein, oder Ovid hatte dieses dem Handbuch gegenüber selbstandig neuern müssen. Dass letzteres aber nicht der Fall ist, beweist der Vergleich mit Nonnos (XLV, 105 ff.). Freilich lasst Xonnos die Geschichte der Seerauber dem Pentheus von Teiresias. Ovid hingegen vom Schiffskapitan selber erzahlt werden ; aber trotz dieses Widerspruches kann man nicht glauben, Ovid und Xonnos seien unabhangig von einander auf den Einfall gekommen, die Seeraubergeschichte dem Pentheus als warnendes Beispiel vorhalten zu lassen. Damit ist erwiesen, dass Ovid in Bezug auf die Verbindung der Pentheus- und der SeerSubersage einem griechischen Dichter gefolgt ist. Für letztere allein beweist dasselbe auch der Vergleich mit Hygin, fab. 134. Dort heissen namlich die Seeleute: Aethalides, Medon, Lycabas, Libys, Opheltes, Melas, Alcimedon, Epopeus, Dictys, Simon, Acoetes. Von diesen elf Xamen fïnden sich zehn auch bei Ovid, mit den zwei unbedeutenden Variationen Aethalion und Melanthus. Anstatt Simon (ein sehr geeigneter Xame für einen Mann, der in einen Delphin verwandelt werden soll!1)) nennt aber Ovid Proreus. Die Abweichung beweist, dass Hygin (was man sonst gewiss annehmen würde) hier nicht von Ovid abhangig ist. Die Uebereinstimmung im Ganzen aber deutet auf eine gemeinsame Quelle. Dass Ovid in seiner griechischen Ouelle das YVort ff pups js, das den zweiten l) Plin. N. H. IX. 8. 9: Tümpel, Die Aithiopenlander. S. 170. Steuermann bezeichnet, fiir einen Eigennamen gehalten hatte, ware denkbar, aber doch nicht eben wahrscheinlich. Man wird also, um sovvohl der Uebereinstimmung wie der Verschiedenheit Rechnung zu tragen, die Beziehungen zwischen Ovid und Hygin nicht so darstellen mussen: X Ovid Hygin sondern so: X Y Z Ovid Hygin Nonnos Weiter lasst sich auch zeigen, wie man es nach allen Analogieën auch von vornherein erwarten musste, dass Ovids griechische Quelle dem hellenistischen Zeitalter angehört. Wie Kienzle S. 25 f. gezeigt hat, finden sich bei Ovid zwei ursprünglich verschiedene Rrzahlungen des Abenteuers zu einem langeren Ganzen verschmolzen. Dadurch ergiebt sich zwar kein innerer \\ iderspruch und keine L nklarheit, wohl aber kennzeichnet ein solches Verfahren den spateren Dichter, den Verfasser der hellenistischen Vorlage Ovids. Die Abhangigkeit von einer gemeinsamen hellenistischen Quelle hat für Ovid und Hygin zuerst Crusius erwiesen (Philol. 1889, S. 220 ff.). Der unberechtigte \\ iderspruch Kienzle's, der iibrigens die Verschiedenheit in dem einen Namen gar nicht berücksichtigt, hat mich veranlasst, Crusius' Griinde noch einmal zu wiederholen. Das vierte Buch der Metamorphosen hebt mit der Geschichte der drei Minyaden (oder Minyeiden) an, welche Dionysos nicht als Gott anerkannten und zur Strafe in Fledermause verwandelt wurden. Diese Sage muss in ihrem Kern recht alt sein : Korinna hatte sie erzahlt, und die Annahme, dass sie den Stoff von Aischvlos Hxi/rpixt bildete, hat die grösste VVahrscheinlichkeit für sich. Sonst haben sie uns, in ahnlicher Form wie bei Ovid, auch noch einige spatere griechische Schriftsteller erhalten, bei denen auch die Namen der drei Madchen immer ungefahr gleich lauten. Die Schilderung bei Ant. Lib. io{ittc:sï ï; % -jhpoQipoi, A/jso-tcu rp:$oi) der Schauplatz auch Theben war. IJie vollstandige Zerstörung der Hauptstadt Boiotiens im J. 335 durch Alexander hat notwendigerweise auch in der Sagengeschichte Boiotiens eine Umwalzung herbeigeführt. Die Lokaltraditionen werden erstarkt oder neu aufgelebt sein und man wird auch nicht weiniges geneuert haben. Nachher hat I heben, obgleich es schon 316 von Kassander wiederhergestellt wurde und bald wieder grosse Bedeutung erlangte, doch niemals im jcj/vjv BeixTxv einen alles überwiegenden Einfluss ausüben können. Demnach steht zu erwarten, dass im hellenistischen Zeitalter die übrigen Stadte Boiotiens allerarten ihre alten Ansprüche auf die friiher nach Theben verlegten Mythen nachdriicklich zur Geltung gebracht haben werden; auch ihr bekannter Hass gegen Theben musste sie dazu treiben. Betrachten wir jetzt etwas naher Antoninus Liberalis' Darstel'ung der Metamorphosen der Töchter Orions und der Minyaden. Pür beide finden sich bei ihm in den Lemmata dieselben Autoren zitiert, namlich Nikander im IVten Buch der Heteroiumena und Korinna. In der Geschichte von Metioche und Menippe (25) wird der Schauplatz der Handlung nicht gleich am Anfang genannt. Es heisst, nach Orions Tod wurden seine Töchter bei ihrer Mutter hinauslaufen lassen, üas passt alles gut zu Ni kander; mehr lasst sich nicht sagen. Die Sage von Sithon, auf die Ovid anspielt, ist uns nicht bekannt. Der Name ist thrakisch und weist uns also doch wieder ungefahr in denselben Winkel der hellenischen Welt. Kelmis ist einer der idaiïschen Daktylen (schol. Ap. Rhod. I, 112y). Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Dichter die Kureten auch auf dem phrygischen Ida durch einen Regenguss hat erzeugt werden lassen (ein sonst unbekannter Zug, aber sie galten ja für erdgeboren), obwohl die Ueberlieferung im Ganzen genommen sie nicht weniger zum kretensischen als zum phrygischen Ida in Beziehung setzt. Was endlich die Sage von Krokos und Smilax anbetrifft, die nirgends ausführlich erzahlt wird, so pflegt man ihre Heimat als unbekannt zu betrachten. W'enn ich micli nicht tausche, so ist sie uns aber dennoch überliefert. Galen giebt in seinem Werk irtp) TVjbèïsx: CpxppixKM rxv xxrx rcTrcu:, X (ed. Chart. XIII, p. 608) eine „Erkiarung der Arznei des Philon" (ii-xTrXvri: rijs xvtüotov) und führt dabei die Verse an, in denen Philon selber das von ihm empfohlene Rezept beschrieben hatte. Darin kommen folgende zwei Zeilen vor: fltv Tp!%x pi/./.f 1/,-jp'iTTI/OOV W&SOIC, c-j hvbpOr 'Ep/teixi: ?.x>ji7titzi üv (Sstxi/xi:, d. h. man soll Krokosblatter nehmen, Haar des göttergleichen Jünglings, „dessen Blut unterden Krauterndes Hermes leuchtet". Zur Erlauterung erzahlt Galen dazu, Krokos sei beim Diskuswerfen von Hermes tötlich getroffen worden und aus seinem Blute sei die farbenprachtige Blume, die jetzt seinen Namen tragt, hervorgesprossen. Man versteht nur nicht recht die Worte: 'Epfisixi; tv i3otxvxi:, denn was sind die Krauter des Hermes? Nun gab es aber auch eine andere Lesart, die (ialen selbst erwahnt: ypxQerxi Sf ou psvov i3otxvxis, x/./.x xx) zshici" uli -x: s 77i%o:Eppetci: hxftxsTxi sv ttsIioi:. Diese Lesart giebt allein einen befriedigenden Sinn: der Krokos wachst im "Ep/icu ireïiov (cf. der Name "EpiAsts: XCITC-:); dass er auch auf dem nahen Tmolos sehr viel p 25 4746 474 BOOT P 25 4746 EX BIBLIOTHECA V. CL. H. T. KARSTEN UNIVERSITATI DONATA A" 1916 BOOT P 25 4746 EX BIBLIOTHECA V. CL. H. T. KARSTEN UNIVERSITATI DONATA A» 1916 t NIKANDER UND OVID NIKANDER UND OVID VON WILHELM VOLLGRAFF, PROFESSOR AN DER UNIVERSITA'1' GRONINGEN ERSTER TEIL VERLAG VON J. B. WOLTERS, GRONINGEN, 1909. IOANNI VAN BINSBERGEN SACRUM INH A L T. S. V orwort i Kapitel I: Nikanders Leben und Werke 7 Kapitel II: Ovids Metamorphosen, Ruch I 60 Kapitel III: „ „ ,, II 105 Kapitel IV: „ II, 833—IV, 602 (die thebanischen Sagen) 119 Als Alexander von Makedonien Griechenland und den Oriënt eroberte, veranderte sich zugleich der Charakter der hellenischen Kultur. Ihr Strom, der sich von nun an überein viel grösseres Gebiet ergoss, verlor an Tiefe was er an Breite gevvann. Die hellenistischen Jahrhunderte arbeiten mit den Kulturwerten, die das klassische Zeitalter geschaffen hatte. Die Schöpfungen der alteren Griechen überragen auf allen geistigen Gebieten die Leistungen der Jiingeren völlig und diese sind sicli dessen bewusst. Ein Fortschritt war nur noch auf dem Gebiet der einzelnen theoretischen und technischen Disziplinen vorhanden. Diesen erzwangen die Verhaltnisse selbst, denn der Hellenismus brauchte draussen das intensive wissenschaftliche Studium dringend zur Selbsterhaltung. Die neugegründeten Reiche in Egypten und Asien sollten griechisch bleiben; ihre barbarische Bevölkerung sollte wo möglich hellenisiert werden. Dazu war vor allem nötig, dass die Eroberer selbst ganz Hellenen blieben, und das war nicht leicht in der neuen Umgebung und den fremden Landern, wo sie ja gezwungen waren, den Sitten, der Religion und der sonstigen Kultur der alten, untervvorfenen Bevölkerung fortvvahrend Rechnung zu tragen. Fiir die grosse Mehrzahl ihrer Untertanen mussten die Ptolemaier sich bequemen. egyptische Herrscher zu sein. Aber vom Anfang ihrer Herrschaft an begriffen sie, dass sie sich doch nur am Ouell der hellenischen Kultur lebendig erhalten konnten und dass von dieser geistigen Ueberlegenheit auch der Fortbestand ihrer materiellen Machtstellung abhing. Deshalb gründeten gleich die ersten makedonischen Könige Egyptens die Bibliotheken in Alexandreia und beriefen die hervorragendsten Marmer dorthin. Gelehrte zu diesem Zwecke eigens Vollgraff, Nifcatuür und Ovid. I. i zu erziehen, brauchte man damals nicht; sie waren in der alten Heimat vorhanden, und die ersten Generationen sind gleich die besten gewesen. Vor allen anderen aber suchte man Sprachgelehrte. Das Griechische sollte zur Kultursprache des ganzen Landes gemacht werden, was auch tatsiichlich gelang. Dazu war ein ausserordentlich tiichtiges Unterrichtswesen erforderlich, dessen höchste Bildungsanstalten die Bibliothek und das Museion in der Hauptstadt waren. Xeben der griechischen Philologie, vvelche die erste Stelle einnahm, mussten aber auch alle anderen Wissenschaften vertreten sein. Die Kgypter hatten ja ihre eigene Medizin, Mathematik, Astronomie und technische Wissenschaft. Das musste alles libertrofïfen werden; auf jedem Gebiete musste sich die griechische Kultur überlegen zeigen, um die althergebrachte Bildung triedlich verdrangen zu können. Die Gründung der alexandrinischen Bibliothek als wissenschaftliche Zentralstelle und Staatsuniversitat war also im Grunde eine durch die Umstande gebotene politische lUassregel. Aehnlich war der Zustand in den anderen grossen hellenistischen Königreichen. In Syrien und dem übrigen Gebiet der Seleukiden hat man das niedrige Volk nie hellenisieren können, aber der gleiche Kampf tiir Selbsterhaltung und möglichst grosse Verbreitung hellenischer Sprache und Kultur ist selbstverstandlich auch da gefiihrt worden. Auch Makedonien, wo die griechische Kultur noch so jung, und Klein-Asien, wo sie an den Küsten bereits so alt war, waren zum guten Teil von Barbaren bewohntes Land; auch dort mussten die Herrscher, um die nationale Kraft ihres Volkes so viel wie nur möglich zu erhalten, grosse Bildungszentren gründen. Es leuchtet ein, dass auch die pergamenischen Könige z. B. allein durch ihre Lage und die Verhaltnisse in ihrem Reich getrieben wurden, Schriftsteller und Künstler zu begiinstigen und heranzuziehen. So wurden die besten Krafte dem Mutterland fortwahrend entzogen. Diese unaufhörlichen Verluste und dazu die Beschrankung der politischen hreiheit unter makedonischer Herrschaft verursachten oder beschleunigten wenigstens das allmahliche Sinken der produktiven Kultur in Hellas. Um völlig zu ersterben, war sie damals freilich noch viel zu kraftig. Wo immer noch die alte Freiheit und der erforderliche Wohlstand vorhanden waren, blühte auch die alte Kultur weiter. Das Illte Jahrhundert hat sehr bedeutende Philosophen und bildende Künstler erzeugt, die in würdiger Weise an ihre Vorganger anknüpfen. In der Dichtkunst ist der Rückschritt gegen das klassische Zeitalter sehr viel grösser, da ja die Poesie schon vor Anfang des hellenistischen Zeitalters stark hinter die Prosa zurückgetreten war. Der wirklich poetische Gehalt in den berühmten Dichtwerken des Uiten Jahrhunderts ist erstaunlich gering. Trotzdem tut man diesen Dichtern Unrecht. wenn man sie im Gegensatz zu denen des vorigen Zeitalters nur als Stubengelehrte und als Verfasser mühsam geschriebener Arbeiten hinstellt, die zu dem wirklichen, zeitgenössischen Leben in keiner Beziehung standen. Ware dem so, so bliebe der Erfolg unerklarlich, den diese in künstlerischer Hinsicht schwachen und unbefriedigenden W'erke in ihrer Zeit doch unleugbar gefunden haben. Das hat nicht nur ein verdorbener Zeitgeschmack, sondern hauptsachlich ihr Inhalt ermöglicht. Das umgebende Leben hat auch hier, wie so zu sagen immer, die Schriftsteller beeinflusst und inspiriert. Diese Tatsache scheint mir die moderne Wissenschaft noch nicht genügend erkannt zu haben. Man hat zwar gesehen, dass die damaligen Dichter, die ja meistens bei Hofe lebten, ihren Brotherren in ihren Schriften zu schmeicheln strebten und zu diesem Zweck gelegentlich politische Anspielungen machten, wie namentlich Kallimachos in seinen Hymnen. Man hatte weiter gehen und begreifen müssen, dass die Epiker des hellenistischen Zeitalters, obwohl in der Form vielfach von den Alten abhangig, ihr Interesse dennoch hauptsachlich der eigenen Gegenwart zugewandt haben. Der griechische Dichter ist der Verkünder des gegenwartigen Ruhmes seiner Stadt, seines Standes oder seines Fiirsten. Das Mittel aber, dessen er sich dazu bedient, ist von jeher die uralte, aber stets wandlungsfahige Sagengeschichte gewesen. Denn die Gegenwart, um die es sich für die Lebenden doch eigentlich allein handelt, darf vom Dichter nicht ausdriicklich in den Vordergrund geriickt werden; ihr Lob muss bescheiden sein; wer es gar zu laut aussprache, könnte den Neid der Götter erregen. So feiert Pindar den Sieger des Tages in den nationalen Agonen nur mit einigen Worten, um gleich darauf das hohe Lob der erlauchten Vorfahren anzustimmen, als deren würdiger Nachkomme sich jener dabei im Herzen fühlen mochte. So stellen die Athener auf ihren öffentlichen Denkmalern immer wieder die mythische Amazonenschlacht dar; ihr wirklicher glorreicher Kampf gegen die Perser wird erst spater danebengesetzt. Alexanders Taten sind deshalb von Zeitgenossen so wenig in grossem Stil verherrlicht worden, weil ein solches Unterfangen hellenischer Sitte und Empfïndung eigentlich widersprach. Infolgedessen hatte die Dichtkunst beinahe überhaupt darauf verzichten müssen, den grossen König zu verherrlichen, denn seine Tatigkeit lag zum grössten Ieil in Landern, welche die griechische Sage nicht kannte. Man hatte zum Beispiel nicht daran denken können, zu fingieren, dass die Griechen auch schon in mythischer Zeit die Perser bekriegt hatten. Kin Dichter kam aber auf den glücklichen, oder doch wenigstens ausführbaren Gedanken, den Zug des Alexander nach Indien dadurch zu verherrlichen, dass er erfand, schon Dion\"sos habe seiner Zeit, wie so manchen anderen Landstrich im Osten, so auch dieses Land durchstreift und erobert; bei der Erzahlung und Ausschmückung dieses mythischen Kriegszuges wurde im Grunde überall auf Alexanders Ruhmestat angespielt. Aehnlich pflegten auch die Taten der Xachfolger Alexanders von den von ihnen unterhaltenen Dichtern nicht regelrecht besungen zu werden. Einige Ausnahmeu mögen dabei, wie auch schon im klassischen Zeitalter, vorgekommen sein; aber diese neue Art hatte offenbar keinen Erfolg und im allgemeinen kann man wohl sagen, dass den Dichtern des Uiten Jahrhunderts, wenn sie ihr Interesse den damaligen politischen Verhaltnissen zuwenden wolken, immer noch kein besseres Mittel zu Gebote stand, als das alterprobte, das darin bestand, passende mythologische Stofife zu tinden, welche den Zeitgenossen wie ein Spiegel der Gegenwart erscheinen konnten oder doch sich den bestehenden Verhaltnissen durch einige Aenderungen an- passen Hessen. Die verschiedenen hellenistischen Königreiche werden alle ihre in diesem Sinne mythologisierenden Dichter gehabt haben. Eine eigentliche zusammenhangende Sagengeschichte, wie sie das Mutterland hatte, besassen freilich Reiche wie Egypten, Syrien, Pergamon und Makedonien nicht, aber alle umfassten sie Teile echt griechischen Gebietes, wo alte Sagen heimisch waren, und nach vielen ihrer Stadte hatten die hellenistischen Herrscher alte griechische Sagen selber verpnanzt *). Wenn also schon fiir grosse nationale Epen kein geeigneter Stoff vorhanden war, so konnte man doch überall bedeutende Sammlungen von Epyllien und Aitia veranstalten- Es ergab sich von selbst, dass jeder einzelne Dichter sich mit Vorliebe den Mythen derjenigen Griechenstadte zuwandte, welche zu dem Reiche gehörten, in dessen Hauptstadt er sich aufhielt, um sie entweder zum ersten Male dichterisch zu gestalten oderdoch weiter auszubilden und auszuschmücken. Da nun die Grenzen der hellenistischen Reiche gegen einander vielfach wechselten, so entstanden dadurch auch fiir die Dichter umstrittene Gebiete: es liegt auf der Hand, dass ein ptolemaiïscher Dichter z. B. fiir eine kleinasiatische Hafenstadt, deren Besitz strittig war, eine andere Gründungslegende und andere Genealogieen bevorzugen inusste, als ein pergamenischer. Zudem stand es den Dichtern frei, wenn anders sie wollten, nach dem Worte des Kallimachos nur zu singen was wirklich Tradition war; dann blieb ihnen höchstens die Wahl zwischen verschiedenen Traditionen, und deren gab es manchmal fiir einen und denselben Ort viele. Aber das war nicht guter alter Dichterbrauch, sondern Pedantenart: Mythen und Stammbaume hatten die griechischen Dichter ja immer, ein jeder innerhalb der Grenzen dessen, was er fiir gut und möglich hielt, nach den jeweiligen politischen Machtverhaltnissen und Bestrebungen erweitert oder zurechtgeschnitten. Genau so hielten es auch die hellenistischen Hofdichter, ausgenommen vielleicht Kallimachos und seine Schuier, falls wir dem Meister 1) So Amymone nach Berytos, Daphne nach Antiocheia Orontes, Perseus und Andromeda nach Ioppe. darin aufs Wort glauben dürfen und er mit seinem xfixprupov cilh xsilx wirklich beabsichtigt hat, einen leitenden Grundsatz seiner dichterischen T.ïtigkeit auszusprechen. Ihre Hauptaufgabe bestand darin, die Mythen des Reiches ihres Fürsten zu sammeln und tunlichst mit einander zu verknüpfen, um, wenn es schon unmöglich war, Einheit in die mythische Vorgeschichte der jungen Königreiche zu bringen, so doch wenigstens einigermassen über das Fehlen einer solchen Einheit hinwegzutauschen. Für die machtigen und einflussreichen Staaten auf dem griechischen Festlande gilt dasselbe : Aitolien, Achaia, Sparta, um nur diese zu nennen. müssen damals auch ihre den jeweiligen \ erhaltnissen angepassten mythologischen Dichtungen gehabt haben. Im obigen habe ich zu sagen versucht, was ich in der hellenistischen Epik hauptsachlich sehe und suche. Natürlich bedtirfen die hier aufgestellten Behauptungen positiver Beweise, um für wahr angenommen werden zu können. Ich hielt es aber für nützlich, meinen allgemeinen Standpunkt kurz klarzulegen, bevor ich den Beweis antrete, dass der Dichter Nikander aus Kolophon in dem oben bezeichneten Sinne als der nationale Dichter des aitolischen Bundes tatig gewesen ist. KAl'ITEL I. NIKANDERS LEBEN UNO WERKE. Um die Zeit zu bestimmen, in der Nikander von Kolophon gelebt hat, besitzen wir dreierlei Hilfsmittel, namlich einige von Grammatikern henührende Nachrichten über sein Leben, eine Ehreninschrift aus Delphi und den verhaltnismassig kleinen Bruchteil seiner Werke, der allein erhalten ist. Die litterarischen Nachrichten sind dürftig und widerspruchsvoll, -sodass der Zeitansatz, den die Gelehrten daraus zu entnehmen versucht haben, zwischen der Mitte des Illten und der Mitte des Ilten Jahrhunderts v. Chr. schwankt. Die Datierung der Inschrift hat Schvvierigkeiten gemacht, die noch nicht vollkommen überwunden sind, wenn sich auch ziemlich bald herausgestellt hat, dass sie nicht in das Ilte, sondern nur in das Illte Jahrhundert gehören konnte. Aus dem erhaltenen Teil der Werke selber hat man bis jetzt nicht ernstlich versucht, feste chronologische Anhaltspunkte zu gewinnen: weder die Form noch der Inhalt des Nachlasses Nikanders ist genau geprüft worden. Die Untersuchung der Form, die hier nicht beabsichtigt ist, wiirde allerdings meiner Ansicht nach die chronologische F rage allein nicht entscheiden. Vielfach begegnet man der Meinung, so schlechte Gedichte, wie die des Nikander, müssten jiinger sein als das Illte Jahrhundert. Aber wie vermochten wir das zu sagen? Zwar dass die ganze Kunst des Nikander reizlos und minderwertig, seine Sprache unrein und seine Wortbildung fehlerhaft ist, das sind Eindrücke. die sich dem Leser aufdrangen und zu deren Rechtfertigung es nicht erst der Gruppierung vieler plan massig gemachter Einzelbeobachtungen bedarf; es ware aber talsch, chronologische Schlüsse darauf bauen zuwollen. Der Stil eines Schriftstellers wird nicht nur durch seine Zeit, sondern auch durch seine Heimat, seine Schule. seine Persönlichkeit bestimmt. Hei allen Vólkern hat es Dichter gegeben, die sich in Bezug auf Reinheit der Sprache von ihren Zeitgenossen gunstig oder ungünstig unterschieden. Wollten wir Kriterien dieser Art einen absoluten \\ ert für die Bestimmung des Alters berühmter Autoren beimessen, so müssten wir z. B. Zola für \ iel jünger halten als Maupassant. Kin sehr unbegabter Dichter wie Nikander, und noch dazu ein Nachahmer des schwülstigen Antimachos') und ein Landsmann und Verwandter des unerfreulichen Hermesianax ware nach seinem Stil und dem Grad der Reinheit der Sprache allein gewiss schwer zu datieren. So nutzlich also eine Untersuchung der Gedichte Nikanders nach der formellen Seite hin an sich ware, so könnte man doch kaum hoffen, daraus eine sichere Zeitbestimmung für ihn zu gewinnen. Anders steht es mit der Untersuchung des Inhaltes seiner \\ erke. namlich der bei ihm vorkommenden Mythen. Hier lasst sich ein sicheres Ergebnis erreichen, das nur auf sich beruht: es würde ebensogut zurecht bestehen, wenn wir keine antiken Lebensbeschreibungen und kein delphisches Proxeniedekret für Nikander hatten. Bevor ich daran gehe, dieses naher zu erörtern, scheint es mir aber doch unumganglich, auch den Wert jener Zeugnisse noch einmal eingeherid zu prüfen. Hypoth. in Theocr. idvll. I: Wrésy, Z'n i ©siKpm? sybsro ITÓZPOÏOC TC'J TE Xpxrou xx) TSJ KxX/.lfMZ%0Jyov0i Asxtx pisv svti ixrpx èxèTX%e tx Qxtvspievx ypx-^xi, Sixx-Apx 5f x7t{nrxpxovTt tx (rftipixxx xx) tx 'X/.sl-iQxpptxxx, XXI £XXT£p0V X'JTXy £7^X?*\TX[ XX.T5'/.1*7*3Xl'JO'JTX S7TI TX loix T'/jz 'Jsï'jbotzr xyjosj7i yxp xs cj 7'jy/lx.y,x7s tx "ApxTx Nixxvèpoc, X/.'/. SVTl'J X'JTO'J tts/.'j 'J£XTSpO~' \'JTiyC'J0Z YXpi X 7'J'JSyk'JSTZ " A- pxTo:, xxtx t:~j tsxtov xx: ^sjtspcj yéysys IIts/.£,uxïc>, S/xx'/èpcs Ss XXTX TO'J TTSfXTTTO'J. Jeder musste natürlich von vornherein erwarten, dass der Verfasser der Phainomena von Haus aus Astronom und der der I heriaka und Alexipharmaka Mediziner gewesen. Hier werden wir nun aber belehrt, dass es sich in Wirklichkeit gerade umgekehrt verhalten habe: die I hemata seien den beiden nun einmal vom König so gestellt worden und so hatten sie die Gedichte machen müssen, mochte es ihnen auch noch so schwer fallen. Der Verfasser der Vita erklart die Erzahlung für chronologisch ummöglich, da Antigonos zur Zeit Ptolemaios' I (305—285) und II (285—247), Nikander aber erst zur Zeit Ptolemaios' V (205—181) gelebt habe. Hier haben wir einen ganz anderen Zeitansatz als im oben erwahnten Theokritscholion. Es ist nun allerdings gut denkbar, dass die Zahl hinter dem Namen des Ptolemaios, der zur Zeit des Nikander regierte, verschrieben ist; aber selbst wenn dem sicher so ware, so könnten wir doch nicht sagen, welche Zahl hier ursprünglich gestanden hatte. Aenderungen, durch die der hier gegebene Zeitansatz mit irgend einem anderen Zeugnis über Xikanders Lebenszeit in Einklang gebracht wird, sind im Grunde von vornherein kaum weniger willkürlich wie andere; denn wie sollen wir wissen, ob der Ansatz dieses Grammatikers zu dem irgend eines anderen genau stimmter Um sicher zu gelien, halten wir also nur das eine fest, dass der Erzahler der Anekdote Nikander noch in die Zeit des Aratos setzte, der \ erfasser der V ita ihn aber für soviel jünger hielt, dass die beiden sicli nicht mehr am 11ofc des Antigonos hcitten begegnen können. \ ita Arati II (Maass, Commentariorum in Aratum reliquiae, S- 323> Z. 13 ff.): èvioic St' xp£7x.si "Apxrcv wrpsv ysyzvi'jxi -■/, exi7Tvtfj,y, QiXov rs yayovirx Nixxvipx t:c f/,xb>j,uxTiy..-: ypx^xi tx (-)y,pixxx y.x: ^s'j'/xi Nizx'/o::-: /.xpst'/ ~s ~xp' xj~;j 7x xt>:ctit/x xx) f ïotx ypx-lxi. Eine andere Fassung derselbcn (ïeschichte: Aratos und Nikander waren mit einander befreundet gewesen und hatten heimlich einige ihrer Werke ausgetauscht und für ihre eigenen ausgegeben; Nikander, der von Haus aus mathematische Kenntnisse besesseii, habe dem Aratos seine Phainomena, dieser aber, der eigentlich Arzt gewesen, jenem seine Theriaka überlassen. Das klingt, so wie es da steht, recht albern, denn es hört sich jetzt an, als sei dieser Austausch nur ein F reundschaftsbeweis zwischen den zwei Dichtern gewesen. Aber das ist nur eine Folge der den spaten Grammatikern so gelaufigen uniiberlegten Art zu kürzen. In diesem Fall ist es leicht, das Fehlende zu erganzen. Die Geschichte lautete in der Vorlage des Verfassers dieser Vita natiirlich so: Antigonos habe dem Aratos, der Arzt war, aufgetragen, die Phainomena, und dem Nikander, der Mathematiker und Astronom war, die Theriaka und Alexipharmaka zu schreiben ; dieses hatte den beiden begreiflicherweise viel Mühe gemacht, bis sie dann in der Xot darauf vertallen seien, sich gegenseitig auszuhelfen. Vita Arati IV (Maass, Commentariorum in Aratum reliquiae, S. 325, Z. 25 ff.): 'o Si ""Avrèyovee niis AvftyTpicu tij \\:/A:px,v,70rj XXI 77XpS/.XpS TV,'J Xp%YiV TTSp) 7V,'J ixXTOIT/^ XXI ~ilU777'/l> Z/.'jy.77lJ.OX, XX-l' 'o Il7sï.eftxïc£ l <1 u/.xls/.Cp:c Ah/óiTTOv ipxtri/.svTev. utts xx) bpvï.sjftniv sttiv -j77: 71'jx'j, x: v,y xxtx riy xC/7iv %pèvsv "Stxs.ycpx tui K:/.;3xyt::: r.c 7z (-)■/, pixxx ypx\lxvTi. ?.éycv7xi ts Tpsrstvxi x>.>.vt?.:i: c ;/.b tiixxy"hpx 7y.s-~Lx.7hx1 tx <\>xivc,u.svx, i Is 'Apxtx tx (-)■/,:ix.kx. t:Itc 5s xxTxZxyx: S77I vtfDScc* i yxp Sixxvhpo: bxlsxx :'/.x.i: :/.vy.~iz7i ysxTspc: •Qxivstxi. Der Verfasser der vierten Vita las die Anekdote in ungefahr derselben Fassung wie der der ersten, mit dem Unterschiede, dass nicht Antigonos, sondern die Dichter selber sich gegenseitig die Aufgaben gestellt hatten. Darin liegt aber durchaus nicht unbedingt ein YViderspruch, denn die Geschichte kann ja in ihrer vollstandigen Form so gelautet haben, dass die beiden Dichter sich am Hofe des Antigonos stritten und gegenseitig dazu aufforderten, ein Thema aus dem Gebiet des anderen zu behandeln und dass der König sie dazu antrieb und sie beim Worte nahm. Auch der Verfasser der vierten Vita erhebt aus chronologische!! Gründen Einspruch gegen die Geschichte: Nikander sei ganze 48 Jahre jünger gewesen als Aratos. Dieser Einwand klingt an sich gut und gemassigt: Schriftsteller, zwischen denen ein Altersunterschied von 48 Jahren bestand, konnten nicht leicht so mit einander verkehrt haben, wie es in der Anekdote vorausgesetzt wird, und andererseits ist der Unterschied doch wieder nicht so gross, dass man die .Möglichkeit des Wagnisses verneinen mtisste, sie in einer erfundenen Geschichte eben dennoch als Zeitgenossen zusammengebracht zu haben. Es war natiirlich reine Willkür, wenn man früher diese Stelle so auffasste, als habe der Grammatiker sagen wollen, die Geburt des Nikander falie 48 Jahre hinter den Tod des Aratos. Auf eine so unwahrscheinliche Erklarung konnte man nur durch das Bestreben geraten, Einheit in die Ueberlieferung zu bringen, wahrend es doch vollkommen gut denkbar ist, dass die verschiedenen Zeugen iiber das Alter Nikanders Verschiedenes aussagten. Wir müssen uns jetzt die Frage vorlegen, wie und wann die Anekdote, die Nikander mit Aratos zusammenbringt, entstanden ist. Die Gelehrten, die sich in der letzten Zeit mit den Viten beschaftigt haben, beantworten diese Frage entweder gar nicht oder in sehr ungenügender Weise. Ernst genommen hat die Anekdote nie jemand ; man muss sich ferner eingestehn, dass der Stil des Nikander und der Stil des Aratos so grundverschieden sind, dass auch im Altertum kein halbwegs vernünftiger Mensch auf die Geschichte dieses Austausches von Gedichten hat hereinfallen können. Trotzdem finden wir sie in drei unserer vier Viten erwahnt, und das, obgleich ihre Vrerfasser sie nicht für glaubhaft halten. Sie liegt sogar in zwei verschiedenen Fassungen vor. Woher dieses Interesse? Wahr ist an der Geschichte, dass Aratos Antigonos gekannt und fiir ihn seine Phainomena geschrieben hat. Daraus und aus den weiteren angeblichen Tatsachen, dass Aratos wirklich Theriaka geschrieben und es auch einen anderen alteren Nikander von Kolophon gegeben habe, der wirklich Mathematiker gewesen, meint z. B. Knaack (Pauly\\ issowa s. v. Aratos), sei die Fabelei entstanden. ') Ks bleibt dann aber doch noch vollstandig unklar, warum sich aus diesen Ansatzen diese Geschichte bilden musste und wie man ihr Gewicht beilegen konnte. Eine erfundene Anekdote muss zur Existenzberechtigung doch irgend eine Tendenz oder Pointe haben. Die richtige Lösung dieses Ratsels hat schon O. Schneider (Nicandrea, S. 10) angegeben; nur hat er sie nicht scharf geinig gefasst und nicht mit hinreichenden Gründen verteidigt. Ich will versuchen, das nachzuholen und seine Erklarung, die, wenn ich nicht irre, heutzutage allgemein verworfen wird, annehmbar erscheinen zu lassen. Aratos hatte bekanntlich seinen Phainomena das "Evc-rpov des Eudoxos zu G runde gelegt. L m dieses in Verse übertragen zu können, musste er natürlich einigermassen den Sternhimmel, wenn auch nur in der Abbildung, studieren. Dass es ihm dabei aber an eigentlichen astronomischen Kenntnissen gefehlt, hatte ) Maass, Aratea, S. 310: adparet Nicandrorum homonymiani cetera errata procreasse. man schon im Altertum beobachtet und dargelegt. Allein diese Erkenntnis war damals nicht allen recht: wenn es sogenannte Gelehrte gab, die Homer als den grössten aller Mathematiker, Geographen u.s.w. betrachtet wissen wollten, wie viel mehr musste es dann Leute geben, die den erfolgreichen Dichter der „Himmelserscheinungen" gegen den Vorvvurf der speziellen Unwissenheit auf seinem Gebiete in Schutz zu nehmen begehrten. Ueber diese Frage haben sich die Grammatiker nicht einigen können, sondern endlos gestritten. Einzelheiten iiber diesen Streit erfahren wir aus der Uiten Vita, 1) in der es hiess, Hipparchos von Nikaia, Dionvsios Thrax und Poseidonios hatten alle die Meinung verfochten, dass Aratos nicht Mathematiker gewesen ; der Verfasser der Vita selber aber bemerkt dazu (leider ohne seine Gewahrsleute zu nennen): „das ist alles grobe Uebertreibung; schon die Tatsache allein, dass Aratos den Eudoxos paraphrasieren konnte, zeigt ihn uns als gediegenen Mathematiker, und wir werden sogar tinden, dass er das meiste besser und genauer weiss als sein Vorganger. Es leuchtet auch ein, dass diese Streitfrage nicht lediglich in speziellen Büchern und in den Einleitungen zu den Ausgaben des Dichters erörtert wurde, sondern dass man sie hauptsachlich in den Scholien selber zura Austrag zu bringen versuchen musste. Es war Sache der Interpretation, im durchlaufenden Kommentar nachzuweisen, ob Aratos seine Quelle getreulich wiedergegeben, ob er Eudoxos' Darstellung verschlechtert oder verbessert hatte. Ich halte für sicher, dass es zur Zeit der guten Gelehrsainkeit notwendigerweise mindestens zwei verschiedene Ausgaben des Aratos mit Scholien entgegengesetzter Tendenz gegeben hat. Aehnlich stand es mit Nikander. Seine Theriaka und Alexipharmaka waren nur dichterische Uebertragungen von Werken des Iologen Apollodoros; seine npoyvwrixx waren eine pstJ-Q?*?'? der gleichnamigen hippokratischen Schrift für seine Georgika kennen wir die Quelle nicht, aus der er geschöpft, aber dass er persönlich in der Landwirtschaft und der Pflanzenkunde bewandert gewesen ware, wurde im Altertum (gewiss mit Recht) l) Maass, Comm. in Arat. rel. S. 149, Z. 21 ff. S. 143. verneint. Selbstverstandlich hat es daneben auch Verehrer des Nikander gegeben, die gerade einen grossen Xaturgelehrten in ihm sahen, wie er denn bei Suidas auch als IxTfós angeführt wird. Nun gab es, wie wir gesehen haben, eine sehr verbreitete Anekdote, nach der nicht, wie die Menge es glaubte, Aratos Astronom und Nikander Arzt gewesen, sondern umgekehrt, und ferner habe der Zufall es nun einmal so gefiigt, dass jeder von ihnen auf allerhöchsten Befehl auf dem Gebiete tatig sein musste, auf dem nicht er, sondern einzig der andere Bescheid wusste. Ofifenbar war der Zweck dieser Geschichte der, einen geschichtlichen Grund zu erfinden, weshalb beider Gedichte Spuren mangelnder Sachkenntnis aufwiesen. Es wird dies sogar mit einer Deutlichkeit ausgesprochen, die nichts zu wünschen übrig lasst: „und daher kommt es, dass beide auf dem Glatteis der technischen Details gestrauchelt sind." Was erwiderten nun darauf die Vertreter der gegnerischen Ansicht? Sie behaupteten zunachst, die Geschichte sei nicht wahr; aber damit war sie ja nicht aus der Welt geschafft. Sie behandelten sie also genau so, wie man sich mit einem unbequemen Mythus abzufinden pflegte. Sie nahmen die Anekdote herüber, aber ihre Spitze bogen sie um — wie wir das in der anderen uns erhaltenen Fassung sehen können. Darin heisst es namlich, Antigonos habe allerdings den zwei Dichtern Aufgaben gestellt, die gerade nicht für sie passten; aber da seien sie heimlich für einander eingetreten; und so erklart es sich (so lautete natiirlich hier die Schlussbetrachtung), dass in den betreffenden Gedichten alles Technische dennoch vollkommen ist. Eine solche Anekdote muss noch zu einer Zeit entstanden sein, da die Frage nach der Kompetenz oder Inkompetenz des Aratos und Nikander auf astronomischem und medizinischem Gebiet noch lebhaft in Gelehrtenkreisen erörtert wurde, d. h. im Ilten oder im Isten Jahrhundert v. Chr. 1) Die in der Anekdote *) Dass Cicero sie kannte, würde ich, obwohl es an sich sehr gut möglich ware, nicht mit Knaack (Herm. 1888, S. 3x3) auf Grund des de orat. I, 16, 69 Gesagten zu behaupten wagen. enthaltene Zeitbestimmung für Nikander gewinnt an Gewicht, wenn wir uns klar machen, dass sie verhaltnismassig alt sein muss. Der Erfincler braucht es zwar mit der Zeit nicht all zu genau genommen zu haben, aber andererseits konnte er es sich damals doch schwerlich zu Schulden kommen lassen, Nikander etwa um hundert oder mehr Jahre zu friih anzusetzen. Die vierte \rita enthalt am Schluss folgende zwei Satze (Maass, 1.1. S. $26, Z. 14 ff.): nv/ixfAxve Ntx.xvlpx yx'yy, y.x~ kx y.x) X'jtx i\:/.o3x'/ix bspxvs'jovti x'/.x x~j~cv. ojAxt'/'j "hk Qx?i to'jtcj ysvérbxi 'Op-jpov, cl ?£ 'IlnsSsv ,ux/.?.;v. Das im zweiten Satz Gesagte geht nicht auf den im ersten Satz genannten Nikander, sondern auf Aratos. Cf. Vita II: 1,Vi'/.XTyc 5 syevsro rsl '(if&ypixcïi %xpxx.Tijpo£ y.xrx Tyv tx-j svxv rjvbstriy. ew01 §1zuren '/.s'/inrfj 'I Iti: qcj y.iy.y,Tv,'j ysyovhxi y.r/.. Aber auch der erste Satz steht ausser jedem Zusammenhang. Am Schluss dieser V ita stehen also zwei verschiedene, wohl aus anderen Quellen nachtraglich angegliederte kurze Zusatze. Der erste dieser zwei Nachtrage ist vielleicht nichts als ein sehr zusammengestrichener Zug aus eben derselben Anekdote, die der Verfasser der Vita kurz vorher zitiert und verworfen hat. Der \\ itz dieser Anekdote dreht sich um die angenommene Verwechselung, nach der Nikander nicht Arzt, sondern Mathematiker gewesen. und auch hier wird durch die Wortstellung besonders betont, dass der Nikander, welchen Aratos kannte, Mathematiker gewesen. Als neues kommt hier freilich hinzu, dass Nikander Aratos' Diener, sagen wir: sein Sekretar, gewesen sein soll; aber auch das könnte aus derselben Anekdote stammen, die uns ja überall nur im Auszug mitgeteilt ist. Ist dem so, so geht daraus hervor, dass der Verfasser der Anekdote den Nikander jedenfalls jünger machte als Aratos. l) Maass -) hat hingegen aus unserer Stelle geschlossen, dass es 1) Wenn in Bekkers Anecd. (S. 1165) die Theriaka dem Nikander abgestritten werden, so geht das im letzten Grunde wohl ebenfalls auf unsere Anekdote zurück. 2) Maass, Aratea, S. 310. wirklich einen Mathematiker Nikander von Kolophon gegeben habe. der von dein gleichnamigen Dichter verschieden gewesen. Ich halte es nicht für ganz unmöglich, dass er Recht hat, und die Möglichkeit, dass es mehr als einen Schriftsteller Nikander gegeben haben könnte, würde ja auch ohne dies an sich sorgfaltige Erwagung verdienen; aber es ist m. E. verfehlt, zu wahnen, in dieser Stelle dafiir den absoluten Beweis zu finden. Man weiss namlich nicht recht, ob man ihr als einem selbstandigen Zeugnis eigenen Wert beimessen darf, denn Alles, was hier steht, ist ja möglicherweise aus der bekannten Anekdote geflossen J). Xic. Ther. 3: 0^-' 'Epw3pet ,uêpv/,rxi r:-j EpfuiruvxKTe? x: irpe fuppxxuv, Sfr,piu.xa. (oder Svpinutjisix, was wahrscheinlich richtig ist. Es bleibt dann aber fraglich, ob Aratos wirklich 5/^caxa geschrieben hat; denn das könnte ja wieder aus unserer Anekdote stammen. Man könnte auch lesen : rivSt».» fxp/ixxw, dvtpmxi. sTrtTnirj/txTx; cf. der Titel des Werkes des Vindanius Anatolius: m»«y«yü y!(,fy,XM, irrj vj'j.'/.t'jiv. jiinger sei als Philitas, der etwa von 340 bis 285 oder 283 gelebt hat1). Diese Vorstellung ist sicher richtig; aber der Schluss, den er daraus zieht, ist unzulassig. Philitas und Hermesianax, sagt er, waren Zeitgenossen; wenn also Nikander jünger ist als Philitas, so kann er auch Hermesianax nicht gekannt haben. Das ist unrichtig, denn Hermesianax war ein jüngerer Zeitgenosse des Philitas und hat diesen nachweislich überlebt. Nikander, so fahrt er fort, führt Hermesianax, in seinem Werk über die kolophonischen Dichter als einen alteren, d. h. als einen bereits verstorbenen Schriftsteller an: folglich kann er ihm nicht eins seiner Werke gewidmet haben. Wiederum ein falscher Schluss, denn N ikander könnte doch sehr wohl in seiner Jugend Hermesianax noch gekannt und ihn spater in einem Buch unter den verstorbenen Dichtern seiner Heimatstadt aufgeführt haben. Aehnlich hat ja z. B. Hermesianax selber seinen alteren Freund Philitas unter den früheren Liebesdichtern genannt. ~) Das Scholion ist also für die Bestimmung des Alters des Nikander zunachst wertlos; halten wir nur soviel fest, dass es unter den Grammatikern welche gegeben hat, die meinten, Nikander könne dem Hermesianax sein Werk noch gewidmet haben. und andere, die dieses verneinten. Vita Nicandri (Schol, in Nic. Ther. ree. Keil, S. 3): %pzvx'Zs êyévstc v.y-y. "Attz/.cï tvj tsXsutxïov xpi-xvrx ïlipyxfisu, 'l: kxt£ï.ó5*i ■j-z'; Vxpxiom, :c irpcvQuvel '/.syx'j s:jtxs' Tev$pxvfè>ic, x y./.ij:cv xit TXTpaiov h%xi/, •/Jy./.ubi, xpy/ittm x-z ovxtoc uptvov èpv^yi?, \rrx'/.\ èirei 'piZxv «róeAiw 'HpxKhijss èbsn \-j7iliy.y,: ts xspi^pivoe, :/,n {\e>,c-y,i: 'bTTTOdXfiei' S$-J7£V7SV, ST~ 'Ax/3c? ïjpXTS Tlfiyjl/ Suidas s. v. Ntxxvlpoc:... ysyovx? xxrx tov vêov "AttxXov iiyoii> TOV TSÏ.SVTXÏOV, TOV YX}>XT0VIKV,V, OV 'PilfAXÏOt X.XTSÏ.VTXV. Diese zwei Stellen müssen zusammen betrachtet werden, weil l) Susemihl, Gesch. der griech. Litt. in der Alex. Zeit, I, S. 176. -') Athen. XIII. 597, e, f. VOLLGRAFF, Nikander und Ovid, I. 2 sie ofifenbar auf dieselbe Quelle zurückgehen. Das beweist, abgesehen von den Uebereinstimmungen im Wortlaut, das Vorkommen desselben historischen Fehlers in beiden. Attalos III ist bekanntlich nicht von den Römern gestürzt worden, sondern hat das römische Volk zu seinem Universalerben eingesetzt. Dass der G'ewahrsmann, von dem unsere zwei Lebensbeschreibungen abhangig sind, dieses nicht wusste, kennzeichnet ihn als einen ungelehrten Mann. Hei Suidas wird ausserdem noch Attalos III mit Attalos I verwechselt, wenn man nicht (was sich nicht sicher entscheiden lasst) mit O. Schneider (cj) Tx?,xtoi/ixviv schreiben soll. Mit der Verlegung des Xikander in die Zeit Attalos' III >steht die schlechte Ouelle, der sie verdankt wird, in unserer Ueberlieferung allein. Aus den angefiihrten Y'ersen mit der Anrede an einen König Attalos von Pergamon ist leider nicht klar ersichtlich, an welchen Fürsten dieses Namens sie gerichtet waren. Sowohl Attalos III als Attalos II und Attalos I haben so angeredet werden können, dieser letzte allerdings nur wahrend eines bestimmten Abschnittes seiner Regierungszeit, aber da gerade war diese Anrede sehr passend und vielsagend. Attalos' I ~x-fxioc sein angestammtes Land war die Stadt Pergamon mit der umliegenden Landschaft. Er selbst hatte durch seine Lroberung Kleinasiens im J. 228 das grosse pergamenische Reich gegründet. Diese Machtstellung behauptete er zunachst ungeschmalert bis 222. J) Dann verlor er in einem unglticklichen Kriege alle seine F>oberungen und sah sich wahrend einer Reihe von Jahren tatsachlich abermals auf das kleine, ihm von seinem Vater nachgelassene Gebiet beschrankt (cf. Polyb. IV, 48, 2: ■j~ A%xioïi Tj-js/.vj.xijA'ji: sh rt)v vxTpxxv xp%jy), bis es ihm vom J. 218 an gelang, sein Königreich (darunter aucli Kolophon -) w iederzugewinnen. Vorausgesetzt also dass Xikander diesen P ürsten mit den Worten: ':c xtijpov xè 7rxTpxis> h%si: anredet, so müsste der Vers zwischen 222 und 218 geschrieben sein. Vor dieser Zeit ware das darin Gesagte zu selbstverstandlich gewesen, um ein Lob sein zu können, nachher aber hatte es die x) Niese, Gesch. der griech. und maked. Staaten, II, S. 172. -) Polyb. V, 77, ; f. peinliche Erinnerung an Attalos' vorübergehende Emiedrigung wachgerufen. Wahrend dieser Zeit aber waren die Worte ara Platz als ein Zeichen der Anhanglichkeit des Dichters an den damals so hart bedrangten Fürsten von Pergamon. Das Ergebnis der Priifung der litterarischen Nachrichten über das Leben des Nikander lasst sich dahin zusammenfassen, dass sie mit einander nicht übereinstimmen und wir mit ihrer Hülfe allein die Frage nach Nikanders Alter, auch wenn wir sie noch so sorgfaltig gegen einander abwagen, nicht endgültig zu entscheiden vermogen. Wir wenden uns jetzt zu der delphischen Inschrift, die zuerst Licht in diese Finsternis gebracht hat. B. C. H. 1882, S. 217 f.; S. G. D. I. II, 2653: "Ayxbx rj%$. Asï.ipo) itiuxxv fiixxyèpu 'Avxi-xyópov Kc'/.oCpxviq stiuv TCiy,Tx x-jtcc tcx) èyyivoic jrpo^evlxv, TrpoftxvTeixv, xvuKtxv, irpoütxixv, xrsteixv txvtccv, irpoeèpl&v h KXVTST^t rofc xyccvoic, ck x iró/.ie tïbvtti, y.xi tx'/.'/.x otx xx) x>./.oic Trpot-évoic xx) svspyérxi? txs ■zi'/.tc: txv Aï/.Szy. xp^ovroc "Nixciïxpiov, fiouhevcvTW ' Aptrravoe, NlXCr)Xf/.OU, n/.siTTXVOC, zévuvoe, 'ETTl%Xpfèx. Nachdem der erste Herausgeber dieser wichtigen Urkunde sie noch nach Nikander datiert hatte, den er, wie man damals allgemein tat, in das Ilte Jahrhundert setzte, erkannte zuerst Pomtow l), dass die Fünfzahl der eponymen Buleuten sie unbedingt in das Illte jahrhundert weise, und zwar glaubte er damals sie dem letzten Drittel dieses Jahrhunderts zuteilen zu müssen. Er hob auch hervor, dass damit die alte Frage nach dem Alter des Dichters nunmehr entschieden sei. Die Datierung der Inschrift hat dann spater noch insofern eine Berichtigung erfahren, als es sich herausstellte, dass sie etwas zu niedrig gegriffen war. Anstatt des letzten Drittels kommt vielmehr das zweite Drittel oder die Mitte des IIIten Jahrhunderts in Betracht. Für eine frühere Datierung der Gruppe delphischer Inschriften, zu der auch das Proxeniedekret für Nikander gehort, ist Beloch ') Rhein. Mus. 1894, S. 582; Jahrbb. f. klass. Phil. 1896, S. 630. mit Recht eingetreten. l) Ob er freilich Recht hat, vvenn er unsere Inschrift genau in das Jahr 258/7 setzt, kann erst die Zukunft lehren, wenn das betreffende inschriftliche Material, das wir heute nur zum Teil kennen, vollstiindig veröffentlicht und verarbeitet sein wird. Prof. H. Pomtow hatte die Güte, mir mitzuteilen, dass man sich seiner Ansicht nach vor der Hand damit begnügen muss, die Nikander-Inschrift zwischen 260 und 230 anzusetzen; mit diesem Ansatz stimme auch die Handschrift iiberein; eine genauere Datierung sei zur Zeit noch nicht möglich, die von Beloch behauptete Identitat des Xikodamos-Archontats unserer Inschrift mit dem der Soterienlisten sei unbewiesen, und man müsse aus verschiedenen Griinden zwei Xikodamos-Archontate im Uiten Jahrhundert für wahrscheinlich halten. Das Material für die folgende Zusammenstellung der Xachweise für das Alter der am Ende der Nikander-Inschrift aufgeführten Beamten verdanke ich ebenfalls Herrn Pomtow: Xikodamos war Hieromnemon unter dem Archontate des Archiadas (273). .> » Buleut „ „ „ „ Athambos (270). » ,, „ „ „ „ Androtimos (268). >, ,» ,, „ „ „ „ Aristagoras (262). Ariston „ Archon um 268 2). ,, 1, Buleut „ „ „ „ Eudokos (272). » ,, ,» „ „ „ „ Emmenidas (260). Pleiston „ „ „ „ „ „ Athambos {270). » » >, „ „ „ „ Kallikles(266u.239). » » » „ ,, „ „ Xenochares (244). Xenon „ „ „ „ „ „ Herakleidas (287). » >» », „ „ „ „ Kallikles(2Ó6u.239). » » „ „ „ „ Aristagoras (262). » » „ „ „ „ Emmenidas (260). » » » ,, „ „ Dion (258). Beloch, Griech. Gesch. III, 2, S. 322 ft'.: die delphische Amphiktionie im Illten Jahrhundert. '-) Klio, VII, S. 432. Xenon war Buleut unter dem Archontate des Athanion (248). » » » i! „ „ Ainesidas (247). » » » » „ „ „ Damotimos (242) !). In Anbetracht dieser Daten kann ich mich, ohne irgend etvvas entscheiden zu wollen, des Eindruckes nicht erwehren, dass das Datum der delphischen Nikander-Inschrift mehr in der Xahe von 260 als von 230 zu suchen ist. Pomtow und Beloch haben betont, dass durch die Entdeckung der delphischen Inschrift die Streitfrage über das Alter des Xikander zu Gunsten Volkmanns und gegen O. Schneider und die bisherherrschendeMeinungentschieden worden ist. Xachdem dieser feste Anhaltspunkt einmal gewonnen, lasst sich nun auch von der oben behandelten litterarischen Ueberlieferung ein ganz anderer Gebrauch machen, als vorher erlaubt war. Das hat Beloch -) in dankenswerter Weise getan: es leuchtet jetzt ein, dass die Ouelle der Vita Xicandri und des Suidas wahrscheinlich Attalos I mit Attalos III verwechselt hat, dass die Angabe des Grammatikers, nach der Xikander unter Ptolemaios V (K) lebte. richtig ist, falls er Ptolemaios III (P) (247—222) genannt hat, und dass Xikander, wenn auch kein Altersgenosse, so doch noch ein jüngerer Zeitgenosse von Hermesianax, Theokrit, Aratos und Antigonos Gonatas gewesen ist. Beloch hat m. E. auch richtig bemerkt, dass der Altersunterschied von 12 Olympiaden, den die vierte Vita des Aratos zwischen Aratos und Xikander statuiert, nach dem Regierungsantritt des Antigonos (276) und der Gründung des Reiches des Attalos (228) berechnet sein kann. Alles das würde, wie gesagt, einleuchtend und die ganze •) Zu beachten ist, dass die Nikander-Inschrift zwei Beamten des Namens Nikodamos nennt. Es hat auch einen Buleut Nikodamos unter dem zweiten Archontate des Aristagoras (222) und einen desselben Namens (WescherFoucart, 384, 19) gegcben; das werden aber andere sein. — Ein Beamter Epicharidas findet sich für das lllte Jahrhundert in Delphi nur an unserer Stelle. — Der Buleut unter dem Archontate des Straton heisst , wie eine genauere Prüfung des Steines gelehrt hat, in Wirklichkeit Deinon, nicht Xenon. 2) Beloch, Griech. Gesch. III, 2, S. 486 ff. Frage damit endgültig entschieden sein — wenn man nicht genötigt ware, die Möglichkeit in Erwagung zu ziehen, dass es mehr als einen Dichter Xikander von Kolophon gegeben hahen könnte. Einen positiven Grund, dieses zu behaupten, hat man allerdings nicht. Die Verschiedenheit, die sich zwischen dem delphischen Dekret und einer Verszeile des Dichters selber (in der \ ita) in Bezug auf Xikanders Vatersnamen ergibt, kann nicht als ein solcher betrachtet werden, obgleich sie natürlich an sich Beachtung verdient. Nach der Steinurkunde war Nikander Sohn des Anaxagoras, sich selber soll er aber (und wir hatten nicht den geringsten Grund, diese Ueberlieferung anzuzweifeln) als den Sohn des Damaios bezeichnet haben. Dass die Worte des Dichters über seinen \ ater Damaios „in figürlichem Sinne" gemeint sein könnten, kann man Beloch nicht glauben. Es bleibt aber wohl noch ein anderer Ausweg iibrig: Xikander kann ja Sohn des Damaios gewesen und von Anaxagoras adoptiert worden sein, oder umgekehrt. In Priestergeschlechtern, in denen, wie es im Geschlechte Xikanders der Fall war, das Amt und die damit verbundenen Einnahmen erblich waren, 1st die Adoption naturgemass sehr hauhg gewesen. VVenn Xikander bei Suidas ein Sohn des Xenophanes heisst, so lasst sich darüber leichter hinweggehen, weil diese Angabe offenbar, wie Beloch gesehen hat, auf der Verwechselung zweier Namen beruht, die jeder Gebildete als die zweier alten ionischen Philosophen kannte. Der oben erwahnte Widerspruch aber zwischen Xikander selbst undeiner offiziellen, auf ihn bezüglichen Urkunde ist wohl dazu geeignet, wenigstens die t rage aufkommen zu lassen, ob es nicht zwei mit einander verwandte Dichter des Xamens Xikander gegeben haben könnte, von denen der altere unter Attalos I und der jiingere etwa unter Attalos III gelebt hiitte. Bekanntlich ist eine solche Verdoppelung der Persönlichkeit des Xikander von Maass und Knaack befürwortet worden: beide halten einen jüngeren Xikander für den bekannten Dichter und den Verfasser der uns erhaltenen Lehrgedichte. Wilamowitzstellt dem jüngeren *) Wilamowitz, Die griech. Litt. des Alt. S. 133. Verfasser der Lehrgedichte vermutungsweise einen alteren im aitolischen Delphi tatigen Xamensvetter an die Seite. I )emgegeniiber möchte ich jetzt umgekehrt nachzuweisen versuchen, dass es nnr einen Dichter Nikander von Kolophon gegeben haben kann, weil die dem Xikander zugeschriebenen Werke alle denselben Geist atmen und aus inneren Gründen zu derselben Zeit und von derselben Hand geschrieben sein müssen. Ich glaube beweisen zu können, i". dass die Aitolika und was damit zusainmengeht im Illten Jahrhundert von dem in Delphi geehrten Dichter Nikander verfasst worden sind; 2". dass die Heteroiumena von dem Verfasser der Aitolika herriihren; 3". dass auch die Georgika demselben Autor zuzuschreiben sind ; 4". dass auch die 1 heriaka und Alexipharmaka die Hand desselben Autors verraten. Sollte dann vielleicht noch jemand auf Grund des am Schluss der vierten Aratvita Gesagten daran festhalten zu müssen glauben, dass es auch einen Mathematiker Xikander aus Kolophon gegeben hat, der ja auch einmal Verse gemacht haben könne, und diesem vermutungsweise einige von den nikandrischen Werken zuteilen wollen, die wir nur dem Titel nach kennen, so würde daran weiter nichts liegen. Es lasst sich namlich aus dem Xachlasse Xikanders erweisen, dass nicht nur in seinen dem Titel nach auf Xord-Griechenland bez.üglichen Schriften, sondern auch in den 'ETspoioóftsvx und Vexpyixz griechische Sagengeschichte in einer Weise erzahlt wird, wie man sie schlechterdings nur vom aitolischen Standpunkte um die Mitte des Uiten Jahrhunderts darstellen konnte. Diese Anschauung ist meines \\ issens neu; ') gleichwohl sind die ') Gruppe, Griech. Myth. S. 347: Die (aitolische) Sage war (im VI. und \ . Jahrh.) tot und wurde auch durch die zweite politische Blüte des Landes, die in das III. Jahrh. v. Chr. fallt, nicht wieder belebt. Pomtow, Rhein. Mus. 1894, S. 582, A.2 : Aus Nikanders Fragmenten ist... keine Vorstellung \ on dem \\ ert seiner Atrw/ty.% oder ahnlicher epischer Leistungen zu gewinnen. Bexveise für sie unschwer zu beschaffen. Bevor ich diese der Reihe nach aufführe und erörtere, sei es mir gestr.ttet kurz daran zu erinnern, dass dem aitolischen Bunde zu Nikanders Lebzeiten in Nord-Griechenland folgende Landschaften und Stadte angeschlossen gewesen sind: Westliches Lokris, Phokis, Doris, östliches Lokris, Oitaia, Herakleia, Ainis, Dolopia, Malis, Phthiotis, Thessaliotis, Hestiaiotis 1), ein Teil Akarnaniens, Ambrakia. Ferner sind damals auch einige Landschaften und Insein dem Bunde in irgend einer loseren Weise angegliedert oder doch jedenfalls eng mit ihm verbündet gewesen, namlich Elis, Messenien, Boiotien (245—239 und dann zum zweiten Mal zwischen 229 und 223), Kephallenia, Keos, Knossos. Unter den acht in Schneiders Nicandrea auf die Airx/.txs. beziiglichen Angaben antiker Schriftsteller giebt es vier, vermittelst derer wir die tendenziösen Absichten des Dichters deutlich erkennen können. Im ersten Buche dieses Werkes hatte Xikander (Schneider,frg. 2) geschrieben, Glaukos, von dem Apollon nach ihm die Mantik erlernt haben sollte 2), habe, als er einmal in Aitolien auf der Jagd war, auf dem dortigen Berge 'Cipsiy das Zauberkraut gefunden, dessen Genuss ihn unsterblich machte. Diese sonst unbekannte Lokalisierung der Sage des Glaukos ware nicht nur vor dem Uiten Jahrhundert den Griechen geradezu liicherlich vorgekommen, da sie sich schwerlich hatten vorstellen können, dass der Fischer Glaukos aus Anthedon einmal in einer so unwirtlichen Gegend wie das aitolische Gebirge auf die Jagd gegangen ware, sondern es fallt sogar schwer, sie als eine zur Zeit des Nikander bestellende und von ihm aufgenommene aitolische Lokalsage gelten zu lassen. Vielmehr wird sie Nikander selbst erfunden haben; die Tendenz aber erscheint, wie man gleich aus diesem ersten Beispiel ersieht, ziemlich stark aufgetragen. Das zweite Beispiel ist gewiss nicht weniger krass. Nach ') Beloch, Griech. Gesch. III, 1, S. 661; III, 2, § 145. ■) Xach anderen hatte Apollon die Weissagekunst von Pan gelernt (bibl. Apoll. I, 22 ; hypoth. Pind. Pyth.). seinen eigenen erlialtenen Worten behauptet Xikander im selben Buche (Schneider. frg. 5), die verschiedenen griechischen Orte mit dem Beinamen Ortygia: Delos, Ephesos ') und die Altstadt von Syrakus (und vielleicht noch andere mehr) seien sammtlich von Aitolien aus besiedelt worden und leiteten die ihnen gemeinsame Bezeichnung von der aitolischen Landesgöttin Artemis Ortygia lier. Ist es nicht einleuchtend, das nur die grosse Machtstellung des aitolischen Bundes im Uiten Jahrhundert eine so kühne dichterische Erfindung überhaupt annehmbar hat erscheinen lassen können ? Die dritte Stelle (frg. 6, 7) kann als Beleg dafiir gelten, dass Xikander, wie oben bereits gesagt worden ist, in seiner aitolischen Sagengeschichte auch andere zum Bunde gehorige Landschaften mythologisch mit Aitolien verknüpft hatte. Xach Xikander stammte namlich der Name der " ar £}.•/, jx cpvj bei Trachis daher, dass Selene dort mit Endymion das Beilager zu vollziehen pflegte, was zur Folge hatte. dass die übrige Welt unterdessen nicht vom Monde beschienen wurde. Endymion gehort nicht nach Trachis, Selene ebensowenig; der Xame der „Mondlosen Berge" wurde von Xikanders Zeitgenossen Rhianos in anderer Weise erklart. Auch hier haben wir es also wieder mit einer kühnen, und dazu noch sehr geschraubten Xeuerung des Dichters zu tun. Welche Absicht er dabei verfolgte, wird ohne weiteres klar, wenn man bedenkt, dass Endymion allgemein für den Vater des Aitolos galt. Endlich sagte Xikander in seinen Alrx'/.iyJt, auf Ithaka wohnten auch Aitoler von dem Stamme der ïüpxiTxve: (frg. 8). Dieses hatte er freilich nicht erfunden, sondern er konnte sich dafiir auf die Autoritat des Aristoteles berufen. Es ist aber sehr bezeichnend, dass er gerade diesen Zug aus der alten Stammesgeschichte aufgegriffen hat, vermittelst dessen die Ansprüche der Aitoler auf die Hegemonie über die ionischen Insein gestützt werden konnten. Ich ware weiter geneigt auch einen bei Athenaios erhaltenen Plin. N.H. V, 115. Vers des Xikander (Schneider, frg. 86) liierher zu beziehen: O hele i' h x-cb/.rix: IsTxeTViii chsv £K./.y,7sy. Demnach hatte Xikander den aitolischen König Oineus als ersten die von Dionysos geschenkte Weintraube in hohle Becher ausdrücken lassen und ihn so zum Erfinder des Weines gemacht, den er nach sich benannt haben sollte. Vielleicht war das aitolische Lokalsage; es steht auch Hyg. fab. 129; sonst macht auch diese Erfindung Dionysos (Diod. V, 75). Wenn aber Xikander diese Erzahlung in sein Werk aufnahm und den Wein dadurch zu einem ursprünglich aitolischen Getrank stempelte, so zeigt das wieder, wie nahe ihm der Ruhm Aitoliens am Herzen lag. Volkmann1) hat dieses Fragment vermutungsweise den Heteroiumena, Schneider den Georgika zugeteilt. Wenn eins von beiden richtig ware, so lage darin m. E. bereits eine Andeutung, dass das betreffende Gedicht vom selben Xikander herrühre, der auch die AWzhr/J: gedichtet hatte. Wir haben aber mindestens ebensoviel Grund, uns den Vers als den A selber entnommen z.11 denken. Dafiir lasst sich auch folgendes noch anführen. Im ersten Buche der A)tx}.lx.z (Schneider, frg. 1) hatte Xikander den Xamen gewisser Becher der alten Zeit, XiiTrjfiix, dadurch erklart, dass noch zu seiner Zeit im Heiligtum des Zeus zu Didyma die Spende mit Epheublattern (y.i77;ïi 7reTxhci!7iv) vollzogen wurde. Man hat sich gefragt, wie das inhaltlich mit dem von Xikander behandelten Stofif, also mit der aitolischen Mythologie, zusammenhange. Da jeder wirkliche und natürliche Zusammenhang offenbar fehlt, scheint die einzig mögliche Erklarung darin zu bestehen, dass es dem kleinasiatischen Dichter behagt hat, den heimatlichen Kultgebrauch künstlich in sein Gedicht zu verflechten. Dass die Vorliebe für kleinasiatische Mythen und das Bestreben, diese mit Sagen aus dem Mutterlande zu verknüplen und zu verweben, bei Xikander vorhanden war, werde ich weiter unten zu zeigen versuchen. Ximmt man nun an, dass der im Vorigen angeführte Vers wirklich den AÏtxï.ixx ') Volkmann, De Xicandri Colophonii vita et scriptis, S. 32. entstammt, so ergiebt sich auch ungesucht eine mögliche Erklarung dafiir, wie Xikander das über die y.ivrjfiix Gesagte in sein Werk eingefügt hatte: er könnte namljch erziihlt haben, die altesten Becher seien im griechischen Klein-Asien, der Wein in Aitolien erfunden worden. Wie dem aber auch sei (denn wir kommen hier nicht über Vermutungen hinaus), so erweisen doch jedenfalls die drei oben zuerst angefiihrten Stellen vollkommen die von Xikander in seinen \tTxhixx verfolgte aitolerfreundliche, ja sogar panaitolistische Tendenz. Ist dieses aber erst einmal für die Xlrxkixx als wahr erkannt so hat es selbstverstandlich auch von den Ohx'ixx und den (-)yj3xixx zu gelten. \\ as die ersteren anbetrifft, lasst es sich sogar wieder ganz bestimmt beweisen. Aus den OIrx'tx;. sind bei Athenaios zwei Fragmente erhalten, bei denen es nicht erkennbar ist, auf welche Sagen sie sich beziehen (frg. 16, 18). üaneben haben wir aber noch Zeugnisse über zwei Mythen, die in dem Gedichte behandelt waren und die sich beide auf Herakles beziehen. Letzteres ist nur natiirlich, da Herakles sich ja nach der gelaufigen Form der Sage im Oite-Gebirge in den Flammentod gestürzt hatte. Zugleich aber erhalten beide Stellen wieder je einen Hinweis auf Aitolien. Erstens hatte Nikander namlich im ersten Buche der Ohxïxx (frg- IS) erziihlt, dass Herakles die Boreaden aus Rache dafür getötet habe, dass ilir Vater Boreas ihm auf seiner Fahrt nach Kos so arg zugesetzt habe. Als Heimat der Boreaden aber galt gelegentlich Aitolien (Gruppe, Griech. Myth. S. 556, A. 1). An und für sich ware das freilich nur ein schwacher Hinweis. Zweitens hatte aber Xikander im zweiten Buche der Oirx'ixx (frg. 17) die bekannte Geschichte erziihlt, wie Herakles aus Versehen den Mundschenken des Oineus getötet habe. Wie wir nun wissen, galt gerade dieser Mord für den Grund, weshalb Herakles mit Oineus' 1 ochter Deïaneira, die er zur Gemahlin erhalten hatte, Aitolien verliess und sich zu Keyx nach Trachis am Fuss des Oite-Gebirges begab (Apoll. bibl. II, 150). Aus den zwei Stellen zusammen geht also hervor, dass in den Ohx'txx der letzte Teil des Lebens des I lerakle., welcher wahrscheinlich den Hauptinhalt des VVerkes bildete, derart erziihlt war, dass der Held frühestens im zweiten Buch im Oite-Gebiet überhaupt erschien, wahrend also im vorigen nur noch von seinem vorhergehenden Aufenthalt in Aitolien die Rede war. Der aitolischen Sagengeschichte war also auch in den O hxïxx nachweislich ein sehr bedeutender Platz eingeraumt worden. Xikander hatte noch hinzugefügt, Herakles habe dem von ihm getöteten Kj'athos in der aitolischen Stadt Proschion ein Temenos geweiht, wo dieser noch zu des Dichters eigener Zeit als Oho%óc? verehrt werde. Auch hierin ist wieder ein neuer Beweis für das hervorragende Interesse des Verfassers an den Sagen und Kuiten des aitolischen Landes zu erblicken. Wenden wirunsjetzt zuden Heteroiumena. In der \\stx;j.o:c7sx vvvxyuyj des Antoninus Liberalis, welche 41 Verwandlungssagen enthalt, findet sich bei 22 die Notiz, dieses stehe bei Xikander in dem und dem Buche der Heteroiumena. Ueber den Ursprung dieser Scholien, welcher verschieden beurteilt worden ist, habe ich meine von der Ansicht Bethe's abweichende Meinung in meiner Rezension von Lafaye's „Métamorphoses d'Ovide" (Revue des Etudes anciennes, 1905, S. 401 ff.; cf. Bethe, Hermes, 1903, S. 608 ff.) ausgesprochen und begründet. Die Angaben rühren, wie man auch friiher richtig gesehen hat, von einer anderen Hand als der des Verfassers des Büchleins her, und besagen, dass die betreffende Geschichte von dem und dem Schriftsteller behandelt worden sei, nicht aber, dass sie sich auch in allen Einzelheiten genau entsprechend bei dem oder den Genannten vorfinde. VVenn wir zum Beispiel zu der Geschichte des Battos (23) notiert finden, sie stehe, nach dem Zeugniss des Pamphilos, bei Xikander, Hesiod, Didymarchos, Antigonos und Apollonios Rhodios, so hatte selbstverstandlich jeder der hier genannten fünf Schriftsteller den Mythus in seiner Art, das heisst wieder in einer etwas anderen Fassung als seine Vorganger erziihlt. Genau genominen erhalten wir durch Antoninus Liberalis also nur eine Liste von 22 in Xikanders Heteroiumena behandelten mythologischen Themata. Trotzdem wird aber doch in den meisten Fiillen auch die Form der Sage, wie sie bei Antoninus vorliegt, der von Xikander befolgten entsprechen: dafür spricht im Allgemeinen sehr stark die innere Wahrscheinlichkeit, wenn man auch festhalten muss, dass von vornherein in dieser Hinsicht für jeden einzelnen Fall niemals eine absolute Sicherheit vorliegt. Von den erwahnten 22 Verwandlungssagen geboren 15 nach Nord-Griechenland: Ant.Lib. 2. 12 Meleagrides, Kyknos Aitolien 2 „ „ 9,10,25,27,29 Pieriden, Minyaden, Boiotien 5 Koroniden, Iphigenia, Galint Ilias. „ „ 8 Lamia oder Sybaris Phokis 1 „ „ 38 Lykos Phokis, Lokris! 1 „ „ 26 Hylas Trachis 1 „ „ 32 Dryope Oite 1 „ „ 22 Kerambos Malis 1 „„13 ; Aspalis Phthiotis 1 „ „23 Battos Magnesia, 1 Messenien „ „ 4 Kragaleus Ambrakia : 1 15 Die 7 anderen verteilen sich auf folgende Landschaften: Ant. Lib. 1 Ktesylla Keos 1 „ „ 17 Leukippos Kreta 1 „ „ 31 Messapii Messapien 1 „ „ 30 Byblis Milet 1 „ „ 35 Leto und die Bauern Lykien 1 „ „ 24 Askalabos Attika 1 „28 Typhon ? 1 7 Es ergiebt sich also für Nikanders Heteroiumena zunachst rein statistisch eine auffallig starke Bevorzugungnordgriechischer Sagen. Diese kann aber, in einem Werke, welches seinem Titel und Wesen nach nur eine Sammlung von irgendwelchen irgendwoher stammenden Metamorphosen erwarten lasst, unmöglich auf Zufall beruhen. Zudem lassen einige Geschichten auch durch ihren Inhalt und ihre Fassung die Tendenz des Autors deutlich erkennen. Die Sage der Dryope findet sich zum Beispiel bei Antoninus Liberalis 32 (Irropeï 'Sixx'Apo? sTspsievfiévuv x') folgendermassen erzahlt. Dryops, der Sohn des Spercheios. war König im OiteGebiet und hatte eine einzige Tochter Dryope, welche, als sie bereits mit Andraimon, dem Sohne des Oxylos, verheiratet war, dem Apollon den Knaben Amphissos gebar. Dieser wurde König in einer von ihm nach dem Gebirge Oite benannten Stadt, seine Mutter aber verwandelten die Hamadryaden, deren Gespielin sie als Madchen gewesen, in eine Nymphe. Amphissos erbaute dein Apollon einen Tempel im Dryoperlande und gründete auch den Nymphen ein Heiligtum, woselbst er als erster Wettlaufe abhalten liess, die auch in spaterer Zeit noch fortbestanden. In Antoninus' Auszug ist leider nicht gesagt, wo die betreftenden Heiligtiimer des Apollon und der Nymphen lagen, worauf ursprünglich doch gerade sehr viel ankam, und es fehlt noch ein weiteres: Amphissos ist der Eponyme der lokrischen Stadt Amphissa, es müsste also hervorgehoben sein, dass er diese griindete. Vielleicht lag dort das Nymphenheiligtum. Ausser den erwahnten Gründungen enthalt ntin die hier erzahlte Geschichte, da die Metamorphose der Dryope ebensogut fehlen könnte und die Verwandlungen des ihr nachstellenden Apollon nur dichterischer Schmuck sind, eigentlich nichts als eine Genealogie. Diese hat aber offenbar eine bestimmte Tendenz. Pausanias (X, 38, 4, 5) nennt in Amphissa die Graber der Amphissa und des Andraimon; einen Amphissos nennt er nicht; einen Heros dieses Namens gab es also in Amphissa selbst nicht. Die Heroine Amphissa heisst bei Pausanias Tochter des Makar und Enkelin des Aiolos, was also auch keine ursprünglich lokrische, sondern eine unter altem boiotischem Einfluss entstandene Genealogie ist. Höchst wahrscheinlich hat in der Stadt selbst neben Amphissa auch Andraimon als Gründer gegolten. Andraimon nun findet sich bekanntlich in den alten Stammbauin der aitolischen Könige aufgenommen: Oineus I Gorge — Andraimon Thoas I Haimon oder Andraimon II I Oxylos Hieraus ersehen wir, das es eine Zeit gegeben hat, wo die Aitoler unter lokrischem Kinflusse stolz darauf waren, den Heros von Amphissa zu den Ahnen ilires Königsgeschlechtes zu rechnen (cf. Gruppe, Griech. Myth. S. 345 f.) Die auf Nikander zurückgehende Fortsetzung dieses Stammbaumes: Oxvlos Dryops ] I Andraimon — Dryope I Amphissos giebt ein gerade entgegengesetztes Verhaltnis wieder: sie macht einen neu erfundenen Eponymen von Amphissa zum Enkel des bekannten Aitolerfürsten Oxylos. Eine solche Genealogie ware vor dem Jahre 300 undenkbar gewesen; erst als Amphissa aitolisch geworden war, konnte sie erdichtet werden. Einen nicht weniger jungen Ursprung verrat die Geschichte des Kragaleus (Ant. Lib. 4: hropeï Six.x-A:c: hepsic-jftêvoiv x' v.xi \bx-yy.lx: '\fii3pxxixsle). Zu einem Sohne des Dryops namens Kragaleus, der im Dryoperlande bei den „Badern des Herakles" wohnte, ') kamen eines Tages, wahrend er seine Rinder weidete, Apollon, Artemis und Herakles uncl wahlten ihn zum Schiedsrichter in ihrem Streit um den Besitz der Stadt Ambrakia. Die Griinde, welche jede Partei vorbrachte, werden ausführlich mitgeteilt. Apollon behauptet, die Stadt müsse ihm gehören, weil sein Sohn Melaneus, der Dryoperkönig, ganz Epeiros erobert ') »Bader des Herakles» hiess die Ouelle an den Thermopylen und dort wohnten Dryoper, wie denn Dryops Ant. Lib. 32 auch Sohn des Spercheios heisst. Allein der Name kam auch sonst in Griechenland vor und es gab auch in Epeiros Dryoper; nach Ovid, Metam. XIII, 713 f. stand der Stein, in den Kragaleus verwandelt worden war, in Ambrakia. habe; dessen Kinder seien Eurytos und Ambrakia, nach der die Stadt lieisse. Abgesehen von seinem Rechte, habe er sich auch fortuahrend um die Stadt verdient gemacht. Auf sein Geheiss seien die Sisyphiden, d. h. die Korinther, den Ambrakioten in ihrem Kriege mit den Epeiroten zu Hülfe gekommen, und auch spater habe er durch seine Orakelsprüche Gorgos, den Bruder des Kypselos, veranlasst die Bevölkerung von Ambrakia durch korinthische Ansiedler zu verstarken. Sodann habe er auch seinen Einfluss angewandt, um die Ambrakioten zu bestimmen, sich gegen den Tyrannen Phalaikos zu erheben, und dessen Anhanger von ihm abtrünnig gemacht; überhaupt habe er die Stadt zu wiederholten Malen vor Krieg und Bürgerzwist bewahrt und dem Rechte und der Gesetzlichkeit seinen Schutz angedeihen lassen. Deshalb feierten ihm die Bürger immer noch Feste und nennten ihn in ihren Gesangen den pythischen Erretter. Darauf nahm Artemis das Wort und erklarte, sie wiinsche sich nicht langer mit ihrem Bruder um den Besitz Ambrakia's zu streiten, aber sie bitte ihn, er möchte ihr die Stadt freiwillig überlassen, weil sie ihr aus folgender Veranlassung lieb geworden sei: als Niemand Phalaikos zu toten wagte, habe sie eine Löwin auf ihn gehetzt, die ihn zerriss, und aus Dank für ilire Befreiung habe dann die Stadt ihr unter dem Namen ",\:rsy.is Hyeusv/; einen Kult gegründet ]). Schliesslich ergrifï auch Herakles das Wort und erklarte, Ambrakia und ganz Epeiros gehörten ihm, denn er habe die Kelten -), Chaoniër, Thesproten und überhaupt alle Epeiroten besiegt, als sie ihm zusammen die Rinder des Geryones abnehmen wollten. Spater seien dann Korinther ins Land gekommen, hatten die früheren Bewohner vertrieben und Ambrakia neu besiedelt. Alle Korinther aber seien Heraklessöhne. Als Kragaleus dieses hörte, wies er die Stadt dem ') Der Tempel der "A-prt/ii; 'Hys//i»n in Ambrakia findet sich Polyaen. VIII, 52 etwa für das Jahr 230 v. Cht'. erwahnt. -) Mit den Kelten (oder den Ligyern) gerat Herakles auf seiner Rückkehr aus Erytheia nach der gewöhnlichen Form der Sage in der Tat in Streit; das hatten diejenigen bedenken sollen, die bei Ant. Lib. das überlieferte K«irw; angefochten haben. Herakles zu, Apollon aber versteinerte ihn dafür in seinem Zorne auf der Stelle. Bei der Beurteilung dieses Götterstreites wird man davon auszugehen haben, dass er die dichterische Wiedergabe irgend einer geschichtlichen Lage sein muss, bei der es sich darum handelte, ob Ambrakia zu einem Staat gehören sollte, der Apollon und Artemis als seine Hauptgötter verehrte, oder zu einem solchen, für dessen Vertreter Herakles gelten konnte. Die Geschichte wird ja vom Dichter selbst nicht eigentlich in die mythische Zeit verlegt, da er Apollon die Gründung der korinthischen Kolonie in Ambrakia erwahnen lasst; er legt dem Gott sogar die Worte in den Mund, man verehre ihn in Ambrakia „sogar jetzt noch" (eri xx) v'jv) als Erretter, was doch offenbar im eigentiichsten Sinne auf die Zeit des Dichters geht! Wenn dieser einen Sohn des Dryops in so spater Zeit leben lasst, so ist das zwar ein wunderbarer Anachronismus, und man kann nur annehmen, dass ein derarliger Widerspruch ihm eben völlig gleichgültig gewesen ist. Ueber das Alter des Tyrannen Phalaikos wissen wir nichts. Xun lehrt die Geschichte, dass gerade zur Zeit Nikanders die Stadt Ambrakia und ihre Umgegend ein heiss umstrittenes Gebiet war. Im J. 294 war die Stadt, nachdem sie zunachst wahrend eines leilsdes iVten Jahrluinderts makedonisch gewesen, epeirotisch und zur Hauptstadt des Königreichs Epeiros geworden. Bald nach dem Sturze des Königtums in Epeiros wurde sie gezwungen, in den aitolischen Bund einzutreten; dieser Lebergang fallt nach Xiese wahrscheinlich 233 oder sonst nach 229, nach Beloch 328. In der Zwischenzeit hat sie jedenfalls einmal aitolische Truppen unter ihren Mauern gesehen, namlich, falls Beloch (Griech. Gesch. III, 1, S. 621) die bei Justin 28,1 erwahnten Kriegsereignisse richtig datiert, um das Jahr 250. Gewöhnlich setzt man sie freilich in das Jahr 239 (Niese, Gesch. der griech. und maked. Staaten, II, S. 264 f.). Wie dem nun auch sei, so glaube ich jedenfalls, annehmen zu diirfen, dass die politische Lage in Akarnanien und Epeiros in der Mitte des Illten Jahrhunderts dem zeitgenössischen Dichter zu seiner Erzahlung die Veranlassung geboten hat. Der Vollgkaff, Nikander und Ovid, i. n pythische Apollon und die aitolische Landesgöttin Artemis, die sich vor dem Schiedsrichter vertragen und also vereint den Anspriichen des Herakles entgegentreten, stehen für den aitolischen Bund. Ihre Bildsaulen, zusammen mit den Statuen ihrer eigenen Strategen, weihten ja die Aitoler auch in Delphi, als es ihnen gelungen war, ihre verhassten Grenznachbarn, die Akarnanen, zu Grunde zu richten (Paus. X, 16, 6). Herakles ist entweder der eigene Schutzgott der Stadt, oder es ist damit das makedonische Königshaus gemeint, das seinen Ursprung von Herakles herleitete ; Epeiros stand ja damals ganz unter makedonischem Einfluss. Mithin ist die ganze Geschichte von Nikander rein erfunden worden; die aitolisierende Tendenz aber tritt auch hier wieder deutlich hervor. Auf Ambrakia hatten die Aitoler gar keine geschichtlich begründeten Rechte. Trotzdem legt Nikander dem Apollon mindestens eben so gute Gründe wie seinem Gegner Herakles in den Mund, und lasst ihn und Artemis nur durch einen willkürlichen Ausspruch des Schiedsrichters um den Besitz der Stadt kommen. Die Verfassung der Metamorphose des Kragaleus, m. a. W. die Herausgabe des ersten Buches der Heteroiumena, fallt also spatetens vor 228: denn nach diesem Datum hatte ja der Schiedsrichter die Stadt dem Apollon (und der Artemis) zusprechen müssen. Falls es richtig ist, dass Herakles für das makedonische Königshaus steht, so ergiebt sich für die Herausgabe auch noch ein wahrscheinlicher terminus post quem. nl. das Jahr 239, denn damals traten die bisher epeirotischen Akarnanen, und also wohl auch Ambrakia in ihr altes Verhaltnis zu Makedonien zurück (Niese, a. a. O. S. 265). Den Fabeln der Dryope und des Kragaleus lasst sich als drittes deutliches Beispiel der tendenziösen Kühnheit, welche Nikander auch in seinen 'Erepotovpevx eignet, die der delphischen Lamia anreihen(Ant. Lib. 8: Axy.ix v, "Zufizuc: hropsï "Sixxylpo: t-ipstoupsvxv l'). Am südlichen Abhang des Parnassos liegt oberhalb des Stadtchens Krissa das Gebirge Kirphis. Da hauste in einer Höhle ein Ungeheuer weiblichen Geschlechts, welches von einigen Lamia, von anderen Sybaris genannt wurde. Als dieses im delphischen Lande das grösste Unheil angerichtet hatte, teilte das Orakel mit, nur wenn die Burger ihm freiwillig einen Jüngling aus ihrer Mitte als Opfer darbrachten, würden sie von ihm erlöst werden. Das Los erkiirte dazu einen gewissen Alkyoneus, den einzigen Sohn des Diomos und der Meganeira. Als dieser nun von den delphischen Priestern zur Höhle der Lamia hingeführt wurde, begegnete ihrem Zuge der Kurete(= Aitoler) Eurybatos, ein Sohn des Luphemos und ein Abkömmling des Flusses Axios, welcher von Liebe ergrifïen den schonen Knaben zu retten beschloss. Sogleich nahm er ihm die Kranze ab, setzte sie sich selber auf und erreichte, dass er statt seiner in die Höhle geführt wurde. Das L ngeheuer aber zog er sofort aus seinem Schlupfwinkel hervor und stürzte es von einer felsigen Höhe herunter, sodass es schwer verletzt wurde. Da verschwand es plötzlich und an der Stelle, wo es zuletzt gesehen worden war, sprudelte bei Krissa eine Ouelle hervor, welche nun den Namen Sybaris erhielt. Die Erzahlung schliesst dann mit der wichtigen, aber fiir den gewöhnüchen Leser gewiss überraschenden Bemerkung, nach dieser Ouelle hatten die Lokrer ihre 1'flanzstadt in Italien Sybaris benannt. Man wird leicht einsehen, dass auch diese Geschichte uur spate Mache ist. Dass man in Delphi das allgemeingriechische Ungeheuer Lamia in einer bestimmten Höhle des Kirphis-Gebir^es hausen liess und eine Geschichte über dessen Tötung zu berichten wusste, dass es ferner in Krissa eine Quelle Sybaris gab, das mag alles wahr gewesen sein '); die Gleichsetzung von Lamia und Sybaris aber und die Behauptung, die bekannte Stadt in Süd-Italien heisse nach der krissaiïschen Quelle, sind sicher nur tendenziöse Erfindungen. Sybaris galt namlich den Griechen für eine Ivolonie nicht der Lokrer, sondern der Achaier, und diese Anschauung muss auch objektiv richtig gewesen sein, da Sybaris ja der Name einer Ouelle in der Nahe von Bura in Achaïa selbst war (Strabo, VIII, 386): nach dieser hiessen also ganz unzweifelhaft in Italien der gleichnamige Fluss und die Stadt. Nun mag man es freilich als denkbar bezeichnen, dass Nikander die Geschichte des lokrischen Ursprunges der Stadt nicht vollig er- ') Bursian, Geogr. v. Griech. I, S. 179. funden, d. h. als erster aus nichts erdichtet hat. Mit einem Urnbiegen alterer Ueberlieferung und einer geschickten Verknüpfung neu ersonnener Beziehungen mit althergebrachtem konnte ja ein Dichter wie er naturgemass grössere Wirkungen erzielen als mit derb anmutenden Unwahrheiten. Es könnte daher möglich sein, dass ein Teil der Bevölkerung von Sybaris irgend einer Ueberlieferung nach wirklich lokrischen Ursprunges gewesen ist. Dass sie nicht rein achaii'sch war, hat man schon friiher vermutet: der Name ihres Stifters Isos deutet ja vielleicht auf das einmalige Vorhandensein eines boiotischen Elementes in ihrer Mitte (Gruppe, Griech. Myth. S. 368). Schliesslich ist auch denkbar, dass Krissa an der Gründung von Sybaris einer bereits vor Nikander existierenden Ueberlieferung nach wirklich irgendwie beteiligt gewesen, so wie ja auch nach Strabon der Oikist von Metapont ein Tyrann von Krissa war. Dieses alles mag man, wie gesagt, für móglich halten, aber es bleibt darum doch nicht weniger einleuchtend, dass wenn Nikander den achaiïschen Ursprung der Stadt gar nicht erwahnt, sondern durch Vcrsch weigen gewissermassen leugnet, und sie statt dessen einfach von Lokrern gegründet sein lasst und ihren Namen als delphisch erweisen will. solches offenbar mit der Absicht geschieht, sie den verhassten Achaiern abzustreiten. Auch hier zeigt er sich also wieder als der parteiische Verfechter aitolischer und nordgriechischer Ansprüche und Interessen. ') !) Das von Laudien, Studia Ovidiana (Greifsw. Diss. 1905) S. 25 über die Geschichte der Lamia oder Sybaris Gesagte ist zwar völlig irrig, doch ist dem \ erfasser daraus kein Vorwurf zu machen, da man, so lange die Eigenart und Tendenz der nikandrischen Schriften nicht erkannt war, schwerlich anders urteilen konnte, als er tut. Wohl aber macht sich Laudien einer seltsamen Unachtsamkeit schuldig, indeni er mit Bezug auf den letzten Satz der Geschichte bei Ant. Lib. schreibt: Eundem vero nuntium. Sybarim Italicam prae se ferre nomen Fhocensis urbis, apud muitos scriptores invenimus (Her. 1, 145; Diod. XI, 90, XII, 9—11; Strab. VI, p. 262 s. VIII, 386, 5). Herodot und Strabo sind namlich gerade die Hauptzeugen für den achaiïschen Ursprung der Stadt, wahrend Diodor nichts weiter sagt, als dass Sybaris eine hellenische Kolonie gewesen! Antoninus Liberalis und Nikander aber stehen mit ihrer Angabe meines Wissens in der griechischen Litteratur vollstündig allein da. \ on den sieben Venvandlungssagen aus den Heteroiumena, deren Schauplatz nicht in Xord-Griechenland liegt, ist zunaclist kurz die der Ktesylla (aus dem Illten Buche) zu erwahnen. Es ist die Gründungssage des Heiligtums der Aphrodite Ktesylla in Iulis auf Keos. Keos aber ist dem aitolischen Bund nach der gewöhnlichen Annahme zwischen 240 und 220, nach Niese (a. a. O. S. 451, A. 1) allerdings erst um 218 beigetreten. Die Leukippos überschriebene Metamorphose (aus dem Ilten Buche) spielt in Phaistos und erscheint als xhicv des Festes hx.r)j7tx, welches zu Khren der Aijtw VTl>) begangen wurde. Knossos stand, wie man weiss, zu dem aitolischen Bund in Beziehung, von Phaistos erfahren vvir das nicht. Phaistos lag aber im Gebiet von Gortyn, welches zwar vielfach mit Knossos in Streit lag, sich aber vor dem J. 220 doch eine Zeit lang mit der machtigen Nachbarstadt, und also indirekt auch mit den Aitolern vertrug (Niese, a. a. O. S. 428). Nun ist es gewiss beachtenswert, dass die genannte Göttin in einem gewissen Zdsammenhang mit Aitolien und Oineus gestanden haben muss (Gruppe, Griech. Myth. S. 1249, A. 1). Die Geschichte der Mertrxirm (Ant. Lib. 31 : krcpsl Nuxvlpo: hspsiovftevuv p ) erfordert eine etwas mehr eingehende Betrachtung. Es ist namlich nicht unwichtig, darauf hinzuweisen, dass sie, obgleich sie nicht in Xord-Griechenland spielt, dennoch einige nordgriechischen Elemente enthalt. Drei Söhne des Lykaon, heisst es da, namens Iapyx, Daunios und Peuketios, besiedelten, lange vor dem l^eldzug des Herakles, mit Hülfe einer unter den Befehlen des Messapos stellenden illyrischen Heeresmacht ]) das ) Oer überlieferte lext, der mit Recht allgemein für verderbt gilt, lautet folgendermassen: -b Si ri nXin «Otoïs tv;,- np«r,&t 'IXXufioi Ms77'y.mot (§ 2). I)a nun im Folgenden gesagt wird, die drei Teii^in welche Ausonien geteilt wurde, Daunien. Peuketien und Messapien hiessen nach den Führern der Kolonisten, so muss in der angeführten Stelle nicht von den Messafiitrti (diesen Namen gab es ja am Anfang der Expedition noch gar nicht), sondern von ihrem Feldhcrrn Messapos die Rede gehesen sein. Dagegen ist der Anstoss, den einige an dem Wort 'Iiivfui genommen haben, sachlich unbegründet. da die alte Bevölkerung Iapygiens wirklich illyrischen Stammes war. Es wird daher 'Uiupsi lm Mim 2U lesen sein. Land der Ausonier in Süd-Italien. Bei der Teilung des eroberten Gebiets entfiel auch ein Teil auf die messapischen Hülfstruppen. Es gab also spater eine Landschaft Daunia, eine Landschaft Peuketia und eine Landschaft Messapia, wahrend der Name Iapygia diese drei zusammen umfasste. Dieser Einleitung schliesst sich dann ohne eigentlichen Uebergang eine Verwandlungsgeschichte an, welche als die Legende eines bestimmten Nymphenheiligtums in Messapien anzusehen ist. Das beweist, dass es in dein iiber die Besiedelung von Iapygien Gesagten fiir Xikander hauptsachlich auf die Herkunft der Messapier ankam. Nun ist in dem uns erhaltenen Auszug zwar die Abkunft des Messapos, die Nikander gewiss hervorgehoben hatte, ganz. weggelassen, aber vvir wissen doch aus anderer Quelle, dass es sich um einen boiotischen Heros handelte. Bekanntlich führen auch andere Gelehrte des Altertums den Namen des messapischen Volkes auf denselben boiotischen Oikisten /.uriick. Mit dieser Geschichte gehort ferner ohne allen Zweifel, wie Oder gesehen hat, auch die AupisTc überschriebene Metamorphose zusammen (Ant. Lib. 37 : o-j), obgleich der spatere Scholiast dieses nicht gewusst hat. Darin wird hauptsachlich erzahlt, wie Diomedes nach Iapygien kam: nach der Einnahme Ilions kehrt der Held zunachst nach Argos zurück und unternimmt von dort aus einen Zug nach seiner alten Heimat Aitolien, wo er Agrios tötet und seinen Grossvater Oineus wieder in sein Königtum einsetzt. Auf der Rückfahrt nach Argos wird er durch Sturm nach Italien verschlagen. (Diesen Rachezug des Diomedes setzt auch Hygin fab. 175 nach dem trojanischen Krieg, wahrend er bei Apoll. bibl. I, 78, der die Geschichte auch wesentlich anders erzahlt, vorher stattfindet.) Also finden wir auch mit diesen beiden auf Iapygien bezüglichen Geschichten boiotische und aitolische Sagen verknüpft. A11 und fiir sich ware daraus selbstverstandlich nicht viel zu schliessenj in dem gegebenen Zusammenhang aber und im Hinblick auf unsere sonstigen Beobachtungen durfte diese I atsache nicht unbemerkt bleiben. Die vier übrigen Geschichten (Byblis, Leto und die Bauern, Askalabos, Typhon) stehen ihrem Inhalte nach zum aitolischen Bund in keinerlei Beziehung, was gewiss Niemand wundern wird, da Nikander in seinen Heteroiumena völlig frei war, sich mit Metamorphosen aus aller Herren Landern zu befassen. Man staunt im Gegenteil dariiber, dass er sogar in diesem Sammelwerke die ihm freilich gelaufigeren nordgriechischen Sagenstoffe in einer so ausgesprochen parteiischen Weise bevorzugt hat. Dass er dabei die Sagengeschichte in eben so tendenziöser \\ eise umgeformt und erweitert hat, wie friiher in seinen Ahx/.ucx, glaube ich überzeugend dargetan zu liaben. Mag man immerhin das eine oder andere Beispiel an und fiir sich vielleicht auch einer anderen Deutung für fahig erachten, so wird man doch gewiss der Haufung der verschiedenen Belege die ihr meiner Ansicht nach innewohnende Beweiskraft nicht absprechen können. Daraus ergiebt sich dann als festes Resultat, dass A 'ircc/.iyj. und 'Erepoic-jftevx von ein und demselben Dichter aus der Zeit Attalos I herrühren. l m einzusehen. wie völlig einwandfrei und zwingend dieser Schluss ist, braucht man sich nur den weiteren Lauf der Geschichte des aitolischen Bundes im 11ten Jahrhundert zu vergegenwartigen. Bereits im J. 189, am Ende des ungliicklichen Krieges gegen Rom, war die Macht der Aitoler gebrochen ; nach der Niederwerfung Makedoniens bei P\ diia verloren sie sogar fast allen Besitz ausserhalb ihrer eigentlichen Stammesgrenzen (167). Von da an haben sie in der 1 olitik nie mehr eine irgendwie bedeutende Rolle gespielt. Zur Zeit Attalos III (138—133); zu dessen Lebzeiten der jüngere Nikander, vorausgesetzt dass er existiert hat, nach den Angaben der Alten anzusetzen ware, batte Aitolien, wie überhaupt ganz Oriechenland, bereits seit einer Reihe von Jahren seine politische Unabhangigkeit verloren. Eine Schrift, wie Nikanders Heteroiumena, mit einer so ausgepriigten aitolerfreundlichen Tendenz, ware fiir die Zeit nicht mehr denkbar. Das Jahr 189 bildet die iiusserste Zeitgrenze, nach der kein Dichter die Aitoler mehr in der parteiischen Weise hatte feiern können, wie es in Nikanders 'Erepoiovfisvx der Fall ist. Für einen kleinasiatischen Dichter, einen Lntertan des K.önigs von I'ergamon, hatte sogar das Jahr 192 als ausserste Zeitgrenze zu gelten, denn im Kriege zwischen Aitolien und Rom, der damals ausbrach, war Eumenes mit den Römern verbündet. Es ist mithin von allen Seiten erwiesen, dass die 'Enpomifuvx in dasselbe Zeitalter gehören wie die Atrccï.ixx und dass sie beide von ein und demselben stets gleichgesinnten Dichter herrühren. Angesichts der Unmöglichkeit, die nikandrischen Schriften in eine andere Zeit unterzubringen als in das IFIte vorchristliche Jahrhundert, sind wir also berechtigt, die oben gefundenen Daten mit Zutrauen für wahr anzunehmen. Es waren folgende: Delphisches Proxeniedekret zu Ehren Xikanders 260—230. 'Erepoioófuvx, Buch I vor 22S' Fragment mit der Anrede an Attalos I 222 218 Unter den anonymen Metamorphosen bei Antoninus Liberalis * giebt es fünt, die von verschiedenen Gelehrten vermutungsweise dem Nikander zugeteilt worden sind. Eine davon (37 : Aupieïe) ist oben bereits erwahnt worden. Die vier anderen sind: 41 'A>.ccirtè (Kephalos und Prokris) Attika. 34 Myrrha Syrien. 36 Pandareos Kreta, Lydien. 40 Britomartis Kreta. In Bezug auf diese letzte erhalt die Vermutung jetzt, wie mir scheint, eine neue Stütze. Die Erzahlung lautet folgendermassen: die Phoinikierin Karme hatte von Zeus eine ïocliter Britomartis, welche ewig Jungfrau zu bleiben gelobte. Sie kam erst nach Argos zu den löchtern des Erasinos, dann nach Kephallenia, wo man ihr unter dem Namen Ax$pix göttliche Ehren zu enveisen begann und darauf nach Kreta, wo Minos in Liebe zu ihr entbrannte und ihr nachstellte. Auf ihrer Flucht kam sie zu Fischerleuten und verbarg sich in ihre Xetze (Mktvx), weshalb die Kretenser sie Diktynna nannten und ihr ebenfalls emen Kult griindeten. Sie aber entwich in einem Fischerboote nach Aigina. Als der Inhaber des Bootes ihr Gewalt antun woUte, entfloh sie ans Land und verschwand in einem Walde, die Aigineten aber errichteten ihr dort ein Heiligtum und nannten sie Aphaia. Diese reizlose Geschichte hat den Zweck, zu erweisen, dass Britomartis, Laphria, Diktynna und Aphaia eine und dieselbe Göttin sind. Britomartis, die in der östlichen, und Diktynna, die in der westlichen Halfte Kreta's verehrt wurde, sind viel'eicht schon ziemlich früh gelegentlich mit einander identifiziert worden, obgleich fiir uns Kallimachos der iilteste Zeuge dafür ist. Von ihm stammt die Erklarung des Namens Diktynna aus der Klucht der Britomartis in die Netze der Fischer, fiir welche Erfindung er im Altertum bekanntlich scharf kritisiert worden ist. Die Gleichsetzung von Britomartis-Diktj nna mit Aphaia findet sich bei Pausanias II, 30, 3 erwahnt; sie muss alter sein als das hellenistische Zeitalter, da nach Strabo, VIII, 375 Kretenser sich auf Aigina niedergelassen hatten und es nachher (d. h. nach dem mykenischen Zeitalter) wohl kaum jemals enge Bezieliungen zwischen Kreta und Aigina gegeben hat ]). Die Gleichsetzung der kretensischen und der aiginetischen Göttin mit der kephallenischen Laphria findet sich hingegen nur hier. Nun ist aber Artemis Laphria vor allem die Landesgöttin Aitoliens. Aus diesem Grunde erscheint mir Sclineiders Vermutung (Nicandrea, S. 43) höchst wahrscheinlich, dass die Geschichte der Britomartis von Antoninus den 'Erspoiov/^syx des Nikander entnommen worden ist, als welcher damit die bestehenden Beziehungen von Kreta und Kephallenia zum aitolischen Bunde betonen und festigen wollte. Wann Kephallenia dem Bunde beigetreten, ist nicht überliefert; am wahrscheinlichsten erscheint aber nach Niese die Zeit zwischen 235 und 230. In Argos, wo Nikander Britomartis zuerst hinkommen lasst, wird es einen aus Kreta stammenden Kult dieser Göttin gegeben haben, so wie es dort auch einen Tempel des Aicmtc: Kp-^ice gab (Paus. II, -3' 7) )• \\ eshalb Karme, und folglich auch Britomartis, bei Nikander der alten Ueberlieferung zum Trotzè, anstatt zu einer Kretenserin, zu einer Phoinikierin gemacht worden war, lasst sich nicht sagen. Bei dem trümmerhaften Zustand unserer ') Aiginetische Ansiedlung in Kydonia, Strabo 1. 1. 2) Aus einer 1906 gefundenen und noch unveröffentlichten argivischen Inschrift ergeben sich sehr enge Beziehungen zwischen Argos und Knossos iin Vten Jahrhundert. Ueberlieferung ist es aber selbstverstandlich, dass vieles derartige unerklart bleiben muss. Wenn einmal als gesichert angesehen werden darf, dass die A'itu/.ikx und die 'Y.Tspoio\);/.svx von ein und demselben Dichter des Illten Jahrhunderts herrühren, so wird man von vornherein geneigt sein zu glauben, dass auch die Teupyixx, die sich spater in Rom eines ahnlichen Rufes wie die 'Erepoiov/tevx erfreut zu haben scheinen, ebenfalls demselben Dichter zuzuschreiben sind. Es erscheint aber der Versuch nicht aussichtslos, dieses aus Vergils Georgica noch naher zu erweisen. Bekanntlich hat Vergil sich für die drei ersten Bücher seiner Georgica die Texpymx und für das vierte die Mehitrtrsvpyixx des Nikander zum Vorbild genommen '). Der Nachweis, den ich zu erbringen versuchen will, bezieht sich auf einen Abschnitt dieses letzten Buches. Nachdem Vergil namlich iiber das Leben der Bienen vieles wissenswerte mitgeteilt hat (was natürlich nicht alles aus Nikander stammt), giebt er schliesslich auch an, wie der Bienenzüchter verfahren soll, wenn ihm seine Bienen plötzlich alle sterben. Er soll dann ein Kalb toten und es mit zerrissenem Eingeweide, aber unverletzter Haut, auf Zweigen und Krautern gebettet liegen lassen: die dadurch entstehende gahrende Faulnis erzeuge spontan neue Bienen. Die Erfindung dieses Verfahrens führt Vergil auf Aristaios, den bekannten mythischen Bienen- *) Verg. Georg. IVr, I49: nunc age, naturas apibus quas Iupiter ipse addidit, expediam, pro qua mercede canoros Curetum sonitus crepitantiaque aera secutae Dictaeo coeli rcgem pavere sub antro. Zum Lohn dafür, dass sie ihn in der diktaiïschen Grotte mit ihrsm Honig ernahrt hatten, hatte Zeus die Bienen mit ausserordentlichen Gaben und zaher Lebenskraft beschenkt (Diod. V, 70, 5; cf. Antenor bei Ail. nat. anim. XVII, 35). Demnach gab es also schon vor der Geburt des Zeus Bienen auf Kreta. Dazu vergleiche man Columella, IX, 2, 4: sed ne illud quidem pertinet ad agricolas, quando et in qua regione primum (apes) natae sint, utrum in Thessalia sub Aristaeo, an in insula Cea, ut scribit Euhemerus. an Erechthei temporibus in monte Hymetto, ut Euphronius, an Cretae Saturni temporibus, ut Meander. Es ist ausserst wahrscheinlich, wie van Wageningen (de Verg. Georg. S. 172) mit Recht betont hat, dass Vergil diesen Zug seinem Vorbilde, den des Nikander, entnommen hat. züchter, zuriick. Die darauf bezügliche, breit ausgesponnene Erzahlung bildet den glanzenden Schluss des durch seinen Stoff sonst durchweg etwas langwierig erscheinenden Lehrgedichtes (Georg. IV, 315—558). Wenn man den Inhalt dieser Sage, der einzigen, welche in Vergils Georgica ausführlich geschildert ist, etwa in der niichternen Art des Antoninus Liberalis wiedergiebt, so lautet er wie folgt: Aristaios war der Sohn der Nymphe Kyrene, einer Tochter des Peneios, und des Apollon von Thymbra. Als dieser Eurydike, der Gattin des Orpheus, nachstellte, wurde sie beim Miehen im hohen Grase von ciner Schlange gebissen und starb infolgedessen. Der ktihne VTersuch ihres Gatten, sie wieder aus der Unterwelt heraufzuholen, misslang, weil er nicht die Kraft hatte. sich an die bekannte Vorschrift zu halten, die 1 ersephone ihm gegeben hatte. \ on da an lehnte er in Kummer und \ erzweiflurg die Liebe aller anderen Frauen ab, bis er von thrakischen Mainaden zerfleischt wurde. Die thessalischen Nymphen aber, deren Gespielin Eurydike gewesen war, vernichteten die Bienen des Aristaios im Tempe-Tal, wo er sich gerade aufhielt. Da wandte er sich um llülfe an seine Mutter Kyrene, welche an der Quelle des Peneios ihren Wohnsitz hatte. Auf ilirem Rat begab er sich dann nach Pallene und zwang den Meergreis Proteus, ihm den Grund des Todes seiner Bienen zu offenbaren. Als er auf diese Weise erfahren hatte, dass es die Nymphen gewesen, die ihm zürnten, opferte er ihnen, und auch dem Orpheus und der Eurydike, und aus den faulenden Körpern der Opfertiere wurden ihm neue Bienenschwarme geboren. Diese aus zwei verschiedenen Mythen zusammengeschweisste Erzahlung verrat, wie Maass, Orpheus, S. 278 ff. des weiteren ausgeführt hat, sowohl durch ihre ganze Gestaltung, als auch durch einiges Detail, deutlich ihren hellenistischen Ursprung '). Maass hat auch den Versuch gemacht, den Gewahrsmann des \ ergil naher zu bestimmen, und dabei mit schwachen Gründen auf Philitas von Kos geraten. (Cf. Rohde, Heidelb. Jahrbb. 1896, l) In Vergils Quelle fanden sich starke Entlehnungen aus Homer (Morsch, De Graecis auctoribus in Georgicis a Vergilio expressis, S. 68 ff.; van Wageningen, De Vergili Georgicis, S. 175 ff). S. i 5 f-). Es gcht zwar aus dem von Maass S. 295 herangezogenen Verse des Philitas: povyevexc (px/Aevog 7rpc7£l3^mx und die 'ETipoioufiivx geschrieben hatte. Die Möglichkeit, die Werke des Xikander in zwei zweien Dicbtern zuzuschreibende Teile zu ?erlegen, wird also immer geringer. Allerdings wird die Vermutung, die zwei erhaltenen trockenen Lehrgedichte könnten von einem jüngeren Xikander herrühren, von obigen Erwagungen und Schlüssen noch nicht betroffen. Wenn wir unsere Aufmerksamkeit aber jetzt den 'AKsh$xp[j.xv.x und den <-typixxx selbst zuwenden, so wird es sich zeigen, dass auch diese Gedichte Spuren derselben ausgesprochenen Vorliebe ihres Verfassers für alles nordgriechische aufweisen, und folglich von den übrigen unter dem Namen des Xikander überlieferten Werken nicht zu trennen sind. Im Folgenden werden die hier in Betracht kommenden Stellen der Reihe nach aufgeführt. !) Hes. frg. 12S: r, oïrt «IXa^trwv aTtc, xótX/05 i%ov7« n>ivsi6Ö :rvai'Txc vyj. Ther. 145 Njs; xxi viQosttx 3s:si o'j7rrxt~x/.c: "Od'pjs J);r/x sizjj xt/.. 209—218 wird gesagt, Nattern gabe es sowohl in Europa als in Asien. Darauf werden fünf europaische und drei kleinasiatische Gebirge genannt, wo sie vorkommen sollen. Die kleinasiatischen heissen Bo-jxxprspo?, Ahxykv,: und KspxxCppc, die Lage der zwei ersten ist nicht bekannt, der KspxzQc: ist nach dem Paraphrasten des Lykophron 424 ein Berg bei Kolophon. Die europaischen Gebirge heissen: -'4 -y.st:xvc: 'ipv, llx,u,3xi/ix t' xïirv„ Puttxïov Kspxy.cc ts iriyov —z/.iyj r' 'A vgl- oben S. 25). Von den fünf als Beispiele aufgeführten Gebirgen in Europa sind also zwei aitolisch, eines lokrisch und zwei megarisch. Ob der Dichter in einem solchen Fall mit völlig bewusster Absicht die Aufmerksamkeit seiner Leser vorzugsweise auf Aitolien und das zum aitolischen Bunde gehorende Gebiet hat hinlenken wollen, mag dahingestellt bleiben ; es geniigt uns festzustellen, dass er tatsachlich die Mehrzahl seiner Beispiele immer wieder aus den nordgriechischen Landschaften nimmt. 438 .).x-; ItxvTcrjvxc Kspcz-xïo: êfyxxTS xxi Séftn x'Apxv. 685 'Aypet xxi 7rxvxnee Qteywijiov, sppx ts ~pxts: IIxtyuv Ms).xvoc TrcrxiicZ ~xpx ■/(!?.:: x;/,sptlsv, 'AftQirpvecvi&xo bspxy 'I3ix?.ss; s).xc:. s'jts 7'j'j \\;xx'/.y,i v.y.y.v;j svjpxxtssv 'Sèpy^. 887 y,s vihx: '■Vx/txtyfèxe, ze ts TpxQsix Kx—zi ts ?,iftvxïcy -jTrsbpé-d/X'yrs ~xp' "Sbxp, ï~sp 2%oivijss ts póo? kïxtsi: ts px/.ï.si. Hier werden mit sichtbarem Behagen fünf boiotische Ortsnamen liinter einander aufgezahlt. Allerdings handelt es sich diesmal um eine nach dem Zeugnisse des Theophrast wirklich speziell boiotische Wasserpflanze. Alexiph. 37 heisst es vom Akonit: Ty,y ,us> ts x'/sIz-jti [moxtivsy, v, yxp zvr/p'sj: ~xy.~y'oy,-j -jpxxx: Xt%(&vinovx? y,p^lux7sy. Das Wort bpx!; ( = sorex) für Maus kommt in der griechischen Litteratur nur an dieser einen Stelle vor und würde schon aus diesem Grunde als eine lokale Glosse zu betrachten sein. Sehr bestimmt sagt der Scholiast: upxxxc to-jc ;j;jx: xxt \hxteve. Damit ist zu vergleichen das Schol, zu Ther. 625: T-j "/ sXi%,pu/.!/. SU $•/,?)■; 'AvfysXC Tip) AItX/.IX'J 7T/.y,&V-/£U. Obige zehn Stellen machen es m. E. zusammen genommen schon ausserst wahrscheinlich, dass die \Uf$i$xp/ixxx und die ; 4 KoXofw,^ ?K7, xocas cv Xsxy.y. voeg. Athen. XI, 485, d (Schneider, frg. 142): F i AÓ/67T6C» 6VTW (SC. /ïTTaTTyjv) /K/ïtV T/,V xW(ZK, Schol. AD II. XIII, 824 (Schneider, frg. 131): Ni*a^555i?,71vór möchte uns mit Hiilfe der gewonnenen innerlichen Merkmale in einer weiteren Reihe von hallen möglich werden, dem Kinflusse Nikanders in den Metamorphosen nachzuspüren. Auch die Art und das Mass der Abhangigkeit Üvids von seinem Hauptvorbild vvird dabei geprüft werden müssen, und wir werden von selbst darauf geführt werden, die Frage nach der Komposition der Metamorphosen im weitesten Sinne von neuem aufzurollen. Es ist uns aber schon jetzt gut möglich. uns eine Vorsteilung da\'on zu bilden, in welchem zeitgenössischen Milieu undin welchen politisclien Verhaltnissen der \ on den Modernen als Dichter mit Recht vielgeschmahte, dabei aber doch als Schriftsteller in seiner Eigenart vóllig verkannte Nikander gelebt hat. Auf Giund der Fragmente und der dürftigen uns über seine Tatigkeit erhaltenen Angaben lasst sich schliesslich doch ein viel lebendigeres Bild seines Wirkens entwerfen, als es bisher geschehen ist. Ich wil! dieses Bild hier in groben Umrissen zu zeichnen versuchen. so wie ich es mir vorstelle. Nikander ist in Klaros aufgewachsen '), wo sein Vater das Pnesteramt des Apollon inne hatte, als welches aucli ihm dereinst zu leil werden sollte. Es ist also sehr begreiflich, dass er sich in seinen Wanderjahren nacli Delphi wandte, wo er sich schon als zukünftiger Apollonpriester einer freundlichen Aufnahme gewartigen konnte. Delphi war damals der religiöse Mittelpunkt und in gewisser Hinsicht aucli ein politisches Zentrum des aitolischen Kundes, mit anderen Worten der unter aitolischer Hegemonie vereinigten Staaten Nord-Griechenlands. Nikander hielt sich dort so lange auf, dass einige ihn spater für einen Aitoler ausgegeben haben müssen. Diese Ansicht schreibt der \ erfasser der \ ita des Nikander dem Grammatiker Dionysios aus Phaselis zu; er fügt aber bei. derselbe Autor habe den Dichter an anderer Stelle richtig als klarischen Apollonpriester bezeichnet. Jedenfalls, sagt er, müsse Nikander sehr lange Zeit, ja, er behauptet sogar eigentlich: den grössten Teil seines Lebens [robe ■z'/.éovxe xpsvou?) in Aitolien verbracht haben: dieses bewiesen seine Schriften über Aitolien und aucli die in seinen sonstigen Gedichten bemerkbare Ortskenntnis dieses Landes, sowie seine Kenntnis der dort wachsenden Pflanzen. Diese Notiz ist wichtig, da sie eine persönliche, unzweifelhaft richtige Beobachtung enthalt: es müssen, um dasselbe noch einmal mit anderen Worten zu wiederholen, auch Nikanders nicht eigentlich auf Aitolien bezügliche mythologische Schriften, also wohl in erster Linie seine 'ETepcic-jftevx, so wie auch sein auf den Ackerbau bezügliches, nacli den Fragmenten mit botanischer Gelehrsamkeit erfülltes Lehrgedicht, die Teupyixi, beide auffallig viel aitolisches Gut enthalten haben. Dazu stimmt zunachst, dass ) Ther. 95^ ' K/.v.pou vifizyrc/. 7Td/t^v>;. Athenaios, Scholiasten und Lexikographen ein mindestens drei Bücher umfassendes \\ erk des Nikander zitieren, welches Ahxï.ixx geheissen und wieausden wenigenerhal tenen Fragmenten ersichtlich ist, in poëtischer Form die mythische Geschichte Aitoliens beliande't hat. Der Yerfasser hatte sich darin aber nicht aufdieallbekannten, seit dem Zeitalter der epischen Dichter allen Griechen gelaufigen Sagen des alt-aitolischen Landes beschrankt. Diese werden freilich den Hauptinhalt seines Werkes gebildet haben, daneben werden darin aber aucli dem Zeitgeschmack gemass wenig bekannte aitolische Lokalsagen aufgenommen und zu Eli ren gebracht worden sein. Yor allem aber hatte Nikander, falls sein Werk den Aitolern angenehm sein sollte, die Aufgabe, sie in jeder Beziehung zu feiern >) und die Berechtigung der zeitgenössischen aitolischen Herrschaft durch eine geschickte Umgestaltung und Erweiterung der nordgriechischen Mythen und Genealogieen zu begründen. Zum Beispiel hat er ohne allen Zweifel irgendwie den Yersuch machen mussen, zwischen Delphi und Aitolien ein mythisches Band zu kniipfen, obgleich diese zwei bis zum Jahre 290 v. Clir. eine von einander unabhangige Entwïcklung gehabt liatten. Es erscheint glaubhaft, dass die aitolischen Machthaber in Delphi ihm für dieses Werk die auf dem uns erhaltenen Steine bekundeten Ehrungen haben zu Teil werden lassen. Das betreffende Dekret ist nacli dem Archon Nikodamos datiert, der wahrscheinlich ungefahr urn die Mitte des Uiten Jahrhunderts im Anite war. Nikander wird damals noch ein zienilich junger Mann gewesen sein; wir könnten seine Geburt vermutungsweise et\\,i um das Jahr 285 v. Clir. ansetzen. Nacli diesem eisten Erfolge schuf Nikander noch zwei Werke, die mit ahnlicher Tendenz die Sagengeschichte zvveier nacli einander in den aitolischen Bund aufgenommenen Landschaften Nordgriechenlands erzahlten: die Ohxixx und die In vvelchem Jahre die Oitaier sich dem aitolischen Bunde angeschlossen haben. ist nicht bekannt; Ihr Stolz wird cin sehr hobes Lob beansprucht haben. Cf. Justinus, 28, 2, wo er die Aitoler zu den römischen Gesandten sagen lasst: Aetolos principes Graeciae temper fuisse et sicut dignitate, ita et virtute ceteris praestitisse. Boiotien schloss mit ihm, wie wir wissen, im J. 245 ein enges Bündnis, welches jedoch bald nach der Thronbesteigung des Demetrios (239) wieder aufgelöst ward. Spater stand Boiotien noch einmal von 229 bis 223 mit Aitolien im Bunde. Das Interesse Nikanders an der Entwicklung der aitolischen Macht lasst sich auch noch über das Datum 239 hinaus verfolgen. Es ist jedoch anzunehmen, dass er spatestens wahrend der ersten Regierungszeit Attalos' I wieder nach Klaros übergesiedelt ist, wpselbst er als Apollonpriester und kolophonischer Bürger :) sein Leben beschlossen haben dürfte. Kolophon gehorte damals, als Nikander in seine Vaterstadt zurückkehrte, immer noch dem König von Syrien, hatte aber, wie auch die anderen grossen Stadte der Westküste Kleinasiens, schon seit 255 Freiheit vonSteuern und Besatzung erlangt. Spatestens im J. 228, als Attalos von I'ergamon ganz Klein-Asien in seine Gewalt brachte, wird Nikander Beziehungen mit dem pergameuischen Hof angeknüpft haben. Welches Werk es war, das er mit den bekannten Yersen: Tfy&pjw'Ssf,:, x/.vjpcv xs) Trxrpxuy ïj/p5/5 KxrérreCps ury,v. ') Das xItiov der Fassung der Sage, für die wir also Nikander und Ovid als einzige Gewahrsleute nennen müssen, ist unschwer zu erraten. Es tragt einen mehr speziellen Charakter als sonst in der üblichen Form des Mythus. Die Sage soll hier natnlich offenbar zur Begriindung des bekannten delphischen Kultbiauches dienen, der alle acht Jahre wiederholten heiligen Prozession nach dem Tempetal, in welcher der Lorbeer, der dort in Fülle wachst, nach Delphi gebracht wurde, um zur Bekranzung der Sieger in den pythischen Spielen zu dienen. Da nun die gewaltsame Uebertragung des fremden Mythus nach Thessalien zum Zwecke der Bereicherung der delphischen Mythologie vollkommen zu dem Bilde der Tatigkeit Nikanders passt, das wir vorhin aus zahlreichen anderen Tatsachen gewonnen haben, so werden wir hier ohne Schwanken Nikander als den Urheber Castiglioni, Studi intorno alle fonti e alla composizione delle Metamorfosi di Ovidio, S. 118. der thessalischen Form der Daphnesage und seine Darstellung als die direkte Quelle Ovids bezeichnen diirfen 1). Wenn nun also Ovid das Thema und die spezielle Yersion des Thema's dem Nikander verdankt, so fragt sich weiter, ob er auch die Details der Erzahlung, ob er die Züge, die ihm in der Dichtung des Nikander gefielen, in sein Latein übertragen hat oder ob er wenigstens hierin ganz seine eigenen Wege gegangen ist. Die Frage ist leicht zu entscheiden. Als Apollon Daphne erklaren will, wer er sei, hebt er an: mihi Delphica tellus et Claros et Tenedos Patare.ique regia servit. Hier horen wir offenbar noch den klarischen Dichter selbst, dem es ein Bedürfnis war, sein eigenes Apollonheiligtum sofort an zweiter Stelle nach dem pythischen zu erwahnen. Man kann daraus nun zwar nicht entnehmen, dass die ganze Rede, welche Ovid den Gott bei der Verfolgung an die Nymphe richten lasst, einfach aus Nikander übersetzt ist, aber doch gewiss soviel, dass auch Nikander den Werber in derselben Lage eine ahnliche lobende Anpreisung seiner selbst hatte halten lassen. Vs. 486 f. findet sich eine Anspielung auf einen bekannten \ ers des Kallimachos. Dieser hatte die Artemis an Zeus die Bitte richten lassen: 6 5;?" 'J.zi 7rxp^syiyii> x'iüviov, xt~x, Q'j/.xvjstv. ') Da die zeitgenössischen Schriftsteller Nikander und Phylarchos die Daphnesage beide bereits zu ihren speziellen Zwecken verwendeten und veranderten, so muss vor ihnen mindestens ein anderer hellenistischer Dichter die Sage in ihrer ursprünglichen elisch-arkadischen Form in die Litteratur eingeführt haben. — Nach Diodor IV, 66 weihten nach der Eroberung Thebens die Epigonen die Tochter des Teiresias, welche Daphne hiess (gewöhnlich heisst sie Manto), nach Delphi, wo sie sich in der Weissagekunst weiter ausbildete. Nach Paus. X, 5, 5 wurde eine Bergnymphe namens Daphnis von Ge in Delphi zur npbij.v.'jzis gemacht. Das sind beides keine abweichende Fassungen der hellenistischen Sage, um die es sich hier handelt. Die darin vorkommenden nach dem apollinischen Lorbeer benannten Frauen haben, abgesehen von der Uebereinstimmung im Namen, mit der Heldin unserer Sage nichts gemein. Bei Ovid sagt Daphne zu ihrem Y'ater: da mihi perpetua, genitor carissime, dixit. virginitate frui. dedit hoe pater ante Dianae. Es musste immer ziemlich sonderbar erscheinen, dass Ovid. der nicht wirklich gelehrt war, hier eine solehe Anspielung gemacht haben sollte. Mit richtigem Gefühl hat bereits Castiglioni auf die Möglichkeit hingewiesen, dass dieses Kallimachoszitat aus dem hellenistischen Yorbilde des Ovid stamme '). Wir werden jetzt ohne Zögern Nikander dafür verantwortlich machen. Dasselbe hat dann auch von der homerischen Reminiscenz in Ys. 517 f. zu gel ten: quod eritque fuitque estque (cf. Hom. II. I. 70: tx 7' èóvrx tx t' itvcpevx ~p; r' s;y-x). Ich habe mich in meiner Dissertation mit Unrecht dagegen gestraubt, für die deutlich hellenistischen Geist atmende Einkleidung des Daphnemvthus das griechische Vorbild des Ovid verantwortlich zu machen. Viel'eicht lag in dieser allein schon ein genügender Beweis für die Abhangigkeit Ovids von einem griechischen Dichter, wie Castiglioni neulich in ansprechender Weise ausgeführt hat. pa wir jetzt aber erstens mit der Tatsache zu rechnen haben, dass Ovid hier inhaltlich im allgemeinen Nikander nachahmt und zweitens an cl rei verschiedenen Stellen wahrscheinlich machen können, dass er auch in der Ausführung Einzelheiten von ihm übernommen hat, so sind wir nunmehr gewiss berechtigt, die ganze hellenistisch anmutende Form der Erzahlung dem Nikander als sein eigenstes Gut zuzuweisen. Ihm gebührt also die Ehre der Erfindung des Streites zwischen Apollon und Eros und der Beschreibung der zweierlei Arten von Pfeilen, mittelst deren den Getroffenen Liebe und Abscheu vor der Liebe eingeflösst werden kann. Dem steht gegenüber, dass die Stellen 497—502 und 525—5302) ganz besonderscharakteristisch für Ovid selber sind und dass in den Versen 559—561 sogar des römischen Triumphes und des Kaisers Augustus Erwahnung Castiglioni, a. a. O. S. 139 f. ■) Bürger, De Ovidi carminum ainatoriorum inventione et arte, diss. Gott. 1901, S. 79 ff. getan vvird. Die Art der Nachahmung ist hier also dieselbe wie in den bekannten Teilen, in denen Ovid Vergil zum Vorbilde genommen hat. Er steht seiner Vorlage immer frei gegenüber und verwirft und verandert daran was ihm aus irgend einem Grunde nicht gefallt oder nicht passt; trotzdem ist aber das meiste, was vvir bei ihm lesen, nicht seine eigene Erfindung. Nur der Stil gehort ganz ihm und der genügt auch um seine Vorlagen für alle Leser mit Ausnahme vielleicht des unerbittlich analysierenden. Philologen so gut wie unkenntlich zu machen: irgend eine Nachwirkung des unleidlich trockenen Stils des Nikanders der Lehrgedichte würde Niemand in dem Gemisch von glatter Rhetorik und lebhafter Sinnlichkeit der ovidischen Erzahlung wiederzufinden vermogen. Die Verse 544 ff.: victa labore fugae spectans Peneidos undas fer pater, inquit, opem, si flumina numen habetis ; qua nimium placui, mutando perde figuram und : victa labore fugae, Tellus, ait, hisce vel istam, quae facit ut laedar, mutando perde figuram betrachte ich trotz Magnus' Widerspruch mit Maass, Helm, Ehwald, Zielinski, Castiglioni (S. 149) und anderen als die doppelte, beide Male vom Dichter selbst herrührende Fassung ein und derselben Stelle. Wir wissen ja durch Ovid selbst, dass die Metamorphosen in einem der letzten Feile noch bedürftigen Zustande, wahrend ihr Autor in der Verbannung weilte, von fremder Hand herausgegeben worden sind. Es braucht uns also nicht wunder zu nehmen, wenn in unserer Ueberlieferung einmal zwei einander ausschliessende, verschiedenen Stadiën der Durcharbeitung des Gedichtes entsprechende Fassungen einer Stelle neben einander hergehen. In dem hier zu betrachtenden Fall entsprechen offenbar die an zwei ter Stelle aufgeführten Verse einer Version des Mythus, welche sich mit Ovids Darstellung der Sage weniger gut und mit seiner Vorlage gar nicht vertragt, namlich der, nacli welcher Daphne die Tochter der Erde und des Ladon war 1). Folglich ist die oben an erster Stelle aufgeführte Fassung den Heteroiumena des Nikander entnommen, die zweite liingegen als eine von Ovid gewollte Variation zu betrachten. Mit Unrecht halt Helm -') umgekehrt die erste Fassung für die zeitlich spatere, weil die Partizipien victa und spectans und die Imperative fer opem und perde figuram unter einander nicht coordonniert seien, was ihm darauf zu deuten scheint, dass hier nachtrasdich einicre O O neue Verse in das Gedicht hereingeflickt sind. Das von Helm richtig beobachtete zweimalige Fehlen der Coordination entgegen der gewöhnlichen Praxis der Sprache und des Dichters muss anders erklart werden. Die zerhackte Construction ist ein gewolltes Kunstmittel: sie malt die Angst und die Atemnot des beklommenen Madchens. — Ovid hat also hier, so sonderbar wie das bei der ersten Beobachtung dem modernen Leser scheinen mag, einmal das Bedürfnis empfunden, von der Darstellung seiner Vorlage, der er in seinem Concept gefolgt war, bei einer spateren Durcharbeitung in einer für den zu erzielenden Effekt gleichgültigen Weise abzuweichen. Wir können nachweisen, dass er auch sonst ahnlich gehandelt hat. Um etwaigem Zweifel vorzubeugen, will ich das hier mit einem kleinen, aber, wie mir scheint, unanfechtbaren Beispiel erharten. Im XlIIten Und XIN'ten Buch der Metamorphosen hat Ovid bekanntlïch grosse Partieen der Aeneis zu Grunde gelegt, wobei er sich auch durchaus nicht scheut, Vergils eigene Ausdrücke manchmal wörtlich zu wiederholen. Wo aber die Odyssee den Grund der Erzahlung bildet, hat Ovid nicht unterlassen gelegentlich, wenn Vergil von Homer abwich, wieder auf diesen zurückzugreifen. Im Allgemeinen leitete ihn dabei die litterarische Wirkung, die er erreichen wolite und die von der von Vergil gesuchten verschieden war. Richtig sagt Lafaye: „Virgile ') Für die Verbindung des Ladon und der Ge giebt Magnus (Hermes, 1905, S. 201, A. 1) eine etwas gesuchte Erklarung. Der Lorbeer verdankt sein Dasein der Erde, aus der er hervorwachst, und dem Strome, der die Erde trankt und fruchtbar macht. Festschrift für Vahlen, S. 341. cherche dans Homère le pathétique noble: Ovide en tire un pathétique fatnilier, qui n'est pas sans charme" 1). Die kleine von Ovid auf eigene Faust vorgenommene Aenderung aber, auf die ich hier von neuem aufmerksam machen möchte, kann nicht aus dem gleichen oder aus irgend einem ahnlich beschaffenen Grunde erklart wérden. Vergil lasst Aineias und seine Gefahrten aul den Strophaden den Harpyien begegnen, unter denen er nur eine mit Namen nennt: Aen. III, 210 Strophades Graio stant nomine dictae Insulae Ionio in magno, quas dira Celaeno Harpyiaeque colunt aliae. Im Folgenden lasst er die Celaeno die Trojauer durch die Prophezeihung des ihnen bevorstehenden Unglücks erschrecken. Ueber denselben Vorgang berichtet Ovid nur kurz, nennt dabei aber anstatt der Celaeno die Aello, was ebenfalls einer der üblichen Namen der Harpyien ist: Met. XIII, 708 Strophadumque receptos portubus infidis exterruit ales Aello. Für diese willkürliche Aenderung gibt Ehwald folgende Erklarung: „Statt der Celaeno nennt Ovid Aello, weil ihm dieser Harpyienname bequemer in den Vers passt." Das ist sicher nicht richtig gesagt, denn welcher Vers hatte jemals einem Ovid Schwierigkeiten machen könnenr und hatte er in dem gegebenen Fall nicht ebenso leicht: „exterret dira Celaeno" schreiben können, wenn er gewollt hatte? Der wahre Grund zu der Aenderung kann nur der sein, dass Ovid, um seine Gelehrsamkeit (die er nicht hatte) zu zeigen, eben einmal einen anderen mythologischen Namen hinschreiben wollte als den, den er bei Vergil vorfand. Des Namens Aello mag er sich aus zufalliger Lektüre erinnert oder gar ihn in einem mythologischen Handbuche nachgeschlagen haben. Vollkommen ahnlich liegt der Fall in der Metamorphose der Daphne. Die von Nikander abweichende Genealogie des Madchens kann er entweder in einem Scholion M Lafaye, Les Métamorphoses d'Ovide et leurs modèles grecs, S. 127. seiner Nikanderausgabe gefunden oder sie von irgendwoher im Gedachtnis gehabt oder sonst irgendvvo nachgeschlagen haben. Ich habe diese ganze Frage mit einiger Ausführlichkeit erörtert, wei] ich in meiner Dissertation aus dem Vorkommen der Dublette im lext bei Ovid den unberechtigten Schluss gezogen hatte. der Dichter habe hier als Quelle seiner Erzahlung ein inythographisches Handbuch benutzt. Es liegt mir nun auch daran, an dieser Stelle Magnus abweichender Theorie die gebiihrende Beachtung zu schenken. ') Helms ausgezeichneter, des Aleisters, dem er gevvidniet ist, würdiger Aufsatz -') hat Magnus nicht überzeugt, dass in unserer Ueberlieferung der Metamorphosen einige Verbesserungen des ersten Concepts uncl Erwei te rungen einzelner Stellen von der Hand des Dichteis selbst vorhanden sind. \ ielmehr niiiimt er an allen den in Frage kommenden Stellen Interpolationen an, von denen einige im spaten Altertum, andere im Mittelalter, andere vviederum in der friihen Renaissance gemacht sein sollen, und glaubt nachgewiesen zu haben, dass die eine Fassung iiberall unovidisch, d. h. sprachlich und poëtisch zu schlecht, als dass sie von Ovid herrühren könnte. und daher sicher unecht sei. Ich bin fast durchweg anderer Ansicht und kann es daher nicht vermeiden, alle die von Helm und Magnus behandelten Stellen mit den von beiden vorgebrachten Gründen einer erneuten I rüfung zu unterziehen. Man kann zvvar in einer solchen Frage nirgendwo mit Sicherheit von der einen Stelle auf die andere schliessen und es ist von vornherein gut denkbar, dass der überlieterte lext der Metamorphosen sowohl interpolierte als wirkliche Dubletten enthalten mag. Aber andererseits wird doch das Li teil iiber die ganze aufgeworfene Frage unsere Meinung iiber die Dublette in der Daphnesage beeinflussen können; waren namlich die übrigen hierher gehörigen Stellen alle wirklich interpoliert und ware eine vom Dichter selbst herrührende ') Magnus, Ovids Metamorphosen in doppelter Kassung? Hermes, 1905, S. 191—239- -) Helm, De metamorphoseon Ovidianarum locis duplici recensione servatis, Festschrift für Johannes Vahlen, S. 337—365. doppelte Fassung an keiner anderen Stelle seines VVerkes nachvveisbar, so ist zuzugeben, dass die Anschauung, nach der die zwei Verse, in denen Daphne die Hülfe der Erde anfleht, interpoliert sind, zum mindesten sehr an Wahrscheinlichkeit gewinnen würde. Zuerst müssen wir versuchen uns eine genaue Vorstellung davon zu bilden, wie das Entstehen und Fortleben einer doppelten Fassung einzelner Stellen in den Metamorphosen zu erklaren ware. Diese Vorfrage hat auch Magnus am Anfang seines Aufsatzes ausführlich behandelt. Ovid hat bekanntlich sein Werk nicht selbst dem Verleger übergeben können, sondern es ist von Bekannten in Rom, die den Text hatten, ediert worden. Nun ist es in der Tat gut möglich, meint Magnus (a. a. O. S. 193), „dass jenes Urmanuscript, das Ovid an gute Freunde auslieh, Spuren des Mangels einer Schlussredaction zeigte; kleine Widersprüche und Nachlassigkeiten in der Form mogen so zu erklaren sein. Es ist ja wohl auch denkbar, dass hier eine Stelle wirklich einmal doppelte Fassung hatte, wenn namlich der Dichter sicli die Entscheidung, welche Version an die Oefifentlichkeit kommen sollte, für die letzte Durchsicht vorbehielt. ]) Doch war das gewiss ein Ausnahmefall: in der Regel betrachtet ein Autor, der neben die erste Fassung einer Stelle die zweite setzt, diese als Correctur jener und tilgt dementsprechend sofort die erste. Mit der vagen Möglichkeit aber, dass einmal die Tilgung nicht gründlich und deutlich genug ausgeführt sei, brauchen wir hier nicht zu rechnen." Das ist nun zwar folgerichtig und klar gedacht, allein ich denke, der Vorgang ist ein anderer gewesen. Die Fertigstellung eines Gedichtes gleich den Metamorphosen erforderte viel Zeit, und Ovid wird gewiss die Vollendung des ganzen Werk es nicht abgewartet haben, bevor er Teile davon seinen Freunden, wie die Alten es zu tun pflegten, zur Beurteilung zusandte. Als er in die Verbannung geschickt wurde, verbrannte er sein eigenes Manuscript oder, wenn man ihm das nicht glauben will, so nahm l) Wenn Castiglioni diese Möglichkeit ohne weiteres leugnet (a. a. O. S. 149, A. 1), so hat er entschieden unrecht. er es mit, aber das Werk erschien doch, denn es war schon in mehreren Abschriften verbreitet: Trist. I, 7, 24 pluribus exemplis scripta fuisse reur. Diese verschiedenen Abschriften hatte Ovid zu verschiedenen Zeiten diesem und jenem aus seinem Bekanntenkreis zugehen lassen; sie reprasentierten folglich verschiedene Stufen des Wachsens, der Durcharbeitung und des Feilens des Gedichtes. Jede davon enthieit durchweg für jede Stelle nur eine Fassung; unter sich aber wichen sie an einigen Stellen von einander ab. Als die Metamorphosen nun Gegenstand des buchhandlerischen Betriebs wurden, erhielten sich. wie es in solchen Fallen gewöhnlich geht, an einigen wenigen Stellen zwei verschiedene Fassungen. Die eine Ausgabe hatte die erste, die andere die zweite Fassung, oder auch beide Fassungen kamen neben einander zu stehen oder sie wurden schliesslich mit einander vermischt. In diesem letzten Fall konnte leicht Unverstandliches herauskommen. wodurch der nachste Herausgeber sich veranlasst sehen musste, das Storende durch irgend eine eigenmachtige Aenderung zu beseitigen. Ich halte diese \ orstellung der Entstehung einer doppelten Fassung im gegebenen Fall fiir natürlicher und wahrscheinlicher als die von Magnus geschilderte, zu der ich mich früher auch bekannt habe; dass sie jedenfalls möglich ist. wird mir, denke ich, jeder zugestehen. Metam. \ I, 280 ff. spricht die schwer getroffene Niobe in der schmerzlichsten Erregung folgende VVorte: 280 pascere crudelis nostro Latona dolore, 281 pascere, ait, satiaque meo tua pectora luctu 282 corque ferum satia, dixit. per funera septem 283 efferor. exulta victrixque, inimica, triumpha. 284 cur autem victrix? etc. Man hat an die Wiederholung desselben Wortes in den \ ersen 281 und 282 Anstoss genommen und sie auf zwei verschiedene Weisen zu beseitigen versucht. Am besten kann das durch Streichung des Yerses 281 geschehen. Doch das ware reine VVillkür, denn es liesse sich nicht erklaren, wie dieser an sich tadellose Vers in den Text gekommen sein sollte, wenn Ovid ihn nicht geschrieben hatte. Die Streichung des Verses 282, mit der man sich noch heute in der Haupt-Ehwald'schen Ausgabe zu helfen sucht, kommt hingegen einer Verstümmelung des Textes gleich, indem durch sie der folgende Vers dem Sinne nacli arg entstellt wird. Niobe kann namlich nicht anstatt: „In sieben Leichenzügen tragt man mich zu Grabe", was auf den Tod ihrer siebeu Söhne geht, die so zu sagen ein Teil ihrer selbst sind, nunmehr einfach sagen: „Man tragt mich zu Grabe." Ganz wörtlich im Sinne von: „ich sterbe" könnte man das ja nicht nehmen, und es wird dann auch immer bildlich im Sinne von: „es ist um mich geschehen" gefasst. Aber auch das ist unmöglich, denn dieses ware nicht nur, wie Magnus sagt, „sehr abrupt und ohne Parallele bei Ovid" (S. 212), sondern es ist auch ein Stilfehler der schlimmsten Art, einen Ausdruck bildlich zu gebrauchen, wo der Zusammenhang den Leser nötigt, an den wörtlichen Sinn zu denken. In einer Lage wie die hier geschilderte, wo sieben Menschen zu Grabe getragen werden, kann der Dichter einen der Anwesenden nicht sagen lassen: „ich werde zu Grabe getragen" im Sinne von: „es ist aus mit mir." Einfach streichen kann man hier also nichts. Wenn aber cfferor, wie mir sicher scheint, ohne das vorangehende per funera septem unmöglich ist, so ist damit auch die eine von den zwei Fassungen, in welche Helm den iiberlieferten Text auflöst (S. 342), gerichtet und damit verliert man dann überhaupt die Berechtigung, an dieser Stelle das Vorhandensein einer doppelten Fassung vorauszusetzen. So weit biti ich mit Magnus' Kritik der friiheren Aenderungsversuche einverstanden. Magnus selbst beanstandet nur den Halbvers : corquc ferum satia, der in der Parallelstelle IX, 176 f., wo Hercules Juno mit ungefahr denselben Worten anredet, genau so wiederkehrt. Er meint, diese Worte seien aus jener hier am Rande einer Handschrift angeführten Parallelstelle in den Text eingedrungen und batten die echten, für unsere Stelle völlig angemessenen Worte des Dichters aus der Ueberlieferung verdraagt. Dass gerade der von ihm angefochtene Halbvers in einer unserer Handschriften der Metamorphosen auf Rasur steht, scheint ihm diese Ansicht einigermassen zu bestatigen. Etwas derartiges kann nun gewiss ausnahmsweise vorkommen; ich glaube aber, zu einer solchén Annahme ist hier eigentlich kein rechter Grund: Ovid kann m. E. das Ueberlieferte recht wohl genau so geschrieben haben, wie es in den Handschriften dasteht. Xur \ erteidigung meiner Ueberzeugung dienen folgende Betrachtungen. Was zunachst die bereits ervvahnte Parallelstelle anbetrifft, so wissen wir, dass Ovid des otteren halbe \ erse, die er bereits anderswo geschrieben hatte. wiederholt hat, und zwar offenbar manchmal nicht mit Absicht. uni den Leser an jene anderen Stellen zu erinnern. sondern achtlos, weil bei der Behandlung des gleichen Stoffes oder der Ausmalung einer ahnlichen Situation der bereits früher gefundene Ausdruck sich von selbst wieder einstellte. Man vergleiche z. B. Metam. I, 636—640 mit Her. XIV, 89—92. Ich würde annehmen, dass er in solchen Parallelstellen, wenn er auf sie aufmerksam wurde, das einmal Geschriebene auch nachtraglich nicht zu tilgen und durch andere Worte zu ersetzen pflegte; denn diese unwillkürlichen Anklange an frühere Arbeiten stellen doch in seinen \\ erken in so grossen Entfernungen von einander, dass eigentlich nur die Alles wie mit dem Mikroskop prüfenden Philologen überhaupt auf sie aufmerksam werden konnten und nur Pedantismus sich an ihnen zu stossen vermochte. Was zweitens die \\ iederholung desselben Ausdrucks in zwei auf einander folgenden \'ersen angeht, so ist zu beachten, dass, wie Helm selbst herv orgehoben und an vielen gut gewahlten Beispielen gezeigt (S. 344 fif.), kein anderer latei 11 ischer Dichter ein solches Gefailen an der Wiederaufnahme derselben Worte in unmittelbarer Nahe von einander gefunden hat, wie gerade Ovid. An sehr vielen Stellen, wo die gute Formulierung des Gedankens eine solche Wiederholung zur Not gestattete, hat der Dichter in dem Gleichklang und der Responsion parallelisierter Worte geschwelgt. Nur des Klanges wegen macht er z. B. folgende Wiederholungen: Metam. V, 578 nee me studiosius altera saltus legit nee posuit studiosius altera casses. VII, 246 tum super invergens liquidi carchesia vini alteraque invergens tepidi carchesia lactis... Aus dem selben Grunde venvendet er in einem Distichon denselben Halbvers einmal am Anfang und andermal am Schluss: Rem. am. 385 Thais in arte mea est: lascivia libera nostra est; nil mihi cum vitta: Thais in arte mea est. Einmal hat er sich sogar zu der Spielerei verfiihren lassen, die beiden Halften eines Pentameters einander vollkommen gleich zu machen: Ep. Sapph. 39 Si, nisi quae facie poterit te digna videri, nulla futura tua est, nulla futura tua est. *) Manchmal aber ist die Wiederholung derselben Klange, die Ovid so sehr liebte, dass er sie auch um ihrer selbst willen suchte, bei ihm auch innerlich motiviert: es wird dadurch entweder ein im Stoff gegebener Parallelismus veranschaulicht, oder es kann durch den Rythmus der gegensatzlichen Wortstellung beispielsweise ein starkes Gefühl einer leidenschaftlich redend eingeführten Person geschildert werden. Let/.teres ist der Fall in der Bitte, welche er die stolze Niobe, nachdem ihre sieben Söhne und sechs ihrer Töchter von den Pfeilen der Diana getroffen worden sind, an die feindliche Göttin richten lasst: „Lass mir die eine, die jüngste. Von den vielen", so schrie sie, „fordere ich von Dir nur die jüngste, die eine." Metam. VI, 299 unam minimamque relinque. de multis minimam posco, clamavit, et unam. Es weiss namlich wohl ieder aus Erfahrung, dass ein in aussersterErregung Sprechender die Neigung hat, das einmal Gesagte sofort darauf noch einmal mit starkerer Betonung zu wiederholen. Das klingt wie eine Behauptung des eigenen Standpunktes und manchmal auch wie eine Herausforderung der gegnerischen ') Cf. Her. IV. 144. I artei. So auch hier: man beachte das clatnavit! Betrachten wir jetzt noch einmal die Stelle, von der wir ausgegangen sind. Sollte nicht auch dort das Wort satia vom I)ichter ebenso mit bewusster Absicht zweimal hinter einander gebraucht worden sein, um damit die zornige Aufvvallung der gegen den Himmel empörten und sich in ihrer Rede nicht beherrschenden Königin in pathetischer \\ eise zum Ausdruck zu bringen ? Ich würde annehmen, dass viele, wollte man den Vers 282 mit starker Betonung des zweiten satia lesen, die Wiederholung dieses Wortes als eine rhetorische Schönheit empfinden würden. Andere würden dariiber freilich vielleicht nicht ganz ebenso urteilen: aber gut, wenn sie auch jetzt noch meinen sollten, dass die Wiederholung hier weniger kunstvoll ist, als man es von Ovid sonst gewohnt, so ware das noch langst kein Grund, den Halbvers rorque feruin satia dem Dichter abzusprechen. Hat nicht Ovid selber darauf hingewiesen, dass sein Werk weniger formvollendete \"erse enthielte, die zu verbessern er nicht die Musse gehabtr 1 rist. I, 7, 39 quicquid in his igitur vitii rude carmen habebit, emendaturus, si licuisset, eram. Anders liegt die Sache Metam. VIII, 284 {., wo der kalydonische Eber mit folgenden Worten beschrieben wird : 284 sanguine et igne micant oculi, riget horrida cervix 285 et saetae similes rigidis hastilibus horrent 286 stantque velut valium, velut alta hastilia saetae. Hier sind alle Kritiker sich dariiber einig, dass die Verse 285 und 286, die zum Teil mit denselben Worten genau dasselbe sagen, einander ausschliessen. Man ist daher hier gezwungen, eine doppelte Fassung anzunehmen, wenn anders man nicht dartun kann, dass einer von den beiden Versen unecht ist oder sie gar, wie es haufig geschieht, beide miteinander zu streichen sich anlassen will. Dass die bessere Ueberlieferung den Vers 286 nicht hat, beweist nicht gegen die Annahme einer doppelten Passung: die guten Handschr iften brauchen sich ja nicht dadurch auszuzeichneii, dass sie immer beide Fassungen neben einander haben, was gewiss nicht die schönste und geistvollste Lösung der Schwierigkeit ist! Uer direkte Beweis der Unechtheit eines der beiden Verse soll erbracht werden, oder wir haben doppelte Fassung. Diesen Beweis hat denn auch Magnus für den Vers 286 angetreten. Seine Griinde sind jedoch ausserst schwach. Zuerst wiederholt er die alte Behauptung, Ovid könne nach einem oder zwei asyndetisch stehenden Satzgliedern nicht einen Satz mit quc anschliessen. Auf die Behandlung dieses Argumentes bei Helm, der es durch Heranziehung mehrerer guter Beispiele vöilig wiederlegt hat (S. 348), nimmt Magnus keine Rücksicht. Zweitens führt er an, es sei barbarisch velut in der Anaphora zu setzen. Ich würde von vornherein nicht wagen, das mit solcher Entschiedenheit zu behaupten. Meinem Sprachgefühl nach hat Magnus aber allerdings in diesem Punkte recht. Ich würde daher in Erwagung stellen, das zwei te velut, wie es in Burmatinus' Ausgabe geschehen ist, in zwei Teile aufzulösen: stantque velut valium vel ut alta hastilia saetae. Damit ware Magnus' Einwand beseitigt und dargetan. dass sich gegen den Vers 286 nichts wesentliches vorbringen lasst. Die Echtheit des Verses lasst sich aber auch positiv beweisen. Wie Helm richtig gesehen (S. 348), hat man sich, damit der Vergleich mit den zu Berge stellenden Borsten de? Ebers verstandlich sei, unter valium die Palissade zu denken, welche die römischen Kriegsleute auf den Schanzen zu errichte» pflegten. Nun ist es nicht glaubhaft, dass man im Mittelalter noch eine richtige Anschauung vom römischen valium gehabt haben soll te: das Wort bedeutete damals nichts weiter als Erdwall. Darum ist es nicht angangig, einen \'ers, in dem das Wort in der alten Bedeutung vorkommt, mit Magnus fiir „eine im Geiste des Mittelalters gehaltene Ausmalung" des Yerses 285 zu erklaren. Im achten Ruche der Metatnorphosen unterscheide ich in Acheloos' Erzahlung von der Verwandlung seiner Geliebten Perimele die folgenden zwei, beide gleichermassen von Ovid selbst herriihrenden Fassungen: A. B. 595 excepi nantemque ferens: 595 excepi nantemque ferens: „o proxima mundi „o proxima mundi 596 regna vagae", dixi, „sor- 596 regna vagae," dixi, „sor- tite. tridentifer, undae, tite. tridentifer, undae, 597 in quo desinimus, q uo sacri currimus amnes, 598 huc ades atque audi placidus, Neptune, precantem. 599 huic ego, quam porto, nocui. si mitis et aequus, 600 si pater Hippodamas, aut si minus impius esset, 600/' debuit illius misereri, ignoscere nobis. 601 adfer opem mersaeque, 601 adfer opem mersaeque, precor, feritate paterna precor, feritate paterna 602 da, Neptune, locum ; vel 602 da, Neptune, locurn; vel sit locus ipsa licebit". sit locus ipsa licebit: 603 hunc quoque complectar." movït caput aequoreusrex 604 concussitque suis omnes adsensibus undas. 605 extimuit nymphe, nabat tarnen, ipse natantis 606 pectora tangebam trepido salientia motu. 607 dumque ea contrecto, to- tum durescere sensi 608 corpus et inducta condi praecordia terra. 609 dum loquor, amplexa est artus nova terra natantes 610 et gravis increvit mutatis insula membris. 611 amnis ab his tacuit etc. 611 amnis ab his tacuit etc. l) Auch Magnus unterscheidet ahnlich, ausgenommen nur dass er B für eine durch spate Interpolation aus A entstandene Fassung anspricht. Sieht man von den vielen von Magnus S. 216, A. 2 zusammengestellten Abweichungen im Einzelnen ab, so kann man sagen, dass die bessere handschriftliche Ueberlieferung die Fassung A, die schlechtere die Fassung B bietet. Die zwei Verse 609 f. stellen aber auch in B, obwohl sie nur in A am Platze sind. Helm unterscheidet, wie ich, zwei vom Dichter selbst herrührende Fassungen, nl. a: 595—608, 611 ff. und b: 595—604, 609 ff. Dieselben zwei Fassungen unterschied auch schon Heinsius (ohne übrigens daran zu denken, sie beide auf Ovid zurückziifiihren) mit den VVorten: aut hi quatuor versus (nl. 605—608) sunt tollendi pro superfhiis, aut illi duo, quorum initium „dum loquor" (nl. 609—610), ne bis idem dicat. Ich halte aber diese Auffassung für weniger wahrscheinlich, einmal weil die verschiedene handschriftliche UeberlieferungdieserStelleim wesentlichen der Yerschiedenheit der zwei ursprünglichen Fassungen zu entsprechen scheint, und das andere Mal, weil der Vers 609 sich besser an 602 als an 608 anschliesst. Fassung A ist, wie Magnus richtig sagt, tadellos; Fassung B findet er durchweg schlecht und „unovidisch". Ich will versuchen, das von ihm aufgestellte „Sündenregister" 7.u entkraften und zu zeigen, dass Helm und Hartman Mnem. 1905, S. 351 ff. vollkommen Recht hatten, als sie sich der Meinung derer anschlossen, die in dieser ganzen Partie nichts anstössiges oder unovidisches zu entdecken vermochten. Magnus' erstes Argument verstehe ich nicht. „Die Worte movit — tmdas (603 f.)", schreibt er (S. 218), „sind ein Stück epischobjektiver Erzahlung, eingeschachtelt in einen subjektif gefarbten Ich-Bericht. Es ist unovidisch, ja widerspricht den Grundgesetzen ') Ich pflege die Metamorphosen sonst nach Riese's 2ter Ausgabe zu zitieren; hier und im folgenden habe ich aber Magnus' Zahlung angenommen, um die Vergleichung seiner Argumente mit den meinigen zu erleichtern. vollgraff, Nikander und Ovid, i. 6 der Poësie, dass der Erzahler (nicht der Dichter, sondern Achelous selbsterlebtes als Augenzeuge berichtend) seine persönliche Beobachtung movit caput acquoreus rex sq. nicht mit Hinweis auf die Nahe und leibhaftige Erscheinung des Gottes begründet." Also Ovid müsste hier nicht: „Da schüttelte der Meergott das Haupt", sondern: „Da erschien mir der Meergott und schüttelte das Haupt" geschrieben haben ? Mir sind jene „Grundgesetze der Poësie", welche Magnus das zu erfordern scheinen, völlig unbekannt. In Vers 597 soll die Konstruktion des Verbums desinere mit in cum ablativo unovidisch sein. Magnus gesteht ein, dass sie gut lateinisch ist und schon aus dem Grunde allein geilt es nicht an, sie dem Ovid absprechen zu wollen, wenn sie auch sonst zufallig nicht bei ihm vorkommen mag. Magnus beachtet aber nicht, dass desinere in aliqua re dem Sinne nach nicht ganz dasselbe ist als desinere in aliquid. Jenes heisst: aufhören bei etwas, das die Grenze bildet, über die hinaus die Wirkung des Subjekts nicht geht, dieses: in etwas übergehen, wobei es keine bestimmte Grenzlinie giebt, wo das eine aufhört und das andere anfangt. So heisst es zum Beispiel ganz richtig von einem Ungeheuer, dessen Körper in einen Fischschwanz auslauft: Metam. IV, 725 tenuissima cauda desinit in piscrw und von einer Frau, die in Thranen erstickt und deren Stimme stockt: Fast. II, 755 desinit in lacrimrtj, aber Cicero sagt: desinere in /wdem verb/j, den gleichen Satzschluss machen J). Ebenso heisst es auch hier vollkommen richtig: amnes desinunt in Neptune, nicht in Neptun//w. denn die Konstruktion mit dem Akkusativ würde die Vorstellung hineintragen, dass die Flüsse an ihrer Mündung sich allmahlich und unmerkbar in das Meer verlieren, eine Nüancierung des Gedankens, die, da hier allgemein von allen Fliissen der Welt die Rede ist, ') Cf. Suet. Ner. 46. wenn nicht geradezu argerlich, so doch absolut nicht erforderlich ware. W eiter ist Magnus der Meinung, es sei barbarisch, dass die Relativpronomina in \ ers 597 das substantivisch gebrauchte Epitheton tridentifer zum Antezedent hatten, anstatt des Namens des 1 ragers des Epithetons selber. Aber es steht ja da: tridentifer .... Neptune! Der Name ist dem Epitheton nur etwas nachgestellt, indem erin rhetorisch wirksamer Weise dem Schluss des Satzes naher gerückt ist. Die doppelte Anrufung des Neptun (598 und 601 f.) nennt Magnus mit Unrecht tautologisch. Erst bittet Achelous den Gott zu erscheinen und ihn gnadig anzuhören. und darauf, nachdem er erst kurz auseinandergesetzt hat, warum es sich handelt, verlangt er von Neptun unter abermaliger Anrufung seines Namens, dass er der bedrangten Nymphe helfe. In \'ers 597 soll die Zusammenstellung in quo—quo schülerhaft und unovidisch sein '). I* alls hier etwas zu andern ware. so wiirde am ehesten Burmannus' Konjektur Berücksichtigung verdienen: in quo desinimus quot sacri currimus amnes. Den Satz 599 ff. si mitis et aequus, si pater Hippodamas, aut si minus impius esset, debuit illius misereri, ignoscere nobis. erklart Magnus für geradezu sinnlos. Der Dichter sagt: „Ware Hippodamas ein milder und gerechter Mann, hatte er ein ') Cf. Metam. XIII, 193: mittor et ad matrem, qitae non hortanda, sed astu decipienda fuit, quo si Telamonius isset, orba suis essent etiam nunc lintea ventis. Catull. II, 1 : passer, deliciae meae puellae, quicum ludere, quem in sinu tenere, quoi primum digitum dare adpetenti .... vaterliches Herz, oder ware er auch nur in geringe rem Grade herzlos, so hatte er sich jener erbarmen und mir verzeihen müssen." Falls Ovid geschrieben hatte: si pius Hippodamas, aut si minus impius esset, so hatte ihn wohl jeder von uns Modernen verstanden. Das Ueberlieferte heisst aber genau dasselbe; pater heisst hier: ein rechter Vater. Vers 602 steht licebit nicht concessiv, sondern im Sinne des optativischen Conjunktivs. Den folgenden Halbvers: hunc quoque complectar als sachlich unrichtig zu beanstanden, mit der Begründing, dass nacli Vs. 590 die Insel, in die Perimele verwandelt wurde. nicht in der Flussmündung des Achelous, sondern ein wenig weiter draussen im Meer lage, scheint mir eine Spitzfindigkeit. Auch die Ansicht Magnus', dass in B die Vorstellung vorhanden sei, dass Achelous Perimele in menschenahnlicher Gestalt auf dem Rücken tragt, ist falsch. Der Fluss schmiegt sich an den wogenden Busen der schwimmenden Geliebten (605 ff.) und ftihlt ihren ganzen Körper, wahrend er ihn beriihrt, hart werden und sich in eine Insel verwandeln. Die Schilderunsr ist weder roh, noch geschmacklos, noch sonderlich lasciv, noch ungereimt. Es bleibt abzuwarten. ob Magnus seine jvon mir bekampften Anschauungen in Bezug auf Metam. VIII, 595—610 auch in Zukunft noch aufrecht erhalten wird. Metam. VIII, 641 ff. stehen sich in der Beschreibung der gastlichen Aufnahme Juppiters und Mercurius' im Hause von Philemon und Baukis zwei Rezensionen gegenüber, von denen die eine erzahlt, wie den Gasten vor der Mahlzeit Gelegenheit gegeben wurde, sich zu waschen, wahrend die andere diese Episode auslasst. A B 651 interea medias fallunt ser- 651 interea medias fallunt sermonibus horas monibus horas 652 sentirique moram prohi- bent. erat alveus illic 653 fagineus, du ra clavo sus- pensus ab ansa. 654 is tepidis impletur aquis artusque fovendos 655 concutiuntque torum de 655 accipit. in medio torus molli fluminis ulva est de mollibus ulvis 656 impositum lecto sponda 656 impositus lecto sponda pedibusque salignis. pedibusque salignis. Die \ ersion B betrachtet Magnus als zwischen dem Xlten und dem X Uiten Jahrhundert durch Interpolation aus der einzig ovidischen \ ersion A entstanden. Der Zweck dieser Interpolation ware einlach gevvesen, die Erzahlung noch um die Schilderung, oder nein, um die Erwahnung des den beiden Olympiern angebotenen Bades zu bereichern. Ich frage nun zunachst: kann man diese Absicht wirklich im Ernst als einen Zweck geiten lassen, um dessentwillen ein mittelalterlicher Gelehrter den Text der Metamorphosen, dieses anerkannten Meisterwerks der klassischen Poesie, gefalscht haben sollter Diese Frage stelle ich nicht allein in Bezug auf die Stelle, welche hier besprochen werden soll, sondern aucli in Hinsicht auf andere Stellen, in denen man Interpolationen aus dem Mittelalter wittert. Stellen werden interpoliert, wenn man sie nicht versteht, wenn eine 1'arallelstelle sich dem Geiste aufdrangt oder durch Versehen eindringt, wenn das Gesagte dem Leser oder dem Herausgeber misslallt oder verwerflich erscheint oder aus sonst einem wenigstens halbwegs gewichtigen Grunde. Aber wie sollten wir glauben, dass im Mittelalter tiichtige Latinisten, welche die Kunst verstanden metrisch tadellose ovidische Hexameter zu schreiben, sich ohne jede aussere Veranlassung ab und zu den Spass erlaubt hatten, in Ovids Schilderungen einen neuen, kleinen Zug kunstgerecht hineinzuflicken? Gelehrte Mönche sollten den Text des Ovid in ahnlicher Weise erweitert haben. wie Rhapsoden bisueilen den des alten Homer? Damit wir einen innerlich s uinvahr- scheinlichen Vorgang als eine Tatsache hinnehmen sollten, brauchten wir dazu zum mindesten vollkommen klare, unwiderlegliche Beweise. ') Dagegen sind die Verdachtigungen der Version B, die man bis jetzt vorgebracht hat, wie Helm sie S. 355 treffend charakterisiert hat, alle miteinander futni instar. Der Wichtig-- ^ o keit der Frage für die Kritik der Schriften des Ovid halber will ich auch hier nicht unterlassen auf Magnus' Scheingründe im einzelnen einzugehen. \ ersion B ist offenbar die zweite, erweiterte Fassung der Stelle. Wenn ein Dichter, mag er auch noch so geschickt sein, eine einmal geschriebene Partie seines Werkes nachtrasrlich er- \ 0 weitert, so kann es leicht vorkommen, dass es ihm nicht eelinsrt. O O " die dadurch entstehenden Nahte völlig unkenntlich zu machen. So ist der inhaltlich ein wenig leere Halbvers (652) zu entschuldigen. mit dem die spater eingefügte Stelle anhebt, und so entstand auch die Aufeinanderfolge der zwei Asyndeta (652 und 655)- Es ist wahr, dass das eine die Wirkung des anderen ein klein wenig beeintrachtigt; wer ein scharfes Ohr hat, wird hier beim Lesen vielleicht eine leise Eintönigkeit im Gange der Erzahlung verspüren. Nur sind das offenbar keine Argumente gegen das Vorhandensein einer doppelten, beide Male vom Dichter selbst herrührenden Fassung. Und in allem übrigen ist der eingefügte Satz, sowohl was den Inhalt als was die Form anbetrifft, schlechterdings untadelig. Er lautet: „Es gab im Hause einen an seinem festen Henkei an einem Nagel aufgehangten Kübel aus Buchenholz. Dieser wurde mit lauem Wasser gefüllt und empfing die zu erquickenden Gliedmassen der Gaste." Dazu bemerkt Magnus, die Anschauung, von der diese Vorstellung ausgehe, sei nicht antik: Privatbader habe es zur Zeit Ovids nur in grossen Hausern gegeben! Aber Reisenden konnte der alte Dichter in dem Bauernhause, in das sie einkehrten, von den freundlichen Besitzern doch wohl einen Holzzuber mit lauem Wasser bringen lassen, um sich den Staub abzuwaschen! Ausserdem findet Magnus, die „trockene skizzenhafte Wendung", l) Dass Interpolationen überhaupt bei Ovid viel seltener sind, als man gewöhnlich anniramt, beweist Helm, Rhein. Mus. 1901, S. 340 ff. mit der die „ganze Procedur" des Bades „erledigt" werde, stehe im Widerspruch mit dem Stile der idyllischen Kleinmalerei, in dem die iibrige Erzahlung gehalten ist. Aber durfte denn das Bad ebenso ausführlich geschildert werden wie z. B. die Mahlzeitr Homer hat zwar die Toilette der Hera mit einiger Auslührlichkeit beschrieben. Aber wenn das auch im grossen Epos damals möglich war, so hatte es doch in einem Epyllion idyllischer und landlicher Art, wie dieses hier eines ist, stilistisch leicht sehr platt wirken können. Der spatere und raffiniertere Dichter hat wohl mit Recht geglaubt, seinen Lesern das Detail der Reinigung der Götterleiber ersparen zu müssen.' Haben wir das Recht uns darüber zu beklagen ? Wen es ergötzt, der kann sich ja nun die Situation im Hause des Philemon und Baukis naher ausmalen. Und das haben die Modernen tatsachlich getan. Es klingt unglaublich, aber es sind unter Philologen F ragen aufgeworfen und allen Ernstes besprochen worden, wie z. B., ob der Dichter gemeint habe, dass die Götter sich die Hande, oder die t üsse, oder beides, oder auch noch andere Körperteile in dem Kübel aus Buchenholz gewaschen hatten! Es stehen bei Magnus Argumente noch schlimmerer Art, durch die er darzutun sucht, dass „die ganze Scene" des Bades „unmöglich" ist — aber ich iibergehe sie. Nur noch dieses eine: „In der Mitte," schreibt Ovid, „war ein Bett (torus). „Es müsste heissen", so behauptet Magnus, „ein Bettgestcll (lectus), „denn das Gestell ist die Hauptsache'". Aber es müsste auch nicht in der Mitte des Zimmers stehen, denn das Haus war ja nur klein: besser stünde es also an der Wand, „etwa in einer Nische"!! Welches harmlose Wort ist vor einer solchen Kritik noch sicher ? Am Ende der Erzahlung von Philemon und Baukis finden sich wieder in unmittelbarer Nahe von einander zwei Beispiele von doppelter Fassung: A | B 691 modo vestra relinquite 091 modo vestra relinquite tecta tecta 692 ac nostros comitate gra- dus et in ardua montis 693 ite simul. parent ambo baculisque levati 694 nituntur longo vestigia ponere clivo. 695 tantum aberant summo, quantum semel ire sagitta 696 missa potest: flexere ocu- Ios et mersa palude 697 cetera prospiciunt, tantum sua tecta manere. 698 dumque ea mirantur, dum deflent fata suorum, 699 illa vetus etc. 692 ac nostros comitate gra- dus et in ardua montis 693 ite simul. parent et dis praeeuntibus ambo 693b membra levant baculis tardique senilibus annis 694 nituntur longo vestigia ponere clivo. 695 tantum aberant summo, quantum semel ire sagitta 696 missa potest: flexere ocu- los et mersa palude, 697 mersa vident quaeruntque suae pia culmina villae: 698 sola loco stabant. dum deflent fata suorum. 699 illa vetus etc. An der ersten Stelle (693) sind beide Fassungen untadelig, obwohl die kürzere auch m. E. entschieden die schonere ist. Hier vvird Ovid nachtraglich eine Lange in seinem ersten Entwurf beseitigt haben. Magnus' Bemerkung, „die Zusammenstellung levant und tardi wiirde dem Dichter keine Ehre maclien", da das eine dem anderen geradezu widerspreche (S. 229), ist mir völlig unvcrstandlich. Wen das Alter schwach und langsam gemacht hat, der stiitzt sich auf einen Stock, oder buchstablicher übersetzt, der richtet seine Gliedmassen an einem Stocke etnpor; wo ist da der Widerspruch? An der zweiten Stelle (697 f.) wird die Fassung A mit Recht von Niemandem beanstandet. Die Fassung B ist, wie Magnus richtig hervorhebt, in der vollstandigen Form, wie sie oben abgedruckt ist, überhaupt nirgendwo iiberliefert; sie lasst sich aber aus verschiedenen der schlechteren Handschriften und einer am Rande von M eingetragenen Variante leicht rekonstruieren. Nur in einem Punkt hat man bei der Wiederherstellung derzweiten Fassung, wie man sie auch immer geformt, offenbar nicht das Richtige getroffen. Es ist namlich undenkbar, dass Ovid geschrieben hatte: et mersa palude, mersa vident. Eine solche anaphorische Wiederholung eines Partizips, noch dazu init Auslassung des hinzugehörigen Substantivs, ist in der lateinischen Poësie schiechthin unmöglich. Vergeblich hat Helm (S- 359 ff-) sic'1 bemüht, an Dutzenden von Beispieleti zu zeigen, dass Ovid die Anapher schon des Klanges wegen sehr liebte; vergeblich hat er bemerkt, dass mersa bisweilen substantivisch „überschwemmtes Land" bedeutet. Die Lesart ist nicht zu halten, und es sei sogar hinzugefügt, dass nicht nur Ovid das nicht hat schreiben können, sondern auch ein etwaiger Interpolator im Mittelalter nicht, wie Magnus will. Die Stelle ist verdorben, wie es denn nur natürlich ist, dass bei einer so schlechten Ueberlieferung der doppelten Fassung einer Stelle die eine oder andere \ erderbnis sich hat einschleichen können. Ich denke Ovid hat geschrieben: et mersa palude cuncta vident. So emendiert, ist aber auch die Fassung B tadellos. Magnus findet aber noch zwei Dinge an ihr auszusetzen. Erstens sei der Gebrauch von quaerunt imSinnevon: „sie suchen (mit den Augen)" „unovidisch." Diese Behauptung bestreite ich grundsatzlich: einen gut lateinischen, klassischen Ausdruck hat man nicht das Recht unovidisch zu nennen, auch wenn er sich gerade nicht bei Ovid nachweisen liesse. Ich verzichte daher darauf, weil ganzlich iiberfltissig, den Beweis zu führen, dass Ovid das Verbum quaerere, genau wie alle anderen Schriftsteller, ebensogut im Sinne von „(mit den Augen) suchen", wie in dem von „vergebens suchen, vermissen" gebraucht. Zweitens tadelt Magnus den Ausdruck pia culmina villae, weil die pietas doch nicht gerade an den culmina in die Erscheinung trete! Alsob pia culmina villae dem Sinne nach anders von den Alten empfunden worden ware als piae culmina villae. Es ist die im Griechischen so gewöhnliche, tür den Sinn gleichgültige Attraktion des Adjektivs vom nomen rectum auf das nomen regens, die immer wieder zu Missverstandnissen Veranlassung giebt1). Metam. XI, 57 hat Helm mit Unrecht eine Dublette angenoramen. Die zwei schlechten Verse 5 ja und 57/', die einander ausschliessen, sind, wie Magnus schlagend nachweist (S. 23 if.), beidé unecht. Ebenso ist die Stelle Metam. XII, 192 von Magnus richtig beurteilt worden. Es kann da von einer doppelten Fassung keine Rede sein, sondern nur von einer in den Text eingedrungenen, ursprünglich am Rande beigeschriebenen Paral lelstelle. Das Ergebnis der hier angestellten Nachprüfung von Helms und Magnus' Argumenten ist also, dass man, abgesehen zunachst von der Stelle im Daphnemythus, von der wir ausgegangen sind, noch an vier anderen Stellen in den Metamorphosen wirkliche Dubletten antrifft-). Doppelte Fassung kommt tatsachlich hin und wieder in der Ueberlieferung der Schriften des Ovid vor. Wir werden sie deshalb um so eher auch in der Metamorphose der Daphne annehmen dürfen. Die positiven Griinde, die uns veranlassen, sie dort zu statuieren, brauche ich hier nicht noch einmal zu wiederholen. Magnus' Gegengriinde fallen nicht ins Gewicht. Wenn er sagt, der Zustand der Ueberlieferung sei der Annahme einer doppelten Fassung „nicht eben gunstig", so gesteht er damit selber ein, dass er eine solche Annahme jedenfalls nicht ausschliesst. Sprachlich hat er gegen die von ihm verworfene Fassung, in welcher Daphne die Erde um Hülfe anfleht, nichts vorgebracht. Seine individuelle Ansicht, die er auch in seiner Rezension von Castiedioni's oben angeführtem o o l) Cf. Wilamowitz, Hcrakles-, II, S. 114 f. -) Ausserdem liegt, «ie Ehwald richtig bemerkt, auch Met. 1, 70 Doppelrezension vor. Werk ') festhiilt, dass namlich Ovid selbst der Urheber der \ erlegung des Daphnemythus nach Thessalien ware, braüche ich hier nicht des langeren zu besprechen, da sie immer nur den Wert einer Vermutung hatte und jetzt, wenn meine Auffassung von Nikanders Eigenart und Ovids Verhaltnis zu ihm richtig ist, von selbst erledigt erscheint. Damit fallen natürlich auch die logisclien Schlüsse weg, die er aus seiner Ansicht für den lext des Ovid gezogen hat. Nach der \ erwandlung der Daphne wird im ersten Buche der Metamorphosen diejenige der Io geschildert. Zwischen diesen beiden Mythen besteht kein wirklicher Zusammenhang; so ist dcnn der Uebergang, vermittelst dessen die beiden Sagen bei Ovid mit einander verknüpft sind, notwendigerweise ein durchaus künstlicher. Zum Peneios, der in einer Grotte im Tempetal seinen Wohnsitz hatte, kommen nach der Verwandlung der Jungfrau die anderen h lussgötter, dem Vater ihre Teilnahme am Schicksal der Tochter zu bezeigen, und zwar erscheinen nicht nur die benachbarten thessalischen, sondern überhaupt alle Flüsse, in welche Meere sie sich auch immer ergiessen mögen: I, 580 moxque Amnes alii, qui, qua tulit impetus illos, in mare deducunt fessas erroribus undas. Nur der Inachos fehlt: der trauert ja selber um eine verlorene Tochter .. . deren Geschichte dann folgt. Diesen Uebergang haben so viel ich weiss alle Kritiker als von Ovid selbst erfunden und für Ovids schriftstellerische Art charakteristisch bezeichnet. Es stellt sich aber jetzt heraus, dass ein solcher Glauben einer naheren Prüfung nicht stand halt, denn es liegt hier ja offenbar dieselbe Anschauung zu Grunde, der wir auch im IYten Buche der Georgica begegnet sind, namlich die, wonach der Peneios der Vater aller Flüsse der Welt ist. Dass es Ovid selbst hatte einfallen können, dieses nach Vergils Vorbild zu neuern, wird gewiss niemand behaupten wollen; beide haben !) Berl. phil. Woch. 1907, Sp. 942—947. sie die gleiche \ orstellung aus derselben Quelle übernommen, dieser aus den Georgika, jener aus den Heteroiumena des Nikander. Damit wird es dann aber auch ohne weiteres höchst wahrscheinlich, dass Ovid auch die Gestaltung seiner Scliilderung von Io's Verwandlung dem Nikander verdankt. Es ist bereits einmal für einen Abschnitt der Metamorphosen der Nachweis geführt worden, dass üvid aus Nikander einen ganzen Strauss ihrem W'esen und Ursprung nach nicht zusammengehöriger Metamorphosen, ganz ahnlich wie ihn der Kolophonier zusammengestellt, herübergenommen hat ]). Dieser Fall steht also jetzt nicht langer vereinzelt da. Die Sage der Io hat Ovid in einer Weise behandelt, die auch an sich schon deutlich erkennen lasst, dass seine Vorlage ein hellenistisches Gedicht gewesen ist. In Kallimachos' 'loüs xQti-ic niuss dem t itel des Gedichtes und der ganzen Stellung des Dichters nach das Hauptgewicht auf die Schicksale der Argiverin auf agyptischem Boden und ihre Gleichsetzung mit der Isis gelegt gewesen sein; in Ovids Vorbild hingegen war, wie es scheint, dieser letzteren nur ganz kurz gedacht (Vs. 747). Die Zurückführung der Augen des Pfauenschwanzes auf die hundert Augen des Argos (Vs. 722 f.) erscheint nicht vor dem alexandrinischen Zeitalter in der Litteratur. Die hier geschickt eingeschachtelte Metamorphose der arkadischen Nymphe Syrinx tragt ebenfalls einen durchaus hellenistischen Charakter. Ich ware daher geneigt zu glauben, ohne es im Uebrigen beweisen zu können, dass Ovid in der Sage der Io Nikander inhaltlich getreu gefolgt ist. Dass die ovidische Erzahlung Spuren einer Kontamination verschiedener Darstellungen des Mythus, darunter derjenigen des Aischylos und des Kallimachos aufweise, kann ich Eitrem2) nicht zugeben. Seine weitere Schlussfoleeruns-. O ö' Ovid habe irgend ein mythologisches Handbuch benutzt, in dem diese und noch andere poetische Quellen bereits mit einander vermischt gewesen waren, leidet übrigens an dem Uebel, dass ') Bethe, Hernies, 1904, S. 1 —14. '-) Philol. 1899, S. 451 ff. die Existenz derartiger mehrere Quellen zusammenschweissender und mit einander versetzender Handbücher überhaupt nicht erwiesen ist. Der Metamorphose der Io schliesst Ovid vermittelst eines zweiten künstlichen Uebergansis den Mythus des Phaethon an: O O ^ lo's Sohn Epaphos begegnet dem gleichaltrigen Sohne des Helios und der Klymene Phaethon und zieht dessen göttliche Abkunft in Zweifel: dieser Hohn veranlasst Phaethon zu seinem Yater zu gehen und ihn um seinen Wagen zu bitten. Auch diese Verknüpfung zweier in keiner VVeise zusammengehöriger Mythen ist selbstverstandlich die wiilkürliche Erfindung irgend eines Dichters; freilich haben wir jetzt das Recht verloren, derartiges ohne nahere Beweise in allen Fallen dem Ovidselbst zuzuschreiben. Die Betrachtung der Phaethonsage, welche in das Ilte Buch der Metamorphosen gehort, verschieben wir aber bis auf spater, und wenden uns zunachst dem der Daphnesage vorangehenden Teil des ersten Buches zu. Nach vier einleitenden Versen, in denen der zu behandelnde Stoff kurz und bündig bezeichnet ist und die Götter um Hilfe für das gute Gelingen des Gedichtes angerufen werden, folgt eine ziemlich ansführlich geschilderte Kosmogonie (Vs. 4—75) im Sinne der stoïschen 1'hilosophie. Von Hesiod bis zur Bibliotheka Apollodors hat man immer den Anfang der Welt von Chaos und Uranos ausgehend in rein mythischer und genealogischer Form erzahlt. Hier finden wir hingegen eine Schilderung der Entstehung der Welt aus dem physischen Chaos. Diese Einleitung des VVerkes war also durchaus nicht etwas Gegebenes; sie widersprach geradezu der herrschenden Gewohnheit. Da aber Ovid selber gewiss nicht Stoïker war, so wild er schwerlich ganz aus eigenem Antriebe darauf verfallen sein, gerade in dieser so absonderlichen Weise anzuheben. — Auf die Schöpfung der Welt folgt die Scliöpfung des Menschen (76—88), welche ebenfalls im Geiste der Stoa vorgetragen wird. Nur die Frage, ob der SWMOvpyi; oder Prometheus den ersten Menschen gebildet liabe. lasst der Dichter ausdrücklich unentschieden. Es folgt dann, was ja fast unvermeidlich war, die Schilderung der vier Weltalter (89—150): auch diese Volksvorstellung entspricht bekanntlich der geistigen Tendenz der stoïschen Schule. Darauf kommt, ganz kurz erzahlt (151 — 155), die Gigantomachie: die himmelstürmenden Riesen türmen den Olymp, die Ossa und den Pelion auf einander und werden von Juppiter mit dem Blitz erschlagen. Bis hierhin hat der Dichter nur den allgemein angenommenen Gang der Entstehung des Geschlechtes der Götter und der Menschen geschildert, allerdings von ausgesprochen stoïschem Standpunkteaus. Es folgt nun der erste individuelle Zug. Aus dem Blute der Giganten lasst ihre Mutter, die Erde, auf dass ihre Kinder nicht spurlos vergehen, Menschen entstehen; aber auch diese Menschen waren um nichts besser als die ubrigen damals lebenden Angehörigen des eisernen Zeitalters: man konnte ihnen anmerken, dass sie aus Blut geboren waren (156—162). Diese namentlich in dem Zusammenhang befremdende \ erwandlung des Blutes der Giganten in neue Menschen findet sich nur bei Ovid. Dass er sie aber erfuncien hatte. ist nicht denkbar: sie fallt aus der Erzahlung völlig heraus und ist auch für die Anknüpfung der folgenden Geschichte des Lykaon gan/.lich unnötig. Der Haupt-Ehwaldsche Kommentar versucht die Schwierigkeit durch folgende Erklarung zu heben: „In seiner ursprünglichen Bedeutung mag dieser Mythus das Menschëngeschlecht überhaupt aus dem Blute der Giganten haben entstehen lassen, wahrend nacli Ovid schon früher Menschen erschaffen waren". Ovid sollte eben auch diese Metamorphose noch haben verwerten wollen! Man wird leicht einsehen, wie unwahrscheinlich diese Annahmeist: welcher griechische Dichter hatte denn jemals entgegen dem allgemein verbreiteten Glauben das ganse Menschengeschlecht aus dem Blute der ruchlosen Gigantenbrut entstehen lassen können? Anstatt jener willkürlichen und lalschen Lösung glaube ich eine einfachere und bessere gefunden zu haben. Ovid lasst also auf dem Schauplatz der Gigantomachie, d. h. im nordöstlichen Teil Thessaliens ein Volk entstehen, dessen 'l aten seinen blutigen Ursprung nur allzusehr verrieten : IÓ2 scires e sanguine natos. Das ist doch wohl eine aitiologische Erklarung des Namens A'ifisvix, wie die hellenistischen Dichter, und auch Ovid selbst, Thessalien so vielfach nennen. Aus dieser Deutung erhellt, falls sie richtig ist. dass Ovid hier eine hellenistische Vorlage gehabt hat und zvvar eine tendenziös gefarbte, denn die landesübliche Erklarung des betreffenden Namens kann natiirlich nicht so gelautet haben. Haimonia hat ursprünglich, bevor es als dichterisches Synonym von Thessalien überhaupt üblich wurde, einen Teil Thessaliens bezeichnet und zwar dessen nördlichen Teil, wie aus Strab. IX, 5, 23 hervorgeht J). Dieselbe Strabonstelle lehrt auch, dass man den Namen von Haimon. dem Sohne des Pelasgos 2) und Vater des Thessalos, ableitete. Wer ist nun dieser hellenistische Dichter gewesen, der den alten Namen der Nordthessaler als „Blutmenschen" zu deuten unternahm und ihren Ursprung auf die gottverhassten Giganten zurückführter Natürlich Nikander, derselbe der ja auch den Wohnsitz der Kyrene aus dem makedonischen Teil Thessaliens nach dem Hochgebirge verlegt hat. Das bedarf. glaube ich, keines naheren Beweises. Ich bemerke ausdrücklich, dass sich daraus für die Ouelle des Ovid im vorhergehenden Abschnitt des ersten Buches nichts folgern lasst; es würde meiner Anschauung durchaus nicht entsprechen, wollte jemand behaupten, dass er auch die stoïsche Kosmogonie dem Nikander verdanke. Es folgt darauf bei Ovid die Metamorphose des Lykaon (163— 243) und die Sintflut (244—312), durch die Juppiter das ruchlose Menschengeschlecht vernichtet. Diese Verknüpfung entspricht nicht der üblichen Form der Sage, findet sich aber dennocli in der bibl. Apoll. III, 99 nebenbei ervvahnt: tóx/Toy (sc. TC'J V.Z7XY.h'J'7[AZ'j} SylOl Olx T'/jV TCCV Tjcfèccy yeund ausserdein kennen sie auch einige in diesem Punkte ofïenbar nicht von Ovid abhangige spatere M\ thographen 3). Da aber die Sintflut in Nord-Griechenland lokalisiert ') Cf. Pind. Nem. IV, ;6. 2) Oder des Zeus (Kern, De epigr. Lar. commentariolus). 3) Serv. ad Verg. Ecl. VI, 41; Mvth. Vat. 189. zu werden pflegt, so ist ilire \'erknüpfung mit der arkadischen Lykaonsage nichtsdestoweuiger vollkommen künstlich; sie muss als die bewusste Neuerung irgend eines spateren Dichters angesehen werden. Ovids Erzahlung von Lykaon enthalt zunachst einen Zug. der sicli sonst nirgends findet: er lasst namlich Lj kaon dem Juppiter nicht nur Menschenfleisch vorsetzen, sondern mutet ihm auch einen Mordversuch zu (224 f.). Man könnte nieinen ich selber habe früher ebenso geurteilt — diesen Zug habe Ovid selbst nachtraglich in sein Gedicht hineingeflickt mit dem durchsichtigen Zweck, Gelegenheit zu finden, eine Anspielung auf eine \ erschwörung gegen das Leben des Augustus einzufügen (200—205). Sodann findet sich bei Ovid noch ein unscheinbares Detail, das uns bei richtiger Beleuchtung seine Quelle auch hier zu ermitteln gestattet. In der Bibliotheka lassen die Söhne des Lykaon irgend einen Knaben (evx tüv èvixispim icxïïx) aufgreifen und schlachten, um sein Fleisch dem sich für einen Gott ausgebenden Gast vorzusetzen, und auch bei den meisten anderen Autoreu kommt auf die Persönlichkeit des Geschlachteten gar nichts an: der Prevel Lykaons und seines Hauses besteht lediglich darin, dass sie dem hohen Gaste Menschenfleisch anbieten, um zu sehen, ob er es merkt. Eine ganz andere Fassung ist die, welche in den Katasterismen des Eratosthenes dem Hesiod (Fr. 181 Rz.) zugeschrieben wird und in der dei (ietötete Arkas ist, wodurch Lykaons Frevel bis ins Ungeheuerliche gesteigert wird. Kei Ovid steht aber, der Getötete sei ein molossischer Geisel gewesen, den Lykaon gehabt hatte (226 f.). Sollen wir glauben. wie uns heute zugemutet wird, Ovid habe dieses Detail selbstandig erfunden in der Absicht. das 1 re\elhafte in der lat Lykaons ein wenig zu steigernr Die Erklarung ist nicht zulassig, denn Ovid würde ohne aussere \ eranlassung doch nicht in so stilloser Weise die für seine Zwecke gleichgültige Nationalitat des Geisels hervorgehoben habe'n. Wir müssen vielmehr aus der betreffenden Stelle schliessen, erstens, dass Ovid hier eine poëtische Vorlage hatte, der er dieses Detail in gekürzter Form entnam, und zweitens dass Ovids Gewahrsmann mit seiner bei dem römischen Dichter nunmehr unmotiviert erscheinenden Neuerung in der Sage irgend eine ganz bestimmte Absicht verfolgt haben musste. Die besondere lendenz nun dieses der alten Erzahlung hinzugefügten Details können wir noch sehr gut ausfindig machen und nachempfinden. L nter den Söhnen des Lykaon erscheint in der Bibliotheka (III, 96) auch Thesprotos. Also gab es eine Tradition, nach der Lykaon an der Spitze der thesprotischen Genealogieen stand, und diese niuss alt gewesen sein, denn fiir die spateren Zeiten ist ja kein Grund mehr ersichtlich, aus dem derartiges hatte aul kommen können. Hier hingegen wird vorausgesetzt, dass Lykaon in Epeiros Krieg geführt habe, und beiichtet. wie er sich dann in schnöder Weise an einem der von den Molossern gestellten Geiseln vergriff. Es wird also der \ersuch gemacht, zu trennen, was durch die Heldensage von altersher verknüpft war. Darin muss man die Hand des Nikander wiedererkennen, den wir als gewaltsamen Neuerer in dei nordgriechischen Heldensage bereits genügend kennen geleint haben. Man wird mir wohl kaum entgegenhalten, meine Beweisführung sei ungenügend, weil Thesprotier und iMolosser zwei verschiedene epeirotische Stamme seien. Im Zeitalter des Nikander war dieser Unterschied namlich langst unwichtig geworden, nachdem der Molosserkönig Pyrrhos auch Thesprotien in das Königreich Epeiros aufgenommen hatte. Man wird zugeben müssen. dass es unmöglich Zufall sein kann. wenu eine Reihe auffallig individueller Züge mythischer Erzahlungen bei Ovid uur aus einer spaten, willkiirlichen Bearbeituns' norderriechischer Sagenstoffe erklart werden können. Dieses weist deutlich aut Nikander als Quelle Ovids. Im Lebrigen liegt es mir fern. ausklügeln zu wollen, worauf Nikander durch seine Neuerung in Bezng auf die schlechte Behandlung des Molossers durch den arkadischen Fürsten hat anspielen wollen. Lie Geschichte des Lykaon hat Uvid den Juppiter in einer Götterversammlung selber erzahlen lassen. Wenn man es nun schon als i'eststehend betrachten kann, dass er diese Geschichte selbst und das Vorhergehende iiber die Gigantomachie und die Entstehung des neuen ruchlosen Menschengeschlechtes dem Nikander Vollgraff, Nikander und Ovid, i. 7 verdankt, so könnte man immer noch meinen, dass er wenigstens den Uebergang zwischen beiden ganz selbstandig erdacht hatte. Das scheint aber in Wirklichkeit auch nicht der Fall zu sein. Den Uebergang zur Lykaonsage bilden recht eigentlich die Worte, mit denen Juppiter die Ausrottung der Menschen befürwortet: l9° ... immedicabile vulnus ense recidendum est, ne pars sincera trahatur. sunt mihi semidei, sunt rustica numina Nymphae Faunique Satyrique et monticolae Silvani; quos quoniam caeli nondum dignamur honore, 195 quas dedimus, certe terras habitare sinamus. an satis, o superi, tutos fore creditis illos, cum mihi, qui fulmen, qui vos habeoque regoque, struxerit insidias notus feritatc Lycaon? Damit vergleiche man die kürzlich bekannt gewordenen Verse aus den hesiodeischen Katalogen (Berl. Klass. Texte, V, i, S. 34, Vs. 58 ff.): . . . yxp TCTS IJL-jleTO b£7>C£/.JC 'épyjc Zevs -j-lippsfAéTv? ftsl^xt nxr' xireipovx yxïxv rvp$x%xs, viltj os yéyos [ieps7roov xvbpuTruv 7TC/./.M XI7TX0'XI Trpi$X7t'J fiSV O/J'jb'Xl t/A&iüv . .. ') Hier führt Zeus den trojanischen Krieg herbei, damit die Halbgötter sterben, dort die Sintflut, damit sie leben. Das sind ') In dem zweiten Abschnitt des erhaltenen Textes aus den Katalogen. der mit Vs. 56 anhebt, ist von dem Vorhaben des Zeus die Rede, das Geschlecht der Heroen durch den trojanischen Krieg zu vernichten. Mit dem im Papyrus vorhergehenden Abschnitt über Helena und ihre Freier hangt das ausgezeichnet zusammen. (Vs. 58—60 konstruiere ich: Zsv; &<»i/« namlich: r;,v yfjv ?■ 0-rvjv.) Men vergleiche nur Epit. Vat. (ed. Wagner, .p. 187) 2, 16: Mtvéiaes oi 'Ej.ivr,v yctuü ... 3, 1 : a5&«« Si 'E/iv»v 'AXUavSpos y.pnv.Ui... xara pvj).,jjiv A«4j .. . Ïtt'js to vorj yitios «pSfj. Es wurde dann weiter erzahlt, dass Apollon den Plan seines Vaters nicht gegensatzliche Motive. Erfunden hat hier Ovid selber nichts. Nun setzt aber dieser Uebergang und namentlich der Vers 198 eigentlich voraus, dass Lykaon Juppiter nacli dem Leben getrachtet habe. Also ist man gezvvungen anzunehmen, dass Ovid den Mordversuch (224 f.) doch schon in seiner Vorlage vorfand. Die Beschreibung der Sintflut bei Ovid enthalt m. E. nichts. was die Benutzung einer griechischen Vorlage bezeugte. Kiessling hat nut Recht daraufhingewiesen, dass Ovid sich im Ausdruck und in der Erfindung hier an Horaz (Od. I, 2) angelehnt hat. Zu beachten ist ausserdem, dass sich Vs. 256—258 wieder eine Aeusserung im Sinne der Stoa. diesmal über den Weltbrand, findet. Es folgt die Geschichte von Deukalion und Pyrrha, welche in ihrer allgemeinen Form nichts enthalt, was der üblichen Ueberlieferung mit bewusster Absicht widersprache. Die Erzahlung in der Bibliotheka (III, 46 ff.) stellt sich allerdings als aus einer etwas anders gearteten Quelle geflossen dar. Aus den Vananten, die sich zwischen diesen beiden Fassungen ergeben, vermag ich nichts zu schliessen; dafür enthalt aber Ovids Erzahlung ein Detail, das in diesem Zusammenhang gewiss Beachtung verdient. Deukalion und Pyrrha landen am Parnass und entschliessen sich, als die Gewasser wieder gesunken sind, das delphische Orakel, welches damals die Göttin Themis inne hatte, um Rat zu fragen. \ or ihrem Gang zum Heiligtum besprengen sie sich in der üblichen Weise mit fliessendem Wasser: 369 adeunt pariter Ccphisidas undas, ut nondum liquidas, sic iam vada nota secantes. durchschaute; er glaubte nur zu verstehen, dass dieser etwas Crosses mit den Menschen vor habe, etwa einen gewaltigen Krieg (Vs. 80), und freute sich dessen in seiner Unwissenheit. Es folgt dann mit Vs. 86 die Beschreibung eines hereinbrechenden Verderbens. Der Nordwind wütet, sodass die Baume ihr Laub und ihre Früchte verlieren, das Meer kocht, Alles ist von Schrecken erfasst, der Mut der Sterblichen ist gebrochen| es droht Hungersnot... Wie das mit dem Vorhergehenden im Zusammenhang steht, versteht man nicht. inde ubi libatos irroravere liquores vestibus et capiti, flectunt vestigia sanctae ad delubra deae. Der unbefangene I.eser gewinnt aus dieser Schilderung den Eindruck, dass der gemeinte Bach oder Fluss in der unmittelbaren Nahe des delphischen Heiligtumes floss. Schlagt er aber einen modernen Kommentar auf, so findet er folgendes: „Der Cephisus (Kytyrcï) entspringt im Gebirge des Parnasses bei der phokischen Stadt Lilaia und strömt in den kopaïschen See in Böotien." ]) Die Entfernung zwischen Lilaia und Delphi betragt aber sieben Stunden! Also hatte Ovid hier eine selbsterfundene Dummheit geschrieben? Aber andererseits, angenommen er hatte hier keine poëtische Vorlage gehabt, wie ware er dann darauf verfallen den Kephissos zu nennen? Kin persönliches Verhaltnis zu dem phokischen Fliisschen hat er wolil kaum gehabt. und das Wasser, das von allen Pilgern zu Reinigungs- und Sühnungszwecken in Delphi gebraucht wurde und dessen Namen allen Gebildeten gelaufig war, war doch das der kastalischen Quelle! Die richtige Erklarung unserer Stelle bietet Paus. X, 8, 10: v,y.yj7x §£ zxt x/.'/.c ra/svSf, r; vhxp rij Kx7tx?.Ix ttotx^bï/ SjDpsv sivxi tbü K»fCpio-oZ. tsjto è~siy,7s xx'i 'A/.xxïcï b 7rpcoi/u,tx tV 'Airóhhuvx kt/.. Dazu kommt jetzt auch das Randscholion zu dem neuentdeckten Paian des Pindar auf Delphi (Grenfell and Munt, The Oxyrhynchus Papyri, V, S. 41, Z. 7 f.: vixrt yxp tVi %x}mcitv/.x xix'j Kx7tx/.ix~ ...): jrVfi "/>tx %x?mzy }.eovTO%x[r(it,x]Tiuv 2) psï £h xjt(>p) ; I\y,cpt7i~. Mit den „kephissischen Gewassern" ist bei Ovid also eben die Kastalia gemeint. Aber er selbst hat das nun gewiss von sich aus nicht gewusst, ja ich zweifle, ob er die gelehrte Periphrase, der er sich bedient, verstanden hat; also muss er hier einen sehr ortskundigen Führer gehabt haben. ') Ich möchte hervorheben, dass ich den Haupt-Ehwald'schen Kommentar zu den Metamorphosen, den ich. wie alles derartige, stillschweigend zubenutzen pflege, nur deshalb an einigen Stellen zu verbessern suche. weil ich ihn sehr schatze. s) So Wilamowitz, Berl. Sitz. Ber. 1908, S. 346, 1. IOI Liegt es nicht nahe, in deni Führer wieder Nikander zu vermuten? Kenntnis der Lokalitat verrat ja auch Ys. 320, wo Deukalion und Pyrrha die korykischen Nymphen anbeten, denn die korj'kische Grotte war tatsachlich an erster Stelle den Nymphen geweiht]). Nach der Entstehung des neuen Menschengeschlechtes aus den von Deukalion und Pyrrha geworfenen Steinen beschreibt Ovid, wie auch die übrigen Lebewesen wieder neugeboren aus dem Schoss der Erde hervorgingen (Vs. 416—437). Die Anschauung, dass die bestehenden tierischen Organismen zu Anfan» O O parthenogenetisch in der Erde erzeugt worden sind, stammt bereits aus der ionischen Philosophie her und darf'seit Aristoteles und Iheophrast wohl als Gemeingut aller Gebildeten betrachtet werden. Es ware nicht angangig, über Ovids direkte Quelle für eine so allgemein verbreitete Anschauung etwas ermitteln zu wollen. Eher könnte man das versuchen in Hezug auf das speziellere Beispiel, das Ovid zum Beweise der Möglichkeit der Neuentstehung der Tierarten anführt. dass namlich im Xiltal die Landleute beim Pflügen manchmal noch unvollstandig 0 o gebildete und von der Erdscholle, aus der sie entstünden, noch nicht völlig gelóste 1 iere fanden. Auch Pomponius Mela (I, 9, 52) erzahlt dasselbe. und Diodor bezeugt. dass die Aegypter dieses als Beweis dafür betrachteten, dass die Lebewesen überhaupt und folglich auch die Menschen zuerst in ihrem Lande entstanden seien. Aus Diodors Worten ersehen wir ausserdem, dass die gemeinten Fiere vor allen eine Art grosse Mause waren, die man in der Gegend von Theben antraf; bis auf die Brust und die Yorderpfoten pflegten sie vollstandig ausgebildet zu sein -). Auf dasselbe spielt Cicero an. wenn er sagt, die Arkader und die Athener betrachteten sicli als Erdgeborene nach Art jener !) Sliab. IX, S. 417 : UpOTtpi"K+ti 1 ïvri ~ '/ 'J &VTpV. Tl x«t «;./« yufi'J. ri.tui/ttva Ti /«; zyirntA/ns-M, w itti ysnifi.driTariv rs xeci ni/X,.tjrev ri Kujsuxie», &vrpot b/i'1,to, Kuir.i'». Paus. X, 32, 7; C.l.G. 1728. -) Diod. 1, 10: o i£ ~vr vjTïii Ttxti^ptov Tttip>'o-/TV.i fipuv, 75 xeci vüv m r),v iv ytitpay y'/T-/ rivctf /Viz'/jz tovo'jtouï xv.i Trt/ixo-jTMi ,u£.; ysvrêv, '117TI T'yj; iiijTu.; Ti yt-Apzw !r.TtijTT!7$9.t. 'view «jriiiv ï-a; ui-j tc-j Feldmause *), und auch Plioius (X. H. IX, 84) nennt die im Nilschlamm entstehenden Tiere Mause. Es ist leicht einzusehen, wie diese Vorstellung entstanden ist. In Egypten lebt die allen Naturforschern bekannte Wüstenspringmaus deren Yorderpfoten verkiimmert sind und die sich hüpfend auf den Hinterbeinen fortbewegt. Sie ist etwa zweimal so gross als eine gewöhnliche Maus. Sie lebt nur in Nord-Afrika und dem angrenzenden westlichen Asien, wird also den Griechen in Egypten bekannt geworden sein. Vo» den griechischen Schriftstellern erwahnen sie Herodot in der Beschreibuug Libyens (IV, 192), Hieophrast (XI\', 9) und Ailian (de nat. anim. XV, 26). Die am vollstandigsten bei Diodor erhaltene Anschauung, nach der die betreffenden Tiere in ihrer Entwickelung gestorte Mause seien. welche die Erde selbst erzeuge, ist sicher erst im hellenistischen Zeitalter von irgend einem griechischen Schriftsteller aufgebracht worden. Es gelingt uns also wenigstens, nachzuweisen, dass Ovids Kenntnisse auch hier wieder aus einer hellenistischen Quelle stammen müssen 8). Unter den neugeborenen Tieren, so erzahlt Ovid weiter, war auch die Schlange Python, welche Apollon erlegte: darauf VTrjSo'j? xcci twv tuTtpovbioiv irootbv oiar-rvtrwtryt zc.j y.tvvjvtv ri oè ïontdv TOO VtofAGlTOS fystv K$tGCT'J7T'jiTGV, jt*SV6'J7V]$ 'i~<- xy.ra f\J7lV Z'Ji/.OU, M Cic. de rep. III, 15, 25: commenti sunt se de terra tamquam hos ex arvis musculos extitisse. 2) Arab. Jerboas, Geschlecht Dipus, Familie Dipodoidea, Unterordnung Siniplicidentata, Ordnung Rodentia (M. Weber, Die Saugetiere, Jena (Fischer), 1904, S. 500)- Cf. Hrehm, Tierleben», II, S. 478. •') Die Stelle bei Ovid hat folgenden VVortlaut: 42> plurima cultores versis animalia glaebis inveniunt, et in his quaedam modo coepta sub ipsura nascendi spatium, quaedam imperfecta suisque trunca vident numeris, et eodem in corpore saepe altera pars vivit, rudis est pars altera tellus. Dass hier irgend eine Verderbnis in der Ueberlieferung vorliegen muss, weil zwischen den quaedam modo cocpta etc. und den quaedam imperfecta etc. jede Antithese fehlt. hat Hartman Mnem. 1S90, S. 183 sehr richtig bemerkt. Den Anstoss beseitigt eine ansprechende Konjektur van der Mey's, griindete er die pythischen Spiele(\'s. 438—451). Die Erwahnung dieses xhio> spricht hier sclion an sich für Nikanders Autorschaft. Als sicherer Beweis kommt hinzu, dass die Tötung des Python mit der gleich darauf folgenden Sage der Daphne bei Ovid so eng zusammenhangt, dass sie mit ihr aus derselben Quelle stammen muss: der Kampf mit dem Python ist die erste grosse Tat des jungen Apollon (441) >), wie die Daphne seine erste Liebe ist (452). Man beachte ausserdem, dass das über Python erzahlte gar keine Metamorphose enthalt: ware Ovid ganz sich selbst überlassen gewesen, so ware er also gewiss nicht darauf verfallen, dieses dem Daphnemythus vorne vorzuhangén. Wir haben also nachgewiesen, dass bei Ovid die höchst wahrscheinlich aus Nikander geschöpfte Geschichte von Deukalion und Pyrrha und die sicher aus Nikander stammende Sage der Daphne, zu der auch das über die Tötung des Python Gesagte gehorte, durch einen aus hellenistischer Quelle stammenden Uebergang verbunden sind. Wenn man nun noch' in Betracht zieht, dass die so verbundenen Mythen sich beide auf Delphi beziehen, also in Nikanders Heteroiumena sehr wohl aufeinander folgen konnten, dann vvird man nicht umhin können, es als aussserst wahrscheinlich zu betrachten, dass Ovid sie beide mitsammt dem sie mit einander verbindenden Uebergang dieser seiner Hauptquelle verdankt. Zur besseren Uebersicht verzeichne ich die Ergebnisse meiner Untersuchung der Quellen des ersten Buches der Metamorphosen am Schluss dieses Kapitels in folgender Tabelle: der Mnem. 1894, S. 59 den Vorschlag macht, cocta anstatt coepta zu lesen. Ich leugne nicht, dass Ovid so geschrieben haben könnte, möchte aber doch fast lieber vorschlagen, mit einer leichten Umstellung so zu lesen: quaedam perfecta sub ipsum nascendi spatium, quaedam modo coepta suisque trunca vident numeris ... Die Antithese ware dann völlig dieselbe wie bei Diodor I, 10, 6: nv* y.iv £15 rs/05 X7CY}pr 17[xivoL) 7eva oi fifJunXlj xat 7ipii 7'jy.z>UYj 7»? yr,. Cf. bibl. Apoll. I, 2i sq. Metam. I i—150 Weltanfang Stoïsclie Philosophie 151 — 162 - Gigantomachie Nikander 163—243 Lykaon Nikander 244—312 1 Sintflut ? 3r3 415 Deukalion und Pyrrha Nikander 416—437 Entstehung der Tiere Hellenistische Quelle 43^—566 Python, Daphne Nikander 567 746 Io Nikander 688 711 Syrinx Hellenistisches Gedicht KAPITEL III. ÜVIDS METAMORPHOSEN, BUCH II. Das zweite Buch der Metamorphosen enthalt zunachst die ausiuhrhch geschilderte Geschichte des Phaethon, der sich die Metamorphosen seiner Schwestern und diejenige seines Verwandten und Liebhabers Cycnus in natürlicher W'eise anschliessen. Georg Knaack ') hat mit der nötigen Ausführlichkeit nachgewiesen, dass die Schilderung üvids im grossen Ganzen und in sehr vielen Einzelheiten auf ein hellenistisches Gedicht zurückgeht, das auch sonst vielfach nachgeahmt worden ist und zweifellos von einem der alteren, berühmten Dichtern jenes Zeitalters herrührt dessen Namen zu bestimmen uns leider nicht möglich ist. Die I' rage, ob Ovid dieses Gedicht persönlich gelesen hat, kann nicht verneint werden, da die Uebereinstimmung zwischen ihm und Nonnos namentlich in rein poëtischen Ziigen und inhaltlich unwichtigen Details der Darstellung sehr gross ist. Andererseits weicht aber Ovid, wie Knaack gesehen hat. doch wieder inhaltlich von dem erschlossenen hellenistischen Gedicht in wesentlichen Punkten ab. in denen er sich anstatt dessen mit Euripides und mit Phanokles berührt. Knaack hat daraus geschlossen (S. 67 f.), dass Ovid den tenor rerum einem mythogiaphischen Handbuch entnommen, in dem die genannten drei Ouellen mit einander vermischt gewesen waren, und dann für die l-inzelheiten der Darstellung und alles Poëtische das hellenistische Gedicht als Vorlage benutzt habe. Auch ich habemir ') Quaestiones Phaethonteae ; cf. Roscher's Myth. Lcx. s. v. Phaethon. den Vorgang früher ahnlich gedacht. Wir sind aber in Wirklichkeit niclit berechtigt, wenn es uns schon gelingt, festzustellen. dass Ovids Erzahlung im Grunde aus verschiedenen griechischen Ouellen kontaminiert ist, deshalb diese Kontamination in einem mythographischen Handbuche stattfinden zu lassen. Handbücher dieser Art kennen wir ja überhaupt nicht, sondern nur solche, welche, mit oder ohne \ arianten, tiber Sagen referieren, sei es nun in ihrer gelaufigen Form nach einer sehr bekannten Quelle. sei es in einer vveniger verbreiteten Gestalt nach einem niehr entlegenen Autor. Mit absichtlich kontaminierenden Handbüchern dürfte man nur dann operieren, wenn man erst ihre Existenz ganz fest ervviesen hatte. Ein solches Kontaminieren verschiedener liiiherei odei doch etwas iilterer poëtischer Gestaltungen einer Sage ist recht eigentlich die Sache von nachklassischen Dichtern, nicht von Mythographen. Ist üvid selbst hier der kontaminierende Dichter gewesen oder müssen wiran Stelle des mythographischen 1 laudbuchs, welches Knaack als Quelle Ovids annimmt, einen etwas jüngeren hellenistischen Dichter setzen? \\ enn bei Ovid einerseits in Uebereinstimmung mit jener hellenistischen Quelle der Sonnengott seinen Sohn vor mehreren Sternbildern des Tierkreises warnt (Vs. 80 ff.), was nur wirklich einen Sinn hatte. falls Phaethon ein Jahr lang auszubleiben gedachte, andererseits aber der Jüngling ausdrücklich nur für einen Tag sich den Wagen seines Yaters ausbittet (Vs. 48), so haben wir gemeint, dieser innere Widerspruch sei auf die neben einander hergehende Benutzung des mythographischen Handbuches und des hellenistischen Gedichtes zuriickzuführen. Dieser Schluss war aber unrichtig, denn man wird sich doch sagen müssen, dass es niemals eine Fassung der Sage gegeben haben kann, in der man sich Phaethon ein ganzes Jahr lang als Lenker der Sonnenrosse gedacht hatte! Den vorhandenen \\ iderspruch hat also einfach der von Knaack nachgewiesene hellenistische Dichter verschuldet, der in der Astronomie nicht bewanderter gewesen zu sein scheint, wie die ineisten Leser CKids aller Zeiten, sodass ihm das \ ersehen ebensowenig wie jenen zum Bewusstsein gekommen sein dürfte. 0b der Uebergang, vermittelst dessen Ovid die Sage des Phaethon mit derjenigen der Io verknüpft, von ihm erfunden oder aus einem hellenistischen Vorbilde herübergenommen worden ist, lasst sich leider nicht mit Argumenten entscheiden. Ware letzteres der Fall, so ware natiirlich seine Ouelle hier wie im vorigen Nikander gewesen. Die Einleitung der Phaethonsage ist sehr geschickt erfunden und sieht durchaus nicht aus wie Flickwerk. Es wird darin motiviert, wie der junge Phaethon, den mancher ja ftir einen Sohn des Merops halten mochte, darauf kommt, sich über seinen Ursprung Klarheit verschaffen zu wollen, namlich infolge der Schimpfreden eines Alters-und Standesgenossen. Der Umstand, dass gerade dem Epaphos diese Rolle zugeteilt wird, den sonst auch jeder andere hatte erfüllen können, ermöglicht die gewollte Aneinanderreihung der zwei Sagen. Wir müssen uns bescheiden, nicht zu wissen, wer zuerst auf diesen Einfall sekommen ist, ob Ovid oder eine von ihm herangezogenedichterische Vorlage. Jenes berühmte hellenistische Gedicht aber kann dafür schwerlich in Betracht kommen, da es, wie aus der Darstellung des Nonnos hervorgeht, den Merops nicht einmal einführte (Knaack, S. 24), womit auch der Hauptgrund wegfiel, die Vaterschaft des Helios anzuzweifeln. Sehr zu beachten ist, dass Phaethon bei Ovid nicht verwandelt wird. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Phaethon in der hesiodeischen Astronomie dem Morgenstern gleichgesetzt war, jedenfalls aber wissen wir, dass einer der alteren berühmten hellenistischen Dichter ihn zum himinlischen Wagenlenker ('Hvio%o:) gemacht hatte, der sonst anders erklart wurde. Derselbe Autor erklarte durch die Phaethonsage auch die Entstehung der Sternbilder des Schwans, der Hyaden (sehr kühn anstatt Heliaden!), des Milchwegs und des Eridanos. Da letztgenannter schon in Aratos' Mvifisvx, die zwischen 276 und 274 verfasst sind, am Himmel erscheint (Vs. 358 ff.), so muss der Erfinder der genannten Sternbilder bereits vor diesem Datum geschrieben haben. Dieser Schluss erscheint mir zwingend, denn den Eridanos allein zu verstirnen, lag.für griechische Dichter kein ersichtlicher Grund vor, und wenn Aratos den 'llvis%s; nicht ausdrücklich mit Phaethon identifiziert (\ s. 156), so ist das kein Gegengrund, denn Aratos erhielt sich den früheren und zeitgenössischen Dichtern gegenüber völlige Freiheit, ihre Erfindungen in Bezug auf Sternbilder herüberzunehmen oder zu verschweigen, ganz wie es ihm beliebte (anders Knaack S. 65 f.). Nun geht es offenbar nicht an, mit Knaack zu sagen (S. 67), Ovid habe die Verstirnung des Phaethon hier absichtlich weggelassen, weil in der darauf folgenden Geschichte der Kallisto auch zwei Verstirnungen vorkamen und die Wiederholung des gleichen Motivs zu eintönig hatte wirken können. Fin Metamorphosendichter wie Ovid hatte es sich meiner Ueberzeugung nach unter keinen Umstanden einfallen lassen, die Verwandlungen von Hauptpersonen, die ihm seine Quelle bot. einfach auszulassen. Wir müssen vielmehr so schliessen: hatte Ovid die Verstirnung des Phaethon in dem Gedicht, das seine Vorlage war, gefunden, so hatte er sie sich sicher nicht entgehen lassen. Seine Quelle hatte also die Verstirnung des Phaethon nicht aufgenommen; ihr Autor erklarte sich damit mit dieser damals noch neuen Ausschmückung der Sage nicht einverstanden. Der Sachverhalt scheint mir also dafür zu sprechen, dass Ovid sich nicht an das berühmte hellenistische Gedicht, an das seine Verse so oft anklingen, als Vorbild für den Inhalt seiner Erzahlung gehalten hat (denn darin standen ja die Sternbilder alle), sondern an ein jenes voraussetzendes und seine Motive zu gleicher Zeit verwertendes und abanderndes spateres Gedicht. Dazu stimmt es, dass Ovid auch Cycnus nicht in ein Gestirn, sondern in den Vogel Schwan verwandelt werden lasst. Anscheinend hat er für die Verwandlungen der Heliaden und des Cycnus dieselbe Vorlage benutzt, wie für die Geschichte von Phaethon, zu der jene auch sonst immer gehören; nach Cycnus' Metamorphose kommt ja die Erzahlung wieder auf Helios und die Sonnenrosse zurück (S. 381 ff.), sodass die genannten zwei \ erwandlungen in die Erzahlung des ganzen Abenteuers eingeschachtelt sind. L)ass Phanokles' Gedicht direkt von Ovid benutzt Vorden sei, kam auch Knaack unwahrscheinlich vor; wohl aber macht der bei Ovid angedeutete Eiebesbund zwischen Cycnus und Phaethon es wieder sehr wahrscheinlich, dass Ovids eigentliche Vorlage etwas jünger als das Zeitalter der alteren hellenistischen Dichter war, denen bekanntlich auch Phanokles zuzuzahlen ist. Das Schlussergebnis unserer Ouellenuntersuchung ist also hier folgendes: wir vermogen nicht nachzuweisen, dass Ovid für die Sage des Phaethon Nikanders Heteroiumena als Vorbild benutzt hat, aber andererseits spricht auch nichts direkt gegen eine solche Annahme, denn es zeigt sich, dass Ovid eine hellenistische Vorlage gehabt hat, die jedenfalls nicht alter als Nikander war, und dass dieser wenigstens die Sage der Heliaden behandelt hatte, geilt aus Plin. N. H. XXXVII, 31 (Schneider. frg- 63) hervor. Nikander hat zwar nachweislich die Entstehuner des Schwans einmal in ganz anderer VVeise erzahlt. Für die Metamorphose des Kyknos, des Solmes der Hyrie, wie sie bei Ant. Lib. XII erzahlt wird, werden im Scholion als Gewahrsleute angeführt: Nikander im lIJten Buche der Heteroiumena und Apsiis ; Axxxy sv x7{u,xti Kóxv:c; da aber die Sage in Aitolien lokalisiert ist, so ist Ant. Lib. hier unzweifelhaft dem Nikander gefolgt. Aber Nikander kann ja recht wohl sogar im selben Werk zwei verschiedene Sagen auf eine Verwandlung in denselben Vogel haben auslaufen lassen. Er braucht sich in der Beziehung keine strengeren Gesetze vorgeschrieben zu haben als Ovid, der sogar drei verschiedene, alle Cycnus genannte Personen in Schwane verwandelt werden lasst (Metam. II, 367—380; VII, 371—381; XII, 64 -145). Auf Phaethon lasst Ovid vermittelst eines gesuchten Uebergangs die Geschichte der Kallisto folgen, welche mit jener in keiner Hinsicht zusammengehört. Obwohl wir, wie bereits gesagt, nicht berechtigt sind, die Erfindung eines jeden einzelnen derartigen Uebergangs ohne YYeiteres für Ovid zu beanspruchen, so müssen wir darum nicht aus den Augen verlieren, dass die meisten dennoch von ihm herrühren müssen, da die Anordnung der unzahligen bei ihm zu einer fortlaufenden Erzahlung verwobenen Metamorphosen im Grossen und Ganzen ohne jeden Zweifel sein eigenes Werk ist. Franz hat deutlich gezeigt. dass die Erzahlung des Ovid die beiden von Kallimachos und Era- tosthenes aufgebrachten Fassungen der Sage voraussetzt und sie mit einander verbindet '). Wenn er aber annimmt, dass Ovid diese zwei Fassungen selber kontaminiert liabe (S. 324), so behauptet er m. E. etwas sehr unwahrscheinliches; vielmehr ist auch hier wieder als Vorlage Ovids ein spateres hellenistisches Gedicht anzunehmen. Dieser Quelle wü.de ich auch das am Schluss Erzahlte, das sicli sonst in der griechischen Litteratur nicht erwahnt findet, zuteilen. namlich dass Juno üceanus und Tethys überredet, die Barin vom Mee re fern zu halten (Vs. 508—530). Die bei Hygin fab. 177 angeführten Verse unbekannter Herkunft, die auf dasselbe Gedicht zurückgehen mogen, können für die Ermittelung der Quelle Ovids nicht in Betracht kommen. Es folgt. diesmal oline einen der Handlung entnommenen lebergang, die Erzahlung vom Farbenwechsel des Raben(Koronis), in welche die im Motiv verwandte Geschichte von der Bestrafung der Krahe (Erichthonios und die Töchter des Kekrops) willkürlich eingefügt ist. In genau derselben Weise waren diese beiden im Grunde gar nicht zusammengehörigen Sagen von Kalhmachos mit einander in Verbindung gesetzt worden, der daher lner als Ouelle Ovids anzusehen ist, falls es namlich nicht, was durchaus nicht undenkbar ware, noch ein vermittelndes Zwischenglied zwischen ihnen beiden gegeben hat. Ausserdem fugt Ovid hier in sehr geschickter Weise noch zwei andere griechische Vogelmythen ein. für die keine griechischen Bearbeitungen nachweislich sind, namlich die Verwandlung der Tochter des Phokiers Koroneus in eine Krahe und der Lesbierin Nyktimene in eine Eule. Sehr vorteilhaft unterscheidet sich dann von den vorigen der Uebergang von der Geschichte des Raben zu der Verwandlung der lochter des Chiron, welche sonst Hippe, bei Ovid aber, wie viele Nymphen, Okyrrhoe heisst. Jene endet mit der Geburt des Asklepios, den Apollon alsbald gemass der alten Ueberheferung dem weisen Kentauren zur Erziehung und Unter- ') Franz. De Callistus fabula, Leipziger Stud. XII (18901. weisung übergiebt '). Dass Chiron eine weissagende Tochter gehabt, welche in eine Stilte verwandelt worden, ist eine alte Sage. die auch Euripides verwertet hat. Bei Ovid verkiindet sie dem jungen Asklepios sein Schicksal: er würde lote auferwecken, Zeus würde ihn mit dem Blitz erschlagen. aber er würde nachher wieder zu neuem, göttlichem Leben auferstehen. Auch dem eigenen Vater weissagt Okyrrhoe sein Lebensende. Ihre Verwandlung erfolgt dann, weil die Götter ihr nicht gestatten wollen, weiter die Geheimnisse der Zukunft zu enthüllen. Darauf folgt die bekannte Geschichte des Diebstahls der Rinder des Apollon durch Hermes mit der Verwandlung des Battos, und zwar ist die Yerknüpfung hier bei Ovid wieder rein ausserlich: Chiron ruft Apollon um Hülfe an. aber der ist nicht mehr da, er weilt fern bei seinen Herden. In Wirklichkeit erkennen wir aber noch deutlich das Vorhandensein eines inhaltlichen Zusammenhangs, den Ovid oder seine Vorlage, um die Erzahlung zu kürzen und die überlieferten Ereignisse, die behandelt werden sollten, mehr zusammenrücken zu können, durch einen künstlichen ersetzt hat. Der Zusammenhansj ist folgender: Asklepios wachst heran und die Weissagung der Okyrrhoe erfüllt sich; als Zeus ihn erschlagt, erschiesst Apollon die Kyklopen, die den Blitz geschmiedet hatten, und büsst dafür. indem er ein Jahr lang einem Sterblichen als Hirt dienen muss 2). Man hat darin den Beweis finden wollen, dass Ovid sich hier eines m\ thographischen Handbuches bedient habe, aber mit Unrecht, denn dieser ganze Mythenkomplex stand selbstverstandlich nicht nur bei Mythographen, sondern auch bei Dichtern. Nur das ist vorderhand klar, dass der römische Dichter die Metamorphosen der ()kyrrhoe und des Battos ein und derselben Vorlage \ erdankt. \\ elcher Art dièse \ orlage war, wird sich im folgenden ergeben. \\ as zunachst die Form angeht, in der die Sage des Battos 1) II. IV. 219; Pind Pyth. III, 80; Pherek. im Schol. Pind. Pvth. Iü, 59. 2) Bibl. ApoII. III, 122; Diod. IV, 71; Pieller-Robert. Gr. Myth. S. 2S1, 1; Wilamowitz, Isyllos, S. 70 ff. bei Ovid vorliegt, so lasst sich zwar ilire erste Entstehung zeitlich nicht genau fixieren, aber sie fallt doch gewiss in verhaltnismassig spate Zeit. Im homerischen Hermeshymnos ist der verraterische Greis noch namenlos und wohnt im boiotischen Onchestos. Welcher Dichter dafür den pylischen Hirten Battos gesetzt hat. dessen hohe YYarte man irgendwo in Arkadien oder Messenien wirklich gezeigt haben muss, ist uns nicht bekannt. Ebensowenig wissen wir, wie sich zu dem vorauszusetzenden peloponnesischen Fels desselben Namens die im Hesych erwahnte lUrrs-j txstu in Libyen (d. h. wohl im Gebiet der ebenfalls von einem Battos gegründeten Stadt Kyrene) verhielt. Knaack hat erkannt, dass Apollonios in einem Epigramm, um den Battiaden Kallimachos zu verhöhnen, die zwei Battos zusammengeworfen hatte '); aber damit sind die Schwierigkeiten nicht gelóst. Es lüsst sich also vorlaufig nur das eine sagen, dass hier bei Ovid eine junge, von der alteren klassischen abweichende Form der Sage vorliegt. In der Erzahlung dieser Metamorphose hat Ovid einen Fehler gemacht, dessen Ursprung in Rücksicht auf die Frage nach der Beschaffenheit seiner Vorlage genau geprüft zu werden verdient. Er sagt namlich, Apollon sei damals im Peloponnes ansassig gewesen: II, 679 Elim Messeriiaque arva colebas, was der so sehr bekannten Sage widerspricht, nach der Apollon in Thessalien Hirtendienste geleistet hatte und dabei nur einmal auf der Suche nach seinen Rindern nach dem Peloponnes gekommen war. Xun ist es nicht im mindesten glaubhaft, dass Ovid oder seine \ orlage hier an der Sage haben andern wollen, indem sie beispielsweise Admetos im Peloponnes regieren oder den Gott einem anderen Herrn dienen Hessen. Vielmehr liegt einfach ein Missverstandnis des nur oberflachlich gelehrten Romers vor, und zwar handelt es sich augenscheinlich nur um einen einzigen falsch verstandenen Ausdruck. Alles ware ja in der Ordnung gewesen, falls er nicht: „Du wohntest", sondern: *) Jahrb. f. Phil. 1891, S. 771. „Du wei 1 test damals in Elis und Messenien" geschrieben hatte. Kr scheint also ein etwas allgemeineres griechisches Verbum, welches sowohl für dieses wie für jenes stehen konnte, dem Sinne nach falsch wiedergegeben zu haben. Ware seine Vorlage nun ein mythographisches Handbuch gewesen, so ware ein solches Missverstandnis von Seiten Ovids unerklarlich, denn darin hiitte er ja die Geschichte von Apollons Dienstbarkeit in Thessalien ungekürzt und knapp und deutlich erzahlt vorfinden mussen. Also war seine Vorlage ein griechisches Gedicht. Dieses Gedicht muss aber einen gelehrten Anstrich gehabt haben, denn die Worte: Elitn Messeniaque arva stehen offenbar für die Gegend von Pylos, wo die Sage Apollon seine Rinder wiederfinden lasst: denn bekanntlich verlegte der eine Teil der Gelehrten Pylos nach Elis, der andere nach Messenien. Derartige Gelehrsamkeit weist aber deutlich auf eine hellenistische Ouelle hin, und dass Ovid wirklich eine solche zu Grunde gelegt hat. erhellt auch noch deutlicher aus einer anderen Tatsache. Ovid schreibt namlich, Apollon sei durch Liebespein verhindert gewesen, auf seine Rinder Acht zu geben (Vs. 683), ein Motiv, das, wie wir wissen, in diese Sage überhaupt erst in hellenistischer Zeit hineingetragen worden ist. Vorhin war das negative Resultat gewonnen worden, dass die Vorlage, der Ovid die beiden Mythen der Okyrrhoe und des Pattos verdankt, nicht notwendigerweise, wie man annahm, ein mythographisches 1 iandbuch gewesen war. Jetzt tritt das positive Ergebnis hinzu, dass diese Vorlage ein hellenistisches Gedicht gewesen ist. Dabei ist sehr wichtig, dass der Punkt, an dem wir. um letzteres zu beweisen. den Hebei ansetzen konnten (Vs. 679), gerade im L'ebergang zwischen den zwei Sagen liegt. Der Beweis ist also ein voller: Ovid hat die zwei Mythen zusammen und genau so mit einander verknüpft, wie sie bei ihm stehen, aus einem hellenistischen Gedicht herübergenommen. Es muss wahrscheinlich erscheinen, dass das Original ebenfalls eine Metamorphosensammlung gewesen ist. In Anbetracht des guten Uebergangs zwischen dem Raben und der Okyrrhoe ware es sehr wohl möglich, dass die ganze vorhergehende Erzahlung von Vollgrafk, Nikander und Ovid, i. g Apollon und Koronis mit den drei darin eingelegten Metamorphosen aus derselben Vorlage stammt, doch würde ich es mir untersagen, etwas zu behaupten, \vo keine Gewissheit zu erlangen ist. Wie die Dienstbarkeit des Apollon seit Hesiod gewöhnlich motiviert wurde, ist bereits oben gesagt worden. Im Gegensatz dazu tritt uns zuerst im 11Iten Jahrh. die Vorstellung entgegen, Apollon habe dem Admetos deshalb seine Herden geweidet, weil er von Liebe zu ihm ergrififen gewesen. Das Schol. Eur. Alk. i, nennt als Gewahrsmann für diese neue Fassung der Sage Rhianos, der ja (-)s7tx/.i>cx geschrieben hat. Wir haben keinen Grund, die Richtigkeit dieser Angabe zu bezweifeln. Zeitlich kann Rhianos das sehr wohl zuerst erfunden haben, auch wenn es Kallimachos, als er um 263 ]) den Apollonhvmnus (s. Vs. 48 f.) schrieb, schon bekannt war. Rhianos'Alter lasst sich zur Zeit nicht genau bestimmen; aber wenn er auch betrachtlich jünger war als sein Zeitgenosse Kallimachos, so hac er immer noch seine Mecïx'/Mx und anderes vor d. J. 263 schreiben können. Der von Rhianos aufgebrachten Fassung der Sage trat dann kurz nachher eine andere zur Seite, welche uns bei Antoninus Eiberalis 23 in der Kinleitung der Geschichte von Battos erhalten ist. Danach hatte Apollon, als er seine Rinder einmal in I hessalien und zwar an der gleichen Stelle weidete, wo auch das Vieh des Admetos war, den Hymenaios, einen Sohn des Magnes und L renkel des Admetos, gesehen und sich in den schonen Jüngling verliebt, sodass er das Haus des Magnes nicht mehr verliess und Hermes unterdessen seine Herde unbemerkt forttreiben konnte. Das ist eine ziemlich starke Neuerung; denn Hymenaios hatte in früheren Zeiten für Apollons Sohn und anderer Manner Eiebling gegolten. Ein neues poëtisches Motiv, wie es bei der von Rhianos vorgenommenen Aenderung der Fall war, wird dadurch jedoch nicht eingeführt. Also muss diese willkürliche Aenderung zu irgend einem bestimmten Zweck anderer Art erfolgt sein. \un beachte man einmal den Stammbaum, der sich bei Ant. Eib. findet: l) Susemihl, Gesch. d. griech. Litt. in d. Alex. Zeit, I, S. 361. Phrixos Admetos I I A rgos Peri mele I Magnes Hymenaios Sohn des Magnes ist Hymenaios aucli sonst ') und die Sage kennt vvirklich eine Perimele als Tochter des Admetos2); das L ebrige steht aber nur hier. Wer Magnes zum Sohn des Argos machte, dachte sich diesen wohl als Erbauer der Argo am Pelion ansassig. Es lasst sich nichts dagegen sagen, nur dass es eben eine jüngere Erfindung ist, denn Magnes war ja sonst als der Sohn des Aiolos und der Enarete bekannt :t). Es liegt hier also eine nach der des Rhianos entstandene Umbildung einer nordgriechischen Sage vor, in der eine thessalischeGenealogie in gewaltsamer Weise abgeandert wird 4). Das weist schon an sich auf Xikander hin, und da wir nun bei Antoninus Liberalis im Lemma zu der Geschichte des Battos an erster Stelle notiert finden. 'iTTopii Nixxi/^pos sTepcicupisvuv x\ so ist kein Zweifel mögüch • Antoninus Liberalis bietet uns einen Auszug aus der von Nikander gepriigten Fassung der Sage. Die iibrigen im Lemma aufgefiihrten Autoren hatten auch die Geschichte des Battos erzahlt, aber jedenfalls nicht mit diesen Details in der motivierenden Einleitung. Ich komme auf Ovid zurück. Wenn wir erstens wissen, dass Ovid Xikander nacliweislich oft gefolgt ist, zweitens dass Nikander die Sage des Battos in seinen Heteroiumena behandelt hatte und drittens, dass Ovid für diese Sage offenbar eine hellenistische Metamorphosensammlung als Vorlage benutzt hat, so liegt die Vermutung ausserst nahe, dass Xikander auch hier wieder als Ovids Quelle zu betrachten ist. Beweisen kann man ') Suid. s. v. Cornelius Balbus bei Serv. ad Verg. Aen. IV. 127. 2) Schol. Eur. Alk. 265; Tzetz. Chil. II, 787. s) Bibl. Apoll. I, 51. J) Xacli Plin. X. H. XXXVI, 127 hatte Nikander Magnes auch mit dem Ida in Beziehung gesetzt. das freilich nicht, da Ovid leider über die Punkte hinweggeglitten ist, in denen Nikander in einer fiir ïhn charakteristischen Weise von der alteren Ueberlieferung abwich. Man kann nur sagen, dass die allgemeinen Griinde von vornherein sehr stark für diese Möglichkeit sprechen. Es bleibt aber zu untersuchen, oh sich im einzelnen vielleicht etwas dagegen anführen liesse. Ich habe oben gezeigt, dass Ovid seine poëtische Vorlage in einem Punkte missverstanden hat, indem er Apollon anstatt in Thessalien in der Gegend von Pylos wohnen liess. Hatte er aber Nikander wohl missverstehen können. da der Auszug bei Antoninus Liberalis doch jedes Missverstandnis in dieser Hinsicht auszuschliessen scheint? Darauf ware zu entgegnen, dass man sich Nikanders Poësie ebenso dunkel im Ausdruck und verschlungen in der Darstellung zu denken hat, wie Antoninus Liberalis' Auszüge klar, unzweideutig und wohlgeordnet sind. In dem Vorkommen des Missverstandnisses bei Ovid erblicke ich, nebenbei bemerkt, auch einen Gegengrund gegen die oft verteidigte These, Ovid habe Dichter wie Nikander nicht im Original, sondern in Prosa-auszügen gelesen, denn griechische Prosa-auszüge pflegen sich eben durch grosse Klarheit auszuzeichnen. Ovids Erzahlung weicht von derjenigen des Nikander, wie sie bei Antoninus Liberalis vorliegt, inhaltlich in zwei Punkten ab. Erstens schenkte namlich bei Nikander Hermes dem Battos einen Mantel, wahrend bei Ovid der Lohn in Vieh besteht. Es ist das allerdings keine sehr wichtige Diskrepanz, und Ovid kann dergleichen Variationen in der Schilderung, auf die nichts ankommt, gewiss gelegentlich auf eigene Faust angebracht haben. Wichtiger ist schon, dass nach Nikander der Fels, auf dem Battos wohnte, auch spater „Warte des Battos" (I!xttvj txcttixi) geheissen hat, wahrend Ovid von dieser hohen Warte nichts sagt, sondern nur, dass man den Stein, in den Battos selbst verwandelt worden sei, den „Anzeiger" (index) genannt habe. Darin widersprechen sich zwar die beiden Dichter nicht direkt, denn es Hessen sich die zwei Züge sehr gut kombinieren. Aber es sieht doch weit eher danach aus, alsob sie in den zwei bezeichneten Punkten verschiedener Tradition folgen. Könnte man nun be- haupten, dass diese Abweichungen es ausgeschlossen erscheinen lassen, dass Nikander für die Metamorphosen der Okyrrhoe und des Battos Ovids Vorlage gewesen ist ? Xein, denn wir wissen ja, dass es Ovids Gewohnheit war, seine Vorlagen nach Belieben und nach Kraften zu variieren. Wenn er Vergil nachahmt, greift er auf Homer zurück, der auch dem Vergil vorgelegen haben muss; wenn er einen spateren hellenistischen Dichter für die Phaethonsage zu (jrunde legt, zieht er dabei auch jenes altere hellenistische Gedicht heran und nutzt es ergiebig aus. Wo sich uns also einmal die Vermutung aufdrangt, dass er sich Nikander zum Führer auserwahlt hat, da sollen wir nicht von vorn herein erwarten, dass er ihni inhaltlich auch überall getreu gefolgt is. Für die zwei oben besprochenen Varianten könnte Ovid z. B. auf Hesiod oder auf einen der zwei anderen Metamorphosendichter zurückgegriffen haben, die nach Pamphilos im Lemma bei Antoninus Liberalis die Geschichte des Battos ebenfalls poëtisch behandelt hatten. Auf die Metamorphose des pylischen Hirten folgt bei Ovid die Geschichte von Hermes' Liebe zu Herse mit der Beschreibung der Invidia und der Venvandlung der Aglauros in eine Bildsaule. Diese Erzahlung, deren Einkleidung durchaus den Gewohnheiten hellenistischer Dichter entspricht, findet sich sonst nirgendwo in der Litteratur, obwohl Kephalos nach guter alter Ueberlieferung Sohn des Hermes und der Herse ist. Die Geschichte steht zu der bekannten Sage der Kekropiden im Widerspruch, nach der Aglauros, nachdem siedie Erichthonioslade geöffnet, mit dem Tode bestraft wurde, und ist also jung. Die yuellenuntersuchung des Ilten Buches der Metamorphosen hat uns zu folgenden Ergebnisssen gefiihrt: Metam. II 1-7''—11,400 Phaethon, Heliaden. hellenistischeVorlage,jünKyknos ger als der von Knaack nachgewiesene Dichter. 4°'—53° 1 Kallisto hellenistiScheVorlage.jiin- ger als Kallimachos und Eratosthenes 531—632 Apollon und Koronis, Kallimachos(oderhellenisder Rabe, die Krahe tische Vorlage, die den Kallimachos benutzt) 569—59° die Tochter des Koroneus 1? 591—595 Nyktimene ? 633—675 \Okyrrhoe hellenistisches Metamor- 676—707 (Battos phosengedicht. wahr- scheinlich: Nikander 708—832 Hermes uud Herse hellenistische Vorlage Nikander ist demnach im Ilten BUch der Metamorphosen nirgendwo mit Sicherheit als Quelle nachzuweisen. Aber das ganze Buch ist jedenfalls nach hellenistischen Mustern gearbeitet und es ware nicht unmöglich, dass die Vorlagen in der Mehrzahl der Falie eben doch von Nikander herrührten. KAPITEL IV. OVIDS METAMORPHOSEN, II, 833—IV, 602 (DIE THEBANISCHEN SAGEN). Am Ende des Ilten Ruches hebt mit vollkommen ausserlicher Anknüpfung an das Vorhergehende die Erzahlung einer zusammengehörigen Reihe thebanischer Sagen an, ausgehend vom Raub der Europa und der Gründung Thebens bis zum Untergange last aller Angehörigen von Kadmos' Geschlecht und seiner eigenen Verwandlung (II, 833—IV, 602). In dieses Stück boiotischer Mythologie, welches schon im klassischen Zeitalter zu den bekanntesten Sagenstoffen gehorte, finden sich bei Ovid einige andere Erzahlungen künstlich eingelegt, die einen ganz anderen Charakter zeigen und die wir vorlaufig ausser Acht lassen können. Die Frage nach Ovids Quelle für diese ganze Partie seines Werkes haben wir früher ohne grosse Mühe lösen zu können geglaubt >). Inhaltlich stimmt Ovid hier so zu sagen genau mit unseren mythographischen Quellen (Apoll. Hyg. Diod.) iibercin, und wir haben daher gemeint, hier wenigstens könne man deutlich sehen, dass er sich eines ebensolchen mythographischen Handbuches bedient habe. Nun sind natürlich Hand- und Lehrbücher der Mythologie im spiiteren Altertum sehr verbreitet gewesen; im L nterricht haben sie in Rom in keiner höheren Schule fehlen können. Wir sind daher ohne jeden Beweis berechtigt, vorauszusetzen, dass auch Ovid sie kannte, und es ist nur ') De Ov. myth. S. 69; Kienzle, Ovidius qua ratione etc. S. 15—34. natlirlich, dass wir bei der Lektüre seiner YVerke darauf achten, ob sich in seinen mythologischen Erzahlungen nicht seine Abhangigkeit von eben diesen Quelien verrat. Allein der Beweis dafür, den wir namentlich hier haben finden wollen, lüsst sich wohl betrachtet gar nicht erzwingen. Uebereinstimmung zwischen zwei Schriftstellern deutet. wo Zufall ausgeschlossen erscheint, auf Abhangigkeit von einander oder von einer gemeinschaftlichen Ouelle, falls das von beiden Erzahlte einen besonderen, eigentümlichen ( harakter tragt; ist aber diese Bedingung nicht erfüllt, berichten beide r.ur das was auch sonst ein jeder wusste und annahm, so beweist die Uebereinstimmung selbstverstandlich nichts. L nd so liegt offenbar der Fall hier. Was Ovid inhaltlich uber Kadmos und sein Geschlecht mitteilt, ist, wie die Grammatiker sagen. •>, Zu rrónxro: xz) fy/txhhrsfix. Diese selbe steht auch in dem uns erhaltenen mythographischen Handbuch und was damit zusammengehört. Im letzten Grunde wird diese Darstellung auf ein verlorenes Epos zurückgehen ; seit dem epischen Zeitalter ist die Sage des Kadmos und seiner Kinder allgemein in dieser und in keiner anderen Form verbreitet gewesen. Vereinzelt sind Dichter und Erzahler zvvar davon abgewichen und haben der eine diesen, der andere jenen Zug variiert, ohne jedoch die alte, hergebrachte Fassung der Sage verdrangen oder wesentlich beeinflussen zu können. Das Einzige was uns vielleicht einen Augenblick stutzig machen und dennoch für eine gemeinsame Ouelle zu sprechen scheinen könnte, ware vielleicht, dass sowohl bei Ovid, wie in der Bibliotheka und bei Hygin, die Verwandlung des Kadmos von seinen früheren Schicksalen losgetrennt und den Abenteuern aller seiner Kinder und Enkelkinder nachgestellt ist. Aber bei einigem Xachdenken wird man doch leicht einsehen, dass auch in diesem I'all keine willkürliche Anordnung vorliegt, sondern dass es kaum anders zu machen gewesen ware. Das Xatürliche ware ja, dass Kadmos bis zu seinem Tode mit seiner Gemahhn in dem von ihm gegründeten Theben bliebe; als aber sein ganzes Haus zu Grunde gegangen war, so lautet die Sage, wuide es dem Greis innerhalb der Mauern seiner Stadt zu eng, sodass er sich entschloss, fortzuziehen, tief in das Barbarenland Diese Anschauung ist) wie zwei w ^mencw> ,okalisiert haben. einzig mögliche. Für die Saee v T ^ "Sp'eIe zei^en' d«'e bei Ovid auf die den Mi i, r AIe,ikertes' welche gieiche: Athamas war in'^'V'^ gllt "amlich ^enau das König von Orchomenos bekannf a^"f SCh!chte aI1gemein als ■* keinem Wort ange^M'ch W «Wd bchauplatz der Handiung fat. Sodann k ^ 1Snger ^ Zusammenhang, im xillten fiuch der """el ^ •!" anderem augenscheinlich von Orrh am°rphosen, eine u» i**«, ; fTheben verie8tó s»«" »ch Delos LniT'wT ,"SS'. ,Aineias da de, Held einen kostbaren £ïr.ey? 0£ ... Schol. Lyk. 22. *) K. O. Müller. Orchomenos, S. 215. erzogen, doch über den Wohnplatz der Mutter verlautet zunachst nichts. Die Pest, welche den Opfertod der Jungfrauen zur Folge hat, wütet in ganz Boiotien (§2); dementsprechend werden sie von allen Boiotern als Retterinnen geehrt (§ 5). Da aber das ihrem Andenken gewidmete Heiligtum ausdrücklich als in Orchomenos liegend erwahnt vvird, so kann doch kein Zweifel darüber sein, dass der Autor, dem Antoninus Liberalis folgt, die Sage als orchomenisch betrachtete; daher ist es auch ausserst wahrscheinlich. dass mit der Stadt (§ 3), in der die Madchen lebten, keine andere als Orchomenos gemeint ist. Die Jungfrauen opfem sich den Unterweltsgöttern; wir wissen, dass der Kult der Persephone gerade in Orchomenos von Bedeutung war. Sie werden verwandelt in Kometen; man wird zugeben miissen, dass das wie eine spate Ausschmückung der Sage klingtJ). Und nicht weniger mutet es uns wie eine spate, willkürliche Erfindung an, dass der Gott, den die Boioter in der Not um Rat und Hilfe anflehen, der gortynische Apollon ist. An den thebanischen Seher Teiresias lasst der Dichter die Boioter sich nicht wenden, weil er eben eine orchomenische Sage erzahlen will 2). Aber auch das delphische Orakel (was doch das nachstliegende ware) lasst er sie nicht befragen, sondern schickt sie dafür den weiten Weg nach Kreta. Also dichtete er offenbar zu einer Zeit, da Boiotien und Delphi bez. die Amphiktyonie und der aitolische Bund Feinde waren. Im Uiten Jahrh. ist das, wie wir wissen, wiederholt der Fall gewesen, und zwar einmal um die Mitte des Jahrhunderts, als die Boioter nach kurzem Kampf gezwungen wurden, sich wieder an die Aitoler anzuschliessen (245}, das andere Mal als Demetrios II in Griechenland war (239—235) und gewiss noch einige Jahre nachher, und zum dritten Mal zur Zeit des Antigonos Doson, wo wir sie vom J. 223 an (Beloch, Griech. Gesch. III, 1, S. 735) als Verbündete Makedoniens und darauf ') Wilamowitz, Berl. Klass. Texte, V. 2, S. 53, A. 3. 2) Die Figur des Teiresias stammt ursprünglich auch aus der orchomenischen Heldensage (Plut. de def. orac. 44); aber das braucht dem spaten Dichter, den Ant. Lib. excerpiert hat, nicht bekannt gewesen zu sein. als Mitglieder des hellenischen Bundes antreffen. Der Frieden zwischen Aitolien und Makedonien und den Griechen, die zu Makedonien hielten, erfolgte erst wieder im J. 217. In der zweiten Halfte des Uiten Jahrh. v. Chr. waren also die Boioter den Aitolern durchweg feindlich gesinnt und liaufig vom Gebrauch des delphischen Orakels ausgeschlossen. Weshalb hat nun aber der Dichter sie statt dessen sich gerade an den Apollon von (iortyn wenden lassen.' Es scheint, dass er das tun konnteohne vom gelehrten, sagenhistorischen Standpunkte aus etwas Ungereimtes zu sagen, da es ja eine Ueberlieferung gab, die minysche Oikisten als Ahnherren der Bevölkerung Gortyns anerkannte '). Dieser L mstand machte seine Erfindung möglich ; der eigentliche Grund dazu muss aber noch ein anderer gewesen sein und ist auch unschwer zu erraten. L m den Vorrang in Kreta stritten sich damals bekanntlich Knossos und Gortyn; ersteres war mit den Aitolern, letzteres mit ihren Gegnern befreundet. Die aitolerfeindlichen Boioter lasst der Dichter also ganz folgerichtig zu dem Apollon von (jortyn gehen. Es braucht keiner langeren Auseinandersetzung um zu zeigen, dass die bei Ant. Lib. erhaltene Fassung der Sage inhaltlich und zeitlich ausgezeichnet fiir Nikander passt. Korinna kann dagegen als Quelle fiir die junge Fassung bei Ant. Lib. nicht in Betracht kommen; als Tanagraierin hat sie ausserdem gewiss die löchter Orions in Hvria oder in Tanagra (was das wahrscheinlichste ist) oder sonst in Theben, aber jedenfalls nicht in Orchomenos, sterben und verklart werden lassen. Ovid hat uns eine thebanische Fassung der Sage erhalten. Es ist wahrscheinlich, dass ausser Korinna noch viele andere griechische Dichter, deren Schriften verloren sind, die Sage der Töchter Orions besungen hatten. \\ ir haben jetzt schon zwei halle kennen gelernt, in denen 1) Konon (36) leitet einen Ieil der Bevölkerung Gortyns von Amyklaiern her, die aus Imbros und Lemnos stammten. Cf. Strab. VIII, 346 MtvuS», oi rótv 'Apyovaurii« «irsyawi t-jTif iy uh '.l; \vxto*ivm* ïii-nr,;. ) Schol. Nik. Ther. 15' et iz).zïstci VoLvctypaXbv pK?t rdv i'uv/. Xanagra war von 480 bis 456 von Theben unabhangig. der Scholiast des Antoninus Liberalis neben Nikander noch eine oder mehrere andere Quellen aufführt (23 : Battos; 25: Metioche und Menippe), wahrend beide Male die erzahlte Geschichte ihrem Inhalt oder ihrer Form nach unzweifelhaft auf Nikander zurtickgeht. Dasselbe ist auch fiir die Metamorphose der Minyaden (10) anzunehmen. Antoninus' kurzes Excerpt enthalt hier zwar sonst keinen einzigen Zug, nach dem man sich iiber die Stellung oder die Zeit des Autors ein Urteil bilden könnte, aber Korinna hatte den Schauplatz der Sage kaum in Orchomenos annehmen können, also spricht auch hier wieder die Bevorzugung der orchomenischen Lokalisierung zu Gunsten der Autorschaft des hellenistischen Dichters. Da es nun einerseits vollkommen sicher ist, dass Ovid Xikanders Heteroiumena kannte und ausgiebig benutzte und wir andererseits wissen, wie sehr er seine Vorlagen zu variieren bestrebt war, so diirfte der Fall manchmal, und unter anderem in den Geschichten des Battos, der Minyaden und der Koroniden, so liegen, dass der römische Dichter durch die Lektüre des Nikander zunachst auf diese Metamorphosen aufmerksam geworden ist, sich dann aber nach einer anderen fassung, d. h. doch wohl nach einer anderen poëtischen Vorlage, umgetan hat. Eine solche zu finden musste ihm namentlich dann leiclit werden, falls er, wie man es von vornherein erwarten möchte, seinen Nikander mit Scholien las (deren Angaben ihm bisweilen sogar das Zuriickgreifen auf andere Dichter ersparen konnten). In der Sage von Ino und Melikertes, welche sich bei Ovid an diejenige der Minyaden anschliesst (IV, 416—561), findet sich ausser der Verlegung des Wohnsitzes des Athamas nach Theben noch ein anderer auffalliger Zug. Nach der Verwandlung der beiden Hauptpersonen wird namlich noch mit einiger Au.sfiihrlichkeit erzahlt, wie die Gefahrtinnen der Ino Juno durch Schimpfreden beleidigten und zur Strafe zum Teil in Marmorstatuen, zum Teil in Vogel verwandelt wurden. Da man das nie allein fiir sich hat erzahlen können, so muss Ovid es in seiner Vorlage (oder in einer seiner Vorlagen) mit der Sage der Ino verblinden gefunden haben; es muss dann weiter auch sehr wahrscheinlich erscheinen, dass diese Vorlage ein Metamorphosengedicht war, welches doch wohl wieder das des Xikander gewesen sein wird x). Xach der Metamorphose der Ino kommt Ovid auf Kadmos zuriick und beschreibt seine und seiner Gemahlin Verwandlung in Drachen in Illvrien, wohin sie nach dem fast vollstandigen L ntergang ihres Hauses ausgewandert waren (IV, 562—602). Inhaltlich entspricht das genau der iiblichen Form der Sage (Bibl. Apoll. III, 39). Aber die Verwandlung des Kadmos wird bei Ovid als eine Vergeltung für die Tötung des Drachen in Theben dargestellt. Das hangt mit der VVeissagung III, 93 zusammen: pondere serpentis curvata est arbor et ima parte flagellari gemuit sua robora caudae. dum spatium victor victi considerat hostis, vox subito audita est neque erat cognoscere promptum unde, sed audita est: quid, Agenore nate, peremptum serpentem spectas? et tu spectabere serpens. Genau dieselbe Beziehung zwischen der Tötung des Drachen l) Bemerkenswert, obwohl für die Ermittelung der Quelle Ovids wertlos, ist in der Metamorphose der Ino auch noch folgende Einzelheit. Nach der gewöhnlichen Vorstellung stürzte Ino sich vom molurischen Fels herab, der zwischen Megara und Korinth an der Ostküste des Isthmos liegt. Ovid nennt den Namen des Felses nicht, aber es ist gar kein Grund vorhanden um anzunehmen, dass seine Vorlage in diesem Punkt von der allgemein verbreiteten Ueberlieferung abwich. Nur erscheint es dann dem aufmerksamen Leser befremdlich, dass Venus nach dem Sprung der Ino an Neptunus die Bitte richtet: hilf den beiden, 534 iactari quos cernis in Ionio immenso. Aber offenbar hat Ovid hier das ionische Meer genannt, weil ihm die Vorstellung durch den Kopf ging, dass Ino nach I taliën kam, wie er es selbst in den Pasten (VI, 491 ff.) geschildert hat. In seiner griechischen Vorlage hat er das nicht finden können; die italische Fassung der Sage. welche bezweckt, die Gleichsetzung der Mater Matuta mit der Ino (Cic. Tusc. I, 12, 28, de nat. deor. III, 19, 48; Plut. Cam. 5, Qu. Rom. 16, 17) und des Portunus mit dem Palaimon zu begründen, wird eben dem Römer gel&ufig gewesen sein. Die überraschende Erwahnung des ionischen Meeres an unserer Stelle erklart sich also leicht; es ware sogar denkbar, dass Ovid das IVt« Buch der Metamorphosen erst nach dem VIten Buche der Fasten geschrieben hat. und Kadmos' eigener Verwandlung bietet auch die Parallelstelle bei Nonnos: I\ , 414 Si' xovlyi v'~ZX*nX X'JlChCV sXl77l 7TXki}.}.VT0V XTTXTSC 0'jp'// X.XI ^XTTS^Ul TSTXVU7T0 %px>CWJ véitv" XfJL Q) Sf 'JSKpX bcï/pcs Affls Pxp-jpvivts xvsxpxye- %xofisvcv 5f KxS,u,c? xftsifionevuv ,u,sï.éxv h.ixcclsï [topQvj x'/./.o$rjViq v,(j.e/.'/.( Trxp lïj.ypfès, 7^'jpx yxiv,~ tiïvov 's-zst'j hcix/.fzz ïpxxsyrtisic 7rpsTX7r;-j. Nonnos ist sogar deutlicher und ausfiihrlicher als Ovid: durch ihn verstehen wir, dass in der den beiden Dichtern gemeinsamen Vorlage die prophetische Stirnme diejenige des Ares, des Vaters des Drachen, war, und dass dessen Zorn schliesslich die Verwandlung des Kadmos herbeiführte. Durch diese Motivierung des Unglücks, das Kadmos und sein Haus unablassig verfolgt. und der Verwandlung, welche seinem menschlichen Leben ein Ziel setzt, sind bei Ovid die ohnehin zusammengehörigen thebanischen Mythen noch fester zusammengeschnürt; durch sie kommt ausser der gegebenen historischen auch eine dichterische Einheit in den ganzen Abschnitt hinein. Ich fïnde das bei den Modernen nirgendwo ausgesprochen; trotzdem ist es eigentlich unverkennbar. Was erzahlt wird ist die Geschichte des Kadmos. Der Raub der Europa konnte nicht mit Stillschweigen übergangen werden, weil ohne ihn der Ausxug des Kadmos aus seiner Heimat nicht motiviert ware. Um Theben und sein Reich zu gründen, muss der Held den Drachen, den Sohn des Kriegsgottes, toten. Die Kache wird nicht ausbleiben, wie gleich angedeutet wird. Zunachst geht aber Alles geraume Zeit sehr gut. III, 131 : iam stabant Thebae. poteras iam, Cadme, videri exilio felix. soceri tibi Marsque Venusque contigerant; huc adde genus de coniuge tanta, tot natos natasque et, pignora cara, nepotes, hos quoque iam iuvenes. sed scilicet ultima semper expectanda dies homini est, dicique beatus ante obitum nemo supremaque funera debet. Der erste, der durch seinen Untergang, Kadmos' scheinbar sicheres Glück zerstörte, war sein Enkel Aktaion (138 f.). Darauf brach dann aber von allen Seiten schweres Missgeschick über ihn herein ; das Schicksal des Kadmos hat Aehnlichkeit mit dem des Hiob. Niedergebeugt durch den unaufhörlichen Jammer (563 f.) flieht der alte Kadmos endlich die Stadt, die er gegründet, 565 tamquam fortuna locorum, non sua se premeret. Aber auch draussen findet er auf seinen Irrfahrten nirgends Rulie. Endlich kommt ihm der Gedanke, an all dem Ungliick sei er vielleicht selber Schuld, da er den heiligen Drachen des Ares getötet habe. Er erkennt die wahre Ursache des Zornes der (lötter (573) und bittet selbst darum, zur Busse in eine Schlange verwandelt zu werden. Die Bitte wird erhört; sein Leiden hat ein Ende. Diese Komposition ist ohne Frage das Werk eines Dichters; ahnlich hat Homer aus der Belagerung von Troja die Geschichte des Grollens des Achilleus gemacht und dadurch erst der Erzahlung dramatisches Interesse und eine Einheit im künstlerischen Sinne verliehen. Dass der Dichter, der dieses getan hat, nicht Ovid selbst ist. ware schon an sich wahrscheinlich, und es wird es noch viel mehr, da wir im Stande sind nachzuweisen, dass auch dem Xonnos dieselbe dichterische Gestaltung der Ereignisse bekannt war. Wir wissen nicht bestimmt, ob sie bis auf einen alten Epiker zurückgeht, doch wird man dieses fiir das wahrscheinlichste halten müssen; Ovid hat dann nattirlich aus einer abgeleiteten Quelle geschöpft. Ich möchte aber nicht glauben, dass ein der Bibliotheka vergleichbares Handbuch hier als seine Hauptquelle betrachtet werden könnte, denn die Handbücher erzahlen zwar die Sage vielfach nach dem Epos, verflachen aber dabei doch wieder die zusammenhaltenden poëtischen Motive, indem sie sich nur an die nüchterne Reihenfolge der Ereignisse halten. Man lese z. B. in der epit. Apoll. die Geschichte des trojanischen Krieges; welche Rolle spielt darin noch der Zorn des Achilleus ? Fiir die Komposition der Metamorphosen des Ovid ist die hier erörterte F rage wichtig. Es muss erwogen werden, ob er vielleicht den ganzen Abschnitt der thebanischen Sagen ein und derselben Quelle entnommen hat, wie wir ja bestimmt wissen, dass er sich nicht scheute, grosse zusammenhangende Stücke aus Nikanders Heteroiumena heriiberzunehmen ]). Zu entscheiden vermag ich die Frage nicht. In die Erzahlung der Sage der Minyaden sind eine Anzahl asiatischer Metamorphosen kiinstlich eingeschoben, welche der Dichter die Madchen einander bei der Arbeit erzahlen lasst. Zu der Sage von Pyramos und Thisbe IV, 55—166 ist folgendes zu bemerken. Pyramos ist bekanntlich der Name eines grossen Flusses in Kilikien, der sich unweit der Stadt Mallos in das Meer ergoss. Nonnos erblickt in eben diesern Fluss den Liebhaber der Thisbe (VI, 347, 351—355); an anderer Stelle zeigt es sich, dass ihm eine Form der Sage bekannt war, nach der die Liebenden beide in Gewisser verwandelt wurden (XII, 84 f.). AH dem scheint man noch keine Beachtung geschenkt zu haben. Bei Ovid spielt die Geschichte in Babyion und das Liebespaar wird überhaupt nicht verwandelt; die einzige Metamorphose, welche die Geschichte bei ihm enthalt, ist die der Maulbeeren, die von weiss dunkelfarbig werden. Dieses kann aber nicht die ursprüngliche Fassung sein, denn da der Name Hhfy, wie bekannt, auch in Boiotien vorkommt, so kann er in Babylonien nicht zu Hause gewesen sein. Ovid erzahlt hier also eine ursprünglich griechisch-kilikische Sage, deren Schauplatz ein hellenistischer Dichter nach Babyion verlegt hatte. Seine Vorlage muss ein im Seleukidenreich entstandenes hellenistisches Gedicht gewesen sein. Da Kilikien 294 von Seleukos erobert, Mallos spatestens 246 von Ptolemaios Evergetes dauernd besetzt und erst 197 von Antiochos wiedergewonnen ist, so wird die Entstehung der bei Ovid erhaltenen Fassung der Sage entweder in der ersten Halfte des Uiten oder im Ilten Jahrhundert anzusetzen sein. Euphorion erscheint also als ihr Urheber ausgeschlossen l) Wie bemerkt, können die thebanischen Sagen den Inhalt der Eufumia des Nikander gebildet haben. und übei haupt wird Ovids Gewahrsmann schwerlich einen sehr berühmten Namen getragen haben, Metam. IVr. 53 quoniam vulgaris fabula non est. In denselben Kreisen ist auch, wenigstens in der Form, in der Ovid sie erzahlt, die Geschichte der Liebe des Sonnengottes zur Leukothoe (IV, 168—270), entstanden. Die Komposition ist einheitlich: Helios' verhangnisvolle Leidenschaft wird durch den Hass der Aphrodite gegen ihn erklart, deren heimliche Zusammenkünfte mit Ares er beobachtet und verraten hatte; diese motivierende Einleitung für eine Zutat des Ovid zu erklaren, ist nicht angangig. Wenn Hygin (fab. 14) unter den Argonauten einen Sohn des Helios und der Leukothoe aus Andros nennt, so geht daraus m. E. hervor, dass die Sage ursprünglich andrisch war. Lactantius (narr. fab. IV, 5) erzahlt die Geschichte nach Ovid und fügt hinzu: hoe Hesiodus indicat. Man hat das für falsch halten können, aber wenn die Sage ursprünglich im griechischen Mutterlande zu Hause war, so könnte es ebensogut richtig sein. Der Dichter, dem Ovid gefolgt ist, hat den Mythus nach Persien \erlegt, indem er Leukothoe zur Tochter eines willkiirlich erfundenen persischen Herrschers "Op%xfiot machte. Die Metamorphose der Salmakis und des Hermaphroditos endlich ist eine spate spezifisch halikarnassische Sage; in Halikarnassos war die Ouelle Salmakis und auch eine der zwei Burgen der Stadt trug den gleichen Namen. Bemerkenswert ist, dass Ovid Hermaphroditos auf dem phrygischen Ida geboren worden sein lasst. Abgesehen von den drei ausführlich geschilderten Metamorphosen wird im selben Zusammenhang auf noch acht andere kurz hingewiesen. Diese zerfallen in zwei Gruppen: A: Metam. IV 44 46 Derketis Babylonien, Syrien 47—48 i Semiramis „ 49 5' die Xaiade Persischer Golf (Arr. Ind. 30 B: 276—279 Daphnis j Ida (Phrygien) 279 2^o Sithon iThrakien? 281 282 Kelmis Ida (Phrygien) 282 die Kureten »» M 283 Krokos und Smilax Lydien Die erste Gruppe weist nach Assyrien und Syrien und geht also zusammen mit den Sagen von Pyramos und Thisbe und von Helios und Leukothoe, denen sie vorangestellt ist. Die zweite Gruppe weist nach dem phrygischen Ida; sie steht vor der Sage des Hermaphroditos, für dessen Heimat der Dichter, wie ich bereits hervorgehoben habe, ebenfalls den Ida ausgiebt. Die Sagen der zweiten Gruppe erfordem noch eine nahere Petrachtung. Die Daphnissage ist nach der allgemein verbreiteten Anschauung in Sikilien heimisch. Hellenistische Dichter liebten es aber, den Schauplatz bekannter Mythen willkürlich zu verlegen. So liess Hermesianax Daphnis mit seinem Geliebten Menalkas auf Euboia wohnen (schol. Theocr. VIII. 55). Eine andere vol 1kommen willkürliche Aenderung machte der aus Troas gebiirtige, aber in Athen und Syrakus tatige Dramatiker Sositheos, als er Daphnis auf der Suche nach einer Geliebten nach Phrygien zu Lityerses kommen und dort an dessen Stelle König werden liess (Athen. X, 41 5,b; Serv. Buc. \ III, 68); er hat damit wohl den einen berühmten Sanger der mythischen Zeit zum anderen in Peziehung setzen wollen. Daraufhin hat dann Alexandros von Pleuron schreiben können, Daphnis ware der Musiklehrer des Marsyas gewesen (schol. Theocr. VIII, 1). Auch die dem Ovid vorschwebende I'assung der Sage fusst auf der Neuerung des Sositheos; nur ist hier wieder ein weiterer Schritt getan : Daphnis sikilische Abkunft wird nicht melir erwShnt, sondern er heisst Idaeus, das kann nur heissen: er ist auf dem Ida geboren, denn Lityerses wohnte nicht dort. sondern im Maiandertal bei Kelainai. Auch wird Daphnis bei Ovid nicht, wie sonst, zur Strafe für seine LTntreue von der Nymphe geblendet, sondern versteinert. Der Dichter, dem Ovid folgt, lebte also nach Sositheos. er scheint ein besonderes Interesse für das Ida-Gebiet gehabt zu haben, und er hat als erster die Sage auf eine Metamorphose wuchs, ist uns ja bekannt i). Galen und andere vor ihm haben augenscheinlich den Ausdruck 'Ep/tsloi- reik* nicht verstehen können und sich deshalb mit der Konjektur einigermassen zu helfen versucht. Aus meinen obigen Darlegungen geht hervor, dass Ovid für d.e Metamorphosen, die er von den Minyaden erzahlt oder kurz eruhrt werden lasst, höchstens zwei verschiedene hellenistische Cuellen gehabt hat. Man muss aber auch mit der Möglichkeit rechnen, dass er für die Minyadensage ein hellenistisches Gedicht herangezogen hat, in dem den drei Madchen bereits die gleichen Erzahlungen in den Mund gelegt wurden. Für die von Ovid behandelten thebanischen Sagen hat die * nalyse mich zu folgenden Ergebnissen geführt: Metam. U> s33—875 Europa j HI' I—137 Kadmos | hellenistisches Gedicht '38—252 Aktaion wahrscheinlich: hellenis¬ tisches Gedicht 2 53—315 Semele wahrscheinlich: hellenis- I I tisches Gedicht 316—3 3 8 j Teiresias 1 ? 339 5io Xarkissos, Echo j wahrscheinlich: hellenis- I tisches Gedicht 511—73 3 Fentheus 582—691 Dionysos und die hellenistisches Gedicht J Seerauber j I ') Verg. Georg. I, 56: nonne vides, croceos ut Tmolus odores, India mittit ebur.... Prll1!8;4' ^010" 61 C°ryCOn fl°re CmCe°' Iudaeam et A-b.am pretiosis odonbus .llustrem haberi. Solin. ed. Mommsen^, S. .68, 3: mons florens Si"S ^ fl°rentissimus- Mart. Cap. VI, 686: Tmolus croco orens. Hehn, Kulturpflanzen und Hausthiere «, S. 26,; Wildwachsend findet klad Cr0Cl; SatlVUS L' 'lUf den Bergen bei S"'y"a> auf Creta, den Cv- und D„™„r """ — IV, i—415 clie Minyaden j? 4!6—561 Ino und Melikertes ! hellenistisches Metamor- phosengedicht 563—602 Kadmos, Harmonia | r Ovid hat sich also auch für diesen Abschnitt seines Werkes hellenistische Vorlagen ausgewahlt. Die Benutzung der Heteroiumena des Nikander lasst sich hier nirgendwo bestimmt und deutlich nachvveisen; doch sind, wie ich gezeigt zu haben hoffe, betrachtliche Anzeichen dafür vorhanden, dass Ovid nicht unterlassen hat, dieses für seine Zwecke so überaus nützliche Buch auch hier zum mindesten zu Rate zu ziehen.