Soiid#«H¥Sf abt l| gewidinet :|||| !L JVL «Mbelnrina Köntgm der ]Ntederlande S* K, F), Hendrik prinz der ]Siederlande Zur Grinnerung an die Internationalen fiandels- & öchiffabrtöfeete zu Rotterdam 1908 Sonder-Husgabe der „Deutsche Cdocbenzeitung für die JVfiederlande u. Belgien" Hmsterdam Druck Gebr. Binger, Amsterdam Yorwort 90© ■ ^ IE Handels- und Schiffahrtsfeste zu Rotterdam haben im In- und Ausland dermaassen die Aufmerk Dsamkeit beteiligter Kreise erregt, dass der Unterzeichnete den Entschluss fasste, die Erinnerung- daran durch Ausgabe einer Sondernummer dauernd zu erhalten. In jener Zeit der Vorbereitung erschienen verschiedentliche Veröffentlichungen auswartiger Blatter, S ■ welche wohl geeignet waren, ein ungünstiges Licht auf die Niederlande und ihre Bewohner fallen zu 0O© la ssen. Daraus sprach weniger der böse Wille der Verfasser, als vielmehr ihre Unkentniss von Land ■ ■ und Volk, eine Folge der sprachlichen Abgeschiedenheit der Niederlander. (Nicht alle auswartigen Blatter sind namlich in der Lage, einen standigen Correspondenten in den Niederlanclen anzustellen). Diese Erscheinung hat der Unterzeichnete, in seiner langen Laufbahn als Correspondent auswartiger Blatter, schon haufig beobachtet und deshalb versucht, Nieclerland, sozusagen, unter hydraulischen Feder-Druck zu bringen und diese Federfrucht befugter Kenner der einschlagïgen Verhaltnisse den Collegen und den Lesern im Auslande zu recht haufiger Benutzung anzubieten. Das Werkchen macht durchans nicht den Anspruch auf Vollkommenheit. Ware es dies, dann würde es den Rahmen einer Hanclleitung weit überschreiten. Mit Genugtuung kann der Unterzeichnete constatiren, dass ihm, bei der Abfassung, von allen Seiten und in erster Linie vom Festausschuss und von der Holland-Amerika-Linie, das liebenswürdigste Entgegenkommen zu teil wurde. Herzlichen Dank dafür diesen Korporationen und allen Mitarbeitern, die der Bitte, in ihren Ausführungen kurz zu sein, entsprachen ! Noch wünschte ich das Gefühl der Flochachtung und Bewunderung des zielbewussten Vorgehens der Rotterdamer Grosskaufmannschaft, Rheder und Industriellen zum Ausdruck zu bringen, welches sie hier zu Lande durch die Abhaltung der Feste erweckt, und das dieses Werkchen in die Erscheinung gerufen hat. Moge es dazu beitragen, dem Ausland ein Bild von der stahlernen Willenskraft, der zahen Ausdauer, dem berechtigten Selbstbewusstsein dieser Hauptstützen des niederlanclischen Gemeinwesens zu geben! A. PRELL, Redacteur u. Herausgeber der «Deutsche Wochenzeitung für die Niederlande und Belgien." Der f estaii69cbus9 1 Phs. VAN OMMEREN Junior, ijFirma Ph. van Ommeren. 2 Jonkheer OTTO REUCHLIN, Director der Holland Amerika Linie, Vorsitzender. 3 C. KOLFF A.Qzn., General-Consul von Schweden. 4 H. KRUTHOFFER, i\Firma Kruthoffer & Doll. 5 ALFR. RUOFF, i\Firma W. Schöffer & Co. 6 Dr. V. VAN PESKI, Rechtsanwalt, Schriftführer. Das internationale fiandels- und Scbïffabrtsfest in Rotterdam NBEKANNT macht unbeliebt, sagt ein altes hollandisches Sprüchwort. Nun ist ja allerdmgs Rotterdam weder unbekannt noch unbeliebt, sondern, bekanntermassen, weltbekannt und sehr beliebt, was der Aufschwung seines Handels zahlengemass beweist, aber es sind eben nur die Zahlen, die dafür sprechen. Und Zahlen, Zahlen ... Man will doch schliesslich auch mal was anders sehen, als dieses ewige Geziffer mit Tons, Pferdekraften, Schiffslangen und Wassertiefen. Das Papier ist geduldig, die Statistiker können Böcke schiessen, aber aus dem, was das eigene Auge gesehen, schöpft man seine Ueberzeugung. Das hat die Rotterdamer Kaufmannschaft, enger genommen: ihre Handelskammer, eingesehen. „Was, nur 22 Mitglieder zahlt die Handelskammer dieser Weltstadt?", horten wir einen Herren (Nichtmitglied einer Handelskammer) aus einer ganz kleinen rheinischen Hafenstadt ausrufen; „und wir haben 22." Nun ja, dort werden wahrscheinlich sehr vielé beeidigte Weinprüfer nötig sein oder es sind Leute darunter, die, urn auf ansxandige Weise an einen Hausschlüssel zu kommen, sich ein solches Amt wohlgefallen lassen. In Rotterdam ist dies anders : gerade wie in den grossen deutschen Handelsstadten. Hier reprasentiert jedes Mitglied einen bedeutenden Handelszweig und vertritt dessen Interessen nach Wissen und Gewissen. Da giebt's kein : „Mein Name ist Hase, ich weiss von nichts!", sondern hier tragt jedes Mitglied eine schwere Verantwortlïchkeit auf seinen Schultern. Wenn solche Leute also sich über etwas einigen und sagen, das und das wird gemacht, dann kann man versichert sein, dass dies in einer Weise geschieht, welche Rotterdam würdig ist. Die Schifffahrtsfeste beweisen dies. Dabei hat aber nicht einmal die ganze Handelskammer mitgewirkt. Ein Festausschuss, bestehend aus den Herren Jonkheer Otto Reuchlin (Vorsitzender), C. Kol ff A.Quzn., H. Kruthoffer, Phs. van Ommeren jr., Alfred Ruoff und D r. V. van Peski, als Secretar, hat das Kunststück allein fertig gebracht, gegen 400, uuiu»auo iiu-m aiiopiuLuaiuac, \_rctsuc lil ucw UllUerUIlg ZU VerSetZen. Aus aller Herren Lander waren sie herbeigeeilt und da Rotterdam's Gasthöfe, wahrend der Reisezeit, zu Kiein sind, eine solche Reihe von Gasten zu herbergen, hat das Comité, in weiser Fürsorge, die Herren in Scheveningen untergebracht, wo sie, in angenehmer Abwechslung, etwas anders zu sehen bekommen, als Riesendampfer, Riesen-Elevatoren, Riesen-Kaufleute und andere riesige Dinge. Bürgermeister Zimmerman Am Dienstag früh dürften aber doch nur wenige von ihnen Scheveningens Herrlichkeiten genossen haben, denn schon um 57 Uhr mussten sie aus den Federn, um die Reihe der frohen Feste eröffnen zu helfen. Die Vorhalle der Maasstation war, durch kunstsinnige Hande, in höchst geschmackvoller Weise, in einen Empfangshalle an der Maasstation Empfangssalon umgeschaffen worden, wo sich Rotterdams Handels-Aelteste zur Begrüssung ihrer Geschaftsfreunde und Solcher, die es werden sollen, zusammengefunden hatten. Herr Jhr. Reuchlin, der Director der Holland-Amerikalinie, nahm die Honneurs wahr. Kaum waren die Gaste dem Zug entstiegen, als auch schon Aeolus und Pluvius ihrem Collegen Mercurius einen hinterlistigen Schabernak spielten; wahrend ersterer aus allen Ecken zugleich bliess, lachte letzterer thalergrosse Thranen, die laut klatschend in die Halle fielen. Wennes nur noch Börsianer gewesen waren, die hier versammelt waren, um „Wind"handel zu treiben, dann hatte man begreifen können, dass Aeolus, aus Concurrenzneid, ihnen „was blasen" wollte und sie vora „Pluvius in die Traufe" gerieten. Aber hier waren nur Handelsfürsten mit ihrem Gefolge beisammen, welche auf dem festen Boden eines reellen Handels stehen. Ihnen widmete Herr E. P. deMonc h ij R z n., Prasident der Handelskammer, folgende herzliche Begrüssungsworte : E. P. DE MONCHY RZN. Prasiiïeut der HamlekkaiJiiiier „Deux mots, Messieurs, pour vous souhaiter la bienvenue dans 1'enceinte de Rotterdam : Vous, Messieurs, représentant diverses branches du Gouvernement Néerlandais, qui, par leur présence en ce lieu, donnent un reliëf a la réception des invités de la Chambre de Commerce et de l'Industrie; mais surtout vous, Messieurs les invités, tant de 1'Etranger que de notre Patrio, qui avez voulu prendre la peine de vous rendre chez nous pour r.ous mettre en état de vous montrer le développement de notre Port et les tacilités pour la Navigation qu'011 y trouve. II est de mon devoir, Messieurs, de vous rappeler des le commencement que — quoique invités par la Chambre de Commerce — vous serez les hötes pour ainsi dire du Commerce entier. Dans les Pays-Bas, les Chambres de Commerce n'étant que des institutions de conseil, elles ne peuvent se pcrmettre le luxe d'une réception de quelque étcndue et notre Chambre a dü soumettre aux maisons de commerce lïntention de — soyons francs — de faire un peu de réclame pour notre port. Inutile de vous dire que cette idéé a été grandement applaudie et que les commercants se sont hatés de nous mettre en état d'y donner suite. Je vous demande pardon, Messieurs, de vous avoir entretenu d'un peu de prose; mais c'était nécessaire pour que vous sachiez, que le nombre de ceux qui tiennent a vous recevoir est bien plus grand que vous pourriez en avoir 1'impression d'après 1'invitation. L'idée fondamentale de la réception est de vous mettre en état de juger vous-mêmes, Messieurs, des accomodations du port de Rotterdam. Nous avons 1'intention de vous faire voir la Rivière dans les deux directions. Nous voulons vous conduire sur cette nvière en la remontant jusqu'a 1'ancienne viile de Dordrecht ou du moüis dans !a proximité de ce lieu historique et aussi nous tenons beaucoup a vous laisser naviguer jusqu'a la Mer, pour que vous puissiez vous-mêmes vous former une idéé sur la petite distan ce qui nous en sépare; une voie ou verte et navigable dans toutes les saisons par a peu pres les plus grands vapeurs. C'est a cette communication que nous devons le développement de notre ville des dernières années. II va sans dire cependant, qu'une simple voie de mer n'aurait pas suffi a établir un trafic tel que celui dont nous jouissons et dont les chiffres vous seront donnés dans les ouvrages qui seront mis a votre disposition, des chiffres qui se laissent beaucoup mieux lire qu'entendre. Pour atteindre ce résultat, le port seul n'aurait pas suffi. II lui fallait des commercants et des relations, mais surtout des lignes régulières, qui entretiennent la correspondance entre ce méme port et les centres de commerce ailleurs. C'est pour ga, Messieurs, que parmi les invités se trouvent en premier lieu les Directions de-. Lignes qui entretiennent la communication de Rotdam avec 1'Etranger par voie de mer et par la rivière. Le grand nombre de ces Lignes est cause que nous avons été obligés de limiter un peu le nombre des autres invités et de nous priver du plaisir de réunir en ce lieu 1'ensemble des institutions de commerce et des commeixants que nous pouvons compter parmi nos amis. La situation de notre pays et surtout de notre port, environné a une distance de quelques heures par des Etats d'une étendue maintes fois plus vaste que la notre, nous oblige de chercher notre force dans 1'occasion pour tout le monde de profiter des facilités que le commerce y trouve. C'est pour 5a, Messieurs, que nous avons tenu a vous offrir la réception a laquelle vous avez bien voulu vous rendre. J'espère que vous avez déja une bonne opinion de notre pays et de notre ville hospitalière, mais j'espère surtout que cette bonne opinion se consoli dera durant les jours que vous nous tiendrez compagnie. En tout cas, votre visite a Rotterdam contribuera a relier les Hens nombreux d'amitié qui existent entre les commercants d'aillcurs et ceux de chez nous. Puissions nous réussir a vous procurcr un séjour trés agréable dans la ville et sur la rivière." Herzlicher Beifall, vermischt mit Donnerschlagen, lohnte den Redner. Aber nur noch wenige Minuten spielten die beiden Götter ihr grausames Spiel und dann brach die Sonne durch, den breiten Maasstrom mit Lichtwellen übergiesssnd. Wie ganz anders sahen jetzt die flaggengeschmückten Dampfer und Schiffchen aus, die sich leicht auf den Wellen wiegten oder pustend gegen den Strom f uhren. Hundertsechzig Dampfer und siebzehn S e g 1 e r bevölkerten in diesem Augenblick die Maas und wurden gelöscht oder geladen. Ueber alle erhob sich, ein Gigant unter Zwergen, der Riesendampfer „Rotterdam" der Holland-Amerikalinie mit seinen 26.000 Tons Tragkraft. Wie ein Palast von nohem First schimmerte das scblcweisse Schiff im Sonnenlicht auf dem dunklen Wasser. Da war wohl keiner der Einheimischen oder Fremden, der im Vorbeifahren nicht den Kopf aus dem Wagenfenster gesteckt und mit Stolz oder etwas Eifersucht diesen Künder von Hollands Unternehmungsgeist betrachtet hatte. Die hundertzwanzig Equipagen hielten, nach der Spazierfahrt, vor dem „Tiergarten", Rotterdams Stolz, der mit Recht auch auf den Leiter dieser schnell emporstrebenden, verhaltnissmassig noch jungen Schöpfung, Herrn D r. B ü.t t i k o f e r, übertragen wird. Mit einem trefflichen Imbiss starkten sich die Gaste für die herrliche Fahrt nach Hoek van Holland. Ein prachtiges Landschaftsbild entrollte sich vor den Augen der entzückten Gaste. Hie und da schoben sich dunkle Wolken vor die Sonne und warfen ihre dunklen Schatten auf die schaumenden Wellen und die im saftigen Grün prangende Landschaft. Fortwahrend zogen Dampfer vorbei, die, aus der See kommend, dem Hafen zustrebten. Nichts entgmg den scharfen Augen der Gesandten Mercurs, die beim Anblick der Na.turschönheiten jedoch keinen Augenblick den Zweck ihrer Reise Gruppe der Fest-Teilnehmer aus dem Auge verloren. Die Sachverstandigen, lauter Rotterdamer Kaufleute, die ihre Maas so gut kennen, wie die Geheimfacher ihres Geldschrankes, waren unermiidlich tatig, die zahlreichen Fragen der Neugierigen zu beantworten und Herr van Oordt, Ingenieur des „Rijkswaterstaat", wies an der Hand seiner Plane und Zeichnungen unfehlbar nach, dass die „Maas" binnen Kurzem auf eine Fahrtiefe von +g Metern pochen könne. Hoek van Holland kam in Sicht, zuerst die Exportschlachterei der Firma W m. H. M ü 11 e r & Co., deren Namen in Schiff ahrt und Handel mit an erster Stelle prangt, so ungefahr wie in Niederbayern der Name Turn und Taxis. Wenn man dort eine fette Gans über die Strasse wackeln sieht und fragt: „Wem gehort die?", so bekommt man prompt zu Antwort: „JJem Taxis." In „Hoek" bheb zu wenig Zeit, die Mole mit der Rettungsemrichtung zu besuchen ; wir führen dieselbe deshalb dem Leser im Bilde vor. Per Extrazug kehrten die Uaste nach Scheveningen und Rotterdam zurück. Am Abend um 7 Uhr vereinigten sich Alle wieder an einem Festmahl in den „Doelen", das die Stadt Rotterdam angeboten hatte. Der Bürgermeister, Herr Zimmerman, empfing die Gaste, worunter sich die Minister des innern, des Aeussern und der Marine befanden, in der, ihn kennzeichnenden, liebenswiirdigen Weise. Unserm Redacteur wurde ein Kompliment über die löblichen Bestrebungen der „Wochenzeitung" zu teil. Am Ehrentisch nahmen, ausser den Ministern und dem Bürgermeister, Platz : Herr O. van Reuchlin, die Directoren der Hollandischen und der Staatsbahnen, der Garnisonkommandant, Herr Kampf, Vorsitzender des „Deutschen Handelstag", Jacoby, President der „Aeltesten der Kaufmarmschaft" in Berlin, Emil Engelhard aus Mannheim, Lord Claud Hamilton, Placid Weissenbach, der Provinzgouverneur Dr. jur. Patijn, der Prasident der Rotterdamer Handelskammer, Herr de Monchy, der Generaldirector der Post und Telegraphie, Pop, Herr C. R. Poensgen aus Düsseldorf und Herr Arthur Serena von der Londoner Handelskammer. Dass das Festessen nicht aus „Kadetjes" bestand, braucht wohl nicht bemerkt zu werden ; es war ein kuünarischer Genuss, abgewechselt durch oratorische Genüsse, deren Reigen Herr Bürgermeister Z i m m e rm a n mit folgenden Festreden und darauf folgcnden, französisch gesprochenen, Toasten eröffnete : Meine Herren ! Ich glaube in Ihrem Sinne zu handeln, wenn ich den ersten Festtrunk der eisten Person im Lande, unserer erhabenen Ilerrscherin widme. Köni- gin Wilhelmina nimmt reges Interesse an den materiellen Wohlfahrtsquellen ihres Volkes und an den grossen Verkehrscentren. Ich bin überzeugt, dass Ihre Majestat dieses Fest mit wohlwollender Aufmerksamkeit verfolgt. Trinken Sie mit mir auf das Wohl Ihrer Majestat der Königin der Niederlande. Meine Herren ! Ich glaube ferner Ihrer Zustimmung gewiss zusein, wenn ich, nachdem wir der Herrscherin dieses Landes gedacht haben, ehrerbietigst der Staatsoberhaupler der Lander gedenke, deren Untertanen hier heute anwesend sind. Es ist in hohem Maasse das Verdienst der eriauchten Fürsten, den Frieden zwischen den Nationen zu erhalten, und, da Sie, meine Herren, zu den Mannern des Welthandels gehören, denen nichts lieber sein kann, als eine, nur im Frieden mögliche, rüstig fortschreitende Entwickelung des Handels und Verkehrs mit allen Vólkern, so glaube ich, dass Sie mit mir eins sind, wenn ich das Glas erhebe und Sie bitte, mit mir anzustossen auf das Wohl der Majestaten, der Kaiser, Könige und der Regierungshaupter der Staaten., welche heute hier vertreten sind. Sie leben und ihre Regierung sei gesegnet! Meine Herren ! Als wir vernahmen, dass die hiesigc Handelskammer beabsichtige, durch ein internationales Handels- und Schiffahrtsfest, verschiedenen einflussreichen Vertretern des Welthandels Gelegenheit zu bieten, die Stadt und die Geschaftsfreunde, mit welchen sie einen regen Verkehr unterhalten, persönlich kennen zu lernen und gegenseitig Meinungen auszutauschen, da steilte sich auch die Stadt selbst die Aufgabe, nach Gebühr beizutragen zum wüidigen Empfang der Gaste und ihnen den Aufenthalt nach Möglichkeit angenehm zu machcn. Wir schatzen uns glücklich, dass unserer Einladung in so zahlreicher Weise Folge geleistet wurde und im Namen der Gemeindeverwaltung heisse ich Sie alle willkommen ; ich gebe Ihnen die Versicherung, dass die Einwohner dieser Stadt Ihren Besuch hochschatzcn und hoffen, dass Ihnen dieser Besuch in angenehmer Erinnerung bleiben werde. Jedoch würde ich mich nicht wundern, wenn der erste Eindruck, den Sie gewonnen, nicht den Vorstellungen entsprache, die man sich so gerne von einer glossen, blühenden hollandischen Stadt macht. Rotterdam besitzt weder die monumentalen Bauwerke, die Kunstschatze und ruhmreichen historischen Erinnerungen der Hauptstadt, noch die Schönheiten und Reize von Den Haag. Es ist eine Stadt mit einer Vergangenheit, die man schnell übersieht und die in der Landesgeschichte alter Zeiten nur eine untergeordnete Rolle spielte. Mit stolzen Bauwerken, oder einer lieblichen Umgebung kann sie sich nicht brüsten. Denn Rotterdam ist in seiner gegenwaï tigen Bedeutung eine neue Stadt, eine Stadt der Gegenwart, aber, lassen Sie mich gleich hinzufügen, nach unserer festen Ueberzeugung auch eine Stadt der Zukunft. Rotterdam verdankt seine Weltstellung der geographischen Lage, nahe dem Meere und an der Mündung des bede'utendsten und am meisten befahienen Stromes des Festlandes. Die Vorzüge dieser Lage haben sich vor Allem noch wesentlich mehr geltend gemacht, nachdem der Zugang von der See aus, durch kostspielige Anlagcn und Werke, derart verbessert worden, dass er den höchsten Anforderungcn unserer heutigen Schiffahrt vollkommen Rechnung tragen kann. Seitdem hat die Stadt sich in Ruhe entwickeln und die Bestimmung, die ihr vorbehalten war, erfüllen können. Innerhalb 30 Jahren vermochte sie sich aus — vom internationalen Standpunkt aus bctrachtet — unbedeutenden Anfangen, zu einem der ersten Hafen der Welt emporzuarbeiten ; zu einem Stapelplatz, unentbehrlich für den blühendsten, arbeitsamsten Teil des Festlandes. Durch die riesige Entwickelung der Industrie und Zunahme der Bevölkerung in West- und Mitteleuropa hat sie die steigende Frequenz ihrer Hafenbassins beobachten können und ist sie solchermaassen der Ausgangspunkt oder eine Zwischenstation bedeutender Schiffahrtsverbindungen geworden. Wahrend dieses Zeitraums hat sich die Bevölkerungsziffer fast verdreifacht und der Tonnengehalt der, unseren Hafen besuchenden, Schiffe ist von 1^ Million bis auf 10 Millionen gestiegen. Ich glaubte also Rotterdam mit Recht eine neue Stadt nennen zu dürfcn, in welcher man die Reize der Vergangcnheit allerdings vergeblich sucht, die jedoch andererseits in hohem Maasse fesselt durch die Beobachtung des Pulsschlages eines kraftigen Lebens und einer rastlosen Tatigkeit ; eine Stadt, die sich ihren Platz in der Welt erobert hat und sich im Stande fühlt, ihre Stellung auch in der Zukunft zu behaupten. Sie werden es wohl glauben, dass, zur Erzielung dieser Resultate, unsagliche Opfer gebracht werden mussten. Um der zusehends wachsenden Wir sind dabei alle durchdrungen von dem Bewusstsein, dass eine enge Verbindung mit dem Ausland für uns unentbehrlich ist, dass ein kleines Land sich selber nicht genug sein kann, und dass unsere Zukunft abhangig ist von dem freundschaftlichen Verhaltnis mit fremdcn Nationen. Abfahrt nach Hoek van Holland Ausbreitung der Schiffahrt gerecht werden zu können, mussten grosse Werke geschaffen werden. Wir sind stolz darauf, Ihnen diese zeigen zu können. Diese Werke und Bauten sind aussohliesslich auf Kosten Rotterdams, ohne jede staatliche oder private Mithülfe ausgeführt worden. Die Ausdehnung der Hafenanlagen nimmt stetig zu. Kaum war ein Hafenbassin von ca. 60 H.A. vollendet, als auch schon wieder mit der Anlage eines solchen von ca. 310 H.A. begonnen wurde. Die riesigen Summen, welche für solche Arbeiten gefordert wurden, hat der Gemeinderat mit unveranderlicher Bereitwilligkeit gewahrt, in der Ueberzeugung dass der Aufschwung der Stadt durchaus abhangig ist von dem Erfolg des Hafens, und dass die grosse Bevölkerung Rotterdams, welche aus allen Landesteilen sich hier niedergelassen hat, nur durch einen regen Schiffsverkehr bestehen kann. Jedoch ist die Gemeindeverwaltung durchaus nicht der Ansicht, dass mit der Ausführung von Hafenbauten alles geschenen sei, um den Verkehr zur Entwickelung zu bringen. Wir sind vielmehr der Ueberzeugung, dass hierzu, mehr noch als technische Anlagen, eine energische Bevölkerung und gute Beziehungen zu den grossen Centren in fremden Landern, nötig sind. Deshalb war es uns auch eine Freude zu vernehmen, dass die Handelskammer, zur Kraftigung dieser guten Beziehungen, an alle hervorragenden Firmen und Personen im Ausland, zum Besuche unseres Hafens Einladungen ergehen liess und war es uns eine Ehre, unsere Einladung beifügen zu dürfen. Uebiigens ist Ihr Besuch nicht allein von lokaler Bedeutung. Die Anwesenheit Ihrer Excellenzen der Minister des Aeussern, des Innern und des Handels, des Provinzgouverneurs von Südholland, ferner einer grossen Anzahl hcher Staatsbeamten und Vertreter grosser niederlandischer Unternehmungen, gleich der Niederlandischen Handelsgesellschaft, der Hollandischen Eisenbahngesellschaft und der Gesellschaft zum Betrieb der Niederlandischen Staatsbahnen, beweist Ihnen, welchen Anteil die Regierung und das ganze handeltreibende Niederland an Ihrem Besuch nehmen, und ist es der Gemeindeverwaltung ein Bedürfnis, zu erklaren, dass sie es zu würdigen weiss, diese Autoritaten hier zu sehen, wodurch sie ihr Interesse für diese Feste kundgeben. Ich schmeichle mir, dass Sie von hier aus die Ueberzeugung mitnehmen, unser Vaterland, das binnen Kurzem innerhalb seiner Grenzen den Friedenspalast empoistreben lassen wird, erkenne den grossen Wert eines kraftigen internationalen Verkehrs als die schönste Frucht des Weltfriedens. Wahrlich, wir wünschen in dieser Hinsicht unsern Platz unter der Sonne zu handhaben. Wir wünschen nicht das Holland der eigcntümlich gekleideten Bauern und B auerinnen, das Holland mit den schmalen Kanalen, noch das Holland der Altertümer-Geschafte zu sein : wir wollen nicht als ein Museum voll Sehenswürdigkeiten betrachtet werden, sondern als ein Land mit einer bevorzugten Lage, das mit Ehren an dem friedlichen Wettbewerb der Völker teilnimmt und strebt, im 20. Jahrhundert den guten Ruf von Handel, Gewerbe, Schiffahrt und Bildung zu handhaben, den unsere Ahnen uns hint er! assen. Die Fahrt nach Hoek von Holland Meine Hei ren, möge also Ihr Besuch zur Förderung der Entwickelung dieser guten Beziehungen beitragcn ! Glauben Sie mir : wir sind stolz darauf, Sie hier zu sehen, und Ihnen unsere Stadt und unsern Hafen zeigen zu können. Wir hoffen, dass Sie an die, hier verlebten, Tage die besten Erinneiungen bewahren und dass diese Tage das Band zwischen Ihnen und unserer Stadt noch enger knüpfen werden. Mit diesem Wunsche, meine Herren, erhebe ich das Glas, um im Namen der Gemeindeverwaltung Rotterdams auf die Gesundheit und das Wohl unserer Gaste zu trinken. Nachdem der Bürgermeister, unter lautem Beifall der Gaste, seine Rede beendet hatte, erhob sich der Prasident der Handelskammer, Herr de M o n c h ij, und hielt, in fliessendem Deutsch, folgende Ansprache an die, in Spannung lauschenden Anwesenden : Ich habe den Herrn Bürgermeister gebeten, mir das Wort zu geben, weil ich gleich zu Anfang, der Stadtischen Behördc den Dank der Handelskammer aussprechen möchte für die Weise in welcher sie mitwirken wollte um der Handelskammer die Gelegenheit zu geben, ihre Gaste in passender Weise zu empfangen. Sobald der Gedanke dieses Internationalen Schiffahrts- und Handelsfestes eine festere Form annahm, ausserte der Herr Bürgermeister sich dahin, dass er Wert darauf lege, dass die Stadtische Behörde bei dem ersten Festmal vorsitzen sollte. Wir sahen darin wieder den Beweis der Sympathie der Obrigkeit mit dem Rotterdamer Handel. Hierüber wollte ich jedoch in Hauptsache nicht sprechen. Der Zweck und die Bedeutung dieses Festes sind es, welche von mir angedeutet werden sollen. Oeber die Bedeutung will ich kurz sein. Wer bei sich zu Hause Gaste empfangt, hat sich zu hüten, dass er nicht allzu deutlich kennbar macht, wie die Anwesenheit seiner Festgenosscn ihn mit einem gewissen Stolz erfüllt. Vertreter Niederlandischer Handelskamme n im Ausland Dennoch kann ich nicht umhin, meine grosse Freude darüber im Namen der Handelskammer auszusprechen, dass die Zahl der geschaftlichen Verbindungen der Rotterdamer Handier so ausgebreitet ist, dass man unmöglich alle einladen konnte, welche man eigentlich hatte einladen sollen und einladen wollen. Rettungs-Einrichtung aus Seenot am Hoek van Holland. Es liegt darin eine kleine Andeutung dass Rotterdam anfangt, eine mehr oder weniger hervorragende Stellung im Weltverkehr einzunehmen. Bei der Andeutung des Zweckes darf ich freier sprechen. Es ergeht uns hier wie es einem Jeden ergeht der etwas erworben hat: er will noch mehr erwerben. Wir wissen es alle. Rotterdam verdankt seinen Auf schwung der letzten Jahre in allererster Reihe seiner geografischen Lage. Einerseits nahe dem Meere, andererseits an der Mündung eines von altersher viel befahrenen Flusses, der freilich seinen Namen im Laufe durch die Niederlande ein paar Mal wechselt, der aber seine Gewasser an unsere Stadt vorbei in die Nordsee sendct. Die in früheren Jahren so ausserst mangelhafte Verbindung mit dem Meere war aber Ursache, dass die Entwicklung nicht fortschreiten konnte wie es angewiesen schien und von Vielen gehofft wurde. Unsere Gaste belieben in diesem Feste die Aeusserung zu erblicken einer Anerkennung dessen was sie zum Teil s e 1 b e r für unsern Hafen getan haben. Damit allein ist der Zweck dieses Festes aber noch nicht erschöpft. Der Zweck liegt noch weiter, wie ich schon andeutete. Wir halten uns hier überzeugt, dass, wer unsern Hafen kennen lernt, ihn auch liebhaben muss und mitwirken wird um denselben auch da bekannt zu mach en wo er noch zu wenig bekannt ist. Die Herren haben heute wohl gesehen und werden sonst noch Gelegenheit dazu finden, dass Rotterdam zu einer noch weit grosseren Ausdehnung im Stande ist; dass es Gelcgenheit giebt für noch verschiedene Dampferlinien, einen Sitz hier einzunehmen. Sie werden finden, dass Handel und Verkehr schon folgen werden, der Handel in Rotterdam selbst und der Handel über Rotterdam als Einfuhr- und als Ausfuhrstelle. Festessen in „De Doelen" Erst als der offene Kanal —■ unser sogenannter Neuer Wasserweg ■— zur Talsache geworden war, konnte die Ausbreitung des Verkehrs vor sich gehen; aber da kam es darauf an, dieselbe gleichen Schritt halten zu lassen mit der Vertiefung der Wasserstrasse. Dieses nun geschah in einer Weise die Zeugniss ablegte von einer liberalen Auffassung unserer Handelsleute. Man war hier davon durchdrungen, dass der Handel und der Verkehr zur steten Entwicklung der grösstmögl'ichen Freiheit bedürfen, Freiheit für den Handel aber auch Freiheit für die Handier. Man achtete nicht darauf ob der Handel betrieben wurde von den seit Jahren hier etablirten Handelshausern, ob Zwischenpersonen die Grenzen ihrer Arbeitsamkeit etwas weiter zogen als bis dahin gebrauchlich, ob sogar Fremde ihre eigenen Vertreter hierher sandten um den grössten' Teil des Profits für sich zu behalten. Die Ausdehnung des Verkehrs war die Hauptdevise. Zu wessen Gunsten — kam erst in zweiter Reihe in Betracht. Mit der Ausdehnung des Verkehrs hielt die fernere Entwickelung des eigenen Handels aber gleichen Schritt. Zwar hatte manches Rotterdamer Handelshaus seinen Wirkungskreis abzuandern ; zwar traten hier und da neue Namen an den Platz der altbekannten ; aber das Propregeschaft als grosses Ganzes entwickelte sich neben dem Speditionsgeschaft. Die eine Branche reichte der anderen sogar die Hand — und Rotterdam wurde mehr und mehr der Ort wo es Platz giebt für den umfangreichen Import und Export für Rechnung des Inlandes und des Auslandes. Was ist natürlicher als dass damit die Ausdehnung des Dienstes verschiedener Dampfschiffahrtgesellschaften Hand in Hand ging und diese damit wieder beitrugen den Verkehr noch ferner zu vergrössern. Es kann nicht wunder nehmen, dass aus dem Grunde der Gedanke reifte, den Vorstanden dieser Gesellschaften einmal die Gelegcnhcit zu bieten, sich anzusehen, was aus dem früher so kleinen Hafen geworden ist, Dank der Energie des Aus- und Inlandischen Handels, aber nicht weniger Dank der Mitwirkung der Rhedereien. Fürs Erste aber lassen wir die Zukunft ruhen und beschranken uns auf die Gegenwart. Die Gegenwart scheint mir hier in würdiger Weise vertreten und ich darf wohl eine allgemeine Einstimmung erwarten, wenn ich vorschlage, das Glas zu leeren auf die geschaftlichen Beziehungen Rotterdams, dei en Vertreter hier in so grosser Zahl anwesend sind. Ein wirkliches oratorisches Meisterstückchen, sowohl was die Fassung, als den Inhalt betrifft, war, nach dem Urteil aller Anwesenden, die Rede des Herrn A. R u o f f, Mitglied der Handelskammer und des Festausschusses : Mit Erlaubnis des Herrn Vorsitzenden dieser festlichen Versammlung ergreife ich das Wort, um Innen vom Standpunkt der Rotterdamer Handelskammer, mit Bezug auf die festlichen Veranstaltungen, die uns für mehrere Tage vereinen, noch Einiges im Anschlusse an die Rede des Heirn Prasidenten unserer Kammer auszusprechen. Rotterdam als Hafen und Handelsplatz hat in den letzten 3 Jahrzehnten eine ganz ungewöhnliche Entwickelung durchgemacht. Nachdem 1880 der Bau unseres neuen Wasserweges zur See nach den genialen Planen des, dadurch weit über die Grenzen seines Vaterlandes hinaus bcrühmt gewordenen, hollandischen Ingenieurs P. Caland, zur Ausführung gelangt war, hat der See- und Flussverkehr über unseren Hafen in mehr als erwarteter Weise und in ungeahnten Dimensionen zugenommen. Es waren zeitweise nicht Hande genug vorhanden, um den Verkehr zu bewaltigen. Ein fortwahrender Zuwachs von Arbeiterbevölkerung war nötig und fand auch statt. Immer mehr Dampferlinien von allen Weltteilen liefen Rotterdam regelmassig an und fanden hier ihren Vorteil. Die vei mittelnden Handelsorgane fanden überreiche Beschaftigung und bedingten eine unvermeidliche aber erfreuliche Zunahme gesunder Concurrenz. Es vergingen Jahre und Jahrzehnte angespannter und anregender Tatigkeit, die aber nach aussen nur für die daran direct Beteiligten sichtbar war. Keine Reclame grosseren Stils hat zu unserer Entwickelung beigetragen, alles kam bis zu einem gewissen Grade aus sich selbst heraus. Worin nun ist dieser beneidenswerte Zustand begründet? Was hat Rotterdam seine Entwickelung scheinbar so leicht gemacht? Mit wenigen Worten ist diese Frage beantwortet. Rotterdam verdankt seinen Aufschwung, seine — man darf es mit Recht so nennen — grossartige Entwickelung nur natürlichen Ursachen. Nachdem unser Seeweg, allen Ansprüchen genügend, einmal da war, brachte es der logische commercielle Verlauf mit sich, dass der Handelsverkehr über den Atlantischen Ocean nach und auch von dem Rhein sich immer mehr über Rotterdam walzen musste. Das ist so natürlich, so logisch, dass auf die Dauer, und sofern man hier seinen Vorteil weiter erkennt und verteidigt, der Wettbewerb, der sich auf künstliche und weniger natürliche Verkehrswege basirt, unserer Weiterentwickelung nicht schaden kann. So wie heute die Wasserstrassen nach dem Rhein beschaffen sind, liegt Rotterdam tatsachlich am Ausflusse des schiffbaren Rheins ins Meer. Eine schnellere und billigere Verteilung der über See hereinkommenden Waren — mit Bestimmung nach dem Rhein und seinen Annexen — als über unseren Hafen ist daher schwer denkbar. Und dann! Welcher grosse continentale Hafen am Ausflusse eines Stromes ist, wie der unsrige, im Winter für grosse Dampfer eisfrei? Wo sonst kommen die Ladungen auch mit grösserem Tiefgange unter normalen Umstanden ungebrochen vor die Stadt? Der Rotterdammer Handel und seine Schiffart dürfen sich mit Stolz ihrer Vorteile, bedingt durch die unvergleichliche Lage unseres Hafens für einen grossen Teil des Hinterlandes, rühmen, und zwar umsomchr, als die gunstige Lage, zwar durch die Natur geschenkt, ihre Verwendbarkeit für den grossen Verkehr aber erst nach emsiger unverdrossener Arbeit und durch Üpferwilligkeit für das Grosse und Ganze erreicht worden ist. Mit der Zunahme des Verkehrs erwuchsen stets neue Anforderungen an Lösch- und Ladegelegenheiten, an Hafenanlagen und speziellen Einrichtungen, die mit der modernen Technik Schritt halten mussten, und alle solche Erweiterungen erforderten grosse Opfer. Aber Rotterdam besass zu jeder Zeit seit seiner Aufschwungsperiode eine weitsichtige und grosszügig angelegte Stadt-Verwaltung und eine ebenso weitsichtige als opferfreudigc Bürgerschaft, die mit vollem Vertrauen in die Zukunft, Hand in Hand gehend, unsere Stadt und unseren Hafen in aufsteigender Linie führten. Ich will bei dieser festlichen Gelegenheit Ihre Aufmerksamkeit nicht über Gebühr mit Ziffern in Anspruch nehmen, aber einige besonders De Jong, Director der Gemeindearbeiten interessante Daten muss ich doch anführen. Sie sollen Ihnen in grossen Zügen das Bild einer aufstrebenden Stadt, eines sich ausdehnenden Hafens und eines enormen Hafenverkehis geben. Die Einwohnerzahl von Rotterdam betrug 1880 . 148,102 Seelen heute über . . 400,000 ,, die für die Schiffart nutzbare Hafenoberflache 18S0 50.8 Hektar heute .... 181.67 ,, und in weinigen Jahren nach Fertigstelluug der im Bau begriffenen neuen Hafen, speziell des grossen Waalhafens, annahernd 491.00 ,, Die gesammte Einfuhr über Wasser in Rotterdam Tonnen von betrug, 1907, 17,222,928 1000 Kilo. die gesammte Ausfuhr über Wasser 12,675,121 ,, ,, Hieizu kommt die Ein- und Ausfuhr über Wasser aus dem hollandischen Inlandsverkehr mit annahernd 7,500,000 „ ,, sodass der gesammte Umsatz des Schiffahrtsverkehrs in Rotterdam im Jahre 1907 ohne Berück- sichligung der durch die Eisenbahn verarbeite ten Quantitaten ungefahr 37,400,000 Tonnen betragt. ' Dieser riesige Umsatz wurde bewaltigt durch 9,375 Seeschiffe 79,640 Rheinschiffe und ca. 140,000 Schiffe des holland. Inlandverkehrs vielen auswartigen Interessenten an dem Handel und der Schiffahrt Rotterdams, die uns durch Anvertrauen von vielen Millionen Tonnen Waren ein grosses commercielles Vertrauen entgegenbringen, auch einmal vor Augen zu führen, wo and wie die Interessen hier wahrgenommen werden. Dieses Gefühl einer Verpflichtung gegen die Handelsfreunde, der Wunsch, ihnen unser Bestes zu zeigen, waren der Ursprung und die Triebfeder zu unserem Hafenfest, und wir sind aufrichtig dankbar, dass die auswartigen Freunde so zahlreich unserer Einladung Folge geleistet haben. Mit unserem Dank hierfür wollen wir gleichzeitig den Wunsch und die Hoffnung verbinden, dass die auf bciderseitigem Vorteil rullenden Beziehungen sich weiter kraftigen, ausgestalten und enger knüpfen auf der Grundlage gegenseitigen commerciellen Vertrauens. Ich bitte Sie alle, mit mir das Glas zu leeren auf dauernd gute Beziehungen zwischen den hiesigen und auswartigen Interessenten an Rotterdams Handel und Schiffahrt. S. Excellenz Minister Heemskerk sprach abwechselnd französisch, deutsch und englisch, mit Ernst und Humor und wusste alle Festgaste in Spannung zu versetzen. Wir geben folgenden Auszug aus dieser Rede. Bezüglich der, zu den Documentirungen angeführten Ziffern, verweisen wir die Leser auf das Werk des Herrn Van IJssels t e ij n. Ich betrachte es als ein Vorrecht, mich zu den Gasten der Stadtverwaltung von Rotterdam zahlen zu dürfen und gestatte mir, dem Herrn Bürgermeister, als Vorsitzcnden des Festtisches und in seiner Eigenschaft als Gemeindeoberhaupt meine Anerkennung auszusprechen. Die Regierung Ihrer Majestat sowohl als die Bürgerschaft von Rotterdam setzen grosses Vertrauen in Mr. Zimmerman's Tatigkeit. Die Regierung verfolgt die Rotterdamer Festtage mit grossem Interesse und nimmt regen Anteil an allen bedeutungsvollen Fragen, die sich auf den Hafen von Rotterdam beziehen. Die, an anderer Stelle angeführten Ziffern beweisen Ihnen dies. Stets hat die Regierung ihre grosse Fürsorge bewiesen, indem sie stattliche Summen zur Verbesserung der Flusslaufe bewilligte — namlich 1296 Gulden pro laufenden Kilometer, gegenüber 1196 Gld. für denselben Abstand in Preussen. Nun wurde aber bemerkt, der Handel in Rotterdam sei nur Transitohandel und die von den nicderlandischen Bahnen beförderten Güter gehörten nur zum kleinen Teil Niederland. Das ist eine unumstössliche Tatsachc. Wer Güter befürdert, ohne sie gekauft zu haben, ist noch nicht der Eigentümer. Jedoch darf daraus nicht gefolgert werden, dass Rotterdams Handel von geringer Bedeutung ist. Die Bevölkerung Rotterdams hat denn auch in den letzten Jahren sehr merklich zugenommen, schneller selbst wie die Amsterdams ; sie war schon zu Anfang dieses Jahres auf über 400.000 gestiegen. Die Ziffer beweist, wie viel Arbeit und Verdienst durch den Handel in Rotterdam erzielt weiden. Man stelle sich nur einmal vor, alle diese Einwohner seien arbeitslos, dann erst kann man ermessen, von welch gewichtiger Bedeutung Rotterdams Handel und Verkehr für das Vaterland sind. Daher begrüsste die Regierung es mit Freuden, dass es der Rotterdamer Handelskammer gelungen ist, eine grosse Zahl Gaste aus fremden Landern hier zu einer friedlichen Zusammenkunft zu vereinigen, soviele Deutsche, die hier an den Ufern der Maas allerdings nicht solch schone Lieder singen hören wie sie es an den Ufern des stolzen Rheines gewohnt sind, die aber doch wohl die Poesie des, mit Schiffen dicht besetzten Flusses empfinden, überall kraftige, gesunde Arbeit sehen und sich mit eigenen Augen von den piaktischen Einrichtungcn des Hafens, der für ihr Land von so grosser Bedeutung ist, überzeugen werden ; so viele Englander, deren Geist und Literatur wir hier in Niederland so sehr bewundern, und die hier, ohne dass von gegenseitiger Concurrenz die Rede sein könnte, mit den giossartigen Schiffahrtsfesten ein verstanden sein können ; bedeutet doch diese Schiffahrt für sie sowohl wie für uns eine Lebensfrage ; Franzosen, Belgier, Schweizer, Amerikaner, ja, sogar ein Gast aus Japan, der den Abstands-Rekord geschlagen hat. Sie alle können, aus voller Ueberzeugung, Rotterdam ihre Anerkennung aussprechen, dessen neue Hafenanlagen nun beinahe vollendet sind. Und wem ist diese Vollendung zu verdanken ? Einzig und allein dem vereinten Zusammenwirken von Bürgerschaft und Obrigkek. Niemals liess sich der Gemeinderat durch einen kritischen oder Oppositionsgeist auf Abwege bringen. Grosse Worte wurden nicht viel gemacht, aber desto mehr Taten vollführt. Es waren aber auch Manner am Ruder, die mit weitem Bliek Alles erfassten, was einer Han- Zusammen ungefahr . 229,000 Fahrzeuge Angesichts soicher Zahlen ist im vergangenen Jahre in unserer Handels lammer die Frage aufgeworfen worden, ob es nicht unsere Pflicht sei, den Van ijsselstein, früher Zweiter Director der Gemeindearbeiten delsstadt not tut, und die auch wussten, wie und wo angefasst werden musste. Die Namen dieser Manner sind auch weit über Rotterdams Grenzen hinaus bekannt und geehrt. Nennen wir hier nur den früheren Bürgermeister s'Jacob, den Direktor der Gemeindearbeiten De Jongh, den Zweiten Direktor der Gemeindearbeiten, Van IJsselsteijn. Der Gemeinderat und die Bürgerschaft haben diesen Mannern unerschütterliches Vertrauen entgegengebracht und sie unterstützt, und so dazu beigetragen, dass solche grosse Hafenwerke zu Stande kamen. Es ist der herzliche Wunsch der Regierung, dass das Geschaffene erhalten bleibe und Früchte trage. So bcschliesse ich denn meine Rede mit einem Glückwunsch für die Stadt Rotterdam und ihre Gemeindeverwaltung, indem ich, diese Wünsche zusammenfassend, hiermit auf das Wohl des Bürgermeisters trinke. Dixi!" Verschiedene Gaste glaubten, aus dieser Rede herausgehört zu haben, dass die Regierung beabsichtige, Schutzzölle einzuführen. Wir baten deshalb S. Excellenz um Aufsehluss. Minister Heemskerk erklarte, dass er absoiut nicht gesonnen sei, dem Vorbild englischer Minister zu folgen und nach einem Diner politische Reden zu halten. Er habe nur angedeutet, dass man alle Krafte daran setzen müsse, Landwirtschaft, Mandei und Industrie so viel wie möglich zu fördern und dadurch den, im Rotterdamer Hafen einlaufenden Schiffen zu ermöglichen, viel Rückfracht einzunehmen. Zur Beruhigung vieler Gaste geben wir, neben der Rede, auch noch dieser Erklarung Raum. Noch erörterte man vielerseits die Rede des Premiers, als sich Herr Abram Muller, Direktor der „Nederl. Handel-Maatschappij", erhob und unter gespannter Aufmerksamkeit der Versammlung seine Anschauungen in folgender Weise zusammenfasste: As one of the guests, I think, it is only right, that I should first of all express my sincere gratitude for, my deeply feit appreciation of the splendid hospitality we are enjoying. Those of us, who were not personally acquainted with Rotterdam, have now an excellent opportunity of judging for themselves, and I may add, in a very pleasant manner, of the importance of this great port. Moreover those of the foreign guests, who visit this country for the first time, will at the same time get an impression of the country, and perhaps of our national pecularities.—But, apart from this, I am quite certain, that especially one thing will have struck them, and that thing is this : that, after crossing the frontier, a few hours railway-travelling has carried them right through the country to the other end of it.—However, when noticing in this way the smallness of the country, they will most probably not have thouhgt of the fact, to which I wish to draw your attention, that our country really is much larger, that H. M. the Queen of the Netherlands not oniy rules over the five odd millions of Hollanders on this side, but also sways Het scepter over between 30 and 40 millions of our fellow-subjects on the other side. of the globe. There is a quotation from an English poet : "He little knows of England, who only England knows," giving expression to the feeling, that in order to thoroughly understand England, one must consider it as the centre of the British Empire.—The same may be said of Holland : "He little knows of Holland, who only Holland knows." A considerable part indeed of the energy, the perseverance, the enterprise of our country and of our nation is devoted to our colonies, in the first place to what we call Netherlands' India : Java and the adjacent islands. And also a considerable part of our commerce, and of the enormous traffic which we are now admiring in the port of Rotterdam, finds its origin, direct or indirect, in the fact, that we are a colonial power. We are proud of these colonies, and we are proud of them in a doublé sense. We are proud of them as a glorious inheritance of our forefathers, but we are also proud of them,—I think we may say so, without incurring the reproach of unseemly self-praise,—because we feel, that we are "doing our level best", to use an Americanism, to appreciate them and to develop them. This is not the moment, to quote at length statistical figures, but I may be permitted, to draw you a few outlines. First of all there is the sugar industry of Java, which produces sugar to the yearly value of 10 millions Sterling, being one sixth of the total cane-sugar production of the world. Then there is the tobacco cultivation of Sumatra, which last year gave a erop, amounting to over 5 millions Sterling, whilst the tobacco erop of Java had a value of considerably over 2 millions Sterling. I further refer to the gigantic petroleum industry, the vast importance of which is sufficiently known. And when I mention in addition the coprah, the coffee, the tea, the drugs and spices, then you, gentlemen, who are mostly men of business, will be in a position to form an idea of what these colonies really mean to us. And the energetic managers of the Rotterdam Lloyd, will be able to teil you, that the traffic with Java is increasing almost daily, that the opening up of new regions constantly requires more tonnage, to cope with the larger quantities of produce and of outward cargo, which are being offered for shipment. Still we are not the only ones, who derive benefit from this state of things. Our colonies are open to all the world, and all nations are welcome to theii share in the trade, in the shipping. And naturally they are not slow, to partake of the dish, thus offered to them. Thus, as a matter of fact, they have a common interest with us, and therefore, gentlemen, I can freely and frankly ask you, to all join with me, when I propose the toast of : "Prosperity to the Dutch colonies!" Lord Claud Hamilton, Chairman of the Great Eastern Railway Company, London: The honour has been conferred upon me of returning thanks on behalf of your guests from Foreign countries and I hope that the representatives from those countries will allow me to say hovv greatly I appreciate that honour. I believe I am only expressing their sentiments coupled with my own m saying how deeplv grateful we are for your cordial greeting and your genei ous hospitality, and how profoundly impressed we are by the public spirit and enterprise of your powerful Municipality, representing as it does the inhabitants of Rotterdam. The great works and magnificent harbour accomodation we have seen today, conceived and built out of your own resources, unaided by Government subsidies, are monuments of your constructive power in the past : whilst the additional works now in progress and approaching completion are a visible proof that the present Municipal Council are still actuated by the same spirit as their predecessors, viz, a spirit of devotion to the interest» of their country, and to the trade and commercial progress of this great Gity. The position you now occupy as a Port, the third as regards tonnage in Europe, is the more remarkable when wc remember that this pre-eminence has been mainly achieved in the brief space of 45 years ; for it was only in January 1863 that Parliamentary powers were obtained for the construction ot your new waterway, which was not finally opened for traffic until March 1872. That great cvent in ycur history had the effect of at once bringing you into close touch with the open sea ; for whereas under the old conditions it occupied an average of 18 hours to get from Rotterdam to the open sea, your magnificent new Waterway enables you to reach the ocean in a period of from 15 to i| hours. That was an achievement of which any community might be justly proud, and I am happy to think, speaking for your foreign guests, that your great enterprise has been amply rewarded, by results, and by the position you occupy to-day as a great sea Port. But always alive as you are to the necessity of attaining perfection in all you undertake, "you have wisely come to the conclusion that, looking to the great increase in your shipping and the vast interests involved, the entrance to your great Waterway should be immediately improved and widened, and 1 am sure your action in this respect will be highly commended by your foreign visitors. It is very satisfactory to us to know that your Government are aiding in this National undertaking and that they have given assurances that it will be carried through without any delay. I hope I may be pardoned for reminding the Burgomaster as illustrating the close connection of my Company, the Great Eastern Railway, with this City, that the first steamer to pass through the new Waterway was the ,,Richard Young", one of the Company s steamers, but she like other steamers of that period is now a thing of the past. Our association with you and your trade is of old standing, for we began trading with you in the year 1863, and in the follovving year we built our first passenger steamer „Avalon" a vessel of 670 gross tonnage and 978. h.p. carrying 483 pas^ sengers. Now we are running the „Copenhagen'' 2570 gross tonnage and 7600 h.p. carrying 1188 passengers. When we compare such a steamer with your magnificent ocean going vessels of the German Lloyd, the Hamburg American, the Rotterdam Lloyd and Dutch American Companies it may appear insignificant, but after all she is only for cross Channel purposes, and as such she has at the present time no rival. I am thus able in my public capacity to claim a long anti close commercial interest with your City, but I also' lay claim as an individual to a connection with you of quite anotfier character. I find that the English Church in your City was originally built by the great Duke of Marlborough and as my sister is the mother of the present Duke, his direct descendant, I claim to come among you not only as an Ambassador of Com merce but also as an Apostle of Peace. We are here the representatives of many nations, each strong in his love for his own country and in his attachment to its institutions, traditions, and habits. That is at it should be, and may the day be far disiant when that patriotic sentiment should exist less strongly than it does at present. But I cannot see why a strong love of home and country should be incompatible with a cordial feeling of friendship as between the people of different nations. But that cordiality as a matter of fact does not exist so strongly as it might and as it should. No doubt we all have our national faults and failings, and I am inclined to think that on the whole we English have more than any other nation. But they are mainly on the surface, and when you really know us and understand us you begin to fmd out that after all we have some good points about us. One of these good points is our strong desire for the maintenance of the peace of the World, and no surer mode of attaining that gre.at blessing is that of cultivating a closer acquaintance one with another, to endeavour to exalt such virtues as we find, to minimise such faults as we may imagine to exist in other nations, and by strengthening the bonds of commerce to make the continuation of peace the highest and strongest interest of all. It was not by war but by the Arts of peace that Rotterdam has grown to be the great City we find it. It forms part of a kingdom, distinguished for the loyalty of its people to their Sovereign. for their devotion to their fatherland, and for their thrifty and industrious habits. A popular picture in foreign countries of a Dutchman is a man in loose trousers, with his hands in his pockets, and a large pipe in his mouth. That may or may not be a true picture of him but if it is, it is afier he has finished his days work, and the fact remains that the Holland of today is the Holland of his creation, and it is a country of which every Dutchman should be proud. Wherever I go in Holland ï see signs of prosperity, contentment expressed on the faces of the people, and a remarkable absence of poverty and destitution. This happy condition of things must be mainlv due to the sturdy character of its people, and as I believe the worthy Burgomaster to be a disting- uished representative and exponent of the national character I ask you to join with me in drinking his health, coupled with that of the Municipality of Rotterdam. Den Reigen der Redner schloss Herr Emil Engelhard, Viceprasident der Mannheimer Handelskammer : Gestatten Sie auch mir, im Namen der Mannheimer Handelskammer und im Namen von Mannheims Handel, Industrie und Schiffahrt verbindlichen Dank auszusprechen für die uns gewordene Einladung zu diesem schonen und interessanten Feste und insbesondere der hochgeschatzten Mumcipalitat der Stadt Rotterdam zu danken für die Ehre, die sie uns erwiesen hat, indem sie uns heute hierher an diese glanzende Tafel zu Gaste lud. Vielfach und mannigfaltig sind die Beziehungen der beiden Stadte Rotterdam und Mannheim. Auf Menschenalter gehen sie zurück, dennoch sind sie aber zumeist aus dem neuzeitigen Verkehrsleben entstanden. Als Rotterdam schon lange eine weithin bekannte, stolze Hafen- und Handelsstadt war und auch in geistiger Beziehung die Augen der Welt auf sich gerichtet hatte, — ich spreche hier nur den Namen Erasmus aus —, da war Mannheim noch ein unbekanntes, armseliges Fischerdorf. Spater wegen seiner strategischen Lage an der Einmündung des Neckar in den Rhein zur Festung ausgebaut, hatte es rein militarische Interessen, bis es dann in der zweiten Halfte des iS. Jahrhunderts Sitz der glanzenden Hofhaltung des pfalzischen Kurfürsten Karl Theodor und damit Mittelpunkt eines sich rege entfaltenden geistigen und künstlerischen Lebens wurde. Aber Karl Theodor bestieg, durch Erbfolge berufen, den bayrischen Thron und siedelte nach München über. Da war Mannheim aus seiner Sphare gerissen und verlor mit einem Schlag seine bisherige wirtschaftliche Basis. Es galt eine neue zu schaffen, und da erinnerte man sich daran, dass Stiöme und Flüsse nicht allein gut sind, um Festungswerke zu schützen und Feinde abzuhalten, sondern dass sie auch verkehrsvermittelnde und völkerverbindende Strassen sind. So verlegte man sich auf den Handel, aber mit den Verkehrsmitteln jener Zeit und bei den herrschenden Veikehrsbeschrankungen war nicht vorwarts zu kommen. Mannheim vcgetierte dahin, bis dann endlich in den dreissiger Jahren des vorigen Jahrhunderts die Dampfschiffahrt auf dem Rhein zur Einführung kam. Damit begann auch für Mannheim eine bessere Zeit. Die Menge der ankommenden Güter mehrte sich von Jahr zu Jahr ; es waren nicht blos inlandische, deutsche Erzeugnisse, sondern insbesondere auch überseeische, welche in Rotterdam auf dem Seewege angekommen und in Rheinschiffe umgeladen waren. Umgekehrt fanden auch die heimischen Produkte, durch die nunmehr erschlossene Wasserstrasse, immer weitere Absatzgebiete. Je mehr sich nun die Schiffahrt verbesserte, je mehr die Hindernisse f iel en, die sich ihr, in Gestalt von Unzulanglichkeit der Fahrbahn und in Gestalt von Züllen und Abgaben aller Art entgegenstellten, desto grösser wurde der Verkehr, desto naher traten sich die Stadte und Völker am Rhein und weit darüber hinaus, desto mehr scharfte sich der kaufmannische Bliek, und desto mehr lernte man zu schatzen, was anderwarts Kluges und Bedeutendes geleistet wurde. Und da lenkte sich denn der Bliek der Maraibeimer Kaufleute in erster Linie auf Rotterdam, den grossen, reichen Seehafen am Ausgangspunkt der Rheinschiffahrt, wo sich gesunder, weitblickender, kaufmannischer Geist von jeher paarte mit dem, der ganzen hollandischen Nation eigenen, Sinn für Freiheit und nationale Unabhangigkeit. Die ei ste Frucht des Sichnahertretens der beiden Stadte war die Errichtung der ,,Beurt"schiffahrt, der ersten directen und regelmassigen Schiffsverbindung zwischen den beiden Endpunkten der Rheinschiffahrt, Rotterdam und Mannheim. Von da ab wurde Rotterdam vorbildlich für alles, was m Mannheim geschah, sei es in Bezug auf die Anlagen und die Erweiterungen unserer Hafen und Lagereinrichtungen, sei es in Bezug auf die Entfaltung kaufmannischer Betriebsamkeit und kühnen, und dabei doch klug abwagenden, Unternehmungsgeistes, Eigenschaften, welche dann auf Mannheim übertragen, dort guten Boden fanden, und denen wir unsere heutige Stellung als Handels- und Industrie-Emporium verdanken. Der Güteraustausch zwischen den beiden Stadten wuchs in ungeahnter Weise ; er betrug im letzten Jahre 2 Millionen Tonnen, etwa den siebten Teil des Umschlages, den Rotterdam mit dem deutschen Reiche macht. Vier grosse Mannheimer Reedereien haben schon seit Langem ihre eigenen Niederlassungen hier in Rotterdam, wahrend die hollandische Dampfschiffahrt, vertreten durch die ,,Nederlandsche Stoombootreederij", ihre eigene Niederlassung in Mannheim hat. Dass der gewaltige Verkehr wischen den beiden Stadten immer mehr wachse., wird unsere eifrige Sorge sein. Und dass man auch hier in Rotteidam auf der Höhe bleiben will, das haben uns heute morgen die gewa'tigen, ganz vorzüglichen Hafenanlagen gezeigt, die wir die Freude halten zu sehen und die so hervorragend praktisch und vorteilhaft für die Rhein- und Seeschiffahrt eingerichtet sind. Ja wir horen, dass man schon wieder darauf sinnt, diese Anlagen durch neue, noch grössere und noch modernere zu erweitern, weil die rapid wachsende Menge der Umschlagsgüter dies erfordert. Möge dieser Beweis tatkraftigen Unternehmungsgeistes nicht beeintrachtigt werden durch die Gefahren, welche, nach unserer Meinung, die neuerdings aufgetretenen Bestrebungen auf Wiedereinführung von Binnenschiffahrtsabgfaben für die weitere, günstige Entwicklung des Fernverkehrs auf dem Rhein mit sich bringen. Es ist hier nicht der Ort, um in eine nahere Erörterung dieser vielumstrittenen Frage einzutreten ; ich freue mich aber, auch in diesem Punkte, auf die Uebereinstimmung der Meinungen von Rotterdam und Mannheim hinweisen zu können. Als unser badischer Handelsminister, Herr Honsell, im vorigen Jahre die üblichen drei Hammerschlage bei der Schlusssteinlegung zu unserm neuen Industriehafen tat, so geschah dies mit den Worten : „Frei bis zum Meer". Und das wird auch in Zukunft unsere Losung sein, von der wir wissen, dass sie stets ein lebhaftes Echo hier in Rotterdam und in ganz Holland finden wird. Zu den vielfachen Beziehungen commerzieller Natur zwischen Rotterdam und Mannheim sind mit der Zeit auch viele Beziehungen persönlicher und verwandtschaftlicher Art hinzugekommen. Mancher Mannheimer ist den Rhein hinunter, mancher Hollander den Rhein hinauf gewandert; sie haben dort eine Statte für ihre Wirskamkeit gefunden und Familien gegründet. Auch der nahen Stammesverwandtschaft zwischen der hollandischen und der deutschen Nation möchte ich hier gedenken und zum Schlusse aber nicht zum mindesten des edelsten Bandes, welches diese beiden Nationen verbindet, und das besteht in der erhabenen Person der erlauchten Herrscherin dieses Landes, Ihrer Majestat der Königin W7ilhelmina, der zur Seite ein Prinz aus altem deutschen Fürstengeschlecht steht. Durch die öfteren Reisen, die Ihre Majestat, Ihre Königin, in Deutschland und auch in meinem engeren Heimatlande Baden zu machen pflegt, hat sie sich übciall durch den, von ihrer ganzen Persönlichkeit ausgehenden, bezaubernden Reiz, alle Herzen gewonnen, sodass ihre Popularitat und die Verehrung für sie in Deutschland kaum minder gross sind, als sie sich deren hier in ihrem Lande erfreut Nun aber will ich zurückkommen auf die Stadt Rotterdam. Ihr und ihren intelligentcn, fleissigen und weitblickenden Kaufleuten, Reedern und Industriellen will ich mein Glas weihen. Möge die stolze Entwicklung dieser Stadt ungestört fortdauern, mogen die Beziehungen zwischen ihr und den deutschen Handelsstadten, mogen insbesondere die Beziehungen zwischen Mannheim und Rotterdam immer lebhaftere und innigere werden. Ich bitte Sie, mit mir zu trinken auf das ungetrübte fernere Glück und auf die dauernde Wohlfahrt der Stadt Rotterdam und ihrer trefflichen, vorbildlichen und gastfreundlichen Bewohner. Sie lcben hoch, hoch, hoch! Nach Aufhebung der Tafel blieben die Gaste noch kurze Zeit im feeenhaft erleuchteten Garten der „Doelen" beisammen, um der Musik der Grenadiere zu lauschen. Um 11 Uhr entführte ein Extrazug die Festteilnehmer nach Scheveningen. Trotz der, anfanglich drohenden, Wolken, denen dann und wann einige Eimer Himmelnass entströmten, waren am andern Morgen doch die meisten Gaste zur Rundfahrt durch den Hafen nach Rotterdam gekommen. Diese gestaltete sich für die Teilnehmer deshalb so interessant, weil auf jedem der Boote ein GemeindeIngenieur oder anderer Sachverstandiger Platz genommen hatte, der über alles Bescheid wusste. Solcherweise konnten auch die Minister und sonstigen Hochwürdentrager, welche die Fahrt mitmachten, persönlich beobachten und prüfen, welche Vorteile der Rotterdamer Hafen bietet und was die Regierung, möglicherweise, noch für ihn tun kann. Die Fahrt durch den Hafen bietet darum dem Interessenten an Schiffahrt und rlandel einen so hohen Reiz, weil er, ausser der Bereicherung seiner Fachkenntnisse, auch noch einen tiefen Eindruck von der natürlichen Schönheit der Umgebung empfangt; dass die, streng kritisch blickenden, Kaufherren für solche landschaftliche Reize wohl empfanglich sind, erhellte aus ihren Aeusserungen aufrichtiger Bewunderung. Diese war wohl begreiflich. So sah man, scheinbar in weiter Ferne, im Halbdunkel, schwarze, rote, weisse Schiffskörper liegen, deren Maste, wie feines Geaste sich an tief gesenkten Wolken emporzuranken schienen. Da plötzlich schob die Wolke weg und die Sonne zauberte tausende Farbenspiele auf die Kolosse, die ganz in der Nahe so unpoetisch, berusst, bestaubt — recht prosaisch aussehen. Das fühlen aber die sachverstandigen Kritiker um uns herum nicht; jetzt sind sie m ihrem Element. Da schwirren Einem schiffstechnische Ausdrücke um die Ohren, dass man glaubt, es seien Leute der Zunft an Bord, die nur rotwalsch spricht. Nichts entgeht ihren Blieken, weder die Einrichtung der himmelhohen Lagerhauser an den Kajen, noch die „Parklaan" : der Achtmaster der Firma Wm. H. Müller & Co., den der Volksmund, wegen seiner parademassig ausgerichteten Maste so getauft hat; auch nicht die neu eingerichteten Petroleumtanks, die wahrlich wie Kriegsschiffe aussehen. Besondere Bewunderung erregt der im Anbau begriffene Waalhaven, der nach seiner Fertigstdlung so viel Raum bieten wird, wie alle andern Hafen zusammen. Diese haben wahrlich einen so grossen Collegen nötig, denn wo man hinsieht, überall liegt ein Dampfer förmlich an den andern geschmiegt und auf allen herrscht ein Leben, als ob Lucifer seine sammtlichen Gesellen losgelassen hatte. Die Getreide-Elevatoren pusten, wie gut gesattigte Fettwanste, auf den Kohlen- und Erzbooten donnert und rasselfs, dass einem Hören und Sehen vergeht, letzteres namentlich, wenn der Wind den Rauch aus den Hunderten Schornsteinen in unsere Richtung treibt. Panorama Maashaven Nur ganz langsam kommen in einzelnen Hafen die Boote vorwarts, denn dann und wann kreuzen Dampfer und Schleppzüge ihren Weg. Auf den Laien übt das Schauspiel einen überwaltigenden Eindruck. Aber auch auf den Sachverstandigen. So versicherte uns Herr Commerzienrat Coblenz, Prasident der Binger Handelskammer, ein im Handel ergrauter Herr: „Ich habe in meinem Leben schon sehr viele Hafenfahrten unternommen, auf dem Continent und in Uebersee, aber — offen gestanden — einen solchen bemeisternden Eindruck wie hier, habe ich noch nie empfangen : praktisch, übersichtlich, solide." Nach einem vorzüglichen Frühstück, wahrend dessen die Schützenkapelle, unter Leitung unseres Landsmannss, Herrn Seidel, prachtige Weisen spielte, u. a. einen, vom Dirigenten komponirten, schneidigen Marsch zu Ehren der Festgaste, der mit Jubel aufge- Rheinhafen mit GebiUiden der Veemen im Hintergrtmd Panorama Maashaven- nommen wurde, ging's die „Noord" hmauf nach Dordrecht. Hier entrollte sich den Gasten ein Bild industriellen Fleisses und konnten sie beobachten, wie Handel, Schiffahrt und Industrie in Rotterdam, Hand in Hand, eng verschlungen, ihre Steflung auf dem Weltmarkt zu verbessern versuchen. Diese Fahrt im herrlichsten Sonnenschein, an Hollands altester Handelsempore vorbei ■— Dordrecht war schon der bedeutendste Stapelplatz für Güter nach und vom Rhein, als Rotterdams Grosse noch unter Schilffeldern schlummerte — wird den Teilnehmern gewiss unvergessen bleiben. Um 6% Uhr legten die Boote wieder am Steiger der HoÜand-Amerika Linie an, deren Direction den Gasten der Stadt ein Festmahl auf der „Rotterdam" angeboten hatte. Der Eindruck, den dieser Koloss, mit seinen 26.000 Tons Tragkraft, von Aussen und Innen auf den Besucher macht, ist schwer zu beschreiben. Man fühlt sich, beim betreten desselben so recht Auf der Fahrt nach Dordrecht unbedeutend, klein, winzig, so ungefahr wie in einem Kgl. Schloss, nachdem verkündet wurde : „S. M. werden sofort erscheinen." Aber kaum hat man die liebenswürdigen, jovialen Herren Directoren Jonkheer Reuchlin und W i e r d s m a mit ihren Söhnen, den Mitdirectoren, gesehen und ihren wohlgemeinten Handdruck erwidert, dann fühlt man sich so recht pudelwohl und in der Stimmung, ein Diner von einem Dutzend Gangen und gewürzt durch ebenso viele schonen Reden, anstandslos zu sich zu nehmen. Um unsern Lesern ein einigermaassen begreifliches Bild von diesem' Riesen unter den Dampfern entwerfen zu können, ist es nötig, dass wir zu den verschiedenen Abbildungen auch noch einige Zahlen sprechen lassen. Der, mit einem Raumgehalt von 24.170 t, im Juni 1908 in Dienst gestellte, Riesendampfer „Rotterdam" ist 668 engl. Fuss = 203 m lang, 77 engl. Fuss = 23^ m breit und 56 eng. Dampfer Rotterdam Fuss = 17 m tief und hat einen Tiefgang von 35 engl. Fuss bei einer Wasserverdrangung von 36.870 tons. Die beiden Drei-Flügel-Propeller werden durch zwei getrennt stehende Vierfach-Expansions-Scbiffsmaschinen von über 14.000 indizirten Pferdestarken bewegt. Für die Unterbringung der Passagiere, sowohl der 1. als auch der andern Klassen, ist in ausreichender Weise gesorgt. Auch findet man in den Kabinen 1. Klasse nicht mehr das veraltete System des Uebereinanderstellens von 2 Betten. Die „Rotterdam" kann 500 Passagiere erster, 500 zweiter und reichlich 2400 dritter Klasse befördern. Ausser den 12 sogenannten SuiteKajüten mit Salon, Kabinen und Toilettenraumen und den 48 LuxusKajüten, welche alle eigenes Bad und Toilette haben, sind auch die übrigen Kajüten mit allem Comfort und Bequemlichkeiten ausgestattet. Die „Lavatoria." und Bader sind in reichlicherer Anzahl vorhandsn als auf jedem anderen Schiffe ; allein die 1. Klasse verfügt über ungefahr hundert Bader. Die Kajüten 1. Klasse werden elektrisch geheizt, die übrigen Klassen haben Dampf- bezw. Warmluftheizung, nach dem Thermotank-System, wodurch eine gleichmassige Temperatur und Frischluft-Regulierung erreicht wird. Der, im Empire-Styl — hellgrau mit Gold — gehaltene, grosse Speisesaal 1. Klasse hat circa 500 bequeme Sitzplatze und erfreut sich die getroffene Einrichtung : kleinere Tische für 2, 4, 5 und 8 Personen, grosser Beliebtheit. Auf dem Promenadendeck ladet der, ebenfalls im Empirestyl decorierte, in dunkel polirtem Mahagoni gehaltene Ges e Ilse haftssaai, die „Social-Hal 1", die Passagiere erster Klasse zur Siësta ein. Besonders falien hier die schonen grossen Fenster auf, die wie auch im P a 1 mengarten und im Lesesaal, das Licht ungehindert in's Innere fluten lassen. Der Palmengarten, der den Reisenden ganz darauf vergessen lasst, dass er auf hoher See weilt, befindet sich auf dem Sonnendeck oberhalb der „Social-Hall" ; er ist im Styl Ludwigs XVI. in crème laquée ausgeführt und mit Delfter ZiegelWanddecoration geschmückt. Auf demselben Deck, und zwar im ruhigsten Teile des Schiffes, finden wir den, im gleichen Styl mit hellgetöntem ital. Nussbaum getafelten, Lesesaal. Ferner befindet sich Sonnendeck der O b e r e salon, der durch eine tale Treppe mit Rauchsalon auf dem R a u c h monumen- dem Unteren verbunden ist; beide Salons sind in dunkel gehaltenem Eichenholz in hollandischem Renaissancestyl ausgeführt. An den Oberen Rauchsalon grenzt eine Café-Te rrasse. Zur Bequemlichkeit steht ferner ein elektrischer „L i f t" zur Verfügung, welcher die Passagiere I. Klasse vom Deck D. zur Vorhalle, bei dem Palmengarten, auf das Sonnendeck bringt. DAS INTERNATIONALE HANDELS- UND SCHIFFAHRTSFEST IN ROTTERDAM Die, den Passagieren zur Verfügung gestellten, Deckraumlicbkeiten betragen : 28.250 Ouadratfuss für die I. Klasse, 12.000 für die 2. und 12.000 für die 3. Klasse, im Ganzen also 52.250 Quadratfuss. Selbstverstiindlich ist auch für die Bequemlichkeit sowie Zweckmassigkeit und hübsche Ausstattung samtlicher Einrichtungen ünd Kabinen der 2. und 3. Klasse bestens gesorgt. Ueber 5200 elektrische Lampen spenden einen See von Licht; allein für die 1. Klasse sind nicht weniger als 520 Lampen verfügbar. Wenn wir die verschiedenen angeführten Einzelheiten zusammenfassen, ist es dann zuviel gesagt, dass die , R o 11 e r d a m" Alles bietet, was nur geboten werden kann? Eine Reise mit solchem Schiff von einem Erdteil zum anderen lasst in uns gar nicht erst den Gedanken aufkommen, dass wir eine „gewagte Reise" machen. Die übrigen, nach den Errungenschaften der heutigen Schiffbautechnik, angebrachten Verbesserungen und Vervo'.lkommungen an Sicherheits-Einrichtungen u. s. w. verbürgen dem Fahrgast eine, nach allem menschlichen Ermessen sichere Ueberfahrt. Die „H olIand-Amerika Linie" hat wahrend ihres Bestehens 235.000 Kajütspassagiere, 827.000 Passagiere 3. Klasse und 10.000.000 tons an Ladung- befördert. Dies sind Zahlen, die dafiir sprechen welch' wichtigen Faktor im internationalen Verkehr diese Linie bildet; ihr Ruf reicht weit über Niederlands Grenzen hinaus. Aber nicht nur für den niederlandisehen Ex- und Importhandel ist die „H oMand-Amerika Linie" hochbedeutend, sondern auch in jeder Hinsicht für die Interessen des grossen Deutschen Hinterland es, sowohl was den Güterverkehr als auch die Personenbeförderung betrifft. Kein Platzchen in dem vornehm ausgestatteten Riesensalon war unbesetzt. Dies zum Troste so Vieler, die sich bei der Einladung übergangen glaubten. Sobald die „Rotterdam III" mit 40.000 Tons in die Fahrt gebracht wird, kommen sie an die Reihe. Speisesaal Palmengarten Nach dem gebrauchlichen Hoch auf die Königin, sprach Herr Director J. V. W i e r d s m a, in fliessendem Englisch, folgende Rede aus: Gentlemen, It is my agreeable duty to bid you welcome in the name of the HollandAmerica Line on board of our ''Rotterdam". In doing this, I first of all want to express our sincere regret that His Royal Highness the Prince of the Netherlands, the Patron of our Company, by circumstances which we have to respect, has been unable to be present at this banquet. This prevents me from thanking Him openly here for the flag which was hoisted to day for the first time, and for His best wishes for the welfare of this ship. Gentlemen, you have had to hear a lot of figures and plenty statistics and therefore I will not trouble you with same, I however think it will interest you that this vessel is the fourth "Rotterdam" of our Company. About 36 years ago two young Rotterdam men, Mr. Plate and Jhr. Reuchlin, both present at this banquet, opened a service from here to New-York with two small steamers of not quite 2000 Tons. Some years later, we had a "Rotterdam" of about 4000 Tons. Ten years ago we built our first twinscrew-steamer, the third "Rotterdam" of 8300 Tons and you are now on board our fourth "Rotterdam" measuring over 24.000, almost doublé so large as her three foregoers together. You will doubtless understand that we have not come so far without difficulties of all kind. Gentlemen, you have met with some rain here, I need not assure you that we have had our rainy days in business also. I however may add that we have succeeded so far without any Government support, without any facilities than the natural advantage of our port and the gradual improvement of our Waterway. Therefore we could not imagine anything better to show you the importance of Rotterdam than inviting you to spend a couple of hours on board of this large vessel, —built for the regular service between Rotterdam and the United States. We gieatly appreciate your presence here and in the name of the HollandAmerica Line I propose to all Hollanders present here to drink to the health of our foreign guests!" Nachdem die Glaser geleert und wieder gefüllt worden waren, ging ein Engel durch den Saai, denn der frühere Beigeordnete der Stadt, Herr H u d i g, hatte sich erhoben und sprach den Gasten folgendermaassen zu : „Quand nous jetons un regard autour de nous, on a peine a croire qu'on se trouve a bord d'un navire ; on serait tenté de se croire dans un palais enchanté et ne serait pas étonné de voir apparaitre sur le seuil la fée tutélaire. Mais, Messieurs, il faut se rendre a la réalité ; nous sommes vraiment a bord du paquebot Ie plus grand, le plus beau de notre marine marchande, qui porte a bon droit le nom de notre bonne ville ; et 1'hospitalité ne nous est pas offerte par une fée, mais par la Direction de la Compagnie Hollando-Américaine qui a eu 1'excellente idéé de réunir dans ce salon tous les amis qui ont bien voulu accepter 1'invitation de la Chambre de Commerce. J'ai dit, une idéé excellente, paree que ce navire est 1'emblème de la prospérité de notre ville, 1'emblème de sa navigation. On peut dire de Rotterdam que c'est une ville de commerce, une ville d'industrie, mais avant tout c'est une ville de navigation. Les premiers habitants étaient des pêcheurs et les générations qui se sont succ'dé depuis des siècles se sont vouées de préférence a tout ce qui se rapporte a la navigation. • Cependant jusqu'a 1'an 1870 la ville n'occupait qu'une place assez discrete parmi les ports de mer et le développement que vous avez pu observer aujourd'hui ne date que du moment oü fut ouverte la nouvelle embouchure de la rivière. (Nieuwe Waterweg.) Auparavant les obstacles que les vaisseaux avaient a surmonter pour atteindre la ville, étaient énormes : ceux qui avaient un tirant d'eau de plus de 16 pieds devaient faire escale a Brouwershaven, oü une partie de la cargaison était transbordée en alléges ; puis on avait a faire un long trajet pour aniver a Helvoet, oü les dimensions des écluses du canal défendaient 1'entrée a ceux qui avaient une longueur de plus de. 72 mètres. Le port n'était donc accessible qu'aux navires qui nous paraissaient grands alors, mais qu'on appellerait petits aujourd'hui et lorsque la vapeur commencait partout remplacer les voiles que la jauge des navires allait toujours en augmentant, 1'avenir devint sombre, et nous serions mamtenant une ville morte, si le Gouvernement n'avait pas compris qu'il était indispensable au pays d'avoir une grande rivière libre jusqu'a la mer. Cette rivière, oü se jettent tant d'autres plus petites pour former.un grand fleuve de Rotterdam a la mer, pour me servir des paroles de Goethe : „Und die Flüsse von der EbeneJ „Und die Bache von den Bergen, „Jauchzen ihm und rufen : Bruder, „Bruder, nimm die Brüder mit, „Mit zu deinem alten Vater, „Zu dem ewigen Ozean !" cette rivière est lïdole des Rotterdamois. Ils 1'adorent, comme autrefois on adorait le feu et le soleil, et pour cause, car nous lui devons le développement de notre ville natale. Pour avoir raison d'être il faut qu'un port de mer réponde a tous les besoins du moment; or, dans ces temps-ci le commerce a besom d'un grand port central, accessible aux plus grand navires et oü non seulement aboutissent les chemins de fer, mais surtout les nvières de 1'mterieur. lis doivent foimer, pour ainsi dire, la jonction entre la navigation de mer et la navigation fluviale. La ville de Rotterdam correspond a ces conditons ; si elle était située plus pres de la mer, les bateaux rhénans ne pourraient pas y rester si tranquillement; plus proche de la frontière, les grands navires de long cours ne pourraient pas y aller. Elle est justement a 1'endroit voulu par le commerce actuel et voila ce qui lui a donné la chance de réussir. Cependant, la position géographique seule ne suff it pas ; il faut qu on sache en profiter et pour cela il faut continuellement avoir 1'ceil au guet pour observer les exigences toujours variables du commerce. Comme les nations et les families, les ports ont aussi leurs périodes de développement, de grandeur et de décadence, et 1'on ne peut prévemr cette décadence qu'en ayant soin de se conformer strictement a ces exigences et faire en sorte que toutes les branches du commerce et de 1'industrie y trouvent les facilités dont ils ont besoin. Nous avons fait notre possible pour satisfaire a tout ce qui est nécessaire pour Poutillage d'un port de mer ; par exemple : au commerce des grains, des mmerais, des bois, il faut de larges bassins oü les marchandises peuvent être transbordées directernent du vapeur dans les grands bateaux rhénans. Es bien ! nous avons construit successivement Ie Rijnhaven, le Maashaven, et avons voté un autre bassin de 300 hectares, le Waalhaven, dont les travaux sont déja en opération. Au services réguliers il faut une communication directe avec le chemm de fer; pour satisfaire a ce besoin nous avons construit le Schiehaven, St. Jobshaven et tant d'autres. L'industrie exige de grands terrains prés de 1'eau et du chemin de fer ;^ nous lui avons offert le Nassauhaven et le Persoonshaven et avons acheté d' énormes terrains pour 1'avenir. Je ne ferai pas 1'énumération de tout ce qui a été fait pour rendre la ville apte aux besoins du commerce. Vous pouvez retrouver tout cela dans le livre de M. van IJsselsteijn, le directeur-adjoint des travaux pubhcs, et puis vous avez pu vous en rendre compte personellement ce matim C'est a vous. Messieurs, de juger si nous avons fait notre devoir a eet égard. Quoique rien ne soit parfait et qu'il y ait des choses qui laissent a désirer, j'ose dire que nous avons un bon port, bien outillé ; mais cela ne suf fit pas encore : Ce n'est pas assez d'avoir un bon hotel, il faut avoir des hótes. Ces hótes, ce sont les navires de toutes les nations du monde, et heureusement nous n'avons pas a nous plaindre. Le nombre de vaisseaux est bien plus grand aujourd'hui qu'auparavant, mais il y a encore de la place pour d'autres. J'espère que non seulement nos compatriotes, mais tous les armateurs sauront de plus en plus apprécier les bonnes qualités de notre port, que les négociants seront convaincus de plus en plus qu'il est de leur intérêt de se servir de Rotterdam pour le transit et le dépot de leurs marchandises ; et je vous propose de boire a la prospérité de toutes les nations dont les navires fréquentent notre ville et en premier lieu de celles qui sont si dignement représentées a cette fête!" Viele Gourmands sind der Ansicht, dass Tischreden nachteilig auf die Functionen des Magens wirken. Wahrscheinlich haben sich diese Men sehen stets nur in der Gesellschaft gleichgestimmter Leute bewegt, die mit ihrem Magen GStzendienst treiben und noch nie eindrucksvolle Reden gehort haben. Unter den Festgasten schienen sich solche Genussmenschen nicht zu befinden, denn nut stets wachsendem Interesse verfolgten Alle die vorzüglich stylisirte Rede des Herrn P h s. van Ommeren jr., Viceprasident der Rotterdamer Handelskammer und Mitglied des Festausschusses: „Gentlemen, When the Chamber of Commerce at Rotterdam decided to arrange the present fete and found the Holland America Line not only willing to support our scheme most liberally, but even piepared to go so far as to invite all our guests to dinner on board of their splendid new steamer the „Rotterdam", we ai once feit that our success was thereby practically assured. Not only because we were convinced, that our guests would greatly appreciate one of these excellent dmners on board of a Holland America Liner, for which this Company is so justly renowned on both sides of the Ocean, but still more so, because we could not possibly have a better proof of the great value of Rotterdam as port of call or terminus for regular Atlantic and Ocean Lines, than by making our guests realize the great prosperity which this Company is enjoying; consequently when in the first instance, I seize this opportunity to thank the Holland America Line on behalf of the Chamber of Commerce for their hospitality, which chey have extended to our guests, by providing this splendid dinner, still more do we appreciate their invitation as being the best illustration, that we could possibly put before our visilors of what the facilities of Rotterdam, the excellent connections by rail and by water with the far hinterland, can make of a Line firmly disposed, not merely to call at Rotterdam, but to work exhaustively the enormous traffic, that can be directed to this port. It is certainly a pity that just now, when we are having this shipping fete, shipping business is passing through a crisis worse than has over been faced and in this connection it has already been remarked that the present times are not exactly alltogether appropriatc for festivities. On the other hand, just when things are bad, the right moment is there to make new connections and to lay the foundation for new business, so as to be prepared when better times again approach. I will not go so far as to refer to the causes of the present depression, because several of you will know more about this, than I would be able to state, but you will all agree, that it is a fact, that in difficult times like the present, when freights are low, delays frequent and disappointments everywhere, the best business or rather the least of bad things, is a low freight to a good port. A port with easy access, where there are no extraordinarv risks, no extravageant expenses, no delays, but where as a rule business is done on straight and plain lines, so that the tesults may be estimated as precisely as possible, in such uncertain business as shipping. No wonder consequently that everywhere governments, municipal authorities and Chambers of Commerce exert themselves to try and bring their ports up to the highest modern requirements and to make same as attractive as possible in every respect. You have been able to see during the last days all that has been done m this respect in the port of Rotterdam and I may say, that as far as the Chamber of Commeice is concerned, our task has always been a very easy one, because both our government and our municipality have always had a keen appreciation of the requirements of trade and whatever large sums of money have been required to meet the necessitics of the ever growing traffic, the same has always been voted most liberally, in the strong conviction that Rotterdam with its exceptional position between sea and Rhine, would always be able to hold its own, even in the most depressed times. I am inclined to believe that after your personal inspection, you have arrived at the same opinion. Certainly there are few ports in the world, where steamers drawing up to 23—24 feet, may enter at any hour of the tide and where steamships with a draft of 27 feet, which may be increased to 32 feet, when the new improvements in the river, already provided for, have been completed, where such steamers may be taken alongside their berths actually loading or discharging within two hours from being in full sea. To put it more effectively, I doubt whether any vessel, coming up from Soulh or West, after passing Dover, is sooner busily engaged in loading or discharging in any of the leading North Sea ports, than is the case when bound to Rotterdam. It has been pointed out, that this year the arrivals have been considerably less, but is is weil known, that this decrease applies entirely to steamers with full cargoes, such as grain, ore, coal, timber etc, say traffic greatly influenced by the general conditiens of trade. You will no doubt have noticed however, that to day our port was again quite full, with hardly any berth left free, there being in port 162 steamers and 14 sailing vessels. in fact even the available part of the Waalhaven had to be used this weck and the steamer "Rose Lea", which vou all saw this morning, discharging there timber from Mobile, is the first' vessel, making use of this new basin. Of course the regular Lines from Rotterdam are also suffermg from the general depression in trade, but certainly to a far less extent, and we are glad of tiiis, as naturally we feel most for these regular Lines, whose interests are so closely connected with the welfare of Rotterdam. We are certainly pleased that most, if not all of them are represented here at this table, Companies several of which have traded here for more than half a century and I certainly hope they will continue to do so for another 50 years and longer still, and benefit as long and as weil as possible of the good years and pass through the less favorable years with confidence, in the certainty that good periods may be followed by bad ones, but thereafter better vears have alwavs been in store. I beg to propose, Gentlemen, the interesls of the shipping trade in general and more particularly the prosperity of all regular Lines, with the Holland America Line at the head, trading by sea and by river to the good port of Rotterdam." Erquickender Humor sprach aus der folgenden Rede des Geh. Commerzienrat J. A n d r e a e, Prasident der Handelskammer zu Frankfurt a/M.: „Mijne Heeren. Ick voel, dat het hochste Tide word, dat imand van de chasten en fremdelingen ook eens en word in hollands spreekt und ich würde gerne eine lange Rede in dieser Sprache halten, wenn mich nicht meine früheren Erfahiungen abschrecken würden. Im Hollandischen gibt es eine Anzahl von Worten, welche geradeso wie die deutschen Worte klingen, aber etwas ganz anderes bedeuten, und umgekehrt bedeuten manche deutschen Worte im hollandischen etwas wesentlich verschiedenes, als im Deutschen. Wenn man der Sprache nicht absolut machtig ist, setzt man sich somit unter Umstanden den grössten Unannehmlichkeiten aus, und ich werde niemals den Schrecken vergessen, welche mir meine erste Bekanntschaft mit dem Hollandischen eingeflösst hat. Als junger Mann kam ich zum ersten Male nach Rotterdam, wohlausgerüstet mit der Adresse eines daselbst wohnenden Jugendfreundes. Mit nicht unerheblichen Schwierigkeiten erreichte ich die betreffende Wohnung, erhielt aber zu meinem Entsetzen von dem, die Türe öffnenden, dienstbaren Geist auf die Frage. ob mein Freund zu Hause sei, die erschütternde Meldung, er sei „verplatzt". Meine, in der grössten Aufregung gestellten, Fragcn : „Wann ist denn dieses entsetzliche Unglück passut? Ist er denn schon begraben?" verstand die Betreffende natürlich nicht, wiederholte aber: „Mijnheer is verplatzt onder de Bombjes", und als dies zu meiner Beruhigung noch nicht genügte, fügte sie hinzu : „onder Bombjes fiefteen." Dann begriff ich zwar, dass mein Schrecken unLegründet gewesen ist, aber es hat doch mehierer Glaser Wijnand Focking bedurft, bevor meine Nerven wieder in ihren normalen Zustand zurückveisetzt waren. Unter den vielen interessanten Drucksachen, welche Sie uns zugesandt haben, befindet sich eine, von der Hollandischen Eisenbahn-Gsellschaft herausgegebene „Plauderei über Holland", in welcher wiederholt auf die hollandische, übrigens weltbekannte Sauberkeit hingewiesen ist. Auch wir geben uns die grösste Mühe, unsere Kinder zur Sauberkeit zu erziehen und wenn schon von Dingen, welche nicht ganz sauber sind, die Rede sein muss, wenigstens zu verhindern, dass sie nicht „Dreck", sondern höchstens „Schmutz" sagen, und dafür zu sorgen, dass sie nie beschmutzt oder verdreckt sind. Und in Holland?... Die feinsten Familien — und gerade am haufigsten die Bemittelten, die mit dem guten Beispiel voran gehen sollten — ,,v e r t r e c k e n" ganz ungenirt und nehmen gar keinen Anstand, sowohl die Eisenbahn, Dampfschiffe als auch sonstige Reisegelegenheiten hierfür in Anspruch zu nehmen. Nach diesen Erfahiungen und Wahrnehmungen werden Sie es begreiflich finden, wenn ich nicht hollandisch spreche. Vor allem, meine Herren, gestatten Sie mir, der Rotterdamer Handelskammer namens ihrer Gaste den allerherzlichsten Dank für den überaus liebenswürdigen Empfang auszusprechen, und unsere Bewunderung für die vorzügliche Organisation der uns freundüchst dargebotenen Festlichkeiten zum Ausdruck zu bringen. Die Veranlassung zu dem Feste. welches wir hier feiern, hat das „Wasser" geboten, und es ist beachtenswert, in welch systematischer Weise wir mit diesem Element bekannt gemacht worden sind. Bei unserer Ankunft gestern früh in Rotterdam ist zunachst der Wassertropfen vorgeführt worden, der in grosseren Mengen vom Himmel fallend, als Regen bezeichnet wird. Erst in bescheidenen Mengen, dann, als Herr Prasident de Mónchy seine Rede begann, in kraftigen Stromen. Ich kann nicht zugeben. dass in dieser Vorführung etwas Besonderes zu finden ware und dass wir Anderen nicht ebenfalls ab und zu mit dauerhaften Regengüssen aufwarten könnten, aber das Verdienst des Organisations-Ausschusses lag darin, gerade im richtigen Moment den Regen einsetzen zu lassen und durch dessen Gerausch der vorzüglichen Rede Ihres Herrn Prasidenten den Character eines Melodramas zu verleihen. Spater hatten wir dann Gelegenheit, an einer Anzahl von Badeanstalten vorbeizufahren und uns dadurch zu überzeugen. dass auch für persönliche, ausserliche Zwecke — „outward application" nennt's der Englander — das W asser bei Ihnen Verwendung findet. Dagegen ist ganz besonders hervorzuheben, dass von keiner Seite irgend ein Versuch gemacht wurde, Wasser für Trinkzwecke in den Vordergrund zu bringen. Bei den luxuriösen Mahlzeiten, welche wir bisher eingenommen haben, wurden sogar die sonst üblichen Wasserglaser auf den Tischen beseitigt, wahrscheinlich um zu vermeiden, dass nicht falschlicherweise angenommen werde, man wolle den Consum von Wein beeintrachtigen, vielleicht aber auch aus statistischen Erwagungen. Im Gegensatz zu Wasser wird Wein in Holland nicht produzirt, kommt somit für dieses Land entweder als Import-Artikel oder als Transitware in Betracht, erscheint in jedem Fall aber in den statistischen Aufstellungen. Wenn das Interesse Rotterdams etwa darauf gerichtet isr. die Importziffer zu steigern, dann ist dies durch unsere Anwesenheit jedenfalls erreicht worden, denn bei dem Weinconsum der letzten Tage kann es gar keinem Zweifel unterliegen, dass die Statistik pro 1908, im Vergleich zu 1907, eine enorme Zunahme aufweisen muss. Die ausschlaggebende Wichtigkeit hatte für uns aber das Wasser, welches zum Fahren bcnützt wird und dessen enormen Flachen wir in den verschicdenen Hafenanlagen und Hafenbassins zu bewundern Gelegenheit hatten. Dieses möchte ich in zwei Klassen einteilen, namlich das Unterwasser, welches von Rotterdam abwarts nach dem Meer fliesst, und das Oberwasser, welches nach Rotterdam geflossen kommt. Als Anwohner dieser letzteren Sorte von Wasser muss ich Ihnen gestehen, dass vielfache Bestiebungen dahin gehen, Ihnen hiervon möglichst grosse Quantitaten vorzuenthalten. In Strassburg. Mannheim, Frankfurt und an anderen Orten am Rhein, Main und Neckar etc. sind grosse Hafenbassins gebaut worden und andere in der Anlage begriffen, alle mit dem Zweck, möglichst grosse Quantitaten Wasser in unseren eigenen Hafenanlagen zurückzuhalten. Nachdem wir uns aber davon überzeugen konnten, dass trotzdem genügcnde Quantitaten zu Ihrer Verfügung stehen, darf ich annehmen, dass Ihrerseits hiergegen keine ernstlichen Einwendungen gemacht werden. Das eine ist ja jedermann klar vor Augen getieten, dass die Ansicht jenes jungen Mannes, der glaubte, es werde in Rotterdam an Wasser fehlen, wenn er eine zeitlang die Rheinquellen zuhalt —■ eine irrige war und dass noch viel Wasser in Hafenbassins zurückgehalten werden kann, ohne dass Sie dessen in Rotterdam gewahr werden. Wir dürfen hoffen, dass der Verkehr in den alten und in den neuen Hafen sich allmahlich immer weiter entwickelt und dass Handel und Industrie immer grössere Unterstützung: durch die Ausgestaltung der Wasserstrassen erfahren werden. Das Wort „Oberwasser" hat im Deutschen noch eine andere Bedeutung, und so wünsche ich denn jedem der geehrten anwesenden Herren, jeder von Ihnen vertretenen Corporation, und vor allem der Handelskammer in Rotterdam, dass es Ihnen allen gelingen möge, für Ihre Unternehmungen der Concurrenz gegenüber stets das richtige Oberwasser zu behalten ! Mijne Heeren, ick notech U allen uit mit mei en driemalech hoch uittebrengen of te Kamer van Kopphandel en Fabriken te Rotterdam, hoch, hoch, hoch!" Mit gespannter Aufmerksamkeit lauschte man den Worten des Herrn H. B. K o o p e r, Vize-Prasident der General Steam Navigation Company Ltd., London: „Gentlemen of the Holland America Line, Mr. Burgomaster and gentlemen of Rotterdam, lt is with a certain amount of diffidence, whicli I am sure you will all appreciate that I, as one interested in the ownership of comparatively small vessels, rise in the midst of this great assembly to-night t) reply to a Toast that includes as you will see it does, the ownership of the magnificent vessel, on board of which we are being entertained this evening. It is difficult even in the short time we have been on board not to be struck with the graceful proportions of the ship's huil and the perfect manner in which science and art have contrived to render the internal arrangements so effective in every way, so much so, that it would seem that the small steamer must soon be a thing of the past—it probably would be fut for a merciful intervention of Providence which decrees that many of the Ports to which most of our shipping friends here to-night are in the habit of trading, are not always considered by the Management of the Holland America Line and similar institutions as suitable and convenient for their class of ship. With regard to the Port of Rotterdam, you have not only had occular demonstrations of its actualities and possibilities, but facts and figures have been placed bef ore you in such an able and lucid way that it would be superfluous on my part to say more on that subject this evening, but I would like to emphasise the statement of my friend, Mr. van Ommeren, that some small share of the welfare of the Port of Rotterdam may be due to the regular and frequent services from all parts that so many of the gentlemen here to-night control. It is 80 odd years since my Company ran the first steamer from London to Rotterdam, and smce that time we'have made over 11,700 voyages, and paid into the coffers of the Port administration some three millions of guilders. I merely give these figures to show what a valuable asset it must be to the Port of Rotterdam to have the large number that they do of regular and frequent services, even though as in my case the steamers are somewhat small. Gentlemen, we trade to many Ports, and must of necessity therefore, have some experience—so I feel I can say without fear of contradiction that the Port of Rotterdam is second to none in those matters which specially appeal to the shipowner : sound administration, absence of unnecessary formalities, proper Customs regulations and above all, that high Standard of commercial honesty and business integrity, which for the matter of that is a distinguishing feature in every Port in Holland. There is, however, one other point that is "Despatch" ; this at all times plays a very important part, but never moie so than to day when the Shipping industry is, as Mr. van Ommeren reminds us, passing through such a severe crisis. Now some of our friends interested in steamers from the Plate, feel they have a grievance over the discharge of grain from chartered ships from the Plate where discharge is stipulated to be according to the Custom of the Port. It is in fact a serious burden on them, and with all propriety I submit that it is detrimental to your Port. This „custom of the Port" I believe dates from the middle of last century, and I suggest to you that the reasons which demanded a 15 days' custom, have long cèased to exist. I do not know as much of the Dutch language as I should like, but I do flatter myself that I have learnt something of the Dutch character, and I am certain that if any one has a grievance in this country it is the first desire of the authorities to find out what that grievance is and if possible to lemedy it. I appeal in all sincerity to those in authority to have this grievance removed. Gentlemen, I am proud of the honour of representing you to-night but wish 1 had the gift of speech that I might have replied with more grace and ability, in conveying to our hosts our great appreciation of their cordial welcome, and of the princely way in which they have entertained us during our stay in Holland." Sachlich, die Verhaltnisse klar und deutlich kennzeichnend, ausserte sich Herr Dr. Ecker, Director der „HAPAG". „Meine sehr geehrten Herren! Der freundlichen Einladung der Holland-Amerika Linie zu dem Feste, dem wir heute beizuwohnen die Ehre haben, sind wir Vertreter der deutschen Schiffahrt mit ganz besonderer Freude gefolgt, nicht nur aus Neugierde und weil wir voraussahen, dass es hier viel des Interessanten und Hervorragcnden zu sehen, viel Neues zu bewundern geben würde, sondern vor allen Dingen getricben von der warmen Sympathie, die wir der stammverwandten benachbarten Nation, ihrem Handel und ihrer Schifffahrt entgegenbringen. Wir Deutsche bewahren in unserm Gedachtnis dankbar die Tatsache, dass Holland in früheren Jahrhunderten unserm Vaterlande viele schatzenswerte Krafte dadurch zugeführt hat, dass sich tüchtige und ehrenwerte Bürgcr dieses Landes zu dauerndem Aufenthalte in Deutschland niedergelassen haben. Deutliche Spuren dieser hollandischen Kolonisation finden sich noch jetzt in Hamburg, Schleswig-Holstein, Brandenburg und anderen Gegenden Deutschlands. Wenn ich speziell von Hamburg reden darf, so gibt es dort Strassen mit Namen wie „Hollandische Reihe", „Hollündischer Brook", und einige der angesehensten Hamburger Familien erinnern sich gern des Umstandes, dass ihre Vorfahren einst aus den Niederlanden eingewandert sind. Nicht minder dankbar sind wir Deutschen der hollandischen Nation aber dafür dass sie lange Zeit hindurch auf dem Geblete der Schiffahrt unsere Lehrmeisterin gewesen ist, was sich noch deutlich darin zeigt, dass viele Ausdrücke aus der hollandischen Sprache in die deutsche Seemannssprache übergegangen sind. Ich brauche nur auf Ausdrücke wie „Verklarung', „Dichtmachen", sowie darauf hinzuweisen, dass noch bis vor ganz kurzer Zeit der Vorsteher des Hamburgischen Seeamtes den offiziellen Titel „Wasserschout" führte. Und wenn der Grosse Kurfürst als der erste unter den Hohenzollern die gewaltigc Bedeutung von Handel und Schiffahrt für die Entwicklung eines Staates erkannt und diese Erkenntnis in dem berühmten Ausspruche niedergelegt hat, „dass Handel und Schiffahrt die fürnehmsten~Saulen des Staates seien", so ist auch dies auf hollandischen Einfluss, namlich auf den Einfluss der ihm selbst an Geistesgaben ebenbürtigen Gemahlin des Grossen Kurfürsten zurückzuführen. Bekanntlich war die Kurfürstin eine Prinzessin aus dem Hause Oranien und als solche an den Gestaden der Nordsee in diesem aus dem Meere aufgestiegenen Schiffahrtslande x«t e'loi/jv aufgewachsen und hatte von dort einen kraftigen Hauch frischer Seeluft mit in ihre neue markische Heimat hinübergebracht. Gestatten Sie mir nun, nach dieser kleinen historischen Abschweifung zu dem heutigen Abend zurückzukehren und der Holland-Amerika Linie im Namen der Vertreter der deutschen Schiffahrt meinen warmsten Dank für die uns gebotene glanzende Gastfreundschaft auszusprechen. Die Gesellschaft, die ich speziell zu vertreten die Ehre habe, die Hamburg-AmerikaLinie, fühlt sich mit unserer Gastgeberin durch das festeste aller Bande, die Gemeinsamkeit wichtiger Interessen, eng verbunden. Allerdings stehen daneben beide Gesellscb aften auch im Wettbewerb miteinander, aber in einem Wettbewerb, der nie die Worte aus Goethe's „Tasso" ausser Acht lasst : „Der Baum ist breit, mein Freund, der Schatten gibt, und keiner braucht den andern zu verdrangen'. Deswegen haben wir stets mit aufrichtiger Freude und Teilnahme die grosse Entwicklung verfolgt, welche die Holland-Amerika Linie aus kleinen Anfangen bis zu ihrer heutigen Blüte genommen hat, —■ ihrer heutigen Blüte, die durch die Grosse und die Pracht dieses Schiffes so deutlich illustriert wird, und die um so grössere Bewunderung verdient, als sie, wie Herr Direktor Wierdsma mit berechtigtem Stolze hervorgehoben hat ,ohne jede staatliche' Subvention erfolgt ist. Wir wünschen der Holland-Amerika Linie auch fernerhin alles Gute, möge sie unbeiührt von den Stürmen der Zeit „Saevis tranquillus in undis", wie der Wappenspruch des Hauses Oranien lautet, unter der Führung der hervorragenden Manner, die gegenwartig an ihrer Spitze stehen, auch ferneihin wachsen, blühen und gedeihen. Ich bitte die Vertreter der deutschen Schiffahrt und Sie alle, meine Herren, die Sie an dieser festlichen Tafel versammelt sind, mit mir das Glas zu erheben und einzustimmen in den Ruf : „Die Nederlandsch-Amerikaansche Stoomvaart-Maatschappij, Hui ra!" Noch sprachen Herr De Beaupré, Amerikanischer Gesandter in 's-Gravenhage; Herr Weissenbach, Prasident der schweizerischen Bundes-Eisenbahnen; Herr Far jon, Handelskammerprasident zu Bologne sur Mer; Herr B. Nierstras s, Director der Holl. Stoomboot-Maatschappij, Amsterdam, und Herr G. J. de J o n g h, Director der Gemeindewerke Rotterdams. Nachdem die Tafel aufgehoben, begaben sich die Herren aufs Verdeck, um, bei einem Tasschen Mocca., das herrliche Schauspiel zu geniessen, welches der majestatische Maasstrom bei Nacht bietet. Zahlreiche kleine und grössere Dampfer, im Schmucke farbiger Lampions und electrischer Glühlichter, wiegten sich auf dem Strom oder schossen, fallenden Sternschnuppen gleich, über die dunkle Wasserflache. Dann und wann blitzte, ganz in der Ferne, ein Scheinwerfer auf und sandte seine silbernen Strahlenbüschel in's Farbengewimmel. Manches Ah und Oh der Bewunderung entschlüpfte den Gasten, die nur widerstrebend dem herrlichen Schauspiel entsagten, als die Trennungsstunde schlug. Da drückte ein letzter Handschlag den liebenswürdigen Gastgebern sicherlich mehr aus, als schön ge- drexelte Worte dies zu tun vermochten. * * * Einen würdigen Abschluss fanden die Rotterdamer Feste durch das Galamahl im Scheveninger Kurhaus, dessen vornehmes Milieu ganz zum Character des grossartig angelegten Empfanges passte. Ungefahr 600 Gaste füllten den, mit Flaggen und Guirlanden von Tannengrün sinnig geschmückten Saai. Eine Zigeunerkapelle spielte lustige und dann und wann schwermütige Weisen. Das war gut, denn gar mancher besass nicht mehr die Ausdauer, nach all den kulinarischen Genüssen der vorhergegangenen Tage, das herrliche Galgenmahl zum Abschied aus dem Schlaraffenland einzunehmen ; nunmehr ass er Andante oder Allegro furioso. Nachdem Excellenz Van Heemskerk das Hoch auf die Königin ausgebracht, kündete Jonkheer Otto Reuchlin die Festredner an. Es ist wirklich verwunderlich, welche Ausdauer dieser würdige Vorsitzende der Festcommission bis zum Schluss der Festlichkeiten entwickelte. Unermüdlich war er tatig; niemals verriet er eine Spur von Nervositat und stets grüsste sein freundliches Lacheln die Kommenden. Diese olympische Ruhe, bei angestrengter, geistiger und körperlicher Tatigkeit — die Herren haben ja nebenher auch noch etwas anderes zu tun — zeichnete übrigens alle Mitglieder der Kommission und nicht zum wenigsten den Secretar, Herrn Van P e s k i aus, der bei einem Schwarzkünstler in der Lehre gewesen zu sein scheint, denn er versteht die Kunst, sich zu vervielfaltigen. Ich kann beschwören, dass verschiedene Leute ihn an verschiedenen Orten zugleich gesehen haben wollen. Herr de Monchy sprach deshalb wohl allen Anwesenden aus dem Herzen, — der Beifall bewies es — als er die Festcommission in schwungvollen Worten feierte. „Réunie avec ses hótes a la dernière collation, la Chambre de Commerce et de l lndustrie ne pourrait se priver de 1'agréable devoir de vous remercier au nom des Commercants de Rotterdam de la peine que vous tous, Messieurs, avez pris d'y assister : Leurs Excellences les Ministres de lTntérieur, des Affaires Etrangères, des Travaux Publics et du Commerce, Son Excellence le Gouverneur de la Province, Monsieur le Bourgemestre de Rotterdam et vous tous, Messieurs, qui avez sacrifié un temps considérable pour nous faire jouir de votre agréable compagnie. Soyez convaincus que nous autres nous en sommes trés reconnaissants. Grace a votre bienvaillance et grace au temps favorable, les Rotterdamois ont eu 1'occasion de vous montrer leur port sous son meilleur aspect. Pour la Chambre de Commerce et pour les Commercants j'accepte gracieusement les compliments flateux que vos orateurs nous ont déja addressés. Cependant une très-grande part de ces compliments devrait être addressée a notre Commission pour les Festivals et surtout a son Président Jhr. Otto Reuchlin et c'est pour ga, Messieurs, que je voudrais prier Monsieur Reuchlin d'occuper pour ce soir la présidence de cette table. Monsieur Reuchlin et ses braves collaborateurs pourront y voir un hommage de nous qui en avons profité. Qant a moi, je me borne a proposer en son nom la santé de vous tous." Eine prachtvolle oratorische Leistung war die von patriotischer Glut durchströmte hollandische Rede des Handelsministers T a 1 m a, die wir nur in kurzem Auszug wiederzugeben vermogen : Den Minister freut es, feststellen zu können, dass die Regierung den Verlauf des Festes mit grossem Interesse verfolgt habe und sich des guten Gelingens aufrichtig freue. Der, diesem Fest zu Grunde liegende, Gedanke sei sehr richtig, denn wenn man dem Ausland zeigen wolle, welchen Platz die Niederlande in der Handelswelt einnehmen, dann musste man die Gaste selbstredend nach Rotterdam bringen. Allerdings habe Rotterdam seinen grossen Erfolg in erster Linie seiner geographischen Lage zu verdanken, in seinem Besitz sei der Schlüssel zum Rheintal, das nach dem Herzen Deutschlands führt, aber Rotterdam habe diesen Schlüssel nicht dazu benützt, um die Türe zu schliessen, sondern, im Gegenteil, es habe die Pforten geöffnet und begriffen, wozu es berufen sei. Dadurch biete es nun ein Bild von Kraft, einer jungen Stadt voll Wagemut. Von concurrierenden Hafen drohe ihr keine Gefahr, denn, infolge ihrer natürlichen Lage, könne ihr nichts von Bedeutung abspenstig gemacht werden, solange der Strom von Energie und Wollen der letzten Jahre sie durchfliesse. Sprecher hegt die Ueberzeugung, dass alle Besucher den tiefgehendsten Eindruck von der Arbeit der Rotterdamer empfangen haben. Rotterdam ist eine Statte der Arbeit, von Arbeit, welche auch für den Minister die schwierigste Abteilung seines Departements ist. Für den Handel sorgen die Kaufherren hier allerdings selbst, aber die Arbeit...! Meine Herren! Landwirtschaft, Industrie und Handel können ohne Arbeit nicht bestehen und dieser, auch im engeren Begriff, wird Rotterdam seine Energie widmen müssen, denn sie ist eine der Sorgen, die Rotterdam aus seiner ganzen Entwicklung erwachsen. Sprecher hoffte jedoch, dass die Stadt, durch eigene Kraft, auch dieser Sorge enthoben werden würde. Rotterdam könne, kraft seines Auftretens, die Divise. des englischen Kronprinzen : „Ich Dien" annehmen ; natürlich dürfe durch dieses „Dienen" seine Selbstandigkeit nie gcschmülert werden. In solchem Sinne stelle sich der Minister auch die Lösung der Arbeitsfrage vor. Jubelnder Beifall lohnte den Redner. Nach dem Minister sprach der frühere Handelskammerprasident, Herr A. Plate: „Mes amis et anciens collègues m'ont gracieusement confié la tache, que j'ai le grand plaisir et le grand honneur d'accomplir, celle de vous adresser la parole au nom de la Chambre de Commerce de Rotterdam. J'aimerais vous parler du but que nous avions en vue, lorsque 1'idée nousest venue de cette réunion amicale. Inutile d'ajouter que 1'idée une fois concue fut applaudie chaleureusemcnt de toutes parts. La chambre de commerce a même été concurrencée et a dü céder ses hótes le premier jour a la municipalité de Rotterdam et le lendemain a nos amis de la ligne Hollando-Américaine. Ce n'est que ce dernier jour que 1'occasion se présente pour nous de vous réunir d'une manière un peu plus officielle. Ce serait pour nous un jour d'adieu, si tout ne fit espérer un „au revoir". Londres, Hambourg, Anvers étaient de grands ports lorsque le port de Rotterdam était encore peu connu, même cxclus dans les affrètements des Etats-TJnis pour le continent. „To a safe port in the United Kingdom or to the continent between Bordeaux and Hamburg, Rotterdam excluded," était une clause bien connue et il y avait une bonne raison pour en faire usage. Notre port était inaccessible aux grands batiments. Ce n'est que dans la dernière partie du siècle passé que notre port a pris son essor et nous avons considéré opportun de réunir autant que possible tous ceux dont les intéréts, soit comme armateurs, soit comme chargeurs ou destinataires, s'identifient aux nótres. laborieuse, d'une nation qui accepte sans hésitation les obligations que sa position géographique lui impose. Nous nous réunissons aujourd'hui au bord de cette mer, dont les flots baignent le territoire de plusieurs nations si dignement représentées ici. Vous avez vu flotter sur cette mer les pavillons de toutes les nations maritimes. Et au dela dc cette mer il y a i'Ocean immense. Mais bien loin de nous séparer, les eaux nous rapprochent et nous unissent par la communauté d'intérêts qui nous fait acheminer vers le progrès par la paix. Je termine en levant mon verre en 1'honneur de cette entente cordiale qui existe entre le commerce du monde tout entier et dont votre présence est la preuve bien appréciée par nous." Auch Herr C. K o 1 f f A.Q z n., Mitglied der Rotterdamer Handelskammer und des Festausschusses, besprach dieses Thema in einer Variante : A. Plate Nous avons mis de cöté toute idéé de réclame. La réclame suppose la rivalité, l'antagonisme. Or, je suis convaincu que tout port, comme tout pays, a une tache spéciale a accomplir ; il y a place pour tous. Certes, nous avons besoin dc vous, Messieurs les armateurs a 1'étranger, qui faites régulièrement visiter notre port par vos steamers. Un bon accueü restera réservé a votre pavillon. Nous avons besoin de vous qui faites djriger vos marchandises sur Rotterdam pour y être distribuées ou réexprédiées. Notre reconnaissa.ace est grande pour le concours que vous nous prêtez, pour la part trés grande que vous prenez dans le développement de notre 'port. Notre dette envers vous est trés grande, elle pèserait sur nous d'un poids trop lourd si nous n'avions pas la certitude — permettez-moi de le dire — que nous aussi a notre tour nous pouvons vous être utiles. Vous connaissez tous la fable dont la morale est qu'on a souvent besoin d'un plus petit que soi. Nous ne faisons pas de réclame. Nous n'allons pas vous dire que notre port est plus important qu'un autre. Nous n'avons nullement la prétention que notre port deviendra le plus grand du monde. Ce serait du reste peu complaisant envers vous, Messieurs, qui représentez ici d'autres ports même voisins du notre. Vous avez assisté hier au banquet offert a bord du plus grand steamer de notre f lotte marchande. Nous savons fort bien qu'il y a d'autres steamers plus imposants encore par leurs dimensions et par leur capacité. Quant au tonnage, on m'a dit que 3 ou 4 de ces steamers surpassent le b&timent rotterdamois et qu'ils appartenaient a des compagnies anglaises et allemandes. II v a done d'autres pavillons qui par rapport a la capacité de leurs Leviathans surpassent le notre. Je ne crois pas porter atteinte a notre dignité nationale en faisant eet aveu et je veux être tout aussi modeste en confessant humblement que, par rapport a lïmportance du port, nous prenons le même rang. Nous avouons que 3 ou 4 ports surpassent le nótre. En tout cas, Messieurs, comme le proverbe anglais le dit si bien, „The proof of the pudding is in the eating", et comme vous avez eu 1'occasion de vous convaincre hier que le steamer dont je viens de parler décharge sa cargaison a Rotterdam, vous avez la certitude que le port est accessible au transatlantique moderne. Le but principal de notre réunion a été de vous familiariser avec notre port, avec les facilités que nous pouvons vous offrir. Comme un grand nombre de vos transactions commerciales se hquident a Rotterdam, nous avons cru qu'il vous serait utile de prendre personnellement des renseignements au sujet de nos institutions, de notre législation, de nos us et coutumes. J'aime a croire que les jours passés par vous en Hollande laisseront un souvenir agréable. J'aime a croire qu'il vous restera le souvenir d'une cité „Als Mitglied des Festcomités sei es mir erlaubt, einige Worte zu sprechen, wozu ich um so mehr das Bedürfniss fühle, als das Ende unsres Zusammcnseins leider mit raschen Schriften heranrückt. Was die Veranlassung zu diesem Internationalen Handels- und Schiffahrtsfest gewesen ist, das, meine Herren, haben meine Collegen Ihnen bereits in treffenden Worten geschildert. Der Handel von Rotterdam, vertreten durch die Rotterdamer Handelskammer, wünschte allen Denjenigen, welche in mehr oder weniger regelmassiger Verbindung mit unsrem Hafen stehen, durch persönliche Anschauung vor Augen zu führen, was in Rotterdam zu Stande kam. Rotterdam wünschte seinen Handelsfreunden zu zeigen, was man dem Handel und der Schiffahrt zu bieten vermag, dank der von der Natur begünstigten Lage in Vereinigung mit Energie unsrer Kaufmannschaft und last not least gestützt von einer weitsichtigen Staatsregierung und von einer intelligenten Stadtverwaltung. Ob es uns gelungen ist, Ihnen von diesem und jenem einen günstigen Eindruck zu verschaffen ? Es steht mir nicht zu, als Gastgeber darüber eine Meinung auszusprechen, aber wohl darf ich mir erlauben, einen persönlich empfangenen Eindruck kundzugeben, einen Eindruck, welchen ich in steigendem Maasse wahrend dieser drei Tage in mir aufgenommen habe, namlich diesen, dass wir alle durch unsre Zusammenkunft geholfen haben ein grosses, ein edles Ziel zu fördern, namlich die Annaherung zwischen befreundeten Vólkern. Es wird so oft gesagt, der Handel sei selbstsüchtig, der Handel suche nur sich selbst, er sei vor allem egoistisch und doch ist dies nur zum Teile Wahrheit, denn der Handel hat auch noch andere Kinder als die Selbstsucht und den Eigennutz, Kinder, welche er ebenso gut die Seinigen nennen darf. Bringt der Handel die Völker nicht naher zusammen? Erweitert er den Bliek eines Volkes nicht? Tragt er nicht dazu bei, dass oft oberflachliche Vorurteile weggenommen werden ? Tragt er nicht dazu bei, dass man einander besser kennen und begreifen lernt und dass nationale Eigentümlichkeiten, welche oft einem Volke zur Zierde gereichen, nicht langer missbilligt und getadelt, sondern im Gegenteil geschatzt und gewürdigt werden? Sehen wir hier keine Deutschen, Englander, Fransosen, Amerikaner, Belgier, Schweden, Norweger, Danen, Schweizer, Japaner und Hollander in Eintracht zusammen ? Sehen wir denn hier, auf diesem selben Fleckchen Erde, wo noch vor Kurzem die Vertreter aller Lander der Welt zur zweiten Friedensconferenz zusammentrafen, nicht wieder verschiedene Nationalitaten versammelt? Hier wird jetzt durch uns doch wieder die Grundlage zu Planen gelegt, welche in der Zukunft nur dann Wirklichkeit werden können, wenn der Frieden unter den Vólkern, der Weltfrieden, bewahrt bleibt. Wenn man unsre Zusammenkunft in dem Lichte besieht, wenn man sich das Bild vor Augen stellt, dann, meine Herren, glaube ich, dass wir hier erklaren können, auch noch zu etwas Anderm, etwas Höherem mitgearbeitet zu haben, als nur zu selbstsüchtigen, egoistischen Zwecken, wovon der Handel, mit Unrecht, nur zu oft verdachtigt wird. Das Festcomité hat deshalb mit Vorliebe, mit Absicht ein Motto, eine Devise, für diese Festtage gewahlt. Sie Alle haben diesen sinnreichen Denkspruch wahrend dieser drei Tage fortwahrend vor Augen gehabt, auf den Cigarren-Etuis haben wir demselben einen Platz eingeraumt. Es ist das goldne Wort unsres grossen, unsres scharfsinnigen Erasmus, des tiefen Denkers, des feinen Geistes, welcher vor mehr als 400 Jahren in Rotterdam geboren wurde. Es heisst „Scientia et Mercatura infinita", Wissenschaft und Handel kennen keine Grenze ! Mogen diese Worte auch in der Zukunft Wahrheit bleiben. Mogen die Hemmnisse, welche leider noch zu oft der Annaherung der Völker im Wege stehen — auch mit Bezug auf den Handel — nach und nach verschwinden. Ohne Grenze und unbeschrankt sei unser Gebiet, das Gebiet des Handels, und möge unsre Zusammenkunft dazu beitragen, die hier anwesenden Nationalitaten enger und inniger zusammengebracht zu haben. Im Anschluss an die vorzüglichen Worte des hochgeehrten Herrn Vorredners auf die Entente cordiale, wünsche ich noch einen Schritt weiter zu gehen und schlage ich Ihnen vor, einen Trunk zu weihen der Entwicklung des Internationalen Handels als Tragers und Führers der heiligen Fahne des Friedens." Dass dies, was Rotterdam betrifft, schon der Fall ist, erhellt aus der folgenden, vom Vorsitzenden, Herrn De Monchij, verlesenen Depesche der Rheinschiffahrt A. G., vormals Fendel in Mannheim, aus Basel: „Heute Abend auf der 14. Fahrt in Basel eingetroffen. Diesmal mit einem Schleppzug von 2 Kahnen von 700 Tons Ladung. — Mögen diese Versuche dazu beitragen, den Rotterdamer Hafen zu fördern in der Konkurrenz zum Mittelmeer." — Ein Beweis dafür, dass der Wasserweg nach der Schweiz bedeutend verbessert ist. Nunmehr erhob sich Herr Bürgermeister Zimmerman, um der Versammlung folgenden Abschiedsgruss zu weihen: Meine Herren ! Nur noch wenige Stunden sind uns vergünnt und werden wir von Neuem an das Vergangliche auf dieser Welt erinnert, und dass auf das Beisammensein der Abschied folgt. Die drei Tage, an denen wir uns Ihrer Anwesenheit erfreuen konnten, neigen sich ihrem Ende und bald werden Sie nun wieder zurückkehren in die&verschieden fremden Lande Europas, mitnehmend die Erinnerung an Ihren Aufenthalt in Holland. Uns Hollandern aber wird die Erinnerung an diese Tage eine der angenehmsten bleiben. Wir waren stolz darauf, Ihnen unser Land und unsere Stadt zeigen zu dürfen und wurde in den wenigen Tagen unser Bliek erweitert durch den Umgang mit den leitenden Mannern des praktischen Lebens des Auslandes. Wahrend im vergangenen Jahre an diesem Orte die Staatsmanner und Diplomaten sich zusammengefunden hatten, welche ein so erhabenes Ziel, die Förderung des Weltfriedens, anstrebten, waren es in diesem Sommer die Manner des praktischen Lebens, die zweifellos das Ihrige beigetragen haben, dieselbe erhabene Idee zu verwirklichen. Der Zusammenhang der interntaionalen Interessen tritt nie deutlicher zu Tage als in einer Zusammenkunft wie diese und deshalb will ich sie auch „eine Friedenskonferenz" nennen, deren gute Folgen sicher nicht ausbleibcn werden. Und was Sie betrifft, meine Herren, schmeichle ich mir mit der Hoffnung, dass auch Sie nicht unbefriedigt sind über Ihre Reise nach Holland und dass auch Sie eine angenehme Erinnerung an die drei hier verbrachten Tage behalten werden. Und hat dieses internationale Fest neue Beziehungen und Bande geknüpft oder alte erneuert und befestigt, dann dürften wir unsere besten Wünsche erfüllt sehen. In diesem Sinne, meine Herren, rufe ich Ihnen im Namen aller anwesenden Hollander ein herzliches Lebewohl, ein „Auf Wiedersehen" zu! Unseie deutschen Nachbarn sagen : „scheiden tut weh", das heisst, dass jedes Abschiednehmen schmerzlich ist. Die Wahrheit dieser Worte fühlen wir heute auch. Jedoch glaube ich, dass in diesem Falie das Gefühl der Wehmut nicht unvermischt ist, und dass Sie, die aus weiter Ferne zu uns kamen, gein zurückverlangen nach denen, die Sie haben mussen daheimlassen und die Sie in Balde wiederzusehen hoffen. Sie haben sie in der Ferienzeit verlassen, wo das Familienband sein Recht verlangt und der Mann, der wahrend des ganzen Jahres seine gespannte Aufmerksamkeit nur auf die Geschafte gerichtet halt, mit seiner Familie Ruhe und Erholung zu suchen pflegt in den Schönheiten der Natur. Als ich die -Antworten auf die Einladungen der Gemeindeverwaltung empfing, war ich freudig betroffen, dass soviele kamen aus den Bergen, vom Meeiesstrande, von allen Badeorten, von überall da man doch Ruhe sucht. Ich sah da wohl ein, dass durch die Annahme der Einladung viele ein Teil ihrer wohlverdienten Ruhe opferten und müssen wir ihre Anwesenheit deshalb um so höher einschatzen. Nun, meine Herren, in einigen Stunden wird der Zug oder das Dampfschiff Sie uns entführen und Sie hinbringen zu denen, die Sie mit Bedauern haben fortgehen lassen und mit Ungeduld zurückerwarten, an welche Sie auch die Entschuldigungen der Stadt Rotterdam überbringen wollen, dass sie die Ursache der Unterbrechung des angenehmen Aufenthaltes war. Es drangt mich nun, Abschied von Ihnen zu nehmen und Ihrer abwesenden Freunde und Verwandte in der Heimat zu gedenken. Meine Herren, ich bitte alle anweseoden Hollander das Glas zu erheben und mit mir zu trinken auf eine wohlbchaltene Heimkehr und auf die Gesundheit und das Wohl aller, die Sie bald wiedersehen werden ! Die grösste Freude unter den Rednern über seinen Speech dürfte wohl Herr Reichstagsabgeordnete B e u m e r aus Düsseldorf gehabt haben, denn kaum hatte er sein Leidwesen darüber ausgedrückt, dass die Rotterdamer ihre Gattinnen und Töchter unter sicherem Verschluss hielten, als sich auch schon die Gallerie mit blonden und dunklen Feen füllte. Ein Beifallssturm brauste zu den Damen empor. Der Provinzgouverneur von Südholland, Herr D r. j u r. J. G. P a tij n, huldigte dem Handel und der Industrie der Provinz mit folgenden Worten : „Ne craignez pas M.M. que je vais abuser de votre patience. Jusqu'ici il n'y avait pour moi aucune raison pour demander la parole; j'ai applaudi de tout mon coeur aux voeux qui ont été prononcés pour la prospérité de la ville de Rotterdam, pour le développement de son commerce, etc. Mais il me parait que 1'on se garder de répéter ce qui a été dit d'une manière si éloquente. Mais a présent que j'ai 1'honneur d'être assis a cóié du noble Président de la Chambre de Commerce de Rotterdam, je croirais manquer aux premières regies de la convenance en ne profitant de cette occasion pour témoigner toute ma reconnaissance a la Chambre de Commerce, i la Municipalité de Rotterdam et a la Direction du Holland-Amerika Lijn, qui ont bien voulu m'inviter aux réunions et aux banquets qui ont eu lieu dans les derniers jours. J'ai été heureux, M.M., que j'ai pu assister a ces fêtes, autant que mes occupations ordinaires me le permettaient et que j'ai pu me convaincre personnellement de la manière gracieuse dont la ville de Rotterdam a tenu a recevoir ses hótes, qui ont bien voulu répondre a 1'appel qui leur a été adressé par la Chambre de Commerce de cette ville. Je tiens aussi a témoigner toute ma reconnaissance envers le Comité, qui s'est chargé de 1'organisation de ces fêtes et qui s'est acquité de cette tache d'une manière digne de toute notie admiration et de toute notre gratitude ; et j'aime a lui dire que j'ai été trés sensible que non seulement il a fourni a vous, M.M., — venus de prés ou de loin — 1'occasion de voir ce que la ville de Rotterdam a fait dans les derniers temps pour le développement de son commerce, pour 1'agrandissement de ses ports, pour 1'amélioration de ses quais, etc, que non seulement vous avez pu vous convaincre que cette ville ne négligé rien pour lui assurer la place qu'elle occupe actuellement parmis les ports maritimes de 1'Europe — mais aussi, M.M., que, grace a notre Comité d'organisation, vous avez pu visiter une large partie de notre Province. On vous a montré le large fleuve que 1'on a creusé pour former le lien entre votre Rhin allemand et les eaux de la Mer du Nord, et qui permet aux plus grands navires du monde d'approcher le port de Rotterdam. Vous avez pu remarquer les nombreuses industries, qui se sont développées sur les bords des grandes rivières qui mènent a Rotterdam, vous avez vu les canaux qui traversent le pays dans tous les sens, vous avez pu admirer nos prairies a perte vue, etc. Je regrette, M.M., que votre séjour en Hollande a été de si courte durée, mais j'espère que les quelques jours passés parmis nous auront suffis pour vous donner une bonne impression de notre patrie. J'espère que vous avez été contents de 1'acceuil que vous avez trouvé en Hollande et que votre séjour portera des fruits non seulement pour la ville, qui m'est chère, mais pour tous ceux qui s'intéressent au développement du commerce et de 1'industrie. Je me rappelle avoir lu un de ces jour dans un de nos journaux que Monsieur H i 1 1, ci-devant Ministre des Etats Unis de 1'Amérique a la Haye — actuellement a Berlin — et dont nous regrettons tous le départ —. dans un discours qu'il vient de tenir en Allemagne a dit que le plus grand danger pour le maintien de la paix du monde est situé Jans les Convoitises Commerciales des diverses nations, et il a ajouté que ce serait la noble tache de la Diplomatie d'écarter les dangers qui pourraient en résulter. Vous comprenez, M.M., que je ne doute nullement de la vérité de ce que Mr. Hill vient de dire, et n'oubliant pas que dans ce moment-ci j'ai 1'honneur d'être assis a coté de S. E. le Ministre des Affaires Etrangères, j'aime a y ajouter que je suis profondément convaincu que dans ces cas la la Diplomatie pourra nous rendre des services immenses, mais j'aime a cioire qu'il y a encore d'autres moyens qui pourront servir a dissiper les nuages qui pourraient obscurcir 1'horizon politique et que parmis ces moyens nous pouvons compter les réunions telles que la présente. J'aime a croire que ces réunions pourront servir a nous pénétrer de plus en plus de la vérité que pour le développement du commerce et de 1'industrie les nations peuvent s'aider mutuellemenr, que réciproquement elles peuvent se donner des secours et qu'il est nullement nécessaire que la prospérité de 1'un soit au détriment de 1'autre. J'espère, M.M., que les. jours passés parmis nous contribueront a vous persuader de cette vérité et c'est dans ce sens que je vous propose de boire au développement du commerce et de 1'industrie pour le bonheur de toutes lés nations, dont nous voyons les nobles représentants parmis nous — pour le bonheur du monde entier." In ausserordentlich geistvoller Weise toastete schliesslich noch der Minister des Aeussern auf Bürgermeister Zimmerman von Rotterdam. Er citierte u. a. aus der Oper „Czar und Zimmerman n" den bekannten Vers : ,;Der Mann ist klug und weise, den betrügt man nicht" und feierte auch m schwungvollen Worten die Gattin des Stadtsoberhauptes. Der Burgermeister dankte für die erwiesene Ehrung und erinnerte zum Schlusse an eine andere Frau, die wir alle lieben und verehren, an „notre auguste rein e". Wuchtig brauste das Volkslied durch den Saai. Naher und naher rückte die Scheidestunde. Da und dort bildeten sich kleine Gruppen und entwickelte sich ein lebhafter Meimmgsaustausch über die Eindrücke, die man von dem grossartigen dreitagigen Pest empfangen hatte. Dass diese ungeteilt günstig waren, bewies die Herzlichkeit, mit welcher der Dank von Aller Lippen sprudelte. Möge dieses Gefühl in allen Teilnehmern erhalten bleiben ! Mögen die Gaste ihre Eindrücke zu Gunsten des Rotterdamer Hafens überall verwerten ! Dann haben die Rotterdamer Kaufherren auch volle Genugtuung von ihrer genialen Idee. Die meisten Photo's sind von C. E. M ö g 1 e - Rotterdam. Rotterdam politiscbe und Bandelsgescbicbte. — ©eschaftlicber Hufscbwung. — Hnfange der Seescbiffabrt. — Xndustrielle fortscbritte. — Rüchgang unter französiscbem Regime. — Grneuter Hufscbwung. — Das erste Dampfscbiff. — Die entwickelung der Rheinscbiffabrt. — Der Rand el mit Ost-Xndien. — Die fiandelsf lotte. — Xndustrielle Unternebmungen. — Die Grrichtung regelmassiger Dampferlinien. — CalmiRbeder. — Blüteperiode. — Die Hnfange des neuen SClasserwegs und seine "Vollendung. — Die neuen Bafenanlagen. — «leltfirtmn. — Die beutige Stadt. OTTERDAM, oder wie es in alter Lesart genannt wird, Roteredamme, lateinisch Roterodamum, die Haf enstadt, die sich heute einfügen darf in die engere Reihe der grössten Hafen mit Verbindungen über den ganzen Erdball, kann sich dabei nicht auf eine frühere, altehrwürdige Vergangenheit berufen. Zu den Zeiten der Hansa spielte die Stadt we¬ der in der Handelswelt, noch als Hafen ïrgend eine Rolle, ihre ersten Anfange fallen vielmehr erst ungefahr mit der Entwicklungs- und Blütezeit der Hansa zusammen. Es leuchten denn auch in Rotterdam keine Wahrzeichen aus der Zeit dieses grossen Verbandes kaufmannischer Tatigkeit, welcher sich über das ganze nördliche Europa erstreckte, herüber. Kein Romulus oder Remus hat ihr das erste Leben eingehaucht und ihre Jugendjahre mit starkem Arm besemrmt, für ihre Entwicklung gesorgt. Von frühester Jugend an sich selber überlassen gewesen, hat sie ein doppeltes Anrecht, sich als „self made" zu beschauen. Selbst Vlaardingen, Dordrecht, den Briel, Schiedam, sind wesentlich alteren Ursprungs; sie hatten gewissermaassen schon eine Geschichte, als an der Mündung des kleinen Wassers Rotte in den einen der vielen Arme des Rheindelta's — damals auch weiter abwarts noch „Merwe" genannt — von einer Ansiedlung noch keine Rede war. Wohl soll sich zu Anfang des zehnten oder Ende des neunten Jahrhunderts das Volk der Katten an der Rotte, in der Nahe der Mündung, dem jetzigen Krooswijk, niedergelassen haben, doch ist dies nicht in geschichtlichen Zusammenhang mit der Entstehung Rotterdams zu bringen. Schon früh finden wir Schiedam als ernstlichen Konkurrenzhafen gegen Vlaardingen und Delft für den Wasserverkehr nach Zeeland, Flandern, Dordrecht und für die Einfuhr der Waaren aus den genannten Distrikten in das nördliche Hinterland, denn es handelte sich damals für die Hafen hier an der Merwe (jetzige Maas) noch keineswegs um einen Seeverkehr. Erst zu jener Zeit hatten sich auch weiter östlich von Schiedam an einer grossen Bucht, welche der Arm des Deltas bildete, und wo die Rotte in dieselbe mündete, Fischer niedergelassen; vielleicht wohl noch besonders für ihr Gewerbe dazu angezogen durch das tiefere Wasser nahe am Ufer und durch eine daselbst gebildete Sanderhöhung, dem Roode Zand. Denn das Land war überall sehr niedrig und wurde auch an den Ufern der kleinen Rotte vielfach überschwemmt, ja das ganze Gebiet an der linken Seite der Merwe bis nach Dordrecht war gewissermaassen eine grosse Lagune. In der genannten Bucht aber wurde die Strömung durch die an der linken Seite vorspringende Sandbank „Feijenoord" mit Kraft an das nördliche Ufer gedrangt, so dass daselbst eine grössere Wassertiefe erzeugt wurde, worin keine Sandablagerungen stattfanden, wahrend das Roode Zand genügend hoch gewesen sein wird, um Ansiedlern trocknen Aufenthalt zu gewahren, denn auf demselben wurde schon so frühzeitig die Burg „Bulgersdijk" gebaut, dass ihr eigentlicher Geburtschein verloren gegangen ist; man weiss nur, dass sie schon im Jahre 1260 vollstandig zerfallen war und restaurirt wurde. Von der Burg sind keine Ueberreste mehr verhanden. Der Name „Roode Zand" ist noch durch eine kurze Strasse verewigt, da wo Burg und Sandbank sich befanden. Aber ausserdem, dass die Fischer hier für ihr Gewerbe günstige Gelegenheit fanden, so dass sie sich bald in grösserer Anzahl ansiedelten, müssen auch die Schiffer, welche mit Waaren von der anderen Seite der Lagune kamen, Veranlassung gefunden haben, zu versuchen, von dieser neuen Ansiedlung aus, ihre Waaren weiter nach Delft, 's-Gravenhage, Leiden u. s. w. zu befördern, und damit den ersten Anfang eines Verkehrs geschaffen haben. Dr. Te Lintum findet in seiner eingehenden Abhandlung über Rotterdams Entwicklung und Aufschwung, in der Zeitschrift der Königlich Niederlandischen Geographischen Gesellschaft zu Amsterdam, in der grosseren Wassertiefe an dem nördlichen Ufer in dieser Bucht selbst die Erklarung bezw. die Ursache dafür, dass Rotterdam, trotz seiner viel spateren Entstehung, den westlicher gelegenen Hafen gegenüber, gar bald einen Vorsprung gewann, weil eine günstigere Lage für das nördlicher gelegene Hinterland nicht vorhanden war, gute Wasserverbindung mit demselben nicht be- stand dieselbe vielmehr erst bedeutend spater durch einen Kanal nach der Schie mit vielen Schwierigkeiten, namentlich auch Delft mit seinem eigenen Hafen gegenüber, erstritten werden musste. Noch im Jahre 1300 ist Schiedam bei weitem voraus vor dem kleinen Nachbar, welcher damals wohl kaum noch getauft war, denn ïhm wurden zwar zu Ende des dreizehnten Jahrhunderts durch Graf Floris V. stadtische Privilegiën verliehen, doch kommt nach der, 1847, berausgegebenen geographischen Encyklopadie von Van der Aa, der Name Roteredamme zuerst officiell m einem Dokument von Willem de Gorch, Graf von Holland, im Jahre 1328 vor. Erst im Jahre 1340 wurde dem neuen Emporkömmling durch den Grafen Willem van Henegau die Erlaubniss erteilt, einen Kanal bis zur Schie zu graben, um dadurch bessere Wasserverbindung mit Delft und dem weiteren Hinterland zu erlangen. Der Kanal wurde auch im Jahre 1343 in Angriff genommen, aber die viel vermögenden Herren in Delft waren damit gar wenig einverstanden; sie hessen darum den Kanal, nach seiner Fertigstellung, bei seiner Verbindung mit der Schie unweit Ouweschie, jetzt Overschie, ganz emf ach durch einen breiten Damm abschiiessen, hessen obendrem in den Jahren 1389 bis 1400 einen direkten Kanal von der Schie, bei Overschie, nach der Merwe (Maas) graben und legten bei der Mündung einen eigenen Hafen an: Delfshaven. Dies war eine neue, schwere Konkurrenz für Rotterdam, um so mehr, als den Delfter Handelsherren von der Stadt befohlen wurde, bei hoher Strafe ihre sammtlichen Waaren nur über den eigenen Hafen zu beziehen und zu versenden. Den Rotterdamern aber gelang es nur, durch schwere Geldopfer, bei dem Grafen durchzusetzen, dass die Verbindung ihres Kanals mit der Schie, wenn auch einstweilen erst in beschrankter Weise, wieder hergestellt wurde. Heute ist dieser Hafen Delfts der Gemeinde Rotterdam einverleibt, aber noch jetzt bietet er in seinem Aeussern fast überall das Bild einer echt althollandischen Stadt, gerade wie das uralte Delft selber auch. Es finden sich darin manche malerische Punkte, aber die Alles nivellirende Hand der Neuzeit wird auch diese Andenken dereinstiger Macht und Grosse wohl gar bald der Vergangenheit anheim geben. Trotz alledem nahm der Verkehr in Rotterdam zu, und schon, 1400, war das Verhaltniss Schiedam gegenüger vollstandig umgekehrt wie im Jahre 1300: Rotterdam hatte die Oberhand. Dies begründet Dr. Te Lintum in seiner genannten Abhandlung in der Hauptsache mit der günstigeren, örtlichen Lage Rotterdams, nicht mit Bezug auf inlandische Verbindungen, sondern wegen des tie.f eren Fahrwassers und der starkeren Strömung, wodurch Sandablagerungen verhindert wurden, was bei Schiedam nicht der Fall war. Und dies ist so geblieben, denn noch heute, nach mehr als sechs Jahrhunderten, ist in der Bucht, wo Rotterdam angelegt worden, Grund in nicht mehr als 200 bis 600 Meter Breite angeschwemmt worden. Schiedam dagegen hatte schon im Anfang des 14. Jahrhunderts einen breiten Strich Vorland vor seinem Deich liegen und musste bereits 1336 einen Hafen nach dem immer weiter zurücktretenden Merwestrom graben. Heute ist die alte Stadt mehr als 1300 Meter von dem Fluss entfernt. Gewiss wird dies mit dazu beigetragen haben, dass man der jüngeren Ortschaft an der Mündung der Rotte in der wasserreichen Bucht gern den Vorzug gab, um daselbst mit den Fahrzeugen für den Verkehr nach Norden und Süden anzulegen, aber es müssen auch schon damals, ja fast von Beginn an, weitsichtige Leute in Rotterdam tatig gewesen sein, welche mit Energie und Ausdauer danach strebten, den Verkehr über ihre Stadt zu leiten, trotz der Konkurrenz der Nachbarorte und trotz der schwierigeren Verbindung mit dem nördlich gelegenen Binnenlande. Wenn auch Schiedam mit ungünstigen Stromverhaltnissen zu kampfen hatte und selbst auch vor Delftshaven sich eine Sandbank, die in spateren Jahren so berüchtigte Ruige Plaat, zu bilden begann, so bildete das machtige Delft mit seinem eigenen Hafen den am schwersten in das Gewicht fallenden Gegner. Delft war es auch, von dessen Türmen aus zuerst der Bliek von der Maas weiter westwarts, nach See gerichtet wurde, wenn auch vorlaufig nur für den Fischereibetneb. Aus Delfshaven gingen die ersten Fischer von der Maas in die Nordsee, aber Rotterdam folgte diesem Beispiel gar bald mit grosser Energie und, ausserdem begünstigt durch kriegeriscbe Ereignisse, gewann es in kurzer Zeit die Oberhand über Delfshaven ja selbst über Dordrecht, denn schon im Jahre 1 553 sagen Burger von Dordt unter Eid vor dem Hof van Holland aus, dass Rotterdam die blühendste Stadt im Lande sei. (Siehe Te Lintum in genannter Abhandlung, Seite 221/2.) Zu solch zielbe- ROT I E K DA M t. 1 -„... '• .'■■<■ j wusstem Vorgehen, aller Konkurrenz zum Trotz, war nicht nur eine günstige Lage erforderheh, sondern es gehörten in erster Linie Manner mit Tatkraft und scharfem Bliek dazu, welche sich dem Handel widmeten und die Geschicke der Stadt leiteten. An solchen Mannern hat es Rotterdam schon in frühen Zeiten nicht gefehlt; unter ihnen ragt Johan van Oldenbarneveldt hervor, welcher, 1577, zum Pensionaris (Stadtsrechtsanwalt) ernannt wurde und der zu den vertrautesten Freunden Wilhelms van Oranien gehorte. Er erklarte den schnellen Fortschritt Rotterdams seinen Konkurrenzhafen gegenüber mit den Worten: „Der Kleinmut derer von Delft und die Sparsamkeit derer von Schiedam haben Rotterdam grossgemacht." Van Oldenbarneveldt war kein geborener Rotterdamer, es sind jedoch verschiedene Staatsmanner von Ruf und auch Seehelden aus Rotterdams Mitte hervorgegangen, unter Anderen die Staatsmanner: Pieter de Groot, geb. 28. Marz 1615, gest. 7. Dec. 1678, Willem van der Aa, gest. 18. Oct. 1678 (Secretar, Rat und zuletzt Bürgermeister der Stadt), Johan Pesser, geb. 1622, gest. 1. Marz 1678, (ebenfalls Bürgermeister bis 1672), Adriaan Paatz, geb. 1630, gest. 8. October 1686 (war Gesandter in Spanien und England), Gerard Meerman, geb. 6. Dec. 1722, gest. Dec. 1771, Pieter Johan van Berckel, geb. 1725, gest. 27. October 1800 (Gesandter bei der Nordamerikanischen Regierung), Dirk Graf van Hoogendorp, geb. October 1761, gest. 1835 in Brasilien (Kriegsminister unter König Ludwig, ausserdem Gesandter in Wien, Berhn und Madrid), Gijsbert Karei Graf van Hoogendorp, geb. 27. October 1762, gest. 6. Augustus 1834, Johan Gijsbert Baron Verstolk van Soelen, geb. 1777, gest. 5. November 1845, (Gesandter in Petersburg bis 1841, dann Minister der auswartigen Angelegenheiten) ; und dann die Seehelden: Egbert Meeuwzoon Kortenaar, geb. 1600, im Gefecht gefallen 13. Juni 1665, Jan van Brakel, geb. 1600, gest. 10. Juli 1690, Cornelis Tromp, geb. 1629, gest. 29. Mai 1691, Aert van Nes, gest. 1693, Willem Bastiaensz. Schepers, geb. 1620, begraben 1. Februar 1704. Das Andenken fast aller dieser Söhne hat Rotterdam durch Namen von Strassen und Platzen geehrt und für die Nachwelt erhalten; ihre Namen zeugen dafür, dass schon vor Jahrhunderten in den Mauern der Stadt der Sinn für ein grosses Gemeinwesen, für Handel und Schiffahrt und für die Verteidigung derselben auf den Meeren in hoher Blüte stand. Mit dem stetig zunehmenden Handel dehnte sich die Stadt denn auch immer mehr aus und zwar nicht allein innerhalb des hohen Seedeichs, sondern auch ausserhalb desselben nach der Maas hin. Schon zu Anfang des 13. Jahrhunderts war das erste „Hoofd" (Anlegebrücke) in die Maas gebaut worden, wodurch das Beladen und Entlöschen der Schiffe aller Art wesentlich erleichtert und auch bald Geschafte treibende Bürger veranlasst wurden, sich ausserhalb des Deiches anzusiedeln. Dies geschah in der Gegend des jetzigen Moriaansteeg und Westnieuwland. Für die weitere Bequemlichkeit der Schiffe steilte sich bald die Notwendigkeit eines Krahns auf der Anlegebrücke heraus ; dazu wurde, 1461, durch die Schielandsche Deichacht die Erlaubniss erteilt. Aber so etwas war derzeit noch ein wichtiges Ereigniss und bedurfte gründlicher Erwagung und Beleuchtung von allen Seiten ; dadurch dauerte es denn auch bis 1473, bevor die Stadt den ersten fertigen Krahn dem Bürger Klaas van Oorden in Pacht geben konnte. Wahrend der inlandischen Kriege im 15. Jahrhundert zwischen den „Hoekschen", Anhanger der Tochter des Grafen Wilhelm VI., Jakobaa, welche der Graf Wilhelm als Erbin der Grafschaft Holland eingesetzt hatte, und den „Kabeljauwschen", Anhanger des Vaterbruders Jakobaas, Johan, Herzog von Bayern, hielt sich Rotterdam zuerst auf der Seite von Jakobaa (Jakoba) ; die Stadt wurde jedoch am 10. Oct. 1428 von der Gegenpartei überrumpelt und musste im darauf folgenden Jahre Jan van Beyeren (Johann von Bayern), genannt Zoon van Henegouwen, van Holland en van Zeeland, als Herrn anerkennen. Aber die inneren Fehden waren damit keineswegs beendet; Rotterdam blieb nach wie vor darin verwickelt und es hat fast den Anschein als ob es die kriegerischen Verhaltnisse auch so viel wie möglich zum Schaden seiner Konkurrenzhafen ausgenutzt hatte. Rotterdam (+ 1499) lm Jahre 1479 war Jan van Reimerswaal, welcher zur Partei der Kabeljauwschen gehorte, Baljuw von Rotterdam. Dieser schloss die Thore der Stadt gegen die Hoekschen, welche daselbst im Auftrage des Slatthalters von Holland, Wolfard van Borssele, Heer van Veere, einen Aufzug halten wollten. Zwar erzwang der Statthalter den Einzug in Rotterdam und nahm daselbst seinen Aufenthalt, steilte auch den, zur Hoekschen Partei gehörenden, Joris van Brederode zum Stadtvogt an, der vom Erzherzog Maximilian bestatigt wurde, aber trotz alledem dauerte die Herrlichkeit nur sehr kurze Zeit, denn bald darauf wurde Filips, Bastard von Brabant, von den Kabeljauwschen zum Stadtvogt ernannt und Rotterdam bekam zum besseren Schutz gegen die Hoekschen eine neue Besatzung. Die letzteren waren an verschiedenen Stellen zurückgedrangt, aber nicht entmutigt. Sie richteten, im Gegenteil, ihr Hauptaugenmerk auf Rotterdam, den Hauptstützpunkt der gegnerischen Partei. Im Jahre 1488 sammelten sie sich in Sluis in Flandern und riisteten daselbst eine Flotte von 48 Schiften aus, welche unter Befehl des erst 22 Jahre alten Junkers Frans van Brederode gestellt wurde. Dieser rückte mit grosser Eile vor, erschien durch ein kleines Fahrwasser, dem, spater nach ïhm benannten, Junker Fransengat, ganzlich unerwartet in der Maas, landete seine Mannschaften und bemachtigte sich der Stadt am 21. November 1488. Dadurch gehorte Rotterdam wieder den Hoekschen, und die Rotterdamer zogen wohlgemut mit ihnen nach Schoonhoven, welches Kabeljauwsch war, um es im Sturm zu nehmen. Aber die von Dordrecht hatten von dem Zuge vernommëh; sie sandten -mit grosser Eile eine Schiffsmacht, welche die Rotterdamer einholte und mit grossem Verlust zurückschlug. Nach diesem Fehlschlag an der einen Seite zogen die Rotterdamer eilig nach der andern Seite, nach Delftshaven, welches ihnen als Vorhafen von Delft und somit als Konkurrenzhafen gewiss schon lange ein Dom im Auge gewesen war und brannten die verhaltnissmassig wehrlose Stadt vollstandig nieder. Damit nicht zufrieden, brandschatzten sie Holland, welches damals fast ganzlich zur Kabeljauwschen Partei gehorte, wahrend Jan van Montfort nach der anderen Seite Rotterdams in gleicher Weise vorging. Um diesen Greueltaten ein Ende zu machen, kam König Maximilian selbst nach Holland und forderte alle Stadte auf, sich gegen Rotterdam zu vereinigen. Delft, Schiedam, Haarlem, Amsterdam und zahlreiche andere Ortschaften folgten dem Ruf gegen den Emporkömmling bereitwilligst, sie versammelten sich in Schiedam, wahrend Dordrecht und Gouda die Flüsse bewachten, sodass Schiffe in Rotterdam weder ein- noch auslaufen konnten. Nach Schiedam war auch noch ein Haufen fremdes Kriegsvolk gekommen, welches bald mit den bewaffneten Bürgern in Uneinigkeit geriet, sich zuriickgesetzt fühlte und sich desshalb rachen wollte. Es setzte sich aus diesem Grunde mit den Rotterdamern in Verbindung und vereinbarte mit diesen, dass die Kriegsleute die bewaffneten Bürger in Schiedam zu verabredeter Stunde anfallen, die Rotterdamer aber gleichzeitig die Stadt angieifen und sich der nicht bewachten Walle oder Thore bemachtigen sollten. Die Kriegsleute führten das Vorhaben auch aus, aber sie begannen zu früh damit; sie wurden von den Bürgern blutig zurückgeworfen und mussten aus der Stadt flüchten noch ehe die Rotterdamer vor den Thoren erschienen waren. Erst auf dem Wege trafen die Flüchtlinge die anrückenden Rotterdamer, aber es war zu spat, Schiedam war vorbereitet und hatte ihnen sicher einen warmen Empfang bereitet. So wurde denn seitwarts nach Ouwerschie gezogen, welches, als Bindeglied zwischen Delft und seinem Hafen an der Maas, sich auch nicht der Sympathien Rotterdams erfreute. Der Ort wurde eingenommen, teilweise verwüstet und eine starke Besatzung zurückgelassen, so dass die Kriegsleute von Schiedam, welche ausgezogen waren um den Ort wieder einzunehmen, blutig zurüuckgeschlagen wurden. . Die Rotterdamer aber, im Verein mit den fremden SöldHngen, zogen brandschatzend weiter, bemachtigten sich der Ortschaft Kethel, brannten dieselbe sowie fast die ganze Umgegend zwecklos und ohne Erbarmen nieder und rückten selbst vor Delft, dessen Vorstadte sis in Asche legten. An die feste Stadt selber wagten sie sich freilich nicht heran. Auch Geertruidenberg wurde eingenommen und Alles in Delfland und Maasland verwüstet. Selbst 's-Gravenhage ging nicht frei aus. Warum die in Schiedam vereinigten Bürger der andern Stadte diesen Greueltaten so lang, fast ganz untatig, zusahen, ist nicht ganz klar. Aber die rachende Nemesis blieb desshalb doch nicht aus. Auf Befehl Maximilians belagerte schliesslich der Statthalter Jan van Egmond die Stadt; er schlug die Leute zurück, welche Proviant in dieselbe bringen wollten, denn daran war, infolge der mangelnden Zufuhren von der Wasserseite her, schon grosser Mangel, und so wurde denn die Stadt bald den Belagerern überliefert. Sehr viele Anhanger der Hoekschen Partei verbluteten unter dem Henkerschwert. Brederode starb im Juli 1490 an den in den Kampfen erhaltenen Wunden. Damit war die Partei der Hoekschen so gut wie beseitigt. Rotterdam hatte wahrend der vieljahrigen Streitigkeiten zwar auch grossen Schaden erhtten, aber jedenfal's seinem nachsten und starksten Konkurrenten Delft und dessen Hafen an der Maas empfindlichere und nachhaltigere Schaden zugefügt. Die Nemesis blieb aber für Rotterdam auch in anderer Weise nicht aus, denn am 10. Juli 1563 brach in der Stadt ein verheerendes Feuer aus, welches mit grosser Schnelligkeit um sich griff. Die meisten Hauser waren damals namlich noch mit Stroh oder Rohr bedeckt und somit schwer gegen das Flugfeuer zu schützen. Mehr als 250 Hauser verbrannten vollstandig, sowie auch eine grosse Anzahl Schiffe, und über 700 Hauser wurden schwer beschadigt. Um der Stadt einigermaassen Vergütung für den erüttenen, grossen Schaden zukommen zu lassen, schenkte Phillip II. ihr verschiedene Freiheiten, welche ihr bei ihrem spateren Emporblühen zu wesentlichem Nutzen gereichten. Vorlaufig waren die Leiden der kriegerischen Zeiten aber noch nicht zu Ende, denn die Spanier waren im Lande und ihre Gegenwart machte sich für die Rotterdamer bitter fühlbar. Als die „Watergeuzen" im Jahre 1572 den Briel so plötzlich eingenommen hatten, schickte namlich Herzog Alba, der damals in Utrecht sein Quartier aufgeschlagen hatte, den General Bossu mit Heeresmacht dahin, um die Feste wieder zu erobern. Der Spanier wurde zurückgeworfen, worauf er sich nach Dordrecht wandte. Er erbat die Erlaubniss zum Durchzuge, sie wurde ihm aber kategorisch verweigert, wesshalb er sich nach Rotterdam wandte, wo er die Thore ebenfalls verschlossen fand. Aber Rotterdam war nicht so standhaft: nach mehreren Verhandiungen wurde der Durchzug schliesslich gestattet, aber unter der Bedingung, dass die Leute nur rottenweise und ohne brennende Lunten einziehen und sofort weiterziehen sollten. Das Ost-Thor wurde geöffnet und die Spanier zogen ein, aber nach der ersten Rotte folgten unaufhaltbar die anderen ; die wenigen anwesenden Bürger — man hatte keine entsprechende, bewaffnete Macht am Thore aufgestellt, um die Erfüllung der Bedingung zu erzwingen — konnten dem Andrang nicht widerstehen, sie wurden vielmehr von den Spaniern einfach niedergemacht. Die wortbrüchigen Spanier dachten denn auch gar nicht daran, wieder abzuziehen ; sie richteten sich vielmehr hauslich ein, nachdem sie vorher durch ein fürchter- liches Blutbad unter den Bürgern Angst und Entsetzen verbreitet hatten. Auch der Bürgermeister Roos fiel dieser Schlachtung, in der mehr als 300 angesehene Bürger ermordet wurden, zum Opfer. Noch heute zeugt die Inschrift in einem grossen Stein über dem Ost-Thor von dieser, durch Wortbruch und übel angebrachte Vertrauensseligkeit ermöglichten, Greueltat. Jedoch im August desselben Jahres zogen die Horden weiter nordwarts ab. Der Kriegsschauplatz wurde mehr nach den nördl. Provinzen verlegt. Amsterdam war und blieb noch in spanischen Handen, und der Handel daselbst blieb dadurch vollstandig lahm gelegt. Wenn nun Rotterdam auch bislang durch die Kriegsverhaltnisse schwere Nachteile erlitten hatte, so erwuchsen ihm jetzt durch dieselben Ursachen wiederum ganz erhebliche Vorteile. Denn alle Mannschaften, Lebensmittel und der ganze Kriegsbedarf mussten aus den südlicheren Landesteilen herangeschafft werden, und dies geschah zum weitaus grössten Teile über Rotterdam. Die Stadt tat aber auch wirklich alles Mögliche für den Prinzen; sie vermochte selbst Vorschüsse für Kriegszwecke zu machen, und als ihr diese spater nicht in Baar zurückerstattet werden konnten, wurden ihr Landereien cediert und mancherlei Vorrechte gewahrt, wodurch sie sehr an Macht und Einfluss gewann. Unter Anderem erlangte die Stadt, ungefahr um 1580, auch Sitz und Stimme in den „Staten Generaal" (Landesregierung). Aber wichtiger als das war für Rotterdam's Zukunft der vermehrte Handel, welcher sich, von und nach Ost und West, hier immer mehr concentnrte. Dadurch fand natürlich ein bedeutender Zufluss von Fremden, hauptsachlich Kaufleuten, aus Flandern, Brabant usw. statt. Unter deren Mitwirkung nahmen denn auch Handel und Schiffabrtsverkehr in so rapider Weise zu, dass an eine bedeutende Erweiterung der Hafenanlagen gedacht werden musste. Diese Hafen bedurften aber in damaliger Zeit eines Schutzes gegen femdhche Angriffe, damit die Schiffe in denselben sichere Zuflucht fanden Desshalb begann man mit der weiteren Ausbreitung der Stadt ausserhalb des hohen Seedeichs bis an die Maas und, innerhalb dieser Ausbreitung, mit der Anla.ge der verschiedenen Hafen, des Leuvehaven, Blaak, Nieuwe Haven, Wijnhaven, Scheepsmakershaven, Glashaven, Zalmhaven. Alle diese Hafen hatten nur zwei befestigte Mündungen an der Maas, und zwar am Oude Hoofd T)t> I* K V li S un 'N'iwk* z*s>a- .J jojo. _ 4.- ai , ..,-l-....r,, v«» i/, k f m 1/>^--I i.rs>*js Sf///:/./.'/re. . .V?2.) . Rotterdam i. J. 1626 und am Leuvehaven. Einzelne dieser Hafen bestehen jetzt nur noch dem Namen nach, sie sind zugeworfen worden um bessere Strassenverbindungen zu erzielen, und die noch bestenenden dienen nur für den Binnenverkehr. Zu jenen Zeiten aber galten diese Anlagen für ganz besonders grossartig und praktisch, und die Chroniken sind ihres Lobes voll. Im Scheepmakershaven sowie am Ufer der Maas wurde Schiffbau getrieben. An den Ufern der anderen Hafen wuchsen die Hauser und Speicher der Handelswelt gar bald zahlreich aus der Erde. Der Handel entwickelte sich so lebhaft, dass unter den Kaufleuten das Bedürfniss nach taglichen Zusammenkünften und mündlichen Besprechungen mehr und mehr in den Vordergrund trat und dies, 1597, die Veranlassung zur Errichtung der ersten kleinen Börse in Rotterdam wurde. Dies war auch das erste derartige Gebaude in Nordholland. Einen wesentlichen Einfluss übten sowohl dabei, wie auch bei der Entwickelung von Rotterdams Handel und Verkehr, die zugezogenen Brabant er aus. Wenn nun aber Rotterdam auch die Stadte in seiner nachsten Umgebung bald überflügelte, so spielte es doch bislang in weiteren Handelskreisen keine Rolle; es kam vielmehr als Spatling nachgehinkt und musste sich befleissigen, aus periodischen günstigen Umstanden Vorteile zu ziehen. Der, durch die kriegerischen Verhaltnisse verursachte, zeitweise Rückgang Amsterdams kam auch Rotterdam zu gut, umsomehr als die Stadt durch die, im grosseren Verkehr bereits mehr erfahrenen, Brabanter unterstützt wurde. Ein Brabanter, Jan van der Veecken, war es auch, der, im Verein mit Pieter van der Haegen, 1597, die erste Expedition von Rotterdam aus nach Ostindien sandte. Dieselbe verlief zwar ohne ein günstiges Resultat, indessen der Anfang war gemacht und es herrschte so viel Stimmung für die Schiffahrt in fernen Gewassern, dass Olivier van Noort, der Wirt von „de dubbele Sleutels", sich gar bald entschloss, eine zweite Expedition auszurüsten und selber mitzugehen. Zwar gehorte er nicht direct zum F ach, aber er hatte so viele Kaufleute und Seefahrer beherbergt, dass er selbst Lust bekam zu fahren und auf Abenteuer auszugehen. Der voihin genannte Jan van der Veecken bleibt denn auch, trotz der ersten, misslungenen Expedition, mit den Rotterdamer Herren Fop Pietersz van der Heyden, Willem Jansz. Frankenar van der Aa und P. Lennertsz Busch bis zu seinem Tode geschaftlich verbunden, und dass sein Streben auch für Rotterdam's Entwicklung gute Erfolge zeitigte, mag daraus hervorgehen, dass er bis zu seinem Tode (1614) einer der leitenden Manner der Rotterdamer Handelskammer war und ehrenvoll im Chor der grossen Kirche beigesetzt wurde. (Siehe Te Lintum, Pag. 235—36.) Um diese Zeit entwickelte sich auch die Industrie in Rotterdam in ganz bedeutender Weise. Schiffswerfte, Tauschlagereien, Holzsagereien, Bierbrauereien und Fabriken der Textil-Industrie wurden errichtet; die Hafen boten öfters nicht genügend Raum, sodass die Schiffsbauwerfte aus dem Scheepmakershaven und von dem Ufer der Maas nach dem Zalmhaven verlegt werden mussten. Die Ufer der Maas wurden erhöht und mit einer festen Kaje versehen, so dass daselbst ebenfalls Schiffe anlegen konnten um zu laden oder zu löschen. So entstanden im Jahre 1609 die „Boompjes", das rechte Maasufer im Mittelpunkt der Stadt, welches noch heute den Dampfern verschiedener regelmassiger Linien nach England zum festen Anlegeplatz dient. Damals zahlte die ganze Stadt ungefahr 1150 Hauser. Auch die Seeschiffahrt nach England und Antwerpen entwickelte sich zu dieser Zeit wesentlich. Im Jahre 1610 wurde die erste regelmassige Schiffsverbindung mit Antwerpen, und im Jahre 1614 mit England errichtet. Diese Verbindungen wurden natürlich, wie alle überseeischen Transporte in europaischen Gewassern, durch kleine Segelschiffe, sogenannte Kuffs, Galioten oder Schoner, hergestellt, unter welchen Fahrzeuge von 150—200 Tons Tragfahigkeit bereits zu den grosseren gehörten. Auch nach Indien fuhr man damals mit Fahrzeugen, die man heute unter die Nusschalen verweist. Eine Bark von 500 Tons und, ^inige Zeit spater, von 1000 Tons gehorte zu den Riesen. Stadtansicht im 17. Jahrhundert So wuchs Rotterdam zu Anfang des 17. Jahrhunderts zur zweiten Handelsstadt der Republik heran und alle Anzeichen und Bedingungen für ferneres Gedeihen waren vorhanden; nur in Bezug auf das Grosskapital scheint es mit seinen Nachbarstadten nicht konkurriren gekonnt zu haben. Bei der allgemeinen Kapitaleinschreibung für die Ostindische Compagnie, im Jahre 1602, wurden in Delft fl. 466.000,—, in Hoorn fl. 269.000,—, in Enkhuizen sogar fl. 570.000,.— gezeichnet, Rotterdam aber konnte nur mit Mühe fl. 175.000,— zusammenbringen. Es ist jedoch nicht ausgeschlcssen, dass man hier zurückhaltender war, weil man die directen Vorteile für Rotterdam nicht so hoch einschatzte, als sie sich in spateren Jahren wohl erwiesen, denn der Hauptsitz der Compagnie wurde nicht nach Rotterdam verlegt, vielmehr das „Ostindische Huis" an den Boompjes, erst 1695, durch die Compagnie erbaut, um als grösserer Stapelplatz für ihre Güter zu dienen. Gegenwartig wird dieses Gebaude mit den dahinter liegenden Speichern von der Regierung als Entrepot benützt. Jedenfalls sind die finanziellen Verhaltnisse der Stadt nicht gar zu eng begrenzt gewesen, denn gegen Ende des 16. Jahrhunderts kaufte sie auch die ganze Insel Feyenoord, an dem linken Maasufer, obgleich sie das Land jenseits der Maas gewiss nicht für Stadterweiterungen benötigte, denn dazu war unmittelbar an der Stadt, am rechten Ufer, mehr als genug Raum vorhanden. Aber im Verband mit der erwahnten Anlage von Hafen und der festen Uferkaje am rechten Ufer wünschte man daselbst das Wasser noch mehr zu vertiefen, indem man die Strömung noch mehr dahin drangte. Zu diesem Zwecke engte man den Fluss von der linken Seite her, also von Feyenoord aus, immer mehr ein und dafür war der Besitz der Insel für Rotterdam von Bedeutung. Durch diese Stromregelung wurde an der Stadtseite eine genügende Wassertiefe erzielt, so dass, 1688, Stadthaus um 1750 herum die Transportschiffe der grossen Unternehmung von Willem III. in England, welche denselben auf den englischen Thron führte, direkt an den Boompjes beladen werden konnten. Dieser Umstand erbrachte Rotterdam wiederum wesentlichen Verkehr und Nutzen ; trotzdem zahlte es bis zu der Zeit erst ungefahr 50 bis 60.000 Emwohner, wahrend Amsterdam über 200.000 beherbergte. In den kriegerischen Zeiten zu Ende des 17. und zu Anfang des 18. Jahrh., als die Truppen Ludwigs XIV. die Niederlande überzogen, hatte auch Rotterdam viel zu leiden; aber die Stadt wusste stets mit England gute Beziehungen zu unterhalten, wodurch ihr wiederum mancherlei Vorteile erwuchsen. Es siedelten damals auch viele englische Firmen nach Rotterdam über, so dass zum Beispiel, 1749, in einer Liste der Tabakshandler, unter 22 Firmen, bereits 14 englische Namen figunren. Rotterdam ist denn auch im 18. Jahrhundert, im Gegensatz zu Amsterdam, nicht zurückgegangen, eher vorwarts. Die Börse wurde ganz bedeutend vergrössert, und, durch die starke Einfuhr von Zucker aus England, Frankreich und Ostindien veranlasst, entstanden auch verschiedene Zucker-Raffinerien. Mit Frankreich gestaltete sich der Handel ebenfalls wieder lebhafter, namenthch in Wein, welcher v0n hier aus zum grossen Teil nach Deutschland weiterbefördert wurde, aber nicht etwa transito, sondern durch Vermittlung hiesiger Importeure. Die Weinhandler spielten desshalb sowohl hier wie in Amsterdam eine nicht unerhebliche Rolle, aber es scheint dabei auch damals nicht immer, oder vielleicht auch zu sehr, nach den Regeln der Kunst vorgegangen worden zu sein, denn als, im Jahre 1751, die Regierung von sammtlichen Weinhandlern den Eid forderte, dass sie die Rechte des Landes nicht verkürzen, vielmehr den Impost (die Steuer) voll- Admiralitatshof um 1750 herum standig abtragen wurden, weigerten sie dies sammtlich. Dadurch wurde ihr Handel sehr erschwert und benachteiligt, und als die Weinhandler in Amsterdam zuerst nachgaben und den Eid leisteten, zogen sie dadurch einen grossen Teil des Handels an sich. Dies veranlasste schliesslich auch einen Rotterdamer Weinhandler, Gerrit Hagedoorn, den Eid zu leisten, aber das nützte ihm wenig, denn das Volk war damit nicht einverstanden; es warf ihm sammtliche Fensterscheiben seiner Wohnung ein, erbrach die Packhauser und zertrümmerte alle Flaschen wie auch die Fasser, so dass der Wem buchstablich in Stromen floss. Die Leute mussten schliesslich durch die Schützen auseinander getrieben werden. Erst nach langerem Widerstande gaben die Weinhandler dem Verlangen der Regierung nach. Bei der grossen Sturmflut im Jahre 1775 stand auch Rotterdam grösstenteils unter Wasser. Die Flut stieg noch 5 Zoll höher als im Jahre 1717. Das Wasser strömte an verschiedenen Stellen über die Deiche. Der verursachte Schaden war enorm, allein an Zucker ging für mehr als fl. 120.000 verloren und sehr viele andere Waaren wurden beschadigt und unbraucbbar. Durch den französischen Krieg, Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts, ging Rotterdam gleichfalls sehr zurück, wenn auch die Umwalzung der Regierung im Jahre 1795 sich in merkwürdig ruhiger Weise vollzog. Die Bürger waren besonders darauf bedacht, nicht mit den kriegerischen Ereignissen in direkte Beziehung zu treten und den Regierungswechsel in ruhiger Weise vor sich gehen zu lassen. Sie verlangten darum am 19. Januar, mit der Majoritat der Niederlander, dass die Regierung zurücktreten solle, und nachdem diese dem Verlangen entsprochen hatte, wurde eine provisorische Regierung eingesetzt. Am Mittwoch Abend zogen deshalb französische Truppen, begleitet von Dordrechter Bewaffneten in die Stadt ein, und wenn auch die Rotterdamer dabei ziemlich glimpfhch weg:kamen, so litten doch die hier ansassigen Englander in sehr erheblicher Weise. Viele ihrer Waaren und auch sonstiges Eigentum wurde confiscirt und verkauft. Im Verband damit gingen der Handel und Schiffahrtsverkehr Rotterdams jammerlich zurück, man kann wohl sagen: zeitweise vollstandig zu Grunde. Die wenigen Schiffe, welche den englischen Kapern entgangen waren, lagen untatig im Hafen und verrotteten. Durch die Continentalsperre wurde der Handel mit Deutschland auf weniger als ein Zehntel des früheren Umfangs zurückgeführt, und gerade dieser Handel war schon damals für Rotterdam von besonderer Wichtigkeit geworden, denn vor wie nach hatte er sich von den früheren Hauptsitzen Dordrecht, Deventer, Kampen und dem uralten Tiel, trotz deren günstigeren Lage an den verschiedenen Rheinarmen, mehr und mehr nach Amsterdam und Rotterlam verzogen. Auch Antwerpen batte seinen erheblichen Handel nach DeutscWand fast ganz zu Gunsten Rotterdams eingebüsst, nachdem sein Seehandel so sehr erschwert und durch die Sperrung der Schelde beinahe ganz aufgehoben worden war. So gingen alle Vorteile in diesen Jahren französischer Herrschaft wieder verloren. Kein Wunder also, dass auch Rotterdam aufatmete, als diese Herrschaft ihrem Ende entgegen ging. Nachdem am 13. Dec. 1813 die französischen Gensdarmen die Stadt verliessen und auch die übrigen Franzosen auf dem Sprunge standen, um abzuziehen, wurde gar bald die allbeliebte Oranienfarbe auf der Strasse zum Kauf angeboten und getragen. Am 19. December, bildete sich, unter Johan Francois van Hoogendorp, eine neue interimistische Verwaltung. Die Einwohnerzahl Rotterdams war in jenen Jahren von 60.000 auf nicht viel mehr als 50.000 zurückgegangen und der ganze Handel bestand in einem geringfügigen Umsatz nach dem Binnenland. Aber dieser Zustand anderte sich, nach 1814, fast mit einem Schlage. Der so lange unterbrochen gewesene Verkehr mit England bekam mit neuer Jugendkraft reges Leben, und in dem Maasse wie der Seeverkehr zunahm, wuchs auch der Verkehr mit dem deutschen Hinterlande. * * In jenen Jahren fing Rotterdam zuerst an, eine Rolle zu spielen quasi als Transitohafen zwischen England und Deutschland. Im Jahre 1818 zahlte die Stadt schon wieder mehr als 62.000 Einwohner. Aber die Konkurrenz, die leidige, ruhte nicht. Diesmal war es Antwerpen, das auch so lange in gezwungener Ruhe hatte verharren müssen und jetzt Rotterdam und auch Amsterdam den neu belebten Verkehr streitig machte. Wohl war und ist die Lage von Antwerpen für den Verkehr nach dem Unter- und Oberrhein nicht so günstig wie die Rotterdams, denn die Antwerpener mussten ihre Waaren über die Schelde, das Hollandische Diep, die Dordtsche Kil nach der Waal verladen und in Nijmegen umladen, aber durch die Energie englischer und deutscher Kaufleute wurden die Schwierigkeiten gehoben und erzielte Antwerpen grosse Erfolge. Dazu kam, dass der freie Durchfuhrverkehr dadurch sehr erschwert wurde, dass einerseits der Transport durch concessionirte sogenannte „beurtvaarten", welche gewissermaassen ein Monopol besassen, bewerkstelligt werden musste und andererseits Seezölle erhoben wurden, welche die hollandische Regierung sich für die Rheinmündungen anmaaste. Auch von Amsterdam und Rotterdam siedelten namhafte Kaufleute nach Antwerpen über. Der Handel und Verkehr, namentlich auch der transatlantische, concentrirten sich mehr und mehr in Antwerpen, und von der Ostindischen Fahrt zum Beispiel blieb nur deshalb ein Teil in Rotterdam, weil die „Nederlandsche Handels-Maatschappij" die Schiffe emigermaassen über die Hafen verteilte. Der Verkehr nach und von England hatte sich trotz alledem wieder erheblich ausgebreitet und es machte sogar die Dampfschiffahrt ihre erste, ailerdings noch sehr schüchterne, Aufwartung. Am 10. Mai 1816 kam der Dampfer „Defiance" als erstes Dampfschiff in Rotterdam und auch in ganz Holland, an. Natürlich war dies ein Ereigniss von grösster Wichtigkeit, was auch dadurch bekundet wurde, dass König Willem I. dem Schiff einen Besuch abstattete und der Kapitan das Ehrenbürgerrecht von Rotterdam erhielt. Im Jahre 1824 wurde dann die „Nederlandsche Stoomvaart-Maatschappij", für die Verbindung Rotterdam—Köln, Rotterdam—Antwerpen und Antwerpen—Köln gegründet. Diese Dampferlinie hat sich aber in der Hauptsache auf die Beförderung von Eilgütern, vielleicht auch von Personen beschrankt, denn van der Aa teilt in seiner, 1847 erschienenen, Abhandlung zum Beweise der grossen Bedeutung von Rotterdams Verkehr mit den deutschen Rheinhafen nur mit, da.ss zwischen Rotterdam und Köln fortdauernd 10 „BeurUschiffe von 120 a 130 Lasten bin und her fuhren, dass ausserdem „Beurt"fahrt nach Mainz, Mannheim, Coblenz, Duisburg, Düsseldorf bestand und dass einmal in einem Monat von Rotterdam in Köln 6 Schiffe mit 27000 Centner Güter oder 15 Millionen Holl. Pfunden angekommen seien. Ausserdem gingen noch l/2 Million Pfunde nach Mainz, % Million nach Frankfurt und 75.000 Pfunde nach Coblenz. Das war damals viel; heute müssten wir von ungezahlten Milliarden Pfunden sprechen! Aber der Verkehr war für beide Lancler doch nicht ohne Bedeutung, denn es fand ein WaarenAustausch von beiden Seiten statt. Nach Deutschland wurden gesandt: Französische Weine, Englische Fabrikate, Rum, Arak, Tabak, Thee, Kaffee und sonstige Koloniale Waaren, von Deutschland kamen nach Rotterdam : Weizen, Roggen, Rhein- und Moselweine, Wolle, Klee, Nürnberger Waare, Cement, Eisen, Töpferwaare, Farbstoffe, Manufakturen, Chemische Praparate, Kohlen usw. Die Rheinschiffahrt war allerdings auch sehr viel freier geworden, seit im Sommer 1831 die Rheinfahrtkommission mit der „Rijnvaartacte" zu Stande gekommen war. Dadurch wurden viele storende Hemmnisse beseitigt. Nun glaubte aber Rotterdam gewiss, mit der günstigen Wasserverbindung der Landverbindungen entbehren zu können, denn wahrend, im Jahre 1835, durch Belgien, von Antwerpen aus, bereits ein vollstahdiges Eisenbahnnetz nach DeutscWand im Werden begriffen war, lief in Rotterdam erst im Jahre 1847 der erste Eisenbahnzug ein und kam im Jahre 1847 die erste Verbindung per Bahn mit Deutschland zu stande, wonach es noch beinahe 20 Jahre dauerte, bevor diese Verbindung, den Verhaltnissen einigermaassen entsprechend, ausgestaltet war. Für Belgien bezw. Antwerpen bestanden allerdings sehr triftige Gründe, alle Hebei in Bewegung zu setzen, um sich zu halten, denn seit der Belgischen Umwalzung i. J. 1830, hatte sich das Verhaltniss zwischen Antwerpen und Rotterdam voïïstandig geandert. Wahrend, nach 1814, viele Amsterdamer und auch Rotterdamer Kaufleute nach Antwerpen übergesiedelt waren, verwechselten nach der Umwalzung ungefahr 50 Schiffe, darunter 30 Fregatten, ihren Standplatz Antwerpen mit Rotterdam als Heimatshafen, und der Seeverkehr Rotterdams nahm einen raschen Aufschwung. Schon gleich zu Anfang, nach 1830, wurde die erste regelmassige Dampferverbindung nach England mit dem Dampfer „Batavier" eröffnet, bald gefolgt durch andere Dampfer- und Segler-Linien, so dass im Anfang der vierziger Jahre 6 Dampferlinien, nach London, Antwerpen, Huil, Dünkirchen, Havre, Yarmouth, und 12 Segler-Linien nach London, Leith, Huil, Dundee, Newcastle, Glasgow, Aberdeen, Bristol, Altona, von Rotterdam aus, bestanden. Der Handelsverkehr mit England hatte sich ganz bedeutend entwickelt, sodass ein fortgesetzter Austausch der gegenseitigen Produkte stattfand. Von Rotterdam aus wurde unter Anderem viel Wild, namenthch Enten, versandt, ferner auch viel Vieh ; im Jahre 1844 zum Beispiel 2278 Rinder und 2548 Schafe, und, 1845: 7912 Rinder, 15.422 Schafe, 1846: 12.890 Rinder, 47.726 Schafe. Auch mit Frankreich entwickelte sich ein bedeutender Verkehr, am wesentlichsten fiel dabei der Weinhandel ins Gewicht, welcher sehr in Blüte stand, so dass die Weinhandler zeitweise bis auf zwei Stunden Entfernung von Rotterdam, um die Stadt herum, nicht Lagerraume genug erlangen konnten um Alles unterzubringen und die Accisenverwaltung ersuchen mussten, alte, auf dem Strom liegende Fahrzeuge dazu verwenden zu dürfen. Die Fahrt für den Weinhandel wurde fast ausschliesslich durch hollandische Schiffe unterhalten. Der Handel mit dem nördlichen und östüchen Europa sowie die Fahrt nach Russland, Preussen, Hannover, Schweden und Danemark war mehr in den Handen von Amsterdam geblieben, trotzdem participierte Rotterdam auch daran wenigstens im Verhaltniss zu seiner Einwohnerzahl. Auch nach Amerika hatte sich der Schiffsverkehr gehoben. Es liefen zu der Zeit, Anfang der vierziger Jahre, durchschnittlich 50 Schiffe im Jahr von Amerika ein, doch waren dies fast ausschliesslich amerikanische Segelschiffe. Die Fahrt nach Westindien war jedoch auch damals, wie noch heute, fast ausschliesslich in Amsterdam zu Hause. An dem Verkehr mit Ostindien hingegen nahm Rotterdam regen Anteil. 1845 fuhren von Rotterdam 104 Schiffe, wovon die Halfte Fregatten, nach dem fernen Osten ; davon kamen 94 Schiffe aus Java, 2 aus China, 1 aus Manilla zurück. Ausgeführt wurden damals nach Ostindien hauptsachlich Butter, eingemachte Gemüse, getrockneter und geraucherter Fisch, gesalzenes und gerauchertes Fleisch und Speek, Wein in Flaschen, Spirituosen, Mineralwasser, Bier etc. Die für den Handel mit Ostindien und für die Entwickelung der Kultur daselbst so hochwichtige „Nederlandsche Handel-Maatschappij" hatte auch in Rotterdam eine Agentur errichtet; ihre Comptore befanden sich in dem „Ostindische Huis" an den „Booompjes". Im Jahre 1845 wurden durch die Handel-Maatschappij in Rotterdam an Ostindischen Producten verkauft: 363.700 Ballen Kaffee, 128.221 Kranjangs und Kanassers Zucker, 722/1 und 5812/2 und % Kisten Indigo, 1435 Fasser Muscatnüsse, 445 Fasser Muscatblüte, 644 Fasser Gewürznelken, 4765/4 Kisten China- und 4846/4 Kisten Java-Thee, 2391 Colli Zimmt, 227 Kisten Cochenille. Auch das Versicherungswesen entwickelte sich in den Jahren bereits bedeutend; im Jahre 1847 zahlte man in Rotterdam 56 Seeversicherungen und 6 Lebensversicherungen, teils selbstandig, teils durch Agenturen vertreten; ihr Hauptsitz war in den oberen Raumen der „Oude Hoofd Poort", welches Thor jetzt schon seit einer Reihe von Jahren den neuen Verkehrsansprüchen hat weichen müssen. Im Jahre 1844 liefen in Rotterdam 1378 Seeschiffe ein und stachen 1383 Schiffe in See, 1845 liefen 1616 ein und verliessen 1565 den Flafen. Die Flotte Rotterdams bestand am 1. Januar 1845 aus 110 Fregatten, Barken, Briggen und Schonern, 20 Galioten und Tjalkschiffen. Natürlich muss man bei diesen Zahlen nicht an die heutigen Riesenfahrzeuge, welche die Weltmeere in allen Richtungen durchfürchen, denken ; ihre Grössenverhaltnisse waren unendlich viel geringer und das war für Rotterdam ein Glück zu nennen, denn seine Hafenverhaltnisse waren, wenn auch von Beginn an praktisch"angelegt, ebenso wie seine Verbindung mit dem Meere durch den Voorne-Kanal über Helvoetsluis, für andere Grössenverhaltnisse nicht geeignet. Damals bestanden in Rotterdam auch noch 42 Geneverbrennereien, 5 Gerbereien, 8 Schiffswerfte, 7 Farbenfabriken, 5 Zuckerraffinerien, 13 Getreidemühlen, 14 Holzsagemühlen, verschiedene Tauschlagereien, bedeutende Blockmacher u. s. w. Aber tempora mutantur! Die Zeiten der Segelschiffahrt waren bald vorüber, der Dampt bemachtigte sich zu Lande wie zu Wasser immer mehr des Verkehrs und, gleichwie dieser üebergang für die unzahlig vielen kleinen Segelschiffe zum Rum wurde, so ging auch ein grosser Teil des, mit dieser Segelschiffahrt zusammenhangenden, Handels und fast die ganze darauf bezügliche Industrie zu Grunde. Die Rhed erei Rotterdams bestand derm auch nach nicht gar langer Zeit fast nur noch aus Ostindienfahrern, ein Zweig des Handels und der Schiffahrt, der damals noch nicht durch Dampfschiffe aufgenommen worden war. An dem Ersatz für die Segler der Ostund Nordseefahrt: an den kleineren Dampfern, hat sich Rotterdam wahrend der Uebergangsperiode und Jahre lang nach derselben nicht beteiligt. Wohl nahmen die Fahrten nach England und auch nach Continenthafen zu, aber mit wenigen Ausnahmen waren es auslandische, meist englische, Schiffe, welche dieselben vermittelten. Im Jahre 1851 fanden 765 Abfahrten nach England statt; dorthm war die Ausfuhr von Vieh noch stets sehr lebhaft geblieben, so dass im genannten Jahre 99.000 Stück exportirt wurden. Auch nach Bordeaux und bald darauf auch nach Hamburg wurden im selben Jahre Dampferlinien eröffnet. Die transatlantische Fahrt unterhielten aber auch dann noch ausschliesslich Segelschiffe; von Amerika aus hatte sich dieselbe auch wenig mehr entwickelt und es waren nach wie vor fast allein amerikanische und deutsche Schiffe in der Fahrt. Es liefen, 1851, in Rotterdam 53 Segler von Amerika em; sie brachten Taback, Baumwolle, Fasstauben, spater Petroleum in Fassern an. In jener Zeit begannen auch Auswanderer sich von hier aus nach Amerika einzuschiffen. Die von Amerika eingelaufenen Segelschiffe nahmen dieselben mit zurück. Im genannten Jahre wanderten 3959 Leute über Rotterdam direct nach Amerika aus, ausserdem 8659 über England und ungefahr 13.000 über Havre. Von Westindien liefen im genannten Jahre 25 Segelschiffe, von Brasilien 12, von Buenos Ayres 2 Segler ein. Aber, obgleich Rotterdam seine überseeischen Verbindungen, nach damaligen Begriffen, demnach wesentlich entwickelt hatte, so bbeb das Dorado für den hiesigen Eigenhandel und für die Rhederei doch Ost-Indien ; darauf blieb das Hauptaugenmerk gerichtet. Und es ist dies gewissermaassen sehr erklarlich, denn die Regierung unterstützte diesen Zweig der Handelstatigkeit, weil sie naturgemass ein besonderes Interesse an dem Gedeihen der Koloniën und der damit eng zusammenhangenden Schiffsverbindung hatte. Wie hervorragend wichtig diese Fahrt nach Ostindien damals hier noch war, ging daraus hervor, dass die Kapitane ihre Ankunft durch 3 oder 5 Kanonenschüsse anzeigten, wenn sie Delftshaven passirten. Es bestanden denn auch, 1851, fünf Prozent der Anzahl und 25 Prozent des Tonnengehalts der in Rotterdam angekommenen Schiffe aus Fahrzeugen von Ostindien ; im Jahre 1904 waren dies beispielsweise nur 0,7 bezw. 1,66 Prozent. Sowohl die Kultur in den Koloniën wie die Schiffsverbindung wurden schon damals durch die „Nederl. Handels-Maatschappij" gefördert. Diese Gesellschaft gab sehr weitgehende Kredite ; sie charterte die Schiffe der Reihenfolge nach und steilte die Produkte am hiesigen Markt zum Verkauf. Namenthch Kaffee führte sie in sehr grossen Quantitaten ein, nach Mr. M. Mees' ..Rotterdam, in den loop der eeuwen", manchmal eine Million Ballen Gouvernements-Kaffee in einem Jahre, so dass zum Durchschnittspreise von 40 Cts. pro ^ Kilo, ein Wert von ungefahr 50 Millionen Gulden in Umsatz gelangte. Es wurden zu diesem Zwecke haufig öffentliche Auctionen abgehalten, offers 24 in einem Jahre. Heute hat sich der Umsatz, namenthch in Gouvernements-Kaffee, ganz erheblich vermindert, so dass derselbe zwischen 70.000 bis 150.000 Ballen schwankt. Gleichwie der Handel mit Ostindien durch die genannte Gesellschaft solchermaassen wesentlich gefördert und erleichtert wurde, so gestaltete sich auch für den Rheder die Verfrachtung seiner Schiffe bedeutend einfacher, weil das Geschaft zu einem so grossen Teil in einer Hand concentrirt war. Befrachtete doch die „Nederlandsche Handel-Maatschappij" im Jahre 185 I nicht weniger als 183 Schiffe, welche 73.928 Lasten a 2 Tons Güter beförderten, wofür fl. 9.579.231 an Fracht bezahlt wurden, und waren doch von den 111 Ostindienfahrern, welche im genannten Jahre hier in Rotterdam anlegten, 76 durch die genannte Gesellschaft mit Gouvernementsprodukten beladen. Für die Rheder erwies sich diese Fahrt auch als sehr gewinnbringend, denn die Frachten waren hoch ; nach obigen Ziffern — mehr als Millionen Gulden für 147.856 Tons — betrug dieselbe durchschnittlich fl. 70 pro ton ! Man tut gut daran, solche Zahlen, mit denen der heutigen Frachten gar nicht erst zu vergleichen. Alleidings mussten die Schiffe manchmal langere Zeit still liegen, ehe- sie an der Reihe waren, denn die „Handel-Maatschappij" liess dieselben der Reihenfolge nach, wie sie disponibel wurden, einschreiben, und so wurden sie verwendet, ohne dass der Rheder sich viel darum zu bekümmern hatte. Es mussten schon ganz besondere Umstande eintreten, we'che Veranlassung boten, dass die Schiffe mal für andere Zwecke verwandt wurden, wie zum Beispiel die Entdeckung der Goldfe!der in Australien, wodurch dahin in den Jahren 1853 und 1854 eine lebhafte Schiffsbewegung, auch mit den Ostindienfahrern, entstand. Der Schiffbau für diese Art Fahrzeuge flonrte in jenen Jahren hier noch; namenthch beteiligte sich daran die Familie'Hoboken und baute grösstenteils für eigene Rechnung. Der ganze Zustand war ja sehr gewinnbringend und bot gewissermaassen ein Schlaraffenleben,, wenigstens mit heute verglichen. Es kann daher nicht befremden, dass man sich von allen Seiten daran beteiligen wollte und beteiligte. Dadurch kamen aber auch weniger befahigte Elemente in den Kreis der Rheder. Alle möglichen Lieferanten und Reparateure wurden Aktionare. Auf die gelieferten Waaren und die, teuer berechneten, Arbeiten wurde immer weniger Acht gegeben und damit wurden die ersten Keime zu dem spateren vollstandigen Verfall — einige wenige Falie ausgenommen —■ gelegt. Es kamen dadurch auch zu viele Schiffe in die Fahrt nach Ostindien, und als die Frachten niedriger gestellt wurden, ja sogar durch Einschreibungen allgemeine Konkurrenz eintrat, da wussten sich viele der neugebackenen Rheder nicht mehr zu helfen, weil sie eine anderweitige Verwendung als nach Ostindien nicht kannten bezw. nicht verstanden ; und so gingen denn auch solche Rhedereien und damit auch der Schiffbau für dieselben zum grossen Teil ein. Dazu kam noch, dass auch der Handel und damit der Güterverkehr wesentlich abzunehmen begann, die Regierung ihren Beistand mehr und mehr versagte und dass der Verbrauch von Java-Kaffee und damit auch dessen Kultur immer geringer wurde, je mehr der BrasilKaffee an Bebebtheit gewann. Das Hauptaugenmerk des Eigenhandels blieb aber stets auf den Handel mit Ostindien gerichtet. Dadurch ersch1affte die Energie, wie Mr. Mees in seiner erwahnten Abhandlung sagt, und machte sich eine, nur sehr geringe, Entwickelung des aUgemeinen Eigenhandels bemerkbar, in welchem, durch die immer mehr überhand nehmende Verwendung von Dampfschiffen, ausserdem noch dadurch em vollstandiger Umschwung stattfand, dass auslaudische Exporthauser ihre Produkte und Waren in kleineren Quantitaten an Grossisten und Handier, unter Umgehung des eigentlichen Grosskaufmanns absetzen konnten, so dass Brasilkaffee, z. B. in Partien von 500 Ballen, an den Markt kam. Und als dieser Umschwung im Handel und Verkehr, durch die Eröffnung des Suezkanals, auch in Ostindien eintrat, da zeigte es sich deutlich, wie sehr Hamburg, Antwerpen und andere Hafen vorausgeeilt waren. Hamburg hatte seinen Handel über die ganze Erde ausgebreitet. Antwerpen hatte bedeutenden Import von Südamerika erhalten und konnte, mittels fremder Dampferlinien, welche dort einliefen, Belgiens Industrieartikel nach allen Weltteilen senden ; Bremen und Hamburg hatten viele grössere Dampferlinien errichtet, Rotterdam dagegen musste sich in der Hauptsache mit dem Transitoverkehr und mit der Abfertigung fremder Dampfer zufrieden stellen, welche die Transitogüter anbrachten (siehe Mr. Mees). Einzelne Artikel verblieben jedoch noch in grosseren Quantitaten ; so wurden z. B., 1870, noch durch hollandische Raffinerien 98.959 Tons Rohzucker eingeführt, wahrend dieser Handel jetzt, infolge der Steuern, grösstenteils durch den Runkelrübenzucker verdrangt worden ist. Wenn nun aber auch, durch die günstigen Umstande dazu verleitet, das Hauptaugenmerk der Handelswelt und der Rhederei in Rotterdam wahrend einer langeren Periode auf Ostindien concentrirt bheb — das Interesse für den europaischen Verkehr und den damit verknüpften, vermehrten Dampferbetrieb war desshalb doch nicht eingeschlafen. Es wurde so viel wie möglich nach Ausbreitung der Verbindungen gestrebt, aber es machte sich dabei ein Uebelstand in erhöhtem Maasse geltend, welcher schon lange sowohl für die Ostindienfahrer wie für Rotterdam im aUgemeinen ein grosses Hinderniss gebildet hatte, namlich die u n genügende Wasser verbindung der Stadt mit dem M e e r e. Der alte A.rm des Deltas, langs den Brielle, erlaubte in früheren Zeiten nur kleinen Fahrzeugen von 34 Decimeter grösster Tiefe bei Hochwasser die Durchfahrt, und auch der spater gegrabene Kanal von Voorne war für grössere Fahrzeuge (auch für damalige Grössenverhaltnisse) nicht genügend, denn nur gar zu haufig mussten die Schiffe in Helvoet oder Brouwershaven oder sogar in Vlissingen leichtern; weil sie für den Kanal zu tief gingen. Schon die einfache Fahrt durch den Kanal von See bis nach Rotterdam nahm mmdestens 18 Stunden in Anspruch, und wenn geleichtet werden musste, gingen zwei bis fünf Tage verloren. Aber diese Fahrt war nicht allein zeitraubend, sie kostete einerseits durch die regularen Kanalabgaben, andrerseits durch die Leichterkosten noch dazu viel Geld. Diese schwierige und mit grossen Kosten verknüpfte Verbindung mit dem Meere hat sich dem Handelsstand Rotterdams denn auch in nicht geringem Maasse bei seinen Bemühungen, den Verkehr zu erweitern, entgegengestellt und es muss in vieler Beziehung noch ganz besonders anerkannt werden, dass es den Plerren noch in solchem Maasse möglich war, mit anderen günstiger ge'egenen Hafen zu konkurriren. Rotterdam sehnte sich denn auch sehr nach einer besseren Verbindung; es fat dafür Alles, was in seinen Kraften stand, und es fiel seinen Leitern denn auch ein schwerer Stein vom Herzen, als im Jahre 1863 durch die Regierung beschlossen wurde, eine neue Maasmündung zu graben, und zwar nach den Planen des Ingenieurs P. Caland, welcher der, zu diesem Zweck zusammenberufenen, Staatskommission als Sekretar zugeteilt worden war. Wie sehr die Hoffnungen auf wesentliche Verkehrsvermehrung durch diesen Beschluss sofort belebt wurden und wie sehr das Vertrauen auf die eigene Schaffenskraft, unter entsprechend günstigen Verhaltnissen sich geltend machte, ergiebt sich sehr deutlich aus den Worten des Herrn A. v. Rijokevorsel Hzn., welche dieser im Januar 1864, als Vorsitzender der Handelskammer, in seiner Neujahrsbegrüssung aussprach, nachdem er im vorhergegangenen Jahre, im Alter von 72 Jahren, sein 25 jahriges Jubilaum als Vorsitzender gefeiert hatte. Er sagte schon damals : „Es besteht begründete Ursache, uns mit der Hoffnung zu schmeicheln, dass Rotterdam eine Verbindung mit der See erhalten wird, langs der die tiefgehenden Schiffe einlaufen werden, ohne dass sie Kanale und Schleusen passiren müssen, so dass unser Hafen mit allen in der Nachbarschaft konkurriren kann, sowohl in Bezug auf bequsmen Zugang wie auf Verbilligung der Kosten. Entspricht das grosse Werk dermaleinst den gehegten Erwartungen, dann geht unsere Stadt ohne Zweifel einer schonen Zukunft entgegen, welche die Jüngeren unter uns noch erleben können." Ob der bejahrte Prophet sich trotz seiner grossen Zuversicht, wohl traumen liess, dass 44 Jahre spater mehr als 10 Millionen Netto Registertons Schiffsraum in einem Jahre zum Nieuwen Waterweg hereinkommen, und dass Dampfer, wie die „Rotterdam" der Holland— Amerika Linie, von mehr als 25.000 Tons die damals werdende Wasserstrasse ungehinder befahren würden ? Jedenfalls hatte sowohl die Stadt als auch die Regierung noch eine Reihe von Jahren der Enttauschung und banger Sorge durchzumachen, bevor die Gewissheit des Erfolges die Sonne der Hoffnung wieder freundlicher erstrahlen liess. Zwar machten die Arbeiten in den ersten Jahren gute Fortschritte, und bereits, 1872, konnte der erste Dampfer, ein Harwichboot, durch den neuen Wasserweg Rotterdam erreichen, aber die Wassertiefe war wenig genügend, denn noch in demselben Jahre wurden im Kanal von Voorne ƒ 104.450 Kanalgeld bezahlt und ƒ 184.450 für Leichterlohn verausgabt, wohl ein deutlicher Beweis dafür, dass der alte weitlaufige und teure Weg noch in sehr vielen Fallen benutzt werden musste. Allerdings nahm die Tiefe des neuen Wasserwegs, wahrend der ersten Jahre nach 1872, in Ueberemstimmung mit den günstigen Resultaten, welche Herr Ingenieur Caland von seinen Planen vorausgesagt hatte, durch die Kraft der Strömungen allmahlich zu, aber darauf begann sich zwischen den Molen und vor denselben, durch den mit dem Ebbstrom abkommenden Sand, eine Bank zu bilden, welche langsam aber stetig zunahm und dadurch die Wassertiefe des Fahrwassers verringerte. Zwar wurde fleissig gebaggert, aber die Eimerbagger mussten, bei etwas bewegtem Wasser, draussen die Arbeiten gar zu haufig einstellen, so dass sie auch kein günstigeres Resultat zu erzielen vermochten. Die Sachlage war wirklich wenig trostreich; indessen Regierung und Stadt liessen den Mut nicht sinken. Die Regierung ernannte im Jahre 1877 wiederum eine Staatskommission zur eingehenden Untersuchung und zur Berichterstattung über zu ergreifende Maassregeln. Dieser Kommission wurde auch der WasserbauIngemeur, Herr W. F. Leemans, dem die Ausführung der Arbeiten am Nieuwen Waterweg aufgetragen war, zugeteilt. Jedoch bevor diese Kommission noch einen endgü'tigen Bericht erstattet hatte, wurden im December 1879 von der Zweiten Kammer die Betrage, welche im Etat für 1880 für den Wasserweg ausgeworfen, verweigert. Das war ein harter Schlag, denn dadurch wurden die Arbeiten vollstandig unterbrochen und die Wassertiefe sank bald auf 34 Decimeter bei niedrigem Wasser herab. Schiffe mit 55 Decimeter Tiefgang, welche wieder durch den Voornschen Kanal mussten, hatten öfters mehrere Tage nötig, um nach See zu gelan- gen. Die , Nederlandsch-Amsrikaansche Stoomboot-Maatschappij", jetzige .Holland-Amerika Lijn", die im Jahre 1873 am 9. April errichtet wurde, und dabei das Soll und Haben der CommanditGesellschaft Plate, Reuchlin & Co., welche im December des Jahres 1870 eine monatliche Fahrt zwischen Rotterdam und New-York in das Leben gerufen, übernommen hatte, sah sich genötigt, ihre Dampfer teilweise von Amsterdam aus zu expediren, obgleich diese natürlich, den damaligen Verhaltnissen entsprechend, den heutigen Dampfern gegenüber, als kleine Fahrzeuge bezeichnet werden konnten. In derselben schwierigen Lage befand sich der, im Jahre 1883 für die Fahrt auf Java errichtete, „Rotterdamsche Lloyd', welcher seine Dampfer durch den Voornschen Kanal expediren und einen grossen Teil der Ladungen in Vlissingen in Leichter überladen musste. Ja, es waren schwere Zeiten bitterer Enttauschung für Rotterdam und seinen Unternehmungsgeist, denn nicht allem, dass mit der aufgegangenen Sonne der Hoffnung der Betrieb der Rhederei auf transatlantischem Gebiet in den beiden genannten Gesellschaften kraftige Lebenskeime zu entwickeln begonnen hatte, auch auf dem Lande, fast auf allen Gebieten zeigte sich der, neues Leben erzeugende, Schaffenstrieb. Da entstand, in erster Linie, in der Erwartung der grossen Dinge, die da kommen sollten, die . Rotterdamsche Handelsvereeniging", welche mit einem Kapital von 15 Millionen im Jahre 1872 errichtet wurde, um die Terrains jenseits der Maas, also am linken Ufer, mit Hafen, Kajen, Schuppen und Packhausern zu versehen, denn die alten Hafen und die Kajen am rechten Ufer würden natürlich bei weitem nicht ausreichen, — das hoffte man nicht allein, das sah man mit prophetischem Bliek und scharfer Erkenntniss der Sachlage überzeugungsinnig voraus, als die Arbeiten an dem neuen Wasserweg mit den ersten Erfolgen gekrönt waren. Das sah auch die Regierung voraus, denn durch Gesetz vom 21. Mai 1873 wurde bestimmt, dass für die zu erbauende Eisenbahnlinie Rotterdam—Dordrecht eine Eisenbahnbrücke vor der Stadt über die Maas gebaut und die Linie auf Viadukten quer durch die Stadt gelegt werden solle. Dadurch war gleichzeitig die Möglichkeit geschaffen, die neuen projektirten Anlagen am linken Ufer mit der Eisenbahn und mit der Stadt zu verbinden. Aber die Stadtverwaltung Rotterdams calculierte ebenso, desshalb traf sie schon im December 1872 eine allgemeine Uebereinkunft mit der „Rotterd. Handelsvereeniging", und im October 1873 wurde dieselbe in allen Einzelheiten genehmigt und unterschrieben. Danach sollte die Ausführung der projectirten Arbeiten nach den Planen der Ingemeure T. J. Stieltjes und A. W Mees für gemeinschaftliche Rechnung der Stadt und der „Rotterdammer Handelsvereeniging" geschenen. Im Rat der Stadt wurde zugleich beschlossen, mit der Inbetriebnahme der Landereien jenseits der Maas eine feste Brücke über die Maas bis zur Nord-Insel, derzeit Sandbank in der Maas, und von da über den zweiten Arm bis zum linken Ufer eine Brücke, mit Drehbrücke in der Mitte, zu erbauen. Beseelt von der Ueberzeugung der kommenden, besseren Zeiten ging man mit Eifer an die Arbeit. Der neue „Binnenhaven" und der „Spoorhaven" wurden angelegt und mit Kajen, Schienenanlagen und Schuppen versehen. Schon, 1877, konnte der Eisenbahnverkehr am Spoorhaven in Betrieb gestellt und die Eisenbahnbrücke eingeweiht werden. Um auch den zahlreichen Schiffen, welche man mit Transitoladungen erwartete, bequeme Gelegenheit zu bieten, ihre Ladungen in Leichter überzuladen, ohne dass dafür Kairaume in Anspruch genommen zu werden brauchten, wurden im Jahre 1874 auch gross eiserne Bojen in der Mitte des Stromes fest verankert, woran 32 Schiffe verschiedener Grosse jetzt noch sichere Löschplatze finden. So hatte sich die .Stadt bereits in dis Festgewander gehüllt, bereit zum Empfange des ersehnten Brautigams, der goldenen Zeit, noch ehe derselbe vor den Toren oder in nahem Anmarsch war, denn die Wasserwege waren wieder unbefahrbar geworden ; die mit so festem Vertrauen Erwarteten konnten nicht kommen. Wahrlich kein Wunder, dass eine Zeit der Entmutigung folgte, dass immer neue Plane von Berufenen und Unberufenen gemacht und wieder verworfen wurden. Die „Rotterdamsche Handelsvereeniging" ging zu allem Unglück im Jahre 1879 auch noch fallit und mit ihr hat wohl mancher vertrauensvolle Bürger seine Hoffnungen zu Grabe getragen. Aber mit dem Wagemut und der zahen Ausdauer, welche nur dem Nordlünder von der Waterkant eigen sind, der daran gewöhnt ist, für seine ganze Lebenszeit mit den ewig gierigen Meereswellen um sein Eigentum, seinen Besitz, seinen Herd und sein Glück zu kampfen, hielten der Rat der Stadt und die Handels¬ kammer, in Uebereinstimmung mit dem Ingenieur Leemans, an der Ueberzeugung fest, dass sie schliesslich doch den Sieg erringen, den Erfolg auf ihrer Seite haben würden. Die zur Untersuchung des Waterwegs eingesetzte Staatskommission hatte in 1880 ihren endgültigen Bericht in günstigem Sinne für die Durchführung der angefangenen Arbeiten erstattet und der daraufhin von dem Minister Klerck vorgelegte Gesetzentwurf wurde glücklicherweise von den Kammern genehmigt. Dadurch konnte wieder kraftig gearbeitet werden. Durch Damme an der Südseite wurde die Fahrrinne eingeengt und dadurch die ausgehende Strömung in dem Maasse vermehrt, dass Sandabladungen nicht mehr stattfanden. G^ichzeitig wurden die Baggerarbeiten mit grossem Eifer wieder aufgenommen und zwar nunmehr mittels der selbstladenden Sandsauger, welche im Jahre 1878 durch die Herren Vermaas, Bos & Volker erfunden waren und durch die Firma Smit in Kinderdijk (an dem „Noord" auf dem Wege nach Dordrecht) erbaut wurden. Diese neuen Maschinen konnten, im Gegensatz zu den Eimerbaggern, mit Schuten auch bei etwas bewegterem Wasser draussen bleiben und arbeiten, so dass die Arbeit nicht so haufig unterbrochen zu werden brauchte und die Resultate sich wesentlich günstiger gestalteten. Diese Erfindung hat darum tatsachlich sehr visl zu dem schliesslichen grossen Erf olge beigetragen. Unter der Leitung des genannten Ingenieurs Leemans wurde dann in den Jahren 1880 bis 1886 der grosse Erfolg des „Nieuwe Waterweg" gesichert und dem unermüdlichen Wirken dieses, ebenso tüchtigen als durchgreifenden, Sachverstandigen ist es gewiss in erster Linie mit zu verdanken, dass Rotterdam sich heute unter die ersten Hafen der Welt eingereiht sieht. Der Schiffahrtverkehr nahm denn auch mit der grosseren Wassertiefe rapide zu ; schon im Jahre 1882 betrug der Rauminhalt der eingelaufenen Schiffe ungefahr 2 Millionen Tons. Im selben Jahr übernahm die Stadt den Anteil der Masse der „Rotterdamsche Handelsvereeniging" an den, auf dem linken Maasufer ausgeführten, Arbeiten, für 4 Millionen Gulden. Der Kanal von Voorne trat naturgemass immer weiter in den Hintergrund, schon 1885, war das erhobene Kanalgeld auf fl. 79,— herabgesunken. So war denn der grosse Wurf gelungen, Rotterdam durch eine kurze, leistungsfahige Wasserstrasse mit dem Meere zu verbinden und sich dadurch die Lebensadsr zu schaffen für eine sich immer glanzender gestaltende Zukunft, gleichzeitig aber auch dem Hinterlande die denkbar bequemste und billigste Wasserstrasse für den Bezug seiner Einfuhr und den Versand seiner Erzeugnisse zu bieten. Denn auch das Letztere war notwendig um dem so schwer errungenen Erf olge grössten Nutzen zu sichern. Der riesige, nie geahnte Aufschwung, welchen die Industrie, der Handel und der Verkehr nach den siebziger Jahren, durch Dampf und Electricitat, in allen Landern und auf den Meeren des Erdballs genommen, und an welchem auch Rotterdams Hinterland in so bedeutendem Maasse Teil nahm, war gewiss erforderlich, um dem hier geoffenbarten Unternehmungsgeist auch die reellen, pekuniaren Erfolge zu sichern. Aber das schmalert das Verdienst nicht, welches Rotterdams Unternehmungsgeist und die Erkenntniss der Notwendigkeit für die Erschaffung der Mittel und Wege sich für alle Zeiten gesichert! Und dieser Unternehmungsgeist, dieses felsenfeste Vertrauen in eine stets reichere Zukunft sind nicht etwa erschlafft durch die erzielten Erfolge, sie haben sich auch erhalten bis auf den heutigen 'l ag, sowohl bei der Stadtverwaltung als auch bei der Handelskammer; sie und die richtige Beurteilung des für die Zukunft Erforderlichen sind die Ursachen, dass in Rotterdam erweiterte Flafenanlagen nicht erst dann angefangen wurden, wenn der gesteigerte Verkehr solche bereits dringend erheischts, sondern dass die Stadt der Verkehrserweiterung mit fertigen Anlagen gewappnet gegenüber stand. Da der Durchgangsverkehr sich in überraschender Weise zu heben begann, so dass Löschplatze für Ueberladung mehr und mehr benötigt waren, wurde schon im Jahre 1887 die Anlage eines neuen, breiten Hafens, des Rijnhavens, beschlossen, mit einer Oberflache von 28 Hektare, in welchem in der Mitte 2 Reihen Schiffe mit Leichtern Platz finden konnten, und dieser Beschluss wurde mit grosser Eile durchgeführt. Fast gleichzeitig ging man zur Anlage des I. und II. Katendrecht'schen Hafen am linken und des Parkhavens am rechten Maasufer über. Auch diese neuen Anlagen waren durch den immer wachsenden Verkehr bald in Anspruch genommen und schon, 1895, begnügte sich der Rat nicht mehr mit dem Vorhandenen, sondern beschloss, namenthch für den Durchgangsverkehr, einen Hafen anzulegen, welcher nach aller msnsch- lichen Voraussicht für langere Zeit allen Anforderungen genügen würde. Es wurde der Maashaven, mit 58 Hektare Oberflache, angelegt und zu diesem Zwecke die Gerneinden Katendrecht und Charlois der Gemeinde Rotterdam einverleibt, nachdem dies mit der Gemeinde Delfshaven bereits geschehen war. Dadurch und durch sonstige Erweiterungen ist das Areal der Gemeinde von 695 HA. im Jahre 1869 auf 5977 H.A. gestiegen. Kaum war der Maashaven jedoch dem Betriebe übergeben, als sich auch schon die Notwendigkeit desselben durch den stetig zunehmenden Verkehr herausstellte, und um abermals fertig zu sein, wenn noch grössere Ansprüche gestellt werden würden, wurde zur Anlage eines Riesenbassins, des Waalhafens, beschlossen, welcher die Oberflache fast sammtlicher, bis jetzt fertig gestellter Hafen beinahe verdoppeln wird. Dieses Riesenwerk für die Zukunft befindet sich augenblicklich noch in den ersten Anfangen der Entstehung, aber es kann schon jetzt als klarer Bcweis dafür dienen, dass das feisenfeste Vertrauen auf eine immer grössere Zukunft heute ebenso fest wurzelt wie ehedem. Auch der Stückgüterverkehr hatte inzwischen, durch die immer zahlreicher werdenden, regelmassigen Linien, welche den Hafen teils als Endpunkt regelmassig besuchen oder ihn unterwegs, zwecks Aufnahme und Entlöschung von 1 eilladungen, anlaufen, sehr erheblich zugenommen, so dass die früheren Uferflachen an der rechten Uferseite und die Kais und Schuppen an dem „Binnenhaven" und „Spoorhaven" bald nicht mehr genügten. Das linke Maasufer wurde deshalb auch in sehr ausgedehnter Weise mit Kais versehen, ferner auch der „Rijnhaven" und die beiden Katendrechtschen Hafen, sowie das Parkufer und der „Parkhaven". Auch diese Maassnahmen schienen nicht für eine ferne Zukunft berechnet zu sein, deshalb wurden am rechten Ufer noch der „Schiehaven" und der „St. Jobshaven" angelegt und der „Parkhaven" erweitert. Von diesen neuen Anlagen sind der „Schiehaven" und ein Teil des „Parkhavens" bereits dem Verkehr übergeben, wahrend der , St. Jobshaven sich noch im Anbau befindet. Die umliegenden Terrains dieser drei Hafen sind mit ausgedehnten Schienenanlagen und Schuppen versehen. Aber unsere Stadtverwaltung besass noch immer nicht genügend Bürgschaft für die Zukunft; wie mit dem „Waalhaven" für den Durchgangsverkehr, so will sie sich auch am rechten Ufer zwecks neuer Anlagen ausdehnen können; deshalb hat sie das ganze Gelande bis an die Grenzen von Schiedam um den Preis von 10 Millionen Gulden erstanden. Ja, die Stadtvater wissen, dass unsere Zukunft auf dem Wasser liegt und sie sorgen dafür dass sie gesichert bleibt! Augenblicklich verfügt Rotterdam, nach der neuesten Ausgabe von .„De Haven van Rotterdam" von dem Zweiten Direktor der stadtischen Arbeiten, Herrn H. A. van IJsse1steijn, mit Ausschluss des fertig gestellten Teils des „Waalhavens", des „Koningshavens" und des Stroms über 206,67 H.A. Oberflache der verschiedenen Hafen und über 3090 K.M. fertig gestellte Kaimauer, wahrend die Speicher an den Hafen des linken Ufers eine Bodenflache von 30.232 M2. und diejenige der Schuppen eine solche von 99.477 M2. einnehmen. Die Schuppen an Park- und Schiehaven werden 2600 M2. beanspruchen. So waren wir also gewappnet und so werden wir denn, mit dem Wasserwege zum Meere und mit vorzüglichen Hafeneinrichtungen, allen Anforderungen des Verkehrs gerecht werden können. Aber nicht allein in dieser Beziehung hat Rotterdam einen Auf schwung genommen, wie er unter europaischen Verhaltnissen seines Gleichen nicht findet, auch sein Handel, seine Industrie und seine Rhederei sind wie durch einen Zaubersch'ag entstanden ! Die Markte für viele koloniale und überseeische Produkte, namenthch Kaffee, Gewürze, Gum-Copal, Kautschuk, Palmöl, Baumwollsamenöl. Palmkerne, Amerikanische Fette, Petroleum u. s. w. sind mehr und mehr nach hier gezogen, grosse Handels-Veeme (Lagerhausgesellschaften) haben sich hier niedergelassen, darunter das Blauwhoeden-Veem, das Vriesse-Veem, Pakhuismeesteren, Leidsche Veem, Handelsveem, Mannheimer Lagerhaus-Gesellschaft, Badische Aktien-Gesellschaft. Grosse Einrichtungen zum Laden und Löschen von Kohlen, Elevatoren zum Löschen von Getreide sind angeschafft worden, viele Fabriken, darunter namenthch sehr bedeutende Margarine-Fabriken wie Van den Bergh Ltd., James Laming, Aurora, Verschure & Co., sowie sehr bedeutende Kisten- und Fassfabriken, und A. Arnold, J. van den Bergh, W. v. d. Lugt & Zoon, Cacao-Fabriken (namenthch A. Driessen), Dampfmahlmühlen, und Reismühlen, Genever- und Likörfabriken (Hulskamp & Moiijn) sind errichtet worden. Auch der Schiffbau ist aus seiner Lethargie erwacht und, der heutigen Welt angepasst, wieder in Tatigkeit getreten. Die Werfte liegen nicht mehr an dem kleinen Zalmhaven, sondern an den Ufern des breiten Stroms; die alteste unter ihnen, die, noch oberhalb der Brücken gelegene und mit einer Maschinenfabriek verbundene, Werft „Feijenoord", ist sehr leistungsfahig und hat auch für die hollandische Marine viele Auftrage ausgeführt, darunter mehrere Panzerschiffe. Unterhalb der Brücken finden wir dann noch die Werft der sehr leistungsfahigen N. V. Wiltons Machinefabriek & Scheepswerf, mit einem eigenen grossen Schwimmdock, ferner die Werft der Rotterdamsche Droogdok-Maatschappij, gleichfalls mit Maschinenfabrik und zwei Schwimmdocks, und schliesslich, an der Mündung des Maashavens, die Werfte der Firmen Bonn & Mees und Rijkee & Comp. Die Gemeinde hat selber auch 4 Schwimmdocks in Betrieb, wovon das grösste im Maashaven liegt und im Stande ist, die grössten Schiffe aufzunehmen. Am linken Maasufer, unterhalb des Maashavens, befinden sich auf den ausgedehnten Petroleumterrains die zahlreichen, grossen Tanks der Koninklijke Petroleum Maatschappij, welche ihre eigenen ausgedehnten Brunnen in Indien hat, ferner der Deutsch-Amerikanischen, der Pure Oü Company, der American Petroleum Company und von „Pakhuismeesteren". Die Rhederei verharrte in dieser Stadt der Schiffahrt natürlich auch nicht im Winterschlaf, in welchen sie wahrend der Jahre des Uebergangs zum Dampf gefallen war. Ausser zahlreichen kleineren Rhedereien, welche ihre Dampfer die europaischen Meere und die Oceane durchpflügen lassen, haben sich besonders entwickelt die Rhederei der weltbekannten Firma Wm. H. Muller & Co., der „Rotterdamsche Lloyd" und, nicht zum geringsten, die „HofandAmerika Lijn". Die Firma Wm. H. Müller & Co. begann ihre Rhederei — abgesehen von der Batavierlinie — im Jahre 1883 mit dem kleinen Dampfer „Holland" ; jetzt zahlt ihre Flotte 13 Dampfer, worunter solche von 7000, 8000, und 10.000 Tons, mit einem Gesammtgehalt von ungefahr 40.000 Tons. Ihre fünf Batavierboote unterhalten eine tagliche, von Passagieren sehr bevorzugte Verbindung zwischen Rotterdam und London-Stadt. Ihre grosseren Dampfer sind hauptsachlich in der Erzfahrt für eigene Rechnung der Firma beschaftigt, denn die Firma besitzt eigene Erzminen sowohl in Spanien wie in Schweden und Norwegen, und der im vorigen Jahre bereits so riesig entwickelte Erz-Import war in nicht geringem Maasse in ihren Handen. Diese Erzdampfer machen unter den übrigen Dampfern einen fremdartigen Eindruck, denn sie sind mit einer doppelten Reihe von kurzen Masten mit Ladebaumen versehen, um rasche Entlöschung zu ermöghchen. Der D. „Griingesberg" hat selbst 14 solcher Masten. Der „Rotterdamsche Lloyd", wie oben erwahnt, 1883 errichtet, begann mit der Uebernahme von 7 Schiffen verschiedener Rhedereien, welche unter der Direction der Firma Wm. Ruys & Zonen standen und teilweise bereits in der Fahrt nach Java beschaftigt waren. Die genannte Firma ist eine von den wenigen, welche den Uebergang vom Segel zum Dampf auch in der Ostindienfahrt überstanden hatten. Die 7 Dampfer waren zusammen 17.500 Tons gross, heute besteht die Flotte aus 18 Schiffen mit 91.900 Tons Tragfahigkeit. Weitere 3 Dampfer mit 21.400 T. sind im Bau. Die Postdampfer der Gesellschaft sind sehr bequem für Passagiere eingerichtet, speciell für Reisen in den Tropen. Die Abfahrten geschehen wöchentlich am Sonnabend. Die, im Jahre 1873 errichtete, „Holland-Amerika Lijn" kann heute mit Recht der Stolz Rotterdams genannt werden. Hervorgegangen aus bescheidenen Verhaltnissen, kampfend mit vielen Schwierigkeiten, hat sie sich gleichmassig mit dem Aufschwung ihres Heimatshafens zu ihrer heutigen Grosse entwickelt, welche ihr einen Platz in der ersten Reihe ahnlicher Gesellschaften gesichert hat. Ausser ihren regelmassigen Frachtdampfer-Linien zwischen Rotterdam und Newport News und Rotterdam und Philadelphia, unterhalt die Gesellschaft eine wöchentliche Verbindung zwischen Rotterdam und Newyork mit ihren, bei dem reisenden Publikum beliebten Doppelschrauben-Dampfern „Statendam", 10.490 Tons, „Rijndam", 12.527 Tons, „Potsdam", 12.606 Tons, „Noordam", 12.531 Tons, , Nieuw Amsterdam", 17.2^0 Tons, und „Rotterdam", 24.170 Tons. Wahrend der Zeit ihres Bestehens beförderte die Gesellschaft 235.000 Kajütspassagiere, 827.000 Passagiere drifter Klasse, und 10 Millionen Tons Ladung, wohl ein Beweis dafür, welchen erheblichen Faktor sie im internationalen Verkehrsleben bildet! So sehen wir denn Rotterdam in seiner heutigen Grosse vor uns, mit einem Schiffahrtsverkehr von mehr als 10 Millionen Netto Registertons eingekommener Seeschiffe im vorigen Jahr, mit Hafeneinricbtungen und einer Verbindung mit dem Meere, welche zu den besten der Welt gehören und welche es den grössten Schiffen gestatten, in ungefahr zwei Stunden vollstandig ungehindert, ohne Schleusen, aus See zu den Löschplatzen zu gelangen, welche auch im Winter durch Eis nicht abgeschlossen werden. Kampfe und Mühsale aller Art haben die Stadt auf ihrem Wege begleitet, Klugheit und Tüchtigkeit ihrer grossen Manner haben sie vor Untergang behütet, kühner Wagemut und eiserne Beharrlichkeit haben sie auf die heutige hohe Staffel geführt, und dieselben Tugenden und ein unerschütterliches Vertrauen in die Zukunft werden sie auch fernerhin in Stand setzen, allen Anforderungen der Zeit und ihres Verkehrs zu genügen. So muss Rotterdam denn blühen, wachsen und gedeihen bis in die fernste Zukunft! Der Dampfer »Grangesberg" Die Stellung des mederlandiscben Hrbeiters gegenüber den Hrbettgeber, besonders tn Rotterdam <=G&eo=> N den Niederlanden hat im Allgemeinen die Stellung der Arbeiter gegenüber dem Arbeitgeber nur selten zu solch einer tiefgehenden Erbitterung und zu solchen grossen Konflikten geführt wie in andern Landern. Holland hat wenig Gross-Industrie und es fehlen dadurch auch die Riesen-Centra von Arbeitern, wie in England und den continentalen Staaten, welchs Holland umgeben. Ausserdem hat das niederlandische Volk bei seinen grossen Religions-Unterschieden noch die Neigung über dieselben zu philosophiren, sodass Holland für den sogenannten Klassenstreit in dessen scharfsten Formen auch jetzt noch keinen geeigneten Boden besitzt. Sowohl Arbeitgeber wie Arbeitnehmer haben fortwahrend Gelegenheit gehabt, sich an dem Auslande zu spiegein und dieses hat in den letzten 50 Jahren oft dazu beigetragen, grossen Konflikten vorzubeugen. Der Rotterdamer Hafen spielt auf diesem Gebiete eine ganz eigene Rolle. Erst im Jahre 1889 entstand hier der erste bedeutende Konflikt zwischen Redern, Schiffsagenten, Stauern einerseits und Schauerleuten anderseits. Obgleich in den siebziger Jahren schon ein „Algemeen Nederlandsch Werklieden-Verbond" entstand, der mit seinen vielen Abteüungen in den meisten Stadten des Landes, als gemeinschaftliche Arbeiterbewegung, auf das öffentliche Leben Einfluss zu Gunsten des Arbeiters auszuüben vermochte, waren die Schauerleute sogar beim Ausbruch des Streiks im Jahre 1889 nicht nennenswert organisirt. Eigentlich kamen sie zu diesem Ausstand, nachdem ihre Kollegen in London, nach einem sehr scharfen Konflikt, bedeutende Verbesserungen ihrer Arbeitsbedingungen erreicht hatten. Das Fehlen einer eigenen guten Organisation war Anlass dazu, dass die Schauerleute die Leitung des Streiks der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei übertrugen. Nach Beendigung des Konfliktes, welcher nicht lange dauerte, bildeten sich Arbeiter-Verbande im Hafenbetriebe, welche indes bis zum heutigen Tage nicht zu grosser Entwickelung gelangt sind. Der grosse Aufschwung des Rotterdamer Hafens nach dem Jahre 1870, und die sich hierdurch stetig vermehrende Zahl von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, hat hier dem Vereinswesen auf beiden Seiten immer im Wege gestanden, und zwar in vielen Hinsichten gewiss zum Nachteil beider Parteien. 1889 war, ausser dem Ausstand der Schauerleute (damals ca. 8000 Arbeiter), auch ein Streik der, in den tonangebenden Schiffsbauwerften tatigen, Schmiede (ca. 900 Mann) ausgebrochen. Hafenarbeiterstreike fanden weiter in den Jahren 1891, 1896, 1900, 1903 und 1907 statt. Grosse materielle Vorteile für den Arbeiter haben diese Streiks seit 1896 nicht zur Folge gehabt. Verschiedene Verbesserungen, wie Erhöhung der Löhne für Nacht- und Sonntags-Arbeit, keine Auszahlung der Löhne in Wirtshausern u. s. w. waren bei gesunder Organisation auf beiden Seiten wohl ebenso gut ohne Streik erreichbar gewesen. Wenn auch die grossen Streiks im Hafenbetriebe seiten Verwirrungen, Erbitterung und Elend zur Folge hatten, wie dies im Auslande oft der Fall war, so lieferten sie doch den Beweis, dass nur wenige Völker der Welt dem niederlandischen, was Hartnackigkeit betrifft, überlegen sind. In sehr hohem Maasse bot das vergangene Jahr hiervon ein Schauspiel, als von Mai bis November der Hafenbetrieb fortwahrend sehr ernstliche Schwierigkeiten erfuhr, welche an die Einführung von zwei Getreide-Elevatoren, zur Löschung von Seedampfern, verknüpft waren. Partielle Ausstande, in den verschiedensten Formen, Boycotts von Getreide-Importeuren, Generalstreik bei der Löschung von, mit Getreide oder mit Getreide und anderen Waaren beladenen, Schiffen, partielle Sperren u. s. w. wechselten einander ab und brachten die ganze Gemeinde in eine Spannung, wie sie solche noch nie so lange gekannt hatte. Ausgencmmen kleinere Verbesserungen für Nachtarbeit und Getreidelöschung mit Handarbeit, wurden andere Forderungen betreffs Lohnerhöhung auf Stückgüter und Holzladungen zurückgewiesen. Die maschinelle Getreidelöschung war damit in Betrieb getreten Den Arbeitgebern hat das Jahr 1907 ermöglicht, sich auf einer kraftigen und dauernden Basis zu organisiren ; pecuniare Unterstützung, welche diese „Scheepvaart-Vereeniging", in Beitragen von Schiffen, geniesst, erhöht ihre Lebenskraft. Möge es diesem Verein gelingen, Regelmassigkeit und Stabilitat in den Flafenverhaltnissen zu schaffen im Interesse des ganzen Betriebes. Ausser den verschiedenen Arbeiterkategorien, welche mit dem Löschen und Laden von See- und Binnenschiffen beschaftigt sind (jetzt nach Schatzung ca. 15.000 Mann), üben auch die Seeleute, Maschinisten und Heizer, Rhein- und Binnenschiffer, Fuhrleute usw. Einfluss auf den Schiffahrtverkehr. Die, zu diesen Kategorien gehörigen, Arbeiter smd selbstredend bedeutend weniger zahlreich, jedoch haben auch die, mit ihnen stattgehabten Konflikte mehr oder weniger storend im Hafenbetrieb gewirkt. Bis jetzt ist es dem Rotterdamer Arbeitgeber im Hafenbetriebe immer gelungen, die Löhne auf gleichem Pegel mit den Umschlagsspesen in Nachbarhafen zu halten. Ware dies nicht der Fall gewesen, so hatte Rotterdam nie für sein Hinterland die grosse Bedeutung als Transithafen gewinnen können, die es sich jetzt errungen hat. Leider ist der Gesetzgeber auf sozialem Gebiete mit seinem ersten Schritte, dem Unfallversicherungs-Gesetz, weniger glücklich gewe¬ sen Meinte doch die „Rijksverzekeringsbank" zuerst, mit einer Pramie von ca 4% der Löhne, die gesetzmassigen Auszahlungen an die Arbeiter bei stattgehabten Unfallen decken zu können; die ersten Jahre der Wirkung des Gesetzes haben jedoch bewiesen, dass sogar eine sehr hohe Pramie von 9% das Risiko für laden und löschen von Seeschiffen nicht deckt. Eine verpflichtete Krankenversicherung steht jetzt vor der Tür ; von diesem Gesetz-Entwurf darf jedoch mit Recht erwartet werden, dass er in seiner Wirkung der Unfallversicherung zu Gute kommen wird. Zur Krankenversicherung werden namlich, im Gegensatz zur Unfallversicherung, die Arbeiter selbst beitragen müssen; dieses Gesetz wird sofort nach einem Unfall zur Anwendung gelangen und dann solange das Unfallversicherungs-Gesetz ausser Kraft setzen. Rotterdam, 1908. W. A. E. Dte Rbetnscbtffabrt und dte Rbetnregulterung in Rolland ooo der Ströme fortschreitet, andern sich die Ansichten über die Mittel, mit welchen eine Regulierung und Vertiefung am besten erzielt werden kann. So weit dies in einer kurzen Abhandlung möglich ist, folgt hier eine Uebersicht der, in den hollandischen Teilen des Rheins ausgeführten, Regulierungsarbeiten, insoweit diese, Teile des Hauptfahrwegs von Köln zur Nordsee bilden. Diese Uebersicht schliesst mit einigen Zahlen, aus denen ersichtlich ist, wie die Verbesserungen eine riesige Entwicklung der Rheinschiffahrt ermöglicht haben, wahrend neue Regulierungsplane, falls dieselben m nachster Zeit zur Ausführung gelangen, der weiteren Entwicklung dieses Schiffahrtweges förderlich sein werden. Die Zeit, m welcher jeder Eigentümer einer Uferstrecke so ziemlich tat, was ihm gutdünkte, liegt noch gar nicht so ferne. Erst am Ende des 18. und zu Anfang des ig. Jahrhunderts wurde dem willkürlichen Anlegen von Strombauten ein Ende gemacht. Die, durch Privateigentümer angelegten, Werke bezweckten nichts anderes als Beschützung des eigenen Ufers und eigener Landereien gegen Wegspülung oder sie dienten dazu, durch Anschlammen Land zu gewinnen. Dieser Zweck wurde am besten durch Buhnen erreicht, welche die Strömung kraftig abhielten und die, als örthchen Uferschutz, ihrem Zweck vortrefflich entsprachen, jedoch für die Regulierung des Stromes wenig oder gar keinen Nutzen hatten. Nur dort, wo sie langs des Ufers an der hohlen Seite einer scharfen Bucht angebracht waren und somit das Abbröckeln des hohlen Ufers und damit die scharfere Gestaltung der Bucht verhinderten, waren die stromabweisenden Buhnen auch von allgemeinem Nutzen. Dass man schon frühzeitig die Gefahr allzu scharfer Buchten bemerkte, ergiebt sich wohl daraus, dass die ersten Regulierungsarbeiten, die auf der Waal (welcher Arm als Hauptmündung des Deutschen Rheins hier in erster Linie in Betracht gezogen werden soll) unternommen wurden, in der Abschneidung von vier soldier scharfen Buchten im 17. Jahrhundert bestanden. Da, wo durch verschiedene von Einzelpersonen und örtlich unternommene Arbeiten wohl eine Verbesserung erzielt wurde, konnte dieselbe doch nur örtlicher Natur sein. Es ist klar, dass ein Fluss, oder ein Teil eines Flusses von verschiedenen Dutzend Kilometern Lange, nicht durch ein örtliches Werk verbessert werden kann. Für eine einigermaasssn bedeutungsvolle Regulierung des ganzen Flusses muss ein Plan entworfen werden, der das Ganze umfasst. Der Wasserbau-Techniker Passavant hat im Jahre 1696 zum ersten Mal einen Entwurf für eine geregelte Regulierung "KS besteht wohl kein anderes Land in der Welt, in welchem die Landesinteressen in ahnlicher Weise zusammengehen und verbunden sind mit einem einzelnen Fluss, wie dies hier m Holland der Fall ist. Das Land verdankt seine Entstehung zum grossen Teil dem. Rhein; sein Bestehen, sowohl vom Gesichtspunkt der Wasserbaukunde wie des Handels aus betrachtet, und sein Reichtum stehen in engem Verband mit diesem Strom, und es ist desshalb leicht begreiflich, wie wichtig die Stromverbesserungen für die Blüte und Wohlfahrt des Landes und seiner Bewohner sind. Die anfanglich unternommenen Stromverbesserungen bezweckten, das Land, welches durch Wasserfluten haufig bedroht und schwer geschadigt wurde, vor Katastrophen zu schützen ; sie fielen in einen Zeitraum, in welchem Handel und Verkehr noch wenig entwickelt waren, so dass diese auch noch keine besonderen Ansprüche betreffs der Berücksichtigung ihrer Interessen bei Regulierungsarbeiten steilten. Indessen jetzt, nach der so bedeutenden Zunahme des Verkehrs und des Handels, wird die grössere oder geringere Bedeutung der Ströme hauptsachlich durch ihre Fahrbarkeit bedingt. Der Rhein, und, soweit Holland in Betracht kommt, besonders die Waal, bildet den Hauptfahrweg von See nach den Landerstrichen langs des Deutschen Rheins mit ihrer grossen und immer mehr zunehmenden Industrie. Einige Zahlen, welche wir am Ende unserer Betrachtungen anzuführen beabsichtigen, vermogen ein Bild von dem starken Verkehr auf diesem Fahrwege zu geben, welcher nicht, nur für Holland, sondern auch für das Hinterland von grosser Bedeutung ist. Aus dieser internationalen Bedeutung folgert die Notwendigkeit und die Verpflichtung den anderen Rhein-Uferstaaten gegenüber, den Fahrweg in einem guten Zustand zu erhalten und ihm eine genügende Tiefe zu geben. Diese Verpflichtungen sind in dem, zwischen Holland und Preussen, auch im Namen der Zollvereins-Staaten, abgeschlossenen, Handel- und Schiffahrts-Traktat vom 31. December 1851 festgestellt. Bedeutende Arbeiten sind bereits ausgeführt, noch in der Ausführung, oder bereits entworfen, um von niederlandischer Seite diesen Verpflichtungen zu genügen. — Neuen, immer höheren Anforderungen der Schiffahrt muss entsprochen werden und in dem Maasse, wie die Erfahrung zunimmt, welche bei den bereits ausgeführten Arbeiten erlangt worden, und wie die Kenntnis des Wasserlaufs geliefert. Begreiflicherweise kam, bei dem damaligen Stand der Dinge, wobei Einigkeit in der Verwaltung der Ströme völlig fehlte, wenig von der Ausführung der Plane zur Verbesserung zu Stande, und es hat, soweit es Holland betrifft, bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts gedauert, bevor ein fester Plan zur Gurndlage einer geregelten Regulierung entworfen war. — Es muss jedoch constatiert werden, dass ungefahr in der Mitte des 18. Jahrhunderts zwei Conventionen geschlossen wurden, (vom 25728. August 1745 und vom 10. April 1771) welche bezweckten, dem Rhein beim Beginn seines Deltas durch Regulierungsarbeiten eine gute Wasserverteilung über die verschiedenen Arme zu sichern und dadurch die zahllosen Unfalle und den fortwahrenden Streit für die Zukunft zu vermeiden, welche die Folge des vernachlassigten Zustandes der Flüsse an dem Punkte der Verzweigung waren. — Die, infolge dieser Conventionen an Waal, Rhein und IJssel, ausgeführten Arbeiten sind in der Sammlung von Berichten und Protokollen von C. Brunings beschrieben, wozu auch eine schone Sammlung alter Karten gehort. — Genannte Arbeiten, welche auch jetzt noch für den guten Zustand unserer Flüsse von grosser Wichtigkeit sind, haben einen günstigen Einfluss auf die Flussarme ausgeübt; mdessen wurde dadurch begreiflicherweise nicht eine vollstandige Regulierung dieser Arme erreicht und auch nicht bezweckt; die Arme blieben vielmehr in dem vernachlassigten Zustand bestehen, welcher bis weit in das 19. Jahrhundert hinem die Ursache zahlloser Ueberströmungen und Katastrophen war, die, entsprechend der grosseren Entwicklung und der dichteren Bevölkerung der geschadigten Landstriche, immer schwerer empfunden wurden und Veranlassung zu ernsten Klagen boten. Dieser Zustand wurde, durch die Anschlammung des Biesbosch, noch verschlimmert. Infolge eines jener verderblichen Einbrüche, denen die niedrigen Landereien langs der See im Mittelalter bei Sturmfluten ausgesetzt waren, wurde auch der Landstrich, den wir jetzt als Biesbosch kennen, im Jahre 1421 überflutef und eine reiche Gegend m eine grosse Wasserflache verwandelt. In ihrer Eigenschaft als offene Verbindung mit dem Meere, schuf diese Wasserflache für den Rhein eine ausgezeichnete Gelegenheit zur Abfuhr seiner Wassermassen. Aber in demselben Maasse wie die Wasserflache vollschlammte und damit ihre Grosse, sowie die geraumige, offene Verbindung mit dem Meere abnahmen, verrmgerte sich auch ihre Fahigkeit, die Wassermassen des Rheins aufzunehmen, welche, namenthch im Frühjahr, vom oberen Lauf, herunter kommen; dies hatte zur Folge, dass die umliegenden Landerstriche öfter durch Ueberströmungen bedroht wurden. Dazu kam noch, dass die im Anfang des 19. Jahrhunderts, nach dem Entwurf Tulla's, auf dem Oberrhein ausgeführten, sehr bedeutenden Abschneidungen das Oberwasser schneller nach unseren niedrigen Landerstrichen brachte. Die vielen Schwierigkeiten, welche durch das Wasser veranlasst wurden, namenthch nach strengen Wintern, wenn die Eismassen m den nicht regulierten Flussbetten festgerieten, das abströmende Wasser aufstauten und Deichbrüche verursachten, haben auch im Anfang des 19. Jahrhunderts Veranlassung zu zahllosen Entwürfen von Planen zur Verbesserung gegeben. Wir nennen nur solche von Brunings, Krayenhoff, Wiebeking, Luitjes, Goudriaan, Blanken, u. a. m., sowie die Plane, welche durch ein, im Jahre 1809 durch König Ludwig einberufenes, Central-Komitee für den Wasserbau entworfen wurden. Viel fat man deshalb aber doch noch nicht, lm Jahre 1821 wurde eine neue Commission, zur Untersuchung und Ausarbeitung von Vorschlagen für die besten Flussableitungen, ernannt, ein Schritt, welcher damals noch als das emzige Vorbeugungsmittel gegen Ueberströmungen galt. — Die, durch diese Commission gemachten, Vorschlage fanden keinen allgemeinen Beifall; es wurden von verschiedenen Seiten selbst Bedenken dagegen geaussert. — Dies gab wieder Veranlassung zur Ernennung einer zweiten FlussCommission im Jahre 1828, welche infolge verschiedener Umstande erst, 1849, ihren Bericht an den König erstatten konnte. In demselben wurden viele Vorschlage der ersten Commission verworfen. Vorgeschlagen wurde unter Anderem, anstatt der zahlreichen kleinen Wasserdurchzüge, welche für den Abfluss von Hochwasser wenig geeignet waren, in dem Biesbosch einen neuen Fluss-Arm herzustellen, welcher im Stande sein würde, die Wassermenge ohne Schwierigkeit nach dem See-Arm, das Ho1- landsche Diep, abzuführen. — Ueber diesen Bericht vom Jabre 1849 wurde die Ansicht der Wasserbau-Inspektoren Ferrand und v. d. Kun eingeholt, welche darauf im Januar 1850 ihren Bericht erstatteten. Dieser Bericht muss als sehr wichtig angesehen werden, weil darin unter „allgemeine Betrachtungen" die Grundlagen enthalten sind, worauf die gegenwartige Regulierung unserer Hauptströme, beruht. ... Diese Grundlagen können in den folgenden vier Hauptpunkten zusammengefasst werden; 1. die Stromlaufe, unter Einschrankung zu grosser Breite, regelmassig zu gestalten ; 2. Verwendung oder Verbesserung der guten Wasserverteilung unter den verschiedenen Flussarmen; 3. Beseitigung der Verbindungen zwischen den verschiedenen Stromen und Flussarmen; 4. Verbesserung der Ströme in der Nahe des Meeres, um durch einen kraftigen Ein- und Auslauf von Ebbe und Flut die Flussmündungen, so weit wie möglich stromaufwarts, in grösserer Tiefe zu erhalten, bei Frostwetter den Schluss durch Eis zu verzögern, Eisversperrungen möglichst zu verhindern und die Wegraumung derselben zu erleichtern. Nach 1850 wurde dann auf der Basis der, in diesem Bericht ausgesprochenen, Ideen mit der regelmassigen Regulierung unserer Flüsse begonnen. — Anfanglich war der hauptsachliche Zweck die Herabsetzung der Gefahr bei der Abfiihrung von Eis und Hochwasser, erst spater wurde mit der Normali sierung auch bestimmter die Verbesserung der Schiffbarkeit der Flüsse bezweckt. Das zu befolgende System ist mehr in Einzelheiten in dem Bericht der Wasserbau-Inspektion, vom September 18Ö1, beschrieben, worin einige sehr notwendige Verbesserungen besonders betont werden. Für die verschiedenen Ströme wurden auch eine Aufstellung von Normallinien und die erforderlichen Maasse für das Winterbett angegeben, welche Normalbreiten zuerst im Jahre 1861 und darauf, durch Erlass des Ministers des Innern vom 23. Mai 1817, festgestellt wurden. Die, in den ersten Jahren nach 1850 für Flussverbesserungen verausgabten, Betrage waren verhadtnismassig gering. So datirt der erste Betrag für die Waalverbesserung aus dem Jahre 1850, als dafür fl. 200.000,— bewilligt wurden. In dem Zeitraum 1850—1876 hat man sich, mit Bezug auf die Waal, auf die Verbesserung der Fahrrinne beschranken mussen, hauptsachlich durch das Verbinden der zahlreichen Mittelplaten (Sandbanke) mit dem einen der beiden Ufer. Für diese Arbeiten wurden in dem Zeitraum ungefahr 5 Millionen Gulden verausgabt und damit der obere Teil des Flusses bereits wesentlich verbessert. Mit den viel schwierigeren und teuereren Verbesserungen auf der unteren Waal war noch nicht systemartig begonnen. Nach der Ernennung einer besonderen Verwaltung für die grossen Flüsse wurde, durch den damaligen Oberingenieur Rose, ein Plan für eine regelmassige Regulierung eingereicht, worauf in den Jahren 1877—1886 eine allgemeine Regulierung der Waal durchgeführt worden ist, wodurch der Fluss in der ganzen Lange bis Zaltbommel auf die normale Breite von 360 m gebracht wurde ; weiter abwarts erweitert er sich bis auf 400 Meter. Dafür wurden ungefahr 4 Millionen Gulden verausgabt. Die Resultate dieser ersten systematischen Regulierung haben den Erwartungen, an erster Stelle die Erlangung einer guten Flussleitung für Abführung von Wasser und Eis, — wahrend an Anforderungen der Schiffahrt erst in zweiter Linie gedacht wurde, —■ ziemlich gut entsprochen. Als dann jedoch die Anforderungen der Schiffahrt mehr und mehr in den Vordergrund traten, musste zugegeben werden, dass mit dieser ersten Regulierung noch kein genügender Fahrweg, das heisst keine Fahrrinne von genügender Breite und Tiefe, erlangt war. Als Tiefe verlangte man 2.30 m. bis 3,00 m. unter dem normalen niedrigen Wasserstand, übereinstimniend mit 1,50 m. über Null K. P. in Köln. Daraufhin wurde, 1889, eine weitere Regulierung vorgenommen, welche im Jahre 1895 beendet war, nachdem sie ungefahr 25 Millionen Gulden erfordert hatte. Für diesen Betrag war der Fluss in den Biegungen und geraden Teilen auf 310 Meter eingeengt,, mit Beibehaltung der Breite von 360 Meter (in der ersten Regulierung als Normalbreite festgesetzt) in den starksten Krümmungen oberhalb Hurwenen. Weiter unterhalb nahm die Normalbreite (entsprechend dem zunehmenden Einfluss von Ebbe und Flut) zu, bis auf 400 Meter in den geraden Teilen und 426 Meter in den Krümmungen unterhalb Vuren. Bei den obengenannten Verengungen wurden für die Uebergange, Kurven nach dem System Fargue angewendet. Dass mit dieser zweiten Regulierung gute Resultate erzielt worden waren, ergab sich, als die technische Commission, welche, 1896—1897, den Rhein befuhr, konstatirte, dass die Beschaffenheit der Waal, seit den letzten Strombefahrungen, erheblich verbessert war, sodass der Fluss entschieden in Bezug auf seine Tiefe dem Bedürfnis entspreche. Es wurde jedoch der Wunsch geaussert, in emzelnen Teilen durch weitere Regulierungsarbeiten die noch ungünstige Form der Fahrrinne zu verbessern. — Für diese weitere Verbesserung der ungünstigen horizontalen Form, hat man, m den Jahren nach 1896, die Anlage von Grundbuhnen in Anwendung gebracht. Im Gegensatz zu den gewöhnlichen Buhnen, welche bei mittelrnassigem Wasserstande aus dem Wasser hervorragen, sind Grundbuhnen niedrige Werke unter Wasser, welche Einfluss auf die Tiefe und die Lage der Fahrrinne in dem Flussbett ausüben mussten, hauptsachlich auch deshalb, um zu grosse Tiefen, wo sich solche ungewünschterweise bilden, zu verhindern. Bei der ungünstigen Form und der noch zu grossen Breite des Flussbetts, sowie durch die tiefe Lage dieser Grundbuhnen, ist das dadurch erzielte Resultat nur sehr massig, an vielen Stellen gleich Null gewesen. — Nun erfordert jede neue Regulierung eines Flusses, zur Durch führung und zur Wahrnehmuing der erreichten Erfolge, stets einige Jahre, sodass es bei der steigenden Zunahme der Verkehrsmittel und des Verkehrs auf dem Rhein schwierig wird, mit dieser Entwicklung gleichen Schritt zu halten. — Nachdem die Anwendung von Grundbuhnen nach 1896 nicht zu einer günstigeren Form der Fahrrinne geführt hat, war es deutlich, dass eine erneute Regulierung der Waal notwendig werden wurde, so dass in den letzten Jahren wieder Plane für eine eingreifende Reo-ulierung erwogen worden sind. Von Einfluss darauf, namenthch in Bezug auf die Obere Merwede, ... der an die Waal anschliessende Teil des Hauptfahrwegs von Köln zur Nordsee, — war auch die Veranderung des Zustandes des Landes vom Ges.ichtspunkt der Wasserbaukunde durch die neue, eigene Mündung der Maas in das Meer. Früher brachte dieser Fluss sein Wasser bei Loevestein m die Obere Merwede. Seit August 1904 ergiesst die Maas ihr Wasser durch ein neues Bett in das Hollandsche Diep. Nicht nur die Obere Merwede empfindet den Verlust des ihr entzogenen Maaswassers, auch auf den unteren Teil der Waal ist diese Flussverlegung nicht ohne Einfluss geblieben. Da die Normalbreite der Waal im Verhaltnis zur Breite des Ober-Rheins unnötig gross ist, beabsichtigt man, baldigst mit der Ausführung eines neuen Regulierungsentwurfs einen Anfang zu machen, wodurch die zu grosse Breite, durch niedrige Buhnen, von Pannerden bis Sf. Andries, auf 260 Meter beschrankt und, von St. Andries bis Loevestein, auf 350 M. erweitert werden soll. Durch diese Einschrankung der Breite, durch den Bau von Parallelwerken, soll dann gleichzeitig versucht werden, dem Fluss, insoweit der Raum in dem gegenwartigen Flussbett dies zulasst, eine gunstigere, horizontale Form zu geben. Neben den, seit 1850, für die Verbesserung, alein der 84 KM. langen Waal, bereits verausgabten Betragen von mehr als 13J- Millionen Gulden, wird die weitere Regulierung wieder mindestens 2 Millionen Gulden erfordern. Wenn, vorstehend, die Waal, als der wesentlichste Teil des Rheins in unserm Lande, etwas weitlaufig behandelt ist, so muss doch auch über die Verbesserungen der anderen Teile der Rhemmündungen in unserm Lande, noch das Eine oder Andere gesagt werden. Der Teil des ungeteilten Rheins in unserem Lande, mit einer Rheins in unserm Lande, etwas weitlaufig behandelt ist, so soll nung und entspricht allen billigen Anforderungen. In dem Grenztraktat vom Jahre 1816 wurde die Normalbreite dieses Flussteils, insoweit derselbe die Grenzscheide zwischen Preussen und Niederland bildet, auf 150 Ruten (565 M.) festgesetzt. — Nach 1850 hat sich auch für diesen Teil bald die Notwendigkeit einer Regulierung durch Einengung fühlbar gemacht, worauf dann durch die, von 1868—1876 vorgenommenen, Regulierungsarbeiten, der Fluss dort auf eine Breite von 90 Ruten (340 M.) zurückgebracht wurde. Diese Breite ist in den Jahren 1899—1901 auch bei dem übrig gebliebenen hollandischen Teil des Ober-Rheins durchgeführt worden und, unterstützt durch eine günstige horizontale Form, befmdet sich dieser Teil seitdem in einem ausgezeichneten Zustand. Derselbe bietet der Schiffahrt eine gut geformte Fahrrinne von durchweg 200 Meter Breite und wenigstens 3,20 Meter Tiefe. Die Wirkung von Ebbe und Flut ist auf der Waal ungefahr bis St. Andries bemerkbar. Da, wo sich früher bei Loevestein die Waal und die Maas zur Oberen Merwede vereinigten, ist der Unterschied zwischen Hoch- und Niedrig-Wasser bereits beinahe 1 M. Dieser Einfluss von Ebbe und Flut war hauptsachlich dann ein günstiger Faktor für die Schiffahrt, wenn Stellen in der Oberen Merwede angetroffen wurden, wo die verlangte Tiefe unter dem normalniedrigen Wasserstand nicht vorhanden war, weil die Schiffe dann doch immer mit der Flut die seichteren Stellen passieren konnten. Nachdem die Maas abgeleitet und die Öbere Merwede nichts weiter ist als eine Fortsetzung der Waal, hat man dort mit denselben Schwierigkeiten wie auf dem Fluss zu kampfen. Bei der jetzt zu grossen Breite weist dieser Teil des Flusses ebenfalls eine weniger günstige horizontale Form auf. Auch für die Verbesserung davon ist, im Anschluss an den Entwurf der neuen Waalregulierung, ein Entwurf angefertigt. Jedoch, wie schon oben gesagt, macht der günstige Einfluss von Ebbe und Flut eine Verbesserung der Oberen Merwede weniger dringend, obgleich auch da im Anschluss an die neue Waalverbesserung ohne Zweifel eine weitere Regulierung erforderlich sein wird. Oben sahen wir nun bereits, wie durch die Anschlammung des Biesbosch dem Rheinwasser, besonders der Merwede, die Gelegenheit zur Abführung des Wassers in das Hollandsche Diep, genommen wurde. Dem ursprünglichen Entwurf Blankens zufolge, wurde in dem, im Jahre 1849 eingelieferten, Bericht der zweiten Stromcommission darauf hingewiesen, dass hier dem Wasser ein neuer Ablauf verschafft, eine neue Mündung für das Rheinwasser gebildet werden müsse, als Ersatz für die zahllosen, mehr und mehr zurückgehenden Wasserlaufe, welche bei Eisgang immer Stauungen verursachten und dadurch Gefahr brachten und Veranlassung zu vielen Beschwerden gaben. Dieser Vorschlag wurde, seitens der Inspektoren, laut ihrem Bericht vom Jahre 1850 übernommen und infolgedessen bereits, 1850, mit der Bildung der ,,Nieuwe Merwede" begonnen, welcher neue Flussarm erst in den letzten zehn Jahren des vorigen Jahrhunderts als festgestellt betrachtet werden konnte. Die Kosten desselben haben ungefahr 95 Millionen Gulden betragen. Der Einfluss dieses Werks ist in Fallen von hohem Oberwasser und Eis, ganz besonders günstig gewesen, wahrend auch die kraftige Wirkung von Ebbe und Flut auf der Oberen Merwede dieser neuen Mündung zu danken ist, ein wichtiger Faktor für die Erhaltung der Tiefe dieses Flusses sowohl als auch für die Entwasserung der umliegenden Landstriche. Auf dem Idauptfahrwege von dem „Boven-Rijn" nach Sec schhesst sich dann an die Obere Merwede die Untere Merwede an, ein ungefahr 200 Meter breiter Flussarm, welcher sich bereits seit einer Reihe von Jahren in gutem Zustande befindet. Darauf folgt, zwischen Dordrecht und der Neuefi Maas, der Flussarm „de Noord", welcher seit ungefahr 20 Jahren sich ebenfalls in gutem. Zustande befindet und, in einer Fahrrinne von genügender Breite, überall die, für die Rheinschiffahrt verlangte, Tiefe von 3 M. (bei Normal-Niedrigwasser) bietet. Ausser durch diesen Hauptweg langs der Waal, können die Rheinschiffe ihren Weg : Amsterdam und Rotterdam, von Pannerden an auch durch den Nieder-Rhein und die Lek nehmen. Auch hier ist die Verbesserung erst nach 1850 kraftig in die Hand genommen, wobei das in dem Bericht der Inspektoren vom Jahre 1850 angegebene System als Grundlage genommen wurde. Zu den Regulierungsarbeiten gehörten drei erhebliche Abschneidungen von Krümmungen. Dieser Flussarm erhalt übrigens nur em Drittel des Wassers, welches die Waal abführt. Trotzdem bietet derselbe durch die ausgeführten Regulierungsarbeiten (die letzte Regulierung dieses Arms wurde durch Gesetz vom 29. December 1893 bestimmt) bei mittelmassigem Wasserstand einen guten Fahrweg. Derselbe ist jedoch naturgemass erheblich schmaler (Minimum Normalbreite 130 Meter) als die Waal und hat, namenthch bei niedrigem Wasserstand, nicht immer genügende Wassertiefe für die grössten Rheinschiffe. Im Jahre 1880 fand man noch an sechs Stellen oberhalb Vreeswijk, bei normalem Niedrigwasser, eine geringere Tiefe als 1,30 Meter (Minimum 0,95 M.), wahrend die Tiefe oberhalb Vreeswijk jetzt überall mindestens 2 Meter betragt. Unterhalb Vreeswijk, wo, 1872, bei normalem Niedrigwasser, noch eine Tiefe von nur 1,15 Meter angetroffen wurde, ist der Zustand noch günstiger und ist die Tiefe dieses Weges nicht geringer als auf deiWaal. Der reichlich 3 Meter tiefe Merwedekanal, durch welchen Amsterdam über Gorinchem für die grössten Rheinschiffe erreichbar ist, kreuzt die Lek bei Vreeswijk. Für die Schiffahrt zwischen Amsterdam und Rotterdam ist es desshalb von Wichtigkeit, dass unterhalb Vreeswijk auf dem ferneren Wege nach Rotterdam überall wenigstens eben so grosse Fahrtiefe angetroffen wird als auf dem Kanal. Auch der letzte Teil des Fahrwegs Rhein—See nach dem Zusammenfluss von Noord und Lek, die (Nieuwe) Neue Maas bis Rotterdam, befindet sich seit Jahren in befriedigendem Zustande. Dieser Teil bildet ein Unterteil des Wasserwegs langs Rotterdam nach See und ist als solcher in den gegenwartigen Zustand gebracht. Die Normalbreite betragt bei Krimpen 250 M. und wird auf 340 M. vor Rotterdam erhöht. Die Kosten für die Verbesserung dieses Teils haben ungefahr 2 Millionen Gulden betragen. Der beschrankte Raum gestattet uns nicht, die erhebliche Stromverbesserung ausführlicher zu erörtern, welche Rotterdam seine prachtige Verbindung mit dem Meere verschaftte. Für die hier genannten Flusstrecken, die, zusammengenommen, die Flüsse mit ihren Verzweigungen bilden, welche das Rheintraktat vom Jahre 1851 benennt, sind, seitdem die Regulierung der Flüsse in Holland kraftiger und nach bestimmten Planen bewirkt wird, in den 30 Jahren von T 877—1907, rund 24.000.000,— Gulden verausgabt worden. An Unterhaltungskosten fördern diese FlussStrecken jahrlich mehr als ein viertel Million Gulden, wahrend bei niedrigen Wasserstanden, so wie sie 1906 und 1907 vorkamen, auch noch für Polizeiaufsicht zur Abwicklung eines sicheren und geregelten Verkehrs, namenthch auf der Waal, recht erhebliche Summen erforderlich sind. Giebt der schon oben genannte Betrag von fl. 24.000.000,—, welcher durch Holland für die in der Convention beregten Ströme in den letzten 30 Jahren verausgabt ist, bereits ein Bild davon, was das Land zur Verfügung stellt, um die Rheinmündungen in einen guten fahrbaren Zustand zu bringen und zu erhalten, so lasst die Höhe des Betrags auch erkennen, dass viele Schwierigkeiten überwunden werden mussten und dass hohe Kosten mit einer endgültigen Regulierung der Mündungen, unvermeidhch verbunden sind. Da die Rheinschiffahrt immer höhere Anforderung an die Ströme stellt, für die Fahrbarkeit mit möglichst grossem Tiefgang auch unter den ungünstigsten Umstanden von niedrigem Wasserstand, muss immer auf's neue nach Mittel gesucht werden, um den zunehmenden Schiffahrtsansprüchen zu genügen. Es darf anerkannt werden, dass die Niederlandische Regierung, da wo die Notwendigkeit sich ergiebt, stets bereit ist, ihre fortgesetzten Sorgen der Verbesserung der Flüsse zu widmen und sich zu dem Zwecke nicht unbetrachtliche, finanzielle Opfer aufzuerlegen, weil sie erkennt, dass die Landes- und Handels-Interessen durch einen guten Fahrweg nach dem Oberrhein sehr gefördert werden. So beabsichtigt der jetzt entvvorfene Plan zur Verbesserung der Waal diesem Strom überall eine mehr als 3 M. tiefe Fahrrinne von guter horizontaler Form und von genügender Breite zu verschaffen, wofür wieder einige Millionen erforderlich sein werden. In welchem Maasse die bereits ausgeführten Regulierungen einen enormen Rheinschiffahrts-Verkehr ermöglicht haben, ergiebt sich aus den Ziffern über den Grenzverkehr bei Lobith. Dieser Verkehr übertrifft seit 1896 nicht unerhebüch den Gesammtverkebr über alle Niederlandischen Eisenbahnen, worüber wir zur Vergleichung auch einige Zahlen in untenstehender Aufstellung angeführt haben. Hierzu sei noch bemerkt, dass von diesem Grenzverkehr 90 bis 95% über die Waal gehen, wodurch die Bedeutung dieses Stromes noch besser illustriert wird. Anzahl Schiffe, Grenzverkehr über Güter durch die Niederl. Jahr. welche Lobith den Ober Rhein in Eisenbahnen befördert passierten. Tonnen von 1000Kg. in Tonnen v. 1000 Kg. 1880 25,040 3,638,496 5.429.IO7 [885 29,820 4,213,477 6,519,111 1890 38,060 5,819,826 circa 8,000,000 1895 40,630 7,723,195 9,424.935 1900 56680 13,349,528 11,659,049 1901 56,290 13,395,164 12,415,221 1902 55,850 14,286,486 13,124,860 1903 64,970 17,457,389 I3,064 394 1904 67,520 18,099,681 13,749626 1905 71,930 20,840,724 14,000,555 1906 75,36o 21,509,694 15,021,670 Der grósste Teil, 60 bis 65%, dieses Riesenverkehrs geht über Rotterdam, und wenn wir dann daran erinnern, dass die, in diesem Hafen aus See einklarirten, Schiffe seit ungefahr 1900, nach der Anzahl über 60% und nach dem Schïffsraum, über 70% von den gesammten Einklarirungen des ganzen Reichs ausmachen, dann ist damit wohl erwiesen, wie sehr wir am Anfang dieser Abhandlung mit Recht darauf hinweisen konnten, dass die Landesinteressen mit denen der Rheinschiffahrt eins sind und dass die Wohlfahrt unseres Landes mit den Stromverbesserungen in engem Zusammenhang steht. 6tne RicbtigsteUung OtsGSgO«G I ■ IE Abendblatter des „Nieuwe Courant" vom 24. Dund 25. Juni 1908 enthalten eine bedeutsame Betrachtung über die „vorübergehenden Symptome in der Rotterdam'schen Schiffahrtsbewegung". Anlasslich des am Schlusse jener Betrachtung ■ geausserten Wunsches, dürfte die nachstehende *ÖS2f^ Aufführung der seitens der beiden Rheinufer* * staaten, Niederland und Preussen, im Zeitab- I m schnitt von 52 Jahren, 1855—1907, für Kor- rektionswerke u. s. f. und Unterhaltung des Rheines aufgewandten Betrage, nach den Regierungsangaben der „Jahresberichte der Zentral-Kommission für die Rheinschiffahrt", von Interesse sein. In Niederland erstreckt sich die Staats-Fürsorge . über eine Lange des Ober-Rheins, der Waal, der Merwede, Noord und Nieuwe-Maas bis zu der Eisenbahnbrücke in Rotterdam, langs des rechten Ufers 136,1 KM., langs des linken Ufers 128,4 K.M.; und über eine Lange des Pannerden'schen Kanals, des Nieder-Rheins und der Leek langs des rechten Ufers von 121,3 K.M., langs des linken Ufers ebenfalls von 121,3 K.M., zusammen über 507,1 K.M. Uferlange. In Preussen über eine Lange des Rheines, langs des rechten Ufers von 355,5 K.M., langs des linken Ufers von 336 K.M.; zusammen 691,5 K.M. Uferlange. Niederland hat in den letzten 52 Jahren 33.386.000 Gulden verarbeitet, entsprechend einer jahrlichen Ausgabe von 1266 Gulden pro laufenden Kilometer Uferlange. Die behufs der Bildung der Nieuwe-Merwede und der Erweiterung der Dordtsche-Kil, — Strombauten von sehr bedeutendem Umfang, welche zur Erhaltung der auf den beiden Merweden und der Noord angestrebten Fahrwassertiefe unentbehrlich waren —, aufgewandten Millionen sind in den für Niederland — siehe oben — mitgeteilten Betrag nicht mit eingerechnet worden, weil dieser Betrag ausschliesslich für die in der revidierten RheinschiffahrtsAkte vom 17. Oktober 1868 genannten Flüsse gilt. Pro laufenden Kilometer Uferlange wurden somit durchschnittlich pro Jahr in den letzten 52 Jahren seitens Niederland 95 Gulden mehr für die Korrektion des Rheines verausgabt als in Preussen. Als der deutsche Reichstags-Abgeordnete Herr Kreth, in der Sitzung von Mittwoch dem 1. April 1908, bei der Erörterung der Interpellation betreffs Einführung von Schiffahrts-Abgaben auf natürlichen Wasserstrassen in Preussen, in seinen Ausführungen zur Verteidigung einer solchen Einführung Folgendes behauptete : , Holland hat innerhalb seiner Grenzen für den Rhein nur geringe „Aufwendungen gemacht und von all den Aufwendungen Preussens „für diesen Strom als Schiffahrttreibendes Volk wesentliche Vorteile „gehabt", war diese Behauptung denn auch im Widerstreit mit den offiziellen Angaben in den „Jahresberichten" der sechs Rheinuferstaaten. Statt „geringeren Aufwendungen" hat Niederland für den laufenden Meter Uferlange in den letzten 52 Jahren pro Jahr gut 8 Prozent mehr verausgabt als Preussen. Ausser dem Betrag von 33.386.000 Gulden, in welchen der Kostenaufwand für die Nieuwe-Merwede und Dordtsche-Kil nicht eingerechnet ist, wurden noch, grösstenteils im Interesse des RheinSeeverkehrs, seitens Niederlands bis einschliesslich des Jahres 1906 verausgabt: für den „Rotterdam'schen Waterweg" 41.157.700 Gld.; für den Nordsee-Kanal 47.238.000 Gulden und für den, ausschliesslich der Verbindung des Nordsee-Kanaïs mit dem Rhein dienenden Merwede-Kanal 23.563.300 Gulden; zusammen seit dem Jahre 1855 für die Verbindung von Deutschland langs des Rhemes mit dem Meere, der bedeutende Auf wand von rund 145^ Millionen Gulden, uneingerechnet die Hafenanlagen in Amsterdam und Rotterdam, die Bildung der Nieuwe-Merwede und die Erweiterung der Dordtsche-Kil. Warmond (Niederland), 8. Juli 1908. W. F. LEEMANS, Hoofdinspecteur-Generaal van 's Rijks Waterstaat a. D. Rotterdam als eine Statte der Kunst und der Wissenschaft "Von Dr. C. te kintum. 0O© BWOHL Rotterdam den Ehrennamen eines „Niederlandischen Athen" niemals hat führen können, begriff man doch zu verschiedenen Zeiten hier sehr gut, dass neben Merkur auch Apollo gedient werden müsse. Im Mittelalter, als der Ort noch ein Marktflecken und Hafenstadtchen war, dachte man hieran freihch noch wenig*), doch nach 1500 beginnt auch auf diesem Gebiete sich frisches Leben zu entwickeln, als Rotterdam „die Stadt des Erasinus" geworden war. Wenngleich auch dieser berühmte Humanist eigentlich nichts anderes getan hat, als hier geboren zu werden, und selbst mit einer gewissen Verachtung auf Rotterdam und ganz Holland niedersah, so hat er doch seiner Geburtstadt einen grossen Dienst erwiesen. Auf alle seine Werke namlich setzte er „Erasmus Roterodamus", sodass mit ihm zugleich die kleine Maasstadt in der ganzen Welt bekannt wurde. Und Rotterdam ist ihm dankbar gewesen dafür; es hat nicht allein seinen Namen, sondern auch seinen G e i s t in Ehren gehalten ; in der Reformationszeit und auch in den Tagen nachher erwarb es sich die Ehrenkrone der ïoleranz, was nur von wenigen Orten behauptet werden kann. In Rotterdam ist es möglich gewesen, dass ein Mann, wie der Gelehrte Huibert Duifhuis, erst katholischer Priester sein konnte und spater, ohne dass er seine Meinung merklich geandert hatte, zum protestantischen Pfarrer gewahlt werden konnte! Als zu Ende des 16. Jahrhunderts der grosse Zufluss belgischer Emigranten begonnen und auch Rotterdam seinen reichlichen Anteil empfangen hatte, sah es nicht allein neues Leben in Handel und Gewerbe sich entfalten, sondern auch in Kunst und Wissenschaft. Die nach Erasmus benannte Lateinschule erfuhr grosse Ausbreitung und wurde untergebracht in einem alten Kloster, in dem sie (als Gymnasium) bis in die letzten Jahre des 19. Jahrhunderts verblieben ist; französische Schulen erstanden daneben und auch einige „Duytsche" (d. h. hollandische). Im 17. Jahrhundert, als nach Aufhebung des Ediktes von Nantes, 1685, die französischen Réfugiés hier eine Zuf'.ucht suchten, ging *) Die Grosse Kirche, das einzige Kunstwerk, das aus jenen Tagen auf uns übergekommen ist, wurde erst im 15. Jahrhundert begonnen und war im J. 1500 noch weit entfernt von seiner Vollendung. Die Kirche ist übrigens heute noch nicht fertig. die Regierung der Stadt Rotterdam sogar dazu über, eine „illustre schoo 1", eine Art Athenaum, zu errichten, an dem der berühmte B a y 1 e, ein neuer Erasmus, als einer der ersten Professoren wirkte. Das ij. Jahrhundert, die „goldene Zeit der Künste und Wissenschaften", die Zeit eines Rembrandt, Vondel, Spinoza und Huyghens, musste übrigens auch auf Rotterdam etwas von ihrem Glanz fallen lassen, wenngleich auf Amsterdam, Haarlem und den Haag der grösste Anteil kam. Man braucht nur einmal den grossen Grundriss der Stadt vom Jahre 1644 zu betrachten, auf dem mit minutiöser Genauigkeit die Giebel der Hauser eingezeichnet sind, um zu erkennen, dass auch in dieser Stadt der gesunde althollandische Geschmack geherrscht hat, mit seinen hübschen Treppengiebeln und malerischen Ornamenten. Die schonen langen Hafen aus jener Zeit, besonders der „Leuve"hafen, müssen ein aussergewöhnlicb anziehendes, fesselndes Bild dargeboten haben. Auch die öffentlichen Gebaude trugen einen intimen, pittoresken Charakter, vor allem das Alte Hafentor und das Rathaus, die nun leider beide abgebrochen sind, aber auch das Alte Frauenhaus, von dem noch ein hübsches Stück uns erhalten geblieben ist. Das Schielandsche Haus (jetzt Museum Boymans), gebaut etwa um 1660, zeigt schon mehr die vornehme Renaissance in monumentalem Bentheimer Stein, gleioh dem Mauritshaus im Haag, dessen Baumeister, Pieter Post, auch hieran mitgearbeitet hat. Wir nennen ferner noch das Zeughaus der Admiralitat (jetzt Kaserne der Marineinfanterie) zum Beweise, wie sogar bei einem solch unansehnlichen Gebaude noch an ein gefalliges griechisches Frontispiz gedacht wurde. Die Bildhauerkunst, welche in jener Renaissancezeit selbst in diesem Lande des Thones, des Torfes und Sandes geblüht hat, beschenkte auch Rotterdam mit einem schonen Denkmal, dem altesten in ganz Niederland. Es ist dies der Erasmus aus Erz auf dem Grossen Markte. — Schon im 16. Jahrhundert hatte man den grossen Gelehrten geehrt durch ein hölzernes Denkmal, dem zwei steinerne Bildsaulen folgten ; in den Tagen jedoch, da H u g o G r o t i u s, das berühmte „Delftsche Orakel", als Syndikus zu Rotterdam wohnte (1613—18), erhielt der Amsterdamer Meister Hendrik de Keyser von der Stadt Rotterdam den Auftrag zur Ausführung eines neuen erzenen Standbildes, das in Rotterdam selbst in der Geschützgiesserei gegossen wurde. Als man Grotius gefan- gen genommen hatte und seine Freunde aus der Regierung der Stadt gejagt worden waren, blieb die Statue Jahre lang auf dem Speicher liegen, wurde aber doch im Jahre 1622 aufgestellt, und ist auf ihrem Platze standig geblieben in Wind und Wetter, unter Stürmen und Revolutionen. Für andere Helden war kein Platz auf Strassen und öffentlichen Platzen, wohl aber in der Kirche. Admiral Tromp, auch ein Rotterdamer Bürger, erhielt zwar sein Grabmal in Delft, doch Witte de Wit und Kortenaer, den gefürchteten Viceadmiralen, wurden prachtige Grabdenkmaler in der Grossen Kirche zu Rotterdam errichtet, wenngleich auch die Bildhauer Ricx und Rombout Verhulst zur Ausführung dr'-selben von Amsterdam herüberkommen mussten. Auch für van Bra'wel und Scheepers, die letzten Seehelden jener Tage, errichtete man mehr oder weniger kunstvolle Grabmaler. Eine Malerschule, wie zu Amsterdam, Haarlem oder im Haag, fand man an der Maas nicht, aber Maler zweiten Ranges hat es in grosser Anzahl gegeben ; Saftleven und Jan Porcellis, sowie Ochtervelt werden noch heute genannt, doch der Mann, der sie alle übertraf, der grosse Künstler von Rotterdam war Pieter de H o o g h. Dieser berühmte Maler von Interieurs hatte jeloch kaum seine Entwicklung erlangt, als er auch schon seiner Vaterstadt den Rücken kehrte. Wohl hat er langer zu Rotterdam gewohnt als Erasmus und Grotius, doch nicht lange genug, um Rotterdam ganz anzugehören. Von den Dichtern des 17. Jahrhunderts gilt das von den Seehelden Gesagte: der letzte von ihnen hat am Ende seines Lebens in Rotterdam gewohnt und liegt in der Grossen Kirche begraben. Es ist Antonides van der Goes, einst der junge Freund Vondels . Ein grosser Mann ist er nicht gewesen und trat vor allem in Rotterdam nicht als soldier hervor, wo er als Schreiber auf der Admiral itat ein ganz prosaisches Leben führte, aber er stand als „Stromdichter" doch hoch über seinen Nachfolgern, z. B. über einem D i rk Smits, .der im 18. Jahrhundert lebte und den „Rottestrom" mit Najaden und Nymphen bevölkerte in einer Dichtung von fast 150 Seiten. Das 18. Jahrhundert tritt doch im aligemeinen auf künstlerischem Gebiete hinter dem vorhergehenden weit zurück, auch hier in Rotterdam, wo die Stadt auf ökonomischem Gebiete wahrscheinlich weit besser prosperierte als ihr Ruf. Die Börse von Rotterdam, die in ihrem gegenwartigen Umfang zwischen 1721 u. 1736 gebaut wurde, zeugt auf der einen Seite wohl von grösserer Blüte des Handels, aber auch auf der anderen Seite von geringerem künstlerischen Geschmack ; wenngleich der Maler Adriaan van der Werff ihr aristokratischer Baumeister war, so mangelt ihr doch in ihrem Barockstil der freundliche, pittoreske Charakter der althollandischen Gebaude und besitzt sie auch wiederum nicht das Monumentale des Barocks in Dresden oder Paris. Besser schnitt van der Werff ab mit seinen Privathausern, z. B. mit dem grossen Wohnhause für den Provinzialeinnehmer de Jonge van Ellemeet an den Boompjes, das jetzt die Rotterdamsche Bank in seinen Raumen birgt. Wer die Stadt durchstreift, wird übrigens noch manch einen schonen Giebel aus dem 18. Jahrhundert antreffen mit gefalliger, harmonischer Fensterverteilung und mit einer Rokokoverzierung, die gewöhnlich nicht allzu überladen ist. (Man sieht in unseren Tagen manche Architekten wieder nach demselben Stil greifen.) Merkwürdig sind noch aus dem 18. Jahrhundert die lutherische Kirche mit ihrem Kupferdach vom Jahre 1733, die hochdeutsche Synagoge von 1726 und das Delftsche Tor von 1766. (Dies letztere ist von den Bürgern von Rotterdam immer hoch in Ehren gehalten worden und. auch stehen geblieben, als alle anderen Tore fielen.) Die Malerei entartete zu dieser Zeit in Holland in allerlei handwerksmassigen Kleinkram aus, wovon auch Rotterdam sein Teil erhielt; doch haben die Rotterdamer Maler aus dem Ende des 18. Jahrhunderts sich einen unverganglichen Ruhm erworben, als sie ihre Gesellschaft „Hierdoor tot hooger" (Hierdurch zu Höherem) gründeten, die den Grund gelegt hat zu der berühmten „Academie van schoone kunsten en technische wetenschappen", aus der dann eines der schönsten Institute von Rotterdam hervorgegangen ist. Auf dem Gebiete der Wissenschaften war das 18. Jahrh. die Zeit eines Boerhave und Leeuwenhoek, eines Wagenaar und Kluyt, und für Rotterdam, was das ebengenannte Gebiet betrifft, glanzvoller als irgend eine andere. Ganz am Anfange dieses Jahrhunderts lebte der schon genannte B a y 1 e, der nach seiner Entlassung als Professor sein bewundernswertes „dictionnaire philosophique et critique" schrieb, das Vorbild der bekannten Encyclopedie von Diderot und dAlembert. Die „illustre school" von Rotterdam hat nach seinem Austritt zwar keinen einzigen so berühmten Professor mehr gehabt, aber sie blieb doch noch weiter bestehen bis 1770 und hat dann noch einen Nachkommen hinterlassen, der noch heute kraftig fortlebt, namlich das „Bataafsch Genootschap van proefondervindelijke wijsbegeerte" (Batavische Gesellschaft für experimentelle Philosophie). Als Gründer derselben gilt zwar der simpele Uhrmacher Steven Hoog end ij k, der Mann, der die erste Dampfmaschine in Niederland in Betrieb setzte; aber unter den ersten Direktoren finden wir doch die letzten Professoren der „illustre school" verzeichnet. Die Revolutionszeit brachte Rotterdam ganz besonders viel Rückgang und Elend, aber sie legte auch zugleich, wie überall, die Keime zu einem neuen Leben, im besonderen auf dem Gebiete des Unterrichts und der Wissenschaft. Der grosse Mann, der im Jahre 1806 den Volksschulunterricht in der „Bataafsche Republiek" organisierte, war van der Palm, früher Prediger zu Delfshaven (das damals noch nicht zu Rotterdam gehorte), und der verdienstvolle Arzt, der die Kuhpockenimpfung Jenners im Jahre 1801 aus Paris nach Niederland brachte, war der Rotterdamer D r. D a v i cl s. In den trüben Tagen der Napoleomschen Herrschaft lebte man natürlich unter noch schwererem Drucke als zuvor, doch fand man noch Lust, zwei geschmackvolle Gebaude zu gründen für Veranstaltungen des gemütlichen gesellschafthchen Verkehrs: die Klubhauser ,Amicitia" und „Harmonie". Nach der glücklichen Befreiung im Jahre 1813 erschollen zu Rotterdam lauter als an irgend einem andern Orte die frohen vaterlandischen Lieder und Gesange; der bekannte Tollens dichtete das „Wien Neêrlandsch bloed" und fand spater einen treuen und gleichgesinnten Freund in B o g a e r s, der mit ihm wetteiferte in der Verherrlichung der Helden taten aus Hollands grosser Zeit. Grösseres und dauernderes Verdienst auf dem Gebiete der Kunst erwarb sich jedoch der einfache Lehrer an der Erasmianschen Schule, Vermeulen, als er im Jahre 1829 die segensreiche „Maatschapp, tot Bevordering der Toonkunst" (Gesellschaft zur Förderung der Tonkunst) gründete, die von der allergrössten Bedeutung für die Entwicklung des musikalischen Lebens in Niederland geworden ist. Ungefahr zur selben Zeit erhielt Rotterdam ein wichtiges Institut auf wissenschafthchem Gebiete, eine neue Anstalt für Hochschulunterricht, namlich die „Geneeskundige schoo 1", an der u. a. Dr. G. J. Mulder, der spater so berühmte Professor der Chemie zu Utrecht, unterrichtete. Es war übrigens die damahge Zeit so recht eine Zeit des neuen Aufschwunges; Zeugen dafür sind u. a. auch das jetzige Rathaus und der damals gebaute Gerichtspalast (jetzt Polizeibureau), die jedoch in ihrem pseudo-klassischen Stil nicht allzusehr den Eindruck des Künstlerischen und Reichen machen. Nach dem Kriege mit Belgien entwickelte sich die Stadt Rotterdam jedoch noch viel kraftiger, und es folgte nun auf dem Gebiete von Kunst und Wissenschaft eine Glanzperiode, die das „Goldene Jahrhundert" hier weit in den Schatten steilte. Die Vater der Stadt selbst gründeten in dem vornehnien Schielandschen Hause das „Schilderijenmuseum" (Gemaldegallerie), zu dem die Schenkung des Professors Boymans zu Utrecht den Grundstock bildete. In diesem Gebaude wurde dann im Jahre 1851 auch noch die neue, schon oben genannte Akademie untergebracht, die sich aus der alten Gesellschaft „Hierdoor tot hooger" gebildet hatte zusammen mit einer schon bestenenden Industrieschule. In derselben Zeit erbaute der bekannte Ingenieur R o s e für die Stadt ein neues grosses Krankenhaus direkt gegenüber dem genannten Museum, in zierlichem italienischen Stil, und den Anforderungen der Wissenschaft entsprechend eingerichtet. Eine wahre Wohltat war dasselbe für die sehr vielen Kranken, die Rotterdam damals immer aufzuweisen hatte, und ein Feld, auf dem die „geneeskundige school" sich erproben konnte. Auch steilte die Stadt ein Gebaude verfügbar für die, im Jahre 1844 gegründete, Musikschule der Abteilung „Toonkunst", eine Musikschule, die einen V e r h u 1 s t, einen N i c o 1 a i, einen B a r giel, einen Gernsheim zu ihren Lehrern zahlte. Eben zu dieser Zeit ging die Gesellschaft „Harmonie" daran, ihren grossen Konzertsaal zu bauen, der Jahre lang als einer der besten auf der ganzen Welt bekannt war, und der die berühmtesten Künstler Europas in seinen Mauern gesehen hat, vor allem auf Initiative des Vereins „Eruditio Musica". Als spater, auf Anregung von privater Seite hin, die Deutsche öper gegründet wurde, nahm Rotterdam sogar (ungefahr 1870—80) den ersten Platz in der niederlandischen Musikwelt ein. *) Wenn man sich nun noch vor Augen halt, dass kurz nach 1850 auch der Tiergarten gegründet und das Gebaude des Yachtklubs errichtet wurde, ersterer mit einem naturhistorischen, letzteres mit einem Marine -Museum, wenn man ferner noch erwagt, dass die Stadt selbst ihr A r c h i v wissen?chafthch anlegte und eine bedeutende B i b 1 i o t h e k eröffnete, und dass bereits im Jahre 1844 ,,De Nieuwe Rotterdamsche Courant" zu erscheinen begonnen hatte, mit besonders wichtigem litterarischen Teil, dann wird sich die Ueberzeugung aufdrangen, dass man sich damals in Rotterdam auf einem guten Wege befand. Leider kam die „Katastrophe Pincoffs" und „die schonen Tage von Aranjuez waren zu Ende". Als die Krisis überstanden war, hub die Periode der gewaltigen Ausbreitung der Stadt und des Hafens an, die Zeit, in welcher, um ein geflügeltes Wort zu gebrauchen, „nur geachtet wurde auf' die Stimme der Dampfboote". In der Tat traten die Interessen von Kunst und Wissenschaft sehr oft in den Hintergrund, aber doch ist schon seit langem wieder ein Umschwung emgetreten, ein anderes geflügeltes Wort hat sich Bürgerrecht erworben, „dass Rotterdam neben einer .werkstad' auch .woonstad' sein müsse". Das neue grosse Theater ist Zeuge dafür, dass auch unmittelbar nach dem Weggange Pincoffs' der Kunstsinn noch nicht vollstandig eingeschlafen war; verschiedene andere Gebaude erhoben sich ; Kirchen, Bankpalaste, selbst Speicher und Fabriken zeu- *) Wenn der Raum es gestattete, ware es hier am Platze, über diese Musikinstitute ausführlich zu sprechen, denn gerade auf dem Gebiete der Tonkunst sind Deutsche und Niederlander einander besonders haufig begegnet gen von wieder auflebendem Geschmack in der Baukunst. Auch besitzt Rotterdam unter dem jetzt lebenden Geschlecht Manner, die sich auf dem Gebiete der Malerei und der Musik einen Namen erworben haben (wenngleich der Geschichtsmaler Rochussen tot ist und Berühmtheiten, wie B r e i t n e r und van R o o y unsere Stadt schon geraume Zeit wieder verlassen haben). In der Litteratur aber kann Rotterdam besonders jetzt em Wörtchen mifreden ; es hat vielleicht mehr Schriftsteller und Verleger als je zuvor. Und die Wissenschaft zahlt eine ziemhch grosse Anzahl Vertreter, sowohl in der reorganisierten Erasmianschen Schule und den Anstalten für Realschul- und Fach-Unterricht, wie auch in den breiten Kreisen der Mediziner, Juristen, Theologen, Journalisten, Ingenieure u. s. w. Was jedoch der Wissenschaft als solcher mangelt, ist eine stille Statte, die ihr Raum lasst, sich akademisch zu entwickeln : Apollo hat hier keinen Parnassus. Die „illustre schoof' des 18. Jahrhunderts ist schon lange dahin und auch die „geneeskundige school" des 19. Jahrhunderts ist verschwunden. Jammerschade, dass Rotterdam semerzeit nicht die technische Schule (jetzt Hochschule) erhalten hat, die nun Delft besitzt. Vielleicht fühlt es sich mit der Zeit dazu gerufen, die erste mederlandische Handelshochschule zu errichten. Es hat nun einmal auf seinen Platzen, ebensogut wie ein Erasmusdenkmal, auch ein Calandmonument. Und es zahlt glücklicherweise auch unter seinen Kaufleuten, Rhedern u.s.w. eine ganze Anzahl Manner, die die Wissenschaft verehren und lieben. Erfreuliche Erschemungen der letzten Jahre sind gewiss die Reorganisation der stadtischen Bibliothek, die ausgezeichnete Unterkunft, die man dem Archiv verschafft hat, die Eröffnung eines bedeutenden Museums für Altertümer und die sehr ansehnliche Vergrösserung des Marine- und ethnographischen Museums „Prins Flendrik". Möge sich hierin eben so glanzend wie früher der Wahlspruch bewahrheiten : „Hierdoor tot hooger". — Das önterrtcbtewesen 111 den JViederlanden Von Dr. C. te Lintum. 11 ■ AHRHUNDERTE Hmdurch war das Tiefland an den Mündungen des Rheines ein abgelegener Erdenwinkel, sodass die Kultur erst verhaltnismassig spat hierher durchdrang. Zur Zeit der Römer z. B. ist von Wissenschaft und Unterricht nur wenig zu bemerken. Im Mittelalter trat die ■ " christliche Kirche hier wie überall als die Tragerin alles Wissens und aller Kunst auf; ungefahr um das Jahr 700 setzte sie einen Bischof I H in Utrecht ein, und wurde dieser Ort infolge- dessen der Mittelpunkt der Kultur und des Unterrichts. Eigenartig ist es, dass der erste Bischof Willibrord, seine Kapitelschule auf demselben Flecke gründete, auf dem sich heute das Centralgebaude der Universitat erhebt. Andere Schulen folgten, aber nicht in den Gegenden langs der See (damals Friesland genannt); der Osten und der Süden blieben die gewichtigsten Teüe; da sah man zuerst Handel und Gewerbe sich entwickeln, hier wurden Stadte gegründet wie Zutphen, Deventer, Nimwegen, Tiel, Herzogenbusch, die alle schon um 1200 herum Stadtrecht erhielten und auch bald für eine Stadtschule sorgten. Noch heute sind die grossen, schonen K i r c h e n in den östlichen und südlichen Teilen Niederlands sichtbare Beweise dafür, dass hier im Mittelalter mehr Leben und Entwickelung geherrscht hat als im Westen und Norden. Die Grafschaft Holland, wiewohl schon um das Jahr 1000 von Bedeutung, blieb noch lange ein barbarisches Landchen. Selbst in den Tagen des Erasmus war in Holland noch wenig zu lernen, wenn auch dieser grosse Geist in Rotterdam geboren ist und in Gouda die Stadtschule besucht hat. Bald schon suchte ,er sein Heil auf der berühmten Schule von Hegius in Deventer und zog dann spater nach Brabant, das bereits eine Hochscfiule in Leuven besass. Nach seinem kurzen Aufenthalte im Kloster Steyn bei Gouda hat er niemals wieder nach Holland zurückverlangt. Im 16. Jahrhundert fangt es auch in Holland an besser zu werden, wie an allen westhchen Küsten Europas; die machtig empor wachsende Seefahrt bringt Leben auf jedem Gebiet. Und als nun im letzten Drittel dieses Jahrhunderts jener Heldenkampf für die Freiheit begonnen hatte, stand Holland in demselben voran und pflückte die schönsten Früchte. Weil Leiden mit nicht genug zu preisender Energie die schreckliche Belagerung ausgehalten hat, erhalt es zum Lohne seine Universitat, welche bald die zu Leuven in den Schatten steilte. Einige Jahre spater ist Holland für immer von den Spaniern befreit, und nun stromen von allen Seiten die Einwanderer herein, vor allem aus Brabant und Flandern. Sie bringen aus diesen ehedem so reichen Provinzen mit ihrer hochentwickelten Kultur, Plandel und Industrie mit, aber auch Wissenschaft und Kunst. Man sieht, vor allem in den Stadten, französische Schulen erstehen, wahrend die alten lateinischen Schulen zu neuer Blüte gelangen und in dem einen oder andern alten verlassenen Kloster ihre Heimstatte finclen. Im 17. Jahrhundert tritt Holland in mehr als einer Hinsicht an die Spitze der Machte Europas : es setzt die ganze Welt in Erstaunen durch seine Energie auf jedem Gebiete, auch auf dem der Kunst und des Wissens. Es übertrifft zu dieser Zeit nicht allein bei weitem die östlichen und südlichen Provinzen, die ihm früher vorgewesen waren, sondern auch Lander wie England und das Deutsche Reich. Die Hochschule zu Leiden lockt Tausende von Studenten aus allen Landern Europas an und darf sich einer glanzenden Reihe grosser Manner rühmen, von S n e 11 i u s bis auf Boerhave. Andere Hochschulen werden errichtet zu Franeker in Friesland, zu Groningen, zu Harderwijk und zu Utrecht, wahrend Amsterdam und Deventer die Ehre ihres Namens hochhalten, indem sie Athenaen stiften, und andere Stadte, wie z. B. Rotterdam, ahnliche Anstalten für den Hochschulunterricht gründen. Niederland mit seiner verhaltnismassig grossen Freiheit war für die Studenten von halb Europa dasselbe, was heutzutage die Schweiz ist für die Studenten aus Russland etc. Die Sprache konnte übrigens kein Plindernis sein, da alles in Latein doziert wurde. Um die Tatsache zu illustrieren, dass man im Lande selbst das Studium damals sehr würdigte, wird in der Regel eine Anekdote aus dem Jahre 1622 angeführt. „Der unglückliche \Vinterkönig Friedrich von der Pfalz, der nach Holland geflüchtet war, machte eines Tages mit seinem Vetter, dem Prinzen Moritz, einen Ausflug in die Umgegend von Leiden. Bei Rijnsburg sahen sie einen Bauern auf dem Felde hinter seinem Pfluge. „Nun," sagte der Prinz, „sprich einmal mit diesem Manne Lateinisch, dann wirst du was hören." Der Pfalzgraf meinte erst, dass es Scherz sei und begann laut aufzulachen ; als jedoch der Prinz ihn im Ernst ermunterte, redete er wirklich den Bauern in der Sprache Ciceros an und erhielt die Antwort in so fliessendem Latein, wie er es seiten gehort hatte." Wer nun jedoch aus dieser Erzahfung folgern wollte, dass in Holland damals jedermann Latein gekannt habe, würde sich sehr irren ; der Rijnsburger Bauer war eine Ausnahme, aber doch eine Ausnahme, die man anderswo vergebens gesucht haben würde! — Er gehorte zu einer Familie, die aussergewöhnliche Anlagen, Vorliebe für die Wissenschaft und die nötigen Geldmittel besass. Es ist gerade eine Schattenseite des 17. Jahrhunderts gewesen, dass es so aristokratisch war, auch auf dem Gebiete des Unterrichts ; die Kinder wohlhabender Bürger konnten ziemlich viel lernen auf den lateinischen und französischen Schulen ; das gewöhnliche geringe Volk, „der Pöbel", blieb dumm und der Bauer gar hatte wenig Aussicht, sich Bildung und Wissen anzueignen. „Duytse" Schulen (d. h. gewöhnliche niederdeutsche oder hollandische Schulen) bestanden nicht viele, und wer sie besuchte, musste überdies noch gehorig bezahlen. Dazu kam natürlich noch für manchen die Schwierigkeit, dass aller Unterricht mehr oder weniger konfessionell war, im Geiste der rierrschenden reformierten Kirche. Hochdeutsche Schulen kannte man in jenen Tagen hier nirgends, und es wurde selbst kein Hochdeutsch unterrichtet, ebensowenig wie Englisch. In Holland galt der Wahlspruch: „mit Französisch kommt man durch die Welt", und diese Anschauung entwickelte sich noch viel starker, als um ungefahr 1685 herum die Hugenotten hier eine Zuflucht suchten. Das macht es deutlich, warum selbst noch in unseren Tagen die französische Sprache in fast allen Schulen einen besonders bevorzugten Platz einnimmt; sie wird z. B. auf einer grosseren Anzahl Elementar schulen unterrichtet. Die Idee „Volksbildung" tauchte in den Niederlanden ebenso wie anderswo erst im 18. Jahrhundert auf. Nach 1750, zur Zeit der philosophischen Reformer und der aufgeklarten Despoten wurden hier mehrere Vereine für Kunst, Wissenschaft und Unterricht gegründet; unter ihnen nimmt den grössten Platz ein die „M aatschappij tot nut van 't algemeen" (Gemeinnützige Gesellschaft), die vor allem für Bibliotheken, öffentliche Vortrage, Schulen und S c h u 1 b ü c h e r gesorgt hat und noch sorgt. Zugleich fing die reformierte Kirche damit an, Freischulen zu errichten, in denen die Kinder der Armen lesen, schreiben und rechnen lernen konnten. Die Revolution, die hier 1795 begann, fand indessen noch genug zu reformieren ; sobald die ersten Jahre des Freiheitstaumels und der wilden Zerstörungswut vorüber waren, wurde nach französischem Muster (von Condorcet) ein allgemeines Gesetz für das Volksschulwesen angenommen (1806), das den Behörden die Pf licht auferlegte, für genügenden Volksschulunterricht zu sorgen. Schade genug, dass die Ausführung dieses Gesetzes in den ersten Jahren durch Mangel an den nötigen Geldmitteln behindert wurde, ja im Jahre 1810, nach der Emverleibung Hollands bei Frankreich fast vollstandig aufhörte. Napoleon hatte für solche Sachen wenig Geld oder Zeit übrig ; er fing sogar an, teilweise abzubrechen von dem, was man noch hatte ; so liess er von den Hochschulen allein die Universitat Leiden bestehen, wahrend die von Harderwijk und Franeker aufgehoben, die von Utrecht und Groningen aber zu „écoles secundaires" herabgedrückt wurden, ebenso wie die Athenaen zu Amsterdam und Deventer. Ja, die Leidener Universitat musste sogar noch ziemlich viel von ihrer Selbstandigkeit embüssen ; sie wurde ein Teil der „Université de France". Wenn auch spater in dieser Hinsicht wieder viel verandert worden ist, so hat doch Napoleon mit seinen Maassregeln den Hochschulunterricht für immer in die Hande des Staates gebracht; die Universitaten haben hier keineswegs die finanzielle und juristische Se'bstandigkeit, wie man sie z. B. in Deutschland oder England fmdet. Nach dem Falie Napoleons ging König Wilhelm I. mit grossem Eifer an die Aufgabe, Niederland (und Belgien) auf wirtschaftlichem und geistigem Gebiete wieder zu neuem Leben zu erwecken. Für das Unterrichtswesen tat er sehr viel. Die Hochschulen zu Groningen und Utrecht wurden sofort wieder ihrer früheren Bestimmung zurückgegeben, *) wahrend auch Belgien seine drei Reichsuniversitaten erhie1! : Gent, Löwen und Lüttich. Auch wurden bereits specielle Fachschulen gegründet, z. B. die Akademie für Ingenieure und indische Beamte zu Delft, die Reicbsveterinarschule zu Utrecht, die Königliche Musikschule im Haag, die Malerakademien zu Amsterdam, 's-Gravenhage und Antwerpen. Ferner ging man mit aller Kraft an die Ausführung des Gesetzes für das Volksschulwesen vom Jahre 1806 ; der König begann z. B. mit der Errichtung von Lehrerseminarien. In Belgien jedoch, wo die Entwickelung des Volkes besonders rückstandig war, fand dieses Gesetz durchaus nicht aHgemeinen Beifall; hier fing schon bald ein Schulstreit an, den die katholische Geistüchkeit vom Zaune brach weil die Volksschulen vollstandig ausserhalb des kirchlichen Einflusses bleiben sollten und es sogar verboten war, konfessioneHe Schulen ohne besondere Erlaubnis zu *) Die Universitat Utrecht war früher stadtisch gewesen ; sie wurde jetzt «staatlich." gründen. Dieser „Kulturkampf" wurde noch erbitterter, als der König, ebenso wie früher Kaiser Joseph IL, mehr Einfluss forderte auf den Bildungsgang und die Anstellung der Geistlichen. Nachdem Belgien im Anfang der dreissiger Jahre des vorigen Jahrhunderts frei geworden war, begann schon bald in Niederland selbst der Schulstreit aufs neue, wo sowohl die strengen Calvinisten wie die Katholiken eine andere Einrichtung des Volksschulunterrichtes verlangten. Die Calvinisten fanden einen kraftigen Führer in Groen van Prinsterer, und auch die Katholiken erhielten eine starke Organisation, als im Jahre 1853 die bischöfliche Hiërarchie wieder hergestellt wurde. Es gelang denn auch den Bestrebungen dieser Parteien, im Jahre 1857 durchzusetzen, dass fortan ein jeder die Freiheit hatte, Schulen zu gründen. Damit war und ist jedoch der Schulstreit noch nicht zu Ende; die kirchlichen Parteien verbanden sich und wussten es (nach 1887) zu erreichen, dass ihre Schulen Unterstützung von Seiten des Staates erhielten. Jetzt liegt die Sache so, dass in sehr vielen Orten des Landes neben den Gemeindeschulen auch. konfessioneHe Schulen bestenen, die alle vom Staat nach demselben Maassstabe unter stützt werden. KonfessioneHe Schulen, von der Regierung eingesetzt, wie in Deutschland, kennt das niederlandische Gesetz a'so nicht, wenngleich es eine Erziehung vorschreibt zu allen c h r i s t 1 i c h e n und gesellschaftlichen Tugenden. Viel ist dafür getan worden, geraumige und 1 u f t i g e Schulgebaude zu erhalten, wahrend auch das Lehrerpersonal zahlreicher ist a's in den angrenzenden Landern. Kostenloser Volksschulunterricht besteht in Niederland allein für diejenigen, die nicht bezahlen können, im übrigen sind Schulen vorhanden mit einem Schulgeld in sehr verschiedenen Preislagen, sodass die Wahl der Schule (ganz anders wie z. B. in der Schweiz) noch sehr oft eine Frage des Standes und der Mittel ist. Am teuersten sind natürlich die privaten Schulen, geschaftliche Unternehmungen, die in einigen Stadten, wie Amsterdam, Haag und Utrecht noch immer sehr zahlreich sind. Seit 1863 haben sie jedoch scharfe Konkurrenten erhalten an den „Hoogere Burgerscholen" (lateinlosen Realschulen 1. und 2. Ordnung), die auf Grund des Thorbecke'schen Gesetzes für den Realschulunterricht ins Leben gerufen wurden, und die das Studium der Mathematik und Naturwissenschaften, wie der modernen Sprachen, sehr verbreitet haben In unseren Tagen, da diese Schulen sich eines besonders starken Zuspruchs erfreuen, gehort es in Niederland darum zu den Seltenheiten, einen gebildeten Mann zu finden,, der nicht neben dem Französischen auch das Deutsche und Englische beherrscht. Die Zahl derjenigen aber, die nicht Latein können, ist in Niederland viel grösser als in den umliegenden Landern ; man kann z. B. in Niederland sehr gut Arzt, Apotheker oder Ingenieur werden, ohne eine klassische Erziehung genossen zu haben. Hierdurch wird es begreiflich, dass die lateinischen Schulen, wenngleich ihnen von der neueren Gesetzgebung ein etwas erweiterter Lehrplan gegeben und ihnen der Titel Gymnasium zuerkannt worden ist, sich nicht eines starken Besuches zu erfreuen haben. Der Kursus ist jetzt bei allen sechsjahrig, da sie, ebenso wie die „Hoogere Burgerscholen", ihre Schüler im 12. oder 13. Lebensjahre erhalten. Auf dem Gebiete des Hochschulunterrichts bestehen noch stets die drei Reichsuniversitaten, die König Wilhelm I. einsetzte ; die Athenaen jedoch sind verschvvunden : das zu Deventer hat man ganzlich aufgehoben, das zu Amsterdam aber ist Gemeindeuniversitat geworden. Die Einrichtung der vier öffentlichen Universitaten weist noch einige Unterschiede auf im Vergleich mit den Hochsclnden der angrenzenden Lander. Die Regierung huldigt namlich hier, wie überhaupt bei allem Unterricht, dem Grundsatze, dass sie k einen eigentlichen Religionsunterricht erteilen lasst. Deshalb beruft der Staat an seine Universitaten nur Professoren in Kirchengeschichte und dergleichen objectiven Fachern und die Gemeinde Amsterdam handelt gerade so. Die Kirchengemeinden haben jedoch das Recht, selbst Professoren in der Theologie anzustellen; davon macht hauptsachlich die Niederdeutsch-Reformierte Gemeinde Gebrauch und zwar an den Reichsuniversitaten, welche solche Professoren, auf Reichskosten besolden. Die übrigen Kirchengemeinden haben ihre eigenen Seminarien ; ja die Reformirte Gemeinde des früheren Premierministers Dr. A. Kuyper hat selbst eine eigene „freie Universitat" errichtet. Ausser der theologischen kennt man an den niederlandischen Hochschulen noch vier andere Fakultaten: die juristische, medizinische, litterarische und philosophische (welch letztere also nur die Mathematik und die Naturwissenschaften umfasst). Die Anforderungen für die Aufnahme und bei den Examen sind im allgemeinen ziemlich hoch; dabei ist das Studentenleben gewöhnlich teurer als z. B. in Deutschland. fnfolgedessen findet man in Niederland noch nicht das sog. berüchtigte „Gelehrtenproletariat" ; auf der andern Seite aber gehen auch noch viele Talente ganz oder zum Teil verloren ; Bettelstudenten kennt man hier nicht. Auswartige Studenten finden sich natürlich nur seiten ein1 da in der Landessprache doziert wird; nur aus Südafrika haben sich Hörer eingefunden. Trotzdem geniessen die niederlandischen Universitaten im Ausland einen sehr guten Ruf, wozu die Namen berühmter Gelebrter, wie van 't Hoff, Hugo de Vries, Lorenz, Zeeman u. a. m. nicht wenig beigetragen haben. Zu den Anstalten mit Hochschulunterricht gehort jetzt auch die frühere Akademie für Ingenieure zu Delft *) ; sie wurde im Jahre 1863 polytechnische Schule und, 1902, zur technischen Hoe hschule erhoben. Vor allem hat sie sich seit den letzten Jahren eines starken Zuspruchs von Studenten zu erfreuen, obwohl im Berg- und Maschinenbau und in der Elektrotechnik noch mancher Niederlander sein Heil in Deutschland und der Schweiz sucht. Die Delfter Hochschule jedoch ist berühmt und entsendet ihre absolvierten Ingenieure bis in die entferntesten Lander. Uebrigens ist der Fachunterricht in Niederland, wie überall, in den letzten 30 Jahren sehr in Schwang gekommen, vor allem auf das Beispiel Deutschlands hm. Die Ackerbauschule zu Wageningen wurde zu einer Akademie für Niederland und die Koloniën erhoben, wahrend man in vielen andern Orten landwirtschaftüche Schulen und Kurse einrichtete. Die öffentliche Handelsschule zu Amsterdam ist das Muster für verschiedene andere öffentliche und private Handelsschulen geworden. (Eine Handelshochschule fehlt noch.) Ferner sind, neben den Seemannsschulen, Schulen für die Fischerei entstanden, wahrend für die Industrie einige spezielle Fachschulen nebst einer Anzahl privater Gewerbe- *) Die Ausbildung der indischen Beamtcn ist der Universitat Leiden übertragen worden. schulen existieren. Der englische Wahlspruch : „Alles durch die Praxis", ist auch für Niederland etwas allzulange von Geltung gewesen. Hiermit müssen wir diese kurze Uebersicht schliessen. Es seien zum Schlusse nur noch einige Zahlen mitgeteilt, die über die letzten zehn Jahre bekannt sind (in denen die gesamte Bevölkerung des Reiches von 4,9 Millionen auf 5,6 Millionen sich vermehrte). Volksschulen. Schulen Personal Schüier Kosten f. Staat u. Gem. 1896 4483 21.825 708.654 circa fl. 15 Millionen. 1905 4-042 26.722 857.135 „ „ 22 „ (Lehrpflicht wurde im Jahre 1901 eingeführt.) Gymnasien und Realschulen. a. Realschulen („Hoogere Burgerscholen") für Knaben (u. Madchen). Schulen Personal Schüier 1896 62 801 7.5 50 1905 71 1.085 ILO39 b. Höhere Töchterschulen („Hoogere Burgerscholen voor Meisjes"). Schulen Personal Schüier 1896 10 164 1.311 1905 12 216 1.475 Hochschulen. a. Universitaten. b. Technische Hochschule. Anzahl Studenten. Anzahl Studenten. 1896/7 3046 (92) etwa 700? (o) 1905/6 3552(427) 1176 (43) (Die eingeklammerten Zahlen bezeichnen die weibl. Studenten.) Man ersieht hieraus die grosse Zunahme und wir können ruhig behaupten, dass Niederland, auch auf dem Gebiete des Unterrichtswesens, gegenwartig einen ehrenvollen Platz unter den zivilisirtesten Landern einnimmt, wenngleich es nicht den Ehrenplatz behaupten konnte, der ihm im XVII. Jahrhundert eingeraumt war. Die JViederlandiscben Koloniën im fernen Osten Ton Dr. G. Kielstra. ooo u m AS, im Vergleich zu einer Anzahl- Kaiser- und DKönigreiche oder Republiken, nur kleine Niederland, das keine 6 Millionen Einwohner zahlt und noch keine 600 Quadrat-Meilen Oberflache misst, führt die Herrschaft über ausge^^^^^^^^^^ dehnte Gebiete im Indischen Ozean und in ■ Central-Amerika. Diese ltetzteren Besitzungen (Suriname oder Niederl. Guiana, die Curacaoschen Insein und die Niederl. Antillen) wollen B 1* wir ausser Besprechung lassen und unsere Be- trachtungen dem, immer mehr und mehr in den Vordergrund des Interesses tretenden, Niederlandisch Ost-Indien widmen. Die Oberflache des Niederl. Indischen Archipels wird auf 35.000 Quadratmeilen geschatzt und die Einwohnerzahl auf nicht weniger als 40 Millionen Seelen. Es wurde, durch den Lauf der Geschichte, eine grosse und zugleich schwere Aulgabe auf Niederlands Schultern gelegt; aber trotz der vielen Fehlgriffe und Misserfolge, entstanden durch mangelnde Einsicht, ungenügende Kenntnisse und ahnliche Umstande, ist die zu erfüllende Aufgabe nicht mehr so schwer, zumal heute weniger denn je, das frühere System, welches die Koloniën dem Mutterland steuerpflichtig machte, ganzlich aufgegeben wurde und die niederlandischen Autoritaten sich besser Rechenschaft von den Verpflichtungen geben, welche sie der inlandischen Bevölkerung gegenüber einzulösen haben. Niederland teilt seine Indischen Besitzungen in zwei Hauptteile, namlich , J a v a" und die „Aussenbesitzungen", zu welch letzteren alle übrigen Insein gehören. Die Teilung ist noch ein Vermachtnis aus früheren Zeiten, da „Java" noch als der einzige wertvolle Besitz galt, und die übrigen Insein grösstenteils als „Schadenposten" betrachtet wurden, welche der Vernachlassigung anheimfielen. Man war zufrieden, wenn man dort an den Flussmündungen oder anderen geeigneten Punkten an der Küste, Niederlassungen hatte, von wo aus, dem Namen nach, die Souveranitat gehandhabt wurde und wo der Handel sich einigermaassen sicher füblte. Ob im Innern des Landes die Bevölkerung unterdrückt wurde, ob sie Sclaverei trieb oder Köpfe crbeutete — das war den Niederlandern gleichgiltig. Alle Aufmerksamkeit wurde dem productiven Java geschenkt und, m früheren Zeiten, vor allem den Molukken, welche die Gewürze für den europaischen Markt lieferten. Im Laufe des 19. Jahrhunderts jedoch ist diese Auffassung einer anderen gewichen; jetzt macht sich überall das Bestreben bemerkbar, die weniger volkreichen, trotzdem aber wichtigen „Aussenbe- sitzungen" der Segnungen einer, Ruhe und Ordnung gewahrenden, Europaischen Regierung zu versichern, die das Land durch Wegbau, Förderung der Landwirtschaft, Unterricht u. a. m. zur Entwickelung bringen will, was unter den inlandischen Despoten, die willkürlich auftraten, durchaus nicht möglich war. Man nannte dieses Streben zuweilen kurzweg „Imperialismus" ; unserer Ansicht nach mit Unrecht, da ja von der Ausdehnung des niederlandischen Kolonialgebietes durchaus keine Rede ist. Die Niederlander von heute sehen sehr gut ein, dass sie, im Besitze so schoner Kolomen, der Welt auch zeigen müssen, dass sie den Besitz verdienen. Gleich allen anderen kolonisierenden Machten, nehmen sie es mit ihrer Pflicht, das sittliche und materielle Wohlergehen der Bevölkerung zu beherzigen, ernster wie früher. Zu Anfang des 19. Jahrhunderts schon beruhte auf Java einscbl. Madura die Niederlandische Macht auf ziemlich sicherer Grundlage. In Mittel-Java herrschten noch Sprossen des alten Fürstenhauses von Mataram, welche eine unbegrenzte Macht über die Lander Surakarta und Djocjakarta besassen, die ausgedehnter waren als heutzutage. Auch Madura stand unter eigenen Fürsten (drei, von Pemakassan, Bangkalan und Sumanep), Vasallen der Niederl. Indischen Regierung. Der, im Jahre 1825, in Djocjakarta ausgebrochene, blutige Aufstand, welcher erst, 1830, mit schweren Opfern unterdrückt werden konnte,, hatte zur Folge, dass das Grundgebiet der Fürsten auf Java verkleinert und ihre Macht bedeutend eingeschrankt wurde. In den spateren Jahren wurden dann, wenn einer von ihnen starb, bei Abfassung des neuen Vertrages, die Befugnisse des Nachfolgers immer mehr und mehr eingeschrankt, sodass dem Hofe wohl der aussere Glanz verblieb, das Land jedoch zuguterletzt der niederlandischen Verwaltung völlig unterstand. Auf Madura haben die Verhaltnisse einen anderen Weg vorgeschrieben. Als, im Jahre 1853, der Fürst von Pemakasan um Entlassung aus seinem Amte bat, wurde kein anderer an seiner Stelle gesetzt und sein Gebiet unter Niederlands Herrschaft gestellt. Der Fürst von Sumenep starb 1879, der von Bangkalan 1882, beide ohne legitime Erben, sodass die Niederlandische Regierung, welche dazu die gesetzliche Befugniss besass, ihre Maassnahmen in diesen Landern treffen und allen billigen Wünschen entsprechen konnte. Ganz Madura ist nun, mit Einverstandnis der Bevölkerung, in gleicher W eise wie die Regierungslander auf Java, organisiert. Diese zerfallen in die Residenzen (Provinzen) : Bantam, Batavia, Preanger, Cheribon, Pekalongan, Semarang, Rembang, Surabaya, Pasuruan, Besuki, Cheribon, Banjumas, Kedu, Madjun, Kediri und Madura. Jede Provinz wird durch einen Residenten, als Vertreter der niederlandischen Regierung, verwaltet. Diese Provinzen sind wiederum in Abteilungen (Bezirke) eingeteilt, an deren Spitze ein Assistent-Resident steht. Die Grenzen dieser Bezirke fallen in der Regel mit denen der Regentschaften zusammen, über welche ein inlandischer Regent eingesetzt ist. Diese Organisation bringt mit sich, dass der Regent stets durch den Assistent-Residenten beraten und controlliert wird. Die Regentschaften sind wieder in Distrikte eingeteilt und diese in Unter-Distrikte. Die Distrikts-Vorsteher werden, gleich den Regenten, durch die Regierung ernannt und besoldet. Von der Bevölkerung selbst gewahlte Dorfs-Vorsteher, welche zum Teil durch Ueberlassung von Amtsfeldern, zum Teil auch, prozentualiter ihrer aufgebrachten Gemeindesteuern, besoldet werden, verwalten die inlandischen Dörfer. Das Arbeitsfeld der europaischen Controlleure bei der Verwaltung des Inlandes beschrankt sich in erster Linie auf die Controlle der Arbeit aller Districts-, Unterdistricts- und Dorf shauptlinge; falls diese ihrer Aufgabe nicht gewaohsen sind, müssen die Controlleure sich, wohl oder übel, mehr um den inlandischen Haushalt bekümmern, als wünschenswert ist. Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat, infolge der Ausbreitung des Unterrichtes der Eingebornen und die Errichtung von Hauptlingsschulen, die allgemeine Entwicklung grössere Fortschritte gemacht und ist mit Sicherheit zu erwarten, dass die directe Einmischung der europaischen Beamten in den indischen Haushalt bald eingeschrankt werden kann. Ihr Arbeitsfeld bleibt dann doch noch umfangreich genug, da Landwirtschaft, Gewerbe, Steuererhebung, Herrendienste, Unterrichtswesen, Hygiëne, Polizei und noch so viele andere Pflichten ihr Interesse stark in Anspruch nehmen. Es liegt auf der Hand, dass, ausser den eigentlichen Verwaltungsbeamten, in den verschiedenen Bezirken auch noch andere Beamte angeslellt sind, welche insbesondere mit der Handhabung der Justiz, Herstellung von öffentlichen Bauten, Erteilen von Unterricht, der Finanzverwaltung, der Fürsorge für die Volksgesundheit, der Verwaltung der Gouvernementsculturen u. s. w. betraut sind. Wir wollen uns damit nicht eingehender beschaftigen, auch nicht mit der Kriegsmacht, die, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, überall ver-' teilt ist; ebenso nicht mit den, in den letzten Jahren eingesetzten provinzialen und örtlichen Raten, von denen, für die Dauer, eine bedeutende Decentralisation, m. a. W. eine bessere Beherzigung der provinzia.len und örtlichen Interesen zu erwarten ist, die jedoch vorlaufig noch im Stadium einer Probe-Einrichtung verkehren. * * * Nun kommen wir zu Sumatra, nach Java gegenwartig die bedeutendste Besitzung. Wahrend Java nur viermal so gross als das Mutterland ist, betragt die Grosse Sumatra's viermal die von Java ; dahingegen ist das Verhaltniss der Einwohnerzahl Java's zu der von Sumatra : 30 Millionen zu 3 Millionen. Unter Bezugnahme auf seine pracht igen Tabaksfelder, seine Goldgruben und reichen Petroleumquellen, kann Sumatra mit Recht ein Land der Zukunft genannt werden ; es besitzt zahlreiche natürhche Vorrechte und bietet Raum für viele Millionen Bewohner. Die Umstande, welche, um 1820 herum, dazu führten, dass die Niederlander sich mit Sumatra mehr als mit anderen „Aussen-Besitzungen' beschaftigen mussten, waren Ursache, dass Sumatra die erste Ausnahme in dem, lange Zeit wahrenden und erst nach 1850 allmahlich aufgegebenen „System der Vernachlassigung" der AussenBesitzungen machte, welch letzere, durch ihre geringe Bevölkerung und den grossen Abstand von den Verwaltungscentren, keine Beitrage für den Staatssackel in Aussicht steilten. Sumatra — so behauptete man — kann mit der Zeit ein zweites Java werden! Diese Prophezeiung ist schon zum Teil eingetroffen, wenn auch in anderm Sinne, als man sich vorgestellt hatte. Zur genannten Zeit — um 1820 herum — bestand die niederlandische Oberhoheit in ganz Sumatra so ungefahr nur dem Namen nach : ein paar Niederlassungen von einiger Bedeutung an der Küste (Padang an der West-, Palembang an der Ostküste), dann noch einige Posten langs des Strandes nördlich von Padang — sonst nichts! Die Binnenlander waren völlig unbekannt. Wie hat sich doch auf der grossen Insel, innerhalb eines Jahrhunderts, Alles verandert! Nicht zum wenigsten zu Gunsten der Bevölkerung, die ehedem stets unter einander in Fehde lebte oder das Schlachtopfer habsüchtiger Hauptïinge war, die an den Küsten Seeraub und, im Innern des Landes, selbst Kannibalismus betrieben. Es bestand nur das Recht des Starkeren, das die Entwicklung und Wohlfahrt des Landes unmöglich machte. Als der Missionar Dr. Joh. Warneck in der „Allgemeinen Missionszeitschrift" vom Jahre 1894 von seiner Arbeit unter den Bataks erzahlte, erinnerte er mit Recht an Schillers Worte : „...Geendet nach langem, verderblichem Streit War die kaiserlose, die schreckliche Zeit, Und ein Richter war wieder auf Erden ; Nicht blind mehr waltet der eiserne Speer, Nicht fürchtet der Schwache, der Friedliche mehr Des Machtigen Beute zu werden." Diese Zeilen des berühmten Dichters geben, nach unserer Meinung, genau an, welches Ziel, unter der Leitung der niederlandischen Oberherrschaft, auf Sumatra und auch schon auf andern Aussenbesitzungen erreicht worden ist Um davon die Beweise zu liefern, ist mehr Raum nötig, als wir hier zur Verfügung haben. Wir wollen also nur die Hauptpunkte zusammenfassen. Im gegenwartigen Gouvernement von Sumatra's Westküste wütete lange Zeit ein Krieg unter den Eingebornen, welchen die Indische Regierung im Jahre 1819, durch Intervention zu beenden suchte, ohne die grossen Schwierigkeiten zu ahnen, die sie zu überwinden haben würde und ohne an die weittragenden Folgen ihres Auftretens zu denken. Erst im Jahre 1838 gelang es, den Widerstand völlig zu brechen, aber nach dieser Zeit war die Ruhe gesichert. In spateren Jahren wurden, manchmal durch militarische Operationen, dann und wann auf Ersuchen der Bevölkerung selbst, die angrenzenden Landstriche unter hollandische Verwaltung gebracht. In der Residenz Tapanuli, wozu auch die Insel Nias gehort, hat die Rheinische Mission sehr viel Gutes gestiftet, nicht allein in dogmatischer oder humanitarer sondern auch in politischer Hinsicht. Wenn auch die Anwendung von Waffengewalt nicht immer vermieden werden konnte, so brachte der gleiche Gottesdienst die Eingebornen den Niederlandern allmahlich doch naher; namenthch nach dem Jahre 1877 wurden, anhaltend, Bataksche Landschaften, auf eigenes Ersuchen, der Hollandischen Verwaltung angegliedert. Bengkulen ging, kraft des Londoner Tractats vom Jahre 1824, aus den englischen Handen in die der Hollander über. Noch lange blieb es ein vernachlassigtes Gebiet, aber als im Zeitabschnitt 1866—68 die angrenzenden Pasumahlander unterworfen worden waren und von dort aus keine Mord- und Raubzüge in das Gebiet von Bengkulen mehr unternommen werden konnten, gelangte das Land zu Ruhe und Wohlfahrt. Die Lampongschen Districte blieben bis zum Jahre 1856 der Schaupiatz inlandischer Misswirtschaft, welcher eine Strafexpedition mit einem Schlage ein Ende machte. Danach erfreute sich dieser Bezirk dauernder Ruhe und zunehmender Entwicklung. In Palembang führte die verraterische Haltung der eingebornen Fürsten zum Ausbruch der Kriege in den Jahren 1819 und 1821. welche mit dem Fall des Sultanats im Jahre 1825 ihren Abschluss fanden. Die Binnenlande blieben noch langere Zeit ihrem Loos überlassen, aber nach dem Jahre 1850 trat ein Umschwung der Verhaltnisse ein. Ueberall wurde die Niederlandische Verwaltung eingesetzt und Land und Volk genossen die Segnungen derselben. Ganz Palembang ist jetzt ein friedlicher wohlhabender Bezirk mit einer zufriedenen Bevölkerung. Das, nördlich davon gelegene Reich Djambi ist langere Zeit unter inlandischer Verwaltung geblieben und hat all die elenden Folgen einer solchen erduldet. Erst im Verlaufe der letzten zehn Jahre wurde den corrupten Zustanden, durch tatkraftiges Auftreten, für immer ein Ende gemacht. Eine eigentümliche Erscheinung dabei ist, dass der eigentliche Streit nicht mit der Bevölkerung, sondern mit den zahlreichen Fürstensprossen und ihrem Anhang geführt wird, die, mit Recht, ihre Macht über die Bevölkerung bedroht sehen. In Djambi ist die niederlandische Herrschaft jetzt auf solider Basis gegründet und geht das Reich dadurch einer aussichtsreichen Zukunft entgegen. Nördlich von Djambi erstreckt sich die, zur Residenz Riouw gehorige, Landschaft Indragiri, über welche zwar ein eingeborner Fürst die Herrschaft ausübt, wo sich aber, durch politische Klugheit, der europaische Einfluss zusehends ausbreitet. Die gegenwartige Residenz „Sumatra's Ostkiiste" war bis zum Jahre 1858 tatsachlich völlig unabhangig. Zu jener Zeit wurde, infolge fortwahrender Reibungen zwischen den eingebornen Fürsten, die niederlandische Verwaltung zu Hülfe gerufen; welche folgereichen Dienste diese den Fürsten geleistet, davon zeugen die blühenden Sultanate Deli, Langkat und Serdang. Die kleinen Staaten an der Ostküste waren, in früheren Jahren, durch Seeraub und Sclavenhandel zur Blüte gelangt. Nachdem diesem unerbraglichen Zustand ein Ende gemacht worden war, verarmten die Staaten, jedoch dem Auftreten der Niederlander, nach dem Jahre 1858, verdankten sie ihr Wiederaufblühen. Der letzte, noch nicht besprochene Landstrich auf Sumatra ist Atjeh, das richtige Sorgenkind der Niederlander. Dieses Reich war bis zum Jahre 1874 völlig unabhangig. Niederland musste, um seiner Verpflichtung, der Seefahrt in den Gewassern von Nord-Sumatra die nötige Sicherheit zu bieten, nachkommen zu können, sich in d:e Angelegenheiten des Sultanats Atjeh mischen. Die Folgen davon waren fein eingefadelte Intriguen und hartnackiger Widerstand von atjinesischer Seite, wodurch im Jahre 1873 die Kriegserklarung unvermeidlich wurde. Da die Indische Regierung wohl geneigt war, die Feindseligkeiten beizulegen, 90 liess sie sich wiederholt dazu bestimmen, die kriegerischen Operationen einzustellen und — wie sie zu sagen pflegte — „in Erwartung der Dinge zu verharren". Sie trug sich mit der eitlen Hoffnung, die Bevölkerung würde sich, sobald sie zur Besinnung gekommen, unterwerfen; diese aber schöpfte aus der Schwache des Siegers stets frische Kraft zu neuem Streit. Die „Verharrung" wurde, wahrend der Jahre 1884 bis 1896 selbst zum System erhoben, wobei das erkampfte Uebergewicht so ziemlich wieder verloren ging. Der Verrat eines inlandischen Bundesgenossen zwang endlich, 1896, die Niederlander, den einzigen Weg, der zum Ziele : den Feind zur Unterwerfung zu zwingen, führen konnte, einzuschlagen, namlich den Kampf mit Kraft fortzusetzen und ïhn nicht eher aufzugeben, bis der Gegner machtlos war. Mit dieser Methode erzielte man wirklich auch glanzende Resultate, sah sich aber gezwungen, den Feind, der sich in's Binnenland zurückzog, dort zu verfolgen. Solchermaassen nahm der Kriegsschauplatz immer grössere Abmessungen an. Wahrend man früher, im Gesprach über den Atjehkrieg, nur Gross-Atjeh und die Küstenlander im Auge hatte, ist jetzt ganz Nord-Sumatra in den Operationskreis gezogen worden. In Wirklichkeit haben die Niederlander, dank namenthch dem zielbewussten Auftreten des Generals van Heutsz (1898—1904) überall Fus gefasst, wenn auch nicht allerorts durch die ganze Bevölkerung ihre Autoritat anerkannt wird und da und dort es noch zu örtlichen Erhebungen kommt. * Aus obenstehender bündiger Uebersicht geht deutlich hervor, dass im Laufe von 90 Jahren ganz Sumatra unter die Herrschaft der Niederlander gebracht wurde. Gar Manches hessen wir unbesprochen, so die Begründung der niederl. Herrschaft in zahlreichen kleinen, früher unabhangigen Staaten in Central-Sumatra, die haufig schlechtem Gesindel aus den Regierungslandern zu Schlupfwinkeln dienten und dadurch fortwahrend die Ruhe an den Grenzen bedrohten. Aber es ist ganz unmöglich die Geschichte Sumatra's im XIX. Jahrhundert hier zu behandeln. Fragt man uns, wie die Niederlandische Verwaltung auf Sumatra organisiert ist, dann muss die Antwort lauten : beinahe in jedem Landstrich verschieden. Auf Sumatra's Westküste, wo keine energisch eingreifende in'andische Centralverwaltung bestand, wo gleichsam jedes Dorf eine kleine Republik bildete, wurden anfanglich Regenten angestellt; sie vermochten sich jedoch, teils infolge ihrer Treulosigkeit, teils durch Intriguen von Gegnern, in ihrer Stellung nicht zu behaupten. Regenten sind jetzt nur noch in Padang und Indrapura im Amt, im Uebrigen sind nur inlandische Districts-, Unterdistricts- und Dorfhauptlinge, unter directer Leitung europaischer Beamter, angestellt. Die Districts- und Unterdistrictshauptlinge werden durch die Regierung besoldet. In der Residenz Tapanuli besteht eine ahnliche Organisation, die sich jedoch, unseres Erachtens, mehr an den inlandischen Haushalt anschliesst. Abgesehen von nötigen Ausnahmen örtlicher Art, findet man hier nur, unter Leitung europaischer Beamten stenende, besoldete Districts-(Kuria)Hauptlinge; die, ihnen untergebenen, durch die Bevölkerung gewahlten Landes(Negeri)-Hauptlinge empfangen keine Besoldung. In der Residenz Bengkoelen werden auch die Districtshauptlinge nicht besoldet; wohl ist dies mit einigen Controlle-Mantris der Fall. Die Leitung der Districte, in welche die Lampongs verfeilt sind, haben besoldete „Demangs" in Handen ; die niedrigeren, durch die Dorfbevölkerung gewahlten, Hauptlinge werden hier, gleichwie in den früher genannten Provinzen, durch die Residenten „anerkannt". In Palembang steht die Bevölkerung, mehr wie anderswo, unter der directen Verwaltung der europaischen Beamten. Schon im Jahre 1874 wurden die „Divisions-Hauptlinge", als unnötiges Zwischenglied, abgeschafft und seit dieser Zeit sind nur, durch die Bevölkerung gewahlte, unbesoldete Hauptlinge (pasirah's) über die Districts-marga's und Dorfshauptlinge gesetzt. Den europaischen Beamten sind jedoch eingeborne Demangs beigegeben. Dieselbe Organisation trat, 1906, als Djambi von Palembang getrennt wurde, auch dort in Kraft. An der Ostküste von Sumatra blieb die Eingebornen-Verwaltung, unter Aufsicht europaischer Beamten, grösstenteils in den Handen verschiedener Lehensfürsten ; ferner ist dort eine Anzahl, durch die Regierung besoldeter, Hauptlinge in verschiedenen Rangen über die zahlreichen Chinesen eingesetzt. In Atjeh ging man stets von dem Grundsatz ausB die eingebornen Verwaltungsorgane zu handhaben. Deshalb hat man den Hauptlingen der verschiedenen Landschaften (Sagi-Hauntlingen in GrossAtjeh, Uleëbalangs und Mukim-Haupflingen in den übrigen Landstrichen, Districtshauptlingen in der Abteilung Singkel) Gehalter im Gesammtbetrag von beinahe 60.000 Gulden im Jahr zugelegt; ihnen wird, unter europaischer Aufsicht, die Verwaltung überlassen. Die Erfahrung muss noch lehren, ob diese rationelle Maassregel für die Dauer sich als praktisch erweist. Alles hangt davon ab, ob die Hauptlinge geneigt sind, mehr und mehr mit der europaischen Verwaltung zusammenzuarbeiten. * * * lm Osten von Sumatra findet man eine Anzahl Insein : südlich von Singapore den Riouw-Archipel, weiter südwarts, ausser vieken kleineren, Bangka und Billiton. Im Riouw-Archipel herrscht ein Sultan als Lehensfürst, dem die Verwaltung der eingebornen Bevölkerung beinahe völlig in die Hande gegeben ist; sicherlich nicht zu deren Vorteil, da, der Erklarung des Residenten a. D. und spateren Professors van Hasselt zufolge, von einer wirklichen Verwaltung, von Fürsorge für die Zunahme der Wohlfahrt, für Anlage und Unterhaltung der Wege und Brücken gar keine Rede ist. Die hier angestellten europaischen Beamten haben für die Ausübung der Gerichtsbarkeit, die Steuererhebung von den Chinesen, die Sicherheit zur See u. s. w. zu sorgen. Die Insel Bangka gehorte bis zum Jahre 1812 dem Sultan von Palembang, der sie damals den Englandern abtreten musste. Nach der Neubegründung der niederlandischen Oberherrschaft, im Jahre 1816, wurden die Niederlander wieder Herren und Meister von Bangka, aber in den ersten Jahren machte sich die feindselige Gesinming des Sultans ernstlich fühlbar. Spater, als die Palembangschen Sultane vom Schauplatz verschwunden waren, wich diese Gefahr und hatte man nur einige Make den Widerstand der zahlreichen chinesischen Grubenarbeiter zu brechen. Das Interesse an Bangka wurde bekanntlich in Hauptsache durch die reichen, von der Indischen Regierung in Betrieb genommenen Zinngruben erweckt. Die ganze Verwaltung ist darauf zugeschnitten, sodass der Resident selbst, „der Leiter der Zinngewinnung" ist. Andere europaische Verwaltungsbeamte giebt es dort nicht; nur die Grubeningenieure treten einigermaassen an ihre Stelle. Ueber die eingeborne Bevölkerung wachen, durch die Regierung besoldete, Districts-, Unterdistricts- und Kampong-(= Dorfs-)Haupthnge. Die Chinesen stellen, in Verband mit ihrer Organisation in Kongsi's (Gesellschaften) zum Betrieb der Gruben, ihre eigenen Hauptlinge an. Billiton war, bis zum Jahre 1851, ein richtiges Seeraubernest. Durch den Staat wurde das Recht zum Betrieb der Zinngruben, gegen Ablieferung eines Teiles des Ertragnisses, darauf einigen Sachverstandigen überlassen. Nach einigen Jahren voll Mühe und Arbeit, gelangte diese Unternehmung zu hoher Blüte, was dem Lande und der Bevölkerung sehr zu gute kam. Hier bekümmert sich der europaische Oberbeamte, der Assistent-Resident, nicht um die Zinngewinnung, sondern wirkt aüein im Interesse der Bevölkerung, die besoldeten Districtshauptlingen untergeben ist. * * # Der niederlandische Teil von Borneo hat eine Oberflache von ungefahr zehntausend geographischen Meilen und ist in zwei Verwaltungsbezirke: Die West-Abteilung und die Süd- und Ost-Abteilung verteilt. In ersterer steht die geringe Eingebornen-Bevölkerung unter der directen Verwaltung europaischer Beamten ; im Uebrigen sind die Landerstriche achtzehn eingebornen Fürsten, über welche europaische Beamte die nötige Aufsicht führen, zum Gehorsam verpflichtet. Die niederlandische Verwaltung hat, im Laufe des 19. Jahrhunderts, wiederholt mit den Chinesen» die in den Goldgruben arbeiten und sich so ziemlich für unabhangig halten, Streit führen müssen Die Süd-Abteilung wurde, nach dem Aufruhr im Jahre 1859, unter directe Verwaltung gebracht. Die Sultans-Partei entwich nach dem Inland und bereitete der Regierung noch haufig Schwierigkeiten. Erst vor ein paar Jahren wurde durch das energische Auftreten der Truppen dem Unwesen ein Ende gemacht. Die niederlandische Verwaltung verfügt hier über besoldete Districtsund Unterdistrictshauptlinge. Eine Ausnahme in dieser Beziehung macht die, an die Westabteilung grenzende, Landschaft, Kotawaringin, deren Fürst lehenpfiichtig ist. An der Ostküste findet man einige EingebornenReiche, wovon Kutei das bedeutendste; hier stehen der in'andischen Verwaltung drei europaische Beamte zur Seite. Mit den, weiter landeinwarts gelegenen, Landerstrichen, die im Allgemeinen (gleich der ganzen Insel) dünn bevölkert sind, hat die niederlandische Regierung. erst in den letzten Jahren mehr Fühlung gewonnen ; namenthch durch die Reisen des gegenwartigen Professors Dr. A. W. Nieuwenhuis wurden mit der Dajakschen Bevölkerung freundschaftliche Beziehungen angeknüpft. Man darf ruhig annehmen, dass Borneo ein Land der Zukunft ist; der Boden ist fruchtbar und reich an Mineralien. Aber, wenn man von einigen, verhaltnissmassig kleinen Landesteilen absieht, kann man mit gleicher Sicherheit annehmen, dass nur von sehr langsamer Entwicklung und Fortschritt die Rede sein kann. '* * Ganz anders liegen die Verhaltnisse auf C e 1 e b e s. Dort finden wir zuerst, auf der nördlichen Landzunge, die Residenz Menado, wo, dank der segensreichen Arbeit der niederlandischen Missionsgesellschaft, ein grosser Teil der Bevölkerung zum Christentum bekehrt worden ist. Hier herrschen Entwicklung und Wohlfahrt, wenn auch Verwaltung und Unterricht grosse Ausgaben erfordern, die durch die Einkünfte vermutlich noch nicht ganz gedeckt werden. Die Eingebornen-Verwaltung besteht aus ungefahr 60 besoldeten Districtshauptlingen ersten und zweiten Ranges, die durch europaische Beamten, unter der allgemeinen Leitung des Residenten, controllirt werden. In Süd-Celebes entwickelt sich ein völlig neuer Zustand. Seit dem Jahre 1667 besitzen die Niederlander eine Handels-Niederlassung in Macassar. Allmahlich brachten sie das Küstengebiet, in der Nahe dieser Niederlassung, und ein verhaltnissmassig kleines Gebiet mehr landeinwarts, unter ihre Botmassigkeit, aber in Hauptsache war, bis vor kurzer Zeit, ihre Macht noch sehr eingeschrankt. Es bestanden zwischen ihnen und verbündeten und horigen Fürsten, auf Papier, schone Contracte, aber diese Potentatchen kamen ihren contractlichen Verpflichtungen nur insoweit nach, als es ihnen beüebte. Manchmal widersetzten sie sich sogar tatlich, aber dann wurden sie durch militarische Maasregeln zur Vernunft gebracht. Lange machte sich jedoch die Wirkung davon nicht geltend, denn sobald der Waffenehre Genüge geleistet war, schnitt man wieder das, von jeher gebrauchliche gleichgültige Gesicht. Die natürliche Folge davon war eine Wiederholung der Vorkommnisse. Glücklicherweise hat die Indische Regierung, infolge der insolenten Haltung der verschiedenen Fürsten, welche umso übermütiger wurden, je langer die Bestraf ung auf sich warten liess, in den letzten Jahren ihre schwache Haltung aufgegeben. Die indischen Truppen rückten siegreich vor und bei der Verfolgung der, über die Grenzen ihres Gebietes geflüchteten Fürsten, traten solch' unhaltbare Zustande, betreffs des Sclavenhandels und anderen Elends, zu tage, dass die Regierung es für notwendig erachtete, auch die, nordwarts gelegenen, Landstriche und Central-Celebes der hollandischen Einfluss-Sphare einzuverleiben. Allem Anschein nach ist dieses Ziel erreicht. Je nachdem die Zustande es erfordern, wird in den verschiedenen Landschaften eine mehr oder weniger directe Verwaltung organisiert werden. So dürfte die, auf allen Seiten durch Regierungsgebiet umgebene, Landschaft Gowa diesem einverleibt werden und wird man, wenigstens vorlaufig, in Boni, den Eingebörnen-Reichsrat (Hadat), unter dem Vorsitz eines europaischen Beamten handhaben, der also, in Wirklichkeit, die Stellung des früheren Fürsten einnimmt. - In andern Landerstrichen wird man die inlandische Fürstenregierung bestandigen,. allerdings unter entsprechender europaischer Aufsicht. Auch auf den beiden östlichen Landzungen von Celebes wird, gleichwie auf der Insel Buton, auf friedhehem Wege, unter Leitung europaischer Beamte, ein besserer Zustand in's Leben gerufen. Es ware zwecklos, wollten wir uns mit der Verwaltungsorganisation in Süd- und Ost-Celebes noch eingehender beschaftigen; diese tragt ja doch nur einen vorlaufigen Character. Indessen kann man mit Recht erwarten, dass, nachdem diesem Zustande langjahriger Vernachlassigung von Süd-, Mittel- und Ost-Celebes ein Ende gemacht worden ist, diese, zum grossen Teil noch unbekannten, Landerstriche, unter niederlandischem Einfluss, einer segensreichen Entwicklung entgegen gehen werden. So ungefahr das Gleiche kann von den zahlreichen Molukkischen Insein, die zur Residenz Amboina und Ternate gehören, behauptet werden. Die grössten dieser Insein sind Ceram und Halmaheira; auf beiden hat in den letzten Jahren der niederlandische Einfluss bedeutend zugenommen. Auf Ceram bestanden früher nur drei bis vier Niederlassungen langs der Küste, jetzt aber ist die ganze Insel der niederlandischen Verwaltung unterstellt. Auf Halmaheira haben sich, dank vor Allem der Arbeit der niederlandischen Mission, die Verhaltnisse recht gunstig gestaltet. Auch Neu-Guinea, das bis ungefahr zum 145. Langegrad (Meridian von Greenwich) der hollandischen Machtsphare angehört, ist seit einigen Jahren in den Interessenkreis der Indischen Verwaltung gezogen worden. Diese hatte schon im Jahre 1828 einige Jahre hindurch versucht, dort eine Niederlassung zu gründen; das ungesunde Klima machte jedoch einen dauernden Aufenthalt an der Küste unmöglich und so wurde denn die niederlandische Souveranitat, Jahrzehnte hindurch, allein durch Flottendemonstrationen an den Küsten aufrecht erhalten. Dieser Zustand wurde allmahlich unhaltbar, als die Englander und Deutschen sich im angrenzenden, östlichen Teil der Insel niederliessen und die Niederlander, solcherweise, moralisch gezwungen wurden, auch hier energischer aufzutreten. Es sind nun im Norden, Westen und Süden drei Niederlassungen gegründet, deren jede durch einen Assistent-Residenten verwaltet wird. In Süd-Neuguinea, in Merauke, liegt eine Garnison. Von diesen Niederlassungen aus wird mit der Bevölkerung Fühlung gewonnen ; es werden Forschungsreisen unternommen und auf solche Weise werden dem europaischen Einfluss die Wege geebnet. Die Bevölkerung steht auf einer noch viel zu tiefen Culturstufe, als dass man die Einsetzung einer Eingebornen-Verwaltung auch nur in Beratung nehmen könnte. Der Timor-Archipel, der u. a. den niederlandischen Teil der Insel Timor und die Insein Sumba und Flores umfasst, ist von der Indischen Regierung langere Zeit recht stiefmütterlich behandelt worden. Wenn irgendwo, so wurde hier die „Politik der Enthaltung" oder besser gesagt „der Vernachlassigung", sowohl zum grossen Nachteil der Eingebornen, als zu dem des niederlandischen Ansehens, bis zum Aeussersten durchgesetzt. Glücklicherweise hat man vor einiger Zeit eingesehen, dass der Souveran durch eine solche Richtschnur nicht verantwortet ist und wurden, mit verhaltnissmassig geringer militarischer Unterstüizung, nicht zu unterschatzende Verbesserungen zu stande gebracht. Die zahllosen eingebornen Potentatchen wissen nunmehr, dass sie zu gehorchen haben und dass ihnen nichts mehr durch die Finger gesehen wird. * * * Zum Schluss müssen wir uns noch kurz mit den Residenzen B a 1 i und Lombok beschaftigen, wo die Niederlandische Regierung, entgegen ihrem Wunsch, durch die Umstande gezwungen wurde, die Verwaltung in die Hande zu nehmen. Die militarische Straf-Expedition im Jahre 1849, welche durch die herausfordernde Haltung einiger balinesischer Fürsten nötig geworden war, endete mit.... Contracten, die grade so viel Wert hatten wie das Papier, auf dem sie geschrieben waren. Diesen Wischen zufolge war jede Einmisehung der Niederlander in balinesische Zustande so gut wie ausgeschlossen ; sie schienen allein der Absicht entsprungen zu sein, die Rechte der Niederlander auf Bali, gegenüber auswartigen Machten kennbar zu machen. Man hatte dadurch nicht einmal die Gewissheit erlangt, dass in absehbarer Zeit kein neuer Feldzug mehr von noten werden würde. Dieser Zustand erfuhr schon nach wenigen Jahren eine Aenderung, als der, durch die Niederlander eingesetzte Fürst einer der Landschaften, sein Prestige nicht mehr zu handhaben vermochte und auf seine Stellung verzichtete. Darauf wurden inlandische Beamte angestellt, die sich aber solche Verstösse gegen ihre Pflicht zu schulden kommen Hessen, dass sie, dem Wunsche der Bevölkerung gemass, ihres Amtes enthoben wurden. Nunmehr ging man zur Einsetzung einer Eingebornen-Verwaltung, unter europaischer Aufsicht, über, worauf, 1882, Nord-Bali unter directe Verwaltung kam ; d. h.: europaische Beamte, denen besoldete inlandische Districtshauptlinge untergeben waren, übernahmen die Verwaltung. Im Jahre 1894 führte die herausfordernde Haltung des Sultans von Lombok, der sich sogar weigerte, einen Brief des Generalgouverneurs in Empfang zu nehmen, zur Straf-Expedition nach diesem Reiche, die damit endete, dass auf Lombok dasselbe Verwaltungssystem wie auf Nord-Bali zur Einführung gelangte und Karang-Asem, ein, auf Bali gelegenes Lehen des Sultans von Lombok, den Niederlanden zufiel. Dort wurde der status quo gehanclhabt und der frühere Lehensmann als Statthalter der Niederl. Regierung eingesetzt. Diese Verwaltungsform, welche zur Folge hatte, dass die angrenzenden Staaten Karang-Asem unbehelligt lassen mussten, wollten sie nicht mit der Niederl. Regierung in Konflikt kommen, erwies sich für die Bevölkerung als sehr erspriesslich und fand, auf Ersuchen des Fürsten und der Hauptlinge von Gianjar, einige Jahre spater in diesem Landchen Nachfolge. Gianjar, bis dahin der Zankapfel zwischen der umliegenden Bevölkerung, genoss danach dauernden Frieden. Die übrigen, auf Bali residirenden, Fürsten jedoch schienen mit der veranderten Lage, welche den hollandischen Einfluss kraftigte, durchaus nicht zufrieden zu sein. Die Fürsten von Badung und Tabanan empörten sich und fanden Parteiganger. Die Folge davon war die Straf-Expedition im Jahre 1906, wobei die Fürstenhauser der beiden erstgenannten Kleinstaaten zu Grunde gingen, sodass auch hier die directe Verwaltung eingeführt wurde, wahrend die beiden anderen sich strengerer Aufsicht fügen mussten. Klungkung, die bedeutendste dieser beiden Landschaften, gab sich damit nicht zufrieden und empörte sich, vor einigen Monaten, von neuem. Die Folge davon war, dass auch dieses Fürstenhaus der hollandischen Verwaltung weichen musste. Es besteht jetzt nur noch eine Landschaft: Bangli, die auf eine sehr eingeschrankte Unabhangigkeit pochen kann ; aber wer den Lauf der Geschichte kennt, vermag auch mit Sicherheit zu prophezeien, dass dieses Verhaltniss nicht mehr lange dauern kann ; um so mehr, als im Verlaufe der verschiedenen militarischen Strafzüge überzeugend nachgewiesen werden konnte, dass die Bevölkerung überall der Fürstenverwaltung überdrüssig ist und die hollandische Suprematie als Retter aus einer unertraglichen Unterjochung und nicht als feindselige Tat betrachtet. Ueberhaupt haben die Niederlander nirgendwo im ganzen Indischen Archipel so viel Entgegenkommen gefunden, als gerade auf Bali und Lombok, unzweifelhaft eine Folge der vernünftigen Art und Weise, in welcher zuerst auf NordBali und dann auf Lombok die Verwaltungsbeamten auftraten. Verstenende, begreiflicherweise, unvollstandige und oberflachliche Uebersicht dürfte unsern Lesern doch wohl die Ueberzeugung schenken, dass von dem Augenblick an (1816), da die Niederlandische Flagge im Indischen Archipel aufgepflanzt wurde, viel geschehen ist, um die hollandische Herrschaft auf der ausgebreiteten Inselreihe auszudehnen und zu befestigen. Haufig mit Zagen, dann aus, durchaus nicht immer motivirten, Sparsamkeitsgründen, schliesslich aber vorwarts gedrangt durch die Umstande, welche eine Einmischung gebieterisch erheischten, endete das Vorgehen mit der Erfu.lung der Pflichten, welche jeder Kolonialmacht auferlegt sind. Mit einer kleinen Armee, die im Jahre 1872 nicht mehr als 24.000 Mann zahlte — wovon mehr als die Halfte Eingeborne — die nach dem Atjehkrieg vergrössert wurde und augenblicklich aus nur 35.000 Mann, wovon 11.000 Europaer, besteht,, wurde Grosses vollbracht. Vollauf hat sich bewahrheitet, was der frühere Kolonialminister E. de Wael, schon vor 25 Jahren schrieb : „Wirklich, die neuere Geschichte von Niederl. Indien, besonders die Uebersicht der letzten Taten, ist ein Heldengedicht; in der Verwaltung so vieler Millionen Seelen, verbreitet über unermessliche Gebiete, durch eine Handvoll Angehöriger eines kleinen Volkes — in dem erhalten, befestigen, ausbreiten einer solchen Herrschaft, durch Niederland, liegt ein unsagbarer Reiz." —■ Die JViederlandiscbe Industrie Von Dr. jur. F). Srmssacrt. 90© E li IN eigentümhcher Characterzug der Niederlander eist, dass viele von ihnen für Alles, was aus der Fremde kommt, grosse Bewunderung hegen, dagegen auf die Producte des eigenen Landes mit Geringschatzung niedersehen. Haufig hört man aus dem Munde von Niederlandern, die I" ■ eine internationale Ausstellung im Ausland be- f^f») sucht, die niederlandische Abteilung habe im Grossen und Ganzen aus einer ansehnlichen VerF B sammlung von Schnapskrügen, ferner aus Cacao und Chocolade, Gouda'schen Tonpfeifen und Kerzen bestanden. Wenn nun auch in dieser Oualification niederl. Auslagen auf auswartigen Ausstellungen ein Körnchen Wahrheit liegt, namenthch wenn man einzelne Falie in früheren Jahren in Betracht zieht, so muss doch gegen das grosse Unrecht protestiert werden, das in dem Vorwurf liegt, die niederlandische Industrie beschranke sich in Hauptsache nur auf die Production von einigen Genussmitteln. Die Bedeutung der niederlandischen Industrie steht eben nur wenigen Niederlandern deutlich vor Augen. Zugegeben muss werden, dass unser Land durch die Natur nicht als Industriestaat ausersehen worden ist. Die natürliche Bodenbeschaffenheit wies in erster Linie die Landwirtschaft als einen der hervorragendsten Factoren für unsere Volkswohlfahrt an, wahrend die Lage an der Westküste Europa's, als Stromgebiet dominierender europaischer Verkehrswege zu Wasser, unser Land zugleich für den Handel pradestinierte. Im Vergleich mit andern Landern — wir wollen nur Deutschland und Belgien nennen — besitzt Niederland weder geologische noch oekonomische Vorteile, welche die Industrie zu grosser Entwickelung bringen konnten. Wir finden hier so gut wie keine unentbehrliohen Grundstoffe für unser Fabrikswesen : wenig Holz, bis jetzt beinahe keine Steinkohle, keine Metalle, ja selbst nicht einmal genügend Getreide und befinden uns also diesbezüglich, den concurrierenden lndustrien anderer Lander gegenüber, in gedrückter Lage. Dazu kommt noch, dass beinahe alle concurrierenden europaischen Lander, mit alleiniger Ausnahme von England, ihr Gebiet mit hohen Zollgrenzen umgeben haben und dadurch den Absatz unserer Industrieproducte im Ausland erschweren. Trotz dieser weniger günstigen Umstande zweierlei Art, vermochte sich die niederlandische Fabriks-Industrie doch, in mehr als einer Hinsicht, zu einem wirklich merkwürdigen Höhepunkt empor zu arbeiten. Hierauf das richtige Licht fallen zu lassen, ist der Zweck der nachfolgenden Ausführungen, wobei jedoch in Betracht gezogen werden muss, dass der grosse Umfang des zu besprechenden Stoffes und der beschrankte Raum, notwendigerweise, zur Gedrungenheit zwingen und nur eine Schilderung der hauptsachïichsten Industriezweige gestatten. Die Entwickelung der niederlandischen Fabriks-Industrie hangt zum Teil mit den ethnographischen Hauptelementen zusammen, aus welchen das Niederlandische Volk von altersher besteht. Im Allgemeinen kann man behaupten, dass die Friesen im Norden und Westen, die Sachsen im Osten und die Franken im Süden unseres Landes sich niedergelassen haben. Die characteristischen Eigenschaften dieser Stamme spiegelten sich ab und hatten Einfluss auf die Weise, in welcher die Bewohner für ihren Lebensunterhalt sorgten. Die kluge und lebhafte friesische Rasse zeigte Lust und Anlage für exacte Wissenschaften, jedoch wenig Interesse an Industrie, Handwerk oder Fabrikarbeit; sie zog Landwirtschaft, Viehzucht, Schiffahrt, Handel und Fischerei vor. Die Sachsen sind von Haus aus keine Seeleute und Fischer und treiben wenig Handel; die Beschaffenheit des Bodens, den sie besiedelt, verwies sie auf Landwirtschaft und Viehzucht, aber doch verlegten sie sich auch auf allerhand Industriezweige. Das altertümliche Spinnrad und der Webstuhl in den sachsischen Bauernwohnungen waren der Ursprung der grossen Twente'schen TextilIndustrie. Die Franken, welche von den Friesen und Sachsen mehr abweichen, als diese unter einander, verlegen sich mehr auf Landwirtschaft als auf Viehzucht, bevorzugen aber Handwerk und fabriksmassige Arbeit, worin sie den Sachsen ebenbürtig sind und die Friesen übertreffen. Natürlich wurden diese ursprünglichen Unterschiede, namenthch in spaterer Zeit, durch die nivellierende Wirkung des modernen Verkehrs, zum grossen Teil verwischt, aber in Hauptsache haben sie bei der Entwickelung unserer Industrie doch eine bedeutende Rolle gespielt. Dasselbe gilt, in durchaus nicht geringerem Maasse, von der geologischen Beschaffenheit des Bodens und von andern natürlichen Emwirkungen, welche die Wahl der Bewohner mit Bezug auf ihrem Unterhalt, beeinflussen. In Groningen entstand in den Fehn-Kolonien, woselbst der urbargemachte Boden sich für den Kartoffelbau als vorzüglich geeignet erwies, eine kraftig emporstrebende Industrie, welche sich auf die Bereitung von Kartoffelmehl und Syrup verlegte ; daran sch'oss sich die Fabrikition von Strohpapier, Spi- ritus, Hefe und Cichorie. Die, vor Allem früher blühende, Schifffahrt führte zur Hebung des Schiffsbaus. Auf den Lehmgründen und langst derselben entstanden zahlreiche Ziegelbrennereien und Kalköfen. Friesland war, durch den fruchtbaren Meeresboden im Westen und Norden, hauptsachlich auf Viehzucht und Milchbereitung angewiesen ; letztere entwickelte sich, durch die Anlage riesiger Butterfabriken, in der Richtung der Fabriks-Industrie. In Drenthe, das, zu mehr als die Halfte, aus Brachland besteht, konnten sich infolge der Armut der Bevölkerung, keine bedeutenden Industriezweige entwickeln. Ganz besondere historische und oekonomische Einflüsse hessen im Hinterland von Overijsel (Twente) eine nicht zu unterschatzende Baumwoll-Industrie erstehen und auch in den grosseren Gemeinden dieser Provinz (Deventer, Zwolle) erstanden bedeutende Fabriken. In Gelderland wurde, am Ostrand der Veluwe, strömendes Wasser gefunden; dort sieht man fabriksmassige Industrie erblühen, wahrend im Uebrigen in dieser Provinz Landwirtschaft, Viehzucht und Obstbau tonangebend sind. In der Provinz Utrecht concentrirt sich die Fabriks-Industrie so ziemlich in der Hauptstadt Utrecht und in Amersfoort. Nord-Holland kann auf die bedeutende Industrie hinweisen, welche, von alters her, in der Zaan-Gegend, die einstens unentbehrlich en und berühmten Windmühlen als Triebkraft benützte. In Amsterdam und Plaarlem blühen auch wichtige Fabriks-Industriezweige. Langs des Rheines, in Südholland, entstanden, wie auch so ziemlich alle andern Flüsse entlang, Ziegel- und Dachpfannenbrennereien und Kalköfen. Im Uebrigen concentrirte sich auch hier die Industrie in den grossen Gemeinden Delft, Leiden, Schiedam, Dordrecht, Gouda. Natürlich gebrach es auch dem handeltreibenden Rotterdam nicht an fabriksmassiger Arbeit. Die Bodenbeschaffenheit der seelandischen Delta-Insein verwies die Bewohner auf den Getreidebau. Industrie entstand hier nur in der Form von Schiffbau am Vlissinger Hafen. Nord-Brabant darf sich, in seiner eigentümlichen Dörferreihe, Langstraat genannt, einer bedeutenden Industrie rühmen: der Lederbearbeitung, welcher Industriezweig gerade hier Boden suchte, weil die Lohgerbereien in den. zhlreiohen Gewassern das benötigte Wasser fanden. Der Ueberfluss an strömendem Wasser führte auch hier und in Limburg zur Errichtung von Brauereien. Die Schafzucht in den weniger fruchtbaren Sandgründen und Brachlandern von Nord-Brabant rief die Wolle-Industrie in's Leben. In Maastricht schliesslich entwickelte sich die Steingut-, Glas-, Papier- und Bierfabrikation. Nun ist im Obenstehenden ja allerdings, in groben Umrissen, eine oberflachliche Skizze einer — wenn man's so nonnen darf •— industriellen Karte von Niederland geliefert, aber jetzt stehen wir vor der schwierigen Aufgabe, dieses Bild etwas mehr verdeutlichen zu müssen ; die statistisehen Angaben, die man dabei benötigt, sind namlich entweder unzuverlassig oder müssen doch wenigstens mit grosser Vorsicht benützt werden. Wenn man bspw. die Bedeutung der drei hauptsachlichsten Factoren der Volkswohlfahrt: Handel, Landwirtschaft und Industrie, nach der Anzahl Personen bemessen wollte, die in jedem dieser Erwerbszweige ihr Brod finden, dann würde sich ergeben, dass von sammtlichen Mannern und Frauen, die einen Beruf ausüben, 34% bei der Industrie, 30% bei der Landwirtschaft und 17% im Handel beschaftigt sind. Daraus könnte man also folgern, dass in Niederland die Industrie bedeutender ist als die Landwirtschaft und nach dieser der Handel einrangiert, wahrend nach unserer Meinung, umgekehrt, der Handel in der Reihe der bedeutsamsten Factoren an der Spitze stehen und diesem die Landwirtschaft folgen muss, wahrend die Industrie an letzter Stelle kommt. Aber auch im Uebrigen ist es durchaus nicht leicht, ein richtiges statistisches Bild der niederlandischen Fabriksindustrie zu entwerfen. Wohl kann die Anzahl der Unternehmungen aus den verschiedenen amtlichen Bescheiden so ungefahr festgestellt werden, aber genaue Angaben fehlen. Auch betreffs der Production der Unternehmungen stehen nur ganz vereinzelte Informationsquellen zu Gebote. Will man sich, an der Hand unserer offiziellen Handelsstatistik, (die Statistik von Ein-, Aus- und Durchfuhr) ein Bild von der Bedeutung unserer Exportindustrie machen, so muss man dabei in Betracht ziehen, dass durch Statistiker, selbst von grossem Rufe, im Ausland, dann und wann der Unzuverlassigkeit dieser Statistik, aus mehr als einem Grunde, nicht Rechnung getragen wurde. Einer der Fehler ist darin zu suchen, dass die durchgeführten Güter nicht als Durchfuhr, sondern als Einfuhr zum Gebrauch und Ausfuhr aus dem freien Verkehr angegeben werden. Man kann ruhig annehmen, dass dieser Fehler unsere Handelsstatistik jahrlich mit hunderten Millionen Gulden falscht. Ein anderer bedeutsamer Fehler dieser Statistik liegt in der völlig veralteten Werteinschatzung derjenigen Waaren, deren Masse nicht nach dem Gewicht, sondern nach dem sogenannten Wert festgestellt wird. Diese officielle Wertbestimmung datirt, unverandert, vom Jahre 1846. Man findet in derselben bspw. stahlene Eisenbahnschienen zu 35 Gulden p. 100 Kgr. veranschlagt, wahrend der wirkliche Preis ungefahr % dieser Einschatzung betragt. Kinarinde ist zu 40 Gulden p. 100 Kgr. notiert, wahrend der wirkhche Wert 1 Gulden oder weniger betragt. Schliesslich kommt noch hinzu, dass, da unsere Ausfuhr frei ist, auf die Richtigkeit der Angaben betreffs dieser Ausfuhr keine Controlle geübt wird. Aus diesen und andern Gründen ist es also sehr gefahrlich, in unserer officiellen Handelsstatistik eine Wertbestimmung des Interesses unserer Export-Industrien suchen zu wollen. Trotzdem bestehen einzelne Industriezweige, deren Bedeutung doch wohl, oder wenigstens einigermaassen, aus den in der Statistik vorkommenden Ziffern abgeleitet werden kann, weil die oben angedeuteten Fehler gerade nicht, oder nicht zu sehr, auf diese Industrien Anwendung fïnden. Aber um im Allgemeinen die Grundzüge des Bildes unserer fabriksmassigen Industrie zeichnen zu können, muss man die hervorragendsten niederlandischen Industriezweige absonderlich prüfen und die Bedeutung eines jeden derselben in's richtige Licht stellen. Dies wollen wir in Nachstehendem so kurz und gut wie möglich versuchen. * * Als die bedeutendsten Industriezweige hier zu Lande müssen diejenigen bezeichnet werden, welche nicht allein die massigen Bedürfnisse des geringen Absatzgebietes innerhalb der engen Landesgrenzen befriedigen, sondern die zudem ihre Producte über die Grenzen führen, und, als Export-Industrien, auch zur Deckung der Bedürfnisse von Abnehmern im Ausland, auf dem Weltmarkt mit gleichartigen Industrien anderer Lander den heftigen Streit des internationalen Wettbewerbes begonnen und in diesem Streit ihre Stellung zu handhaben gewusst haben. Welche niederlandischen Industriezweige, die als Ausfuhr-Industrien und als Teilnehmer an der Weltproduction den Namen von Niederland hoch halten, müssen nun an diese Stelle genannt werden ? So führen wir denn an: die Textil-, Kartof f elmehl-, Rübenzucker-, Margarine-, Kerzen-, Steingutund Kera. mik-, Cacao- u. Chocolade- und Glasindustrie, die Conserven-, Oei- und Papierfabrikation, die Bearbeitung von Tabak und die C i g a r renfabrikation, die Bierbrauerei, Butter- und Kasebereitung, Maschinenfabrikation, Hefeindustrie, Torfstreugewinnung und die Diamantbearbeitung. Aus dieser Aufzahlung ist ersichtlich, dass die Anzahl der Industriezweige, welche sich hier zu Lande zur Exportindustrie zu entwickeln vermocht hat, obwohl Niederland durch die Natur nie und nimmer als Iudustrie-Land ausersehen gewesen, wirklich nicht gering ist und man darf bei der Festellung dieser Tatsache wahrlich nicht darauf vergessen, festzustellen, dass ein grosses Maass von Ausdauer und Energie bei den Mannern nötig war, welche in der vaterlandischen Industrie ihr Arbeitsfeld gesucht und so schone Resultate erzielt haben. Wir wollen nun über jeden dieser Industriezweige einige kurze Angaben machen, damit sich der Leser aus diesen kurzen Umrissen ein Bild des Ganzen zu entwerfen vermöge. Die erste Rubrik umfa.sst die Fabrikation von Steingut und Backsteinen. Grobes Steingut wird schon seit 1836 in Maastricht verfertigt. Auch diese Industrie hat sich auf den Export verlegt und sich zu handhaben verstanden, trotz der starken Concurrenz und obschon sie aus dem Ausland den Grundstoff beziehen muss. Zu dieser Industrie kann man auch die eigenartige P f e i f e n fabrikation in Gouda rechnen, die früher noch weit bedeutender war, als England, Schottland und Amerika noch keine eigenen Pfeifenfabriken besassen. Dass aber diese Industrie noch immer von Bedeutung ist, erhellt aus der Tatsache, dass einer der Gouda'schen Fabrikanten nicht weniger als iooo versohiedene Pfeifenmodelle auf den Markt bringt. Weltbekannt sind die, im Ausland unter dem Namen N e u Delfter Porcellan gangbaren Fabrikate von Firmen wie THooft en Labouchère zu Delft, Rozenburg in 's-Gravenhage und noch vielen anderen. Der officiellen Handelsstatistik zufolge stand, igoö, einer Einfuhr zum Verbrauch in der Höhe von 915.000 Gulden, eine Ausfuhr aus dem freien Verkehr in der Plöhe von 5.701.000 Gulden, an f einem Steingut in allen Sorten, gegenüber. Auch unsere Glasfabriktion empfindet die scharfe Concurrenz, namenthch von deutscher Seite. Trotzdem ist die Ausfuhr von Glaswaaren und Flaschen ganz bedeutend. Wir zahlen hier zu Lande 13 Flaschenfabriken, worunter 9 in Südholland. Einer Einfuhr zum Verbrauch, in der Höhe von 1.814.000 Gulden (1906), stand eine Ausfuhr aus dem freien Verkehr in der Höhe von 7.643.000 Gulden gegenüber. Die Anzahl Ziegelbrennereien im Lande wird auf 200 geschatzt. Im Jahre 1906 betrug die Gesammtproduction von Backsteinen mehr als 717,5 Millionen Stück, wovon 479,5 Millionen Waal- und beinahe 136 Millionen Stück IJsselsteine, welche beiden Sorten als die besten bezeichnet werden. Wir weisen in dieser Rubrik noch auf die Diamantbearbeitungs-Industrie hin, welche ausschliesslich in Amsterdam betrieben wird, wo dieser eigenartige Industriezweig vor Jahrhunderten begründet wurde und sich im Laufe der Zeit machtig entwickelt hat. Auch der Umstand, dass der grosse Cullinan-Diamant, das Geschenk der Transvaaler für König Eduard, in Amsterdam geschhffen wird, beweist, dass Amsterdam seinen Weltruf auf diesem Gebiet zu erhalten verstanden hat. Im Uebrigen ist es schwierig, über den Umfang der Diamant-Industrie genaue Angaben zu erlangen. Einigen Begriff kann man sich jedoch davon machen, wenn man bedenkt, dass am 1. Januar 1907 ungefahr 8000 Personen bei dieser Industrie beschaftigt waren. An zweiter Stelle nennen wir die Papierfabrikation, einen althollandischen Industriezweig, da schon im Jahre 1606 die erste Papiermühle an der Zaan errichtet wurde. Wie typisch hollandisch diese Industrie in Wirklichkeit gewesen ist, erhellt aus der eigentümlichen Tatsache, dass jetzt noch in Deutschland eines der Werkzeuge bei der Papierherstellung „Hollander" genannt wird; es ist dies der Cylinder, in welchem die Lumpen zerrissen werden. Man unterscheidet die Hand- und die maschinale Papierbereitung ; von Eiinrichtungen der ersteren Art existieren in Niederland 14 und von solchen der letzteren 35. Sehr ausgebreitet hat sich in den letzten Jahren die Anfertigung von Strohcarton, wodurch das Stroh für die Landwirtschaft ein, nach Wert geschatztes, Product geworden ist. Diese Industrie wird beinahe ausschliesslich in Groningen und Friesland betrieben; ihre Production ist auf 125.000.000 Kilo, zum Werte von ungefahr 6 Millionen Gulden, eingeschatzt. Der officiellen Handelsstatistik zufolge, waren, 1906, in Niederland für 720.000 Gulden Karton und Kartonpapier zum Verbrauch eingeführt worden, wahrend die Ausfuhr aus dem freien Verkehr einen Wert von beinahe 46,5 Millionen betragen hatte. Wir kommen nun zur Besprechung der Industrie, die unter dem collectiven Namen „Chemische Industrie" zusammengefasst ist; was diese betrifft, kann sich Niederland keinesfalls mit andern Landern messen. Nur die Hefefabrikation liefert einen bedeutenden Ausfuhrartikel. Das Ausfuhrsaldo betrug in den letzten Jahren regelmassig mehr als 5 Millionen Kilo, wovon die bekannte „Nederlandsche Gist- en Spiritusfabriek" in Delft den Löwenanteil beansprucht. Auch die Spirituosen verzeichnen seit vielen Jahrzehnten ein bedeutendes Ausfuhr-Saldo, welches sich, seit 1897, auf durchschnittlich 20 Millionen Liter im Jahr belauft. Die Herstellung von Raps- und Leinöl wurde früher in der Zaangegend durch Windmühlen bewerkstelligt, jetzt aber durch Dampf mit bydrauhschem Druck. Die Anzahl Oelmühlen an der Zaan verringerte sich in 50 Jahren um 50 Stück. Man nimmt an, dass eine grosse Dampf-Oelmühle ebensoviel verarbeitet wie 30 Windmühlen und dass eine solche Dampf-Oelmühle jahrlich 4 Millionen Kilo Leinöl verarbeitet und 8 Millionen Leinkuchen produciert. Diese Industrie hat jedoch in spateren Jahren, durch die auswartige Concurrenz, namenthch von deutscher Seite, viel gelitten und zwar deshalb, weil, durch eine Zollerhöhung deutscherseits, der Export dorthin bedeutende Einbusse erlitt. Es scheint jedoch, dass die Oelschlagerei seit der Zeit andere Absatzgebiete gefunden hat. Einen nicht zu unterschatzenden Platz in der chemischen Industrie nimmt die Stearinekerzenfabrication ein, welche in Schiedam und Gouda blüht. Der Ausfuhrwert wird auf 5 Millionen Gulden geschatzt. Auch die Lederbereitung verdient, als altniederlandischer Industriezweig, genannt zu werden. Früher wurde sie ungefahr in ganz Niederland ausgeübt, aber in spaterer Zeit hat man sie mehr centralisiert. Dies gilt auch von der Schuhfabrication, welche geraume Zeit durch die auswartige Concurrenz zu leiden gehabt hatte, da diese „selbstverfertigten" Producte mehr dem Geschmack entsprachen. Aber allmahlich eroberte das heimische Product den Markt und jetzt treten 20 Fabriken in den Wettbewerb, die nicht allein in der, bereits früher erwahnten, Langstraat dhren Sitz haben, sondern sich hauptsachlich über Nordbrabant verbreiteten. Die Anzahl Arbeiter bei der Schuhindustrie wird auf nicht weniger als 40.000 geschatzt und der Jahresumsatz sammtlicher Fabriken auf + 50.000.000 Gulden. Ein bedeutender Teil der Production findet seinen Weg in's Ausland. Möglicherweise weichen wir von der gezogenen Richtschnur ab, wenn wir einige Mitteilungen über Mineral ien-Gewinnung: Steinkohlen und T o r f in Niederland machen, aber dies ist denn doch verzeihlich. Es ist wohl allgemein bekannt, dass die Köhlengewinnung in Niederland bislang weit weniger bedeutet als in den angrenzenden Landern, aber ihr scheint eine schone Zukunft bevorzustehen. In Limburg sind jetzt 6000 Hectar concessioniert. Zur Staatsdomane gehort die „Domanial-Grube" (600 Hectar), welche an die AachenMaastrichtsche Eisenbahngesellschaft verpachtet ist. Das Bergwerkgesetz vom Jahre 1901 hat dem Staatsbetrieb ein Kohlenfeld in der Grosse von 14.500 Hectar überwiesen; dies ist das ganze, noch verfügbare Feld des Kohlenbeckens im Südosten von Limburg. Den statistisehen Angaben zufolge wurden, 1906, aus der Domanialgrube 224 Millionen Kilo Kohle gefördert und aus den Privatgruben beinahe 340 Millionen Kilo. Der Brutto-Ertrag der verkauften Kohlen betrug für dieses Jahr fl. 2.665.000. Unsere Limburgschen Kohlen werden zumeist nach dem Ausland ausgeführt. In jüngster Zeit wurden auch in Nord-Brabant (De Peel) Steinkohlenlagen, in einer Tiefe von ungefahr 980 Meter unter A. P., gefunden. Die Zukunft muss lehren, ob dieser neue F un d von Gewicht ist. Die Torfindustrie verkehrt in dem merkwürdigen Zustand, dass sie keiner Concurrenz aus dem Ausland ausgesetzt ist und auch nicht exporbiert, aber ihren grössten Concurrenten in der Stein- und Braunkohlenindustrie findet, sodass der Preis des Torfs sich nach dem der Kohlen regelt. Den letzten Angaben zufolge, betrug die Production (1906) 1482 Millionen Stück Hochmoortorf (weichen Torf) und 622 Millionen Stück Tiefmoor- oder harten Torf. Die Concurrenz mit den Steinkohlen führte zum Erblühen einer neuen Industrie in Nieuw-Amsterdam, Hoogeveen, Almelo, Helenaveen und Friezeveen, welche sich auf die Herstellung von Torfbriquetten verlegt. Ein eigentümheher Industriezweig ist die erst vor kurzer Zeit entstandene Torfstreu -Industrie, deren Product in Pferdeund Viehstallen Verwendung findet. Im Jahre 1893, als in Folge der Dürre, das Stroh sehr teuer war, hat man zum ersten Mal die Torfstreu in den Stallen benützt und seit dieser Zeit ist sie ein bedeutender Factor in der Landwirtschaft geworden. Diese junge Industrie verschafft jahrlich Tausenden Arbeit; es werden gegen 200—250 Millionen Kilo produciert, die auch ihren Weg in's Ausland, selbst nach Amerika, finden. Hieraus ist die Lehre zu ziehen, dass selbst alte Industrien, wie die Torfindustrie auch noch neue Bahnen finden können. Bekanntlich wird in jüngster Zeit aus Torf auch Papier verfertigt, woran unsere schnelllebende Zeit ein so dringendes Bedürfniss hat. Nun kommen wir zur Bearbeitung der gewöhnlichen M e talie. Da sei denn gleich zu Eingang die Erklarung abgegeben, dass die eigentliche Eisen- und Stahlfabrikation in Niederland nicht mehr vorkommt. Alle benötigten Producte der Eisenbearbeitung werden aus dem Ausland eingeführt. Die Eisenschmiederei, welche hier, wie anderswo auch, einen rein nationalen Character tragt, ist, als Zweig des altniederlandischen Kunstgewerbes, wahrend der letzten Jahren wieder aufgelebt. Die Blei-, Zink- und Kupferindustrie kann sich keines Exportes rühmen, deckt jedoch grossenteils das Bedürfniss des eigenen Landes. Die Emaillefabrication besteht erst seit ungefahr fiinfundzwanzig Jahren; sie hatte zu Anfang schwer gegen den deutschen Wettbewerb zu kampfen, hat sich aber siegreich behauptet und ist zum Export übergegangen. Auf die Maschinenfabrikation verlegen sich 50—60 Unternehmungen, die gegen 20.000 Arbeiter beschaftigen. Obwohl der Af aschinenbau in Niederland kein Plauptbetriebszweig ist, macht die Maschinenfabrikation, seit ungefahr 1890, ganz bedeutende Fortschritte. Die Zuckerindustrie auf Java bezieht viele Maschinen aus Holland. Baggermaschinen, Sandsauger und andere Werkzeuge für Wasserbauten sind, als hollandische Spezialitaten, auch im Auslande berühmt und über die ganze Welt verbreitet. Der Schiffbau schliesslich war von altersher in unserem Wasserland eine bevorzugte Industrie ; den richtigen Aufschwung aber nahm diese erst im Jahre 1850. In spaterer Zeit entwickelte sich stark der Bau von Leichterschiffen für die grosse Flusschiffahrt. Unsere schnellfahrenden Raddampfer mit geringem Tiefgang werden hier selbst aus Deutschland bestellt, da wir die Grundstoffe aus Deutschland weit bilhger beziehen wie die deutschen Schiffbauer und weil unsere Arbeitslöhne niedriger sind wie in Deutschland, wo auch die Lebensmittelpreise höher sind wie hier. Die meisten Schiffswerften in Niederland werden zwischen Rotterdam und Dordrecht, an der Maas und Noord gefunden, ausserdem noch in Vlissingen, Rotterdam, Amsterdam und andernorts. In dieser Industrie sowohl, als auch im Bau von See- und Segelschiffen, macht sich ein bedeutender Fortschritt bemerkbar. Nicht weniger bedeutungsvoll ist die S p i n n - und W e b e Industrie in Niederland. Der Hauptsitz der Baumwollindustrie ist Twente, die „Achterhoek' von Ovenjsel, wahrend die Wollstoff industrie sich im besonderen Brabant zum Sitz erkoren hat. Die Spinnereien haben dem Umstand Rechnung zu tragen, dass in Niederland Garn zollfrei eingeführt werden darf, was zur natürlichen Folge bat, dass sie die Concurrenz auswartiger Spinnereien in starkem Maasse auszuhalten haben. Dieser Umstand kommt jedoch, selbstredend, den Webereien zu gute, da diese die Grundstoffe stets vom besten Markt beziehen können. Trotz dieser hindernden Umstande haben sich die niederlandischen Spinnereien im Kampf um die Existenz nicht nur auf ihrem Standpunkt behauptet, sondern sich selbst noch weiter entwickelt. Unsere Handelsstatistik weist ein bedeutendes Einfuhrsaldo von ungezwirntem und ungefarbtem Baumwollgarn auf; dieses Saldo belief sich im Jahre 1906 auf reichlich 26.000.000 Kilo. Die Webereien haben sich, nach manchem Sohicksalswechsel, im Laufe des 19. Jahrhunderts, zu einer kraftigen Exportindustrie entwickelt. Wenn man in der Handelsstatistik den Posten „Manufacturen aller Sorten" nachschlagt,, dann findet man, dass, im Jahre 1906, einer Einfuhr zum Verbrauch von reichlich 47 Millionen Gulden, eine Ausfuhr aus dem freien Verkehr von reichlich 68 Millionen Gulden gegenüber steht. Das Ausfuhr-Saldo belauft sich somit auf 21 Millionen Gulden. Aus der Spezificirung der Posten wird ersichtlich, dass Baumwolle-Manufacturen (rob oder gebleicht) zu einem Gesamtwert von 8,2 Millionen Gulden ein- und zu einem Gesamtwert von 24,1 Millicnen ausg eführt wurden ; Ausfuhr-Saldo also : 159. Die Einfuhr von gefarbten oder bedruckten Baumwollstoffen bewertete sich auf 10,5 Millionen Gulden; Ausfuhr 28 Millionen; Ausfuhr-Saldo also: 17,5. Daraus ist ersichtlich, dass diese beiden Posten zusammen ein Ausfuhr-Saldo von 32,5 Millionen Gulden ergaben und dass also grosse Einfuhr-SaMos von andern Posten dem gegenüberstehen, da ja das Gesammtresultat ein Ausfuhr-Saldo von 21 Millionen Gulden reprasentirt. Aus Obenstehendem geht hervor, dass hauptsachlich die Ausfuhr von rohen oder gebleichten, gefarbten und bedruckten Baumwollstoffen sehr bedeutend ist und es ist denn auch eine bekannte Tatsache, dass die Production von Twente zum grossen Teil auf die Ausfuhr angewiesen ist. Die Twenteschen Webereien haben sich in der fat einen Platz auf dem Weltmarkt zu erobern verstanden und concurrieren erfolgreich mit anderen Landern, auch mit England. Es ist vielleicht nicht überflüssig, dabei zu bemerken, dass der niederlandische Zolltarif, der Grundstoffe freilasst, Halbfabrikate mit 2l/2—3% belastet und von Ganzfabrikaten einen Wertzoll von 5% erhebt, demzufolge auch auswartige Manufacturen mit einem Zoll von 5% trifft. Dass diese geringe Erhebung den Character eines Schutzzolls trage, wird wohl niemand behaupten wollen. In der vielumfassenden Rubrik „Nahrungs- und Genussmittel müssen wir zuvörderst die Mühlen und Reisschalereien behandeln. Die Müllerei in Niederland ist auf die Entstehung der Windmühlen zurückzuführen, also ungefahr in das Jahr 1000 oder 1100. Erst nach 1855, als die Verbrauchssteuern abgeschafft waren, entstanden die Dampfmüllereien, welche lange Zeit unter der auswartigen, namenthch der amerikanischen Concurrenz gelitten haben. Jetzt scheinen iür diesen Industriezweig wieder bessere Zeiten angebrochen zu sein. Die Reisschalereien, im Ganzen g, werden ausschliesslich in Holland gefunden, namlich in der Zaangegend und in SüdHolland; ihre Jahresproduction wird auf ungefahr 150 Millionen Kilogramm Reis geschatzt. Die Rübenzu. cker-Industrie verteilt sich auf 28 Fabriken, deren jahrliches Ertragniss gegen 200 Millionen Kgr. betragt. Eine dieser Fabriken ist zudem Raffinerie. Daneben bestehen (1906) 13 Raffinerien. Das Quantum gewonnenen Rohzuckers, zu 100%, betrug im Arbeitsjahr 1906/7: 164,5 Millionen Kilo. Das Quantum rohen und raffinierten Zuckers, das zum Verbrauch gebracht wurde, betrug (1906) netto 560.000 Kgr. Rohzucker (Ruben) und 2.360.000 Kgr. Rohzucker (Rohr); ferner ungefahr ebensoviele Kilo Kandis, beinahe 69 Millionen Kgr. Melis und beinahe 14 Millionen Kgr. Bastard. Das, in den Raffinerien, mit Accisen-Credit gelagerte Quantum Ronzucker betrug, 1906, in 9 Raffinerien netto 231 Millionen Kilogramm, beinahe ausschliesslich Rübenzucker. Die Ausfuhr von ratfiniertem Zucker war auch, 1906, weitaus am bedeutendsten nach England und belief sich, allein nach diesem Land auf nicht weniger als 192 Millionen Kilogramm. Die Ausfuhr von einheimischem rohen Rübenzucker nach Grossbritannien betrug 37 Millionen Kilo. Die Einfuhr zum Verbrauch von raffiniertem Zucker (Melis und Kandis) betrug, 1906, beinahe 4 Millionen Kilo. Dem Leser, der sich dafür interessiert, vermogen diese Ziffern einigermaassen einen Begriff von der Bedeutung der niederlandischen Zuckerindustrie zu geben. Die Kartoffelmehl-Fabrikation beschrankt sich beinahe ausschliesslich auf die Groninger Moorkolonien. Raummangel verbietet uns, bei der Entwickelungsgeschichte dieser Industrie still zu stehen, wozu wir ja auch, aus demselben Grunde, bei der Schilderung anderer Industrien gezwungen waren. Wir wollen also nur darauf hinweisen, dass Kartoffelmehl in den letzten Jahren, als Ausfuhrartikel, an Bedeutung sehr gewonnen hat. Nur einen Bliek wollen wir in die Vergangenheit werfen und darauf hinweisen, dass das Ausfuhrsaldo, welches zwischen den Jahren 1847/56, bei der Entstehung dieser Industrie, durchschnittlich 16.000 Kgr. betragen hatte, zwischen den Jahren 1867/76 schon auf 4,7 Millionen gestiegen war und sich im Jahre 1906 auf mehr als 63,5 Millionen Kilogramm belief. Auch der Cacao- und Chocolade-Fabrikation wollen wir mit einigen Worten Erwahnung tun. Cacao wird hier, zum Verbrauch, in einer Menge von 21 Millionen Kilogramm eingeführt, wovon beinahe die Halfte wieder aus dem freien Verkehr ausgeführt wird. Bei dieser Angabe muss man natürlich in Betracht ziehen, dass in unserer Handelsstatistik unter Einfuhr zum Verbrauch nicht allein die, für den einheimischen Consum bestimmten, oder hier bearbeiteten Artikel begriffen sind, sondern dass dazu in der Regel auch die Einfuhr der freien Artikel gerechnet wird, die hier zu Lande einige Zeit ausser Zollverschluss gelagert und spater wieder eine Bestimmung nach dem Ausland erhalten haben, we'che also unter die Rubrik: Durchfuhr mit Ueberladung hatten gebracht werden müssen. Man kann jedoch aus Obenstehendem ersehen, dass der jahrliche Cacaovcrbrauch unserer Chocoïadefabriken durchschnittlich ic—12 Millionen Kgr. Cacao betragt. Die Chocolade weist in der Handelsstatistik ein Ausfuhrsaldo von beinahe \l/2 Millionen Kilo auf. Cacaopulver geht in grossen Mengen ins Ausland und wird, trotz der hohen Einfuhrzölle, auch in Deutschland aus Niederland eingeführt. Niederland verbraucht 1/7 bis 1/8 der gesammten Cacao-Einfuhr in Europa und füErt relativ (nach der Seelenzahl) 4—5 mal soviel Cacao ein als Deutschland. Unter die Nahrungs- und Genussmittel werden auch Tabak und Cigarren gerechnet. Der Amsterdamer Tabaksmarkt ist weltbekannt und die hollandische Cigarre geniesst einen wohlverdienten guten Ruf. Im Jahre 1906 wurde Tabak (in Rollen oder Blattern) im Werte von \ol/2 Millionen Gulden eingeführt. Dieser Einfuhr steht eine Ausfuhr von noch nicht 1 Million gegenüber. Das sehr ansehnliche Einfuhrsaldo muss, als zum Verbrauch und zur Bearbeitung bestimmt, betrachtet werden. Betreffs der Cigarren stellen sich die Ziffern ganz anders. Hier steht einer Einfuhr zum Gebrauch, im Werte von noch nicht einer halben Million Gulden, eine Ausfuhr von by2 Millionen Gulden gegenüber. Hieraus ist deutlich ersichtlich, in welch bedeutendem Maasse auch die niederlandische Cigarre als Exportartikel in Betracht gezogen werden muss. Ueber die Bierproduction teilen wir in Kürze mit, dass sich das Ausfuhrsaldo über das Jahr 1906 auf beinahe 40.000 Hectoliter belief. Am Schluss der Rubrik Nahrungs- und Genussmittel wollen wir noch auf die sehr bedeutende Ausfuhr von essbarer Margarine hin¬ weisen, deren Ausfuhrsaldo im Jahre 1906 auf reichlich 53.000.000 Kilogramm gestiegen ist. Die condensirte Milch muss gleichfalls als ein bedeutsamer Exportartikel bezeichnet werden. Da in den letzten Jahren Butter und Kase bekanntlich fabriksmassig bereitet werden, so müssen sie doch wohl auch als industrielle Exportartikel gebucht werden. * * * Der vorstehende Artikel erhebt keinen Anspruch darauf, auch nur einigermaassen ein vollstandiges Bild der niederlandischen Fabriksindustrie wiederzuspiegeln. Es liegt nur das Bestreben vor, die Hauptzüge zu fixieren und bei dem Leser den Eindruck zu erwecken, dass, wenn auch Niederland von der Natur nicht dazu ausersehen war, ein Industriestaat zu werden und ihm dieser Name auch nicht zukommt, die Fabriksindustrie hier zu Lande, unter den Existenzmitteln und den Quellen der Volkswohlfahrt doch einen bedeutsamen Platz einnimmt, einen weit bedeutenderen, als viele Fremde und auch Niederlander vermuteten. Unsere niederlandische Industrie hatte viele Hindernisse zu überwinden, aber sie hat, in schwieriger Zeit, gelernt, die Entwickelungskraft in sich selbst zu finden und es ist ihr in mancher Hinsicht gelungen, den Industrien anderer Lander, welche diesen weit günstigere Bedingungen gewahren, ebenbürtig zu werden. Landwirtschaft Viebzucbt, 6artenbau, forstwtscbaft, JMolkeret, Reide-Cultur, Landwirtscbaftlicbes önterricbtswesen Toti Obennspector 6. % Bieleman. ^RO TZ der hohen Bedeutung, welche andern Erwerbszweigen zuerkannt werden muss, darf man doch mit Bestimmtheit behaupten, dass Landwirtschaft, im ausgebreitesten Sinne des Wortes, und Viehzucht für die Niederlande die Hauptquellen socialer Wohlfahrt sind. Diese Tatsache findet ihre Erklarung in der Art des Bodens, den die Niederlander zum grossen Teil dem Meere abgezwungen, und um weichen sie noch stets ringen. Eine ziemlich bedeutende Oberflache ist mit Tiefmoor („Laagveen") bedeckt, das künstlich, namlich durch Bedeichung, Entwasserungskanale und Pumpwerke von Wasser frei gehalten werden muss. Ein anderer Teil, der sich langs der grossen Flüsse und Flussmündungen, hier und da auch langs der See erstreckt, besteht aus einer, mehr oder weniger dicken Lage Fluss- oder Seemarsch. Auch hier müssen Deiche (Schutzdamme) das zurück- und umliegende Land vor Ueberschwemmungen schützen. Es ist denn auch durchaus nicht zu verwundern, dass die Niederlande haufig ein „Polderland" im wahrsten Sinne des Wortes genannt werden ; um so mehr, als im Laufe der Zeiten verschiedene grosse und kleine Seen und Sümpfe trocken gelegt wurden, deren Boden manchmal 3—5 Meter unter dem Amsterdamer Pegel (der durchschnittliche Wasserstand für Amsterdam vor Abschluss des „IJ") liegt. Dieser Boden ist ebenfalls meistens als Marschboden zu bezeicbnen Obige Angaben gelten jedoch in der Hauptsache nur für den nördlichen und westlichen Teil von Niederland. Der östliche und südliche Teil liegt höher und besteht vorwiegend aus, grösstenteils cultivirtem Sandboden, ferner aus sogenanntem „Hoogveen" (Hochmoor), das teilweise abgegraben und dessen Mutterboden für den Anbau von Feldfrüchten nutzbar gemacht worden ist. Die Total-Oberflache der Niederlande betragt 3.357.279 Hectar. Der Boden besteht aus Tiefmoor, Marsch- oder Lehm-, Sand-, Kieselboclen, Dünen, Hochmoor und Wasser. Das Tiefmoor wird hauptsachlich in den Provinzen Friesland, NordHolland, Süd-Holland und Utrecht angetroffen. Lehmboden findet man in beinahe allen Provinzen, Seemarsch vor allem langs der Küste von Groningen und Friesland, ferner in Seeland ; Flussmarsch langs der grossen Flüsse und der bestehenden oder vormaligen Flussmündungen in Overijsel, Gelderland, Nord-Brabant, Süd- und Nord-Holland. Im Süden von Limburg trifft man überdies noch eine besondere Lehmsorte an, das „Löss" genannt, welche die Auslaufer des deutsch-belgischen Berglandes bedeckt. Sand- und Kieselboden findet man zumeist in den Provinzen Drente, Overijsel, Gelderland, Utrecht, Nord-Brabant und in den Dünen langs- der Nordseeküste. Hochmoor tritt hauptsachlich in Drente, Overijsel und NordBrabant auf. Aut dem abgegrabenen Hochmoor in Groningen und in den soeben genannten Provinzen sind die, für die Landwirtschaft so bedeutungsvollen und fruchtbaren „Veenkoloniën" entstanden. Begreiflicherweise werden auf diesen verschiedenen Bodenarten nicht ein und dieselben Nutzgewachse gezogen. Das Tiefmoor ist für Wiesen- und Weideanlagen vorzüglich geeignet, und in den Provinzen, wo es in der Hauptsache gefunden wird, sieht man überall unermesslich grosse Weiden, durchzogen von Graben und Kanalen und umgeben von Deichen, auf weichen Wind- oder Dampfmühlen stehen, die für die Regulierung des Wassers sorgen. Auf dem Marsch- oder Lehmboden werden auch Wiesen angetroffen, mehr jedoch in der Nahe der grossen Flüsse und vor allem auf den Flachen, die ausserhalb des Deiches liegen, deshalb bei Hochwasser gewöhnhch überströmt werden und dadurch eine bilhge Schlammdüngung erhalten. Ausserdem werden auf Lehmboden verschiedene Feldgewachse angebaut, worunter an erster Stelle Weizen, Hafer, Gerste und Zuckerrüben und an zweiter Raps, Kümmel, Bohnen, Erbsen, Kartoffeln und Flachs zu nennen sind. In den Sand-, Kiesel- und Dünengründen trifft man, für Landwirtschaft und Viehzucht wohl geeignete Striche an. Die tiefer gelegenen Sandflachen werden mit gutem Erfolg zur Wiesenan'age benutzt, wahrend auf den höher gelegenen verschiedene Kulturgewachse, wie Roggen, Kartoffeln, Hafer, Gerste und Grasfutter für das \<7ieh angebaut werden. Auch wird dieser Boden teilweise aufgeforstet; diese Forstkuituren haben in den letzten Jahren einen bedeutenden Aufschwung genommen. Dem ist wohl die Urbarmachung riesiger Heideflachen zuzuschreiben, wobei auch hier und da fruchtbares Acker- oder Weideland gewonnen wurde. Nebén dem Niederwald wird auf dem genannten Boden auch allerlei Nadel- und Laubholz angetroffen, wie die Kiefer, Fichte, Eiche, Pappel, Weide, Buche, Esche, Birke u.s.w. Ausgedehnte Kieferwalder liefern das durch das Ausland sehr beg-ehrte Gruben- holz, wahrend die Eichenrinde in den Lohgerbereien Absatz findet. Auf sehr niedrig gelegenen Grundstücken, hauptsachlich an Flussufern, wird mit Lrfolg Weideholzkultur betrieben. Das Hochmoor hat in den letzten 50 Jahren durch das Abgraben und Verarbeiten der oberen Schicht zu Torf und Torfstreu in erstaunlicher Weise an Umfang abgenommen. Der Buchweizenbau verliert auf diesem Boden mehr und mehr an Bedeutung. Dagegen wird der beim Abgraben des blossgelegten Sandbodens in der Hauptsache zum Anbau von Kartoffeln (zur Gewinnung von Kartoffelmehl), Roggen, Hafer und Klee benutzt. Auch findet der Gartenbau auf den obengenannten Bodensorten mehr oder weniger Anwendung. Die meisten Landbewohner verwenden ihr Gemüse, Obst u. s. w. im eigenen Haushalt; nur vereinzelt lassen sie es zum Verkauf gelangen. In bestimmten Gegenden werden die Gartengewachse speciell für den Grosshandel und den Versand nach dem Ausland angebaut. So sind z.B. das „Westland" in Süd-Holland, der „Streek" und „Langedijk" in NordHolland, die Umgegend von Venlo in Limburg wegen des Anbaus von Frühkartoffeln und Gemüsen, die Umgegend von Aalsmeer und Beverwijk in Nord-Holland und von Breda in Nord-Brabant, wegen des Beerenbaus, Boskoop, Bussum, Oudenbosch, Opheusden und der Norden von Limburg durch Baumpflanzungen, Aalsmeer und Lent durch Blumenzüchterei, die Dünengegend durch Blumenzwiebelbau, die Betuwe in Gelderland, ein Teil der Provinz Utrecht und der Süden von Limburg durch den Obstbau allgemein bekannt. Um dem Leser einen einigermaassen deutlichen Begriff von den hauptsachlichsten Produkten des niederlandischen F eid- und Gartenbau's zu geben, seien hier folgende Uebersichten angeführt. Von der ganzen Bodenflache Niederland's gehörten im Jahre igoö zu: Ackerland 860.657 H.A. Grasland . 1.198.006 „ Gartenland 73.712 „ Waldgrund. 256.589 „ Brachland 568.460 „ übrigen Gründen und Wasser .... 279.541 „ Insgesammt 3.257.279 H.A. Von dieser Gesamtflache waren im Jahre 1906 bewachsen mit H.A. Ernte Weizen . . 56.769 1.741.680 Hectoliter Körner. Roggen . . 218.220 4.911.579 11 » Gerste . . . 28.666 1.148 867 „ „ Hafer. . . . 139.131 6.629.248 „ „ Buchweizen . 19.367 355.546 „ Bohnen . . 30.664 875.203 „ Erbsen . . . 29.342 887.691 „ F'achs . . . 15463 954.894 Kilogramm Fase. 128.682 Hectoliter Samen. Kartoffeln . 161.114 33-655.034 Hectoliter. Zuckerrüben . 42.391 1.363.105.000 Kilogramm. Ferner müssen als Handelsgewachse von Bedeutung noch Kanariensamen, Kümmel, Cichorie, Zwiebel, Flanf, Raps und Tabak genannt werden, womit einige tausende Hectar angebaut sind. Von den Gartenbauproducten, welche in grossen Mengen nach dem Ausland Absatz finden, sind hauptsachlich Frühkartoffeln und verschiedene Kohlarten zu nennen; daneben: Gurken, Möhren, Erbsen und Schoten, Spargel, Blattgemüse und Früchte, wie: Erdbeeren, Himbeeren, Johannisbeeren, Kirschen, verschiedene Obstsorten, Trauben u. s. w. Schliesslich sei noch auf den bedeutenden Anbau von Blumenzwiebeln und allerlei Produkte der Baum- und Blumengartnerei hingewiese.n Man berechnet, dass sich die Ausfuhr aller Gartenbauprodukte zusammen auf eine Summe von 18 MiHionen Gulden belauft. Dieser Betrag nimmt von Jahr zu Jahr noch zu. In enger Beziehung zu den Bodenprodukten steht, msofern der Pflanzenbau in Frage kommt, natürlich die Art des Betriebes. Auf dem Tiefmoor, wo, wie bereits gesagt, das Gras das einzige Produkt ist, bildet die Viehzucht und damit die Milchwirtschaft, bzw. die Bereitung- von Milchprodukten, das hauptsachlichste Existenzmittel. Aber auch auf anderen Bodenarten wird die Viehzucht nicht vernach'assigt und bildet sie vor allem auf Sandboden einen in's Gewicht faHenden Nebenbetrieb. Im Laufe der letzten Jahre hat dort, namenthch infolge des Rückganges der Getreidepreise und der Einführung der fabriksmassigen Herstellung der Milchprodukte, die Viehzucht bedeutend zugenommen. lm Jahre 1904 zahlten die Niederlande 1.793.599 Stück Vieh, worunter 973.098 Milch- oder Kalberkühe, 166.007 Stück Mastvieh und 634.420 Stück Jungvieh. Ausserdem 325.577 Pferde (worunter 30.298 Füllen unter einem Jahr), 606.785 Schafe (worunter 218.101' unter einem Jahr), 165.497 Ziegen, 861.840 Schweine, 4.934.942 Hühner, 486.576 Enten und anderes Federvieh; schliesslich noch 224.639 Bienenstöcke, wovon 113.369 „geschlachtet" wurden. Das niederlandische Rindvieh kann nach Form, Farbe, Maass und Maassverhaltnissen in drei Hauptschlage eingeteilt werden, namlich das schwarz-bunte hollandische und friesische, das schwarzweissköpfige, oder „zwartblaar" und das rot-bunte Maas-, Rheinund IJsselvieh. Hauptsachlich wird danach gestrebt, gutes Milchvieh zu zuchten, weshalb man der Abstammung grossen Wert beimisst. Trotzdem wird, mit Rücksicht auf den Absatz von Fleischvieh, ein guter Körperbau nicht vernachlassigt. Unter dem, für den Fleischkonsum bestimmten, Jungvieh müssen vor allem die jungen Mastkalber hervorgehoben werden, wovon jahrlich mehr als hunderttausend geschlachtet werden. Infolge besonderer Pflege der Aufzucht von Milchkühen trifft man in den Niederlanden zahlreiche Exemplare an, die einen überaus hohen Ertrag f etter Milch geben. Im Durchschnitt kann man annehmen, dass eine gewöhnliche niederlandische Kuh, bei normaler Fütterung und Verpflegung, jahrlich 3000—4000 Liter Milch, mit einem durchschnittlichen Fettgehalt von 3,2% gibt. Man trifft jedoch verschiedene Stalle an, deren Produktion weit grosser ist. Bei einzelnen Kühen steigt die Ergiebigkeit selbst auf 8000 und mehr Liter per Jahr, ohne dass der Fettgehalt nachhesse. Man braucht sich deshalb auch nicht darüber zu wundern, dass eine solche milchgebende Rasse im Ausland sehr begehrt ist und dass Züchter aus allen Weltteilen haufig sehr hohe Preise für weibliches und vor allem für mannliches Zuchtvieh bezahlen. Ein Preis von einigen tausend Gulden für einen, durch Abstammung und Aeussere hervoiragenden Zuchtstier ist keine grosse Seltenheit. Vor allem Belgien, aber auch Schweden, Oesterreich, die Schweiz, Frankreich, Spanien, Südafrika, Russland, Nordamerika importieren oft niederlandisches Zuchtvieh zur Verbesserung ihrer eigenen Rindviehrassen. Für die Schlachtbanke wurden im Jahre 1905 ungefahr 30.000 Stück Vieh ausgeführt; ausserdem ungefahr 17 Millionen Kg. frisches Rindfleisch. Dass, durch die Rindviehzucht, auch die Bereitung von Milchproducten eine grosse Bedeutung für den niederlandischen Bauern erlangt hat, ist wohl begreiflich. Die jahrlich erzielte enorme Masse Milch, ist nur zum kleinsten Teil für den Tageskonsum bestimmt. Weitaus der grösste Teil wird zur Kase- und Butterbereitung verwendet, wahrend die übrigbleibende, abgerahmte Milch oder, falls Kase bereitet wird, die Molken, als Viehfutter dienen. Condensierte Milch wird nur durch einige Fabriken hergestellt. Im ganzen werden in den Niederlanden jahrlich mehr als 60 Millionen Kilo Butter bereitet, wovon 2/3 in, zumeist trefflich eingerichteten, Molkereien und 1/3 auf Bauernhöfen. Die Butter der Bauernhöfe ist beinahe ausschliesslich für den einheimischen Konsum bestimmt. Die Molkereibutter geht zu % in's Ausland und zwar nach Deutschland, England, Belgien und Frankreich. Die Anzahl der Molkereien belauft sich auf rund 1000, wovon ungefahr die Halfte Dampfbetrieb besitzt. Diese sind zur Hauptsache über den Osten, Norden und Süden des Landes verbreitet. Im Westen wird die Milch grösstenteils zur Bereitung von vollfettem oder fettem hollandischen Goudaschen und Edamer Kase verwendet. Von erstgenannter Sorte werden jahrlich wenigstens 30 Millionen Kg., von letztgenannter gegen 18 Millionen Kg. bereitet. Zudem wird in den friesischen Molkereien viel halbfetter und magerer Kase fabriciert und zwar in den Gouda'schen und Edamer Formen. Im grossen und ganzen dürfte diese Produktion reichlich 21 Millionen Kg. betragen. Ausserdem werden in dieser Provinz etwa 6 Millionen sogen. friesischen Nagelkases und in Süd-Holland etwa 2 Millionen Kg. Leidener und Delftscher Kümmelkase bereitet. Die gesamte Kaseproduktion für das Jahr 190Ó darf mit 79 Millionen Kg. gebucht werden. In Friesland wird die Kasebereitung nur fabriksmassig betrie- ben ; die von fetten hollandischen Edamer, in Nord-Holland, sowohl in Molkereien als auch auf den Bauernhöfen. Die vollfetten hollandischen Gouda's und Edamer sind in Hauptsache noch das Produkt der Bauernhöfe. Der Unterschied zwischen vollfetten und fetten Kasen besteht darin, dass man vor der Bereitung des vollfetten Kases die Milch nicht abrahmt, wahrend man bei der Bereitung des fetten Kases. von einem Teil der Milch, der Abendmilch, ein wenig Rahm, ungefahr yé der gesamten Quantitat, schöpft. Von der G esamtproduktion werden etwa 50 Millionen Kg. ausgeführt und zwar nach Deutschland, England und Belgien und zahlreichen andern in- und aussereuropaischen Landern. Der Verkauf findet auf Markten in Alkmaar, Hoorn, Purmerend, Utrecht, Bodegraven, Gouda, Leiden, Leeuwarden und anderwarts wie auch in den Produktionsorten selbst statt. Sobald der Goudasche und Edamer Kase drei bis vier Wochen alt ist, wird er dem Handier abgeliefert, der ihn noch einige Zeit in seinen Speichern lagert und dann abgibt. Es kommt aber auch vor, dass der Kaser sein Produkt direkt in's Ausland liefert. * * Obwohl die Pferdezucht bei weitem nicht die des Rindvieh's erreicht, wird sie doch auch in den meisten Provinzen betrieben, hauptsachlich in Groningen, Gelderland, Nord-Brabant und Seeland. Mehr als 700 Hengste und ungefahr 47000 Zuchtstuten wurden im Jahre 1904 gehalten. In demselben Jahre züchtete man gegen 30.000 Fohlen. Eine spezifisch niederlandische Rasse besteht nicht. Das friesische und geldersche Pferd können allerdings als niederlandische Rasse bezeichnet werden, aber letzteres ist, infolge anhaltender Kreuzung mit f remden Rassen, so ziemlich verschwunden, wahrend ersteres, wenigstens ausserhalb Frieslands, nur noch wenig vorkommt. Seit Jahren wird die Kreuzung mit der warmblütigen oldenburgischen Rasse vorgenommen. In letzter Zeit hat man auch da und dort Hengste anderer Rassen, z. B. der englischen Hackneys und der Anglo-Normandiër, stationiert, wahrend, namenthch im Süden, das belgische Pferd gezüchtet wird. Der Hauptzweck der Kreuzung besteht für die Landwirtschaft darin, ein gutes Pferd zu züchten, dessen leichtere Exemplare als Wagen-, Reit- und Zugpferde brauchbar sind. Auf den grossen Pferdemarkten in Appingedam, Utrecht, Borger, Beusichem, W'oerden u. s. w. werden jahrlich zahlreiche Pferde auf Rechnung des In- und Auslandes zu hohen Preisen gekauft. Deutschland, Italien, Spanien, die Schweiz, Frankreich und England beziehen aus den Niederlanden Pferde. Deutschland ist jedoch bei weitem der beste Abnehmer, namenthch von i}4 jahrigen der schweren, und von jungen oder ausgewachsenen Tieren der warmblütigen Arten. im Jahre 1904 ergab die Zahlung 295.277 Pferde, ausser den bereits angeführten, in diesem Jahre gebornen, Fohlen. Die Schafzucht wird hauptsachlich in Nord-Holland, Friesland, Drente und Groningen betrieben ; in früheren Zeiten war sie bedeutender wie jetzt. Die ursprünglichen niederlandischen Rassen kann man in zwei Hauptgruppen emteilen, namhch in die Heideoder langschwanzigen und in die Polder- oder kurzschwanzigen Schafe. Zur ersten Gruppe gehören die veluw'sche Rasse in Gelderland, Overijssel und Utrecht, die kempen'sche Rasse im Süden des Landes und die Drente'sche Rasse in Drente, Groningen und Overijssel. Zur zweiten Gruppe gehören die friesische und die texel'sche Rasse. Auch bei diesen Zuchttieren hat sich die Rasse nicht rein erhalten, obschon jetzt mit ziemhchem Erfolg das echte friesische Milchschaf zurückgewonnen wird. Durch Kreuzung, namenthch mit englischen Schafen, ist eine, in mancher Plinsicht verbesserte Rasse entstanden. Ausschliesslich in der Veluwe findet man noch die reine veluw'sche Rasse, die ausserdem in einem Teil von Nord-Brabant und Limburg angetroffen wird. Die Gesamtzahl der Schafe, welche im Jahre 1904 in den Niederlanden angetroffen wurde, betrug 606.785 Stück, wovon 148465 zu den Heide- und die übrigen zu den PoMerschafen gerechnet werden müssen. Das Wollertragniss wird hauptsachlich durch die einheimische Industrie verarbeitet. Wollmarkte werden in Veenendaal und Eist abgehalten. Die Schafe sind, grösstenteils, sowohl geschlachtet als lebend, für die Ausfuhr nach England und Belgien bestimmt. Letzteres Land bezog im Jahre 1906 reichlich 75.000 Schafe aus den Niederlanden, wahrend nach England gegen 13 Millionen Kg. Larnmfleisch ausgeführt wurden. In den Niederlanden selbst wird verhaltnissmassig wenig Larnmfleisch gegessen. Da und dort wird von Schafmilch Kase bereitet. Die Ziegenzucht ist von weit geringerer Bedeutung. Aber doch widmet man in ketzterer Zeit dieser „Milchkuh des Unbemittelten" mehr Aufmerksamkeit und versucht, durch Einfuhr von Zuchtmaterial aus Hessen und der Schweiz, die einheimische Rasse zu verbessern. Bei vielen Bauern und Landarbeitern deckt die Ziege teilweise oder ganz das Bedürfniss der Familie an Milch. Ein ganz bedeutender Faktor im landwirtschaftlichen Betrieb ist jedenfalls die Schweinemast geworden, was schon von selbst aus den oben gemachten Angaben erhellt. Die einheimische Rasse zeigt, durch Kreuzung mit englischen Zuchttieren, eine auffallende Veranderung. Verhaltnissmassig junge Schweine (circa 50 Kilogramm schwer) werden deshalb für den englischen Markt geschlachtet. Bei der Kreuzung trug man sich in erster Linie mit der Absicht, ein fleischiges Tier mit feinem Knochenbau zu züchten. Für die Mast von schweren Tieren kreuzt man auch mit dem grossen Yorkshire- oder dem, ihm gleichkommenden Edelschwein, wohl auch mit dem deutschen Landschwein, da der Handel nach Deutschland und der einheimische Verbrauch ein grosses, gut ausgewachsenes und durchgemastetes Tier verlangen. Auch werden Versuche gemacht das alte einheimische Schwein durch Zuchtwahl zu veredeln. Mit Rücksicht auf die Ausfuhr wurclen verschiedene Exportschlachtereien errichtet. Eigentliche Schweinemarkte bestehen nicht. Gebrauchlicherweise kaufen die Handier dem Bauer das Schlachtvieh ab, das dann lebend oder geschlachtet abgeliefert wird. Hingegen werden verschiedenenorts starkbesuchte Ferkelmarkte abgehalten. Von welcher Bedeutung die Schweinemast ist, erhellt aus dem Export von 27 Millionen Kg. Schweinefleisch, im Jahre 1906, hauptsachlich nach England und Deutschland. Auch Belgien, m letzter Zeit gleichfalls Frankreich und die Schweiz, begehren Schweinefleisch aus den Niederlanden. Noch sei bemerkt, dass die Federviehzucht, wahrend der letzten zehn Jahre, riesige Fortschritte gemacht hat, sodass die Eier-Ausfuhr mehr und mehr einen bedeutenden Umfang annimmt. Auch die Zucht zahmer Kaninchen ist belangreich. Diese Tiere finden, in geschlachtetem Zustand, ihren Weg nach England. * x * W iederholt schon ist im obigen von landwirtschaftlichen Betrieben gesprochen worden, und es geht bereits daraus hervor, dass ihre Zahl ziemlich bedeutend sein muss. lm ganzen zahlt man in den Niederlanden gut 182000 landwirtschafthche Betriebe und Gartnereien von mehr als einem H.A. Land, bei denen der Kleinbetrieb überwiegt. Die Zahl der Pachter verhalt sich zu der Zahl der, die Landwirtschaft ausübenden Besitzer ungefahr wie 9 zu 11. Bei den landwirtschaftlichen Grossbetrieben überwiegt die Pacht, bei den kleinen das Eigentum. Bis heute ist noch immer eine, sei es auch langsame Zunahme der gepachteten Betriebe zu konstatieren. Es lasst sich wohl begreifen, dass unter den Tausenden und Zehntausenden von Landwirten ein Streben nach Zusammenschluss entstanden ist und die Idee platzgegriffen hat, durch gemeinsames Arbeiten ihre materiellen Interessen zu fördern. Dies zeigt sich auch deutlich in der grossen Zahl von Gesellschaften und Vereinen, die die Vertreter der Landwirtschaft und des Gartenbaus umschliessen. Dazu gehören an erster Stelle die landwirtschaftlichen Geselschaften der verschiedenen Provinzen mit 270 Abteilungen und mehr als 30.000 Mitgliedern ; die Bauernbünde, die sich zum Niederlandischen Bauernbund zusammengeschlossen haben, der 50.000 Mitglieder zahlt; ausserdem noch gegen 500 Einzelvereine mit fast 37.000 Mitgliedern. Der Unterschied zwischen den landwirtschaftlichen Gesellschaften und den Bauernbünden besteht hauptsachlich darin, dass die ersteren mehr den Anforderungen ihr Interesse widmen, die der moderne landwirtschaftliche Betrieb stellt, die letzteren dagegen mehr die materiellen und geistigen Interessen des Bauernstandes zu fördern suchen. Im Laufe dieses Jahren hat sich, auf die Initiative S. Kgl. H. des Prinzen Heinrich der Niederlande hin, eine Niederlandische landwirtschaftliche Vereinigung gebildet, die alle bestehenden, grossen Verbande gewissermaassen zu einer „Föderation" zu vereinigen sucht. Dieser Vereinigung ahnelt das „Nederlandsche Landbouwcomité', welches aus Abgeordneten der grossen Verbande auf landwirtschaftlichem Gebiete besteht und gewissermaassen als eine Vertretung der Landwirtschaft gegenüber der Regierung betrachtet werden kann. Auch im Gartenbau trifft man verschiedene Vereine an, die ihre Centrale m dem Centralverein des Niederlandischen Gartenbau's (Nederl. Tumbouwraad) haben. (Puin = Garten, spr. teun.) Zur Förderung der speziellen Interessen verschiedener Zweige der Landwirtschaft gibt es noch eine ganze Anzahl von Vereinen und Bünden, wie : „Niederlandische Rindvieh- und Pferdestammbücher" mit emzelnen allein stehenden „Stammbüchern" in den Provinzen; Hengsteassociation; Vereine von Züchtern, die die Veredelung des Rindes und des Viehes bezwecken ; Zuchtstationen zur Verbesserung der Schweinerassen u.s.w. ; einen Bund von circa 450 Genossenschafts-Molkereien, mit sechs Provinzverbanden; eine „Nederlandsche botercontröle", unter Staatsaufsicht, mit 8 Stationen, die eine Gesamtbutterproduktion von 37 Millionen Kg. Butter kontrollieren und deren Reinheit garantieren; einen Bund von Geflügelzüchtern mit mehr als 6800 Mitgliedern ; einen Bund zur Förderung der Bienenzucht, mit 2100 Mitgliedern; die Niederl. Heidegesellschaft zur Urbarmachung wüster Gegenden und zur Förderung der Süsswasserfischerei, mit mehr als 6000 Mitgliedern. etc. Auch die Idee des genossenschaftlichen Zusammenschlusses hat in der Landwirtschaft und im Gartenbau schon Eingang gefunden. Sowohl durch Vermittelung der vorgenannten Gesellschaften, Bünde und Vereinigungen, wie auch durch genossenschaftliche Vereine, die in gesetzlich zulassiger Weise errichtet worden sind, werden Einkaufe des, für den Betrieb Nötigen, gemacht. So wurden i. J. 1904 für 6 Millionen Gulden Düngemittel und für 5,5 Millionen Gulden Futtermittel gemeinschaftlich bezogen. Zum gemeinschaftlichen Verkauf gibt es sogenannte „Gemüseauktionsvereine", die im Jahre 1906 für circa 6,5 Millionen Gulden verkauften. Die fabrikmassige Bereitung von Butter und Kase geschieht hauptsachlich in den Genossenschaftsmolkereien. Von den etwa 1000 Molkereien gehören % den Produktivgenossensch aften, die zusammen wenigstens 29 Millionen Kg. Butter produzieren. In einer Anzahl Molkereien wird auch Kase bereitet. Von den etwa hundert Molkereien in denen ausschliesslich Kase, meistens fetter Edamer, hergestel't wird, werden circa 90 von Produktivgenossenschaften betrieben. Ausser in der Molkerei findet das Genossenschaftswesen auch noch bei der Fabrikation von Kartoffelmehl. Strohkartons und Rübenzucker Anwendung! Erst. in letzter Zeit haben die genossenschaftlichen Kreditanstalten einigermaassen festen Fuss gefasst. Jetzt gibt es etwa 500 sogenannte Orts-„Bauerndarlehnsbanken", System Raiffeisen, die einer Centralbank angegliedert sind. Die Anzahl dieser Centralbanken ist 3. Zum Schlusse erwahnen wir noch die genossenschaftliche Versicherung, die ihre Anwendung bei Orts-Pferdekassen, Rindviehkassen, Schweme-, Schafe- und Ziegen-Kassen, Feuerversicherung u. s. w. findet. * Aus dem Mitgeteilten ist wohl ersichtlich, dass der niederlandische Bauer nicht still sitzt, sondern mit seiner Zeit vorwarts schreitet. Die von ihm gebrauchten Werkzeuge, die Ausstellungen, die aUjahrlich in einer ganzen Anzahl von Orten abgehalten werden, die Wettstreite in den verschiedenen Zweigen des landwirtschaftlichen Betriebes — sie lassen deutlich erkennen, dass auch m den Niederlanden die Landwirtschaft und der Gartenbau nebst der Viehzucht mit Sachverstandniss betrieben werden, dass die Errungenschaften der Wissenschaft und der Praxis auch dem Landmann zugute kommen und dass er Vorteil daraus zu ziehen weiss. Mit Recht hat auch die Regierung die Förderung der Interessen von Landwirtschaft und Gartenbau zum Gegenstand unablassiger Sorge gemacht, und, in dem letzten Jahrzehnt vor allem, hat diese Fürsorge der Regierung sich sehr ausgedehnt. Es ist natürlich, dass an erster Stelle die Hebung des Unterrichts in Landwirtschaft und Gartenbau von der Regierung als ihre Aufgabe betrachtet wird. In Wageningen hat sie eine staatliche Hochschule für Gartenbau, Land- und Forstwirtschaft ins Leben gerufen, an der eine Anzahl von 25 Docenten tatig istvund an welcher in vierjahrigem Kursus Unterricht in der Landwirtschaft für die Niederlande und die Koloniën, in der landwirtschaftlichen Chemie und Technologie und im Gartenbau erteilt wird. Hier sollen u. a. die Manner herangebildet werden, die spater als Berater der Landwirte auf den verschiedensten Gebieten aufzutreten haben, wie Lehrer der Landwirtschaft, Molkereikonsulenten, Förster etc. Die Landwirtschaft wird also als Wissenschaft betrieben. Daneben findet man die staatliche Mittelschule lür Landwirtschaft und die staatlichen Mittelschulen für Landwirtschaft und Gartenbau, Winterschulen, 12 an der Zahl, in denen Söhne bemittelter Landwirte die nötigen theoretischen Kenntnisse sich zu erwerben vermogen, um mit Sachverstandnis ihr Fach ausüben zu können. Die staatliche landwirtschaftliche Mittelschule zu Wageningen hat vier Klassen, deren erste eine Voirbereitungsklasse und die vierte eine sogenannte indische Klasse ist, mit Rücksicht auf Sehüler, deren Bestimmung es ist, in Indien bei der Landwirtschaft tatig zu sein. Die Winterschulen für Landwirtschaft und Gartenbau werden, wie schon der Name sagt, allein wahrend der Wintermonate gehalten. Sie dauern zwei Winterhalbjahre. Für die Zulassung ist ein Alter von wenigstens 16 Jahren erforderlich. Ferner gibt es noch zwei vom Staate subventionierte landwirtschaftliche Mittelschulen, eine für Forstwirtschaft, Wiesenbau und Urbarmachung (Kulturtechnik) der „Niederlandischen Heidegesellschaft" und eine für Gartenbau, errichtet von der Niederlandischen Gesellschaft für sociale Fürsorge („Maatschappij van Weldadigheid"). Der landwirtschaftliche Elementarunterricht wird in den Winterkursen für Landwirtschaft und Gartenbau — circa 250 —•, die in verschiedenen Orten des Landes abgehalten werden, erteilt. In diesen Wmterkursen erwerben sich diejenigen die allernötigsten theoretischen Kenntnisse in ihrem Fache, die spater praktisch als Landwirt oder Gartner arbeiten wollen, und die meistens schon, nachdem sie genügenden Elementarunterricht empfangen haben, praktisch tatig gewesen sind. Der Unterricht wird allein in den Wintermonaten von erfahrenen und dazu befugten Personen erteilt. Die Kurse dauern zwei Winter. Sie sind von den landwirtschaftlichen Gesellschaften ins Leben gerufen worden; die Kosten ihres Unterhaltes dagegen tragt fast allein der Staat. Neben den obengenannten Anstalfen unterhalt der Staat noch eine Molkereischule zur Ausbildung künftiger Direktoren von Molkereien, ausserdem Kurse in der Milchverwertung, landwirtschaftliche Kurse fürs Militar, Kurse in Hufbeschlag etc. Zum Schlusse sei noch der Tatsache Erwahnung getan, dass für den Unterricht in der Landwirtschaft von Staats wegen dieses Jahr circa 380.000 Gulden in den Etat eingestellt worden sind. Als Ratgeber auf dem Gebiete der praktischen Landwirtschaft, des Gartenbaus und des Molkereiwesens, hat der Staat 12 Landwirtschaftslehrer, 9 Gartenbaulehrer und 12 Molkereikonsulenten angestellt. Die Ausbildung in der Tierarzneikunde ist der Staatsveterinarschule zu Utrecht übertragen, an welcher 12 Docenten und mehrere Hilfskrafte wirken und in der in vierjahrigem Kursus etwa 150 Schüier sich zum Tierarzt vorbereiten. Ferner ist in Rotterdam eine Staats-Serumanstalt errichtet worden, deren Aufgabe es ist, sowohl die ansteckenden Krankheiten unter dem Vieh zum Gegenstand ihres Studiums zu machen, als auch Mittel zur Bekampfung anzugeben und zu verabreichen. So wird von hier aus die Tuberkulose unter dem Rindvieh energisch bekampft und stellt die Staatskasse zu diesem Zwecke jahrlich einen grossen Betrag zur Verfügung. Auch den Impfstoff gegen die Maul- und Klauenseuche hat die Anstalt zur Verfügung und wendet denselben mit Erfolg bei der Bekampfung dieser Krankheit an. Wenn wir uns nicht irren, steht diese Anstalt einzig da in Europa. Zur Förderung der allgemeinen Gesundheit des Viehbestandes und zur Handhabung der, im Interesse dieser Gesundheit erlassenen, Gesetze und Verordnungen hat der Staat einen Veterinardienst organisiert, der von 9 Distrikts- und 160 stellvertretenden Distriktstierarzten wahrgenommen wird. Im Falie einer ansteckenden Krankheit unter dem Vieh, ist die Regierung berechtigt, aussergewöhnliche Districtstierarzte für kurze Zeit an zu stellen. Zur Bekampfung von Pflanzenkrankheiten hat die Regierung ein phytopathologisches Institut (Staatsanstalt) und einen mit diesem verbundenen phytopathologischen Dienst eingerichtet. Ein jeder, der meint, dass seine Gewachse von Krankheiten oder Insekten bedroht werden, kann hier die gewünschten Aufschliisse erhalten, um den Schaden auf ein Minimum zu beschranken. Dieses Institut ist angegliedert an die Hochschule für Gartenbau, Land- und Forstwirtschaft, ebenso wie das Institut für landwirtschaftliche Gerate und Gebaude, in welchem dem Landwirt Gelegenheit geboten wird, die Maschinen und Werkzeuge, welche er zu kaufen hat, von Sachverstandigen untersuchen und prüfen zu lassen, und in welchem er die wünschenswerte Auskunft über den Bau von Bauernwohnungen etc. erhalten kann. Als es sich zeigte, dass die so überaus notwendige Aufforstung brachliegender Landereien nicht ganz und gar der Initiative Privater überlassen werden konnte, hat der Staat grosse Flache unbebaut liegenden Landes angekauft, welches nun unter Leitung des „Staatsboscbbeheer" (Staatsforstverwaltung) bepflanzt wird. Ueberdies fördert die Regierung^ kraftig die Aufforstung brachliegender Landereien, die sich in Gemeindebesitz befinden, indem sie unverzinsliche Darlehen-bis zu einem Maximum von 120 Gulden per Hektar gewahrt urid von der Staatsforstverwaltung unentgeltlich Ratschlage und Winke erteilen lasst. Auch die Pferde- und Rindviehzucht bleibt nicht ohne staatliche Beihülfe. Das „Staats-Hengst-Fohlsndepot" zu Bergen-op-Zoom hat das Züchten geeignefer Deckhengste zur Aufgabe. Ferner unterstützt die Regierang die Aufzucht und das Halten erstklassiger Hengste, Stiere und anderer Zuchttiere durch namenhafte Betrage. Sie hat zu diesem Zwecke eine nicht unbedeutende Summe in den Staatshaushaltsetat eingestellt. Und niemals klopfen solche Vereine, wie die von Viehzüchtern etc, vergebens bei der Regierung an, wenn es sich um Beihülfe zur Verbesserung des Viehstandes handelt. Viel Schaden haben die Landwirte schon infolge der Falschungen und Betrügereien in Samereien, Düng- und Futtermitteln erlitten, Um ihnen beim Einkauf derselben zu Hülfe zu kommen, hat der Staat sechs landwirtschaftliche Versuchsstationen errichtet,von denen die nötigen Auskünfte und Aufschliisse erteilt werden und Kontrolle über die gelieferten Waren ausgeübt wird. Daneben machen diese Stationen alles zum Gegenstand ihres Studiums, was in das Gebiet der Chemie einschlagt und für die Landwirtschaft interesse hat. Um den Export der Erzeugnisse der Landwirtschaft und des Gartenbaus zu fördern, hat die Regierung verschiedene Massregeln genommen. So sind Gesetze erlassen worden, die dem unlauteren Wettbewerb steuern und den guten Ruf, dessen sich diese Produkte erfreuen, schützen sollen, wie das Buttergesetz, das Fleischbeschaugesetz, das Gesetz betreffend die Staatsbuttermarken, die Staatsaufsicht über die Butterkontrolle u. s. w. Und immer, wenn der Handel in den Erzeugnissen der Landwirtschaft und des Gartenbaus, infolge unlauteren Wettbewerbs, ins Gedrange kommen sollte, stehen sofort sachverstandige Beamte bereit, um handelnd einzugreifen. Selbstverstandlich stehen all die genannten Einrichtungen, Anstalten und Tatigkeiten unter kundiger und tüchtiger Leitung. Diese Leitung ruht in den Handen der Direktion der Landwirtschaft, die dem Ministerium für Landwirtschaft, Handel und Industrie angehört. An der Spitze des Direktoriums steht der Generaldirektor, der einen ganzen Stab hoher und niederer Beamten sowohl auf der Direktion selbst wie auch ausserhalb derselben zu seiner Verfügung hat. Regelmassig werden durch Berichte und Mitteilungen, wie auch durch Flugschriften, die für Landwirtschaft und Gartenbau interessanten Sachen von der Direktion zur allgemeinen Kenntnis gebracht. Dass ein solcher Dienst und alles, was die Regierung tut, bedeutende Ausgaben erheischt, ist begreiflich, und die Summe, die jahrlich für diesen Zweck im Etat vorgesehen ist, ist schon sehr bedeutend. Sie betrug z. B., 1907, gut fl. 2.130.000. Gewiss ein ganz ansehnlicher Betrag! Uebrigens sei die Bemerkung hier erlaubt, dass diese Ausgabe vollkommen gerechtfertigt ist durch die grosse Bedeutung, die die Landwirtschaft und der Gartenbau, sowie die Viehzucht, für die Wohlfahrt der Niederlande haben. Ausser dem, was das Land selbst von den Erzeugnissen derselben verbraucht, wird jahrlich für fast 120 Millionen Gulden ausgeführt, und zwar Fleisch für 27 Millionen Gulden, lebendes Vieh für 15 Millionen Gulden, Milchprodukte für 57 Millionen Gulden und Erzeugnisse des Gartenbaus für 18 Millionen Gulden. Man kann also mit gutem Recht behaupten, dass die Wohlfahrt des niederlandischen Staates zum grossen Teil auf der Wohlfahrt des Bauernstandes beruht. Das niederlandische Reer und die Kolomal-Hrmee Von D. C H. de Blocfc, fiauptmann tm Kgl. Grenadier- und XaSerrcStrncnt' 0O© I fcBGESEHLN von den kriegerischen Ereignissen Hin den Koloniën, ist Niederland eine der wenigen europaischen Machte, welche, wahrend der letzten 70 Jahre, weder im Ausland, noch innerhalb der Grenzen, die Waffen aufgenommen haben. ^^^^^^^^^ Dadurch wurde allerdings die oekonomische ■ ' Entwicklung des Landes gefördert, aber die 0Q0 Armee hat auch den Einfluss der langen Friedensdauer gefühlt. I W Bevor wir zur Schilderung der jetzt bestehen- den Zusammensetzung des Wehrstandes übergehen, erachten wir es für wünschenswert, einen BlicK auf seine geschichtliche Entwicklung zu werf en. Niederland, in erster Linie handeltreibende Nation, im Besitze eines grossen Kolonialreichs und einer Achtung gebietenden Flotte, rekrutierte seine Heere bis zu Ende des 18. Jahrhunderts in Hauptsache aus fremden Söldnern, deren grösstes Contingent Deutschland steilte. Die französischen Machthaber führten die Conscription ein und so sehen wir denn faktisch zum ersten Mal, im Jahre 1815, ein völlig organisiertes, zum weitaus grössten Teil aus Niederlandern bestehendes Heer im Kampfe um die Unabhangigkeit des Vaterlandes. Aber erst im Jahre 1829 verschwinden die fremden Mietstruppen ganzlich aus der Organisation. Der Kampf mit Belgien und Frankreich und die daraus entstandenen Verwickelungen (1830—1839), sowie die letzte glanzende Waffentat: die Verteidigung der Citadelle von Antwerpen, steigerten die Heeresstarke. So betrug diese denn am I. Juli 1831 insgesamt 91.000 Mann, bei einer Bevölkerung von ungefahr 2,6 Millionen Einwohnern. Nach 1840, als die Friedensjahre emtraten, wurden die Ersparnisse für den Staatssackel in Hauptsache bei der Armee gesucht, wovon eine Verringerung der Anzahl der Regimenter die Fo'ge war. Trotzdem betrug im Jahre 1846 das Heeresbudget noch 12 Millionen Gulden oder 17% sammtlicher Reichsausgaben. Das Jahr 1861 bescheerte ein neues Militargesetz, welches eine jahrliche Aushebung von 11.000 Mann vorschrieb; das kam 1 Mann auf je 300 Einwohner gleich. Die erste Uebungszeit wurde durch dieses Gesetz auf 1 Jahr festgesetzt, mit der Bestimmung, dass ein Teil der Miliz langer unter den Waffen gehalten werden dürfe. In der Praxis betrug die Dienstzeit infolgedessen meistens 17 Monate für die unberittenen und 24 Monate für die berittenen Watfengattungen. ■IBGESEHEN von den kriegerischen Ereignissen fnzwischen nahm, durch die lange Dauer der Friedensjahre, das Interesse an der Armee bei einem grossen Teil des Volkes zusehends ab, bis die, durch das Kriegsjahr 1870 bedingte Mobilisierung die grossen Mangel aufdeckte, welche unserm Heeressystem anklebten. Einführung der persönlichen Dienstpflicht und Reorganisation der Streitkrafte nach modernen Begriffen, waren die strittigen Punkte, welche sich mehr und mehr in den Vordergrund des allgemeinen Interesses drangten. Politische Einflüsse, wechselnde Kabinette wirkten indessen so hemmend, dass erst im Jahre 1901 das neue Milizgesetz, gefolgt durch das Landwehrgesetz, von den Kammern angenommen wurde. Auf diesen beiden Gesetzen beruht jetzt in Hauptsache die Zusammensetzung der Niederlandischen Armee. Ihre vornehmlichen Grundprinzipien umfassen : Persönliche Dienstpflicht; Starke der jahrlichen Aushebung: 17.500 Mann. Hiervon absolvieren 5200 Mann eine erste Uebungszeit von 4 Monaten; die übrigen — verringert mit +400 Mann für die Seemiliz — eine solche von 8)4 Monaten, insofern die unberittenen, und von 18 Monaten, soweit die berittenen Waffengattungen in Frage kommen. Zur Winterszeit und in dem Zeifabschnitt, in welchem die Rekruten noch nicht abexerciert sind, steht ein „bleibender Teil" von 2 Partien für 4 Monate zur Verfügung der unberittenen, und für 6 Monate zu der der berittenen Corps ; insgesamt höchstens 7500 Mann. Die Milizpflicht dauert 8 Jahre; der darauf folgende Landwehrdienst 7 Jahre. Wahrend der Wintermonate wird jungen Leuten Gelegenheit zur Vorübung geboten, wodurch Milizsoldaten, welche deshalb ein Diplom erhalten haben, nach ihrer Einziehung einige Vorteile geniessen. Das Kadre besteht zum grössten Teil aus Freiwilligen ; es werden jedoch die Anführer mehr und mehr der Miliz entnommen. Unter Berücksichtigung vorstehender Angaben, wird das Niederlandische Heer, sobald diese Gesetze ihre volle Wirkung geltend gemacht, eine Starke von rund 210.000 Mann erreichen. Das Verhaltniss zur Bevölkerung ist alsdann : 1 Mann auf je 27 Einwohner. Die Feldarmee zahlt jetzt rund 1900 Offiziere und 76.500 Mannschaften, die Besatzungstruppen belaufen sich auf 1150 Offiziere und 67.800 Mannschaften ; den Rest der Wehrmacht bilden die Territorialarmee und die Depóttruppen. Ausser in der eigenartigen Beschaffenheit des Gelandes, die jedem Fremden, namenthch in den westlichen Provinzen, mit ihren DAS NIEDERLAENDISCHE HEER UND DIE KOLONIAL-ARMEE ausgedehnten Polderstrichen, auffallen muss, sucht Niederland, im Kriegsfall, seine defensive Kraft in seinen Festungsanlagen. Neben den Küstenbefestigungen sind die hauptsachlichsten die ,Neue Hollandische Wasserlinie" und die „Stellung von Amsterdam". Erstere erstreckt sich, in einer Lange von +80 Kilometer, von Naarden nach Woudrichem; letztere, in Kreisform um die Reichshauptstadt angelegt, bildet sozusagen das Reduit der Landesverteidigung. Seit dem Inkrafttreten des Festungsgesetzes, vom Jahre 1874, wurden für diese Stellung schon ungefahr 25 Millionen Gulden verausgabt; die dafür noch benötigten Gelder werden auf 7 Millionen Gulden veranschlagt. In diese Summen sind die Ausgaben für Bewaffnung und Proviantirung nicht einbegriffen. Im Verein mit der Marine harrt des niederlandischen Heeres im Kriegsfall noch die Aufgabe, die, + 120 Kilometer lange, Küste des Festlandes gegen eine feindlicbe Landung zu sichern und die Zugange von der See her, zu verteidigen. Unterstützt wird es dabei durch die Panzerforts an den „Harssens" beim Kriegshafen Den Helder, am Nordseekanal bei IJmuiden und am „Nieuwen Waterweg" bei Hoek van Holland, wahrend das Fort „Pampus" Amsterdam an der Ostseite abschhesst. Mit Rücksicht auf den, uns zu Gebote stellenden, beschrankten Raum, vermochten wir nur eine kurze Uebersicht unserer Armee und der, zu Gebote sfehenden Verteidigungsmittel zu bieten, aber dieser Umstand soll uns doch nicht abhalten, auch noch mit einigen Worten der Militarmacht in Niederlandisch Ostindien zu gedenken. Die Schilderung der glanzenden Heldentaten dieser Armee, sei es auch nur wahrend der letzten Jahrzehnte, würde Bücher füllen ; deshalb müssen wir Wissbegierige auf die Kriegsgeschichte hinweisen. Nur sei hier, um wenigstens einigermaassen die Riesenaufgabe dieser Armee zu kennzeichnen, bemerkt, dass sie, in einer Starke von 1370 Offizieren und 35.000 Mann, worunter 11.000 Europaer, Ruhe und Ordnung in einem, 2 Millionen Km2, grossen, von mehr als 38 Millionen Eingebornen bevölkerten, Gebiet sichert. Um so mehr imponieren der Mut, die Disciplin, die Organisation, die Energie dieser Truppen, da ein grosser Teil der eingebornen Bevölkerung noch auf einer tiefen Culturstufe steht, nach Art der Dinge das moderne Kriegsrecht nicht anerkennt und, bei der geringsten Veranlassung, sich zur Empörung, gepaart mit orientalischem Fanatismus und Todesverachtung, hinreissen lasst. Besonders lobende Erwahnung verdient ganz gewiss das Elitecorps der Niederlandisch-Indischen Armee: die Marechaussée's (Feldjager) in der Starke (1 Januar 1908) von 18 Offizieren (5 Hauptleuten und 13 Oberleutnants) und 1292 Unteroffizieren und Mannschaften, die sich aus ausgesuchten eingebornen Soldaten rekrutieren, von denen je 20 unter Befehl eines europaischen Sergeanten stehen. Sei* Jahren führen sie in Atjeh einen Guerilla gegen fanatisierte Banden, deren Glieder sich zumeist dem Tod geweiht haben. Namenthch im Laufe der letzten Jahre handhabten die Marechaussée's ihren glanzenden Ruhm an verschiedenen Punkten des Archipels, bei jeder Waffentat, zu der sie verpflichtet wurden. * Vom oekonomischen Standpunkt aus mögen hier noch einige Zahlen betreffs der Niederlandischen Armee Erwahnung finden. Das Militar-Budget für das Jahr 1908 betragt 28,5 Millionen Gulden, in welche Summe u. a. alle militarischen Pensionen und die Kosten für die Gendarmerie einbegriffen sind. Auf jeden Kopf der Bevölkerung entfallen somit 5 Gulden. Diese Summe reprasentiert 14,6% des ganzen Reichsbudgets. Das Militarbudget für Niederlandisch Indien belauft sich auf 32.5 Millionen Gulden, welche Summe 18 % des Kolonialbudgets gleichkommt. Zum Schluss sei noch darauf hingewiesen, dass die antimili\ arische Propaganda in den beiden Heeren noch keine Wurzeln geschlagen hat. Wohl giebt es auch hier zu Lande einige Politiker, welche, bezüglich der Wehrmacht, der Anschauung huldigen: „Keinen Mann und keinen Cent", und auch Traumer, die des Glaubens sind, die Entwicklung der Völker sei schon auf einer solchen Bildungsstufe angelangt, dass der Weltfriede zur Tatsache geworden; aber der weitaus grosste Teil der Nation begründet seine Weltanschauung auf der bestenenden Weltordnung und nicht auf Zukunftstraumen. Der, im Parlament, wahrend der letzten Jahre, geführte politische Streit über die Frage der Landesverteidigung hat das allgemeine Interesse für die Armee sichtlich gesteigert. Mehr und mehr sieht man in ihr die Hauptstütze zur Handhabung der, für die allmahliche und dauernde Entwickelung der oekonomischen Interessen des Volkes so nötigen Ruhe und Ordnung. Auch betrachtet man mit vollem Recht die Genügeleistung der Militarpflicht als eine Lehrschule für die Entwickelung von Zucht, Ordnungssinn und gegenseitige Wertschatzung der verschiedenen Volksklassen. Und, falls die bittere Notwendigkeit die Armee zur Verteidigung des Vaterlandes aufrufen sollte, zweifeit niemand mehr daran, dass sie ihre Pflicbt voll und ganz erfüllen wird, eingedenk der schonen Devise unserer geliebten Königin : „Je maintiendrai." Die JNtederlandtscbe flotte Von f% ]Margadant Chefredacteur der „Zettecbrift für das Seewesen". 0O© dermaassen aus, dass sie in Theorie defensiv, aber gerade deshalb in ihren Akt ionen haufig (bei Chattam und Solebay) offensiy auftrat und sich als so vollkommen erwies, dass er im Stande war, damit die vereinigten Flotten von England und Frankreich von den niederlandischen Küsten zu vertreiben. In jenem Jahre erreichte Niederland den Gipfelpunkt seiner Macht zur See und De Ruyter den Zenith seines Ruhmes. In der Reife seines Genies führte er den Befehl über eine vorzüglich ausgerüstete Flotte, trefflich secundiert durch Flaggenoffiziere (Viceund Contreadmirale), welche — der jahzornige und eigensinnige Corn. Tromp schliesslich nicht ausgenommen — ihm vertrauten und gehorchten ; durch eine Bemannung, die ihn anbetete ; durch eine Regierung, die ihm freie Hand liess und durch ein Vojk, das ihn ehrte als Retter des Vaterlandes. Im Jahre 1674 wurde in Nijmegen mit England Friede geschlossen, ein Friede der, wahrend der darauf folgenden hundert Jahre, nicht mehr gestort wurde. Mit diesem Zeitpunkt begann der Zerfall der Flotte, der sich schon in der schwachen, ungenügenden Macht bemerkbar machte, mit welcher De Ruyter, im Jahre 1676, nach dem Mittellandischen Meer gesandt wurde. Obwohl Du Ouesne der Tactik De Ruyters nicht gewachsen war, endete die Expedition, nach dem Tode des Seehelden, zu Palermo, in verhangnissvoller Weise. Die Aufmerksamkeit und die Fürsorge des König-Statthalters Wilhelm III. waren, nach Lage der Dinge, mehr der Armee als der Flotte zugewendet, namenthch als Frankreichs Seemacht, 1697, bei La Hoque, durch die vereinigten engiischen und niederlandischen Flotten vernichtet worden war. Der Kauffarteiflotte, welche sich rapide entwickelt hatte, vermochte die geschwachte Kriegsflotte keinen genügenden Schutz mehr gegen die Kaperschiffe angedeihen zu lassen ; dadurch litt auch das niederlandische Ansehen in Ost- und Westindien. Der lange wahrende Friede und die, aus allen Weltteilen zufliessenden, Reichtümer entnervten die Nation und ertöteten die alte Energie, sodass das Volk, in der btunde der Gefahr, völlig unvorbereitet war und die reiche Handelsflotte eine leichte Beute vortrefflich gerüsteter Feinde und Freibeuter wurde. Am 5. August 1781 kam es noch einmal zu einem Treffen zwischen einem englischen Geschwader von 7 Schiffen unter Parker, der eine Kauffarteiflotte aus dem Sunt nach Hause begleitete,, und einem niederlandischen Geschwader, von gleicher Starke, unter Zoutman. Der Kampf blieb unentschieden; er war aber deshalb I IK Geschichte der Niederlandischen Marine ist so ruhmreich, dass wir im Sinne der Leser zu handeln glauben, wenn wir einen, sei es auch nur flüchtigen Bliek in die Vergangenheit derselben werf en. Zuerst haftet dieser Bliek an den Nusschalen der „Watergeuzen", womit sie T Den Briel eroberten und damit die Losung ausgaben zu dem blutigen Krieg, der 80 Jahre hindurch in den Niederlanden wütete ; mit denselben Schiffchen griffen sie spater die spanische Königsflotte in den seelandischen Gewassern und in der Zuiderzee an, schlugen damit Admiral Bossu und hessen sich spater durch die Flut nach Leiden tragen, wo die halbverhungerte Bürgerschaft sie mit Jubel empfing. Langsam aber zusehends wüchs die kleine Flotte in Zahl und Grosse der Schiffe, bis sie, im Jahre 1588, sich an der Vernichtung der „Armada" beteiligen konnte und sich schliesslich, unter Tromp, im Jahre 1639, zu einem gefürchteten Geschwader entwickelte, das auf der Rhede von Duins, unter dem Bereich der englischen Battenen, die letzte Hoffnung der Spanier in den Rauch und die Flammen ihrer zweiten Armada aufgehen liess. Dieselbe Flotte jagte schliesslich, unter demselben Führer, im Jahre 1652, den englischen Admiral Blake aus dem Kanal nach sicheren Hafen. Die Entwicklung des Welthandels und das gewonnene Kolonialreich nötigten die Generalstaaten, die, durch Freibeuter bedrohte, Kauffarteiflotte unter den Schutz von Kriegsschiffen zu stellen, insofern der Handel sich, durch Bewaffnung seiner Wachtschiffe und auf andere Weise, nicht selbst zu schützen vermochte. Dies war der Ursprung der grossen Flotte und die Lehrschule der grossen Seehelden, die die zweite Halfte des XVII. Jahrhunderts zum ruhmreichsten Zeitabschnitt der Niederlandischen Geschichte gestaltet haben. Cromwell's Navigationsacte, einer der wirksamsten Versuche Englands, um Niederland die Frachtschiffahrt zu entreissen, war der Ansporn, und ihre Uebertretung in erster Linie die Ursache der blutigen Seekriege, die im Zeitabschnitt 1652—1672, mit kurzen Zwischenraumen, zwischen den beiden Reichen ausbrachen. In diesem Riesenstreit entwickelten sich die beiden Gegner zu gefürchteten Seemachten. Auch nach dem Sieg der Niederlander bei Kijkduin blieb dieser Streit noch unentschieden. De Ruyter, der die tactischen und strategischen Lehren seines grossen Vorgangers, Maarten Tromp, sich gut zu Nutzen machte, gestaltete seine Flotte von Interesse, weil ex in's Licht steilte, dass in einem Krieg die Hülfe eines schwachen Bundesgenossen durchaus nicht zu verschmaben ist, ja oft ausschlaggebend werden kann. England namlich lag im Streit mit seinen amerikanischen Koloniën und die 7 Schiffe von Parker waren dazu bestimmt, die Flotte des Admirals Graves zu verstarken. Als nun Niederland sich an die Seite der Aufstandischen schaarte, wurde Parkers Geschwader, vor seiner Abfahrt nach Amerika, angewiesen, erst die Ostseeflotte, welche die Hollandische Küste passieren musste, unangefochten nach Hause zu führen. Im Gefecht bei Doggersbank erlitten seine Schiffe jedoch solche Havarie, dass sie ihrer ursprünglichen Bestimmung nicht mehr zu folgen vermochten. Graves, der die Verstarkung vergebens erwartete, griff mit 19 Schiffen die 24 französischen Schiffe, unter De Grasse, in der Chesaspeake-Bai an, aber mit solch geringem Erfolg, dass, als De Grasse durch ein Geschwader von 8 Schiffen unter Barras verstarkt wurde, Graves seine Flotte nach New-York in Sicherheit brachte. De Grasse konnte nunmehr die ganze Anfuhr für die englische Armee abschneiden, welche im October kapitulieren musste. Hatte Graves, bei seiner Begegnung in der Chesapeake-Bai mit de Grasse, auch die 7 Schiffe von Parker zu seiner Verfügung gehabt, wer weiss, ob dann die Weltgeschichte keinen andern Lauf genommen hatte! Noch einmal, im Jahre 1797, maassen die alten Gegner ihre Krafte. Bei Kamperduin wurden 16 batavische Schiffe, mit einer Armirung von 1028 Geschützen und einer Bemannung von 7175 Köpfen, unter dem Befehl des frühern niederlandischen Cavallerieoffiziers De Winter, durch die englische Flotte, in der Starke von 16 Schiffen, mit 1066 Geschützen und einer Bemannung von 8315 Köpfen, unter dem kundigen und tapfern Admiral Duncan, angegriffen. Das Endresultat des Kampfes war die Vernichtung der Niederlandischen Flotte und die Gefangennahme De Winters, des ersten niederlandischen Admirals, der je vor seinem Gegner die Flagge gestrichen hatte und in dessen Hande gefallen war. Der Umstand, dass auf beiden Seiten ein Fünftel der Bemannung ausser Gefecht gesetzt wurde, bewies, dass der Streit mit grosser Erbitterung geführt worden war. Nach diesem betrübenden Ereignis machte der Verfall der Flotte rasche Fortschritte. Nur noch in den ostindischen Koloniën verrichtete sie Handlangerdienste im Interesse der Armee, die auf Java, Bali, Borneo, Celebes und Sumatra stets gegen die rebellischen Eingebornen auftreten musste. Obwohl im Zeitraum 1891—1899 die niederlandische Kauffarteiflotte um 35% zunahm, gegen 38.4% von Deutschland, 22.1% von England und gegen 27.4% von der ganzen Welt, blieb die niederl. Kriegsflotte gegenüber denen der übrigen Machte, aus leicht erklarlichen Gründen, um ein ganz bedeutendes zurück. Momentan verfügt Niederland über eine Flotte von 27 Kriegsschiffen in der Grosse von 6500 Tons bis 220 T. Wasserverdrangung, einige Kreutzer und 47 Torpedoboote, mit einer disponiblen Bemannung von 680 Offizieren, 2336" Unteroffizieren, 6117 Freiwilhgen, 1600 Milizsoldaten, und einer Reserve von 124 Offizieren, 136 Mascbinisten, 102 Matrosen und 50 Heizern. Vergleicht man diese Ziffern mit denen benachbarter Kriegsflotten, dann muss zugegeben werden, dass die niederlandische Flotte mehr für die Küstenverteidigung und die Wahrung der Neutraliteit berechnet ist, als für ein agressives Auftreten. Aber doch würde sie, falls sie im Bunde mit einer Grossmacht, in einen Kampf mit einer anderen Grossmacht verwickelt würde, letzterer viel Kopfzerbrechen verursachen und sie jedenfalls zwingen, einen Teil ihrer Seemacht abzusondern, um die niederlandischen Schiffe zu verhindern, die Hafen zu verlassen. In Indien allerdings beweist die Flotte bei der Unterwerfung inlandischer Feinde ausgezeichnete Dienste. In Atjeh brachte sie schon manchen renitenten Hauptling zur Besinnung; auf Bali und Lombok trugen die weittragenden Geschütze der Panzerschiffe nicht wenig zum brechen des Widerstandes bei und als der Entscheidungskampf zwischen der russischen und japanischen Flotte bevorstand, sorgten fünf vollwertige Panzerschiffe an den Grenzen des Kolonialgebietes für die Aufrechterhaltung der Neutralitat Dass eine kleine Flotte in ihren Unterteilen gross sein kann, beweist die Treffflichkeit des Materials und des Personals des niederlandischen Torpedodienstes, der, gleich dem der danischen Marine, von sehr befugter Seite, qualitativ als der beste anerkannt wird. Auch das niederlandische Seeoffizierskorps ist voll und ganz für alle Aufgaben berechnet, die ihm in friedlichen aber auch in ernsten Zeiten gestellt werden sollten. — Das jNiederlancUöcbe Gisenbabnwesen 3G0SSGK Die erste Ausbreitung war, nach dem Anbrechen besserer Zeiten, die Linie Haarlem—Uitgeest, die im Jahre 1867 fertig gestellt wurde und die Verbindung mit der Staatslinie Amsterdam—Den Helder bildete. Darauf folgte die Anlage der Linie Amsterdam—Amersfoort, mit einer Seitenlinie Hilversum—Utrecht. Hierfür wurde im Jahre 1870 die Concession verliehen, mit der ausdrücklichen Bestimmung jedoch, dass Zutphen und nicht Amersfoort der Endpunkt werden müsste. Im Jahre 1876 wurde der Betrieb der Linie Zutphen—Winterswijk von der Niederlandisch-Westphahschen Eisenbahngesellschaft übernommen und zwei Jahre spater eröffnet. Im gleichen Jahre errichtete die Regierung in der offenen Hafenfront zu Amsterdam eine neue Station; die Verbindung mit dieser machte die Verlegung der alten Linie Haarlem—Amsterdam, von Sloterdijk bis Amsterdam, notwendig. Die östlichen und westlichen Linien wurden, vom Jahre 1879 an, in der Centralstation vereinigt. Fünf Jahre spater baute die Gesellschaft die kurze Linie Velzen— IJmuiden, um diesen neuen Fischershafen dem Netz anzugliedern. Im Jahre 1884 übergab die Regierung der Gesellschaft die Linie Zaandam—Hoorn, die spater bis Enkhuizen und von Stavoren nach Leeuwarden verlangert wurde, in Betrieb und wurden die Localbahnlinien : Winterswijk—Neede, Ruurlo—Hengelo, Winterswijk—• Zevenaar und Ruurlo—Doetinchem, dem Verkehr übergeben. Zwei Jahre danach wurde ihr der Betrieb der Linie Amersfoort— Resteren übertragen und nahm sie die Linie Nijmegen—Cleve in ihr Netz auf; im Jahre 1887 geschah das gleiche mit der Linie Hoorn—Medemblik und den Linien Zwolle—Hattem—Dieren via Apeldoorn, und wieder zwei Jahre spater konnte sie die directe Linie Amsterdam—Köln, via Hilversum, Amersfoort, Nijmegen— Cleve dem Verkehr übergeben. Schliesslich wurde der Hollandischen Eisenbahngesellschaft der Betrieb der Linie Schiedam—Hoek van Holland übertragen, wodurch sie, im Verband mit der, kraft des Eisenbahnvertrags vom Jahre 1890 zugebilligten, Mitbenutzung der Linien Rotterdam—■ Esschen und Rotterdam—Amersfoort, sowie infolge der Eröffnung der Linie Rotterdam—Nijmegen, in directe Verbindung mit allen Teilen des Auslandes trat. Hieraus entwickelte sich ein bedeutender internationaler Verkehr auf ihren Linien. Seit dieser Zeit ist die Hollandische Eisenbahngesellschaft, durcb Concessionen, Uebereinkünfte und Ankauf in den Besitz zahlreicher Strassenbahnlinien gelangt und hat sie auch die Linien der IE Hollandische Eisenbahngesell- Dl s c n a i t ist die alteste Lreseilschart dieser Art I in Niederland ; ihre erste Linie, von Amsterdam I nach Haarlem, wurde am 20. September 1839 I eröffnet, nachdem am 1. Juli 1836 dazu die Concession erteilt worden war, unter Vorbehalt der Regierung, dass erst spater, wenn sich die Tauglichkeit herausgestellt, eine Verlangerung nach Leiden, Haag und Rotterdam in Erwagung gezogen werden solle. Die Sympathie des Publikums für dieses neue Verkehrsmittel war von Anfang an sehr gross und am 22. Juni 1840 wurde die Anlage der Linie, vorlaufig bis nach Haag, spater auch nach Rotterdam, gebilhgt. Am 3. Juni 1847 hatte man die Linie bis Rotterdam voDendet. Der Weg war mit doppeltem Geleise, in 2 Meter Schienenweite, angelegt. Diese Weite wurde, im Streit mit dem Gutachten der Gesellschaft, auf Befehl der Regierung, angenommen, die spater zu einer Schadenvergütung nicht zu bewegen war, als die, überall angenommene Normal-Schienenweite sich auch hier als eine Notwendigkeit herausstellte Im Jahre 1866 hatte die Gesellschaft die Aenderung der Schienenweite auf eigene Kosten vollendet und seit dieser Zeit auch als Norm für Local- und Strassenbahnen beibehalten. Obwohl in Holland, bei der Anlage von Eisenbahnlinien, von Tunnels und ahnlichen Bauten keine Rede ist, war der Bau der obengenannten Linie doch sehr kostspielig und erforderte, infolge des sumpfigen Bodens und der zahlreichen Wasseradern, die überbrückt werden mussten, viel Sorgfalt. Zwischen Amsterdam und Rotterdam liegen nicht weniger als 98 Brücken, wovon 12 bewegbare. Obwohl das reisende Publikum, wie bereits erwahnt, von dem neuen Verkehrsmittel sehr eingenommen war, beobachteten die Gemeindeverwaltungen eine unbegreifliche Zurückhaltung und wetteiferten, bei der Anlage der Linie und beim Betrieb derselben, mit Privatpersonen im ausklügeln von vielfach eingebildeten Schwierigkeiten, die allerdings überwunden wurden, aber ungeheure Kosten verursachten. Viele Plane wurden, betreffs Ausbreitung der Linie, entworfen, obwohl die Resultate sich für die Unternehmer durchaus nicht als gunstig erwiesen. Der Verkehr gestaltete sich befriedigend, die Instandhaltung der Linie jedoch sehr kostspielig. Süd-Hollandischen Electrischen Eisenbahngesellschaft Rotterdam— Haag—Scheveninger Kurhaus via Pijnacker mit Erfolg in Betrieb gesetzt. Statistiken. Ende igo? 416 Locomotiven für Haupt- u. Localbahnen, 33 „ „ Strassenbahnen, 956 Wagen für Hauptbahnen, II29 „ ,, Localbahnen, 397 Bagagewagen, 6269 Güterwagen mit einer Tonnen-Tragkraft von 78.518 T. Im Jahre 1907 befördert: 22.179.567 Reisende, ausser den Abonnementskarten, ferner 4.116.351 Tonnen Güter, ausser Pferden, Vieh und Wagen. * * Die Gesellschaft zum Betrieb der Niederlandischen Staatsbahnen besitzt das grösste Eisenbahnnetz im Lande und bietet, mit Ausnahme in der Provinz Nord-Holland, den Reisenden Gelegenheit, beinahe alle in den Niederlanden an der Bahn gelegenen Ortschaften, langs ihrer Linien, zu erreichen. Die Lange der, durch die Gesellschaft, in Betrieb genommenen Eisen- und Strassenbahnstrecken betrug am Ende des Jahres 1907: 1.473.443 Km. Hauptlinien, 249.422 Km. Kleinbahn und 11.800 Km. Strassenbahn, insgesamrht also 1.734.665 Km. Mit Einbegriff der 135.433 Km. Eisenbahn, wovon die Gesellschaft das Mitbenutzungsrecht besitzt, betragt also die Gesammtlange 1.870.098 Km. Mit Recht kann die Gesellschaft stolz sein auf die imponirenden Kunstbauten, deren Anlage in dem wasserreichen Lande nötig war. Die Brücken, namenthch das Riesenwerk über das Hollandsen Diep, in der Nahe von Moerdijk, wecken die Bewunderung der Reisenden aus aller Herren Lander für die hohe Wissenschaft niederlandischer Ingenieure. Diese betatigte sich in hervorragender Weise bei der Anlage der Linie Rotterdam—Dordrecht. Man betrachte nur das lange, eiserne zweigleisige Viaduct, welches den, auf dem rechten Ufer gelegenen Stadtteil ganz durchschneidet; darauf folgt eine grosse, feste Brücke über die „Nieuwe Maas", dann eine Drehbrücke über den Koningshaven, die den Schiffahrtsverkehr vom Fluss, oberhalb der Stadt, aus mit der See ermöglicht. Schliesslich führt bei Dordrecht eine feste Brücke, mit Anschluss, an eine Drehbrücke, über die Alte Maas. Bedeutende Kunst-Wasserwerke erforderte auch die Linie Rosendaal—Vlissingen, bei deren Anlage sich die Notwendigkeit herausstellte, zwei Meeresarme durch schwere, den Sturmfluten trotzende Damme abzuschliessen. Um dadurch nicht den Schiffsverkehr zu hemmen, war es nötig, zwei Kanale zu graben, deren einer wiederum überbrückt werden musste, um den Bahnverkehr zu ermöglichen. Im würdigen Verhaltniss zu diesen Kunstbauten stehen die, zumeist in characteristisch hollandischem Baustyl aufgeführten, sehr praktisch und dabei doch geschmackvoll eingerichteten Bahnhöfe, z. B. in Nijmegen, Herzogenbusch, Rosendaal und vor Allem der in Amsterdam ("Centralbahnhof), welcher ein Wunderwerk der Technik genannt werden muss. Mit der Aufzahlung und Beschreibung ahnlicher Kunstbauten könnte man einen dickleibigen Buchband füllen, aber obiger kurzer Hinweis dürfte dem Leser bereits eine, wenn auch schwache Vorstellung davon gegeben haben, mit weichen Schwierigkeiten der raticnelle Betrieb einer Eisenbahn in einem wasserreichen Lande verknüpft ist. Die Üebernahme der Linien der „Niederlandischen Rhein-Eisenbahn-Gesellschaft", im Jahre 1890, nötigte zu weiter n, umfangreichen Ausbreitungsanlagen. Die lang gewünschte und notwendige Verbindung mit Amsterdam und 's-Gravenhage war erreicht und konnte zwischen diesen beiden Stadten und Rotterdam einerseits, und Deutschland, via Emmerich, andrerseits eine schnelle und kurze Verbindung hergestellt werden, wahrend auch der Verkehr zwischen Amsterdam—Belgien—Frankreich und Vlissingen—Englknd durch die Staatsbahngesellschaft völlig unterhalten werden konnte. Die Gesellschaft gewann damals überdies einen bedeutenden Einfluss auf die „Niederlandische Central-Bahngesellschaft", was zur Folge hatte, dass, unter Mitwirkung der letzteren, gute Schnellzugver- bindungen zwischen Amsterdam, sowie den südhollandischen Stadten und den nördlichen Provinzen, hergestellt werden konnten. Im Laufe der Jahre wurde auch, durch die Einlage einiger Morgen- und Abend-Schnellzüge, welche spater noch durch, beim Publikum sehr beliebte, Mittags-Schnellzüge eine willkommene Anfüllung erhielten, der Verkehr zwischen Amsterdam, Rotterdam, Haag und dem Norden, dem Osten, Süd-Limburg und Seeland bedeutend entwickelt. Auch dem Personenverkehr mit dem Ausland wurde eingehend Rechnung getragen. Wahrend früher die durchgehenden Wagen langs des Rheines nicht weiter liefen als bis Köln und Frankfurt, nehmen sie jetzt ihren Weg bis Basel, durch die Schweiz nach Mailand, Genua und Ventimiglia, ferner nach dem Grossherzogtum Baden, Württemberg, dem Bodensee, Bayern, Thüringen, Böhmen, Sachsen, Berlin, Bremen, Hamburg, Kissingen, Wien u.s.w. Auch von Amsterdam nach Belgien und Frankreich und nach Vlissingen, im Anschluss an die Boote der „Zeeland" nach England, laufen durchgehende Wagen. Besondere Erwahnung verdienen die D-Züge von Amsterdam, Rotterdam und Plaag nach Wiesbaden und Frankfurt und umgekehrt, sowie die durchgehenden Postzüge nach Vlissingen und die Züge von Amsterdam nach Leipzig und Dresden über Thüringen. Auch wurden, in Uebereinstimmung mit der Internationalen Schlafwagengesellschaft, Luxus-Züge von Amsterdam und Haag, über Frankfurt und Lycn, nach Marseille und der französischen Cöte d'Azur : der sogen. Riviera-Express, eingerichtet. Kurzum, in allen hauptsachlichen Schnellzügen nach und vom Ausland findet man Restaurations- und Schlafwagen, um die Reise angenehm zu gestalten. Der Bequemlichkeit der Reisenden von und nach England über Vlissingen ist besonders Rechnung getragen. Den Anschluss-Zügen an die Tag-Boote sind Schlafwagen nach und von Hamburg, Berlin, Kissingen und München, also sowohl nach Nord- und Mittel-Deutschland als auch nach Süd-Deutschland, eingefügt; den an die Nacht-Boote : Restaurationswagen nach und von Hamburg, Berlin und Basel, wahrend in den Postzügen, nach verschiedenen Richtungen hin, durchgehende Wagen laufen. Zur Bequemlichkeit des Publikums, hat die Gesellschaft auch Auskunftsstellen in den Centren der grossen Stadte Amsterdam, Rotterdam und Haag, im Sommer auch im Scheveninger Kurhaus, sowie ein Rundreise-Bureau in Utrecht errichtet. Auch im Ausland bestehen die gleichen Einrichtungen in Brussel, London, Berlin und Newyork. Das Publikum macht davon gern und ausgiebig Gebiauch. Die Entwicklung des Reisenden-Verkehrs wurde, vor Allem seit 1890, durch das Anbieten billiger Reisegelegenheit und Verbilligung der Tarife sehr gefördert. Dazu wurde durch die Einführung von Kilometerbüchern, im Jahre 1896, viel beigetragen. Seit dieser Zeit wurde auch das sogen. Ferienkarten-System sehr ausgebreitet, das anfanglich nur für einige Strecken und zu bestimmten Tagen giltig war, spater aber auf den wechselseitigen Verkehr zwischen allen, auf niederlandischem Grundgebiet gelegenen Stationen der S. S., N. C. S. und N. B. D. S., ja selbst auf vereinzelte in Deutschland ausgedehnt wurde. Ausser diesen allgemeinen Ferienkarten wurden auch noch besondere Ferienkarten, für den Verkehr zwischen Amsterdam, Rotterdam, Haag und Leiden und verschiedenen, in den viel besuchten, schonen Landstrichen von Utrecht und Gelderland gelegenen Stationen ausgegeben. Diese Karten sind für die meisten Züge giltig. Ausserdem wurden auch noch Couponbücher für zehn Einzelfahrten zwischen Amsterdam—Plaag—Rotterdam und umgekehrt und zwischen Rotterdam—Dordrecht zur Verfügung des Publikums gestellt. Grössere Gesellschaften geniessen, bei Benutzung der Linien, Preisermassigung. Davon, dass das Publikum von diesem vielseitigen und günstigen Entgegenkommen ausgiebigen Gebrauch macht, zeugt das zunehmende Ertragniss des Reisendenverkehrs. So ist vom Jahre 1901 bis 1907 die Anzahl solcher Reisenden, welche gewöhnliche Fahrkarten benutzten, von 12 Millionen auf 15 Millionen und das Ertragnis des Reisendenverkehrs, mit Einbegriff von Abonnementskarten und Kilometerbüchern, in derselben Zeit von 11 Millionen auf 13^ Millionen gestiegen. Das Ertragnis per Tag-Kilometer stieg in diesem Zeitabschnitt von 49.5 auf 56 Gulden. Auch der Entwicklung des Güterverkehrs wurde in weitgehendstem Maasse Rechnung getragen. Um den Vertretern des Handels in den beiden grossen Kaufstadten des Landes die Gelegenheit zu bieten, ihre Wünsche und Beschwerden direct an leitender Stelle bekannt zu machen, finden, jeden zweiten Dienstag, in, dafür besonders emgerichteten, Bureaux Conferenzen zwischen dem, von einem Oberbeamten begleiteten, Generaldirector der Staatsbahnen und den Interessenten statt. Eine weitere, vom reisenden Publikum sehr dankbar anerkannte, Neuerung ist die Einstellung neuer Personenwagen, die sehr bequem und geschmackvoll eingerichtet sind und denen auslandischer Gesellschaften in kcïner Weise nachstehen. Der Sitzraum in den Abteilen wurde, durch Verringerung der Anzahl Sitzplatze, vergrössert. Die meisten Wagen sind mit Aborten und Wascheinrichtungen versehen und die Wandelgange ermöglicben die Verbindung mit den Speiseund Schlafwagen. Dampfheizung sorgt, auch zur kaltesten Winterszeit, für eine angenehme Erwarmung der Wagen. Für die Beleuchtung wird, durch electrische Glühlampen, ebenfalls gut Sorge getragen ; nur noch vereinzelt ist Gasbeleuchtung vorhanden. Durch Anschaffung grösserer und schwerer Locomotiven, welche durch die Einstellung schwererer Wagen bedingt wurde, konnte die Schnelligkeit cler Züge bedeutend erhöht werden. Seit der Uebernahme der Linien der früheren Rhein-Eisenbahn wurde das Schienennetz der Gesellschaft, durch die Eröffnung der neuen Linien von Sauwerd nach Roodeschool und von Sittard nach Herzogenrath, noch vergrössert; letztere ist deshalb von grosser Bedeutung, weil an sie die Verbindungslinien der in Betrieb gesetzten Steinkohlengruben „Oranje-Nassau", „Laura en Vereeniging", „Carl" und die Staatsgrube „Wilhelmina' anschliessen. Noch andere Gruben-Anschlüsse sind in der Anlage einbegriffen und da eine bedeutende Zunahme des Transportes auf dieser Linie zu erwarten ist, wird bei Heerlen ein grosses Rangier-Terrain angelegt. Augenblicklich ist die Gesellschaft damit beschaftigt, die Vorbereitung zu der Anlage einer Bahnlinie von Eindhoven nach Weert zu treffen, welche eine bedeutende Kürzung des Abstandes von Süd-Limburg nach dem Centrum des Landes bezweckt, was nicht allein der Personenbeförderung, sondern auch dem Steinkohlentransport zu gute kommen wird. Eine weitere Ausbreitung erhielt das Netz der Gesellschaft durch die Anlage der Verbindungsbahn um Rotterdam, welche, wiewohl nur von geringer Lange, das bis dahin fehlende Ghed zwischen den Strecken Amsterdam—Utrecht nach Dordrecht—Rozendaal bildet. Die bedeutendste Ausbreitung wurde dem Netze indessen durch die partielle Eröffnung des „Noord-Ooster Lokaal-Spoorweg" zu teil. Jedoch nicht allein durch die Anlage neuer Linien, sondern auch durch den Ankauf auswartiger Bahnen wurde das Netz der Gesellschaft vergrössert. Zu Anfang des Jahres 1899 übernahm die Gesellschaft den Betrieb der Strecke Maastricht—Visé der Privatbahn Lüttich—Maastricht, deren niederlandischer Teil durch den Niederl. Staat von Belgien angekauft war. Kurze Zeit vorher hatte die Gesellschaft den Betrieb der, durch das Reich, von der grossen belgi sehen Centralbahn angekauften, auf niederlandischem Grundgebiet liegenden Bahnen, übernommen. Die bauptsachhehste davon war die Linie von der belgischen Grenze zwischen Lanaken und Maastricht nach der deutschen Grenze zwischen Simpelveld und Aachen. Die Linie ist für die Personenbeförderung nach dem Geuldal und für den Steinkohlentransport von grosser Bedeutung. Die zweite, im Jahre 1898, übernommene Bahn lauft von der belgischen Grenze, zwischen Hamont und Budel, langs Weert und Roermond nach der deutschen Grenze zwischen Vlodrop und Dalheim. Diese Linie bildet einen Teil der bedeutsamen Strecke von Antwerpen über M. Gladbach nach Düsseldorf, woselbst sich der Verkehr so bedeutend entwickelte, dass die Anlage des zweiten Gleises sich als eine Notwendigkeit herausgestellt hat. Die dritte übernommene Linie führt von Tilburg nach der belgischen Grenze, zwischen Baarle-Nassau und Turnhout; sie hat durch die Anlage der auf der belgisch-niederlandischen Grenze gelegenen grossen Uebergangsstation Baarle-Nassau (Grenze) an Bedeutung gewonnen. Noch wurde ein zweites Geleis zwischen Zevenaar und Arnhem und zuletzt zwischen Zwolle und Meppel gelegt, wahrend jetzt zwischen Zutphen und Deventer und Herzogenbusch und Tilburg Geleisverdoppelungen in Vorbereitung sind und auch erwogen wird, ohne Berücksichtigung der grossen Eisenbahnbrücken über Maas und Waal, eine zweite Linie von Waardenburg nach Herzogenbusch zu legen. Wahrscheinlich wird der Gesellschaft auch noch der Betrieb der neu anzulegenden Bahn Deventer—Ommen übertragen werden. — Dte JMittelstandsbewegung. €ntstebung und entwicklung. — «lecbselbeziebungen zwiscben ftandeltreibenden und Industriellen. — JNlittelstands-einricbtungen. Von X 8. JMeuwsen, Vorsitzender des ]VIittelstandsbundes. N beinahe allen europaischen Staaten beansprucht Ider Mittelstand die Aufmerksamkeit von Mannern der Wissenschaft und der Regierungen für seine zukünftige oekonomische Entwicklung. Auch der niederlandische Mittelstand tut dies, | wenn auch spater, als dies in benachbarten Staaten der Fall gewesen. Langer als ein volles Jahrhundert blieb namlich der Kleinhandel in Niederland unorganisiert. ^ Als, ungefahr um das Jahr 1798, die französi¬ sche Revolution gar vielen Institutionen ein Ende bereitete, mussten auch die Gilden, welche sich überlebt hatten, dem freien Wettbewerb weichen, obgleich sie früher vortreffliche Dienste geleistet hatten. Aber eine andere Organisation, welche die Gilden zu ersetz.en versuchte, wurde im XIX. Jahrhundert nicht gegründet. Es hatte selbst den Anschein, als ob der Mittelstand abgewirtschaftet habe. Verschiedene Nationaloeconomen weissagten denn auch schon seinen unvermeidlichen Untergang. Ursache für diese unheilvolle Prophezeihung war zur Genüge vorhanden, denn alle angewandten Mittel, diesen Stand aus seinem Schlaf aufzurütteln, erwiesen sich als erfolglos. Erst gegen Ende des vorigen Jahrhunderts gab der Mittelstand einige Lebenszeichen. Die Ursachen dieses Erwachens waren verschiedener Art; so trug an erster Stelle die Entwicklung der Consumvereine dazu bei, welche, allerorts, durch active und pensionirte Offiziere und Beamte gegründet, dem handeltreibenden Mittelstand merkbaren Schaden zufügten. Daraus erklart sich, dass der erwachende Mittelstand in dem Schreckbild „Consumverein" die ausschliessliche Ursache seines Rückgangs vermutete. Die Handier concentrirten denn auch auf diese Vereine ihre volle Aufmerksamkeit, was zur Folge hatte, dass, unter dem Namen „Algemeen Belang" ein nationaler Verein errichtet wurde, der gar bald im ganzen Lande Unterabteilungen zahlte. Der Zweck dieses Vereins war jedoch zu einseitig, da er ausschliesslich in der Bestreitung der Consumvereine bestand. Die Folgen blieben deshalb nicht aus: gegen Ende des vorigen Jahrhunderts (1899) verschwand „Algemeen Belang" von der Bildflache. Ungefahr um dieselbe Zeit entstand in Amsterdam der „Algemeene Winkeliersvereeniging" (Ladenbesitzerverein), welcher diret t die social-oeconomischen Interessen seiner Mitglieder beherzigte und infolgedessen als der eigentliche Begründer der gegenwartigen Mittelstandsbewegung betrachtet werden muss. Die Mittel, welche der junge Verein anwendete, um die Lage der Mitglieder zu verbessern, zielten in erster Linie darauf ab, die Aufmerksamkeit von Interessenten und Behörden auf die vielen Misstande im Mittelstand zu lenken. So wurde mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass in Niederland der ehrliche Handel gegenüber dem unlautern Wettbewerb völlig machtlos war, ja dass letzterer, durch die mangelhafte Gesetzgebung, selbst m Schutz genommen wurde. Als Basis für die Besprechungen zwecks Einführung von Verbesserungen diente das deutsehe Gesetz gegen den „Unlautern Wettbewerb". Die Mittelstandsb ewegung beschrankte sich jedoch nicht ausschliesslich auf die Reichshauptstadt. Auch in andern Landestei'en bildeten sich Abteilungen, und als, im September 1902, durch den obengenannten .„Algemeene Winkeliersvereeniging", in Amsterdam ein Internationaler Mittelstands-Congress abgehalten wurde, war eine erkleckliche Anzahl niederlandischer Mittelstandsvereme daselbst vertreten. Wahrend dieses Congresses trat deutlich zu tage, dass diese niederlandische Bewegung des Mittelstandes gründhch vorbereitet war und sich, vollkommen gesund, weiter zu entwickeln vermochte. Dies erwies noch deutlicher der rein oeconomische Character der ganzen Bewegung. Eine nahere Erklarung obiger Behauptung ist hier wohl am Platze, da in andern Landern in der Mittelstandsbewegung Religion und Politik nicht immer ausgeschlossen blieben. In den Versammlungen des niederlandischen Mittelstandes dürfen Religion und Politik überhaupt nicht beriihrt werden. Um diese Bestimmung mit Erfolg durchführen zu können, hatten die Organisatoren des Internationalen Mittelstandscongresses die Leitung der verschiedenen Abteilungen, sowie des Congressbureaus bekannten Vertretern jeghcher politischen Richtung übertragen. Dadurch wurde auch der Aussenwelt deutlich, dass das einschlagen der einen oder andern politischen Richtung zu den Unmöghchkeiten gehorte. Obwohl dem Vorgehen des „Mittelstandes" von den einen noch mit Misstrauen, von andern mit Achselzucken begegnet wurde, erwarb er sich gar bald die wohlverdiente Zuneigung des grössten Teiles der Bevölkerung, und als der Congress beschloss, einen „Nationalen Mittel stand sbund" zu gründen, erklarten sich sofort mehrere bekannte Manner auf socialoekonomischem Gebiet bereit, mit einigen Vertretern des Mittelstandes die Statuten für diese grosse Organisation zu entwerfen. In einer gemeinschaftlichen Versammlung wurde nunmehr, im Januar 1903, die gegenwartige Organisation, unter dem Titel „Nederlandsche Bond van Vereenigingen van den Plandeldrijvenden en Industrieelen Middenstand" gegründet Ausser der jahrlichen Generalversammlung organisiert dieser Bund, jedes Jahr, einen Mittelstandscongress, auf welchem, den Mittelstand berührende Fragen (in diesem Jahre nur eine emzige) besprochen werden, welche zuvor durch sachverstandige Theoretiker und Praktiker erlautert worden sind. Infolge dieser jahrlichen Congresse, an weichen alle Mittelstandsvereine teilnehmen, hat man in Niederland die, so dringend nötige Aktionseinheit erreicht. Dadurch wurde es auch ermöglicht, dass verschiedene Vereine in der Praxis anwenden konnten, was durch die Congresse theoretisch vorbereitet worden war. Besondere Aufmerksamkeit verdient auch noch, dass — eine günstige Erscheinung mit Bezug auf verschiedene andere Lander — der Ffandeltreibende und Industrielle Mittelstand vereint sind, wodurch die besonderen Interessen sowohl, als auch die gemeinschaftlichen beherzigt werden können. * * Verschiedene Institutionen wurden seitdem durch den Mittelstand in's Leben gerufen. Wir ermnern nur an die vorzüglich organisierten gegenseitigen Auskunfts- und Incassobureaux, denen es zu verdanken ist, dass die Missbrauche berm Verkauf auf Credit im Kleinhandel auf ein Minimum zurückgegangen sind. Durch die gegenseitigen Auskünfte wird Schwindelei zuvorgekommen ; zudem verschafft eine sogenannte „Schwarze Liste" allen Mitgliedern vertrauenswürdige Auskünfte über schlechte Zahler. Die gegenseitigen Incasso-Bureaux dienen dazu, saumige Schuldner zur Zahlung zu veranlassen. In den meisten Fallen genügt eine Monirung per Postkarte, um Zahlung zu erlangen. Auch auf kooperativem Gebiete sind verschiedene fnstitutionen zu Stande gekommen. So haben die Kleinhandler in Esswaren und verwandten Branchen kooperative Einkaufvereine gegründet, die in blühendem Zustand verkehren. Ausserdem kamen verschiedene Vereine zu Stande, welche darauf hinstreben, die Betriebskosten auf ein Minimum herabzusetzen, so u. a. Glasversicherungs-Geseïlschaften auf Gegenseitigkeit. Ferner wurden, durch verschiedene Vereine, mit Privatversicherungsgesellschaften Contracte abgeschlossen, welche den Mitgliedern der Mitte^tandsvereine, infolge collectiver Uebereinkunft, bedeutende Preisermassigung auf die Jahrespramie zubilligen. Die Credit-Frage hat, verschiedenenorts, auf kooperativer Grundlage ihre Lösung gefunden. Voraussichtlich wird der Credit des Mittelstandes, auf diese Weise, in absehbarer Zeit geregelt sein. * * * Ausser den obengenannten Einrichtungen, welche mehr oder weniger die materiellen Interessen des Mittelstandes fördern, wurde auch das Hauptbelang: die Entwicklung und Ausbildung des Mittelstandes, in's Auge gefasst. Dies verdient um so höhere Anerkennung, als in Niederland nicht, gleichwie bspw. in so vielen deutschen Staaten, seitens der Regierung für die Errichtung von Meisterkursen Sorge getragen, sondern Alles der Privatinitiative überlassen wird, welche bisher vorzügliche Resultate gezeitigt hat. So wurden, bspw., durch verschiedene Vereine, Kurse errichtet, in weichen Meistern in der Klein-Industrie Gelegenheit geboten wird, alle, ihr Fach betreffenden, technischen Neuerungen in Augenschein zu nehmen. Kurse für Ladenbesitzer, unter Leitung von Buchhaltern und Bücherrevisoren, bezwecken, den Besuchern die Notwendigkeit guter Buchführung, gediegener Handelscorrespondenz, gewissenhafter Geschaftsverwaltung u. s. w. einzupragen. Die Resultate dieses Unterrichtes sind im Allgemeinen sehr befriedigend, können jedoch noch Besserung erfahren. * * Von Regierungsseite wird die Mittelstandsbewegung trefflich unterstützt, namenthch durch die Abteilung „Handel" des Ministeriums für Landwirtschaft, Handel und Industrie. Diese Abteilung, wo sich in Zukunft Alles, was auf den Mittelstand Bezug hat, concentrieren muss, wie dies bereits in verschiedenen fremden Staaten der Fall ist, welche über einen Gewerbeförderungsdienst verfügen, folgt dem richtigen, durch die Praxis vorgezeichneten, Weg. So ist, dank der Mitwirkung des Leiters dieser Abteilung, das, sich vorzüglich bewahrende, Reich sbureau zur Untersuchung von Kauf waaren für den Mittelstand errichtet worden, das dem Reichslaboratorium m Leiden untersteht. Durch dieses Bureau kann der Niederlandische Mittelstand seine Kaufwaren kostenlos untersuchen lassen, wodurch den Betrugsversuchen so mancher Fabrikanten und Grosshandler, welche auf die ungenügende Waarenkenntnis der Kleinhandler speculieren, ein Ende gemacht worden ist. Die Resultate dieses Bureau's sind, nach einjahriger Praxis, so glanzend ausgefallen, dass überall im Lande sich Stimmen erheben, welche die Gründung solcher Reichsinstitutionen auch andernorts befürworten. Wenn wir zum Schhisse einen Bliek auf die Leistungen in Kreisen des Mittelstandes im Laufe der letzten acht Jahre werfen, dann können wir mit Seelenruhe der Zukunft entgegengehen. denn es ist durchaus nicht mehr zu befürchten, dass der Mittelstand vom Schau platz verschwinden wird. Credtt-Huskimftswesen Aber auch in der alten Welt ebnete sich, wenn auch nicht so rasch wie in Amerika, wo der standig anschwellende Zuzug von Einwanderern das Erkundigungsbedürfnis unablassig vermehrte, die kaufmannische Erkundigung als besonderer Arbeitszweig, die Wege. Ebenfalls in den i83oer Jahren lieferte ein Unternehmer in London, namens Perry, aus einer schon einige Zeit vorher planmassig angelegten Sammlung von amtlichen Veröffentlichungen über Konkurse und sonstige Daten aus dem Geschaftsleben, Mitteilungen gegen Entgeit, woraus sich dort das erste englische Auskunftsbureau entwickelte. In Frankreich bildete sich, aus der Not der Zeit geboren, im Jahre 1849 eine Gesellschaft, die über die blosse Erkundigung hinaus sogleich eine förmhche Kreditversicherung erstrebte und damit den Anstoss zum Entstehen zahlreicher Auskunftsbureaus gab, von denen das, 1837, unter dem Titel „S u r et é du C o m m e r c e" begründete, besonders bekannt wurde. In Deutschland begann, 1859, ein Makier S. Salomon, infolge der ihm aus der Erkundigungsmethode alter Zeit erwachsenden Ueberlast an Anfragen, für seine Bemühungen eine Gebühr zu erheben und solchergestalt das erste Auskunftsbureau vorzubereiten, worauf, 1862, die Firma Lesser & Liman in Frankfurt a/M. sich konstituirte. Im Jahre 1872 rief dann W. Schimmelpfeng seine „Auskunftei" (die Bezeichnung wurde von ihm eingeführt) ins Leben, die er zu universeller Bedeutung erhob, indem er zugleich in zahlreichen Schriften dem neuen Berufe zur Anerkennung seiner volkswirtschafthchen Wichtigkeit verhalf ; in Holland begründete er Filialen. In den Niederlanden wurde, 1862, von einem Herrn Gompertz, Inhaber einer Gerberei und Lacklederfabrik in Amsterdam, das Auskunftsbureau Wijs Muller & Co. begründet. Daneben entstanden nach und nach in Amsterdam und anderen Orten eine ganze Anzahl Auskunftsbureaus, die teilweise ihre Tatigkeit auch auf andere Geschaftszweige, namenthch auf das Inkasso und das Deponiren von Warenzeichen, ausdehnten. Neben diesen Privatunternehmungen wurde die Sache der kaufmannischen Erkundigung auch vereinsmassig in die Hand genommen. Zu erwahnen sind: in Holland wie in Deutschland, der in den i88oer Jahren entstandene, noch heute in weiter Verbreitung wirkende „Verband der Kreditreformvereine", der sich auf die Hauptstadte Hollands ausdehnte und in Wirklichkeit nur als eine grosse Gruppe von einzelnen Auskunftsbureaux anzusehen ist. Im internationalen Verkehr waren früher und werden auch noch die Konsulate mit kaufmannischen Erkundigungen in Anspruch genommen; da sich aber ihre Verantwortlichkeit als staatliche Behörden mit der Weitergabe subjectiver Meinungsausserungen [ER nicht, in persönlicher Berührung mit dem Kreditsucher oder durch eigene Beauftragte, (Handlungsreisende, Agenten, Kommissionare) ein Urteil über jenen gewinnen konnte, musste früher sich Leute suchen, die bereit waren, ihm zu einem solchen Urteil zu verhelfen. Es wurden die wenigen Bankiers angesprochen, die sich damals mit Geldvermittlungen und Darlehen befassten und, soweit bereits Börsenvereinigungen bestanden, bei diesen umhergefragt; man suchte Lieferanten des Kreditnehmers zu erkunden, oder man liess sich von ihm sogenannte Referenzen benennen, urn sie um geschaftsfreundliche Auskunft zu bitten. Die auf diesem sehr umstandlichen und oft ganz versagenden Wege erlangte Auskunft war zumeist sehr dürftig (sie beschrankte sich in der Regel auf kurze, rein subjective Aeusserungen wie : „ich gebe dem N. N. keinen Kredit", „ich glaube, dass N. N. gut ist" und konnte im Allgemeinen nur den eng begrenzten und ruhigen Verkehrsverhaltnissen früherer Zeit genügen. Ein einschneidender Umschwung vollzog sich, als das Zeitalter des Verkehrs hereinbrach, als verstarkter Concurrenzkampf den Handel zwang, seine Absatzgebiete zu erweitern, als sich immer grössere Entfernungen zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer schoben und als das System der freien Konkurrenz, neben der fruchtbaren, auch eine verdeirbliche Ausdehnung des Kredits mit sich brachte. Damit war der kaufmannischen Auskunft eine so vielseitige und verantwortungsvolle Aufgabe gestellt, dass sie mit natürhcher Notwendigkeit über ihre ursprüngliche Form hinaus gedrangt wurde und sich zu einem selbstandigen Berufe entwickeln musste. Die ersten Anfange hierzu lassen sich auf das dritte Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts zurückführen, wo sich in New-York mehrere Kaufleute vereinigten, um für gemeinsame Rechnung einen besonderen Vertrauensmann zu fortgesetzter Ueberwachung ihrer Kundschaft in den Südstaaten anzustellen. Einige Jahre darauf erweiterte ein Newyorker Anwalt, namens Tappen, diesen Gedanken dahin, dass er sich in einzelnen Territorien standige Verbindungen schuf, die ihn in die Lage versetzten, Auskünfte zu beschaffen, für die er sich bestimmte Gebühren zahlen liess. Auf diese Weise entstand, etwa 1841, das erste kaufmannische Auskunftsbureau in Amerika, wo sich in der Folge die grössten Unternehmungen dieser Art herausbildeten (Bradstreet Company und R. G. Dun & Co.), beide bekannt insbesondere auch durch die grossen Referenzbücher (Commercial Reports), die sie vierteljahrlich herausgeben. über Kreditverhaltnisse einzelner Personen nicht gut vereinigen lasst, ist ihre Wirksamkeit auf diesem Gebiete sehr beschrankt und deshalb auch haben z. B. die Vereinigten Staaten von Nord-Amerika ihren Konsulaten die Erteilung derartiger Auskünfte ganz untersagt, wahrend auch vor einigen Jahren von der Niederlandischen Regierung eine Erklarung abgegeben wurde des Inhalts, dass es für die Consulate sehr schwer sei um sich mit der verantwortungsvollen und schwierigen Arbeit der Auskunftserteilung zu befassen und es nicht in der Absicht der Regierung liege, den Consuln diese Aufgabe unter allen Umstanden zur Pfhcht zu machen. An die Stelle des früheren Zustands planlosen Umherfragens und meist nur einseitigster Auskunft ist ein wirkhches System der Krediterkundigung getreten, das für jede einzelne Auskunft eine objektive Schilderung möglichst aller für die Beurteilung der Kreditfrage wichtigen Umstande, also Alter, Art und Umfang des Geschafts, sowie Person, Ruf, Vermogen und Verbindungen des Inhabers zum Ziele nimmt und sie solchergestalt jedem auf das rascheste und billigste zuganglich macht. Die wichtigste Rolle im ausseren Erkundigungsdienst dieses Systems spielen die Gewahrsleute („Korrespondenten" genannt) d. h. Vertrauenspersonen, die es vertragsmassig als Pflicht übernehmen, auf Anfrage über Geschaftsleute ihres Ortes und seiner Umgebung Auskunft durch Erkundigungen von Fall zu Fall zu beschaffen und, jenachdem, im Anschluss hieran nachtraglich eintretende Veranderungen schnell zu melden. Die richtige Auswahl und Schulung dieser Korrespondenten, — Schildwachen vor dem Gewehr, wie sie Dr. Carl Roscher genannt hat, — ihre dauernde Ueberwachung und ihre standige Erneuerung und Vermehrung gehort zu den schwierigsten Aufgaben einer Auskunftsorganisation; dieser Teil der Arbeit war in den Anfangen um so schwieriger, als gerade die durch ihre Stellung im Geschaftsleben für diese Tatigkeit am besten geeigneten, ■ vertrauenswürdigen Personen eine, in der Neuheit des Gegenstandes begründete, starke Abneigung bekundeten, das Amt zu übernehmen. Grössere Bureaus haben an jedem bemerkenswerten Geschaftsplatze me'nrere solcher Korrespondenten, wahrend sie an den ganz grossen Handelsmittelpunkten eigene Angestellte („Rechercheure") beschaftigen, die der Aufgabe ihre ganze Zeit widmen, in ihrem Berufe zu Spezialisten heranwachsen und so, durch Vermittlung der Auskunftsbureaus, dem Kreditverkehr und seiner Sicherung vvichtigste Dienste leisten. Wenn der aussere Erkundigungsdienst, der in persönhcher Nachfrage bei örtlichen Bekannten, Lieferanten, Concurrenten des Kreditnehmers und natürlich, jenachdem, auch in einer Besichtigung der wahrnehmbaren Aeusserhchkeiten seines Geschaftsbetriebes zu bestehen hat, an den sonst gebotenen Erkundigungswegen und Quellen, wie Adressbüchern und Handelsregistern nicht vorübergehen kann, so hat die innere Gliederung der Aufgabe, die sich im Auskunftsbureau selbst vollzieht, diese Hülfsmittel ebenfalls und daneben alles Erreichbare zur Vervollstandigung der Auskünfte zu benutzen. Zu diesem Zweck bedarf das Auskunftsbureau eines gross en Beamtenkörpers, der in systematischer Schulung lernen muss, wie die Berichte abzufassen sind und worauf es bei jeder einzelnen Auskunft ankommt. Im Bureau werden neben den durch die Korrespondenten und Rechercheure am Wohnort des Kreditnehmers bewerkstelhgten Erkundigungen auch solche in anderen Kreisen brieflich eingeholt (bei auswartigen Lieferanten, Referenzen usw.), werden alle die behördlichen Aufzeichnungen zu Rate gezogen, die, wie Konkurslisten, Manifestantenverzeichnisse (in verschiedenen Landern auch die offen ausliegenden Steuerlisten und das Grundbuch) die festen Punkte einer Auskunft bilden, werden interessierende Notizen aus der Tagespresse gesammelt und zur Ausarbeitung der Auskünfte verwendet. Als eine hervorragende Errungenschaft ist die durch die Auskunftsbureaus geschaffene Möghchkeit zu bezeichnen, dass jeder Geschaftsmann loyalen Einfluss auf die Auskunft. ausüben kann, die über ihn erteilt wird, indem er dem Bureau die Nachweise hefert, die zur Bekraftigung oder Berichtigung der über ihn bereits gegebenen oder erst zu gebenden Auskunft dienen. So lauft in dem driften wichtigen Bestandteil der organisierten Erkundigung, dem Archiv der Auskunftei, wenn diese von einem erheblichen Teile der Geschaftswelt als Mittelpunkt der auf den Kredit sich beziehenden Erkundigungen beschaftigt wird, eine Fülle von Stoff zusammen, der im lebendigen Wechsel der Anfragen und Auskünfte sich fortwahrend in sich selbst erganzt, berichtigt und verjüngt und zwar so sehr, dass die Archive eines solchen Bureaus immer mehr dem Ziele auch der raschen Auskunftserteilung entgegensteuern, indem in hunderttausenden von Fallen eine vorgetane Arbeit bei ihnen aufgespeichert ist, die die sofortige Beantworturig einlaufender Anfragen, ohne vorherige Erkundigung, und damit dem Handel eine Menge von Geschaftsabschlüssen ermöglicht, die sonst gar nicht zustande kommen konnten. Eine clerartige vollstandige Zentralisation der Auskunftserteilung muss ihre Wirksamkeit durch zahlreiche Zweigniederlas sungen über den weitesten Umkreis hin ausdehnen ; diese Zweigniederlassungen bearbeiten in der Erkundigung je nur das ihnen zugewiesene Gebiet unter strengster Wahrung seiner nationalen Eigenart, tauschen aber, von der Zentralstelle aus einheithch geleitet, ihre Auskünfte bestandig aus, unterstützen sich gegenseitig auch planmassig in der Erkundigung und machen auf solche Weise, nach einem ausserordentlich entwickelten System, die Auskunft zum fruchtbaren Gememgut des gesammten internationalen Handels. Die modernen JMaler tn den JVtederlanden. You pb. ZUcken. ooo ■ "I IE Namen I s r a ë 1 s, Mans, Mesdag haben Din der ganzen gebildeten Welt einen guten Klang. Diesen alten Meistern und ihren Zeitgenossen folgte eine neue Generation, die „Jüngeren", deren Aeltester heute wohl kaum das 50. Lebensjahr überschritten haben dürfte. Von ihnen wird nicht gesprochen, sie schaffen in der Stille; ihre Namen sind noch nicht popular und können sich nicht der Ehrungen, die sie E B wohl verdienen, erfreuen und — auch nicht den materiellen Nutzen, der ihnen sonst daraus erwachsen würde, gen i essen. Die Gründe dieses Uebergehens unserer Heutigen sind leicht zu finden : Der Kunsthandel operirt — mit wenigen Ausnahmen — zumeist nur mit dem Nimbus der bekannten Meister, was ihm auch nicht schwer fallt, denn das Publikum kauft doch nun einmal gerne „Namen". Eine weitere Ursache ist in der Abgeschlossenheit zu suchen, in der sie schaffen, worauf wir noch weiter unter zurückkommen werden. Obwohl in Niederland ein kleiner Teil des Publikums ihre Namen kennt und diese jungen Künstier von ihren Collegen sehr geschatzt werden, ist es eine betrübende Tatsache, dass ihre Werke, im Gegen satz zu solchen vieler neueren auslandischen Maler, ausserhalb ihrer Heimat so gut wie — unbekannt sind! Es haben wohl ab und zu etliche von ihnen auf den grossen internationalen Ausstellungen Beachtung gefunden, leider aber nicht in genügendem Maasse, was sehr zu bedauern ist, denn für die Kunst bestehen keine Grenzen, vielmehr sollten eines wahren Künstlers Werke in allen Landern zur Würdigung gelangen. Nachst den, eingangs erwahnten, drei alten popularsten Künstlern, sind noch einige von grossem Talent zu nennen, die zweifellos mit als die grössten unserer Zeit anerkannt werden müssen. Zum Beispiel N e u h u ij s, dessen Werke ausser in England und Amerika noch nicht genügend verbreitet sind. G a b r 1 e 1, der talentvolle Landschaftsmaler, dessen Gemalde von solch zarter Gemütsstimmung zeugen und von berühmtesten französischen Meistern vom Jahre 1860 nicht übertroffen werden, wird auch nicht in verdientem Maasse geschatzt, wahrenddem sein ebenfalls sehr begabter Zeitgenosse Weissenbruch — auch ein Landschafter — mehr Anerkennung gefunden hat. ^Willem M a r i s, dem jüngsten der drei Gebrüder dieses Namens, lachelte erst nach einem langen, schweren Daseinskampf, der Erfolg zu ; dieser ist wohl verdient, denn seine Werke erfreuen sich, im Vergleich mit denen unserer besten heutigen Maler, ausserordentlicher Würdigung. Aber im Ausland sind zahlreiche hiesige Maler, infolge ihrer zu grossen Bescheidenheit und ihres abgesonderten Arbeitens, noch immer zu wenig bekannt ; sie finden sich nicht haufig genug auf Ausstellungen ein und leben stets in der Ueberzeugung, ihre Werke würden doch einmal zur Anerkennung und sie selbst zu Ehren gelangen. Eine nicht zu unterschatzende Ursache der Sonderstellung unserer Künstier ist wohl auch in der Haltung der Regierung zu suchen, welche nicht geneigt ist, Zuschüsse für reine Kunstausstellungen zu gewahren, wohmgegen für jede auswartige Vertretung des hiesigen Kunst-Gewerbes zwar kleine, jedoch zweckentsprechende Summen bewilligt werden. Sokherweise fehlt da, wo eine Auslese von Werken unserer Zeit ausgestellt wird, Niederland entweder ganz, oder es findet, ganz natürlich, nur in weniger zweckentsprechenden Lokalitaten, in weichen das, für die Gesamtwirkung nötige und den Erfolg beeinflussende Decorativ mangelt, mit einer nur geringen Anzahl Werke Unterkunft. Diese Umstande schliessen zwar die Würdigung und Ehrung der vertretenen Künstier nicht aus; sie sind aber auch nicht geeignet, einer grössern Anzahl Maler zu einem verdienten Erfolg zu verhelfen. In Berlin, London oder Paris smd die Namen fast aller gegenwartigen hollandischen Maler vollstandig unbekannt, wahrend in Holland haufig die Werke viel weniger verdienstvoller auslandischer Künstier nicht nur bekannt sind, sondern sogar angekauft werden. Aus allen diesen Gründen freue ich mich, hier eine kurze Uebersicht über die verdienstvollsten Künstier unserer Zeit geben zu können, umsomehr, da ich als Commissionsmitghed verschiedener mternationaler Ausstellungen die Ansichten des Auslandes betreffs unserer Landsleute kennen lernte und gleichzeitig auch die verworrensten Urteile über unsere führenden Künstier vernahm, die nicht alle nach ihrem Wert geschatzt und gewürdigt wurden, wie es hatte geschehen müssen. Nach der Entwicklung der Maler, die „de H a a g s c h e Meesters" (Haagsche Meister) genannt werden: Bosboom, I s r a ë 1 s, Mesdag und F r a u Mesdag, J a c o b, Matt h ij s und Willem M a r i s, Mauve, Neuhuijs, und wozu auch noch Gabriel, Roelofs und Bisschop gerechnet werden können, wenn diese auch in anderem Geiste schaftten als die übrigen — bildeten sich in Niederland ein paar, aus jüngeren Künstlern bestellende, Gruppen, zum Teil im Haag und teils in Amsterdam. Schüier, im wahren Sinne des Wortes, haben die modernen hollandischen Maler eigentlich nie gehabt. Wohl hatte ich das Vorrecht, unter der Leitung von Mauve zu wirken und viel von diesem Meister zu lernen, ebenso von Jacob und Willem Maris; auch W. de Zwart war in mancher Hinsicht ein Schüier des Jacob Maris und De Bock arbeitete jahrelang im selben Hause, in welchem Willem Maris wohnte — jedoch das Bewusstsein der Unabhangigkeit verlieh ihnen Allen Selbstandigkeit und liess sie ihre Individualitat entwickeln. Mehr oder weniger unter dem Einfluss dieser Meister standen dann auch, ausser Breitner, der früher in den Haag arbeitete, Frau Bisscho p- Roberts o n, Floris Verster und Kamer lingh Onnes. Isaac Isr aëls, der jetzt in Paris wohnt, war ausschliesslich Schüier seines Vaters ; aber wie grundverschieden ist doch seine Auffassung von der seines vaterlichen Lehrers! Etwa in denselben Jahren bildete sich in Amsterdam eine andere Gruppe von Malern, die zu den Besten unserer Zeit gere. net zu werden verdienen. Die Reichsakademie für Bildende Künste wurde von dem, ebenso begabten wie verdienstvollen Maler, Professor August A 11 e b é geleitet, der sich in spateren Jahren allein dem Kunst-Unterricht widmete. Er verstand es, seine grossen Gaben teilweise auch auf seine Schüier zu übertragen, deren Individualitat er jedoch stets und in hohem Maasse respektirte. Unter seiner Leitung bildeten sich u. a. Dr. Jan Veth, Willem Witsen, Haverman, Toorop, van der Valk, Voerman, Der kinderen, Dijsselhof, Ed. Karsen und Jac. van Looij, aus. Diesen Amsterdamer „Jüngeren" öffneten sich andere Wege; sie kamen, aus nicht leicht zu erklarenden Gründen, wenig in Berührung mit den Haagschen Meistern. Auslandische Künstier ersten Ranges übten einigermaassen Einfluss auf etliche von ihnen aus ; von den englischen decorativen Künstlern: William Morris und Walter Crane, auch Maler wie Whistier und Lenbach, ebenso die, zum Teil, unter dem Einfluss von Jongkind und Vincent van Gogh in Paris entstandenen Neo-Impressionisten, nachdem diese leidenscha.ftlichen Grübler sich dort niedergelassen hatten. Damit ist nicht gesagt, dass diese Aeusserungen sich nicht auch bei den Haagschen Meistern bemerkbar machten; aber diese Maler verlegen sich in Hauptsache auf die Wiedergabe des malerischen Gesamteindrucks, der F. inheit in Ton und Colorit, indessen etliche Amsterdamer Jüngere sich mehr an reinere Linientypierung und Characterausdruck halten. Obwohl Amsterdam und VGravenhage nur in geringer Entfernung von einander liegen, gahnt doch eine grosse Kluft zwischen den Auffassungen der Künstier beider Stadte. Fühlung haben sie fast gar nicht mit einander; jede Gruppe entwickelte sich selbstandig und entfernte sich immer weiter von den andern. Wie es fast immer der Fall ist, wenn man klassifiziert, so findet man auch hier wiederum Elemente, die, bei genauerer Betrachtung, weder in die eine noch in die andere Gruppe eingereiht werden können ; so z. B. Akkeringa, B a u e r, eine ganz aparte Persönlichkeit; Der k zen van Angeren, ein tüchtiger Radirer; Professor Dupont, bekannt durch seine Gravuren; A. Briët, E. Bosch, Hobbe Smit; Siebe ten Cate, der schon langere Zeit in Paris wohnt; Jan van Essen; Ho y nek van Papendrecht, der Illustrator der „Dayly Graphic"; Th. van Hoytema; Barbara van Houten; die zu früh verstorbenen Künstier Josselin de Jong und P. Rink; Karsen, Klinkenberg, van Soest; der bekannte Radirer Stor m van 's-Gravesande, der jetzt mit seinem Gemalde in Paris grosse Erfolge erzielt; Kever; Edzard und A. H. Koning; W. Martens; T h o 1 e n; Wiggers; de Moor; E. Pieters; Therese Schwartze, Lenbachs' Schülerin; Mauve's Sohn; Hart Nibbrig; van K o n ij n e n b u r g, und noch viele andere, die zumeist einer jüngeren Generation angehören. Angesichts solch' Blühens und Gedeihens unserer Kunst, die zur Würdigung des Geistesleben der Niederlande so viel beitragt, ist es wirklich befremdend, beobachten zu müssen, dass, in unserem modernen Zeitalter, hier die Künstier so wenig Beachtung finden, ...aber, der Ausspruch des grossen Staatsmannes Thorbecke: „Kunst ist keine Regierungsangelegenheit", enthalt keine eitlen Worte ! Dass unseres grossen Rembrandt's Zeitgenossen, die unter dem Mantel der Frömmigkeit recht haufig ihren lockern Lebenswandel verbargen, diesen Heros in seinen letzten Lebensjahren isolirt und ihn dadurch finanziell so sehr benachteiligt haben, dass er, zum nötigsten Lebensunterhalt, die Sparpfennige seines Töchterchens Cornelia in Anspruch zu nehmen gezwungen war, — ist die natürhche Folge ihrer Heuchelei gewesen! In unserer heutigen Zeit aber, kommt es vor, — wahrend in Landern wie Deutschland, England und Frankreich kein offizielles Fest stattfindet, zu welchem nicht auch Künstier von Ansehen geladen waren, die durch ihre Namen und Anwesenheit den Glanz erhöhen —, dass in Niederland die Künstier, ebenso wenig wie die Manner der Wissenschaft, in tonangebenden Kreisen Würdigung finden, trotzdem verschiedene von ihnen in ihrer Jugend selbst durch königliche Stipendien unterstützt wurden. Der Kunst wird dadurch ja nicht geschadet, denn die Werke unserer Künstier werden den grossen, dauernden Ruhm ihres Vaterlandes, durch Jahrhunderte hin, verkündigen; aber es ist doch anzunehmen, dass eine solche Hintansetzung der Künder niederlandischen Geistes, in diesen das berechtigte Gefühl der Se'lbstschatzung trübt. JMustfc in den JVtederlanden Von CQouter fiutscbenrmjter. OkGooOSG ■ m ASS in dem Vaterlande Sweelincks, des Dberühmtesten der hollandischen Organisten und Tondichter, sehr viel musicirt worden ist, davon sind in Kunst und Literatur zahlreiche Beweise vorhanden. Schon ein kurzer Besuch in den weltbekannten Museen zu Amsterdam, Haarlem und Haag, *Qo§0* zeig't) dass das musiciren eine Familie-Angelegenheit war ; es ist wohl kaum ein Familien-Bildniss ^ W auf zuweisen, auf welchem nicht eine oder mehrere Personen ein Instrument hantiren. Und, da das Musikmachen das Bedürfnis nach Instrumenten und Noten weckt, erblühte auch alsbald eine ziemlich bedeutende Geigenmacherkunst und ein ausgedehnter Musikverlag. Proben der erstgenannten Kunst sind noch vorhanden in ziemlich zahlreichen Exemplaren. Die Violinen und Celli eines Hendrik Jacobs und eines Kuyper sind, ihrer guten und so'liden Qualitaten halber, noch immer gesucht, und vor allem als Orchesterinstrumente von Wert. Wie umfangreich und bedeutend der Musikverlag war, geht aus der Tatsache hervor, dass viele Werke der berühmtesten Komponisten im achtzehnten Jahrhundert in Amsterdam gedruckt worden sind. Man braucht nur Schermg's vorzügliche „Gsschichte des Instrumentalkonzerts" (Leipzig, Br. u. H.) aufzuschlagen, um zu sehen, dass die berühmten, kompomrenden Virtuosen (Valentini, Albinoni, Corelli u. a.) ihre Werke in Amsterdam herausgaben. Als intregirender Teil des, damals mit dem Volksleben engverknüpften Gottesdienstes, wurde das Orge^piel eifrig gepflegt; es zeitigte die hocbentwickelte Orgelbaukunst, geradezu prachtvolle Instrumente. Die grossen Orgeln in den Kirchen zu Amsterdam, Haag, Utrecht. Dordrecht, und vor allem in Haarlem, sind dafür wohlerhaltene Belege. Als musikalische, nur Plolland und dem benachbarten Flandern eigene, Kuriositat sind die Carillons (TurmGlockenspiele) zu nennen, deren hübscher Silberklang schon manchen Fremden bezaubert hat. Dass alsbald die vielen Musikliebhaber sich, zwecks gemeinsamen Wirkens, zu vereinigen suchten, liegt nahe. Zwei solcher Verbande existiren, wenn auch in modificirter Form, noch heute, und zwar das 277 Jahre alte „Collegium Musicum Ultrajectinum" zu Utrecht, und die fast gleichaltrige Gesellschaft „Caecilia" in Arnhem. Diese Organisation der musicirenden Krafte legte die Keime zu einem Concertwesen, welches anfanghch mehr privater Natur, sich nach und nach zu einem öffenthchen entwickelte. Die Virtuosen und Komponisten, auch die bedeutendsten, zog es nach Holland ; es sei hier nur erwahnt, dass Leopold Mozart, mit seinen beiden Kindern langere Zeit im Haag verweilte, und diese in mehreren hollandischen Stadten auftreten liess. Die Musikcollegien wurden, in solchen Fallen, stets bereit gefunden, den reisenden Künstlern angemessene Unterstützung zu bieten. Eine Gesellschaft, obwohl nicht speciell Musikcollegium, darf nicht übergangen werden: die, im Jahre 1788 gegründete, Genossenschaft „Felix Meritis" in Amsterdam. Ihr Zweck war die Förderung aller Künste und Wissenschaften ; es fehke daher eine Musikalische Abteilung nicht. Sie war sogar eine Zeit lang, als sie vom berühmten J o h a n n V e r h u 1 s t geleitet wurde, der Mittelpunkt des Musiklebens ; in ihren zahlreichen Concerten sind die berühmtesten Künstier aufgetreten, und das jahrliche Gala-Concert, unter Anwesenheit des Königs, war das Ereigniss der Saison. Dass diese, so hohe Ziele verfollgende, Gesellschaft eingehen musste (sie wurde, 1889, aufgelöst) hatte verschiedene Ursachen. In erster Reihe mag der, der ganzen Genossenschaft eigene Konservatismus dazu beigetragen haben; ein zweiter Grund war zweifelsohne, dass das, aus verschiedenen heterogenen Faktoren zusammengesetzte, Orchester den stets höher werdenden Anforderungen nicht mehr genügen konnte. Es fehlte der, durch regeimassiges Zusammenspiel geübte, eingespielte Tonkörper. Der Anlauf dazu war aber schon genommen! In Amsterdam hatte der, zwar mehr kaufmannisch als künstlerisch veranlagte, Herr W. S t u m p f f ein eigenes Orchester gegründet, mit welchem er in dem Saaie des „Park", welchem eine ideale Akustik nachgerühmt wird, regelmassig concertirte. Als, 1864, das „Paleis voor Volksvlijt" errichtet wurde, erhielt es ebenfalls ein eigenes Orchester, geleitet vom talentvollen J o h. M. C o e n e n. In diese Zeit fallt auch die Errichtung des „Harmonie"-Orchesters in Groningen. Die dortige Gesellschaft „Harmonie" ist ein grösserer Klub, welcher, in einem Gebaude, Concertsaal, Lese- und Billardzimmer usw. vereinigt, und sich ein eigenes Orchester halt, welches den Mitgliedern regelmassige Concerte bieïet. Directen künstlerischen Einfluss hatten diese Orchester damals noch nicht. Ihr Zweck war mehr das Amusement und der Zeitvertreib : man sass an Tischen, trank sein Gliischen, und nahm gerade so viel Musik zu sich als die Lücken in der Conversation erlaubten. Auf einmal wurde es anders! An Stelle des niedergerissenen Parksaais, kam (1883) die grosse, mit vielem Luxus ausgestattete, „Parkschouwburg"; Willem K e s und Gottfried Mann fungierten als Kapellmeister. Der erste veranstaltete mit dem Orchester Symphonie-Concerte, die alles übertrafen, was bis jetzt in Holland auf diesem Gebiet geboten worden war. Leider dauerte die schone Zeit nur sehr kurz. Das Summen verschlingende Unternehmen ging bald ein und Kes zog, als Director des Gesangvereins und der Musikschule, nach seiner. Vaterstadt Dordrecht. Aber der Kunstsinn war geweckt. Einflussreiche, vermogende Amsterdamer taten sich zusammen und errichteten das „Concertgebouw". Kes wurde als Leiter des Orchesters berufen und wusste es bald zu einem der bestbekannten emporzuarbeiten. Als er, einem Rufe nach Glasgow tolgend, Amsterdam verliess, wurde Wilhelm Mengelberg zu seinem Nachfolger ernannt. Das, durch Amsterdam gegebene, Beispiel fand Nachahmung: Arnhem gründete seinen Orchester-Verein, dessen erster Leiter J. K wast war; als dieser in's Ausland zog, wurde Mart. Heuckeroth sein Nachfolger, und dieser trat, als er zum zweiten Dirigenten am Amsterdamer „Concertgebouw" ernannt wurde, die Leitung wieder an seinen Vorganger ab. In Utrecht existirte schon langst ein ziemlich vollzahhges Orchester ; im Jahre 1892 wurde es einer gründlichen Reorganisation unterworfen, und Schreiber dieser Zeilen als Director angestellt. Aucb Haarlem leistete sich sein eigenes Orchester, welches — wenn auch in bescheidener Besetzung — unter Anführung des sehr talentvollen und geschickten C h r . Kriens, in kraf tiger Entwickelung rustig vorwarts schreitet. Groningen berief, 1905, Peter van Anrooy, einen jungen Künstier von eminenter Begabung, an die Spitze des Orchesters; er soll dort Wunder verrichtet haben ! Seit 4 oder 5 Jahren hat auch Haag sein eigenes „ResidenzOrchester" unter HenriViotta. Neben der Instrumental-Musik wurde auch die Vokalmusik eifrigst gepflegt. Anstoss dazu gab die Errichtung (1829) der „Maatschappij tot Bevordering der Toonkunst". Diese Gesellschaft, welche in allen grosseren und vielen kleineren Stadten Hollands ihre Unterabteilungen hat, bezweckt die Errichtung und Aufrechterhaltung von Gesangvereinen und Musikschulen. Es gibt wohl kern Oratorium, welches nicht in irgend einem Concerte der „Maatschappij" in Holland aufgeführt worden; keinen bedeutenden Sanger oder Sangerin, die nicht in diesen Aufführungen mitgewirkt hatten. Die Musikschulen der „Maatschappij" baben eine segensreiche Tatigkeit entwickelt. Mancher, jetzt hochangesehener Künstier, verdankt der Schule, wo er studierte, die feste Grundlage, aui welcher er weiter bauen konnte. Die bedeutendste Einrichtung dieser Art ist das Amsterdamer Conservatorium. Der Director, Daniël de Lange, hat stets mit unermüdlichem Fleisse und stahlerner Energie,, auf's beste unterstützt von einer grossen Lehrerschaar, an der Entwicklung dieser Anstalt gearbeitet. Rotterdam, Utrecht, Haarlem, Dordrecht rühmen sich starkbesuchter Musikschulen, welche — gleich der, neben dem Konservatorium wirkenden, und für diese vorbereitenden, Musikschule zu Amsterdam — unter der Oberaufsicht der dortigen Abteilungen der „Maatschappij" stehen. Die bedeutendsten Künstier haben es stets als eine Ehre betrachtet, ihre besten Krafte diesen Schulen zu widmen. In Amsterdam, neben dem Director D. de Lange, Jul. Röntgen, Bram Eldering, Carl Elesch, Cornelie van Zanten, Joh. Messchaert, Frau Noordewier-Redding i u s. In Rotterdam, wo zu meiner Zeit Prof. Fr. Gernsh e i m Director war, ist jetzt Joh. S i k e m e i e r als solcher tatig. unterstützt von A. B. H. Verhey, Louis Wol ff, T h o m. D e n ij s u. a. Director der Schule in Utrecht ist Joh. W a g e n a a r, einer der vielseitigsten Künstier unseres Vaterlandes ; die Namen von Frau Veerman-Be kker, G. Veerman, E. Ferrée u. s. w. bürgen dafür, dass auch hier der Unterricht ein vortrefflicher ist. In Haarlem wird die Musikschule von Herrn W. R o b e r t geleitet. Mit dem Hinweis darauf, dass 's-Gravenhage ein Kgl. Conservatorium, unter H e n r i V i o 11 a, besitzt, — früher, als Director W. F. G. N i c o 1 a i es leitete, hiess es einfach : Kgl. Musikschule — möge diese Liste, welche in keiner Weise diesen Gegenstand erschöpft, geschlossen werden. Dass die Resultate des Unterrichts an den besagten Schulen glanzend zu nennen sind, bezeugen die Namen der vielen Künstier, welche, nach kürzerer oder langerer Studienzeit — viele schlossen diese hier ab, andere an auslandischen Konservatorien — in ihrem Vaterlande oder im Auslande ehrenvolle Stellen bekleiden. Es seien hier genannt: Willem Kes — er wirkte in Amsterdam, Dordrecht, Glasgow, Moskau (daher Kais. Russ. Staatsrat), Coblenz; Samuel de Lange (Dir. Cons. Stuttgart); Willem de Haan (Hofkapellmeister, Darmstadt); Rich. Stro nek (Kgl. Mus.-Dir. Barmen); G. H. Witte (St. M. D., Essen/Ruhr), die Geiger Petri, Eldering und Kolkm e ij er, welche resp. in Dresden, Köln und Bremen, hochangesehene Stellungen bekleiden. Dass heutzutage kaum eine grössere Oratorium-Aufführung in Deutschland, ohne die Mitwirkung wenigstens eines niederl. Solisten veranstaltet wird, ist bekannt. Man braucht hier nur emige zu nennen, wie die Damen Noordewier-Reddingius, Stronck-Kappel, de Haan-Manifarges, Julia Culp, Tilly Coenen, Grumbacher-de Jong; die Plerren Urlus, Tijssen, van Rooij, Bronsgeest, und vor allem Messchaert. Manch' Conservatorium zahlt Hollander unter seinen Lehrkraften ; ist doch gerade vor kurzer Zeit das Engagement des Herrn W ij s m a n, aus Amsterdam, nach Kiel (erster Klavierlehrer am Konservatorium) perfect geworden. * * * Die Kunst Sweelinck's : das Orgelspiel, wird in den Niederlanden keineswegs vernachlassigt. Als erster sei hier genannt Joh. Wagenaar (Domorganist, Utrecht), wohl der grösste Bachspieler, den wir besitzen. Sam. de Lange (Stuttgart) und de P a a u w (Amsterdam) sind ebenfalls hochbedeutende Orgelspieler ; weiter seien genannt: d e V r i e s (Rotterdam), Koopman und Van 't Kruys (Haag), Robert (Haarlem) u.s.w. Auch hier würde es schwer halten, nur einigermaassen vollstandig zu sein. * Ein wunder Punkt im niederlandischen Musikleben ist die Oper. Standige Opern-Vorstellungen hat nur die Residenz ; die dortige (französische) Truppe spielt wöchentlich dreimal, und giebt auch Vorstellungen in Amsterdam und Rotterdam. Letztgenannte Stadt hat früher eine berühmte Deutsche OpernBühne besessen. Hermann Levi begann dort, als kaum Zwanzigjahriger, seine ruhmgekrönte Laufbahn. Das ganze Unternehmen hing aber ganzlich von der Munifizenz zweier reichen Musikliebhaber ab. Als diese starben, fristete die Oper noch wahrend ein Paar Jahre ein kümmerliches Dasein, starb aber dann an Auszehrung. Niederlandische Opern-Unternehmungen, welche die Werke in hollandiscber Sprache (und in meistens greulichen Uebersetzungen) vorführten, hat es mehrere gegeben. Sich aufrecht zu halten, gelang bis jetzt keiner. Darum wurde die Gründung zweier neuer Gesellschaften — beide in Amsterdam — mit einigem Misstrauen begrüsst. Hocherhaben über diesen allen, steht die „Wagner-Vereemging" (Amsterdam) da! Diese, nur durch ideale Kunstgesinnung erhaltene, Vereinigung, bezweckt die bestmögliche Vorführung (im strengsten Sinne) der Wagner'schen Musikdramen. Henri Viotta ist der Leiter ; das Orchester ist das vom „Concertgebouw", der Chor wird von kunst- und stimmbegabten Dilettanten gestellt; für die Solo-Partien werden die besten der meistbekannten Wagner-Interpreten gewonnen. Der Kostenpunkt ist hier ein ganz und gar untergeordneter Factor ; Hauptzweck ist eine Leistung im Sinne des grossen Meisters. Die Zusammenwirkung dieser, wenn auch verschiedenen, doch einem gemeinsamen hohen Ziel zustrebenden Krafte hat manche Vorsteiïung gezeitigt, welche den Vergleich mit Bayreuth und München ganz gut vertragen konnte. Mit dieser Erwahnung sei diese kurze, und daher nur unvollstandige, Uebersicht des Musiklebens in meinem Vaterlande beschlossen. Das JViederlandiscbe Schauspiel Von % T). Róssing. ❖oo Mischung und lateinischem Zwang, fallt mit dem Riesenkampf um die Freiheit, dem 80 jahrigen Krieg, zusammen. Das Volk will auf sich selbst angewiesen sein: eine freie Sprache — ein freies Volk ! Im Kampfe mit dem reichen und grossen Spanien wird das Niederlandische Volk sich seiner Kraft bewusst. Alles Gute und Grosse, Edle und Erhabene, was im Volke schlummerte, tntt zu Tage. Die Dicht-, Mal-, Bau-, Bildhauerkunst, Musik, Wissenschaft, Handel, Seefahrt und Fischerei blühen und erreichen eine nie geahnte Höhe. Die niederlandische Flagge weht auf allen Meeren. In jedem Weltteil gründet Niederland Koloniën. Kühne Scefahrer eilen von Entdeckung zu Entdeckung. Im Herzen des Landes, im weltbekannten Amsterdam, gründet, im Jahre 1617, Dr. Samuel Adriaansz. Coster, nach dem Vorbild Italiens, eine freie Akademie — comedia del! arte —, auf welcher Wissenschaft, Kunst und Seefahrtkuncle in der Landessprache unterrichtet und geübt werden sollen, frei und zugangig für Jedermann. Der Gelehrte findet daselbst seinen Platz ebenso gut wie der Künstier und der Seemann. Nützliches und Unterhaltendes sollen einander abwechseln ; die Schauspielkunst sorgt für das Angenehme. Die Eröffnung (1617) dieser Akademie, genannt „Eerste Nederduitsche Academie", mit dem Trauerspiel „Moordt begaen aen Willem bij de gratie Gods Prince van Orangien, durch G. van Hogbendorp, Leibgardist des Princen Maurits" und dem Lustspiei „Warenar" (eine hollandische freie Bearbeitung von Plautus' , Aulularia") von Pieter Cornelis Hooft, Drost van Muyden, deutet, durch die Wahl der Stücke, an, was die Mitglieder der Academie von der Schaubühne hofften und erwarteten: Förderung der eigenen Sprache, der Geschichte und des Volkslebens ; die Darstellung und Würdigung des Ahnengeschlechtes und die Beobachtung und das Geniessen der Wirklichkeit. Die Akademie beschaftigte sich eingehend mit den Tagesfragen, mit politischen und religiösen Angelegehheiten; sie bindet den Streit an mit herrschsüchtigen Predigern und fremden Eindringlingen. Das Lustspiei findet sie, zur Geiselung von Zustanden und Personen, ungeeignet; sie wahlt dafür das Trauerspiel. Das Bestehen der Academie ist eine fortgesetzte Streitführung. Der Kunst erweist sie unschatzbare Dienste; sie ermuntert Bredero, Hooft und viele Andere zum schreiben von Lustspielen, denen das Amsterdamer Volksleben zu grande lag. Die Schil- SEM Wesen des Volkes ist das Schauspiel ent- Dl sprossen. Des Volkes Glauben, Hof f en und Zweifeln, I das Kampten und Streben — des Volkes GotI tesdienst und des Volkes Bürg-ersinn. des Volkes Spott und Humor haben im Schauspiel Aeusserung gefunden. Das Schauspiel findet seinen Ursprung in der Kirche. Die mittelalterlichen Schuldrama's bleiben nicht ohne Einfluss. Aus der Kirche siedeln die Schausfücke auf die Kirchhöfe, die Strasse, vor die Rathauser und öffentlichen Gebaude über. Neben dem geistlichen entwickelt sich das weltliche Schauspiel; neben den Passionsspielen und „Moraliteiten" (Sittenstücken) die „Abele und Zinnespeken" und neben diesen, als Nachspiele: die „Sotterniën" und „Kluchten" (Possen). Aus den Possen, aus dem nüchternen Stoff, aus dem Behagen an dem Reahstischen und Komischen spricht am deutlichsten der niederlandische Character, das Wesen des Volkes. Das Schauspiel ist von dem Zeitpunkt an, als der Bürgerstand im Werden begriffen war, mit dem socialen und religiösen Leben innig verwachsen. In den „Kamers van Rhetorica" werden die Tagesfragen besprochen, erregen Politik und Gottesdienst die Gemüter, werden Fragen und Zweifel, die Kopf und Herz erfüllen, in den „spelenvan-zinne" gelost. Im 16. und zu Anfang des 17. Jahrhunderts finden wir die angesehensten Bürger, Bürgermeister, Schöffen, Dichter und Maler — Alles, was zur Kunst schwört, Alle, die sich für das öffentliche Leben, die Entwicklung und den Fortschritt in Stadt und Land interessieren, als Mitglieder der „Kamers van Rhetorica" eingeschrieben ; sie nennen sich „Rederijkers". Die „Rederijkers" fördern und verbreiten durch ihre Zusammenkünfte, durch ihre Vortrage und Bühnenaufführungen die neueren Ideen, die Refoirmation, den Humanismus, — und, durch Pracht und Prahl der Umzüge, den Kunstsinn. Anfanglich sprechen die „Rederijkers" eine gedrexelte, französisierte Sprache. Aber sie brechen mit dieser üblen Gewohnheit und eifern nun für die Reinheit der Muttersprache. Diesbezüglich gereicbt, von allen „Rederijkerskamers", die von Amsterdam, „In Liefde Bloeijende", zum Vorbild. Der Streit um die eigene, reine Sprache, frei von französischer derungen von Volksscenen in diesen Lustspielen und Possen stehen denen der besten niederlandischen Maler, wie Jan Steen und die Seinen, durchaus nicht nach. Die Akademie hat jedoch nicht ihrem Zwecke entsprochen. Die nützüchen Wissenschaften fanden seitens des Publikums nicht das gebührende Interesse. Man musste es bei Versuchen bewenden lassen. Die Kunst aber verbleibt ihr und die Schauspielkunst blüht auf. Aus der Vereinigung der Academie mit zwei „Rederijkerskamern", eine hollandische und eine brabanter, entsteht das erste Theater im Lande : „De Amsterdamsche Schouwburg", welche am 3. Januar 1638, mit der Aufführung des Trauerspiels „Gysbreght van Aemstel" feierlich eingeweiht wurde. Genanntes Stück schildert den Untergang Amsterdams im Mittelalter, sein Wiedererstehen, seinen Rubm und Grosse im 17. Jahrhundert. Dieses Trauerspiel wird, von jener Zeit an bis auf Heute, zu Anfang jedes Jahres einige Male, unter grossem Andrang des Pubhkums, aufgeführt. Im Laufe der Jahre entstanden, nach dem Vorbild Amsterdams, auch andernorts im Lande, wie in 's-Gravenhage, Rotterdam u.s.w., Theater. Joost van den Vondel, geboren zu Köln im Jahre 1587, ist Niederlands grösster Schauspieldichter und, als solcher auch in Deutschkrnd, wo er Mitglied der „Fruchttragenden Gesellschaft" gewesen, in Schweden und Norwegen als Vorbild hingestellt geworden. Hollandische Komödianten, welche im 17. Jahrhundert in verschiedenen deutschen Stadten Vorstellungen in niederlandischer Sprache gaben, machten dort seine Werke bekannt, ebenso die anderer Bühnenschreiber, vor Allem Possendichter, In Deutschland nahm Gryphius, der unter Vondels vollem Einfluss stand, diesen sich zum Vorbild. Wahrscheinlich hat, in Frankreich, Racine den „Traum Athaliens" in seinem Trauerspiel „Athalie" Vondels „Gysbreght van Aemstel" entnommen und scheint Englands Dichter, Milton, beim dichten des „Paradise lost", Vondel's „Lucifer" vor Augen geschwebt zu haben. Das niederlandische Schauspiel hat im 17. Jahrhundert jedenfalls, durch seine Dichter und Schauspieler, auf das Schauspiel in andern Landern grossen Einfluss ausgeübt. Die niederlandische Schauspielkunst hinwiederum war ebenfalls Einflüssen ausgesetzt. Vondel folgte den Fusspuren der Klassiker und blieb frei vom Einfluss des spanischen und englischen Dramas; bis in's höchste Alter, dem achtzigsten Jahr, hat er Trauerspiele geschrieben, und die letzten waren die besten. Wahrend im Anfang, und auch noch lange Zeit danach, seiner klassischen Richtung die romantische, mit Jan Vos und Theodor Rodenburg an der Spitze, gegenüberstand, erlebte er es noch, dass die französische Richtung sich das Uebergewicht verschaffte. Das romantische, vor allem das spanische Drama — in Amsterdam wurde selbst durch portugiesische Juden in Spanisch gespielt — hat sich am langsten zu halten gewusst, es musste jedoch, im 18. Jahrhundert, als in Niederland alles was aus Frankreich kam, nachgeahmt und angebetet wurde, dem französischen weichen. Zu Ende des 18. Jahrhunderts machen sich schwache Anzeichen eines Umschwungs geltend. Lessing und Schiller schaffen sich, wenn auch in bescheidener Weise, einen Namen ; Kotzebue und Iffland finden Bewunderer und die Aufführungen ihrer Werke werden gut besucht. Bis weit in's neunzehnte Jahrhundert hinein, gehören sie in Niederland zu den gefeierten Schriftstellern, besonders Kotzebue. Schillers „Rauber" und „Die Jungfrau von Orleans" getallen mehr und mehr und um 1850 herum steht der Schauspieldichter H. J. Schimmel, der eine neue Aera ankündigte, völlig im Bannkreise Schillers. Von Göthe wird manches übersetzt, aber nicht gespielt. „Faust" gelangte erst zu Ende des vorigen Jahrhunderts zur Aufführung. Schiller's „Rauber" erlebten eine Reihe von Aufführungen und werden noch durch kleinere Schauspielgeseilschaften auf die Bühne gebracht; „Maria Stuart" ist ein Repertoirestück geworden und geblieben; seine „Jungfrau von Orleans" und „Wilhelm Teil" wurden ausnahmsweise aufgeführt, gleichwie Lessing's „Minna von Barnhelm" und „Emilia Galotti". „Nathan der Weise" dahingegen erlebte verschiedene Aufführungen und steht heute noch auf dem Repertoire. Mit Kleist's „Der zerbrochene Krug" und Plebbel's „Maria Magdalena" hat eine vortreffliche Amsterdamer Schauspielgesellschaft, „De Nederlandsche Tooneelvereeniging", eine Probe gemacht. Gebildete Besucher haben davon einen Genuss erlebt, die grosse Menge aber lassen diese Werke kalt. Die deutschen Lustspiei- und Possendichter, wie Julius Rosen und, vor allen, A. 1'Arronge, sind die beliebtesten Autoren geworden. Alle ihre Stücke wurden übersetzt und verschiedene Gesellschaften haben sie aufgeführt. L'Arronge's „Doctor Klaus" wird seit dreissig Jahren gespielt und erweist sich noch stets als Zugstück. Von Paul Lindau und Oscar Blumenthal gingen Stücke sporadisch über die Bühne, wie z. B. „Tante Therese" (P. L.) und „Der Probepfeil" (O. B). Letzteres Stück erzielte einen bedeutenden Erfolg. Her mann Sudermann eroberte die Herzen des niederlandischen Publikums mit „Die Ehre" und „Heimat", welche Stücke zu wiederholten Malen, durch verschiedene Gesellschaften, mit grossem Erfolg aufgeführt wurden ; Max H a 1 b e, mit „Jugend"; Gerard Hauptmann mit „Einsame Menschen" und „Die Weber" etc, wahrend von Max Dryer die meisten Werke zur Aufführung gelangten. Obwohl viele Stücke deutscher Autoren in Niederland aufgeführt wurden, kann man, — abgesehen von Schillerschen Werken —■ keinen grossen Einfluss des Deutschen Scbauspiels auf die Niederlander wahrnehmen, wenn auch Sudermann und Hauptmann einen grossen Eindruck auf Herman Heijermans jun. gemacht zu haben scheinen. Obschon er selbstandig und originell ist, hatte er vielleicht doch deren Anregung verspürt. Das englische Schauspiel übte und übt noch hier wenig Einfluss aus. Von englischen Werken wurden in spateren Jahren meist die Melodramen aufgeführt, und, als günstige Ausnahme Stücke von S h e r i d a n und neuerdings von S h a w, nachdem dieser von deutschen Theatern gespielt worden, z. B. durch das Hebbeltheater in Berlin, das u. a. „Frau Warfens Gewerbe" in diesem Jahre in Amsterdam aufführte. Shakespeare — und das ist eine erfreuliche Erscheinung — hat sich seit dem vorigen Jahrhundert das Bürgerrecht in Niederland erworben, nachdem Dr. L. A. J. Burgersdijk seine samtlichen Werke übersetzt hatte. Diese werden hier viel gelesen, studiert und gespielt. Zu dieser erfreulichen Tatsache hat Deutschland sehr viel beigetragen. Die Vorstellungen von Shakespeare's Schauspielen in Amsterdam und Rotterdam, hauptsachlich durch das Meininger Hoftheater, und spater durch Ludwig Barney und Ernst von Possart — vor dieser Zeit durch Devrient und Dawison ■— haben den Niederlandern Augen und Herzen für diesen Schatz geöffnet. Im 18. und 19. Jahrhundert hatte Shakespeare weder Einfluss noch Nachfolger in Niederland, wohl aber einigermaassen im 17. Jahrhundert. Verschiedene Nachdichtungen und Bearbeitungen —■ u. a. , Romeo und Julia", „Hamlet", „Kaufmann von Venedig" — sind durch das Studium des Dramas bekannt geworden. Nach den Spaniern haben die Franzosen die meisten Anhanger in Niederland gefunden. Das ganze 18. Jahrhundert stand unter ihrem Einfluss, und zum Teil auch das Neunzehnte, aber immer wieder wurden sie durch die Deutschen und, in jüngster Zeit, durch die Nordlander verdrangft. Die Uebersetzungen der französischen Trauerspiele sind, wie die Schau- und Lustspiele, Legion, ebenso die Nachdichtungen. Letztere, welche in Versform geschrieben sind, haben weder Klang noch Farbe, und scheinen nur das zu sein was sie eben sind, nicht aber eine vortreffliche Uebersetzung der Werke eines Künstleirs. Ein grosser Künstier wie Andries Snoek und eine hervorragende Künstlerin wie Wattier Zies enis, brachten sie zur Geltung. Die Bastard-klassischen Dramen hatten im 18. Jahrhundert Einfluss, im Neunzehnten vor allem E u g e n S c r i b e. Obwohl die Werke von Alex Dumas „Vater und Sohn", d Ennery, Labiche, Em. Augier und V. Sardou sehr oft aufgeführt wurden und noch werden, kann man trotz alledem nicht von einem Einfluss sprechen, es sei denn, ganz wenig von d'Ennery (von hoilandischer Abkunft). Grosseren Einfluss als Sudermann und Hauptmann haben wahrend eines Vierteljahrhunderts die Nordlander auf die niederlandische Dramaturgie ausgeübt: Björnson ein wenig, Henrik 1 b s e n jedoch, dessen samtliche Werke hier sehr oft und vortrefflich zur Aufführung gelangten, sehr viel. Ibsen beherrschte die Geister. Die ersten Folgen machten sich vor fast 20 Jahren bei N o u h u y s mit seinem Ibsenschen Schauspiel „Ehrlos" bemerkbar, wahrend sein Drama „Goldfische" mehr zur romantischen Richtung hinneigt. Noch starker unter dem Einfluss Ibsens, schrieb Frau Simons Mees viele ihrer vortrefflichen dramatischen Werke. Frau Top Naeff konnte sich, in ihrem Schauspiel „Aan flarden" („In Fetzen"), von Ibsens „Nora" nicht trennen. Der gegenwartige Erfolg der französischen Stücke, so von Bernstein und Capus, ist nicht von bleibender Art. Das französische Schauspiel ist — mit Ausnahme der Werke Rostands — zu tief gesunken und sinkt noch stets zu viel, um ihm Bedeutung beizumessen. Von einer Nachfolge ist denn auch keine Rede. Eine bedeutende Stellung nimmt — wie gesagt — I b s e n ein. Die meisten seiner Schauspiele sind übersetzt und eine Gesammtausgabe der übersetzten Werke ist erschienen. Beinahe alle seine Dramen wurden und werden noch, durch verschiedene Gesellschaften mit grossem Erfolg und durchweg trefflich gespielt; „Nora" sicherlich mehr als dreihundertmal. Dieses Schauspiel rührte das Publikum aussergewöhnhch ; im ganzen Land sprach man darüber und selbst von der Kanzei herunter wurde seiner Erwahnung getan. Niederland ist seit einigen Jahren reich an Schauspieldichtern. Früher gebrach es den Autoren an Fachkenntniss ; dieser Mangel ist jetzt gehoben und der eine oder andere von ihnen steht den Auslandern nicht nur nicht nach, sondern übertrifft sie selbst. Damit ist Herman Heijermans j r. gemeint. Er beherrscht das Fach. Jeder Stoff nimmt vor ihm sofort eine dramatische Form an und zwar so stark, dass seine „Amsterdamer Skizzen" — die „Falklandjes" — ihren Reiz zum erheblichen Teil der packenden Inszenesetzung zu verdanken haben. Alles was mit einem Vorkommniss zusammenhangt, entgeht Heijermans nie und nirgends. Absichtslos tragt er der Umgebung, dem Zeitpunkt Rechnung. Die meisten Heijermans'schen Werke, wie : „Ghetto", „Op Hoop van Zegen", „Bloeimaand", „Schakels" u. s. w. verraten eine Tendenz, sind manchmal einseitig, aber sie leben und spiegein das Leben wieder. Sobald man diese Werke der zufalligen Zutaten entkleidet, dann verrat der Kern den Charakter jeghcher niederlandischen Kunst: Schilderung der Wirklichkeit wie sie sich dem Auge darbietet, ohne Schöntuerei. Deshalb ist Heijermans, sobald man in seinen Arbeiten von Tendenz und Pointirung absieht, ein nationaler, ein echt niederlandischer Schriftsteller. Er verlangert die Linie, deren Anfangspunkt im Mittelalter, im rein „dietschen" Tier-Epos von „den Vos Renaerde" zu suchen ist. Seine jüngste Bühnenarbeit: „Der grosse Flug", eine harmlose Satyre, darf als neuer Beweis dafür gelten. Alle wirklich niederlandischen Autoren sind, gleich den althollandischen Malern, Nachahmer der Wirklichkeit und wirken deshalb am starksten, sobald sie das Komische, insbesondere das Volksleben wiedergeben. In Lustspielen und Possen brachten demi auch die niederlandischen Schriftsteller, jetzt und in früherer Zeit, das Nationale am deutlichsten zum Ausdruck. In diesem Genre stehen sie —■ wie im Anfang bemerkt wurde —• Malern, wie Jan Steen, Adriaan Brouwer, Teniers und van Ostade nicht nach. Sobald das nationale Bewusstsein schwacher, die Ursprünglichkeit geringer wird, bleibt das Nationale und Ursprüngliche stets am langsten in Lustspiei und Posse gehandhabt. Trotz der Nachahmung der Franzosen, am Ende des 17. und wahrend des 18. Jahrhunderts, flackert bei den Lustspieldichtern immer wieder das Nationa^efühl auf. Es übertragt sich von S A. Brederode über Th. Asse 1 ij n und Dr. P. Bernagie auf Pieter Langend ij k, den Verfasser von Lustspielen wie : „Krelis Louwen of Alexander de Groote op het Poëtenmaal", das auch in's Deutsche übersetzt wurde, von „Het wederzijdsche Huwelijksbedrog ', „De Wiskunstenaars", „Spiegel der vaderlandsche Kooplieden" u. s. w. Mit dem Tode Pieter Langendijks, im Jahre 1756, verschwindet, im 18. Jahrhundert, das Althollandische Lustspiei. Die Französisierung, der im 17. Jahrhundert schon durch die Kunstgenossenschaft „Nil Volentibus Arduum" die Wege geebnet wurde, wird nun vollkommen und zwar für jegliches Bühnenwerk. Wenn auch Vondel', in gewissem Sinne, das kirchliche Drama des Mittelalters fortgesetzt und seine biblischen Trauerspiele, in Nachfolge der alten aufgebaut hatte, und obschon P. C. Hooft geschichtliche Trauerspiele und ein Schaferspiel gedichtet, beide somit für das Klassische sich erklart hatten, wahrend Jan V" o s und Rodenburgh sich der Romantik zuwandten — ging doch ihr ganzes Werk, durch die Französisierung, in einigen Zeitabschmtten verloren. • Willem Bilderdijk, der am Ende des 18. und zu Anfang des 19. Jahrhunderts lebte, widersetzte sich nicht; auch er fand das französische Trauerspiel vorbildlich. Vom echt Klassischen war man auf's Bastard-Klassische verfaüen. In Bilderdijks Tagen machte sich aber — wie bereits bemerkt — auch noch ein anderer Einfluss, der deutsche, geltend. Wohl glaubte man dem Nationalismus zu dienen, indem man Trauerspiele dichtete, welche Personen oder Episoden aus der vaterlandischen Geschichte behandelten, aber ihnen fehlte die Ursprünglichkeit Sie dienten, zeitens der französischen Ueberherrschung, nur dazu, dem Nationalgefühl zu schmeicheln und verdankten diesem Umstand ihre Behebtheit. Trotz aller Versuche im 19. Jahrhundert, um wieder national zu sein, sich wieder an das 17. Jahrhundert anzuschliessen, bewegte sich das Schauspiel in ausgetretenen Spuren weiter ; doch aber muss anerkannt werden, was M r. W i s e 1 i u s, Helvetius van den Berg, Jacob van Lennep und H. J. Schimmel für sein Wiederaufleben getan haben, obwohl bis weit in's 19. Jahrhundert hinein Kotzebue und Iffland noch Autoritat besassen. Nur sporadisch zeigte sich das Nationale, das, mit Helvetius v. d. Berg's Lustspiei „De Neven", wieder aufzuleben schien. Man versuchte um das Jahr 1850 herum, Liebe für Literatur und Kunst des 17. Jahrhunderts, durch Errichtung von „Rederijkerskamers", wieder aufleben zu lassen, jedoch man übersah, dass die „Rederijkerskamers" des 17. Jahrhunderts in dieser Zeit wurzelten, dieser Zeit entsprangen und dass die neuerrichteten Gesellschaften nicht die geringste Gemeinschaft mit ihrer Zeit hatten. Somit blieben diese Versuche erfolglos. Eine der Kammern, die Kammer , Achilles" zu Amsterdam, machte eine Ausnahme. Sie hatte die Studiën der Autoren des 17. Jahrhunderts gefördert; namenthch die, immer mehr zunehmende, Schatzung und Würdigung Vondels ist ihrer Tatigkeit zu verdanken, sodass — wenn auch nur probeweise — hin und wieder ein Trauerspiel von Vondel zur Aufführung gelangte. Das Scbreiben von Schauspielen, weichen die Geschichte des Vaterlandes zu Grunde lag, nahm zu, als endlich die romantische Richtung sich mehr und mehr geltend machte. Da war das bastard-klassische Trauerspiel abgetan. Das deutsche bürgerliche Schauspiel hat hierzu mit beigetragen. Die abgöttische Verehrung Ifflands und Kozebues wurde nun auch R. Benedix und der Birch Pfeiffer zu teil. Fleissig wurden ihre Werke übersetzt und gespielt. Das französische Vorbild machte sich aber doch auf das niederlandische Schaupsiel geltend. Dem Einfluss Eugen Scribe's, den man als Muster für den Aufbau des Drama's hinstehte, konnte sich eben niemand erwehren. H. J. Schimmel hat in seinem bürgerfichen Schauspiel am Gangelbande Scribe's gelaufen. Frankreich herrschte in und nach der 1. Half te des 19. Jahrhunderts wieder wie früher. Die französischen Drama's, namenthch die Melodramen, wurden als Kunstwerke betrachtet und auch als solche genossen. Sie hessen das Schauspiel und die Schauspielkunst immer tiefer und tiefer sinken. Drama, Spiel, Sprache und Vortrag bewegten sich in bombastischen Formen. Die Gründung eines Verbandes: „Het Nederlandsch Tooneelverbond", zwischen 1860 und 1870, und einer Theaterschule sollten dazu dienen, dem Unwesen zu steuern. Das Höchste, was dieser Schauspielsport erreicht hat, war, dass auf allen Bühnen reines und gebildetes Niederlandisch gesprochen wird. Das. was der „Nederlandsen Tooneelverbond" in Theorie beabsichtigte, wünschte eine, durch PI. J. Schimmel und A. C. W e r t h e i m gegründete, Vereinigung, die sich spater zur, jetzt noch bestenenden, „Koninklijke Vereeniging: Het Nederlandsch Tooneel" auswuchs, in die Praxis zu übertragen. Wenn auch diese Vereinigung Vieles erreicht hat, so sind ihre Hoffnungen doch nur teilweise in Erfüllung gegangen. Ein Teil ihrer Aufgabe: die Dichtung und Aufführung ursprünghcher Schauspiele zu fördern, ist mit gutem Erfolg durch „De Nederlandsche Tooneelvereeniging" wahrend ihres fünfzehnjahrigen Bestehens übernommen worden. Diese Vereinigung hat mehr ursprüngliche Schauspiele aufgeführt, als die „Koninklijke", wahrend der dreissig vorhergegangen Jahre ; überdies fügte sie ihrem Repertoire wieder gute altere Werke aus dem 17. und 18. Jahrhundert hinzu. Die Leiter dieser Gesellschaft spornten solche Literaten, bei denen sie Talent für die Schauspietdichtung vermuteten, zum schreiben an. Dadurch hat die Anzahl Dramaturgen, wahrend Herman Heijermans zehnjahrigen fruchtbaren Wirkens, bedeutend zugenommen. Zu den besten jüngsten Schauspieldichtern sind zu rechnen : Jhr. A. W. G. van Riemsdijk, Frau Ida Boudier-B akker, Frau Simons-Mees, Dr. jur. W. Paap, Henn Dekking, Frans M ij n s s e n u. a. m. Dieser Vereinigung ist es auch zu verdanken, dass Herman Heijermans' Talent sich so kraftig entwickelt hat. Ihre Leiter haben es verstanden, ihn zum Schaften anzuspornen. Die Entstehung van „Ghetto" ist auf diese Einwirkung zurückzuführen. Er ist der „Nederlandsche Tooneelvereeniging" und diese ihm treu geblieben : sie hat alle seine Werke unter seiner Regie gespielt. Lange bevor Heijermans die Schattenseiten des Lebens — zu einseitig — gezeichnet, hat Justus van Maurik dieses Leben von der fröhlichen Seite aus betrachtet und in zahlreichen Lust- und Schauspielen und Possen, wie „Janus Tulp", „Fijne Beschuiten", „Men zegt", „S of Z" u. s. w. geschildert. Diesen Werken mangelt jedoch die Tiefe; sie sind zu conventionell. Noch mehr fallt dies bei den Schauspieldichtungen von R o s i e r Faassen auf, obwohl diese characteristischen Vorfalle aus dem niederlandischen Volksleben in sehr künstlerischer Weise geschildert sind. Trotzdem gehören sie, ihrer Derbheit halber, zu den guten, bühnenfahigen niederlandischen dramatischen Kunstproducten und haben denn auch aussergewöhnlichen Erfolg aufzuweisen. Ernsterer Natur und in strengerer Sprachform geschrieben sind die Werke von Van N o u h u ij s, Frau Simons-Mees, Marcellus Emants und J. de K o o, welch letzterer, unter dem Pseudonym: Dr. juris, ein Stück, betitelt: „De candidatuur van Bommel", verfasst hat, das sich überdies durch feinen Humor auszeich.net. Eine Sonderstellung unter den Dramaturgen des 19. und 20. Jahrhunderts nehmen M u 11 a t u 1 i und M a r c e 11 u s Emants ein. Multatuli brachte, durch sein sociales Drama „Vorstenschool" (Fürstenschule), ganz Niederland in Erregung, um so mehr als man in der Hauptperson König Wilhelm III. zu erkennen glaubte. Multatuli wies jedoch diese Annahme mit Entschiedenheit zurück. Die tref f liche Aufführung dieses Stückes durch die Rotterdamer Schauspielgesellschaft „Le Gras, van Zuijlen en Haspels" bildete ein Ereignis, Multatuli, der seit ziemlich langer Zeit, in freiwilliger Verbannung zu Nieder-Ingelheim wohnte, wo man jetzt in den Giebel de.s Hauses, das er bewohnt hatte, einen Gedenkstein gefügt, kehrte in die Heimat zurück, um den Vorstellungen beizuwohnen. Ueberall wurde er, der ja auch den unsterblichen „Max Havelaar', „Ideen" u.s.w. geschrieben, mit Enthusiasmus begrüsst. In „Vorstenschool" war Multatuli seiner Zeit weit voraus; er prophezeite darin die sociale Gerechtigkeit und förderte sie, gleichwie Helvetius van den Berg in seinem Lustspiei „D e Neven" dies mit der Standesgleichheit getan. Beide Werke sind für die Entwicklungsgeschichte von grosser Bedeutung. Sie kündeten die Ideen, die im Volksherzen schlummerten und gaben ihnen Form. Marcellus Emants' erste Schöpfungen fallen in die Zeit, als die Teilnahmslosigkeit am Bühnenleben so ziemlich allgemein und von gutem Geschmack keine Rede war; er stand damals in seinen Bestrebungzn beinahe allein. Denn G1 a n o r und Lodewijk Mulder liessen es bei je einem Werke von Bedeutung bewenden, welche Werke sich allerdings auf reine Kunst und einfaches Spiel als von grossem Einfluss erwiesen. „Uitgaan" von Glanor, Pseudonym des ehemaligen Gouverneurs des Prinzen Alexander, H u g o Beij ermans, trug viel dazu bei, eine reine, gebildete Sprache auf die Bühne zu bringen, und die „Kiesvereeniging te Stellendijk" von Lodewijk Mulder liess in den niederlandischen Schauspielern den Sinn für das ungezwungen Komische, für den Humor wieder aufleben. Glanor und Lodewijk Mulder beschrankten sich — wie ich bereits bemerkte — auf diesen Versuch. Marcellus Emants, ein viel jüngerer Zeitgenosse von ihnen, liess es dabei nicht bewenden. Er schrieb, in Zwischenraumen, neue Stücke, die stets eine scharfe Beobachtungsgabe, ungemeine Geistesfrische und Charakterisierungskunst verrieten. Obgleich eigentlich nur eines seiner Erstlingswerke einen durchschlagenden Erfolg aufzuweisen hatte, verzagt er nicht, sondern arbeitet weiter. Jedes seiner neuen Stücke ist ein Ereignis ; das letzte: „Domheidsmacht", wohl das bedeutendste. Es ragt durch seinen tieten Einblick in das menschliche Wesen hervor, gleichwie seine schonen, geistreichen, kleineren Werke : „Onder ons", „De nieuwe leus" u .s. w. D r. F r e d. van Eeden lenkte anfanglich durch seine, von Humor, ja Ausgelassenheit sprudélnden, Lustspiele und Possen, wie : „Het Poortje", „Het Sonnet", „Frans Hals" u. s. w., die er als Student geschrieben, die Aufmerksamkeit auf sich. Noch stets ist er der Bühne zugetan. In diesem Jahre noch (1908) gingen zwei seiner Werke mit gutem Erfolg über die Bühne, in weichen Ironie und Satyre auf gesellschaftliche Zustande nicht zu verkennen sind. Falls er sich von Tendenz freizuhalten verstehen sollte, ist sicherlich noch ein Bühnenwerk von ihm zu erwarten, das weit über dem Alltaglichen steht. Die meisten Schauspieldichter liessen es — wie gesagt — bei einem Versuch bewenden ; weiter brachten sie's nicht. Erst Heijermans jr. schenkte dem Publikum, in regelmassigen Zwischenraumen, neue Stücke, ausgezeichnetes Bühnenwerk, das ihm einen angesehenen Platz unter den Dramaturgen des In- und Auslandes einraumte. Sein Vorgehen hat auf Andere ansteckend gewirkt. Wenn auch in diesem Fall das : „Viele sind berufen aber wenige sind auserwahlt" seine Giltigkeit behalt, so wurden doch überraschende Resultate gezeitigt. Die niederlandischen Autoren sind zur Ueberzeugung gelangt, dass auch sie das Talent zum schreiben besitzen, und den Directoren wurde deutlich, dass sie dem Publikum nicht ausschliesslich mit Uebersetzungen aufzuwarten brauchen, sondern jederzeit über gute Producte einheimischer Schaffenskunst verfügen können. * # * Die gute niederlandische Schauspielkunst besitzt, gleich jeder andern niederlandischen Kunst, die Merkmale der Einfachkeit, Natürlichkeit und scharfen Beobachtung. Der vornehme, ernste Character der Niederlander verlangte in den Trauerspielen und Dramen ein würdevolles, feierliches Sprechen. Dieses würdevolle Sprechen artete haufig in schreien und lamentieren aus. Im 18. Jahrhundert entstand dadurch Streit zwischen den bedeutendsten Schauspielern Jan Punt und Marten Corver. Letzterer, der Mann, der auch die Reform in der BühnenAusstattung zu wege brachte, behielt die Ueberhand. Grosser als Punt und reiner im Vortragen waren, am Ende des 18. und zu Anfang des 19. Jahrhunderts, Andries Snoek und Cornelia Wattier-Ziesenis. Napoleon I., der die Beiden im Amsterdamer Stadttheater spielen sah, erkannte in ihnen, trotzdem er ihre Sprache nicht verstand, die grossten Schauspieler Europa's und setzte Cornelia Wattier Ziesenis ein Jahrgeld aus. Talma, der berühmte französische Bühnenheld, der sich damals in Amsterdam aufhielt, erkannte öffentlich S n o e k's Ueberlegenheit an und wagte es nicht, in Trauerspielen, in denen Snoek eine Rolle erfüllte, aufzutreten. Um diese Beiden gruppierten sich viele andere tüchtige Schauspieler. Einer von ihnen, Jelgerhuis, eiferte sehr für Gestikulation und Mimik, worüber er ein Werk schrieb. Seine Enkelin, Frau Kleine Gar t man, setzte die tref flich en Ueberheferungen der niederlandischen Schauspielkunst fort und ragte namenthch in der Komödie hervor. Ihr Spiel war ebenso wahr wie natürlich und, wo es am Platze war, gerade so fein-humoristisch wie das ihrer Vorgangerin Frau Narret-Koning. Ihre Kunst ist am besten zu vergleichen mit der von Marie Seebach, obwohl Frau Kleine Gartman vielseitiger war. Das Talent Snoek's zeigte, was den Vortrag betrifft, einen Abglanz des Spieles von Anton Peters. Ein Wiederaufleben der Kunst Snoek's verdankt man dem, der Kunst stets noch eifrig dienenden, Louis Bouwmeester, der jenen noch durch .grössere Darstellungskraft in klassischen Werken übertrifft. Louis Bouwmeester ist einer Künstlerfamilie entsprossen, die ihrem Lande ausser ihm noch die bedeutende Darstellerin der Hauptrollen in französischen Sittenstücken F r ia, n k el-Bouwmeester geschenkt hat. Sein Bruder, F r i t z, ein seltener Characterdarsteller, starb in Indien. Louis Bouwmeester's Talent fand selbst in Frankreich solche Würdigung, dass ihm die seltene Ehre zu teil wurde, im Théatre Francais zu Paris, Shakespeare's „Kaufmann von Venedig" in hoHandischer Sprache zu spielen. Durch seine enorme Darstellungskraft verstand er es, als Shylock, das verwöhnte Publikum zur Anerkennung seines machtigen Talentes zu zwingen. Die Schauspieler Willem Royaards und E d u a r d V e r k a d e wiederum streben nach eingehender Darstellung, nach Anschluss an die grosse Kunst. Willem Royaards hat durch seine Vortragskunst schon viel erreicht. Die niederlandische Schauspielkunst ist, durch die engen Grenzen des niederlandischen Sprachgebiets, sozusagen isoliert. Deshalb suchte sie in den letzten Jahren einen Ausweg nach den ost- und westindischen Koloniën und nach Südafrika. Obwohl in Ostindien namenthch der finanzielle Erfolg gross war, halten sich die meisten niederlandischen Schauspieler doch an das Sprüchwort: „OostWest, thuis best!" * * * Für die Ausstattung der Schauspiele haben bereits die „Rederijkers" des 17. Jahrhunderts gut Sorge getragen. Dieser löbliche Gebrauch blieb erhalten. Die, durch Dr. Samuel Coster im Jahre 1617, zu Amsterdam gegründete „Akademie" entwickelte diesbezüglich noch mehr Sorgf alt; viel mehr aber noch die, aus der , Akademie" und den „Rederijkerskamers" entstandene und im Jahre 1638, mit dem „Gijsbrecht van Amstel" eröffnete „Schouwburg". Hauptsachlich um das italienische Decorativ nachahmen zu können, wurde, 1665, die „Schouwburg" verbaut Von jeher hat die Amsterdamer „Schouwburg" für schone Decorationen, praktische Maschinerien und prachtige, stylvolle Kostüme gut Sorge getragen, sowohl im alten Theater an der Keizersgracht, als spater in dem auf dem Leidsche Plein, namenthch in jenen Tagen, als das Ballet noch sehr im Schwang war. Durch dieses hatte sich in die Ausstattung viel Conventionelles und Oberflachliches eingeschlichen. Jedermann merkte es deutlich, als das Meininger Hoftheater im genannten Theater eine Reihe von Vorstellungen gab. Der grosse Einfluss der Meininger zum Guten macht sich jetzt noch geltend, sobald ein Werk von Shakespeare aufgeführt wird. Auch war der Aufenthalt des, jetzt nicht mehr bestenenden Berliner Wallner-Theaters sehr nutzbringend für die niederlandische Regie und die niederlandischen Schauspieler mit Bezug auf die Auflührung von deutschen Schau- und Lustspielen. Französischer Einfluss auf Regie und Spiel machte sich im vorigen Jahrhundert, in Rotterdam, durch das Talent des Regisseurs A. J. 1 e Gras, grade wie im 18. Jahrhundert durch das von Martin Corver, geltend. Auch übten und üben noch Spiel, Ausstattung und Repertoire der vielen deutschen und französischen Gesellschaften, welche im „Grand Théatre" A. van Lier auftraten und noch auftreten — Van Lier's „Grand Théatre" war ursprünghch ein deutsches Theater — einen bedeutenden Einfluss. Die drei Brüder Van Lier, seit Jahren Directoren des Grand Théatre's, verfügen augenblicklich über eine ausgezeichnete Truppe. Gegenwartig erlebt Amsterdam einen Wettstreit in der Inscenirungskunst. An der Spitze der einen Richtung steht Willem Royaards, an der der andern, der idealere — vielleicht zu ideale — Eduard Verkade. Jeder der Beiden hat eine eigene Gesellschaft gebildet. Ihr Streben und Hoffen haben sie in ihren Eröffnungsvorstellungen ausgedrückt: Eduard Verkade in Shakespeare's „Hamlet", — Willem Royaards in Vondel's „Adam in ballingschap". Die Bestrebungen der beiden jungen Schauspieldirectoren — gleichzeitig auch Schauspieler —■ zielen nicht allein auf eine richtigere und schonere Ausstattung und Inscenirung ab, sondern auch auf die Schaffung eines Repertoires, das den Anforderungen der Neuzeit und ihrer Literatur entspricht; auch befleissigen sie sich einer andern Sprechweise, namenthch beim Vortrag von Versen. Beide junge Manner hauchen der Schauspielkunst, die allzu lange unangefochten blieb, neues Leben ein; sie erwecken grosses Interesse und spornen andere Gesellschaften, selbst die „Koninkl. Vereeniging „Het Nederlandsch Tooneel", zu kraftigerem Handeln an. Herr W. van Korlaar, ein junger Regisseur, der in Köln, Berlin und Paris die Regiekunst zu erlernen bestrebt war, fördert bei letztgenannter Gesellschaft solche Ideen. Wahrend früher das Schauspiel in Amsterdam — das tonangebende in Niederland — einen Schneckengang ging, ist jetzt diese Kunst zu frischem, fröhlichen Leben erwacht und mit ihr das Bestreben, mit Beobachtung der Vorzugsrechte niederlandischer Schauspieldichter, die wirklich grossen Dramaturgen aller Zeiten und Lander, in gediegenster Weise auf die Bühne zu bringen. Dabei werden dem Spiel und der Ausstattung die Kennzeichen und Vorrechte acht niederlandischer Kunst aufgedrückt. Möge es stets so bleiben ! Die niederlandische Literatur Von X d« JMeester. 0O© »De taal is gansch het volk." (»Die Sprache ist das Volk.") ■ m EN Anfang der niederlandischen Literatur kann Dman, wenn man alle die mehr oder weniger belletristischen Schriften darunter mitversteht, die einmal in der niederlandischen Landessprache geschrieben worden sind, in die letzte Half te des 12. Jahrhunderts verlegen. Die vorr " nehmste Figur unserer mittelalterlichen Literatur 0© ist Jacob van Maerlant, der, um 1235 etwa, in der Nahe von Brugge (vielleicht zu * " Dammej geboren wurde, Klister in dem spater mit Brielle vereinigten Maerlant war und viel an dem Hofe Albrechts van Voorne, des Burggrafen von Seeland, verkehrte. Anfanglich schrieb auch er, was an den Höfen jener Zeit begehrt wurde: er bearbeitete, aber mit mehr Selbstandigkeit als die meisten anderen Uebersetzer, Ritterromane. Spater wandte er sich geringschatzend von diesen „snodelhede" (schnöden Dingen), diesen unwahren Tandeleien ab und beeiferte sich, alles, was seine Zeit wusste, dem Bereiche derer zuganglich zu machen, die nicht Latein verstanden. Neben Teilen gereimter Prosa hat er wirkliche, hoch entwickelte Poesien hinterlassen, u. a. das sehr demokratische Zwiegesprach Wapene Martyn. Neben Maerlant muss die mystische Dichterin H a d e w ij c h genannt werden. In der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts entstand eine erbau liche Prosaliteratur, welche das ganze fünfzehnte Jahrhundert hindurch von grosser Bedeutung blieb. Die Frömmigkeit bediente sich der Volkssprache. Von Einfluss auf diese literarische Richtung war die deutsche Mystik. Zuerst trat in Brabant (Kloster Groenendael) der Prior Jan van Ruusbroec, der Prosa schrieb, die mit hoher Erhabenheit schone Einfachheit paart, hervor ; im fünfzehnten Jahrhundert machte sich die „moderne devotie" (Devotion) in Nord-Niederland geltend. Führer der Zeitgenossen war Geert de Groote; man schrieb in Lateinisch (I m i tatione Christi von Thomas a Kempis), aber auch in der Volkssprache (Johannes Brugman und Hendrik M a n d e). Unter dem Einflusse dieser „devotie" kam auch das geisthche Lied zur Blüte. Die alteste dramatische Poesie in der Volkssprache datiert von etwa 1400. Zwei dieser „abele spelen" (, abele" = „erhabene" Spiele) E s m o r e i t und Lanseloet wurden in jüngster Zeit wieder aufgeführt, ebenso wie die, dem Ende des fünfzehnten Jahrhunderts entstammende, „moraliteit E 1 c k e r 1 y c", die jetzt sogar einem Verein von Literatur und Literaturfreunden den Namen gegeben hat, einem Verein, der sich die Hebung der Bühne zum Ziel gesetzt hat. Aus den Tagen des Reformationsstreites ist die Antwerpener Dichterin Anna B ij n s zu nennen, die sich mit Begeisterung der neuen Lehre widersetzte. Sie konnte die Entwicklung einer Geusenpoesie, von Kampfliedern und Martyrergesangen nicht aufhalten. Das Wilhelmus ist noch lebendig und in den letzten zwanzig Jahren wieder je langer je mehr als nationales Lied angenommen worden. —■ Die Psalmen wurden übersetzt, damit sie gesungen werden konnten. Van Zuylen van Nyevelt, Petrus D a t h e e n und Marnix van St. Aldegonde dienten zwei Idealen zugleich, der Frömmigkeit und der Freiheit, der letzte auch mit scharfer Prosa. Ein Humanist von Bedeutung, der zwischen Katholiken und Calvinisten stand und daher von beiden angebellt und begeifert wurde, war Coornhert, der Cicero und Boccaccio übersetzte und in „Wellevensconst" seinen Humanismus darlegte. Wir nahern uns nun dem gol denen Zeitalter: Hollands Entwicklung unter den Segnungen der Geisteskraft und der Freiheit. Auf die Kultur des Nordens war es von grossem Einflusse, dass nach 1585 so viele Gebildete aus Süd-Niederland sich in den nördlichen Stadten niederliessen. Von dieser Zeit ab tritt die Literatur in Süd-Niederland zurück und bleibt zurück bis in die allerjüngste Zeit. Als dieses goldene Zeitalter, das siebzehnte Jahrhundert, begann, wohnte der, im Jahre 1587 zu Köln geborene, Joost van den V o n d e 1 bereits mehrere Jahre zu Amsterdam. „Wohin der Knabe kam," schreibt Prof .G. Kalff, „überall sah er Ausbreitung, Vermehrung, Wachsen der Kraft." Dieses Schauspiel weckte Vondels Begeisterung, er wurde der Herold der grossen Zeit, die uns Manner aufweist wie Moritz und Frederik Hendrik, De Ruyter, Rembrandt, de Witt und de Groot. Vondel ist die herrlichste Offenbarung des hohen, heldenmütigen Volksgeistes jener Tage, des Höchsten im Volke jener Zeit." Volksdichter ist er niemals gewesen. Das war wohl der zehn Jahre altere Jacob C a t s, ein gesellschaftlich viel höher stehender Mann als Vondel, auch durch Studium Aristokrat, der in vielseitiger Gelehrtheit, Kenntnis alter und neuer Sprachen den Gelehrten der Renaissance nichts nachgab, aber in seinen Werken „H o u w e 1 y c k" (Ehe), „T r o u - R 1 n g h" (Trauring), „Spieghel van den ouden en den nieuwen t ij d t" (Spiegel der alten und der neuen Zeit) nach seiner eigenen Erklarung anwandte „een openbare, eenvoudige, ronde en gans gemeene manier van seggen, de selve meest overal ghelijck makende met onse dagelickse manière van spreken, daarin alle duysterheyt schouwende" (eine allgemein gebraucbliche, einfache, „runde" und ganz gewöhnliche Manier sich auszudrücken, dieselbe meist überall angepasst unserer „taglichen" Manier, zu sprechen", weil er darin alle „duysterheyt" = Dunkelheit vermeidet). So hat er, der die Feder ergriffen, als er die Vierzig schon überschritten hatte, seinem Volke Schriften geschenkt, die „eine zweite Ffausbibel" geworden sind. Schon der mittelalterliche Dichter Dire Potter in seinem „Der Minnen L o o p" (Der Liebe Lauf) und der aus dem sechzehnten Jahrhundert stammende Roemer Visscher in den „Sinnepoppen" (Symbolen) hatten volkstümliche Kunst im Geiste Cats' gebracht: didaktische Erzahlungen und Gleichnisse. In den Emblemata, die zu einem „Vernunftspiel" entartet sind, hat Cats die Meisterschaft davongetragen. Er ist ferner — u. a. in dem .Spaans Heydinnet j e" (spanische Heidin) — geborener Erzahler. Und seine Werke sind innig hollandisch durch A n schaulichkeit und Intimitat. Diese Eigenschaften jedoch findet man bei Vondel ebenfalls, dessen Genie wenigstens, wie niemand vor oder nach ihm, den Eindruck des Unermesslichen und des Unendlichen in „L u c i f e r" wiederzugeben gewusst hat. Südniederlander nach seiner Abstammung, leidenschaftlicher als ein geborener Hollander, war er dem Geiste nach ein Vollblut-Amsterdamer, der mitlebte mit allem, was in jener herrlichen Zeit zu erleben war, der lobte oder schalt mit dem Eifer eines Zeitungsschreibers der Gegenwart, doch in anderer Sprache; der aus bestellten Gelegenheitsgedichten Meisterwerke zu machen wusste ; der jedoch eigene geistige Nahrung anfanglich im klassischen Altertum suchte; der, wahrend er seinen Strumpfwarenladen trieb, Seneca studierte, Virgil übersetzte, spater, um der griechischen Trauerspiele willen, Griechisch lernte und dabei festhielt an der Bibel, die erste Christenheit zum Gegenstande gründlichen Studiums machte, aus der Bibel eine Kunst von ebensolcher Mannigfaltigkeit und Originalitat schöpfte wie Rembrandt, und mit tiefer en und h ö heren Werken noch auf den Plan trat, nachdem er, nach seinem sechzigsten Lebens jahre, Katholik geworden war. Vondel, der Tadelnswertes geisselte, nationale und stadtische Grosse pries, leidenschaftlicher Beobachter war der Vorgange im Leben der Völker, z. B. des Kampfes gegen die Türken, prachtiger Verteidiger des katholischen Glaubens, hat 32 Dramen geschrieben, darunter 24 Originaldramen; und hierin, wie in Versen von sehr hohem Schwung, bemerkt man die eben genannte Anschaulichkeit und findet man die Intimitat, die wohl auch einmal den dramatischen Gang stört. Nach der „hauslichen" Poesie des Dichters Cats, verdient die Constant ij n Hu ij gen s' gepriesen zu werden, eines Wortkünstlers, der durch seine originelle Sprache Cats weit überragt, gleich diesem „hauslich" ist, sich stets mit sich selbst beschaftigt, die Poesie übrigens als etwas der Erholung nach den Staatsgeschaften Dienendes betrachtet — als „Korenbloemen" (Kornblumen), wie er sie nannte, auf seinem Lebensacker. Viel mehr als Huygens bedeuteten P. C. Hooft und G. A. B r e d e r o. Sie sind unsere Dichterfürsten nach Vondel. Bredero hat diese Anerkennung nicht immer gefunden ; aber auch die Schönheit Hoofts wurde und wird noch zu wenig gefühlt. Bei ihm (das heisst Hooft) findet sich die Renaissance in verfeinertster Reiche. „Wenn die Erregung (des Dichters) sich aussert im Rhythmus," schrieb der Dichter Verwey, „und sie um so vollkommener geaussert ist, als der Rhythmus bestimmter accentuiert ist, dann hat Hooft seine Erregungen meisterhafter wiedergegeben als irgend ein anderer niederlandischer Poet. Wenn ein Dichter grosser ist, je nach dem Maasse seiner Erregung, mehr Künstier aber nach dem Maasse der Nachdrückhchkeit seiner Aeusserung, dann ist ■— nachst Vondel, dem grössten Dichter — Hooft der grösste Künstier in hollandischen Versen gewesen. Bestimmtere, absolutere Musik als alle hollandische ist die Hooftsche." Als Drost auf dem Schlosse zu Muiden war Hooft ein vornehmer Herr und als soldier der Mittelpunkt eines Kreises kunstliebender und gelehrter Menschen. Ausser den feinsten und lebendigsten Liebesgedichten hat er u. a. dramatische Werke geschrieben und in seinem „W arena r", einer Bearbeitung von Plautus' „A u 1 u 1 a r i a", nicht allein sich als ein scharfer Beobachter des Volkslebens gezeigt, sondern auch daneben — wieder dies Hollandische — als ein Künstier in Anschaulichkeit und Intimitat. Keiner jedoch hatte ein schilderes Malerauge und einen geistvolleren Bliek auf das malerische Volksleben des siebzehnten Jahr¬ hunderts als der frühgestorbene Bredero, Minnesanger und Verfasser von Schwanken und Lustspielen. Auch hier Gestalten und Vorbilder aus der Fremde, aus dem Ausland, wie bei „Warenar", doch auch hier Umgestalturig zu durch und durch hollandischer Kunst. Nie sind Amsterdamer Strassentypen besser gezeichnet worden als in seinem „Spaansche Brabander"; nie ist das, durch die alt-hollandische Malerkunst in der ganzen Welt berühmt gewordene, Volksleben so frisch und so scharf, so markig und farbenreich in Worten plastisch dargestellt worden. * Das niederlandische Volk, das nie stark gewesen ist in Heldenverehrung, das Oldenbarnevelt und die Gebrüder cle Witt hat ermorden lassen, feierte in jüngster Zeit die Gedenktage vier grosser Marmer: Rembrandts und de Ruijters und der beiden Dichter Bilderdijk und Potgieter. Aber derselbe Dichter Albert Verwey, der Hooft so warm gepriesen hat, spricht B i 1 d e r d ij k als Dichter jede Bedeutung ab ; und die meisten zum Urteil Befugten sind darüber einig, dass dieser, aus dem Anfang des neunzehnten Jahrhunderts stammende, Dichter, der eine Zeit lang neben oder gar über Vondel gestellt wurde, wohl sehr gute Verse gemacht hat, aber vor allem, (ausser dass er ein lebendes Lexikon war), ein Virtuos in der Sprache gewesen ist. Zwischen ihm (1756—1831) und den ebengenannten Dichtern des siebzehnten Jahrhunderts klafft eine Periode des Verfalles, aus der Interessantes noch ans Licht zu bringen, der Dichter Willem K 1 o o s, der auch über Bilderdijk günstiger urteilt als Verwey, beschaftigt ist. Mit dem baurischen Dichter Poot, den adeligen friesischen Dichtern van Haren und den Romanschriftstellermnen Bet je Wolff und Aagje Deken, sind in dieser flüchtigen Uebersicht auch die vornehmsten Figuren aus dieser Periode genannt. In der ersten Halfte des neunzehnten Jahrhunderts erinnert uns der in feiner und geschmackvoller Weise in Versen erzahlende Staring wieder an das goldene Zeitalter. Dann kommt, um etwa 1833, ein Wiederaufleben, zum Teil unter dem Einflusse der europaischen Romantik. Da ist denn zu allererst der frühverstorbene Aernout Drost zu nennen, mit ihm Bakhuizen van den Brink und Potgieter, die grossen Manner jener Gids- (kritisch-reformatorische Zeitschrift) Bewegung, die in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts das gewesen ist, was die Nieuwe Gids - Bewegung am Ende desselben war. Die Herrlichkeit von Hollands grosser Vergangenheit stand diesen Mannern bestandig vor dem Geiste. Die Figur des Jan Salie s aus Potgieters Allegorie : „Jan, Jannetje en hun jongste kind" (1842) ist ein ausserst populares... Schreckgespenst nationaler Tragheit und Schlappheit geworden,, das zu vertreiben viele versucht haben — und noch versuchen. Besonders popular ist Potgieter nicht gewesen ; wenn jedoch der am besten lacht, der zuletzt lacht, dann ist der Ruhm, der ihn jetzt umgibt, vorzuziehen dem, der dem vielgelesenen Autor historischer Romane, Jacob van Lennep, wahrend seines Lebens zu teil wurde. Tiefer als die Romane J. van Lenneps gehen die von A. L. G. Toussaint, der im Jahre 1886 verstorbenen Gattin des trefflichen Malers Bosboom. Mehr noch als van Lennep ist Nico laas Beets gefeiert worden, ein Dichter und Schriftsteller, dem durch ein vortreffliches Werk allezeit Liebe und hohe Wertschatzung verbleiben wird, namlich durch die Sammlung Skizzen und Erzahlungen, die er unter dem Pseudonym Hildebrand als „Camera Obscura" das Licht sehen liess, als er fünfundzwanzig Jahre war. Guter Geschmack und Einfachheit geben diesem Werke von Schlichtheit und Natürlichkeit, von Humor und Schalkheit, von Anschaulichkeit und Intimitat etwas V ornehmes. Als der ,,G i d s" in einer Zeit von viel Mittelmassigkeit mit seiner Kritik begann, wurde er, da er in blauem Umschlag erschien, „der blaue Henker" genannt. Als Potgieter mit seiner ausgezeichnet wirkenden ,,Henkers"arbeit nicht mehr allein fertig werden konnte, erhielt er C. Busken Huet zum Mithelfer, und nach Potgieters Tode fuhr dieser feine Geist, der u. a. in seinem Buche „Aus dem Lande Rembrandts" seiner Vaterlandsliebe Luft gemacht bat, fort, in heilsamer Weise seine Unzufriedenheit und seinen Tadel zu aussern, was ihm von den „Jan S a 1 i e s" ganz gewaltig verübelt wurde. Heftiger war die Unzufriedenheit des genialen Eduard Douwes Dekker, dessen Kritik zunachst der Gesellschaft und erst an zweiter Stelle der Geistesbildung galt, weshalb er von selbst mehr gehesen wurde. Er hat enormen Einfluss ausgeübt; es sei hier allein desjenigen gedacht, den er auf die Schriftsprache ausgeübt hat. Denn Douwes Dekker, M u 11 a t u 1 i, hat den Anstoss dazu gegeben, eine unconventiorielle hollandische Schriftsprache zu gebrauchen, und hat damit die Arbeit der Camera fortgeführt. Er und Huet, sie sind es gewesen, die die heutige Literatur vorbereitet haben, welche, vaterlandsliebend und cosmopolitisch zugleich, abwechselnd übermenschlich hochmütig und das „Ich" erhebend und leidenschaftlïch demokratisch, immer voll Temperament und stets frei vom Conventionellen ist. Wir kommen zur „Literatur von 80", deren Jünger um etwa 1860 geboren sind, und deren Organ anfanglich der „N i e u w e Gids" gewesen ist, obwohl diese Bewegung sich niemals auf diese Zeitschrift beschrankt hat. Zwei ihrer Anhanger, der Bühnenschriftsteller Herman Heyermans jr. und der Tendenz-Schriftsteller und Dichter Frederik van Eeden sind mit Multatuli z. B. in Deutschland mehr bekannt als jemals irgend ein hollandischer Autor es gewesen ist. Heyermans ist als Verfasser bühnengerechter Schauspiele auch bei uns eine erste Grosse, was jedoch nicht besagen will, dass er nun auch als Schriftsteller, als Künstier voran stünde. Er ebensowenig wie Fr. van Eeden. Führer der neueren Literatur sind Willem K 1 o o s und van D e y s s e 1 gewesen — und zwar beide durch eine Kritik, weiter und tiefer von rein literarischem Verstandnis, als hollandische Kritik es in der Literatur jemals war; Kloos, ausserdem noch durch Verse von einer Vornehmheit des Klanges, wie sie nach dem goldenen Zeitalter nicht wieder gehort wurden; van Deyssel durch eine Prosa, die, wie Gegner anerkennen, unerreicht dasteht, glanzend und verbluffend durch ihre Mannigfaltigkeit. Noch bevor das Publikum irgendwie etwas ahnte und zum Verstandnis der Bedeutung dieser neuen Kunst gelangen konnte, war einer ihrer ausübenden Jünger, Jacques Perk, schon dahingegangen. Doch ist die, nach seinem Tode veröffentlichte, Sammlung von Gedichten, das Buch geworden, aus dem das neue Streben, das leidenschaftliche Verlangen nach Schönheit zuerst erkannt wurde, das dies Streben und Verlangen zuerst begreifen lehrte. In zehn Auflagen ist die Sammlung jetzt verbreitet — viel für unser kleines Land. Der im Jahre 1848 geborene Marcellus Emants suchte, noch ehe der „Nieuwe Gids" erschien, ebenfalls neue Bahnen und tiachtete nach etwas Anderem als Hauslichkeit und traditioneller Bravheit. Man hatte wenig auf diesen Pessimisten geachtet; mit den Jüngeren jedoch ist auch er zu Ansehen gelangt und literarische Wertschatzung sichert ihm jetzt einen ersten Platz, vor allen Dingen als psychologischer Analytiker. Das Geniale, das die Führer von 80 sehr jung kennzeichnete, verblüffte am meisten in A 1 b e r t Verwey, dessen, vor seinem zwanzigsten Jahre geschriebenes, Gedicht Persephone in doppeltem Sinne an die Klassiker erinnert. In spateren Lebensjahren ist Verwey didaktisch tatig gewesen und hat er vor allem als Kenner und Erlauterer der alten Literatur Bedeutung erlangt. Sein Buch über Potgieter ist ein Meisterstück. Auch schrieb er eine „Einleitung zu Vonde 1". „Ein neuer Klang", eine entzückende Aeusserung der Lebensf reude war das grosse Gedicht M a i, mit dem, im Jahre 1889, der damals fünfundzwanzigjahrige Herman Gorter, überraschte. Durch Tiefe des Gefühls und der Gedanken machten die Verse von Henriette van der Schalk Eindruck. Sie ist Hollands socialistische Muse. Ein sehr aristokratischer Dichter in doppeltem Sinne ist P. C. B o u t e n s, und der hochzuschatzende Maler Jacques van Looy hat eine Prosa geschrieben, die ihm einen Platz neben van Deijssel sichert. Bei ihm erreichen Anschaulichkeit und Intimitat den Höhepunkt in einer warmen, tieferschütternden Innigkeit, die sich in einer stark originellen Sprache aussert. Als sehr vielseitiger und glanzender Romanschriftsteller verdient Louis Couperus genannt zu werden. Wenn noch die Schönheit der Verse voll Leidenschaft und Wehmut einer Hélène Swarth, die intense Stimmung in Aletrinos Prosa, das in die Tiefe Dringende in Coenens Analysen und Beschreibungen, die impressionistische Kraft der mittelalterlichen Skizzen eines A r y Prins gerühmt worden sind, habe ich die allerbesten Namen aus dem Norden genannt. Soll ich noch ein Wort sagen über die Einflüsse, die das Ausland ausgeübt hat, dann müssen genannt werden K e a t s und S h e 11 e y für die Dichtung, der französische Naturalismus für die Prosa. Diese Einflüsse gehen jedoch nicht weiter als z. B. der Einfluss Barbizons auf die Kunst eines Bosboom, Maris und Israëls. Zu Anfang dieser Skizze ist gesagt worden, dass die literarische Entwicklung von Süd-Niederland, die alter ist als die des Nordens, bei Beginn der Reformation ins Stocken geraten sei. Erst im neunzehnten Jahrhundert ist neues Leben in die Vlamische Literatur gekommen. Einer ihrer Dichter, der wieder Vondelsche Klange anschlug, war Guido Gezelle (1830—1899); dessen Neffe Stijn Str euvels kann als Prosaist neben van Looy gestellt werden. Mit ihm hat die Entwickelung einer jungvlamischen Literatur begonnen, die einen Vergleich mit der, der französisch schreibenden Belgier nicht zu scheuen braucht. -» Scbön JVtederland ■ mEN Fremden, der die Niederlande zum ersten DMale betritt und dessen Sinne vielleicht noch vom Rheineszauber umfangen sind, dünkt beim Eintritt in's Niederland der Anblick von Wiese und Heide und r?iederwald in öfterer Abwechslung monoton. Er fühlt sich wie erlöst, ■ wenn er endlich die Düne, das Ziel seiner C^\**/*^3 Wünsche, erreicht hat, die schaumenden Kamme der Nordseewogen sieht, ihr Rauschen hört. I H Dieser Fremden giebt es viele, sehr viele. Der Nordseestrand ist Alles, was sie von Holland kennen lernen wollen. Und wenn dann die Sonne Tage lang sich hinter einer grauen Regenwand versteekt und dichte Dunstschleier die Dünen verbergen, dann finden sie Niederland ein trostloses Land, ein reizloses Land und eilen hinweg nach dem sonnigen Süden. Waruin haben sie nicht gewartet, bis die Sonne wieder durchbrach ? Wie ganz anders ware ihnen dann das Land erschienen ! Denn nirgendwo zaubert die Lichtspenderin solche herrliche Farbeneffecte auf die Landschaft wie hier. Wie hatte Holland sonst die Meister der Farbe gebaren, wie das Dorado der Maler, auch aus der Fremde, werden können? Wer dies ermessen will, der kiertere hinauf zum höchsten Dünenkamm, der ihm einen Bliek gönnt über die grüne Niederung, die sich hinzieht in schier unendliche Weite, wo flimmernde Dunstschwaden Himmel und Erde verbinden. Hier kann er schauen, was seine Phantasie nie getraumt. Tausende Bilder zaubert die Sonne ihm auf dieser grünen Flache vor, ohne dass er den Bliek von einem Punkt abwendet. Verzweiflungsvoll starrt der junge Maler auf dieses schillernde Kaleidoskop, für dessen Wiedergabe menschliche Farbenkunde nicht ausreicht. Hülfesuchend fallt sein Auge auf das grünende Niederholz, auf das gelb schimmernde Helmgras. Aber auch hier leuchtet ihm das wogende Farbenmeer entgegen, dünkt ihn das Ritzeln der Halme ein Spottlied auf die menschliche Ohnmacht, das Geheimnis der Mutter Natur zu ergründen. Aber nicht nur das Dünenland und des Meeres Majestat sind Zeugen von Hollands landschaftlicher Schone. Jede einzelne Provinz bietet vollauf Reize in landschaftlicher und völkerkundiger Hinsicht. Seeland, ven Rotterdam aus mit Dampfer und Eisenbahn leicht erreichbar, ist ein sprechender Beweis der zahen Ausdauer, der fröhlichen Schaffenslust des Niederlanders. Mehr wie an andern 4 Küstenstrichen der Nordsee leekt hier die Zunge des gierigen Meerwclfs an den Gestaden. Oft schon hat er die schützenden Deiche durchwühlt und fruchtbare Niederungen, Hab und Gut der Geusensöhne verschiungen. Aber stets haben ihn die Recken wieder zurückgetrieben und das „Erf van Bato's teelt" erhalten. Mit derselben Liebe, mit der der Seelander an seinem Boden hangt, erhalt er Tracht, Sitten und Gebrauche der Vater. Wie merkwürdig doch die, fest um die dicken Arme der Frauen und Madchen gespannten, kurzen Aermel! Und der Kopfschmuck, die Spitzenhaubchen! Und dann die Manner, in den bauschigen Hosen, zusammengehalten durch kunstvoll getriebene silberne Knöpfe ! Den runden haarigen Filzhut etwas im Nacken tragend, die Hande in die Hosentaschen vergraben, bietet der Seelander ein Bild urwüchsiger Kraft. Ihm gleicht in vieler Hinsicht Friesland's Volk. Aber stolzer ist der Friese auf seine Abkunft, die rein ist geblieben von „vreemde smette". Blonde, kraftstrotzende Hünen, reine Germanen, unvermischt mit spanischem Blut hausen hier auf, dem Meere entrissenen, Boden, von dem jede Fussbreite getrankt ist mit dem Blut der Vater, veigossen im Kampf um die Freiheit. Wer je Friesland's blaue Seen auf schnellem Segler durchfurcht, wird nie und nimmermehr den Zauber dieser Landschaft vergessen. Aber auch die Stadte bieten des Reizvollen gar Vieles. So Leeuw arden. Wertvolle Kunstschatze, welche zum eist aus der Glanzzeit der Friesen herübergekommen sind: kunstvolle Möbel, seltene Waffen, Vasen, Münzen, Trinkgeschirre, und vor Allem, die Sammlung alten Porzellans, die das Auge des Kenners entziickt, bergen die ehrwürdigen Raume des Friesischen Museums. Welch eine Fülle von Erinnerungen weckt das alteste Gebaude der Hauptstadt, die „Kanselarij", das in dem reizvollen Uebergang-Styl von der Gothik zur Renaissance erbaut ist! Noch viele andere architectonische Schönheiten entzücken das Auge, wie die Waage, „de Oldehoof", ,.de Nieuwetoren" u. a. m. Ungern reisst man sich los von Frieslands freiem Boden. Welch' herrliche Fahrt von Stavoren über die Zuiderzee nach Enkbuizen ! Ueberall tauchen aus der silberglitzernden, leicht gekrauselten Wasserflache Insein auf, die eine wahre Fundgrube für den Ethnographen bilden. Und dann erst Enkhuizen, eine der toten Stadte an den Gestaden der Zuiderzee! Mit ehrfurchtsvoller Scheu schreite der Fremdling durch dieses stille Stadtchen, das einst die machtigste Handelsstadt Nord-Niederlands war! Amsterdam zitterte vor dem Stirnrunzeln der Regierenden jenes Gemeindewesens, das den Trotz des stolzen Spaniers wiederholt brach. Jetzt ranken Epheu und Winden sich um die geborstenen Saulen der Sitze ehemahger Handelsfürsten und der leichte Seewind lasst die Baumkronen sauseln den Anhub der alten Mar : „Es war einmal. ..." Eine kurze Bootfahrt auf der Zuiderzee führt den Wanderer aus dem Reich der Toten in's volle Leben. Das malerische Fischersdorf Volendam mit seinen typisch gekleideten Bewohnern bietet ein Bild vom schweren Kampf um's Dasein, grade wie die dicht in der Nahe gelegene Insel Marken, deren Bewohner noch stets die Tracht in Ehren halten, die ihre Ahnen vor iooo Jahren getragen. Viel, viel giebt's hier zu schauen! Mag Drente dem Fremdling auf den ersten Bliek eintönig erscheinen, gar bald hat die Einsamkeit der unendlichen, blühenden Heide ihn machtig ergriffen und der süsse Harzduft der Walder haucht ihm einen poetischen Gruss entgegen von althistorischem Boden. Riesige Steine, vor Jahrtausenden durch Eisschollen angeführt, heil leuchtend im Sonnenlicht, zeugen von der gigantischen Kraft jener Nomadenvölker, die einstens auf dieser Heide ihre Toten begruben; walzten sie doch diese Klumpen tagelang durch den Sand, um den Toten einen würdigen Markstein zu widmen. Viele solcher Hunnengriiber ragen in der Heide auf, umgrünt von Heidekraut und -rose Und wen die Einsamkeit der Heide niederdrückt, der wandelt nach kurzer Zeit in Gelderlands Waldern, staunt von reicbbegrastem Hügel aus über die landschaftliche Pracht zu seinen Füssen. Da liegt Arnhem. Kosend schlingt sich ein Arm des Vater Rhein um das hollandische Aranjuez, auf dessen waldbedeckten Hügeln einst Adler gehorstet haben sollen, die dem Ort den Namen gegeben. In der Ferne grüsst das Land von Nijmegen, Berg-en-Dal, dies Wunder aus dem Füllhorn der Natur ; die Betuwe, wie mit einem Gürtel umschlossen von Waal und Rhein, wahrend die IJssel sich verstohlen wegschleicht zwischen dunklem Tannengrün. O, es ist schön hier, wo die Wasser die letzten Grüsse des Vater Rhein murmeln! Und wer die Lungen weiten, den Körper stahlen will in Berges Luft, der zieh' gen Limburg, in's Geuldal, zum Felsennest Valkenburg. In seine Wundergrotten, auf seine Berggipfel hat der Volksmund Marchengestalten gesetzt. Hier blüht die Phantasie reicher, wie im Tiefland, wo der nüchterne Alltagsmensch mitleidig lachelt über Gnomen, Heinzelmannchen und Berggeister. Wer aber nur kurze Zeit die heimischen Penaten verlassen kann, der wandre in's Gooiland, wo Wald und Heide Gesundheit und Kraft spenden ; in Utrecht's Umgebung, wo Pannen und Eichen gleich Sirenen locken. Ueberall, wohin er den Fuss setzt, jubelt ihm die Natur entgegen : „Niederland ist schön!" Inbalt Seite Vorwort _'__.__________________.___.___:__ 5 Das Internationale Handels- und Schiffahrtsfest in Rotterdam _______________ 7 Rotterdam _____________________________ 24 Politische und Handelsgeschichte. — Geschaftlicher Aufschwung. — Anfange der Seeschiffahrt. — Industrielle Fortschritte. — Rückgang unter französischcm Regime. — Erneuter Aufschwung. — Das erste Dampfschiff. — Die Entwicklung der Rheinschiffahrt. — Der Handel mit Ostindien. — Die Handelsflotte. — Industrielle Unternehmungen. — Die Errichtung regelmassiger Dampferlinien. — Talmi-Rheder. — Blüteperiode. — Die Anfange des neuen Wasserwegs und seine Vollendung. — Die neuen Hafenanlagen. — Weltfirmen. — Die heutige Stadt. Die Stellung- des niederlandischen Arbeiters gegenüber dem Arbeitgeber, besonders in Rotterdam - _____ 35 Die Rheinschiffahrt und die Rheinregulierung in Holland ________________ 37 Eine Richtigstellung __________________________ 41 Rotterdam als eine Statte der Kunst und der Wissenschaft _______________ 42 Das Unterrichtswesen in den Niederlanden __________--__-_--__ 45 Die Niederlandischen Koloniën im fernen Osten __' ____- — — — — — _-.-—._ — — 48 Die Niederlandische Industrie ____--_-__---__ - ________ 53 Landwirtschaft, Viehzucht, Gartenbau, Forstwirtschaft, Molkerei, Heide-Cultur, Landwirtschaftliches Unterrichtswesen 58 Das Niederlandische Heer und die Kolonial-Armee __________________ 63 Die Niederlandische Flotte -_-_____-__ - _____________ 65 Das Niederlandische Eisenbahnwesen _____________--_--_-- - 67 Die Mittelstandsbewegung __________ _ ______________ 70 Entstehung und Entwicklung. — Wechselbeziehungen zwischen Handeltreibcnden und Industriellen. — Mittelstands-Einrichtungen. Credit-Auskunftswesen _-_ — — — — — — — _.— — — — — — — — — — — _ — -- 72 Die modernen Maler in den Niederlanden _-______________---_ 74 Musik in den Niederlanden ____----__________-_____ 76 Das Niederlandische Schauspiel _______________________ 78 Die niederlandische Literatur _____________ ____________ 83 Schön Niederland __._ _ — — — — — — — _ _ _ _ _____ __ _ _ _ _ _ 86