UJS DEM BACTERIOLOGISCH-HYGIENÏSCHEN LABORATORIUM DER UNIVERS1TAT LEIDEN Die Ursache des Carcinoms VON Prof. R. P. VAN CALCAR IN LEIDEN LEIDEN — S. C. VAN DOBSBURGH — 1926 AUS DEM BACTERIOLOGrISCH-HYGIENISCHEN LABORATORIUM DER UNIVERSITAT LEIDEN Die Ursache des Carcinoms VON Prof. R. P. VAN CALCAR IN LEIDEN LEIDEN — S. O. VAN DOESBURGII — 1920 INHALT8VERZEICHNISS. Seite Vorwort g Einleitung ^ Ueber die experimentelle Krebsforschung der Jetztzeit . . 10 Die Krebszelle ^0 Ueber das Entstehen von Krebs durch nachweisbare Faktoren ^ Ueber Tumorbildung durch Parasiten, namentlich durch Würmer ^5 Ueber experimentelle Teertumoren 16 Das Hafercarcinom von Stahr 13 Die Bedeutung der praekancerösen Stadiën .... 20 Ueber die Malignitat der Gescliwülste 24 Experimentelier Teil 29 Der experimentelle Teerkrebs . 32 Das experimentelle Hafer- und Getreidecarcinom . . 34 Beschreibung einiger Eesultate der pathologisch - anatomischen Untersuchung .... 46 Ueber die pathologisch-anatomische Genese des Car- cinoms . ^ Ueber das Züchten von Protozoen aus Carcinomen . 57 Zusammenfassunjj gg V O R W O R ï. Wahrend der Jahre. dass ich experimenten über bösartige Tumoren gearbeitet habe, hat sich das zu untersuchende Material sehr gehauffc. Meine Untersuchungen aber haben mich so fest von der parasitaren, speciell von der protozoaren Genese des Krebses überzeugt, dass ich die Freiheit gefunden habe, meine Resultate, kurz gefasst, mitzuteilen. Hoffentlich werden meine Versuche andere veranlassen dieselben zu wiederholen und fortzusetzen. Gerade weil ich dieses so erwünscht finde, habe ich besonders auf die Arbeitsmethoden den Nachdruck gelegt. Leiden, Januar 1926. VAN CALCAR. EINLEITUNGr. Tm Jahre 1920 habe icli in einer Monografie iiber den Krebs und sein Entstehen 1) den parasitaren Ursprung des Carcinoms aus verschiedenen Gründen verteidigt. In den letzten fünf Jahren habe ich die sich hierauf beziehenden Untersuchungen fortwahrend fortgesetzt und noch mehr denn je haben sich meine Annahmen bestatigt, dass das Entstehen des Krebses der Wirkung von Parasiten, namentlich der Protozoen zuzuschreiben ist. Je langer je mehr hat man sich von den verschiedenen Theorien, die das Entstehen des Krebses zu erklaren versuchen, abgewandt und die meisten Krebsforscher der Jetztzeit gehen bei ihren Annahmen davon aus, was die klinische Beobachtung und die experimentelle Untersuchung über das verschiedenartige Hervorrufen von Tumoren lehren. Die schon 1875 von Cohnheim aufgestellte Theorie über die Ursache des Carcinoms, die auf den Untersuchungen von Lücke über die angeborene Anlage fiir Teratomen basiert und bei denen die Ursache des Carcinoms in embryonalen Faktoren gesucht wird, berücksichtigt die Bedeutung der Parasiten nicht. So war auch Eibbert wahrend seines ganzen Lebens ein Gegner von der Bedeutung der Parasiten für das Entstehen der Tumoren. „Die parasitare Theorie des Carcinoms ist unhaltbar, man muss sie aufgeben." Auf die ribbert'schen Auffassungen komme ich im pathologisch-anatomischen Teil naher zurück. x) De kanker en zijn ontstaan, dooi' R. P. van Calcar. Met 23 afbeeldingen. Leiden, S. C. van Doesbdkgh, 1920. van calcar Der Standpunkt von Klebs, Hauser, Israël, Beneke, Sciiwalbe und Borst darf als genügend bekannt vorausgesetzt werden und man findet ihn in einer grossen Anzahl von Monografien, die in regelmassigen Abschnitten erscheinen und „Der heutige Stand der Lehre von den Geschwülsten" ausfülirlich besprechen, naher umschrieben. Noch ganz kurz etwas über die Anaplasie von Hansemann und die Theorie von Boveri. Hansemann ist der Ansicht, dass die Zellentdifferenzierung im Carcinom eine viel geringere ist als die von normalen Gewebszellen und dass der maligne Charakter der Tumorzelle gerade von dieser Entdifferenzierung abhangig ist. Hansemann zufolge müsste man demnach diese abnormalen Eigenschaften des Chromatins an erster Stelle für die inaequale Teilung, wie wir sie oft in Carcinomzellen antreffen und als unregelmassige Kernteilungsfiguren im microscopischen Praparat beobachten können, verantwortlich machen. Im Gegensatz zu Hansemann legt besonders Boveri den Nachdruck auf die multipolaren Teilungen, die gleichfalls haufig in Carcinomen angetroffen werden können. Boveri ist namlich der Ansicht, dass in den zu Krebszellen gewordenen Epithelzellen sich das Chromatin bei der Teilung anders benimmt als bei der normalen Zellteilung. Nimmt man an, dass in einer bestimmten Zelle ein bestimmter Teil der Chromosomen verloren gegangen ist, so würden die übrigen Chromosomen die Zelle schon zu einer Krebszelle machen können. Das neue Chromosomen verhaltnis wiirde sich bei der weiteren Teilung behaupten; ist eine Epithelzelle einmal eine Tumorzelle geworden, so bleibt sie auch eine Tumorzelle. Boveri ist nun weiter der Ansicht, dass der Chromosomen verlust durch allerlei Einflüsse hervorgerufen werden kann; thermische, mechanische, besonders aber auch chemische Faktoren können den Defekt hervorrufen. Auch Boveri legt demnach Wert auf die sogenannten praekancerösen Abweichungen. Wir werden nachher sehen, dass die Krebszelle, als Einheit betrachtet, auf einer höheren Entwicklungsstufe steht, als die normale Epithelzelle; sie kann namlich verschiedene Funktionen besitzen, die der normalen Epithelzelle felilen; demnach muss man sich die Frage vorlegen, ob diese Funktionszunahme durch einen Chromosomenverlust erklart werden kann. Am meisten spricht wohl gegen die Theorie von Boveri, dass man sie nicht beweisen kann. Sollte sie auf Wahrheit beruhen, so würden wir, und dies habe ich bereits an anderer Stelle erwahnt, in Zukunft mehr als je den Ratseln, die das Krebsproblem noch immer verhüllen, trostlos gegenüberstehen. Gegen die Theorie von Boveri habe ich aus folgenden Gründen grössere Bedenken, als gegen die embryonalen und so viele anderen Theorien. Im höherem Grade als diese anderen Theorien legt sie den ÏTachdruck auf eine Tatsache, die wir nie und nimmer in der Natur begegnen, und zwar auf die, dass sie sich selbst suicidiert. Immer mehr sucht man bei pathologischen Abweicliungen verschiedener Art einen Zusammenhang zwischen diesen Abweichungen und der Wirkung von Parasiten. Dieses Suchen hat auf jedem Gebiet, so unwahrscheinlich die Eesultate zu Anfang auch schienen, heuristisch gewirkt. Warum soll das Krebsproblem eine Ausnahme bilden? UEBER DIE EXPERIMENTELLE KREBSFORSCHUNG DER JETZTZEIT. Die Krebszelle. Piir die Eigenschaften der Krebszelle gelten im allgemeinen auch heute noch die Anschauungen von Hansemann. Die Krebszelle besitzt andere Eigenschaften als die normale Epithelzelle, wahrend ausserdem aus der Untersuchung der Metastasen hervorgeht, dass auch die Eigenschaften der Ausgangszelle noch ganz oder teilweise erhalten bleiben können. Metastasen von Carcinomen der endocrinen Drüsen können noch immer ilire Hormone aussclieiden, Metastasen eines Lebercarcinoms können noch immer Galle secernieren. Ausser dieser Eigenschaft der Secretion können die Carcinomzellen eine eigene Bewegliclikeit aufweisen, wahrend ausserdem wiederholt die Erscheinung der Phagocytose beschrieben worden ist. Man kann nicht nur rote Blutzellen, sondern auch Lcucoc.ytenkerne und kleinere oder grössere Fragmente anderer Carcinomzellen in der Krebszelle nachweisen. Das microscopische Praparat weist bereits darauf hin, dass dieser Phagocytose eine intrazellulare Verdauung folgen kann und dass demnach die Carcinomzelle die Verfiigung über Fermente haben muss, die der Epithelzelle, aus der sie hervorgegangen ist, fehlen. Diese Funktionszunahme der Carcinomzelle erklart demnach das selbstandige Dasein, das sie ab und zu im Blut und in den Lymphgefassen fiihren kann und von dem das Entstehen der Metastasen abhangig ist. Führt man eine Emulsion normaler Epithelzellen in das Blut des Tieres, dem man die Zeilen entnommen hat, so gehen sie immer restlos zu Grunde. Bringt DIE URSACHE DES CARCINOMS man dagegen in ein Tier in derselben Art eine Emulsion von Zeilen, die von einem malignen Tumor herrühren, der sich bei demselben Tier entwickelt batte, so wird die Metastasenbildung nicht unterbleiben. Die experimentelle Untersuchung der malignen Tumoren, wie man sie besonders bei Ratten und Mausen vorgenommen hat, hat eine Tatsache deutlich ans Licht gebracht und zwar diese, dass die zum Tumor gewordene Epithelzelle ein derartiges selbstandiges Dasein führen kann, dass sie nicht nur bei demselben Tier das Auftreten von Metastasen hervorruft, sondern gleichfalls sehr leicht durch Transplantation auf ein Tier derselben Art übertragen werden kann. Dass die Tumorzellen die Erscheinungen der Degeneration aufweisen können, lehrt die pathologischanatomische Untersuchung zur Genüge. Die Klinik lehrt jedoch mit ebenso grosser Bestimmtheit, dass die Degeneration langere Zeit ausbleiben kann und dass die ursprüngliche Funktion der Ausgangszellen sehr lange erhalten bleiben kann. Bei Pancreascarcinomen kommt es nur selten zur Entwicklung einer Diabetes; bei Krebs der Schilddrüse braucht kein Basedowscher Symptomencomplex aufzutreten, wahrend bei Tumoren der Nebennieren das Krankheitsbild des Addisons vollstandig unterbleiben kann. Ebenso wie in den normalen Epithelzellen können jedoch in den Tumorzellen Erscheinungen, wie Verhornung, Yerfettung, schleimige Degeneration u.s.w. auftreten. Legt man jedoch auf diese Erscheinungen zu grossen Wert, so wird man bei seinen Untersuchungen den falschen Weg einschlagen. Nicht die Degenerationserscheinungen der Tumoren, wohl dagegen die, die auf ein erhöhtes funktionelles Leben hinweisen, namlich die Beweglichkeit der Zeilen, die Phagocytose, die erhöhte fermentative Wirkung und die Fahigkeit zur Metastasierung, berechtigen uns zu der Annahme, dass die Krebszelle, in funktioneller Hinsicht, über der Epithelzelle steht, aus der sie entstanden ist. Ich will nicht verhelden, dass besonders gegen die erhöhte fermentative Wirkung der Zelle ab und zu in der Literatur Einspruch erhoben worden ist, bei dem die Eesultate von Abderhalden, Petry, Blumenthal und Wolff, besonders auch die von Xeueerg in Zweifel gezogen worden sind. Für denjenigen aber, der mit der Anwendung der Fermentmethoden genügend vertraut ist, und der also der bei dieser Anwendung so oft auftretende Fehlerquelle zu entgehen weiss, wer also mit der allgemeinen und speziellen Fermentlehre genügend bekannt ist, dem wird es nicht schwer fallen nachzuweisen, dass die Tumorzelle zu anderen Fermentationen im Stande ist als die Epithelzelle, aus der sie hervorging. In meiner früheren Monografie „Der Krebs und sein Entstehen" habe ich manches hierüber ausführlich behandelt, sodass ich mich hier auf folgendes beschranken kann. F ür die Untersuchung der fermentativen Wirkungen sind am geeignetesten die Tumoren, welche von Epithelzellen ausgehen, die unter normalen Umstanden keine Fermente produzieren. Tumoren der Haut, besonders auch die der Blasé und der Lungen, kommen hier also an erster Stelle in Betracht. W er in Magen- und Pancreastumoren nach eiweisszersetzenden fermenten sucht, übersieht, dass die Ivrebszelle die Fahigkeit zui Fermentproduktion des Gewebes, aus dem sie hervorging, langere Zeit behalten kann. Man benütze für Fermentreaktionen hauptsachlich die, welche man sehr leicht nachweisen kann. Für diese Reaktionen kommen an erster Stelle diejenigen in Betracht, bei denen man schon zu Anfang der Fermentation durch Farbenreaktionen oder Kristallbildung bequem bestimmte Zersetzungsprodukte nachweisen kann. So kann man durch tryptische Fermente, und diese trifft man so oft in Tumoren an, aus einer Caseinauflösung zwei Aminosauren, das Tryptophan, das durch Bromdampfe nachgewiesen werden kann und das Tyrosin mit seiner bekannten Kristallform frei machen. Es bedarf wohl keiner Erwahnung, dass man bei diesen Beaktionen besonders auf die hemmende Wirkung der fermentativen Zersetzungsprodukte und auf die Reaktion des Milieus, in dem man die Fermentation vor sich gehen lassen will, achten muss. Demnach muss sich jeder, der sich mit der Fermentation der Tumorzelle beschaftigen will, zuerst die Technik zu eigen machen und die Fehlerquellen kennen. Ist man endlich auf diese Weise zu der Schlussfolgerung gekommen, dass die Tumorzelle als morphologische Einheit nicht minderwertig, sondern mehrwertig ist als die normale Epithelzelle, so muss man sich die Frage vorlegen, auf welche Weise diese Mehrwertigkeit am besten erklart werden kann. Hat man hierbei eine plausible Erklarung gefunden, so wird man sich weiter die Frage vorlegen müssen, ob und in welcher Weise, diese als Arbeitshypothese bei der Untersuchung der Biologie der malignen Tumoren, namentlich der des Carcinoms dienen kann. Auch bei den jetzt zu beschreibenden Untersuchungen habe ich mich an erster Stelle von meinen bereits früher mitgeteilten Auffassungen leiten lassen und weiterhin durch die Besultate der experimentellen Krebsuntersuchungen. Diese Auffassungen sind folgende: Wir sind zu der Schlussfolgerung gekommen, dass dieses erhöhte funktionelle Leben der Carcinomzelle am besten erklart werden kann, wenn man annimmt, dass die Epithelzelle, aus der sie entsteht, jedenfalls eine Zeitlang mit einem Parasiten symbiotisch zusammenlebt, der die Eigenschaften besitzt, die der Ausgangszelle fehlen. Aus verschiedenen Gründen haben wir angenommen, dass man diese Parasiten an erster Stelle unter den Protozoen suchen muss, die nur einen sehr geringen Grad der Pathogenitat für die Epithelzellen besitzen und die wenigstens nicht im Stande sind diese Zeilen schnell zu Grunde zu richten. Auf Grund der Tatsache, dass das Carcinom auf der ganzen Erde vorkommt und speziell in letzter Zeit sehr haufig beobachtet wird, müssen wir wohl annehmen, dass diese hypothetischen Parasiten ubiquitar sind. Gegen diese Auffassungen — und das haben wir bereits hervorgehoben — kann man nichts einwenden, weil der Keim von mehreren Krankheiten des menschlichen und tierisclien Organismus fortwahrend gefunden wird, wahrend nui' in einer sehr geringen Zahl von Pallen dieser Keim das Auftreten des für ihn spezifischen Krankheitsbildes hervorruft. Ueber das Entstehen von Krebs dureh naehweisbarc Faktoren. Wer eine Arbeitshypothese verteidigen will, bei der er sich schliesslich durch die Ansicht leiten lasst, dass in letzter Instanz alle Carcinomen durch ein und dasselbe Virus hervorgerufen werden, steht vor grossen Schwierigkeiten. Nachdem durch die Entwicklung der Bakteriologie die Aetiologie so vieler Infektionskrankheiten aufgeklart war, hat man die bakteriologische Forschungsmethoden auch bei der Tumorenuntersuchung angewandt. Scliizo-, Blasto- und HyphoMyzeten sind als Erreger von Tumoren beschrieben worden. Dem Mucor racemosus, den Coccidien, den Plimmerschen Körperchen, der Plasmodiophora brassicae misst man keine Bedeutung mehr bei und schliesslich ist auch der Micrococcus neoformans erledigt. Yiele Untersucher sind demnach zu der Schlussfolgerung gekommen, dass alle diese aetiologischen Untersuchungen nichts ergeben haben, dass ihre Methoden uns nicht weiter geführt haben. Kratjs drlickte sich neuerdings folgendermassen aus: „Heute könnenwir es um so berechtigter behaupten, als wir wissen dass es einen spezifischen Krebserreger im Sinne der Spezificitat der Erreger der Infektionskrankheiten nicht giebt." Wir werden jetzt sehen unter welchen Umstanden wir Tumoren auftreten sehen, bei denen ausserliche Faktoren für das Vorkommen verantwortlich zu sein scheinen und wollen dann feststellen, auf welche Weise man heut zu Tage im Stande ist, maligne Tumoren experimenten hervorzurufen. Ueber Tumorbildung durch Parasiten, namentlich durch Würmer. Schon aus klinischen Gründen hat man einen Zusammenhang zwi sehen dem Auftreten von Blasen- und Darmcarcinomen und bestimmten Wurmarten gesucht. Das Blasencarcinom wird in den Tropen oft im Zusammenhang mit der Wirkung von Sehistosomum haematobium gebracht, das Darmcarcinom kann unter dem Einfluss folgender Faktoren entstehen. Die Eier des Wurmes können in der Schleimhaut des Dickdarmes chronische Entzündungen hervorrufen und im Anschluss hieran tritt vereinzelt Carcinom auf. Dasselbe steilten Katsurada und andere japanische Forscher für die Clonorchis sinensis fest, die unter TJmstanden Lebercarcinom hervorruft. Borrel und Haaland fanden Ne mat oden in Mausecarcinomen, wahrend Fibiger und auch Löwenstein bei Papillomen, die von der Blasenschleimhaut der Batte ausgingen, die Trichodes crassicauda angetroffen haben. Askanazy hat ausserdem eine kleine Trematode, die Opisthorchis felineus bei Lebercarcinomen der Fischerbevölkerung verschiedener Ostseegegenden gefunden. Yon viel grösserer Bedeutung für die Tumoruntersuchung als die hier mitgeteilten Untersuchungen, sind die Experimente von Fibiger mit der sogenannten Spiroptera neoformans, einem Wurm, der sich von Ei bis Larve in Schaben (Periplaneta americana, Periplaneta orientalis) entwickelt und der bei Batten eine Entzündung des mit Pflasterepithel bekleideten \ ormagens hervorruft, die oft eine Papillonbildung veranlasst und dem wiederholt Carcinomen, oft sogar metastasierende Carcinomen folgen. Das Spirotera-Carcinom ist genau so gebaut wie das gewöhnliche Pflasterepithel carcinom und wachst infiltrierend weiter, auch wenn die Würmer vollstandig verschwunden sind. Ausserdem trifft man diese nie in den Metastasen an. Es besteht ein grosser Unterschied in der Empfanglichkeit bei den verschiedenen Rattenarten. Bei der schwarzweiss gefleckten Ratte konnte in 50 % der Falie Carcinom liervorgerufen werden, bei der Wanderratte sah man in elf von den 34 mit Würmern genahrten Tieren Tumorbildung auftreten, wahrend bei 38 für das Experiment verwandten Hausmausen nur ein und bei 59 Hausmausen nur 3 Falie von Tumorbildungen nachgewiesen werden konnten. Ueber experimentelle Teertumoren. Die experimentelle Krebsuntersuchung kam in ein ganz neues Stadium, als im Jahre 1915 sieh, hauptsachlich durch die Untersuchungen der Japaner, herausgestellt hatte, dass durch andauernde Einreibung der Haut des Kaninchenohres mit Steinkohlenteer nach einigen Monaten Krebsgeschwülste auftraten. Dieser experimentellen Periode gingen schon klinische Beobachtungen voraus, aus denen deutlich hervorgegangen war, dass Russ, Teer und Paraffin unter der Yoraussetzung dass diese Produkte andauernd ihren delataren Einfluss ausiiben konnten, bei Menschen krebsartige Geschwülste hervorrufen können. Die ersten Experimente, die durch Hanau, Ullmann und mehrere andere vorgenommen wurden, um mit Paraffin, Teer u.s.w. bösartige Geschwülste zu erregen, hatten einen negativen Erfolg. Die grössere Ausdauer und Geduld, mit der die Japaner Yamagiwa und Ichikawa ihre Experimente vornahmen, führten zu positiven Resultaten. Die Pinselungen des Kaninchenohres wurden alle 3—4 Tage wiederholt. Erst veranlassten sie das Entstehen von Hyperkeratosen, darauf folgte die Entwicklung von Papillomen, noch spater entstanden in mehreren Fallen echte Carcinomen. Und wiederum war es ein Japaner, namens Hidejiro Tsutsui, dem es mit derselben Methode gelang derartige pathologisch-anatomische Abweichungen bei der Maus hervorzurufen. Bald bestatigten Fibiger und Bang, Teutschlander, Lxpschütz und viele andere die Eesultate der Japaner. Der Prozess, der mit dem Auftreten von Carcinomen abschliesst, konnte in allen Einzelheiten verfolgt werden. Er fangt mit Haarausfall und einer Yerdickung der Haut an. Darauf folgt chronische Dermatitis mit Geschwiirbildung, auf deren Boden Nar ben und Hyperkeratosen entstehen, die schliesslich, meistens nacli einem papillomatösen Yorstadium, das Auftreten von echten Carcinomen veranlassen. In verschiedenen Fallen kommt es dabei zur Bildung von Metastasen in den regionaren Lymphdrüsen, wahrend ausserdem Tumoren gefunden wurden, die auf Tiere derselben Art transplantiert werden konnten. Die durch Fibiger und Bang hervorgerufenen Carcinomen, erwiesen sich als leicht transplantabel. Bei diesen Transplantationen traten je langer je mehr die Eigenschaften des Sarcoms in den Vordergrund, bis schliesslich reine Bindegewebsgeschwülste erschienen. Alle diese Untersuchungen haben die Eichtigkeit zweier der Eesultate der Japaner bestatigt, an erster Stelle, dass es langere Zeit, immer einige Monate dauert, ehe die bösartige Geschwulst sich zu entwickeln beginnt und zweitens, dass bei einer grossen Zahl von Yersuchstieren immer ein Teil keine Tumoren aufweist. Es ist selbstverstandlich, dass man versucht hat, ein oder mehrere Produkte aus dem Teer, der eine Mischung zahlreicher aromatischer Körper darstellt, zu isolieren, um auf diese Art und Weise den carcinogenen Stoff in reinerem Zustand zu erhalten. Fraktionierte Distillation, Extraktion mit Alkohol, Antracenlösungen und Benzidin ergaben Produkte, mit denen man ebensogut wie mit dem Teer selbst maligne Tumoren erregen kann. Spater gelang es Kenneway und Leitch durch Pinselungen mit essigsaurem Kali Carcinomen bei Mausen zu erregen, die mit den klinischen Beobachtungen von Hautkrebs durch 2 Arsenprodukte und dem sogenannten Schneeberger Lungenkrebs völlig übereinstimmten. Nicht lange darnach führten verschiedene klinische Beobachtungen zur Entdeckung neuer Faktoren, die immer wieder die Bedeutung der carcinogenen Stoffe ans Licht brachten. Besonders führte der Böntgenkrebs der Haut zu zahlreichen Experimenten, bei denen melirere Forscher, namentlich Clunet, Sarcomen hervorrufen konnten, indem sie Batten Böntgenstrahlen aussetzten. Nach den Untersuchungen Fischers war das Scharlaclirotöl ebenfalls im Stande beim Kaninchenohr Hyperkeratose hervorzurufen, und Yamagiwa gelang es damit ein Adenocarcinom des Eileiters des Huhnes zu erregen. Das Haferearcinom von Stahr. Das Hafercarcinom von Stahr ist für unsere experimentellen Untersuchungen von grosser Bedeutung. Diesem Forscher gelang es Carcinomen bei Batten an der umpaaren, umwallten Papille am Zungengrund zu erregen. Stahr glaubt an den Einfluss des andauernden mechanischen Beizes, der vom Einbohren der Haferhaare in die Zungenschleimhaut abhangig sein soll. Auf Grund pathologisch-anatomischer Praparate sieht er seine Tumoren für echte Blastome an, die sich durch ein atypisches Wucherungsstadium aus dem Epithel entwickelt haben sollen. Bald steilte sich heraus, dass, will man positive Besultate erhalten, auch diese Yersuche sehr lange fortgesetzt werden müssen. Wahrend Stahr erst nach vier Monaten carcinomatöse Aenderungen auftreten sah, erhielt Fibiger anfanglich negative Besultate, weil er die Versuche schon nach zwei Monaten aufgab. Auch Secher konnte die Stahrschen Besultate nicht bestatigen und glaubt nicht, dass die von ihm erhaltenen pathologisch-anatomischen Abweichungen echte Blastome darstellen; hiermit ist allerdings seine Mitteilung, dass er in einem seiner Versuche ein echtes Pflasterepithelcareinom erhielt, wenn auch an einer anderen Stelle der Zunge, als da, wo gewöhnlich die Hafertumoren auftreten, schwerlich in Einklang zu bringen. Spater wurden die Fibigerschen Versuche derartig fortgesetzt, dass die Tiere den Laesionen der Haferhaare viel langer ausgesetzt wurden. So erschien denn auch in der „Zeitschrift für Krebsforschung" die Mitteilung von Bommer, dass die von Stahr erhaltenen Abweichungen, tatsachlich krebsartiger Natur sind. Aus allen diesen Experimenten und Beobachtungen klinischer Art geht zur Genüge hervor, dass es sich beim Entstehen des Krebses um eine sehr grosse Anzahl sogenannter carcinogener Faktoren handelt. Es kommt aber nur hierauf an, festzustellen, ob diese Faktoren selbst carcinogen wirken oder ob sie nur den Boden vorbereiten, auf dem ein uniformes Krebsvirus oder vielleicht mehrere Virus echte Blastome hervorrufen können. Die meisten Forscher der Jetztzeit sind der Ansicht, dass ursachliche Faktoren verschiedenster Art das Auftreten von Carcinomen veranlassen können. Dies wird am besten bestatigt durch die Wiirdigung, die Kraus den von Blumenthal, Adler und Mayer mit dem sogenannten Bacillus tumefaciens erhaltenen Besultaten zu Teil werden lasst. Diese Forscher haben aus ulcerierenden menschlichen Tumoren sowohl aus Carcinomen als auch aus Sarcomen verwandte Microben gezüchtet, und hiermit bei Pflanzen Tumoren erregt. Auch bei Batten und Mausen konnten sie bösartige Geschwülste hervorrufen, die durch Transplantation auf andere Tiere überbracht werden konnten, ohne dass man in den Impftumoren der zweiten Generation die Bacterien noch nachweisen konnte. Wenn das Gewebe infolge der Wirkung von Bacterien einmal pathologisch geworden ist, so bedarf es Blumenthal zufolge keines exogenen Beizes melir um carcinogen zu wirken. Sollten ïïachprüfungen, so sagt Kraus, diese Versuche bestatigen, namentlich die Malignitat dieser Tumoren als richtig anerkennen, dann kann man zu den schon bekannten Parasiten und chemischen Substanzen, auch gewisse Microben als carcinogenes Agens zurechnen. Ein Umstand geht aus der experimentellen Krebsforschung deutlich hervor und zwar dieser, dass wir, solange es uns nicht gelingt aus .zweifelhaften Wucherungen ein spezifisch lebendes Virus zu isolieren, mit dem krebsartige Geschwülste hervorgerufen werden können, und das wir demnach vom parasitaren Standpunkt aus als dén Erreger des Krebses betrachten dürfen, aus pathologisch-anatomischen Gründen wohl annehmen müssen, dass in den weitaus meisten Fallen dem Auftreten von Krebs ein sogenanntes praekanceröses Stadium vorangeht. Wir haben bei unseren Experimenten so haufig diese praekancerösen Stadiën benützt, dass es uns wichtig erscheint, ihre Bedeutung, besonders auch aus klinischen Gründen, kurz darzulegen. Die Bedeutung der praekaneerösen Stadiën. Kein Gewebe eignet sich im lebenden Organismus besser für das Studium dieser praekaneerösen Abweichungen als das der Haut. Bei den praekaneerösen Stadiën muss man zwischen einem allgemeineren und einer mehr lokalen Pradisposition unterscheiden. Man ist allgemein der Ansicht, dass die sogenannte senile und prasenile Distrophie der Haut für Krebs pradisponiert. Diese senilen und prasenilen Veranderungen kann man am deutlichsten am Gesicht beobachten. Die Haut wird atrophisch, zeigt abnormal tiefe Falten und ausser zahlreichen Pigmentflecken bekommt sie eine gelblich-graue Parbe. Dass auch die Haut des Unterarmes, die bei verschiedenen Menschen, infolge Ausübung ihres Berufes oft unbedeckt bleibt, diese Veranderungen aufweisen kann, berechtigt zu derAnnahme, dass der Einfluss des Lichtes bei diesen Veranderungen eine grosse Eolle spielt. Haufig sieht man, dass sich in einer derartigen Haut, nach einem Stadium von Keratosis senilis, Epitheliomen entwickeln. Die sogenannte Seemann- und Bauernhaut — Unna hat diesen Begriff zuerst in die Klinik eingeführt—zeigt diese distrophischen Zustande meistens viel eher als die Haut des Stadters. Sie können sich schon in jungen Jahren entwickeln und beispielsweise nach einem Stadium von Warzenbildung das Auftreten von Epitheliomen veranlassen. Es ist eine bekannte klinische Tatsache, dass auf dem Boden lokaler Abweichungen, Ulcera cruris, luetische und tuberkulöse Affekte, Nar ben von Brandwunden, sich leicht Carcinomen entwickeln. Auch die Pagetsche Krankheit, eine entzündliche Erkrankung der Brustwarze und des Warzenhofes, kann oft nach vielen Jahren in Carcinom übergehen. Folglich muss man sie vom klinischen Standpunkt aus als eine praekanceröse Erkrankung auffassen. Weiter darf man als bekannt voraussetzen, dass mehrere Kliniker der Ansicht sind, dass gewisse gutartige Geschwülste eher oder spater maligne degenerieren können. Als Beispiel citiert man vorzugsweise den Uebergang eines gutartigen Naevus in ein bösartiges Melanosarcom. Auch Papillomen, hautpsachlich der Schleimhaut des Magen- und Darmkanals und der Blasé, können nach einem jahrenlangen gutartigen Verlauf plötzlich infiltrierend wachsen, Metastasen hervorrufen und sich so zu echtem Carcinomen entwickeln. Man kann sich hinsichtlich des Uebergangs gutartiger in bösartige Tumoren auf den Standpunkt von Bokst stellen, der an eine maligne Degeneration nicht glaubt und der Ansicht ist, dass die spater bösartig werdenden gutartigen Tumoren „von vornherein die Bedingungen einer starkeren Wachstumdegeneration in sich enthielten." Mit dieser Auffassung ist dann weder klinisch noch pathogenetisch etwas erklart. Es ist richtiger anzunehmen, dass alle diese Abweichungen praekanceröse Stadiën darstellen und zwar derart, dass sie leichter, als das vollstandig intakte Epithel, fiir eine Invasion des hypothetischen Krebsvirus zuganglich sind. Auch wird die Bedeutung des Trauma als pradisponierendes Moment für das Zustandekommen bösartiger Geschwülste, namentlich von Sarkomen, durch viele Kliniker, auch von bedeutenden Patholog-Anatomen, wie Orth, mit Bestimmtheit angenommen. Auch in der Aetiologie des Mammacarcinoms spielt das Trauma eine wichtige Eolle. Am besten nimmt man, wie Orth, an, dass sich das Carcinom in dem Narbengewebe entwickelt, das auf dem Boden der Laesion, durch das Trauma hervorgerufen, entstanden ist. Unter den anderen praekancerösen Abweichungen müssen hier noch tuberkulöse Schleimhautulcera, Gallensteine und besonders das Ulcus ventriculi erwahnt werden. Von letzterem nimmt besonders Hauser an, dass ein Uebergang eines chronischen Magengeschwüres oder einer Magennarbe, die aus dem Ulcus entstanden ist, im Carcinom viel haufiger vorkommt, als man je pathologisch-anatomisch oder klinisch feststellen kann. Sowohl Hauser als auch Kauffmann und Lubarsch beschrciben atypische Drüsenwucherungen am Eande der Ulcusnarbe, aus denen das Carcinom entstanden sein soll. Eins gelit aus diesen Beobachtungen deutlich hervor und zwar, dass die gestiegene Proliferationsfahigkeit des chronischen Entzündungsprozesses das Auftreten neuer Zellengenerationen hervorruft, die unter dem Einfluss von irgendeinem carcinogenen Eeiz in Carcinomen übergehen können. Es handelt sich bei all den bis jetzt beschriebenen praekancerösen Veranderungen um Veranderungen lokaler Art. Viel schwieriger ist die Beurteilung funktioneller und anatomischer Abweichungen, die ihren Einfluss auf den ganzen Organismus ausüben. Am leichtesten kann man noch den Einfluss der Schwangerschaft auf das Wachstum der Tumoren 23 verfolgen; die Miome des Uterus können wahrend der Schwangerschaft an Grosse zunehmen und nach der Entbindung wieder zurückgehen, man kann sie demnach nicht als bösartige Tumoren betrachten. Ueber den Einfluss der Schwangerschaft auf das Carcinom ist man in der Literatur verschiedener Ansicht. Einige glauben, dass bestimmte Organe, Uterus, Mamma und Magen eine erhöhte Pradisposition aufweisen, andere leugnen dieses. Dasselbe kann man von den Darmcarcinomen feststellen, die sich wahrend der Schwangerschaft leichter aus Papillomen entwickeln sollen. Dass die Veranderungen des Uterus durch Schwangerschaft und Puerperium für Carcinom pradisponieren, nimmt man allgemein auf Grund der Beobachtung an, dass Uteruscarcinom bei sterilen Frauen viel seltener vorkommt. Noch schwieriger ist es zu beurteilen, welche Bedeutung die herabgesetzte Fermentproduktion der wichtigsten fermentproduzierenden Organe, für das Auftreten des Krebses hat. Dennoch findet man hauptsachlich in der alteren Literatur einige Mitteilungen, die gewiss nicht ohne Bedeutung sind, doch in der neueren Literatur wenig oder garnicht gewürdigt werden. Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, dass in den meisten Fallen von Magenkrebs die Pepsinsalzsaure nach einem ProbeFrühstück nicht mehr nachgewiesen werden kann. Weniger bekannt ist die Beobachtung von Fenwick, die schon aus dem Jahre 1870 datiert und wobei dieser englische Kliniker mitteilt, dass der Magensaft nicht nur im Magen des an Carcinoma ventriculi Leidenden fehlt, sondern auch bei Carcinomen, die an ganz anderen Stellen vorkommen. Diese Beobachtungen haben bei meinen Untersuchungen eine grosse Eolle gespielt. Ich habe mir die Frage vorgelegt, wie die Erscheinung der Achylia gastrica bei Magencarcinomen und bei an anderen Stellen vorkommenden Tumoren, erklart werden muss. An erster Stelle will ich nicht unerwahnt lassen, dass es durchaus nicht notwendig ist, dass die Tumorzelle die funktio- 24 nellen Eigenschaften der Epithelzelle, aus der sie liervorgegangen ist, verliert. Dieses geht am deutlichsten daraus hervor, dass die metastasierende Zelle ihre Funktion weiterbehalt. Ausserdem ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Achylia gastrica, die man bei Magencarcinomen findet, die sich bei der Operation als noch nicht sehr weit vorgeschritten erweisen, durch den Einfluss, den die kleinen Tumoren auf die Funktionen der ganzen Magenschleimhaut ausüben, verursacht wird. Noch unwahrscheinlicher erscheint es uns, dass sehr weit entfernte Tumoren, auch wenn sie an ganz anderen Stellen des Magen- und Darmkanals vorkommen, Einfluss auf die Magensaftsekretion ausüben können. Meines Erachtens nach stellt man sich hinsichtlich der Untersuchungen von Fenwick vorzugsweise auf den Standpunkt, dass die Achylia gastrica dem Carcinom vorangeht und man sie demnach als eine pradisponierende oder als eine praekanceröse Abweichung betrachten muss. Wer die Bedeutung des Magensaftes nicht nur für die Funktionen des Magens, sondern für den ganzen Organismus kennt, dem wird diese Auffassung nicht fremd erscheinen. Vorstehende Darlegungen brauchte ich um so mehr, als ich bei meinen Experimenten das magenlose Tier benützt habe, wie auch Tiere, bei denen ich auf experimentellem Wege das Krankheitsbild der Achylia gastrica hervorgerufen habe. Wir werden spater sehen, dass sie sich bei diesen Experimenten anders benehmen, als vollstandig intakte Tiere und dass eine Störung in der Fermentproduktion von so ernstem Charakter wie die Achylia gastrica, für das Zustandekommen von Carcinom nicht gleichgültig ist. Uebcr die Malignitat der Geschwülste. Wer die Eesultate von irgendeiner experimentellen Untersuchung, bei der man glaubt, auf experimentellem Wege maligne Tumoren hervorgerufen zu haben, verstehen will, muss an erster Stelle versuchen sich klar zu machen, was er unter Malignitat versteht. Die Literatur der Blastome bietet in dieser Hinsicht keinen hoffnungsfreudigen Ausblick. Beobachtet der Patholog-Anatom der Jetztzeit im Mikroscop in einem zu untersuchenden Tumor epithelialen Ursprungs atypische Zeilwucherungen,die namentlich hinsichtlich der Zellengrösse, besonders auch was die Grosse und Farbbarkeit der Kerne anbelangt stark von der Norm abweichen, und mit dem Auftreten einer abnormal grossen Anzahl Mitosen gepaart gehen, treten ausserdemMetastasenindenLymphdrüsen und infiltrierendesWachstumin das sie umgebende Gewebe auf, so werden diese Erscheinungen, wenn sie deutlich genug hervortreten, ihn veranlassen die Diagnose Carcinom zu stellen. Fehlt die Metastase, und zeigt das durch die Probe-excision erhaltene Material kein infiltrierendes Wachstum, sondern nur eine sehr deutliche Atypie der Zeilen und der durch sie gebildeten Gewebsformation, so muss er mit der Diagnose krebsartiger Entartung zurückhaltend sein und sich nur darauf beschranken, es der persönlichen Auffassung des Chirurgen zu überlassen, ob er einen operativen Eingriff für erforderlich halt oder nicht. Demjenigen, der mit der vorbakteriologischen Entwicklung der Infektionskrankheiten bekannt ist, wird dies nicht fremd erscheinen. Da wir jetzt von so vielen bekannten Infektionskrankheiten den Erreger kennen, gibt oft in letzter Instanz die bakteriologische Untersuchung den Ausschlag, wenn klinische und pathologisch-anatomische Beobachtungen uns im Stich lassen. In dieser Hinsicht ist die historische Entwicklung des Tuberkuloseproblems sehr lehrreich. Zu Anfang des vorigen Jahrhunderts unterschied noch Bayle: 1. Phthisie tuberculeuse. 2. Phthisie granuleuse. 3. Phthisie avec mélanose. 4. Phthisie ulcéreuse. 5. Phthisie calculeuse. 6. Phthisie cancéreuse. Dieser hypothetischen Vielgestaltigkeit gegenüber betonte Laennec den Einheitscharakter, indem er die Phthisie ulcéreuse (Lungengangran) und cancéreuse (Lungenkrebs) als besondere Krankheiten, sowie die Phthisie calculeuse und die avecmélanose, als nicht zur eigentlichen Phthisie gehorig, ausschied und die Phthisie granuleuse und tuberculeuse zu einer Gruppe vereinigte. Jeder Phthisis beruht nach ihm auf Tuberkeln; Phthise und Tuberculose sind also identisch und der Tuberkel is ein „zufalliges Erzeugnis" der Lunge, eine Neubildung. Jedoch haben auch diese Tuberkel, der eigentliche Fingerzeig für den Patholog-Anatomen in der vorbakteriologischen Zeit, grosse Schwierigkeiten ergeben. Nicht nur weil sie auch bei nicht-tuberkulösen Erkrankungen vorkommen, sondern auch weil sie unter einer reizausübenden Wirkung fester Partikelchen entstehen können und in den pathologischen Abweichungen bei ganz anderen Krankheitsbildern angetroffen werden können. Die bakteriologische Untersuchung, die uns die Tuberkelbazillen als den alleinigen Erreger der Tuberculose erkennen liess, hat uns gleichzeitig bewiesen, dass alle diese anderen Tuberkel sogenannte Pseudotuberkel sind, die nur wahrend des Anfangs ihrer Entwicklung den anatomischen Bau mit dem echten Tuberkel gemeinsam haben. Dasselbe gilt noch heute für die blastomatöse Entartung. In den meisten Fallen fehlt uns jegliches Hülfsmittel, um sogar bei einer deutlichen Atypie in der epithelialen Gewebsstruktur diese als C arcinom oder als Pseudocarcinomatose zu bestimmen. Einige Patholog-Anatomen sind sogar der Ansicht, dass auch das begleitende infiltrierende Wachstum und die Erscheinung der Metastasierung in bestimmten Fallen nicht mit Sicherheit auf Carcinom hinweisen. So sagt Steenberg in „Die Krebskrankheit", ein Zyklus von Vortragen, herausgegeben von der Oesterreichischen Gesellschaft zur Erforschung und Bekampfung der Krebskrankheiten: ,,Die Atypie kommt morphologisch in Veranderungen der Zellengrösse, der Farbbarkeit der Kerne und im Auftreten regelwidriger Mitosen zum Ausdruck und bildet in vielen Fallen die Haupterscheinung, auf der die mikroskopische Diagnose beruhen muss. Man darf jedoch nicht aus dem Auge verlieren, dass diese Atypien gleichfalls in gutartigen Geschwiilsten und in pathologischen Abweichungen anderer Art vorkommen. Ebenso verhalt es sich mit dem infiltrierenden Wachstum; dass es eines der wichtigsten Kennzeichen der malignen Tumoren bildet, giebt jeder Patholog-Anatom zu, aber auch an der Grenze von tuberkulösen und syphilitischen Erkrankungen kann sie deutlich wahrgenommen werden, und dennoch bestimmt es viele Patholog-Anatomen nicht zur Diagnose carcinomatöse Degeneration einer praekancerösen Abweichung. Wenn man nun ausserdem weiss, dass sogar bei gutartigen Geschwülsten die Metastasen nicht zu fehlen brauchen, so muss man wohl zu der Schlussfolgerung kommen, dass es bei weitem nicht immer mit absoluter Gewissheit möglich ist, maligne Epithelwucherungen mittelst des morphologischen Bildes von anderen Abweichungen im epithelialen Gewebe zu unterscheiden." Es braucht uns deshalb nicht in Erstaunen zu setzen, dass ein so erfahrener Patholog-Anatom wie Bernhard Fischer zu der Schlussfolgerung kommt, dass man nicht erwarten darf, dass die alleinige Anwendung der anatomischen Methode im Stande sein wird die Genese und die Aetiologie der malignen Tumoren aufzuklaren und dass gerade die morphologische Geschwulstuntersuchung die Gefahr unfruchtbarer Hypothesen und Speculationen mit sich brachte. (Vgl. auch Kraus „Ergebnisse der experimentellen Geschwulstforschung" in dem bereits genannten Cyclus von Wiener Vortragen „Die Krebskrankheit"). Kraus kommt bei seinen Darlegungen sogar zu der merkwürdigen Behauptung, dass die aetiologischen Untersuchungen, die nach nur einem Krebserreger gesucht haben, nicht mehr als einen historischen Wert haben und er halt es für erwiesen, dass sie alle zu falschen Resultaten geführt haben. Fischer zufolge wissen wir jetzt mit Bestimmtheit, dass der spezifische Krebserreger im Sinne der Spezifizitat der Erreger von Infektionskrankheiben nicht besteht. Es mutet nach alledem wohl etwas sonderbar an, wenn man sich bei der experimentellen Krebsuntersuchung noch immer durch die idéé précongue leiten lasst, echte Krebsgeschwülste werden durch ein und dasselbe lebende Virus hervorgerufen. Obwohl ich mich in den Jahren, in denen ich mich von obengenannter Idéé bei meinen Untersuchungen habe leiten lassen, der Ratschlage der verschiedenartigsten pathologischanatomischen Werke bedient habe, werde ich spater mit Rücksicht auf das so wichtige Problem der Malignitat der Geschwülste einiges aus den Werken zweier Patholog-Anatomen von Fach, Hugo Ribbert und Bernhard Fischer citieren. Von ersterem, weil besonders er nicht nur auf die Wichtigkeit der Untersuchung von malignen Tumoren in der ersten Phase ihres Entstehens hingewiesen hat, sondern auch, weil er drei von diesen malignen Tumoren im Anfangsstadium auf deutliche Art und Weise beschreibt und abbildet. Für mich waren die Ribbert schen Untersuchungen um so wichtiger, weil ich glaube, dass ich Carcinomen im Anfangsstadium, die auf experimentellem Wege hervorgerufen waren, in denselben Schleimhauten, namlich denen des Magen- und Darmkanals habe verfolgen können, in denen sie auch von Ribbert angetroffen waren. Ich habe mich öfters des Werkes von Fischer bedient, weil seine Beschreibung und Abbildung der Schleimhauttumoren wiederholt mit demjenigen was ich in experimentell hervorgerufenen Geschwülsten glaube gesehen zu haben, übereinstimmt. Die Resultate von Ribbert sind hauptsachlich in seinen „Beitrage zur Entstehung der Geschwülste" und zwar im Kapitel „Die Entstehung des Magen- und Darmcarcinomes" festgelegt. EXPERIMENTELLER TEIL. $ Nachdem mehrere Forscher, Askanazy, Bride, Teutschlander, Löwenstein, Borrel und andereWürmer oderWürmerreste, meistens in bösartigen Geschwülsten bei Tieren, ab und zu auch in Tumoren von Menschen gefunden hatten, steilte Borrel seine so bedeutsamgewordeneArbeitshypotheseauf, dass diese Parasiten, ebenso wie die Anophelinen bei der Malaria, ein bis jetzt unbekanntes carcinogenes Virus überbringen sollten und es gelang Fibiger, durch eine fortgesetzte Reihe experimenteller Untersuchungen mit dem in Schaben parasitirenden Spiroptera neoformans alle diese Beobachtungen zu bestatigen. Man muss es jedoch, und das werden wir spater noch beweisen, bedauern, dass die Borrelschen Auffassungen nicht mehr als es bis jetzt der Fall ist, als Leitmotiv bei der experimentellen Krebsforschung verwandt worden sind. Mehrere Forscher fanden in der Leber von Leuten, die ab und zu ungekochten Fisch essen, den Opistorchis fellineus, eine kleine Trematode. Winogradoff fand in der Leber in neun von ihm beobachteten Fallen mehr oder weniger ausgedehnte Veranderungen entzündlichen charakters mit darauf folgender Atrophie des Lebergewebes und oft erweiterten und gewucherten Gallengangen. Die Parasitenanzahl war eine sehr ungleiche und varierte zwischen einigen und vielen Hunderten. Askanazy hat unter einer grossen Anzahl zwei Falie genau untersucht. In beiden Fallen fand er carcinomatöse Veranderungen, die er den Produkten der Würmer zuschrieb. Wir konnten haufig in der Leber einer grossen Anzahl von Hunden, die wir in den letzten Jahren im Leidener Laboratorium untersucht haben, einmal vereinzelte, dann wieder zahlreiche Herde entzündlichen Charakters nachweisen, in deren Centrum eine andere kleine Trematode gefunden wurde, die eine Lange von ungefahr 2 mm. erreicht und ungefalirdie Form eines Kegels hat. Der vorderste Teil ist zugespitzt, der hintere glatt abgeschnitten. Zwei Saugnapfe sind vorhanden. Einer befindet sich am spitzen Teil, der andere, der Bauchsaugnapf, im Mitten des Tieres. Der Pharynx ist sehr kurz, von hieraus entwiekeln sieh der Oesophagus und die Intestina, welche bis zum hintersten Teil reichen. Zwischen dem Intestinum findet man die zwei elliptischen Testikel, von denen einer gewöhnlich etwas mehr nach vorn liegt als der andere. Im vordersten Teil des Wurmes findet man den vielfach gewundenen Uterus, im hintersten Teil, in der Nahe der Testikel, die Ovaria und das Beceptaculum seminis. Diese Eigenschaften genügen für die Determination des Tieres; wir haben hier ein Exemplar aus der Familie derMetorrchinae und zwar den Metorrchis truncatus. Dieser Wurm ist haufig als in den Gallengangen, besonders von Katzen, Hunden und Fiichsen vorkommend, beschrieben worden. Man nimmt an, dass die Infektionsquelle durch Fische gebildet wird. Bei Nahrungsversuchen mit rohen Süsswasserfischen, besonders Plötzen, ist es mir ein paar Malgelungen, bei Hunden zahlreiche Herde in der Leber hervorzurufen, die jedoeh nur einen entzündlichen Charakter zeigten, ohne dass es zu einer deutlich nachweisbaren Wucherung der Gallengange gekommen war. Wenn man beifolgende 6 Microphotografien miteinander vergleicht, so sieht man in der ersten drei Exemplare unseres Wurmes, die noch vollkommen intakt sind und um die herum sich nur eine entzündliche Infiltration gebildet hat. Auf der zweiten Microfoto sieht man gleichfalls Veranderungen entzündlichen Charakters, doch jetzt sind sie um die Reste des zerfallenen Tieres herum entstanden. Die dritte Abbildung stammt von einem Herd her, bei dem nur noch die Eier darauf hinweisen, dass Würmer zerfallen sind. Auch hier findet man keine Gallengangwucherung. Die vierte und fiinfte Microfoto zeigen gleichfalls Reste des zerfallenen Wurmes und weiter Veranderungen entzündlichen Charakters, ausserdem eine sehr deutliche Proliferation der Gallengange. Die sechste zeigt uns das Bild einer Gallengangwucherung, in der nur vereinzelte Eier gefunden wurden. Die hier beschriebenen Erscheinungen, einmal Veranderungen ausschliesslich entzündlichen Charakters ohne irgendeine Eeaktion seitens der Gallenwege, dann wieder eine deutliche Wucherung, haben wir so wiederholt beobachten können, dass man sich wohl die Frage vorlegen muss, weshalb diese Gallengangwucherung in dem einen Fall so deutlich vorhanden ist und im andern vollstandig fehlt. Aus unseren Darlegungen geht deutlich hervor, dass man keine Produkte des zerfallenen Wurmes hierfür verantwortlieh machen kann. Wir haben uns zunachst mit der Untersuchung vollstandig intakter Würmer auf Protozoen befasst. Diese Untersuchung kann man sehr leicht vornehmen. Ein verdachtigter Herd in der Leber wird durchgesclmitten. Der geübte Untersucher erkennt schon mit dem blossen Auge das Vorhandensein des Metorrchis struncatus. Eine Untersuchung bei geringer Vergrösserung lasst leicht alle Einzelheiten der Trematoden erkennen. Jetzt bringt man die Würmer in einen Tropfen eines Decocts von Weizen und dieser wird auf ein Objektglas gelegt. Das Objektglas bringt man auf eine Glasschale, die eine geringe Wassermenge enthalt und deren Band mit einer kleinen Fettschicht bedeckt ist, um das Eintrocknen des Tropfens zu verhindern. Hin und wieder erneuert man das Weizendecoct. Nach einigen Tagen sieht man die Würmer allmahlich auseinanderfallen, einige Tage spater sieht man, wie sich in mehreren dieser Kuituren kleine Protozoen entwickelt haben, die eine eigentümliche zitternde Bewegung zeigen und diesogenannteAmöbo-Flagellatenformbesitzen. Diese Kuituren kommen in den weitaus meisten Fallen nur dann zur Entwicklung, wenn die für das Experiment verwandten Würmer von einem Leberherd herrühren, in dem ausser Erscheinungen entzündlichen Charakters eine Wucherung der Gallengange durch die pathologisch-anatomische Untersuchung nachgewiesen werden konnte. Obwohl bei diesen Wucherungen, besonders in den weiteren Stadiën, eine sehr deutliche Atypie, die von einer grossen Anzahl Mitosen begleitet ist, vorkommt, will ich vorlaufig dahingestellt sein lassen, ob es sich hier um Abweichungen maligner Art auf einem praekancerösen Boden, der in der Form einer chronischen Entzündung entstanden ist, handelt; ich will nur die Tatsache festlegen, dass man sie nur dann antrifft, wenn die oben besehriebenen Protozoen aus den Trematoden gezüehtet werden konnten. Man sehe hierzu Fig. 1—6. Fig. 1—3 zeigen wie gesagt, Würmerherde aus der Leber eines Hundes ohne Wucherung der Gallengange. In Fig.3 sind dieWürmer ganz zerfallen. Fig. 4—6 hingegen zeigen uns Würmerherde mit deutlicher Proliferation der Gallengange. Wir wollen uns im Zusammenhang mit Obenstehendem erst beschaftigen mit Der expcrimentelle Teerkrebs. Aus Vorstehendem haben wir ersehen, dass der grosse Unterschied zwischen pathologisch-anatomischen Abweichungen in der Leber des Hundes durch den Metorrchis truncatus hervorgerufen, erklart werden kann durch die Tatsache, dass eine Trematode wohl, die andere wieder nicht von Protozoen infiziert ist; schwieriger ist es anscheinend um den Zusammenhang zwischen der Wirkung von Protozoen und dem experimentellen Teerkrebs zu suchen. Man hat in verschiedenen Krebsinstituten die besonders von den Japanern begonnene Arbeit in grossem Masstab fortgesetzt und man ist immer wieder zu demselben Resultat gekommen, dass eine anhaltende Pinselung der Haut mit Teer zunachst Pachydermie hervorruft. Hierauf tritt Hyperkeratosis auf, wonach Papillomen entstehen, aus denen sich schliesslich Carcinomen entwickeln können. Viele waren der Meinung, dass ein papillomatöses Yorstadium Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. für die Entwicklung des Carcinoms nicht nötig ist. Auch im Leidener histologischen Laboratorium wurden von Dr. Julius in grossem Masstabe Versuche vorgenommen, die den Zweck hatten, den ganzen Prozess histologisch zu verfolgen. Obwohl nun mebrere Tiere eingingen, ehe man das Auftreten von Carcinomen erreicht batte, hat er bei langer Fortsetzung des Experiments in vielen Pallen Krebs erhalten und er ist der Ansicht, dass der grösste Teil der Tiere, wenn man die Versuche, wie sie von den Japanern vorgenommen wurden, lange genug fortsetzt, an maligner Epithelwucherung zu Grunde geht. Legt man sich die Prage vor, auf welche Weise Tiere in Wechselwirkung mit Protozoen treten können, so ist die Antwort auf diese Prage sehr leicht. Die für das Experiment verwandten Mause leben gewissermassen in einem protozoaren Milieu und bleiben andauernd mit dem Material, das wir hauptsachlich für die Cultur der bis jetzt noch als Saprophyten betrachteten Protozoen gebrauchen, in Contakt. In vielen Instituten werden Mause in mit Stroh und Heu versehenen Kafigen gehalten und sie erhalten in der Form von Kleie und allerlei anderen Getreidearten ÏTahrung, die Protozoen, wenn auch in Sporenform und als incystierte Entwicklungsphasen, zwar in wechselnden, aber doch immer in sehr grossen Mengen enthalten. Die Kafige des histologischen Instituts unserer Universitat enthalten Torfmull, jedoch ergab das Putter, das den Tieren verabreicht wurde und das wiederholt auf Protozoen hin untersucht wurde, in den Culturen stets eine enorm grosse Anzahl Urtierchen. Auf diese Culturen komme ich spater noch ausführlich zurück. Sie sind für unsere Betrachtungen über das Wesen des experimentellen Teerkrebses nicht notwendig. Wenn nun dieser experimentelle Teerkrebs in keinerlei Zusammenhang mit der Wirkung der Protozoen steht, so muss das Experiment dasselbe Resultat ergeben, ganz unabhangig 3 von der Tatsache, ob die verwandten Versuchstiere, sowie es bisher geschehen ist, in einer protozoenenthaltenden Umgebung versorgt und mit protozoenenthaltender Nahrung gefüttert werden, oder ob man diese Tiere andauernd gegen einen Contact mit diesen Microorganismen so viel wie nnr möglicli schützt. Diesbezügliche lange Zeit fortgesetzte Untersuchimgen, die icli spater noch ausführlich beschreiben will, haben bewiesen, dass die unter diesen Umstanden durch anhaltende Pinselung mit Gaskohlenteer hervorgerufenen pathologisch-anatomischen Abweichungen viel von ihrer Malignitat verlieren. Bei einem grossen Teil der Tiere führte der Prozess nur zu Abweichungen, die wir als Pachydermie bezeichnen. Bei einem nicht geringen Prozentsatz traten, ausser Haarausfall und Geschwiire, überhaupt keine Abweichungen auf. Ich will hier kurz zusammenfassen, welche Vorsichtsmassregeln man bei diesen Versuchen anwenden muss. Die für das Experiment verwandten Tiere wurden von uns selbst geziichtet, und stammten von gesunden Eltern ab, die ziemlich lange Zeit in einer möglichst protozoenfreien Umgebung gehalten wurden. Als Schutz dienten Sand und sterile Watte. Das Futter bestand an erster Stelle aus gut durchgebackenem Brot und was gekochtem Reis, wahrend ab und zu kleine Stückchen Obst als Vitaminquelle verabreicht wurden. Auf diese Art und Weise gelang es leicht die Tiere aufzuziehen und sie am Leben zu erhalten. Bei unseren jetzt zu beschreibenden Versuchen ist der Zusammenhang zwischen dem Auftreten maligner Epithelwucherung und dem verwandten Material viel leichter nachzuweisen. Wir wollen jetzt beginnen mit der Beschreibung von Das expcrimentelle Hafer- und Getreidecarcinom. Die Untersuchungen von Stahr haben zuerst erwiesen, dass bei Batten durch ein lange Zeit anhaltendes fortgesetztes Füttern mit Hafer Zungenkrebs entstehen kann; diese Untersuchungen sind spater in Fibiger's Laboratorium bestatigt worden. Viel leichter als bei Experimenten mit Trematoden und Gaskohlenteer ist ein eventueller Zusammenhang zwischen dem Auftreten maligner Tumoren, die durch eine Haferernahrung hervorgerufen sind und Protozoen, nachzuweisen. Es können nicht nur aus Hafer, sondern aus allerlei Getreidearten sehr leicht Protozoen gezüchtet werden. Wir wollen jetzt einige Augenblicke bei der Gultur dieser Protozoen verweilen. Begiesst man Hafer, Weizen und Gerste mit sterilisiertem Wasser und lasst diese Culturen einige Tage bei Zimmertemperatur stehen, so kann man immer in der Flüssigkeit des Nahrbodens Protozoen nachweisen. Wir müssen jedoch einige Tatsachen, die wir bei unseren Untersuchungen festgestellt haben, nicht unerwahnt lassen. An erster Stelle kann man sofort feststellen, dass aus einem Getreidemuster sehr leicht eine grosse Menge Protozoen gezüchtet werden kann, wahrend man nach Verlauf derselben Zeit in anderen Proben nur einige dieser Urtierchen findet. Hierbei kann man sehr leicht feststellen, dass dies gewöhnlich von der Qualitat der Getreidearten abhangig ist. Stammt das Getreide von einem sehr guten Erntejahr und ist es ausserordentlich gut gereinigt, so enthalt es nur eine geringe Anzahl Cysten, aus denen sich spater die Protozoen entwickeln. Stammt dagegen das Getreide von einem schlechten Erntejahr und war es demzufolge oft nass und trocken, dann findet man immer eine sehr grosse Anzahl Protozoen in den Culturen. Diese Tatsache haben wir als Anreicherungsverfahren angewandt. Hierbei begiesst man das zu untersuchende Getreide mit dem benötigten Wasserquantum und lasst dies bei Zimmertemperatur innerhalb einiger Tage vollstandig verdunsten. Dieses Verfahren wiederholt man einige Male und hierdurch enthalt man schliesslieh Culturen, die eine enorm grosse Menge Protozoen enthalten. Wemi diese Protozoen wirklich im Zusammenhang mit den durch Hafer erregten epithelialen malignen Tumoren stehen, so muss es nicht nur mit Haler, sondern sicherlich auch bei Gerstenfütterung gelingen diese Tumoren zu erregen. Hinsichtlich des Weizens will ich eine Ausnahme machen. In unseren einleitenden Betrachtungen haben wir den Zusammenhang zwischen Krebs und praekan cerösen Abweichungen angegeben. Spielen diese praekan cerösen Abweichungen beim Haf er carcinom eine Eolle, so muss man sie in den mechanischen Laesionen,die bei der Fütterung durch dieHaferhaareentstehen,suchen. Aucb sind die sehr spitzen Gerstenkörner, besonders in sehr trockenem und demnach hartem Zustand zum Erregen dieser Laesionen im Stande. Das glatte runde Weizenkorn ist in dieser Hinsicht harmloser. Wer durch Verabreichung von Weizenfutter versuchen will maligne Tumoren hervorzurufen, muss dafür Sorge tragen, dass bei dem Experiment auf irgend eine Weise mechanische Ladierungen zu Stande kommen. Bei unseren Experimenten haben wir ausserdem noch folgende wichtige Beobachtung gemacht. Wenn man seine Culturen an warmen Sommertagen offen zur Entwicklung kommen lasst, so dauert es gewöhnlich nicht lange, bis man hierin Larven findet, die von Eiern herrühren, die Insekten in die Protozoenkulturen gelegt haben. Sammelt man eine Anzahl dieser Larven und lasst man sie unter Wasser oder noch besser unter einem sterilen Getreidedecoct macerieren, so erhalt man nach einigen Tagen sehr oft eine Kultur, in der enorme Quantitaten von AmöboFlagellaten vorkommen, das sind kleine bewegliche, stark zitternde Protozoen. Diese haben in morphologischer Hinsicht eine auffallend grosse Aehnlichkeit mit den Protozoen, die wir aus dem Metorrchis truncatus, der aus den papillomatösen Leberherden von Hunden herrührt, gezüchtet haben. Jetzt nur noch ein paar Worte über die Protozoen selbst. Man findet in den ersten Tagen, in denen die Kultur zur Entwicklung kommt, fast immer zwei Protozoenarten, die nur hinsichtlich ihrer Grosse von einander abweichen, jedoch weiter morphologisch einander sehr ahnlich stehen, namlich die grosse und die kleine Colpodaform. Nach einigen Tagen aber trifft man besonders in Kuituren, die man auf oben beschriebene Weise durch wiederholtes Eintrocknen erlialten bat, ausser noch einigen, jetzt sich noch viel weniger stark bewegenden, Colpodaformen, kleine bewegliche Kügelchen und ausserdem die AmöboFlaggelatenform an. Weiter findet man Cysten allerlei Art. An erster Stelle müssen wir jetzt die Frage beantworten, ob es sich hier um verschiedene Entwicklungsphasen eines und desselben Protozo oder um verschiedene Arten von Urtierchen handelt. Diese Untersuchung fiel uns durch eine bereits sehr alte Mitteilung in der „Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie" von 1880 von Ludwig Bhumbler, Amanuensis am Zoologischen Institute der Universitat Strassburg sehr leicht. Die Rhumblersche Untersuchung haben wir in jeder Hinsicht bestatigen können. Hinsichtlich der verschiedenen Cysten bemerkt Ehumbler Folgendes: „Man muss drei Arten von Cysten unterscheiden, die Teilungscyste, die Dauercyste und die Sporocyste. Die Teilungscyste ist durch eine Oeffnung ihrer Wandung, durch die Anwesenheit von Nahrungsballen im Entoplasma, durch das ungestörte Weiterpulsieren der Vacuole und den Teilungsvorgang charakterisiert. Die Dauercyste zeigt keine Oeffnung, sie enthalt keine Nahrungsballen, die Vacuole pulsiert nicht weiter, sondern kommt entweder in ihrer Systole oder in ihrer Diastole zum Stillstande. Eine Teilung findet nicht statt. Die Sporocyste ist zum Unterschiede von beiden andern Cystenarten durch zwei (bisweilen drei) Hüllen geschiitzt. Ihr Inhalt lasst von der urspriinglichen Organisation der Colpoden gar niclits mehr erkennen. Die Assimilationskörperchen zerfallen, ihre Harnsaure wird ausgestossen; die Sarkode ist durch den Verlust von wasseriger Substanz, des Vacuolenwassers auf das Achtfache verdichtet worden, der Kern ist nicht mehr nachweisbar und selbst die Körperwandung fehlt allem Anseheine nach. Diese verschiedenen Cysten konnten sich unter besonderen Umstanden in der Weise in einander verwandein, dass: 1. die Teilungscyste zur Dauercyste und Sporocyste, 2. die Dauercyste zur Sporocyste werden konnte, wahrend 3. die Sporocyste von jeder Umwandlung in eine andere Cystenart ausgeschlossen ist. Die Umwandlung der Dauercyste zur Sporocyste konnte auf zwei Arten geschehen, entweder konnten die Harnsaurekrümel der Assimilationskörperchen und die wasserige Flüssigkeit durch die Vacuole langsam ausgestossen werden, oder beide traten an allen Stellen der Körperperipherie allmahlich in den Velarraum hinaus. Von der Sporocyste haben wir keinerlei Umwandlungen in andere Cystenarten kennengelernt. Es ist dies sehr begreiflich, weil wir aus der vollstandigen Rückbildung der Organisation, welche das Tier bei seiner Umbildung zur Sporocyste erfahren hat, auf ein Ende seines individuellen Lebens schliessen können. Die Entwicklung der Colpoda zeigt, wie mir scheint, dass das biogenetische Grundgesetz auch für die Entwicklungsgeschichte der Monoplastiden Geltung hat: 1. das kernlose Sporenstadium, darauf 2. der vielkernigc, dann 3. der einkernige Amöboflagellatenzustand, 4. schliesslich die jugendliche Colpoda selbst. Dass ein vielkerniges Stadium dem einkernigen Zustande vorausgeht, spricht dafür, dass in der Tat, wie Bütschli schon geglaubt hat, die vielkernigen Amöben ursprünglicher als die einkernigen Amöben und letztere von den ersten abzuleiten sind. Der Umstand, dass sich die Amöben spontan in flagellatenahnliche Tiere umwandeln können, beweist aber aufs ïfeue, wie eng verwandt die Amöben mit den Flagellaten sind. Die Colpoden stellen jedenfalls eine sehr ursprüngliche Ciliatenform dar. Schon der Bau des Kerns, der bei Colpoda Steinii zeitlebens blaschenförmig bleibt und ganz das Ausseben eines Flagellatenkernes hat, weist im Gegensatz zu dem Bau anderer Infusorienkerne auf die Flagellaten hin; auch die Teilung in Cysten dürfte vielleicht eine von dieser Monoplastidengruppe her ererbte Eigentümlichkeit sein. Ich glaube daher, dass wir aus der Entwicklungsgeschichte der Colpoden uns den Weg konstruieren können, auf welchem die -holotrichen Ciliaten aus den Flagellaten hervorgegangen sind. Gerade die Larvenform der Amöboflagellate scheint diesen Uebergang zu vermitteln. In der Art, wie die Sporen gebildet werden, zeigen die Colpodasporencysten viele Anknüpfungspunkte an die Gregarinen und Coccidien. Auch hier verschwindet nach den Angaben der meisten Forscher zuerst der Kern. Eine doppelte Hüllenbildung ist öfters beobachtet worden. Auch bei der Sporenbildung (Sporulation) der Gregarinen wird keineswegs der ganze encystirte Plasmaballen verbraucht. Der grössere Teil des encystirten Leibes bleibt wie der Colpodasporoblast nach dem Auswandern der Sporen dem Zerfalle überlassen zurück. Die wenigen Falie, wo der gesamte Inhalt der Sporocyste in Sporen zu zerfallen scheint, sind noch viel zu wenig bekannt, um hier in Betracht kommen zu dürfen. Die Pseudonavicellenbildung der Gregarinen liesse sich vielleicht so erklaren, dass bei den Gefahren des parasitischen Lebens, welches die Gregarinen führen, die Spore eine frühe Teilungsfahigkeit erlangt hat, welche unter der besonderen Modification der Pseudonavicellenbildung auftritt und der Gattung eine grössere Erhaltungsmöglichkeit sichert. Auch Everts hat bei Vorticella Teilungen im Trochodinastadium beobachtet, vielleicht ist diese Teilung mit der Pseudonavicellenbildung aus einer Wurzel entsprungen. Selbst die Entstehung der Colpodasporen auf der Oberflache des encystirten Plasmaballens hat grosse Aehnlichkeit mit derjenigen von Monocystis und Stylorhynchussporen, von denen Bütschli sagt: „dass sie als helle durchsichtige Plasmaperlen von der Oberflache hervorsprossen." Auch Kerne sind, wie bei den Colpodasporen, von den weitaus meisten Gregarinensporen trotz aller Bemühungen, wenigstens in der ersten Zeit, nocli nicht nachgewiessen worden. Die Weiterentwicklung der Gregarinensporen ist in noch keinem einzigen Falie nut genügender Sicherheit nachgewiesen worden, doch scheinen manche, wie unsere Colpodasporen, sich zuerst in Amöben zu verwandein. Gewiss würden sich auch bei den anderen Monoplastidengruppen noch zahlreiche Anknüpfungspunkte an die im Vorstehenden mitgeteilte Entwicklungsgeschichte der Colpoden auffinden lassen. Ich will mich aber damit begnügen, auf die möglichen Yerwandtschaftsbeziehungen zwischen Flagellaten und Gregarinen und den holotrichen Infusorien hingewiessen zu haben, zumal alle sicheren Beobachtungen über die Entwicklungsgeschichte anderer Monoplastiden nicht über die Bildung von Schwarmzellen hinausgehen." Wir werden jetzt nacheinander die Methoden besprechen, nach denen wir auf experimentelle Art versucht haben bösartige Geschwülste hervorzurufen. Aus Yorstehendem geht wohl deutlich hervor, dass alle bis jetzt erhaltenen positiven Eesultate auf die Wirkung von Protozoen zuriickgeführt werden können. Es ist demnach von grosser Wichtigkeit auf experimentellem Wege zu beweisen, dass in letzter Instanz das Entstehen der malignen Neubildung von der Wirkung von Protozoen abhangig ist. Aus Metorrchis truncatus, aus Schaben und auch aus anderen Insekten, die man in Getreidespeichern findet, konnten Protozoen gezüchtet werden. Diese Protozoen finden wir gleichfalls in. den verschiedenen Getreidearten und namentlich im Hafer, wie er für das Erregen von Tumoren von Stahr beniitzt wurde, wieder. Die Tiere, bei denen man mittelst Teerpinselung Haut- carcinom hervorgerufen hat, leben gleichsam in einem protozoaren Milieu und werden mit Material ernahrt, in dem immer wieder dieselben Protozoen vorgefunden werden können, wie wir sie bei unseren Insekten, Würmern und Getreidekörnern gefunden haben. Wir haben die ersten Versuche vorgenommen okne die sogenannten praekancerösen Abweichungen zu benützen. Wir haben hauptsachlich versueht bei Hunden durch Impfung der Schleimhaut des Tractus intestinalis maligne Tumoren zu erregen. Unter die Serosa dieser Schleimhaute wurden Getreidekörner geführt und die Serosa über diese Getreidekörner wieder zugenaht. Auf dieselbe Weise wurde mit einem Stückchen des Darmkanals von Schaben und Kafern, die man in Backereien gesammelt hatte, experimentiert. Das Eesultat war nicht sehr ermutigend, da wir nur in vereinzelten Fallen Abweichungen erhielten, welche an maligne Neubildungen, im Anfangsstadium, erinnerten. BesSere Resultate ergab folgendes Experiment. In eine Thiry'sche Schlinge, die wir aus dem Darmkanal von Hunden isoliert hatten,führten wir bei zwei Versuchstieren Haferkörner ein, bei zwei anderen Gerstenkörner. Das Eesultat war nicht zweifelliaft. Bei allen Experimenten ergaben sich Abweichungen, die auch bei Neubildungen, im Anfangsstadium auftreten. Ein vollstandig atypisches Wachstum des Schleimhautepithels mit starker Anaplasie und einer sehr grossen Anzahl Mitosen. Man muss die für das Experiment verwandten Getreidekörner auf die bereits früher erwahnte Art praparieren. Das Getreide wird, nachdem sich deutlich Protozoen entwickelt haben, mit sterilisiertem Grachtwasser begossen. Lasst man nun das Material bei Zimmertemperatur trocknen und wiederholt man dieses Verfahren einige Male, so bef inden sich im Material eine derart grosse Anzahl Protozoen und Protozoen in incystierter Form, dass das Material für das Experiment geeignet ist. Bei einer Reihe weiterer Experimente wurde die Darmschlinge aus dem Teil des Darmkanals isoliert, in dem sieli die Peyersclien Plaques befinden. Es gelang sehon nach kurzer Zeit pathologischanatomisch nachzuweisen, dass das Epithel, das unter normalen TJmstanden nur als oberflachliche Bedeckung vorgefunden wird, anfangt auf vollkommen atypische Weise zwischen und durch die Follikel zu wuchern. Was die praekancerösen Abweichungen anbelangt, so haben wir an erster Stelle thermische und mechanische Laesionen benützt. Wiederum verwandten wir Hunde für das Experiment und versuchten bei ihnen maligne Neubildungen im Epithel des Magen- und Darmkanals hervorzurufen. Nach einem Medianschnitt durch die Linea alba wurde der Magen blossgelegt, und im Pylorusteil eine kleine Oeffnung gemacht. Durch diese Oeffnung wurde eine Curette eingeführt, womit, nur dem Gefühl nach, ein Teü des Epithels des Fundus abgekratzt wurde. Darauf wurde die Oeffnung gesclilossen und der Baucli zugenaht. Den Tieren wurden nun lange Zeit Protozoen im Trinkwasser verabreicht. Bei einem Versuchstier stammten diese Protozoen von Getreide her, beim zweiten von Schaben, beim dritten von Larven, die sich im Getreidemfus entwickelt hatten, wahrend das vierte mit Kuituren, die wir aus Metorrchisherden erhalten hatten, gefüttert wurde. Man kann das Fortschreiten der Neubildung bequem verfolgen, indem man in regelmassigen Abstanden eine kleine Probelaparatomie vornimmt und ein kleines Stückchen der Magen wand excidiert. Wir haben weiterhin mit der isolierten Darmschlinge auf dieselbe Weise experimentiert. Auch hier führten wir zuerst ein Quantum der Protozoenkultur in die Schlinge ein, nachdem wir vorher mittelst der Curette einen Teil des Epithels auf mechanischem Wege entfernt hatten. Auch bei diesen Experimenten erhielten wir positive Resultate; die entstandenen Abweichungen entsprachen den Anforderungen, die man bei der morphologischen Diagnostik der malignen Tumoren gewöhnlich stellt: atypisches Wachstum des Epithels, Anaplasie, das Auftreten einer grossen Anzahl Mitosen, infiltrierendes Wachstum und ab und zu Metastasen. Für das Hervorrufen praekanceröser Abweichungen mittels thermischer Reize eignet sich die Haut am besten, und wir haben uns durch die klinische Beobachtung leiten lassen, dass sich ab und zu in Narben, die von Brandwunden herrühren, Carcinomen entwickeln. Man setzt auf die geschorene Haut einen hohlen Glascylinder und giesst Wasser herein von 100° C. ïïachdem man dies einige Sekunden hat einwirken lassen, nimmt man, um einer Ausdehnung der Brandwunden vorzubeugen, die Röhre nicht weg, sondern fügt jetzt ein Quantum kaltes Wasser hinzu; darauf kann man die Röhre entfernen. Unter die jetzt entstandene Blasé führt man mittelst einer Injektionsspritze Protozoenkulturen ein, die man auf obengenannte Weise erhalten hat. Mantf kann auch hier am Rande der Narbe immer nachweisen, dass sich hier die Hauttumoren auf ziemlich gleiche Art entwickeln wie beim experimentellen Teerkrebs. Wir haben also bei allen diesen Experimenten lokale praekanceröse Abweichungen benützt. Bereits früher haben wir bemerkt, dass Untersuchungen von Fenwick über die Atrophie der Magenschleimhaut und die sie begleitende Achylia gastrica, die in drei Artikeln in der „Lancet" von 1877 veröffentlicht worden sind, nicht die Würdigung gefunden haben, die sie verdienten. Yon den wichtigen Beobachtungen Fenwicks interessieren uns besonders die, in denen er einen mehr oder weniger atrophischen Zustand der Magenschleimhaut vorgefunden liat, wenn auch die Tumoren ausserhalb des Magens auf traten. Bei allen Fallen von Magencarcinom, sowie auch in 11 von 15 untersuchten Fallen von Brustkrebs fand er diese Abweichungen vor. Man muss sich an Hand dieser Beobachtungen zunachst die Frage vorlegen, welches der Einfluss der Achylia gastrica für den Magen selbst und was ihre Bedeutung für die anderen Schleimhaute ist. Ich habe in einer Abhandlung „Über den magenlosen Hund und die Achylia gastrica" an Hand von Beobachtungen an drei Hunden die Achylie ausführlich geschildert. Der letzte magenlose Hund, tiber den ich verfügte und der mehr als zwei Jahre in unserem Laboratorium gelebt hat, wurde für die Tumor untersuchung angewandt. Man verabreichte dem Tier langere Zeit hindurch protozoenhaltiges Wasser. Nach einigen Wochen magerte das Tier schnell ab und schliesslich fand man es morgens tot. Die Section ergab merkwürdige Resultate. An sehr vielen Stellen des Magen- und Darmkanals fanden wir kleine Tumoren in der Schleimhaut und namentlich waren die Peyerschen Plaques sehr geschwollen. An mehreren Stellen im Mesenterium worden kleine harte geschwollene Lymphdrüsen gefunden. In fast allen Tumoren wurden Abweichungen festgestellt, die darauf hinwiesen, dass sich hier eine diffuse Carcinomatose des Darmes entwickelt hatte, die in einigen Lymphdrüsen das Auftreten von Metastasen veranlasst hatte. Xachdem wir also in allgemeinen Zügen auseinandergesetzt haben, dass bei keinem der bis jetzt vorgenommenen Experimente, bei denen man auf experimentellem Wege Tumoren hervorgerufen hat, die Wirkung von Protozoen ausgeschaltet werden konnte, dass es wiederholt gelang maligne iSTeubildungen hervorzurufen, wenn man von lokal erregten praekancerösen Abweichungen Gebrauch machte, dass auch besonders der achylische Zustand, der sich am deutlichsten beim magenlosen Hund ausserte, einen wichtigen Faktor für die Entwicklung maligner epithelialer Neubildungen bildet, wollen wir jetzt einige unserer Experimente in iliren Einzelheiten beschreiben. Wir wollen hierbei besonders die Tatsache betonen, dass gerade das Experiment im Stande ist, uns in allen Einzelheiten klar- zumachen, wie unter bestimmten Umstanden die maligne Neubildung anfangt, wie sie sich weiter entwickelt nnd schliesslich das Auftreten bösartiger Geschwülste veranlasst, die allen Anforderungen, die die pathologische Anatomie heut zu Tage an die bösartigen epithelialen Neubildungen stellt, entsprechen. Ich habe micli bei der Beurteilung der Praparate haufig durch die Beschreibung, die Fischer in Aschoff's „Handbuch der pathologischen Anatomie" vom Magencarcinom giebt, wie sich dieses in der Mucosa selbst entwickelt, leiten lassen. Diese Beschreibung lautet folgendermassen: „Der Zylinderzellenkrebs zeigt in seinem ganzen Aufbau noch drüsigen Charakter und geht vom Zylinderepithel der Drüsen aus. Selten ist die Form der Drüsenschlauche im Carcinom völlig erhalten. Die Krebsschlauche sind dann mit einschichtigem, cylindrischem oder kubischem Epithpl ausgekleidet und unterscheiden sich von normalen Drüsenschlauchen nur durch die wechselnde Weite des Lumens und dadurch, dass sie sehr lange, gewundene, verzweigte und miteinander anastomisierende Züge bilden, die in das fremde Gewebe eindringen. Auch in den Metastasen bleibt die Drüsenform mit einschichtigem Epithelbesatz erhalten. Man bezeichnet diese (seltene) Form des Zylinderzellenkrebses als Adenoma malignum. Sehr haufig dagegen tritt der Zylinderzellenkrebs im Magen als sogenanntes Adenokarzinom auf. Auch hier bewahrt das Carcinom drüsigen Charakter, aber die Krebsschlauche bilden nur atypische, unregelmassige und unvollstandige Imitationen des drüsigen Aufbaus. Die in die Tiefe eindringenden Schlauche sind langer und breiter als normale Drüsenschlauche, ihre Kerne farben sich intensiver, sie sind vor allem mit mehr, oft vielschichtigem Zylinderepithel ausgekleidet, vielfach gewunden und verzweigt und hangen untereinander wieder zusammen. Die Kanale sind von sehr verschiedener und sehr wechselnder Weite, mit serösen und schleimigen Sekretionsprodukten, Leukocyten und abgestossenen Epithelien gefüllt. An vielen Stellen dringt auch das Epithel in dicken soliden Strengen vor, in denen sich aber wieder unregelmassig oder in ziemlich gleichmassigen Abstanden kleine (sekreterfiillte) Lumina zeigen, um die herum das Epithel ganz drüsenartig angeordnet ist. So entsteht ein epitheliales Maschenwerk, grosse Epithelnetze, von sekreterfüllten verzweigten Gangen und Hohlraumen durchsetzt. Die Schlauche treiben wieder Sprossen sowohl in die Umgebung wie in das Lumen hinein, sie verwachsen sekundar wieder vielfach miteinander. Seltener bleiben die Epithelsprossen solide Strange, sodass der drüsige Charakter ganz verwischt ist (solider Zylinderzellenkrebs, Carcinoma simplex). Dagegen finden sich oft in einem Carcinom drüsige nnd solide Formationen nebeneinander." Beschreibung einiger Resultate der pathologisch-anatomisclien Untersuchung. Bei der Beschreibung der Resultate meiner Untersuchung will ich mich auf dasjenige beschranken, was unbedingt notwendig ist, um die protozoare Pathogenese des Carcinoms plausibel zu machen. Mehrere Versuchstiere, von denen durch Probelaparatomie Material erhalten wurde, leben noch. Von anderen wird ein grosser Teil des Materials zur Zeit noch untersucht. Diejenigen, die sich meiner Untersuchungsmethoden bedienen wollen, finden aber in Nachstehendem alle nötigen Anweisungen hierfür. Figur 7 zeigt uns die Abweichungen in der Magenschleimhaut eines Hundes, der vor acht Monaten operiert wurde und wobci ein Teil der Schleimhaut des Fundus curettiert wurde. Darauf wurde das Tier einige Tage lang mit einer Kultur von Haferkörnern ernahrt, in der hauptsachlich Amoeboflagellatenformen in grossen Mengen angetroffen wurden. Bei der Probelaparatomie wurde ein Tumor in der Grosse eines Fig. 7. Pier. 8 , Pig. 9. Fig. 10. ■ Fig. 11. Fig. 12. Zehnmarkstückes gefunden; durch Probeexcision erhielt man ein kleines Stückchen für die mikroskopische Untersuchung. Das Praparat wies alle Eigenschaften des Adenoma malignum auf; an mehreren Stellen fanden wir in den Praparaten das Bild des Adenoeareinoms. Figur 8 und 9 stammen von einem Hunde, bei dem gleichfalls durch Curettement ein Teil der Schleimhaut des Fundus entfernt war. Nach Verlauf von 10 Monaten fanden wir bei der Probelaparatomie einen kleinen Tumor. Alle Praparate zeigten eine deutliche atypische Wucherung. Die Zeilen waren sehr ungleich gross, die Kerne sehr verschieden stark gefarbt. Ueberall waren im Praparat eine abnormal grosse Anzahl Mitosen. Das Tier wurde in derselben Weise wie das vorige ernahrt, nur stammten hier die Amoeboflagellatenculturen von Gerste. Figur 10 zeigt das Bild der Schleimhaut des Magens eines Hundes, der auf dieselbe Weise wie die vorigen Versuchstiere behandelt worden war. Die Ernahrung erfolgte hier mit einer Amoeboflagellatencultur aus macerierten Larven, wie wir sie in grossen Mengen in einer Haferkultur vorfanden, die einige Male mit Wasser begossen und daraufhin wieder getrocknet war. Sechs Monate nach der Operation starb das Tier; bei der Section fand man eine Endocarditis. An der Stelle des Curettements fanden wir hier und da papillomatöse Wucherungen, in den microscopischen Praparaten der stark verdickten Schleimhaut eine sehr deutliche adenomatöse Wucherung; besonders an den Auslaufern der Drüsenröhren starke Anaplasie und viele Mitosen. Figur 11 und 12 stammen von einem Hunde her, der wie der vorige behandelt wurde. Die für die Ernahrung verwandten Protozoen rührten aus einem Metorrchis-truncatus-Herd aus der Leber eines Hundes her mit einer deutlichen Wucherung der Gallengange. In beiden Figuren sieht man ein infiltrierendes Wachstum im Anfangsstadium. An verschiedenen Stellen fanden wir die Erscheinung der Invagination der Drüsenröhren (in Figur 11 deutlich sichtbar). Probelaparatomie nach 11 Monaten. Figur 13 und 14 stammen von einem Hunde her, bei dem eine Gastroenterostomose von ungefahr 6 cm. Breite angelegt wurde, um einen schnellen Abfluss der Pepsin-Salzsaure zu erhalten, ausserdem erhielt das Tier in den ersten Monaten nach der Operation eine salzlose Diat. Von dem stark abgemagerten Tier wurden nach 10 Monaten zwei Stückchen durch eine Probeexcision entfernt. Zwei Tage nach der Probelaparatomie starb es. In den geschwollenen regionaren Lymphdriisen fand man keine Metastasen. In dem einen Stückchen (Figur 13) ein deutlich infiltrierendes Wachstum, in dem anderen ein ausgesprochenes Adenocarcinom (Figur 14). Figur 15, 16 und 17. Diese Praparate rühren von einem Hunde her, der nach Probelaparatomie und Curettement nur einige Tage mit einer Emulsion von Larven ernahrt wurde, die sich in einer Weizencultur entwickelt hatten. Nach einem Jahr wird das Tier magerer und succombiert nach zwei Monaten. In der Leber findet man einige Metorrchisherde ohne Wucherung der Gallengange, im Magen einen grossen flachen Tumor, mikroscopisch Adenoma malignum (Fig. 15), infiltrierendes Wachstum (Fig. 16 aus einer Serie Coupes) und weiter (Fig. 17) Metastasen in verschiedenen Lymphdriisen. Figur 18—23 führen uns nach den experimentell hervorgerufenen Tumoren des Darmes. Wie wir bereits früher erwahnten, wurde bei diesen Experimenten die Thyrische Schlinge angewandt, jedoch in einer etwas veranderten Form. Erst legten wir eine Gastroenterostomose an. Die nun freiwerdende Schlinge wurde doppelt mit einem starken Categutfaden abgebunden; durch eine kleine Incision wurde das protozoenenthaltende Material eingeführt und die Wunde mit einigen Nahten geschlossen. Bei einigen Yersuchstieren wurde mittelst des Curets ein Fig. 13. Fig. 14. Fig. 15. Fig. 16. Fig. 17. II—llllllll llllMWimiMIMIIMI»IIIIIIIII IHIMI II 1 lil l | I ■ 1 1MMMII Fig. 18. Fig. 19. Fig. 20. Fig. 21. Fig. 22. Fig. 23. Fig. 24. Fig. 25. Fig. 26. kleiner Teil des Epithels vorher vorsiehtig ausgekratzt, um auf diese Weise einen praekancerösen Zustand hervorzurufen. Bei unserem Yersuchstier, einem Hunde, wurden in die Darmschlinge einige Gerstenfeörner eingeführt, die einige Male befenchtet waren und wieder eingetrocknet. Sechs Monate nach der Operation wurde die Schlinge extirpiert. Die Cirkulation hatte sich inzwischen wieder hergestellt. Beim Aufschneiden der Schlinge tanden wir eine lokale Yerdickung der Darmwand in der Grosse eines Fünfpfennigstückes; von den Peyerschen Plaques waren zwei sehr deutlich geschwollen und fühlten sich verdickt an. Bei der mikroscopischen Untersuchung wurde eine sehr deutliche atypische Wucherung mit einer gewaltigen Drüsenröhrenwucherung vorgefunden (Fig. 22 und 23). Infiltrierendes Wachstum war sichtbar vorhanden. Jedoch schützteeine deutliche Wucherung der Submucosa an den meisten Stellen (las umringende Gewebe vor deni eindringenden Epithel. Dass jedoch dieser Schutz nicht immer absolut genügte, ersieht man aus Figur 24 und 25. Diese rühren von einem Hunde her, der folgendermassen behandelt wurde. Anlegen einer Thyrischen Schlinge, vorsichtiges Ourettement und Einführen eines Quantums eines Pulvers, das wir folgendermassen erhielten. Eine Protozoenkultur mit einer grossen Anzahl Amoeboflagellatenformen wurde durch Gaze gegossen und so von den gröberen Stiickchen bef reit und bei Zimmertemperatur eingedampft, darauf wurde das trockene Material wieder mit Wasser begossen und abermals eingedampft. Diese Behandlung wurde einige Male wiederholt. Das auf diese Weise erhaltene Pulver wurde für das Experiment verwandt. Figur 24 und 25 stammen von einer Serie Coupes her. In Figur 24 sieht man wie das infiltrierende Wachstum an zwei Stellen anfangt, jedoch mit einer deutlichen Reaction der Submucosa. In Fig. 25 dagegen hat diese Reaktion im untersten Teil nicht genügt und wurde die Submucosa durchbrochen. Figur 26 zeigt einen Durchschnitt durch eine der Peyerschen Plaques. Die anatomischen 4 Verhaltnisse liegen hier anders. Das Epithel liegt hier normaliter sehr lose über den Follikeln; hier wuchert es überall zwischen den Follikeln, dringt- jedoch nicht in das folliculare Gewebe durch. Bei starker Yergrösserung (Reichert Oel-emers. oculair 4) wurde ausgesprochene Anaplasie und in einigen Gesichtsfeldern über 40 Mitosen gefunden. Figur 27 und 28 demonstrieren den grossen Reaktionsunterschied beim normalen und magenlosen Hunde. Einem normalen Hunde wurden in der friiher erwahnten Weise wiederholt getrocknete Haferkörner in eine Darmschlinge eingeführt und diese wurde siebeti Monate nach der Operation extirpiert. An drei Stellen fand man kleine Verdickungen in der Schleimhaut, die alle dasselbe histologische Bild aufwiesen, adomatöse Wucherungen, infiltrierendes Wachstum im Anfangsstadium, welches von einer sehr deutlichen Reaktion des submucösen Gewebes begleitet wurde; hierdurch wurde, jedenfalls vorlaufig, ein weiteres infiltrierendes Wachstum unterbunden. Vollstandig anders reagiert der magenlose Hund. Das Tier wurde einmal mit Getreidekörnern gefüttert, um die sterilisierende Wirkung des Darmes zu verfolgen. Man vergleiche hierüber meine Monographie ,,Der magenlose Hund und die Achylia gastrica", Leiden, S. C. van Doesburgh, 1925. Aus den Getreidekörnern konnten nach dem Passieren des Darmes noch Protozoen gezüchtet werden. Darauf wurden Amoeboflagellatenculturen mit dem Trinkwasser verabreicht. An vielen Stellen fand man im Darm kleine Tumoren, alle mit demselben mikroscopischen Bild. Nirgends eine deutliche Reaktion der Submucosa; überall fangt das infiltrierende Wachstum sofort an und wird dann von einer mehr oder weniger deutlichen regionaren Leucocyteninfiltration begleitet, sehr wahrscheinlich als eine Reaktion auf zerfallenden Tumorzellen. Figur 29 und 30 zeigen uns, dass auch die Follikel der Peyerschen Plaques anders und zwar im Sinne des verringerten Widerstandes reagieren. Epithelröhren und Strange wachsen nicht Fig. 27. Fig. 28. Fig. 29. Fig. 30, Fig. 81. Fig. 32. Fig. 33. nur zwiscben den Follikeln, sondern sie dringen aueb in sie ein. Bei starker Vergrösserung eine ausgesprochene Anaplasie und eine grosse Anzahl Mitosen. Figur 31, 32 und 33 demonstrieren nns scbliesslich die grosse Bedeutung des Bindegewebes für die Abwehr des Organismus gegen die Invasion der Tumorzellen. Die Praparate riibren von einer curettierten Darmschlinge her, die mit einem protozoencystenenthaltendem Pulver eingespritzt wurde. ÏJacb sechs Monaten Extirpation der Scblinge, die zwei kleine Tumoren enthielt. Figur 31 zeigt infiltrierendes Wacbstum mit vollstandig intakten Drüsenröhren. Figur 32 und Figur 33 zeigen uns eine enorme Beaktion der Submucosa, innerhalb der das eingedrungene Epithel zerfallt. Ueber die pathologisch-anatomisehe Genese des Carcinoms. Schon bei einer oberflacblicben Betrachtung der verschiedenen Micropbotographien dieser Untersucbung stellt sicb ein so verscbiedenes Benebmen des Bindegewebes beraus, dass icb mieb verpflicbtet füblte, nocbmals eine genaue Studie über die Arbeit Bibberts, des Patholog-Anatomen, zu macben, der wobl am meisten seine Aufmerksamkeit der Bedeutung widmete, welcbe das Bindegewebe für das Zustandekommen der malignen Tumoren, bat. An erster Stelle bat Bibbert eine vergleicbende Studie über das embryonale Entsteben der Drüsen und die Genese des Carcinoms gemacbt. In der Abhandlung „Ueber die Entstebung des Carcinoms" wird das ausfübrlicb auseinandergesetzt. „Die Verbaltnisse liegen abnlich wie bei der embryonalen Entstebung der Drüsen, bei der aucb eine zellige Bescbaffenbeit des Bindegewebes die notwendige Voraussetzung für ein Einwacbsen des Epitbels ist. Die erste Entstebung des Carcinoms ist der Drüsenbildung 4* an die Seite zu stellen; sie ist ein rudimentares Analogonderselben." Seine ursprüngliche Meinung, dass das Entstehen der malignen Neubildungen von einer Isolierung von Epithelzellen, die durch das Hineinwachsen von Bindegewebe-Elementen in die epithelialeBedeckung entstanden, abhangig sein würde, hat Bibbert bald aufgegeben. „Ueber die feineren histologischen Beziebungen zwischen Epitbel und Bindegewebe batten micb meine ersten Untersuchungen an Hautkrebsen zu irrigen oder wenigstens nicbt durchgangig giiltigen Ergebnissen geführt. leb nabm an, dass die Zeilen des Bindegewebes in das Epitbel zwiscben seine einzelnen Zeilen hineinwanderten, sie voneinander trennten, isolierten, auf diese Weise in der Bindesubstanz verlagerten und so zum Wacbstum brachten. Spater bin ich durcb eigene, besonders aber durcb Borrmanns Untersuchungen veranlasst, andere Ansicbt gekommen, dass die Isolierung der Zeilen nicbt notwendig ist, dass dasEpithel vielmehr, wie man es ja aucb früher angenommen batte, kontinuierlicb in die Tiefe dringt und dabei wurzelförmige, immer aufs neue aussprossende Einsenkungen bildet. Auslösend auf dieses Wachstum wirkt die primare zellige Umwandlung der Bindesubstanz, die den an sicb vermehrungsfahigen und gleichsam nur auf eine Gelegenbeit zur Wucherung wartendenEpithelien nicbt mebr den früherenWiderstand bietet." Bibbert will also nicbts von primaren Aenderungen der Epithelzellen wissen, wodurch das Entstehen des Krebses von ausserlichen oder innerlichen Faktoren abbangig sein würde, welche die Epithelzelle zur Krebszelle machen. Tumorzellen haben keine anderen Eigenschaften als die Zeilen des epithelialen Gewebes, innerhalb welchem die Geschwulstbildung zu fetande gekommen ist. „Es kommt binzu, dass viele der irrtümmlichen Meinung sind, man könne die Genese eines Tumors auch aus dem Verbalten gleichartigen angrenzenden und jene primare Metamorphose auch durchmachenden Gewebes erklaren. Anders bewertet er die Histogenese der Anfangsstadien, der mit mir den Tumorzellen keine besonderen Eigenschaften beilegt, sondern für die Genese der Neubildungen lediglicli die Bedingungen verantwortlich macht, die das Wachstum der Zeilen auslösen. Dann gilt es, eben diese Bedingungen festzustellen. Aber das ist, wie ich immer wieder betonen muss, nur in dem ersten Beginn der Geschwulstbildung möglich. Denn da nach meiner Feststellung die Neubildungen ausschliesslich aus sich herauswachsen, so kann ihre Entstehung nicht in der eben angegebenen Weise aus den Eandpartien erschlossen werden. Man muss auf den Anfang zurückgehen." Ribbert gebührt das grosse Verdienst bei Obductionen immer nach anfangendem Krebs gesucht zu haben, wovon er zwei bis in Details beschrieben hat. Die Beschreibung des zweiten gefundenen Tumors, welche für unsere Betrachtungen eine so grosse Bedeutung hat, möge hier folgen. „Das beginnende Carcinom fand sich in dem Pylorusabschnitt des Magens. Es reprasentiert eine Erhebung von 8 mm Durchmesser und 3 mm Höhe, letztere gemessen an einem senkrechten Durchschnitt mit Ausschluss der Muskulatur. An der einen Seite fallt die Prominenz allmahlich in die normale Schleimhaut ab, an der anderen hangt sie etwas über. Die Erhebung ist bedingt durch einen relativ betrachtlich verdickten Schleimhautbezirk, der sich ganz oberhalb der Muscularis mucosae befindet. Er macht aber nicht allein jene 3 mm Höhe aus. Denn er ist etwa 2,5 mm dick. Aber mit ihm fest verbunden ist eine verdichtete und stark zellig infiltrierte Lage der Submucosa, die an der Zeichnung dunkel hervortritt und etwa 1/2 mm umfasst. Für die mikroskopische Betrachtung geht diese Lage in die gesamte Dicke des Tumors mit ein. Der prominierende Schleimhautbezirk stellt ein Adenom dar, das sich durch unregelmassige Entwicklung des grössten Teiles seiner Drüsen auszeichnete. Sie verlaufen wie in dem oben besprochenen Adenom nicht regelmassig parallel zueinander, sondern sind vielfach gewunden, schrag und quer zur Oberflache gerichtet, verastelt, weiter und enger. Sie sind infolge ungenügender Konservierung zumal in den obersten Schichten vielfach nicht gut erhalten. Ihr Epithel ist ein einschichtiges, nicht sehr hohes Zylinderepithel. Schrag- und Plachschnitte tauschen vielfach zwei- und Mehrschichtigkeit vor. Es hat nicht die helle Beschaffenheit der normalen Drüsen, sondern die Neigung, sich wie das Epithel nicht differenzierter Abschnitte dunkel zu farben. Das liegt daran, dass die Zeilen relativ wenig Protoplasma haben, wahrend die chromatinreichen Kerne gut entwickelt sind. Sie liegen aber wegen der Kleinheit des Zelleibes nahe zusammen und lassen so das Epithel sehr dunkel hervortreten. Alles in allem ein Verhalten, wie wir es für viele Adenome als alleiniges oder partielles Yorkommnis oben betonten. Das Interstitium ist etwas reichlicher entwickelt als durchschnittlich in den Adenomen. Es ist faserreicher und nicht überall gleich dicht mit Rundzellen durchsetzt. Diese Zusammensetzung weist auf einen chronisch entzündlichen Zustand hin, der zur starkeren Entwicklung der Zwischensubstanz führte. An diesem Adenom ist nun ein Carcinom im Entstehen begriffen. Ungefahr in der Mitte ist die Muscularis mucosae unterbrochen. Hier sind mehrere Drüsengebilde durch sie hindurchgewachsen und bis in die Submucosa vorgedrungen. Aber dieser Vorgang ist nicht etwa durch die intakte Muscularis erfolgt. Vielmehr ist an deren Stelle ein Bezirk sehr dichter zelliger Infütration getreten und in ihn ist das Epithel hineinund durch ihn hindurchgewachsen. Zweifellos handelt es sich hier um einen langsam entwickelten entzündlichen Prozess. Denn die Submucosa ist, wie schon erwahnt, fast unter dem ganzen Adenom verdichtet und zugweise zellig infiltriert. Die starkste Zellensammlung aber befindet sich dort, wo der epitheliale Duchbruch erfolgte. Aus dieser genauen histologischen Untersuchung stellt sich heraus, dass das Carcinom sich aus einem Adenom entwickelt hat und weiter dass das infiltrierende Wachstum nicht anfangt an irgend einer beliebigen Stelle der Mucosa, sondern eben dort wo die kleinzellige Infiltration am meisten zur Entwicklung gekommen ist. Wo ich mich bei allen meinen Untersuchungen immer auf den Standpunkt gestellt babe, dass für das Entstehen maligner Neubildungen zuerst eine oder mehrere Epitbelzellen sich in Krebszellen umbilden müssen, da kam die Frage auf, ob nicht schon das Adenom ein krebsartiges Gebilde ist, und ob die Infiltration des Bindegewebes nicht anstatt etwas Primares secundar ist, und also als eine Leucocytenreaktion auf Verfall des Tumorrandes zu betrachten ist." Aus den Untersuchungen Bibberts stellt sich heraus, dass auch er der Meinung zugetan ist, dass das Carcinom sich an mehreren Stellen zu gleicher Zeit entwickeln kann und dass dieses speziell der Fall ist, wenn es aus Polypen oder Adenomen entsteht. „Die mehrfache Genese hat nichts Ueberraschendes. Wenn im Bereiche eines Polypen entzündungserregende Einflüsse an einer Stelle die Entstehung eines Carcinomes veranlassen, so können sie an anderen Stellen dasselbe tun. Und es ist selbstverstandlich nicht notwendig, dass das iiberall zu gleicher Zeit geschieht. Es ist im Gegenteil wahrscheinlich, dass es hier früher, dort spater einsetzt. Auch bei den Schleimhautcarcinomen spielen Entwicklungsstörungen, wenn auch in anderer Weise, eine Bolle'. Diese Krebse entstehen namlich gern aus den sogenannten Adenomen oder Polypen. Insbesondere ist bekannt, dass ein Krebs sich an eine Polyposis coli anschliesst. Ich werde zeigen, dass die Bedeutung der Adenome für die Carcinomgenese grösser ist, als man bisher meist annahm." Wer fest des parasitairen Ursprunges des Carcinoms überzeugt ist, wer wie bei diesen Untersuchungen die Neubildungen mittels Parasiten erregt hat, wer ausserdem mittels Probeexcisionen die Neubildung regelmassig verfolgt hat, dem wird es deutlich, dass das adenomatöse Vorstadium eben so gut parasitairen Ursprungs ist, wie der metastasierende Tumor selber. Wer zweifeit gegenwartig noch daran, dass die allererste Tuberkelbildung ebénsowohl von Tuberkelbacillen erregt wird, wie der verkasende pneumonische Herd? Betrachten wir jetzt die verschiedenen Microphotographien. 15, 16 en 17 zeigen uns deutlich, dass der Metastasenbildung und dem infiltrierenden Wachstum eine adenomatöse Wucherung vorangegangen ist. 22 und 23 demonstrieren uns, dass das infiltrierende Wachstum hauptsachlich Stellen mit starker adenomatöser Wucherung gegenüber stattfindet. 20, 21 und weiter 27, 31, 32 und 33 stammen von Hunden her, welche vor dem Experiment vollstandig gesund waren. Bei 25 und 26 ist das infiltrierende Wachstum sehr grillenhaft: bei 31 bis 33 hat es zum Auftreten von mehreren unregelmassig gebildeten Infiltrationsherden Yeranlassung gegeben. Bei allen ist eine sehr deutliche Reaktion des Bindegewebes anwesend. Fangt einmal das infiltrierende Wachstum an, dann geschieht das nur an einzelnen Stellen (Eig. 25). Ein ganz anderes Bild gibt uns das Carcinom des magenlosen Hundes. An zahlreichen Stellen des Dünndarmes findet man Herde wie die Figuren 34 bis 41 uns zeigen. Nirgendwo ist eine deutliche Beaktion des Bindegewebes. Ueberall findet man eine starke Infiltration mit Leucocyten an den Stellen, wo das infiltrirende Wachstum anfangt. Nur bei 41 eine geringe Beaktion des Bindegewebes und keine Leucocytenreaktion. Fig. 42 zeigt die Destruction eines Peyerschen Plaque. Von gröster Interesse sind die Abbildungen 43, 44, und 45. Fig. 43 zeigt die Aenderungen in der Darmwand einige Monate nachdem in eine THYRi'sche Schlinge Protozoenkulturen eingebracht waren. Fig. 44 und 45 zeigen die Aenderungen zwei Monate spater. Fig. 34. Fig. 35. Fig. 36. Fig. 37. Fig. 38. ■ Fig. 39. Fig. 40. mmmammmmmimmm Fig. 41. Fig. 42. Fig. 43. Fig. 44. Fig. 45. Die enorm starke Reaktion des Bindegewebes macht wahrscheinlich, dass der Verfall des infiltrierenden Epithels ohne dass es zum weiteren Wachstum kommt von dieser Bindegewebereaktion abhangig ist. Sie zeigen uns wie ein Carcinom ausheilen kann. Ueber das Züchten von Protozoen aus Carcinomen. Bisher ist die Cultur von Parasiten aus Tumoren, die man identifiziert hatte, weil man mit ihnen Carcinomen auf experimentellem Wege hervorrufen konnte, noch nicht gelungen. Wir müssen uns zunachst die Frage vorlegen, welchen Paktoren dieses Mchtgelingen hauptsachlich zuzuschreiben ist. Die meisten Forscher, die auf ihrem Standpunkt hinsichtlich der parasitaren Genese des Carcinoms beharrten, sind wie aus ihren Yersuchen hervorgeht, von der Annahme ausgegangen, dass Bacterien die Ursache bilden sollten. Die Culturen wurden dann auch nach den Methoden der Bacteriologie angelegt. Man verwandte steriles Material, impfte das auf sterile Nahrböden, meistens mit negativen Resultaten. Wer der Ansicht ist, dass Protozoen die Ursache der malignen Tumoren bilden, wusste von vornherein, dass die culturellen Experimente negativ ausfallen mussten. Wie bereits Mouton für die Cultur der Amöben angegeben hat, gelang es in den weitaus meisten Fallen nur in dem Falie Protozoen in Vitro zu züchten, wenn man ihnen Bacterien alsNahrung verabreichte. Auch im Infus von Getreide, Heu und Stroh kommen die Protozoen immer zusammen mit Bacterien zur Entwicklung und die mikroscopische Untersuchung lehrt, dass sie diese Bacterien als Nahrung zu sich nehmen. Beim Construieren der Culturmethoden ging ich von folgender Beobachtung aus. Ich untersuchte eine grosse Anzahl maligne Tumoren, zunachst nur um die amöboide Beweglichkeit festzustellen, folgendermassen. Es wurde eine Emulsion von Carcinomzellen in Wasser, in Decoct von Getreiden oder auch in mehreren verdünnten Sera bei starker Yergrösserung (Oelimmersion, okular 4) untersucht. Oefters fiel uns folgende Erscheinung auf. Ab und zu sieht man im mikroscopischen Praparat runde Kügelchen, die ungefahr die Grosse der Carcinomzellen haben; in diesen Elementen hat man wieder eine sebr schwankende Anzahl, oft sogar mit dieser Yergrösserung kaum wahrnehmbare ausserst kleine Kügelchen, die sich innerhalb der grossen Kugeln stark bewegen. Wir haben uns nun die Frage vorgelegt, ob es sich hier im Zusammenhang mit der Tatsache, dass es gelang mit verschiedenen Getreidekörnern und mit daraus gezüchteten Protozoen, Carcinomen hervorzurufen, nicht um eine Entwicklungsphase des Protozoen handelt und ob die grössere Kugel die Cystewand darstellte, oder ob sie nur der Eest einer Carcinomzelle war, in der das epitheliale Protoplasma zerfallen war. Derartige Elemente, namlich eine Cyste mit fast keiner Differentierung und in ihr stark bewegliche Sporen, kennt die Protozoologie zur Genüge und wir haben sie auch beim Verfolgen der Protozoenculturen aus Getreide wiederholt angetroffen. Wir haben uns also an erster Stelle wieder den Protozoenculturen zugewandt. Auf meinen Wunsch hat mein Amanuensis, Herr J. J. Zeegerman, mit grosser Geschicklickkeit und unerschöpflicher Geduld noch einmal die ganze Entwicklung der aus Getreide gezüchteten Colpoden verfolgt, nachdem er sich erst von der Eichtigkeit der bereits früher erwahnten Untersuchungen von Rhtjmbler überzeugt hatte. Einer seiner Berichte lautet folgendermassen: „Zwischen das Objekt- und Deckglas brachte man einen Tropfen einer Colpodencultur, die viele bewegliche Formen enthielt. Um einem Eintrockenen vorzubeugen, habe ich bei der Untersuchung die Ehumblersche Methode angewandt. Von einem sehr dünnen capillaren Eöhrchen wurde ein kleiner Heber gemacht, dessen tropfendes Ende dicht beim Deckglas auf dem Objektglas ruhte. Aus diesem Heber lief in einem sehr langsamen Tempo ein sterilisiertes Decoct von gleichen Teilen Hafer und Gerste. An die entgegengesetzte Seite des Deckglaschens wurde ein kleiner Streifen Filtrierpapier gelegt, der die Feuchtigkeit sehr langsam aufsog. Dadureh erhalt man eine sehr langsame Durchströmung des Materials. Die Cultur wies nun unter dem Mikroscop viele sich schnell bewegende Colpoden auf, deren Bewegungen nach vielen Stunden allmahlich trager wurden, bis sie sich schliesslich zum grössten Teil kugelförmig zusammenzogen. Nach 24 Stunden war die Cystenbildung vollendet. Noch einen Tag spater waren die Wande der Cysten dicker geworden. Nach Yerlauf von weiteren 24 Stunden war das ganze Bild unverandert geblieben. Darauf habe icli das Experiment bei höheren Temperaturen wiederholt, wobei ich den elektrisch heizbaren Objekttisch der Firma Leitz benützte. Um durch die durchfliessende Feuchtigkeit den Objekttisch nicht zu beschadigen, wurden die Objektglaser mit einem Lackrand versehen. Bei einer Temperatur von ungefahr 25° C. zeigten die Protozoen eine sehr starke Beweglichkeit, die vielleicht von der Luftzufuhr nach der Bhumblerschen Methode herrührte. Am nachsten Tage hatten sich viele Cysten gebildet. Sie unterschieden sich jedoch deutlich von denen der vorherigen Untersuchung. In den meisten Cysten befanden sich sehr stark bewegliche Körperchen. Ihre Anzahl schwankte zwischen 6 und 9. Einige Colpoden bewegten sich trage und rollten sich um ihre Achse. Darauf wurden sie sehr klar, durchsichtig und nahmen immerfort drehend, eine Kugelform an, wobei die Membrane sichtbar wurden. Auch in dieser Membrane fand man einige bewegliche Kügelchen vor. Ab und zu stossen die Cysten diese kleinen beweglichen Kügelchen heraus. Am nachsten Tage enthielt das Praparat eine grosse Anzahl freie Kügelchen, die sich deutlich bewegten. Einige schienen sich an das übrige Material des Praparates anzuheften, blieben dann ungefahr eine Viertelstunde sehr ruhig liegen und zeigten darauf eine stark zitternde Bewegung. Darnach verloren sie die Kugelform, dehnten sich, wahrend sie immerfort heftig zitterten, spulförmig aus. Nach ungefahr einundeinerhalben Stunde waren diese Formen etwas ruhiger geworden und fingen, nachdem sie sich gleichsam losgerissen hatten, an, sich durch das Gesichtsfeld zu bewegen. Diese Beweglichkeit ist von einem kleinen, sich am vorderen Ende befindlichen, Flagel abhangig. Nach einigen Stunden hatten viele diesen Flagel verloren und wiesen am vordersten Teil des Körperchens eine kleine Einbuchtung auf, durch die sie sehr kleinen Colpoden ahnlich sahen. Folgende Beobachtung klarte uns über die Bedeutung der Luftzufuhr auf. Unterlasst man diese Luftzufuhr eine zeitlang, so verschwinden die Protozoen aus dem Gesichtsfeld und begeben sich an den Band des Deckglaschens, um darauf bei einer erneuten Luftzufuhr sich wieder-über das ganze Gesichtsfeld zu verbreiten. Ab und zu konnte ich folgende Erscheinung beobachten. Manchmal sieht man, dass eine Colpode sich an die Luftblase andrückt um plötzlich kleine Kügelchen auszuscheiden, die sich bereits nach 3 Minuten spulförmig ausdehnten, stark zu zittern anfingen und unregelmassige amöbenartige Formen annahmen. Auch bei diesen Formen war die Beweglichkeit von einem Flagel abhangig." Wir haben uns jetzt folgende Frage vorgelegt. Sind die kleinen beweglichen Kügelchen, die wir ab und zu innerhalb der Cysten, besser vielleicht noch da, wo die Umhüllung durch die Beste der degenerierten Carcinomzellen, also durch Pseudocysten gebildet wird, mit den ausserst kleinen Sporen, wie die aus Getreide gezüchteten Colpoden sie aufweisen, identisch? Ware dies in der Tat der Fall, so müsste die erste Arbeit sein, dass man aus diesen Kügelchen, das heisst also praktisch aus Carcinomen, ein weiteres Entwicklungsstadium, entweder das mehr spulförmige Flagellatenstadium oder die eben erwahnten Amoeboflagellaten züchtet. Für die Untersuchung wurden nicht nur experimentell hervorgerufene Tumoren, sondern auch Geschwülste, die uns mehrere Chirurgen zur Yerfügung steilten und bei denen die klinische und pathologisch-anatomische Diagnose „Carcinom" lautete, verwandt. Bei der Construction der Untersuchungsmethode habe ich mich an erster Stelle dessen bedient, was die Cultur von Getreideprotozoen uns lehrt und mir zweitens die Frage vorgelegt, unter welchen Umstanden entstehen in den Protozoenculturen aus den Kügelchen die grösste Anzahl zitternder Spulformen. Jeder, der Protozoen aus einem Getreideinfus verfolgt, kann beobachten, dass sie sich Hand in Hand mit der Bakterienflora entwickeln. Nach Verlauf eines kürzeren oder langeren Zeitraumes, und dies hangt wieder von dem verwandten Material ab, sieht man oft die beweglichen Protozoen verschwinden. Nun wendet man folgende Methode an. Man lasst die Cultur in einem stark geheizten Zimmer bei ungefahr 80° F. eintrocknen. In diesem eingetrockneten Zustand sind also eine Anzahl Cysten und sehr wahrscheinlich auch eine grosse Anzahl als Sporen aufzufassende freie Kügelchen vorhanden. Diese Dauerformen haben eine aussergewöhnlich starke Ausdauer. Ich besitze Material, das vor einigen Jahren eingetrocknet wurde und aus dem wir noch taglich eine grosse Anzahl oben genannter Spulformen züchten können; hierbei sieht man wiederholt Colpoden auftreten. Bei diesem Eintrocknen geht eine sehr grosse Anzahl Bacterien zu Grunde, teilweise durch das Eintrocknen selbst, teilweise durch die sehr hohe Salzconcentration, die schliesslich beim Eintrocknen notwendig entstehen muss. Die Parasitencultur aus Carcinomen nahmen wir nun folgendermassen vor. Von dem zu untersuchenden Material wurde eine Emulsion in sterilisiertem Grachtwasser oder einem verdünnten Getreidedecoct gemacht. Dieses Material wird nicht steril auf mehrere Petrischalen verteilt. Gewöhnlich benützt man eine grosse Anzahl dieser Culturen. Von der ersten Cultur wird nach Yerlauf von 24 Stunden der Deckel abgenommen, von der zweiten nach zweimal 24 Stunden, bis schliesslich alle Culturen eingetrocknet sind; darauf werden sie mit Wasser begossen und die eingetrocknete Masse so viel wie möglich durch die Flüssigkeit verteilt. In mehreren Pallen habe ich diese Behandlung wiederholt. Ich habe sowohl die ersten Culturen, als auch die aus eingetrocknetem Material erhaltenen, in Tropfenform mittels eines starken Trockensystems untersucht. Sowohl in den experimentell hervorgerufenen Tumoren, als auch aus Krebsgeschwülsten von Menschen, die uns von chirurgischer Seite zur Verfügung gestellt waren, wurden wiederholt spulförmige, stark zitternde Protozoen angetroffen, die man in morphologischer Hinsicht nicht von den Formen, die aus den Sporen der Colpoden entstehen, unterscheiden kann. ZUSAMMENFASSUNGr. An erster Stelle habe ich in dieser Abhandlung die Meinung verteidigt, dass der Krebs durch Protozoen hervorgerufen wird und zwar an Hand einer Arbeitshypothese, die lautet: Die Eigenschaften, die die Krebszelle von der Epithelzelle, aus der sie hervorgegangen ist, unterscheiden, können am besten erklart werden, wenn man annimmt, dass diese Zelle einigezeit mit Protozoen symbiotisch zusammenlebt, die die für die Krebszelle spezifischen Eigenschaften erklaren können. Bei keinem auf experimentellem Wege hervorgerufenen bösartigen Tumor kann man die Wirkung der Protozoen ausschliessen; in Hafer, Gerste und anderen Getreidearten sind sie in incystierter Form vorhanden. Aus Würmern, die man in atypischen Epithelwucherungen der Gallengange vorgefunden hat, kann man sie züchten. Teerpinselungen bei Mausen weisen ein vollstandig abweichendes Resultat auf, wenn man die Versuchstiere in einem möglichst protozoenfreien Milieu ziichtet und pflegt. Unter normalen Umstanden leben die Tiere in einem protozoaren Milieu (Heu und Stroh) oder sie werden jedenfalls mit Futter, das Protozoen in entwicklungsfahiger Form enthalt, genahrt. Schaben und andere Insekten kommen gleichfalls aus einer Umgebung, die mit Protozoen infiziert ist. Man erreicht die besten Eesultate bei dem experimentellen Hafer- und Getreidecarcinom, indem man sich eines Anreiche- rungsverfahren bedient, bei dem man das Getreide wiederholt trocknen lasst, nachdem man es vorher befeuchtet hat. Im Zusammenhang mit der Tatsache, dass man auf dem Lande überall pflanzenartiges Material findet, das Protozoen enthalt, ist eine epidemiologische Beobachtung aus letzter Zeit, die ich in einem Aufsatz von André Philibert im „Bulletin médical" yom 19. Dezember 1925 citiert fand, von grosser Wichtigkeit. Ballans und Havillon fanden in England, dass eine Zusammenhaufung von Carcinomfallen bei der Bevölkerung in der ÏTahe von Flüssen, die in regelmassigen Abstanden aus ihren Ufern treten, auftrat, eine bedeutende Mitteilung für diejenigen, die die Epidemiologie des Krebsproblems studieren wollen. Es braucht den Protozoologen nicht in Erstaunen zu setzen, dass noch nie mikroscopisch Protozoen in Carcinomen beobachtet worden sind. Er weiss, dass die Protozoen sich in einem Cyklus entwickeln; man findet in der Form der Sporen, neben grossen mit schwacher Vergrösserung sichtbaren Phasen, eine fast ultravisible Phase. Wenn man versuchen will, Protozoen aus Tumoren zu züchten, muss man sich an erster Stelle klarmachen, dass die Nahrung dieser Tierchen von der Mitwirkung von Microben, in einem pflanzenartigen Milieu, abhangig ist. Ausserdem muss man wissen, dass das Wachstum der Bacterien so über Hand nehmen kann, dass die Protozoen sich nicht entwickeln können. Hier bietet die erwahnte Methode des Eintrocknens, bei der die Cysten und Sporen lebensfahig bleiben, einen Ausweg. Beim Entstehen von Krebs, bei dem experimentellen Erregen von Carcinomen, muss man sich praekanceröser Zustande bedienen. Hierunter versteht man die pradisponierende Zustande, die es der Epithelzelle ermöglichen zur Krebszelle zu werden. Sie stellen nie ein Anfangsstadium von Carcinom dar; Pracarcinomen bestehen nicht. Praekanceröse Zustande sind die- C- ft jenigen, bei denen gewöhnlich ein wiederholter Zerfall mit immer wieder folgenden Neubildungen des Epithels stattfindet. Aus den Beobachtungen von Fenwick, aber noch mehr aus dem Carcinom des magenlosen Hundes geht hervor, dass man wahrscheinlich mit praekancerösen Zustanden lokaler und allgemeiner Art rechnen muss. Bei dem auf experimentellem Wege hervorgerufenen Carcinom haben wir im Zusammenhang mit Yorstehendem verschiedene praekanceröse, das heisst also pradisponierende, Zustande benützt, wie z. B. das Einpinseln von Teer, Brandwunden und ein wiederholtes Curettieren des an der Oberflache sich befindenden Epithels. Das protozoenenthaltende Material wurde sofort an Ort und Stelle selbst (Haut) appliciert oder mit der Nahrung verabreicht. Diese Yerabreichung muss man langerezeit fortsetzen. Hauptsachlich benützten wir die Culturen, in denen sich aus den Sporen die Amoeboflagellatenformen zu entwickeln anfangen. Das Material, aus dem die Protozoen gezüchtet werden, hat keinen Einfluss, nur ihre Cultur und die Entwicklungsphase entscheidet. Besondere Aufmerksamkeit haben wir der grossen Bedeutung des subepithelialen Gewebes, namentlich des Bindegewebes und des interfollicularen Gewebes der Peyerschen Plaques, gewidmet. Bei einem vollstandig gesunden Hund hat das Bindegewebe einen derartig grossen Widerstand, dass seine Eeaction sich dem Wachstum des anfangenden Carcinoms so lange widersetzen kann, dass dieses durch die degenerativen Faktoren, die es enthalt, zu Grunde geht, und auf diese Weise wieder zur Genesung gelangt. In anderen Fallen wird der Widerstand des Bindegewebes nur an einer einzigen Stelle gebrochen. Viel geringeren Widerstand bietet dagegen beim normalen Hund schon das interfolliculare Gewebe. Beim magenlosen Hunde war der Widerstand jedoch geringer und zwar in der Hinsicht, dass die Wucherungen im Gewebe starker sind, und ausserdem fangt das Carcinom auch in den Follikeln zu wachsen an. Von grösserer Bedeutung jedoch ist die diffuse Widerstandsabnahme des magenlosen und des achylischen Tieres. Wir sahen besonders beim magenlosen Tier Carcinomen im Anfangsstadium mit Metastasen in den Lymphdrüsen auftreten. Zwar war hier an der Stelle des infiltrierenden Wachstums im Anfangsstadium eine leucocytare Reaction bemerkbar. Der Magensaft nimmt zweifellos eine viel umfangreichere Eolle ein, als bloss die für die Magendigestion. Die Achylie ist ein praekanceröser Zustand, der für die Infektion mit dem Carcinomvirus pradisponiert. Bij S. C. VA1V DOESBURGH te Leiden is verschenen : Prof. R. P. VAN CALCAR, De Kanker en zijn ontstaan. 1920. Met 23 fotografische afbeeldingen ƒ 8.— Prof. R. P. VAN CALCAR, Der magenlose Hnnd und die Achylia gastrica. 1925. Met 10 afbeeldingen. ƒ 1.20 TER PERSE: Prof. R. P. VAN CALCAR, Riologische Voordrachten. TWEEDE DEUK.