DER MUSTERSTAAT VON ALFARABI AUS DEM ARABISCHEN ÜBERTRAGEN VON D\ FR1EDRICH DIETERICI, Professor an der Universitaet Berli>\ YOEAN GEHT DIE A13HANDLUNG: „UBER DEN ZUSAMMENHANG DER ARABISCHEN ÜND GRIECHISCHEN PHILOSOPHIE." BUCHHANDLUNG ÜND DRUCKEREI VOEMALB E. J. BRILL LEIDEN, 1900. DER MUSTERSTAAT VON ALFAKABI. DER MUSTERSTAAT VON ALFAïtABI AUS DEM ARABISCHEN ÜBERTRAGEN DR. FR1EDRICH DIETERTCI, Professor an der Universitaet Berlin. /rjjiwx (bibliotheek) XLEIBE^/ VORAN GEHT DIE ABHANDLUNG: „ÜBER DEN ZÜSAMMENHANG DER ARABISCHEN ÜND GRIECHISCHEN PHILOSOPHIE." L. W. | BUCHHANDLUNG UND DRUCKEREI TOEMALI E. J. 13JRIXjXJ LEIDEN, 1900. BUCHDRUCKEREI vormals E. J. BRILL — LEIDEN. VORWORT. Meiner 1895 erschienenen Textausgabe folgt jetzt die deutscbe Ubersetzung des arabischen Buchs »der Musterstaat von Alfarabi". Derselben haben wir eine Abhandlung über den Zusammenhang zwischen der arabischen und griechischen Weisheitslehre voraufgeschickt um etwas zur Klarung der Ansichten über das Wesen der mittel-alterlichen also monotheïstischen Philosophie beizutragen. Von Alexandria besonders vom Neoplatoniker Plotin ging ein, alle Geister belebender Culturstrom aus. Derselbe durchflutete Syrien und Mesopotamien um dann yon Bagdad, dem Ostpunkt aus, durch die weiten Striche des Kalifenreichs bis nach Cordova in Spanien, dem Westpunkt des Mittelalters, vorzudringen. Alle in der griechischen Philosophie enthaltenen Culturelemente mussten hierbei dazu dienen eine Gesammtbildung zu begründen, welche, das ganze Bereich des damaligen Wissens beherrschend, Geist und Gemüt befriedigte und die finsteren Jabrhunderte mit den Strahlen der griechischen Schule erleuchtete. Zu dieser Gesammtbildung trugen Aristotelismus und Platonismus, Stoïcismus und Plotinismus. Pythagoraeismus und die Ptolemaeische Stemkunde bei, indem bei dem Weltproblem » Woher die Welt und ihre Ordnung"? eine Harmonie zwischen Gotteslehre und Weisheitslehre hergestellt wurde. Die Lehre von einer Ausströmung aus dem Urprincip und einer Rückströmung zu demselben bildete die Kette. der die gesammte damalige Wissenschaft eingegliedert wurde, immer aber so, dass in diesem Cultur-Gewebe die Faden der einzelnen Schulen leicht erkennbar sind. Das lernten die arab. Philosophen von ihren Lehrern, den Neoplatonikern, und ist somit erst aus der arab. Schule das eigentliche Wesen des Neoplatonismus erkennbar. Der alte Schlachtruf in der Geschichte der Philosophie »Hie Plato und hie Aristoteles" moge immer mehr vor dem milderen Klang »Harmonie herrscht zwischen Plato und Aristoteles" verhallen, denn die Lehre beider ist nur eine, und beide zusammen bilden die sokratische Schule, so zwar dass in der Physik, Logik und Anthropologie Aristoteles durchaus die Pührung übernimmt, in der Metaphysik aber, in der Frage nach der Einheit des einen Urprincips und der von ihm aus entwickelten Vielheit der Dinge dieser Welt, die aus Plato's Ideen- und Weltseelenlehre entwickelte Ausund Rückströmungstheorie die Stufen hergiebt, auf denen der Geist des Menschen niederschwebend und wieder aufwartsstrebend, alle Ratsel glaubte erklaren zu können. — Man gebe sowolil dem denkenden Geist als der ahnenden Seele ihr Recht so wie einst Plotin neben den Nüs die Psyche setzte und man wird im Labyrinth der Ratsel zwar nicht die Lösung aber doch eine Richtschnur finden. Das mag uns die vom neunten bis dreizehnten Jahrh. herrschende arab. Schule lehren. Charlottenburg, November 1899. Dr. Fr. Dieterici. DER MUSTERSTAAT. Seite. Inlialtsangabe 1—5- Das erste Vorhandene 5—7. II. Gott ist ohne Genossen 7—9. III. Gott hat kein Gegenteil 9—11. IV. Gott ist undeflnirbar 12. Y. Einheit Gottes — er ist wissend, weise, wahr, lebend. 13—19. VI. Gottes Herrlichkeit und Hoheit 20—23. VII. Alles Vorhandene geht von Gott aus 23—25. VIII. Die Stufen des Vorhandenen 26—27. IX. Die Namen Gottes 27—29. X. Das Vorhandene zweiter Stufe, die Vielheit . . . 29—31. XI. Die hier vorhandenen Körper 31—32. XII. Stoff nnd Form 32—34. XIII. Die Stufen iin Stoffliehen und Geistigen .... 34—36. XIV. Das Gemeinsame in den Himmelskörpern .... 37—39. XV. Bewegung in den Himmelskörpern 39—41. XVI. Kreisbewegung und ihrer Zustand 41—43. XVII. Die Mittelursachen 44. XVIII. Die Entstehung der Stoffkörper 45—47. XIX. Die Aufeinanderfolge der Formen am Stoff . . . 47—54. XX. Die Menschenseele urn ihre Krafte 54—58. XXI». Die Krafte in den Gliedern bilden eine Seele. . . 59—63. b. Die Zeugungsglieder 63—69. XXII. Denkkraft. (Intellect) Die Urintelligiblen .... 69—72. XXIIla. Wille, Freiwahl, Glück 72-74. XXIIli. Die Krafte und ihr Dienst 74—75. Seite. XXIV. Die Ursache der Traume 75—80. XXIY«. Der schaffende Intellekt, die Denkkraft .... 80—81. XXV. Offenbarung durcli die Engel 81—84. XXVI. Gegenseitiger Beistand im Staat 84 87. XXVII. Das Hauptglied, das Herz 88—90. XXVIIa. Die Führung im Intellect 90 94. XXVIII. Der Hauptling im Musterstaat 94'—97. XXIX. Gegensatae des Musterstaats 98—100. XXIXi. Die Leute im Musterstaat 100—102. XXX. lhre Seelengemeinschaft 103—104. XXXI. Ihre Künste und ihr Glück 104 106. XXXII. Die Bewohner der andern Slaaten 106—109. XXXIII. Die Gemeinsame Lehre des Musterstaats . . . 109—111. XXXIIIi. Beweis und Gleichniss 111—114. XXXIV. Ansichten im Torheit- und Irrstaat 114—120. XXXV. Ueber die Gerechtigkeit 120—123. XXXVI. Ueber Demuth 123 128. XXXVII. Ueber die Torheitstaaten 128—136. ALFARABI ALS BEGRUNDER DER ARABISCHEN PHILOSOPHIE. Abu Nasr Muhammad ibn Muhammad ibn Tarhan Uzlag Alfarabi, oft abgekürzt als »Abü Nasr" citirt, zumeist aber Alfarabi d. b. der Mann aus Farab, einer Stadt Turkistan's, genannt, muss nach den neueren Forschungen als der Begründer der arabischen Philosophie, welcbe vom IX bis XIII Jahrh. von grosser Bedeutung war, und die Lehre der Griecliea dem monotheistischen Mittelalter iibermittelte, betrachtet werden. Alfarabi ist zwar nicht der Erste in der Reihe der arabischen Philosophen, denn diesen Ruhm kann nur Alkindi') beanspruchen, der unter Almamün 1) Ueber Alkindi handelt Carl Brockelmann Geschichte d. arab. Litteratur 1898, I, p. 209. Flügel: Alkindi der Philosoph der Araber. Leipzig 1882. Wüstenfeld: Gesch. d. arab. Aerzte und Gelehrte 1840. N°. 57. Alkindi entfaltete eine grosse Thaetigkeit um griechische Werke ins Arabische zu übertragen oder übertragen zu lassen. Auch die pseudonyme Theologie des Aristoteles, ein Buch, welches für die Philosophie im Mittelalter von der grössten Bedeutung war, tragt an seiner Spitze die Notiz, dass dasselbe von Naïma übertragen und von Alkindi für Ahmad dem Sohn Almu'tasims also für den Kronprinzen richtig hergestellt sei d. h. dass er die letzte Hand daran gelegt habe. Dies Buch galt seitdem Alfarabi für seine Echtheit eingetreten war (vgl. Dieterici AlfarSbï's philos. Abhh. 1892 pag. 44) für aristotelisch das ganze Mittelalter hindurch, und wurde dasselbe 1519 in Rom von de Rosis und 1572 in Paris von Carpenterius lateinisch paraphrasirt. Erst in unserem Jahrh. wurde dasselbe für unecht und als neoplatonisch erklart. Dass dasselbe aber nichts al3 Stücke aus den Enneaden IV—VI des Plotin d. h. die Emanationslehre desselben enthalte, konnte erst nach der deutschen Ubersetzung (die sogenannte Theologie des Arist. von Dieterici L833) des von mir herausgegebenen arab. Testes, Leiden a und Almuctasim, also besonders in der ersten Halfte des IX Jahrh. wirkte und wegen seines weiten Wissens in allen Fachern der damaligen Wissenschaft und der Philosophie ein weit berühmter Mann war. Es sind aber nur wenige Schriften von Alkindi auf uns gekommen und muss man daher in der Geschichte der Philosophie sich in allen Zweigen dieser Schule an Abü Nasr Alfarabi halten '). Auch im Reiche der Kalifen gab es eine Zeit des Frühlings, in dem die Blüten der Wissenschaft und Philosophie üppig emporsprossten. Das war besonders die Zeit der Abbasiden »Harün ar Raschid, Almamün und Almu'tasim". Unter ihnen schlug Wissenschaft und Philosophie in dem damaligen arabischen Weltreiche so tiefe Wurzeln, dass sie niemals wieder ausgerottet werden konnten. Besonders war es Almamün, der in der ersten Halfte des neunten Jahrhundert nach Chr. f 833 die Wissenschaft begiinstigte und das Studium neu begründete. Er war es auch, der 1882, bes. durch Val. Rose (Deutsch. Lit. Zeitung 1883, 24.) festgestellt werden. Die Hauptdifferenz zwisehen Plato und Aristoteles ward durch dies Pseudonvm hinweggchoben, da dasselbe die Ideenlehre als arist. darstellte, und herrschte in der ganzen arab. Philosophie der Grundsatz: Harmonie herrscht zwisehen Plato und Aristoteles, vgl. Alf. philos. Abh. pag. 43, und weiter unten den Abschnitt über die Emanationslehre. 1) Von den bei Casiri in 200 Nummern aufgefiihrten, alle Faeher der Wissenschaften behandelnden, Schriften von Alkindi sind uns zugiinglich O. Loth Alkindi als Astrolog in Morgenland. Forschungen, Festschrift für Fleischer, Leipzig 1875 und in neuster Zeit von Dr. Albino Nagy in .Beitragc z. gesch. der Philos d. Mittelalters," Münster 1897, in lat. Uebersetzung veröffentlicht a de intellectu, b de somno et visione, c de quinque essentiis liber introductorius in artem logicae demonstrationis, a—c, hallt Verf. t'ür authentisch. Das vierte sei von e. Sehüler Alkindi's wahrscheinlich von Alfarabi. Besonders wichtig ist der erste Tractat der intellectu, der in den vier Nas, en dynamei, en cxergeia, dem Nus epiktëtos und poiëtikos, mit der Abh. Alfarabi s über den Intellect, zusammenstimmt, vgl. weiter unten. Die lat. Uebersetzung von a—c ist von Gerhard von Cremona zu Cordova zwisehen 1167 und 1187 angefertigt worden. AM eine Anzakl von Gelehrfcen nach Byzanz sandte, um griechische Bücher zu erwerben. Er regte es dann au, dass in allen von ihm nach dem Muster der frülier in Edessa, Nisibis, Haran begründeten syrischen Schulen, auch in den arabischen Lebraustalten die Werke der Griechen direct ins Arabische übertragen würden, da die aus dem Syrischen stammenden Uebertragungen zu vag waren. So wird uns denn auch von Haggi KhalfaJ) über Alfarabi berichtet, dass demselben wegen seiner Uebertragungen der Ehrentitel »der zweite Meister", d. i. der zweite Aristoteles, ware beigelegt worden. Alfarabi kam als Jüngling nach Bagdad, wo er sich dem Studium der Wissenschaft und Philosophie mit solchem Eifer widmete, dass er bald seine Lelirer übertraf. Seinem eigentlichen Berufe nach war er, wie fast alle Philosophen damaliger Zeit, Arzt2). Yon Bagdad wandte er sich nach Haleb, wo der Praefect Syriens, der Emir Seifuddaulah als ein Macen die Dichter und die Gelehrten der damaligen Zeit um seinen Thron versammelte 3). Alfarabi ging dann nach Aegypten uud kehrte von hier nach Syrien zurück, wo er in Damascus hochbetagt starb (f 950). Er lebte ent-, haltsam als ein Sufi, und wird er in dieser Beziehung oft dem grössten arabischen Philosophen und Arzt, Ibn Slna, gewöhnlich Avicenna genannt4), gegenübergestellt, der zumeist in einflussreichen Stellungen , als Leibarzt von Fürsten , lebte und für einen Bonvivant, einen Weintrinker und Weiberfreund galt. 1) Haji Khalfa ed. Flügel III, 98. 2) Vergl. Wüstenfeld: Geschichte der Arabischen Aerzte und Naturforscher, Göttingen 1840, pag. 53—55. 3) Uieterici: Mutanabbi und Seifuddaulah, Leipzig 1847. 4)lbn Slna = Avicenna 980—1037 vgl. Wüstenfeld 64—71.Brockelraaun 1,452. Man wundere sich nicht über das Erblühen der Philosophie and Wissenschaft im Reiche des fauatischen Islams; waren doch die Lander, welche der Islam in Besitz nahm, über ein Jahrtausend schon Pfleger der griechischen Schule und Bildung. Nach Alexander dem Grossen entstanden unter seinen Generalen wie Ptolemaeus und Seleukus und deren Nachfolgern Reiche mit griechischer Cultur in Aegypten und Syrien. Es gilt aber in der Culturgeschichte als Gesetz: Der ungebildete, barbarische Sieger muss sich doch vor dem gebildeten Besiegten beugen und dessen Cultur annehmen. Das bewies vor allem Almamün. Unter ihm erlitt jener orthodoxe Lehrsatz des Islam, dass Alles durch den absoluten Willen des allmachtigeu Allah vorherbestimmt sei, und hiernach Gott selbst den Sünder zur Sünde erst vorherbestimme, denselben aber dennoch dafür, dass er seiner Bestimmung folgte, mit ewigen Höllenstrafen peinige, einen vollstandigen moralischen Schiffbruch. Denn Almamün bekannte sich zur Secte der Mu tazila, welche alles aus dem Islam entfernte, was Gott als einen unbarmherzigen Tyrannen, den Menschen aber als einen stumpfen, dumpfen Knecht, ohne freien Willen, erscheinen liess. Almamün war es auch, der den Schaichen gebot, von den Ivanzeln herab zu verkünden, dass der Koran zeitlich entstanden sei, nicht aber als »die Rede Gottes" von Ewigkeit her mit Gott zugleich bestanden habe, dass also auch das heilige Buch des Islams der geschichtlichen Entwickelung anheimfalle und somit auch der Kritik unterliege. So nahm denn Almamün das Joch vom Halse der Muslim, welche, der Bildung und Philosophie ergeben, den Kampf mit der damals den Hass, die Verfolgung, den Moid und die Verfluchung im Dienst des schroffen Dogma ausüben- den Cbristenheit gut bestehen konnten. War doch das Byzantinische Reich nichts als eine Mördergrube, um den Mitchristen als einen Ketzer zu erwürgen, Muhammad hatte es aber gestattet, dass Juden sowohl als Christen im Reich der Muslim gegen ein Kopfgeld geduldet würden, wogegen in der Byzantinischen Christenheit die Arianer sowohl als die Monophysiten und Dyophysiten als Ketzer dem grausamsten Tode anheimfielen, und endlich in den entsetzlichen Bilderstreitigkeiten der fromme Wahn, fast zum Götzendienst ausartend, unzahlige Opfer verlangte. Der fromme Christ rief: »den Kopf her", du bist ein Ketzer, und tauchte sein Schwert in das Blut des Mitchristen, der Muslim war dagegen humau; »gieb nur ein Kopfgeld", (d. h. eine Personalsteuer), rief er, s>und du bist in meinen Staaten sicher und geschützt; ebenso war auch jedes Bildwerk als Götzendienst streng verboten. War es da ein Wunder, dass alle jene christlichen Secten hier Schutz suchten und eine stets wohl gerüstete Phalanx dem orthodoxen Christen thum gegenüber bildeten? Waren nicht Manner, wie Salach ed Din (Saladin), welche in den Kreuzzügen die Blüthe des Europaeischen Adels, wie die Johanniter, knickten, wahre Gentlemen, die nie ihr Wort brachen, jenen wortbrüchigen christlichen Orden gegenüber, die immer nur Bündnisse beschworen, um sie sofort wieder zu brechen? Man kann es mit Recht behaupten: durch die humane Bildung, welche die Muslim durch die Griechische Philosophie und Wissenschaft errungen batten, wurden sie Jahrhunderte hindurch die Trager der Cultur. Darin beruhte ihre Macht. Mochte iiumerhin die Orthodoxie auch im Islam es versuchen die Volker zu knechten, in dem weiten Reich, wo die eiuzelnen Gouverneure sich unabhangig gemacht hatten, erblühte die Wissenschaft immer hier und da von Neuem. Die unabhangig gewordenen Potentaten kümmerten sich nicht um die Scliattenkalifen in Bagdad und deren Rechtglaubigkeit. Es siegte hier eine lange Zeit hindurch die humane Bildung über die blutdürstige, verdamraungssüchtige Orthodoxie. Die Bedeutung der von Alfarabï begründeten philosopliischen Schule ist dalier schon seit Jahrhunderten anerkanift. Im Jahre 1638 erschien in Paris ein Buch: »Alpharabii vetustissimi Aristotelis interpretis opera omnia quae latina lingua conscripta reperiri potuerunt." In neuerer Zeit gab Schmölders in seinen Documenta Philosophiae Arabum, Bonn 1836 zwei Abhandlungen von Alfarabï mit lateinischer Uebersetzung; 1869 schrieb Steinschneider ein Buch »Alfarabï's, des arabischen Philosophen Leben und Schriften, Petersburg 1869" und zalilt er hier pag. 214—220 die Titel von 103 Schriften desselben auf. Wir haben dann acht Abhandlungen desselben arab. 1890 und deutsch 1892 veröffentlichtT) und lassen jetzt die deutsche Uebersetzung der von uns 1895 gegebenen Textausgabe von »dem Musterstaat" hier folgen. Aus den bis jetzt bearbeiteten Abhandlungen von Alfarabï sowie aus den auf uns gekommenen Titeln seiner Schriften können wir uns ein allgemeines Bild von den Studiën und dem Bildungsgang dieses Philosophen machen, und wollen wir hier einige Gesichtspunkte für die Beurtheilung der arab. Philosophie hervorheben. »Die arabische Philosophie." Die bisherigen Forschungen über die arabische Schule 1) Vergl. Dieterici: Alfarubï's philosoph. Abhandlungen. Leiden arab. 1890 deutsch J892; Tergl. auch über Alf. C. Brockelmann I, p. 210. kommen in ihrem Urtheil darin überein, dass sie sagen: Die arabische Philosophie ist ihrem Wesen nach peripatetisch d. h. aristotelisch, doch sind ihr viele Neoplatonismen beigemischt. So urtheilt E. Renan in seinem geistreichen Buch Averroës et 1'Averroisme, Paris 1852, sowie S. Munk in seinem grundlegenden Werk Mélanges de philosophie juive et arabe, Paris 1859. Ebenso Ritter in der Geschichte der Philosophie Y1II und Prantl in seiner Geschichte der Logik II, Heinze Ueberweg II, § 26 u. a. Dies Urtheil ist aber so vag, dass es eigentlich weiter nichts besagt, als dass die arabische Philosophie den Spuren der Griechischen Schule folgte, und ist es ja allgemein bekannt, dass alle Philosophie des Mittelalters nach dem Vorbild der griechischen Schule sich richtet. Es müsste doch hierbei wenigstens bestimmt werden, in welcher Disciplin der Philosophie ist denn die arabische Schule aristotelisch und in welcher ist sie platonisch, oder, was dasselbe sagen will, in welcher peripatetisch und in welcher neoplatonisch. Würden wir vor diese Frage gestellt, würden wir antworten: Die Philosophie hat zunachst die Frage zu beantworteu: Woher die Welt und ihre Ordnung? Sie sucht in Folge dessen die Reihenfolge der Gründe in Ursache und Wirkung festzustellen, um womöglich den Urgrund alles Seins zu finden. In dieser Haupt- und Kernfrage ist die arabische Philosophie aber durchaus neoplatonischen Charakters, da sie von einem Urgrund aus durch die Emanation, also durch eine Ausströmung von der höchsten der Höhen bis zur niedrigsten der Tiefen, die Entwickelung des All zu ergründen sucht. Diese Emanationslehre aber ist eine Tochter der Ideeu- und Weltseelenlehre Plato's, die in der Entwickelung des Geistes den Solitar und den Glanzpunkt in der Kette der grieckiscken Schule bildet. Denn dieser Gedanke ist das eigentliche Bindeglied zwischen der geistigen und der stofflichen Welt d. k. zwiscken der Welt der Ideale (Urformen) und der Welt der Stoffdinge kier unter dem Monde. Also die mittelalterlicke Metapkysik ist, wenigstens so lange die Arabiscke Sckule die Spitze kielt, neoplatonisck. In ikr keisst es: »erkenne dick selbst und du wirst die Welt erkennen; aus den Grundtiefen der Ideale, d. h. den im Menscken rukenden Urformen (d. k. Begriffen) keraus, gesckeke der Aufbau des All". Die zweite Aufgabe der Pkilosopkie ist aber die, eine alma mater, eine Nahrmutter aller Wissensckaft zu werden d. k. von der Erkenntniss der Dinge und ikrem Wesen ausgekend, die Kette zu beginnen und von den Einzeldingen zu den Alldingen, sowie vom Individuum zur Art und von da weiter zu dem Urwesen aller Dinge aufzusteigen. Es keisst kier: »Erkenne die Dinge und du wirst dick selbst und das Wesen der Welt in ikrer Ordnung erfassen". Dieser Weg wurde von Aristoteles mit aller Genialitat beschritten. Nackdem er die Metkode der sickeren Erkenntniss in seiner Logik d. k. dem Organon festgestellt katte, — und seine Denklekre gilt keute nock als Muster, — wendet er sick, nackdem er den Himmel in seinen Spkaeren betracktet kat, in der Pkysik der Naturlekre zu, in der er die Dinge aus den vier Elementen kervorgeken lasst. Nackdem er dann die Besckaffenkeit der Erde in der Lekre vom Stein behandelt, geht er zu den Pflanzen, dem Getier und dem Menscken über. Er gelangt so von der sinnlichen Wakrnekmung zur Erfakrung und durck sie zum Erkennen und zum Wissen. Pflanze, Tkier und Mensck sind Orga- nismen, sie haben also eine Seele, die sie von Innen beraus sich entwickeln lasst: die ernahrende, empfindende und denkende Seele, von denen die Letztere das Wesen des Menscben als das einer Klein welt (Mikrokosmos), bildet. Wie nah lag der Schluss, dass, wenn diese Kleinwelt d. b. der Menscb eine Yernunftseele babe, aucb die Allwelt, der Makrokosmos, als der grösste aller Organismus, eine Seele haben müsse, zumal sclion Plato diese Welt als ein Tier d. h. einen Organismus dargestellt hatte. Aber bier bricht der geniale Philosoph ab — denn in der Ideen- und Weltseelenlehre stand er mit seinem Meister und Lehrer, Plato, in einem offenen Kampfe, er bestritt die Ideenlehre desselben mit aller Scharfe seines Geistes. Aristoteles, der nicht allein diese Welt, sondern auch die Spharenwelt in ihrer Bewegung und ihren sieben Planeten kannte, nahm zwar den immer nur sich selbst denkenden Nüs (Yernunft) als Urprincip an; aber von einer, als ein Ganzes bestehenden Welt der Ideen also von den Urformen ewigen Bestandes will er nichts wissen, wahrend doch nur diese ideale Welt im Stande ist, die Kluft zwischen dem im ewigen Wandel und Kreislauf hier befindlichen Werden und einem bestehenden Ursein, als dem Anfang des All's, zu überbrücken'). Demnach wurde denn Aristoteles aus der Philosophie beraus der eigentliche Begründer der Wissenschaft. Yieles Einzelne wussten schon die Culturvölker vor den Griechen, Aegypter und Inder, Assyrer und Phoeniken; von den 1) Die Lücke, welche hierdurch im Aufbau des All's bei Aristoteles, der den Nüs zwar annahm, aber die Ideenlehre Plato's verwarf, entstand, besonders hervorgehoben zu haben, ist ein Verdienst G. Schneider's in seinen Schriften: de causa finali Aristotelea p. 98 und in «das Princip des Maasses in der Platonischen Philosophie" 60 ff. Priestern wurde ihr Wissen in einer geheimen Wissenschaft gehegt, aber ein nach den Stoffen geordnetes und philosophisch gegliedertes Gesammtwissen, eine Wissenschaft für das ganze Volk auf offenem Markt, hatten sie nicht. Das Verdienst, die Wissenschaft als ein Ganzes organisirt zu haben, gebührt der griechischen Philosophie und vor allem dem grossen Stagiriten, dem Genie, der alles Ringen nach Wahrheit, welches die griechische Volksseele Jahrhunderte hindurch hegte und püegte, in sich concentrirte und als ein wissenschaftliches Ganze darstellte. Vor Aristoteles also keine Wissenschaft und nach ihm Jahrtausende hindurch nur aristotelische Wissenschaft. Betrachten wir somit die Philosophie als die alma mater aller Wissenschaft, wird man stets auf Aristoteles sein Auge richten mussen, ihm wurde dab er auch das ganze Mittelalter hindurch yon allen Gelehrten der Lorbeerkranz geflochten. Einen Schatten auf die Glorie des Aristoteles, des genialen Organisators derGesammtwissenschaft bei denGriechen, wirft es aber, dass er mit seinem Lehrer Plato in einen heftigen Streit geriet und grade den Kern der Lehre Plato's die Ideenlehre einer heftigen und ungerechten Kritik unterwirft. Dem Satz Plato's: Die Idee, die Art d. h. das Allgemeine tragt die Wesenheit der Dinge an sich, steilte er den Satz gegenüber: Nur das Einzelne, das Individuum, berge in vollem Sinn die Usia, die Wesenheit, in sich, da ja das Allgemeine nichts Substantielles sei. Hierdurch wurden die Philosophen in zwei Lager geteilt und wie ein Schlachtruf erscholl das »Hie Plato und bie Aristoteles". Beide Heroen unterscheiden sich schon in ihrer Grundanlage, da Aristoteles der Realist von dem wirklichen Einzelding zu dem Idealen aufsteigt und die Erfahrung stets dabei zu Grunde legt; Plato der Idealist aber von den Idealen d. i. den ürbildern im menschlichen Geiste zu den Einzeldingen in der Stoffwelt binabsteigt. Aristoteles balt diese Welt für ewig und fragt uie: woher die Welt? sondern immer nur: wie beschaffen ist die Welt? Aristoteles lebnt stets die Frage nacb dem Ursprung derselben ab, wahrend Plato, der Idealist, ihren Ursprung zu erforschen sucht und zu einem geistigen Ursprung derselben durcb seine Ideenlehre gelangt.' — (Timaeus, Parmenides). Dennoch sind, wie besonders E. Zeiler der Neubegründer der Gescbicbte der griecb. Philos. hervorhebt, beide nicht als einander gegenüber stehend sondern als neben einander stehend, die sokratische Schule bildend, zu betrachten. Wir halten es für passend , um die Continuitat der griecb. Schule vom 4ten Jahrh. v. Chr. bis ins 14 Jahrb. nach Chr. bei allen Culturvölkern , Griechen, Römern, Aegyptern, Syrern und Arabern nach zu weisen, hier einige Hauptpuncte hervorzuheben. Socrates, Plato und Aristoteles. Die griechischen Weisen, welche die Frage »Woher die Welt und ihre Ordnung?" zu lösen suchten, blieben zunachst am Stoff als dem Vorhandenen und der in ihm waltenden Kraft stehn. Denn ob Thales der Ionier (550 v. Chr.) das Wasser, ob Anaximander den Erdschlamm, ob Anaximenes die Luft, ob Heraklit mit seinem »alles ist in einem ewigen Fluss" das Feuer als die heftigste Bewegung als Princip des All aufstellen; ob ferner die Atomisten wie Leukipp und Demokrit aus der verschiedenen Lage der Atome die Verscliiedenheit der Dinge zu erklaren suchten, immer blie- ben sie am Stoff kleben obwobl sicb hieran nur ein ewiges Werden, ein Entstebn und Vergehn, nimmer aber ein bestebendes Sein kundtat. Diesen Hylozoïsten (Stoffleuten) und Physikern gegenüber trat der Eleat Parmenides mit seiner Lebre vom Sein und dem Scbein gegenüber, und leugnete Zeno um 500 v. Cbr. alle Bewegung und Vielheit in den Dingen. Die Eleaten wollten also das Sein als solches feststellen. Dann aber war es Pytbagoras um 470 v. Cbr. der in der Harmonie im All und in der Ordnung der Zahl das Urprincip zu erkennen sucbte und lehrte Anaxagoras (um 450 v. Cbr.) eine vom Stoff scblecbtbin gesonderte, weltbildende, nach Zwecken bandelnde Intelligenz, den Nüs (Yernunft), als Princip des Alls. Somit stebt es fest, dass die griechiscbe Pbilosopbie vor Sokrates einmal ein stoffliches, ein andermal aber ein geistiges Princip setzte und einmal im Stoff das Werden, ein andermal aber im Geist das Sein als Quelle aller Dinge annahm, und nacb ibr eine Dycbotomie, eine Zweiheit im All herrschte. Der Objectivitat, welcbe in der Anerkennung eines geistigen Princips lag, gegenüber, steilten unter den Hellenen, dem Volk der Denker in der Antike, die Sophisten die Subjectivitat als Princip auf mit ibrem » der Menscb allein ist das Maass aller Dinge". Danach gab es also keine Wahrheit, keine Harmonie zwischen dem zu erkennenden Es und dem erkennenden Ich, denn ein wirklicbes Sein habe überhaupt Nichts. Wenn ein Sein überhaupt stattfande, uns ware es nicht erfassbar, und ware es erfassbar, ware es doch nicht mitteilbar. Alles, was wir zu erkennen wahnen, sei nichts als ein Spiel subjectiver Empfindung, nirgend gebe es eine wirkliche Erkenntniss. Mit grosseoi Scharfsinn uud ble^cleiider Beredsamkeit wussten die Sophisten dem Spiel ihres Geistes, das doch ins Leere ging, Geltung zu verschaffen, urn sich Ehre und Geld zu erwerben und war die Gefahr da, dass das in der griechischen Volkseele ruhende Streben nach Erkenntniss in die lrre gehen werde. Da aber trat unter die Burger auf deui Markt von Athen ein ernster Mann, der redlich danach rang das Wesen aller Dinge zu erkennen. Sokrates ein Bildhauer 470—399 v. Chr. Bei den Griechen war die Kunst erblich und war somit in Sokrates der Genius seiner Ahnen, der dem Schonen nachstrebte mit der Seele seines Volks, die sich dem Strebeu nach dem Wahren als dem Guten ergeben hatte, harmonisch vereint. Sokrates sprach es dem dialektischen Gaukelspiel der Sophisten gegenüber aus: und dennoch giebt es eine uns erkennbare Wahrheit, nur dürft ihr nicht an dem im ewigen Wandel begriffenen einzelnen Stoffding kleben bleiben, nein au den Begriffen d. h. den Urbildern, die der Mensch in seinem Geiste hegt, müsst ihr die Einzelerscheinuiig messen, dann erst könnt ihr das Wesen der Dinge erkennen. Denn das die Allgemeinheit umfassende Urbild in uns ist ewig und wahr, wahrend das Einzelding hier entstebt und vergeht. — So wird denn der Widerspruch zwischen dem Werden ringsum uns her und dem wahrhaften Sein der Begriffe in unserer Erkenntniss gelost. Die Lehre des Sokrates vom Begriff, welche Plato zu einem Reich von, als Realitaten bestehenden, Ideen entwickelte, war eine der fruchtbarsten in der Geschichte der Bildung. Auf dem Meere der Gedanken erstanden von hier aus immer neue Wogen, um das geistige Leben der Mensch- heit immer von Neuem anzuregen. Erkenne dich selbst d. k. lerne den in dir ruhenden Schatz von Begriffen kennen, so wirst du auch die Welt erkennen. »Dass ihr erkennet, was die Welt im Innersten zusammenhalt". Sokrates hinterliess keine Schriften. Das aussere Leben desselben schildert Xenophon in seinen Memorabilien, doch von seinem inneren Leben giebt uns Plato in seinen, in Form und Inhalt gleich vollendeten Dialogen , ein herrliches Zeugniss. Man kann sagen, dass die Quelle, welche aus dem Heiligtum des inenscklichen Geistes in Sokrates hervorbrach, mit immer klareren Fluten in den Dialogen Plato's die gebildete Welt belebt und durchdringt. Die Gemme im Geschmeide der griechische Pkilosophie bleibt die Lehre Plato's von den Ideen. Sie sind die Urbilder (Paradeigma) in uns, die Dinge hier aber nur deren Abbilder. Nur dem in Begriffen Gedachten kommt ein wahres und ursprüngliches Sein zu. Sie sind geordnet wie die Zahlen und ist die Welt als das Werk der Yernunft in ihnen durchaus zweckmassig eingerichtet (Timaeus). Plato behandelt also die Ideen d. h. die Urbilder in uns als wirklich vorhanden, als Realitaten, und entsteht vor uns aus seinen Schriften ein Reich von Idealen wie Massigung, Freundschaft, Tapferkeit, Tugend u. s. f., die Sokrates aus den Tiefen seines Selbstbewustseins uns enthallt. Es ist da oft als ob auch unser Geist aus Plato's Dialogen Schwingen nahme, um dem Zuge des Allvaters durch das Reich der wahrhaft schonen Urformen zu folgen und dann hier, in die Stoffwelt versunken, die Erinnerung an jene Welt durch das Studium immer wieder zu beleben. Denn unser Wissen besteht nur in der Erinnerung unserer Seele an ihr vorweltliches Sein (Parmenides, Phaedrus). Wer aber denkt den Inhalt des Wortes Idee oder Eidos wirklich aus? Des Sinns von Form, Modell, Urbild, Ideal, Art, kurz die Formverleihung an ein Geistiges im Ideal, oder an eine bier bestehende Art, alles ein Wort, Idee, Begriff? — Aus diesem Yielsinn im Sprachgebrauch welche Verwirrung an der Oberflache aber welche Klarheit in der Tiefe des Geistes! Diese ürformen bedürfen aber als das Schone und Wabre, als die in der Geistwelt wirklich vorhandenen Begriffe einer Kraft, die ihrer selbst bewusst, diese Formen der Stoflwelt einpragt. Das ist die Weltseele, denn die Welt ist ja nach Plato ein Organismus, eine lebende Creatur, die als solche eine Seele haben muss wie alle Wesen, die sich aus einem Kern heraus entwickeln. So stehn denn die Ideen als die ürformen auf der Grenze zwiscben der geistigen und der stofflichen Welt, indem der Letzteren nur die Abbilder zukommen. Ein Abstieg von der Höhe des Geistigen gelangt zu ihr hinab und ein Aufstieg von dem Sinnlichen aus herauf, reicht bis an sie heran. Wie erhaben ist aber auch die Form über dem Stoff? Da liegt ein Block Gestein, ein Stück Urwelt, nur Lange, Breite und Tiefe ist ihm eigen, aber ein Künstler tritt heran und meisselt aus ihm die Statue des Zeus als ein Sinnbild aller Erhabenheit und Schone, und das ganze Volk der hochbegabten Griechen naht sich ihm in tiefer Ehrfurcht und geistigem Entzücken. Denn dem Künstler schwebte ein Ideal vor, mit dem er den Stein belebte. Aber wei ter, haben die ürformen in den Arten wirklichen Bestand ? Der Reisende steht in Aegypten vor Tempelwanden, denen vor etwa vier Jahrtausenden eine Künstlerhand das Bild des siegenden Ramses einpragte. Da steht der Held mit seinem Wagenlenker auf dem Streitwagen und treibt der Letztere die baumenden schaumenden Hengste mitten in das Gewükl der Schlacht, aber hoek erhaben steht der Held, urn kühn und sicher die Lanze zu schvvingen, grade so wie Achill in den Gesangen Homers uns geschildert wird. Jahrtausende zogen dahin über dies Bild im Stein, aber Tier und Mensch sind ganz derselben Art wie heute. Will die moderne Entwickelungslekre aber dennoch den Bestand der Arten aufheben, so muss sie eine Gleichung construiren, in der vier Jahrtausend, Plus oder minus Null bedeuten. Eine solche ist aber für uns ebenso unbegreiflich wie die von den Astronomen berechneten Gestirne, deren Licht, und das Licht lauft in einer Secunde etwa 40000 Meilen, Tausende von Jahren gebraucht, um zu uns zu gelangen,oder wie der Mathematiker die Zahl Pi berechnen will, die doch nie ein Ende nimmt. — Das ist schon Mystik in der Wissenschaft, bei der Raum und Zeit für uns der grenzenlosen Ewigkeit und Unendlichkeit weicht, wir haben dafür kein Begriffsvermögen mehr. Ferner aber fragen wir weiter: Arbeitet nicht auch die Natur nach ewigen, dem Zweck entsprechenden Modellen ? — Die befruchtete Schmetterlingin legt ihre Eier in die Ritze einer Baumrinde und stirbt auf ihrem Gelege, nachdem das Mannchen schon vorher seine Liebe mit dem Tode büsste. Die Stürme des Winters brausen darüber hin, doch der laue Lenz weckt das Leben in den Eiern, denn in einem jeden derselben sind sowohl mannliche als weibliche Atome enthalten. Es kriecht eine kleine Made aus, die wird zur gefrassigen Raupe, dann zur Larve und entfliegt sie diesem Gefangniss, um als Falter von einer Blume zur andern zu fliegen, sich der Sonnenstrahlen zu erfreuen um dann, wie O 7 etwa ein Dichter singt, als Sinnbild der zum Himmel keim- kehrenden Seele unserem Auge zu entschwinden. In Wirklichkeit aber ist es ein ewiger Process des Werdens, auf dessen Höhe einmal zwei zur Yollendung gekommene Individuen sick paaren, um in der Begattung für eine kurze Zeit am Sein der Art teilzunehmen und einen neuen Werdeproeess zu begründen, damit die Art erhalten bleibe. Ist es nicht bei den Pflanzen ebenso ? Was war der machtige Riese im Walde, der Eichbaum, einst? Ein Staubchen flog von der mannlichen Blüthe und blieb vom Wind getrieben auf der weiblichen Blume kaften. Beide Atome bildeten dann einen Keim, der zur Eichel sick entwickelte. Zur Erde gefalleu, trieb die Eichel zarte Fasern in die Erde sowokl als in die Luft, aber schon die zarten Keimblattcben thaten es durch ihre Form kund und spricht der kleine Sprössling: ick will ein Eichbaum werden und wenn es tausend Jahre wabrt '). Dem unsterblichen Homer wird neben der Ilias und Odyssee auch ein Frosch- und Mausekrieg freilich falschlich zugeschrieben. Der Frosch ist also ein klassisches Tier; nun ja, er ist auch für die ungenaue Naturbetrachtung ein Ratsel. Eine Schleimmasse liegt im Sumpf, in derselben bilden sich Körner wie Concentrationspuncte, diesen entschlüpft ein Schwimmtier, die Kaulquappe, die mit einem Schwanzchen versehn sich lustig im Sumpfwasser tummelt. Aber nur eine Weile dauert diese Wasserparthie, denn es bilden sich die Ansatze zu den vier Füssen, und der junge 1) lm Altertum und Mittelalter glaubte man nach Arist. an eine generatio aequivoca, eine Fortpflanzung dureh die blosse Mischung der vier Blemente, die beim niedren Getier sowohl als bei der Pflanze herrselie. Nur die Araber kannten die Dattelpalme mit ihren zwei Geschlechtern und naunten dieselbe deshalb »die Tierpflanze", vgl Dieterici: Darwinismus ina X und XIX, Jahrh. 1878. XVIII Herr von Wasser und zu Lande, eine Amphibie, hüpft heraus, urn im Doppelleben bald im kühlen Nass, bald im frischen Gras sich seines Daseins zu erfreuen, von seiner Liebe zu quaken, der Fortpflanzung seinen Tribut zu zollen und zu vergehn. Also, das wollten wir hier feststellen, einer von Urzeit her bestehenden Endform zu, treibt die im befruchteten Ei schon liegende vereinte Kraft von Stufe zu Stufe zu, um zur Vollendung, d. h. zum Sein gelangt, ein neues Werden zu begründen und die Art, die Urform, zu erhalteu auf dass keine Lücke im Haushalt der Natur erstehe '). Wozu die alles hier bei Plato und Aristoteles? Weil auch die heutige Biologie, als Krone der Naturwissenschaft, den beiden Genie des Altertums Tribut zu zollen hat. Der aus der Ideenlehre Plato's hervorgegangene Neoplatonismus lehrt: aus dem Ursein heraus erstanden, durch die Yernunft geformt, die Urbilder von allern, was da ist, zunachst als geistige Gebilde d. h. als Ideale, als stofflose Formen. Das Bild derselben wird von der die Zahl- und Massverhaltnisse beherrschenden Seele (Weltseele) dem Stoife eingezeichnet, damit die Ideale als die Arten der Dinge Bestand haben und ihnen zu, alle Einzelwesen bei ihrem Werden sich entwickeln '). Also ist die Summa der Construction von Oben herab , zuerst die ewigen geistigen Urbilder und dann erst die Dinge als deren zeitliche und schwache Abbilder, die aber 1) Da die Ver wand lungen die manche Tiergattung und die Pflanzen durehmachen im Altertura nicht erkennbar waren, z. T. gilt das auch heute noch, liess Arist. z. B. den Aal einfach aas dem dunklen Erdschlamm hervortreten; auch der Floh entsprang bei ihm von selbst dem Stoff, doch den Stempel der Alldinge (Ideale) an sich tragen. Die Form, die Art, steht also als Abbild der Urform auf der Grenze der beiden Wel ten, der idealen, als der Welt des Seins und der Stoffdinge in der Welt des Werdens. Aristoteles und seine Schule lehrt dagegen: Alles was entsteht, entwickelt sich nach den vier Fragen: a. Woraus werden die Dinge ? Antwort: Aus dem Stoft, die neuere Wissenschaft antwortet: Das anorganische aus Atomen, alles Organische aber aus einem Lebestoff, der mannliche und weibliche Atome in sich enthalt: d. h. Omne vivum ex ovo. b. Wozu wird Etwas? Es wird ein Stoff zu einer Form (Art) als Entelechie, Endform, welche dem ursprünglich gesetzten Eudzweck (telos) entspricht. So hat der Fisch seine Form zum Schwimmen, der Yogel zum Fliegen, das Tier zum Laufen oder Kriechen. c. Wodurch wird Etwas? Antwort: Alles Werden ist eine Bewegung; nach heutiger Physik, alles Werden geschieht durch Warme. cL. Weshalb wird Etwas ? Antwort: Es ersteht, um die ihm im Haushalt der Natur angewiesene Stellung einzunehmen oder, was dem gleich ist, »seines Endzwecks" wegen. Der Endzweck des All ist aber die Harmonie und Ordnung von allem, was da ist, oder was dem gleich ist, damit das, der Vernunft nach Mögliche, zum Wirklichen werde. Ist nun die Differenz so cfross oder sind nicht beide dem Wesen nach dieselben ? Nur der Weg, den Beide nahmen, ist verschieden. Alfarabl sagt in seiner Abhandlung »die Harmonie zwischen Plato und Aristoteles", Plato ging den Weg der Analyse, Aristoteles aber den der Synthese. Das verhalte sich nun aber so wie bei der Stufenleiter, der Eine steige hinab , der Andre aber hinauf. Die Stiege sei dieselbe nur die Steiger sind versckieden. Wir setzen zur Erklarung hinzu: Aus dem in der Tiefe des menschlichen Selbstbewusstseins ruhenden Frage »Woher die Welt und ihre Ordnung? entschalt Plato seine Lehre von der Entstehung alles Seins, von einem Urprincip der Vernunft durcli die Idealwelt herab bis zu unserer Stoff'welt hin. Aristoteles aber der nie die Frage »woher die Welt," sondern » Wie ist die Welt?" zu lösen suchte — diese Welt war ihm ja ewig — steigt von der Vielheit der Dinge durcli die Wahrnehmung, Erfahrung, Erkenntniss auf bis zu den kökeren Regionen des Wissens. Da er aber jene Urfrage abweist, bleibt seine Metaphysik ein Torso, indem er die Ideenlebre Plato's verwirft, die allein durcli jene ideale Welt eine Brücke zwiscken diesen Dingen und ihrem geistigen ürsprung liefern kann. Auf welcher Stufe aber auch ein Volk steht, ob der robe Wilde oder der halbgeschulte Mytkologe oder der geschulte Denker das Wort fübrt, einer Lösung jener Urfrage kann keine Schicht der Menschkeit entbehren; das beweisen die uralten Gesange in den Theogonien der Culturvölker sowohl als auch die Sagen der Naturvölker. Auch wir geben in der biblischen Schöpfungssage jene Grundsatze von der Schöpfung des Alls aus dem Nichts, allein durch die Allraacht Gottes, unseren Kindern als ein heiliges Erbgut aller Bildung auf ihrem Lebenswege mit. Einst führte mich in Paris ein Franzose zur grande Opera um mir die herrliche Mormortreppe zu zeigen, welche dort im Tempel der Musen in drei Podesten und Bogengangen zur lichten Höhe hinauf führt. Voyez le neuvième miracle du monde! Wie ein Aufstieg zur Akropolis von Athen erschien mir diese herrliche Treppe von Marmor, und bei dem Gewoge der Menge auf derselben gedachte ich im Geist der einstigen Aufzüge der Griecben zum Parthenon. Dort auf dem Mittelpodest zwischen der unten wogenden Menge und dem in herrlichem Licht strahlenden oberen Umgang, da wahnte ich, müsste der aus der Idealwelt niedersteigende Plato und der aus der Sinnenwelt aufsteicfende Aristoteles sich in Freundschaft begegnen und O Meister und Schiller sich in der Idee, der Form, der Art, in schönster Harmonie versöhnen. Aber die unglückliche Fehde verhinderte die Harmonie im Geist und der Kriegsruf erscholl durch die Welt: Hie Plato und hie Aristoteles. So bestanden schon in den Jahrhunderten vor Christus dort in Athen die zwei Partheien, wie auch im Mittelaller im Nominalismus und Realismus, und so hiess es auch in der Betrachtung der Philosophie bis in unsere Zeit: das ist platonisch und das aristotelisch. Erst Zeiler stellt die beiden Heroen nicht gegeneinander sondern neben einander auf') und verschweigt er es nicht, dass auch Aristoteles der grösste der Denker in der metaphysischen Frage sich in Widersprüche verwickele. Dennoch aber fehlte bei diesem uralten Streit die Friedenspalme zu Zeiten nicht und eine solche gewahrte die neoplatonische Schule für mehrere Jahrhunderte, wie wir spaeter zeigen werden. Immer aber wird den Denker die Frage bedrangen »war das Ideal, das Urbild in uns zuvor und das Ding als Abbild danach (platonisch) oder aber waren die Dinge vorbanden und abstrahirte man von ihnen das allen Einzeldingen gemeinsame Vorbild. Schon in der Wiege und dem Kindesalter der Philosophie galt dies Dilemma. Bei den Hylozoïsten und Physikern wiegt l) Vg], E. Zeiler, Grundriss. § 56, 1. 2, somit der werdende Stofl, bei den Eleaten, Pythagoras, Anaxagoras, Sokrates der seiende Geist vor. Die Leute des Stoffs (d. i. der Realismus) finden ihre Yollendung im Aristoteleïsmus, die Manner vom geistigen Urprincip (d. i. der Idealismus) aber errangen die Krone im Platonismus. Vor den Augen des Culturhistorikers bilden aber beide zwei congruente Dreiecke, die nacb langem Streit im Neoplatonismus sicb decken. In unserer materialistischen Zeit wird alles Ideale möglichst in den Hintergrund gedrangt, und jede Wissenschaft nur auf ihren practischen Nutzen geprüft, dennoch wagen wir ofien zu bekennen, dass alles Wissen, alle Erkenntniss mit den Idealen, d. i. geistigen Gebilden, welche die Menschheit in sich hegt, beginnt. Da ist z. B. die Mathematik, die Grundlage aller geistigen und realen Wissenschaften. Sie beginnt mit dem Punct, einem Etwas ohne alle Dimension, dann folgt die Linie, das Ding von einer Dimension, dann die Flache, das Etwas mit zwei Dimensionen und erst bei N°. 4 dem Körper tritt sie in die Wirklichkeit. Die drei Ersten aber sind ideale, nur im Geist vorstellbare, Dinge. Von ihnen nimmt die Mathesis der Griechen ihren Anfang, um darauf die ersten Grundsatze aufzubauen. Von hier geht dann ihr Siegeslauf durch alle Gebiete, durch Himmel und Erde, sei es um den Lauf der Steme zu berechnen oder die Dinge der Erde zu messen. Ebenso dringt sie auch in das Gebiet der Kleinsten der Kleinen, um zum Atom zu gelangen. Im Plus sowohl als im Minus führt sie den Geist des Menschen bis zur Grenze der Unendlichkeit und Ewigkeit. Berechnet doch der Mathematiker die Zahl der Meilen vom fernsten Sterncentrum bis zu uns, wenn auch das Licht von dort bis zu uns Tausende von Jahren lauft, und das Licht doch in jeder Secunde 40000 Meilen durchmisst. Ebenso berechnet er die Zahl Pi, die Peripherie in einem Bruch von vielen Hundert Stellen und kommt nie damit zu Ende. Für dergleichen gewinnen wir zwar lange Zahlenreihen, die aber weder aussprechbar noch begreifbar sind. Nur dadurch dass die Mathesis die Idee von Raum und Zeit in uns entwickelt, und wir der Frage, woher die Welt und ihre Ordnung? unsern Tribut zollen müssen , kommen wir dazu, den nimmer wahrnehmbaren idealen Punct, Linie, Flache, zur Grundlage der Körperwelt zu legen. Gieb mir einen Punct ausser ihr und ich werde die Welt bewegen, so rief Archimedes. Wer aber die ideelle Grundlage in der Mathesis nicht erfassen kann , der trete nimmer in die Tempelhalle der Athene. Welche Bedeutung hat doch die Idee vom Punct in der Geometrie und der Eins in der Arithmetik. Sie gaben schon dem Platonismus in der Akademie die Mittel, die Ideenund die Zaklenlehre in eine enge Beziehung zu setzen. Beide dienten spaeter dem Neoplatonismus und Neopythagoraeismus dazu, die Emauationslehre von Einem Ursein herzuleiten. Der Punct selbst ohne Dimension wird zum Ursprung aller Maasse, und die Eins, selbst keine Zahl, wird die Quelle aller Zahlen. In dem Punct beruht der Begrifl a priori Raum, und in der Zahl liegt die Reihung und Ordnung der Zeit. Der Urpunct, die Urzahl, das Uratom, die Urzelle schweben als Anfange aller Wissenschaft ideell dem Geiste vor. Der erste Schritt der Entwickelung liegt im Nebel, deun Einmal Eins ergiebt wieder die Einheit, aber schon zwei mal zwei die Viel- heit. Zuersfc also das Ideale und dann das Reale, zuerst die Möglichkeit und dann die Wirklichkeit. »Platouiker, Peripatetiker, Stoïker". In der Akademie d. h. der Villa des Akademus in Athen lehrte Plato, hier concentrirte sich seine Schule. Im Peripatos, dem Baumgarten des Lyceums sammelten sich die Schuier des Aristoteles und trat schon um 300 v. Chr. dazu die dritte Schule, welclie in der Stoa, Saulenhalle, lehrte. Drei Hochschulen der alles damalige Wissen umfassenden Philosophie in einer Stadt. Das kennzeichnet das Wehen des Geistes unter den Griechen. In der Akademie entwickelte Plato, besonders nachdem er aus Süd-Italien, dem Hauptsitz der Pythagoraeer, heimgekehrt war, seine Lehre von den Ideen, die er jetzt immer mehr als mathematische Zahlen betrachtete. Es ist dieser Punct f'ür die ganze Entwickelung der griech. Philosophie besonders ins Auge zu fassen. Speusipp und Xenokrates um 340 v. Chr. leiteten zunachst diese Schule. Die Peripatetiker bauten dagegen das System der Wissenschaft wie es Aristoteles in seiner Denk-, Natur- und Seelenlehre begründet hatte, weiter aus. So bearbeitete Theophrast die Pflanzenkunde des Meisters und Strato, wohl der bedeutendste dieser Schule, entwickelte seine Theorie vom Aether unabhangig von Aristoteles. Er erganzte also dessen Meteorologie , wie ja auch die arist. Lehre von der ernahrenden, empfindenden und denkenden Seele den Leitfaden bei der Betrachtung der Natur hergab. Ausserdem waren beide Schulen im Commentiren der Schriften des Plato sowohl als des Aristoteles tatig, und herrschte trotz der verschiedenen Methoden bei beiden der Grundsatz des Sokrates vom Begiiff als dem eigentlichen Maass und der Grundlage aller Erkenntniss vor, wie dies das ♦ Organon des Arist., das Grundbuch der Logik beweist. Der Beweis ist ihm die rechte Wage, Wahrheit und Irrtum in den Begriffen zu scheiden. Wir mussen als Arabist hier unter den Peripatetikern noch besonders Alexander Afrodisias um 200 nach Chr., also etwa fiinf Jahrhunderte nach Arist., hervorheben. Die arab. Philosophen schatzen diesen Alexander sehr hoch und in nicht geringer Selbstüberschatzung sagen sie: Die Griechen sowohl als die Araber haben je zwei Philosophen gehabt, die Griechen den Aristoteles und Alexander und die Araber den Alfarabl und Avicenna. Man kann den Alexander, den grossen Commentator des Arist., als die Endsaule der Peripatetiker betrachten. Aber auch selbststandig war er in der philos. Forschung, denn er setzte den Verstand des Menschen zunachst nur potentiell als eine Anlage, die erst als entwickelte Tatigkeit Kraft aussert d. h. als der dazu erworbene Nüs. Das aber, was den Geist zu dieser Stufe erhebt, ist nicht ein Teil unserer Seele sondern das auf sie einwirkende göttliche Wesen, dies wirkt ahnlich wie das Licht, welches erst das sehfahige Auge zum wirklich sehenden macht'). Alexander Afr. that durch die Setzung des dazu erworbenen Nüs einen grossen Schritt, die Kluft zwischen Aristoteles und Plato zu überbrücken; man setze nur den Nüs epiktêtos als Psyche des Plotin. Nach Afrodisias erstand kein bedeutender Peripa- l) Vgl Zeiler Philosophie d. Griechen, IV, Z. 96. tetiker mehr und war seit Ende des III Jahrh. die neoplaton. Schule die eigentliche Traegerin der Weltweisheit, obwohl Themistius '), der letzte dieser Schule, sich lieber Peripatetiker als Neoplatoniker nennen liess, jedoeh dabei von der durchgangigen Harmonie beider Meister überzeugt war. Durch diese Ueberzeugung kam der Eklekticismus zu Ehren und steilte man aristotel., platon. und stoïsche Philosopheme ohne weiteres als gleich berechtigt auf. Alexander Afrodisias der grosse Commentator des Arist. gilt den Arabern als Autoritat, sowohl Alkindi als Alfarabi liefern eine Abh. über die vier Arten des Nüs2) und nehmen sie den Nüs epiktëtos als dritte Stufe auf. Also 1 der Nüs en dynamei, 2 en energeia, 3 als der Epiktëtos und 4 als der Poiëtikos, d. h. der potentielle, actuelle, hinzu erworbene, und schaffende Nüs. Also vier Stufen, welche mit den vier geistigen Potenzen des Plotin Ou, Nüs, Psyche, Physis, in Parallele ^estellt werden können, indem man die Ideen als eine O ' Gabe an die empfangende Weltseele vom denkenden Nüs her betrachtet. Die Stoïker sind die von Zeno aus Kittion •}• 270 v. Chr. und Chrysipp f 208 begründete Schule. Dieselbe wird durch zwei Fortschritte in der Entwickelung der Philosophie gekannzeichnet. Einmal gebührt den Stoïkern das Verdienst die zwei Principe, welche die griechische Schule in Stofi und Geist trenntën, aufgehoben zu haben. Nur Ein Princip, so lehren sie, giebt es im All. Das ist die in der Welt alles ordnende Vernunft, deren letzter Grund aber 1) Alfarabl's Abhh. p. 16, Z. 11, uennt den Thamistius den letzten der Iskaliijun, also etwa Scholastiker. 2) Vgl. Alb. N'agy in Beitriige zur Gesch. d. Phil. des Mittelalters II. 5 und Alfarabl's Abhh. 66—76. wiederum die Urvernunft, sagen wir, die Gottheit sei, denn der ganze Zusammenhang in den unendlich vielen Erscheinungen des All kann nur von einem Urwesen kerrühren. Somit hörte mit der Stoa die Dychotomie, die Zweiteilung in der griechischen Metaphysik, auf. Nur Eiu geistiger Anfang, der in einer zweckmassigen Ordnung in der unendlich vielfachen Welt sich offenbart, besteht. Zweitens aber wandte sich diese Schule rnehr der praktischen Anwendung der Weltweisheit zu. Denn im Leben der Menschen ofïenbart sich die Weisheit besonders in der Tugend. Es ist somit nach den Stoïkern das Erstreben wahrer Erkenntniss nichts als eine Uebung der Tugend, so wie auch Erkennen und Wissen nur Mittel zurn tugendhaften Handeln sind. Nur die Tugend aber ist für ein vernünftiges Wesen ein Gut, in ihr allein besteht das wahre Glück des Menschen. Wir erkennen somit in der Lehre der Stoa den Abschluss der Politeia (Staatslehre) bei Plato und Aristoteles. Hatte Plato die vier Haupttugenden Weisheit, Tapferkeit, Selbstbeherrschung und Gerechtigkeit als die Saulen bezeichnet, auf denen das Gedeihen der Bürgerschaft beruhe, und hatte Aristoteles durch die Tugend und das zweckmassige Handeln die Erreichung des uns möglichen Glücks beim gegenseitigen Beistand der Burger gefunden, so war dies Ziel in der Schule der Stoa erreicht. Yon einem naturgemassen, einfachen Leben aus führt das geistige Streben zur Erkenntniss und Sittlichkeit und von da zu dem in der Tugend begründeten Glück der Menschheit. Diesen Weg beschritten die Anhanger dieser Schule als Manner von einem Guss im Denken und im Handeln. Unbeirrt war ihr Schritt, denn erreichteu sie ihr Ziel nicht stand ihnen doch die Thiir zur Freiheit immer offen, denn der Selbstmord war ihnen gestattet. In der Frage vom Recht als dem Ausdruck aller Weisheit offenbarte sich die Macht dieser Grundsatze. In der Antike that sich das Wesen der Volksseele auf offnem Markte kund. Vor der heiligen Statte in Jerusalem, oder sonst mitten im Treiben der Stadte bezeugten die Profeten mit feuriger Zunge die Allmacht und die Gnade Jahve's, denn sie lebten und webten im Gedanken »des Gottesstaats". Auf dem Markt von Athen traten die Philosophen unter die Bürger, um in Rede und Gegenrede die Bürger auf den Ursprung alles Seins hinzuweissen, denn die Griechen erkannten es, es ist unser Beruf die Weisheitslehre aus der Yernunft heraus, zu begründen. Und auf dem Forum von Rom erschienen die Candidaten, um vor den Clienten schwierige Rechtsfragen zu lösen. Denn der römischen Volkseele hatte die Yorsehung ins Herz geschrieben: begründe das Staatsrecht und durch dasselbe den Rechtsstaat, dann bist du Herr, um die Gemeinwesen in allen Staaten des Orbis terrarum zu ordnen. Sicher folgte der edle Römer dieser Weisung! Yon ihnen galt das Wort des Horaz. Und brache der Erdkreis krachend zusammen, als einenUnerschrockenen trafen ihn dieTrümmer. Leicht wog diesen Grundsatzen der Stoa gegenüber die Wagschale ihrer Gegner, der Epikuraeer, deren Begründer die Lust und den Genuss als das Princip ihres Lebens setzten. Ihr oberflachliches, sinnliches Streben wird gekennzeichnet mit Paali Wort: lasset uns essen und trinken , denn morgen sind wir todt. Und in wie weiten Kreisen wird auch heute noch diesem Ziele nachgestrebt. Der Neoplatonismus in Alexandria. Die Wogen des geistigen Lebens gleichen den Wellen des Lichts. Stehn wir im Morgengraun vor den mit Gletschern und Schnee bedeckten Firnen, so beginnen die Glutpfeile der Sonne diese Eisregion zu verklaren bis dann von ihren Spitzen berab der Lichtstrom niederflutet, um nach allen Seiten hin die Finsterniss auf dem Gelande zu verscheucken und neues Leben zu wecken. So könnte man auch von der grieck. Pkilosopkie sagen: Die Lekre des Sokrates vom Begriff als dem Maass alles Denkens bildet den Grundstock, die Lehre Plato's aber von dem Reick der Ideeen und die Lehre des Aristoteles von einer alle Wissenschaften umfassenden Erkenntniss, bilden die zwei Spitzen im Gebirg. Von ihnen herab flutete in der Antike das Lickt, einmal um gen Westen dem den Weltkreis beherrschenden Rom zuzufluten und den Grundsatz von Tugend und Recht im Staat zu begründen, von der andern Seite aber gen Osten hin zu dringen, um die neue Schule zu begründen, die das uralte Problem vom Anfang alles Seins einer neuen Lösung zutreiben sollte. Nach den Hochschulen der Philosopbie in Athen erstand in dem, von Alexander dem Grossen an den Grenzmarken zwiscken Afrika und Asien gegründeten , Alexandria die Universitat aller Weisheit im Ost und West, im Nord und Süd. Was war der Plan der Vorsehung bei den Siegeszügen Alexander's? Sollte etwa ein grosses Reich des Ostens besründet werden? Nein, denn wie bald stürzte das mit dem O / Schwert Gefügte zusammen. Für griechische Cultur sollte eine neue Heimstatte begriindet werden, auf dass die hohe Bildung der Hellenen alle Oulturelemente so wie auch die Religion von Neuem belebe und bewege. Diesem Ziel dienten nach dem Tode des so früh dahin gesunkenen Helden seine Generale Ptolemaeus und Saleukus Nikator, welche mit ihren Nachfolgern in Alexandria und Antiochia neue Centren für alle Wissenschaften herstellten. Alexandria besonders ward ein Markt von Nationen und ein Sammelplatz der Weisen von Ost und West. Hierher wandte sich sowohl der Geniale unter den Semiten, der im JahveCult den Einen Gott verehrende Hebraeer, so wie das Denkgenie unter den Ariern, der für Kunst und Wissenschaft begeisterte Hellene. In Alexandria war es, wo der hellenisch geschulte Hebraeer die heilige Schrift, die er von den Vatern ererbte, ins Griechische um 285 v. Chr. übertrug, und erwarb diese Uebersetzung der Siebzig, die spater für inspirirt galt, einen solchen Ruf, dass sie das hebraeische Orginal verdrangte. Schon in ihr zeigte es sich, dass der geschulte Hebraeer sich seiner Anthropomorphismen von Gott schamte und sie zu mildern suchte. Gottes Weisheit ist nur Eine, sie ist's die alles hervorrief und ordnete, und wenn die Stoa in der Urvernunft den einen Urgrund fand , so hatten die Hebraeer denselben in Jahve schon vor dem erkannt. Nur Eine Wahrheit giebt's, die in verschiedenen Weisen gelehrt wird. Jedoch um dies zu erkennen, genügt nicht das Auge der Mehrzahl; das wird nur dem klar, der geistigen Sinnes aus der Schale des Worts die im Innern ruhende Perle der Wahrheit zu enthüllen versteht, wahrend die grosse Menge am Buchstaben kleben bleibt. Daher galt hier in Alexandria besonders der Unterschied zwischen einer esoterischen d. h. geistigen, inneren und der exoterischen d. b. sinnlichen, ausseren Auslegung. Schon Aristobul um 150 ror Chr. lehrte hier, dass die heiligen Schriften und die Profeten der Juden dieselbe Wahrheit verkünden wie die Philosophen der Griechen. Zu ein und derselben Wahrheit, die auf der lichten Höhe des Geistes schwebt, steige der begnadete Denker sowohl als der wahrhaft Fromme im Geist empor. Welche Früchte reiften dort in dieser Theosophie! Zu derselben Zeit als der Erlöser mit seinen SinnSprüchen und Gleichnissen auf der Gebirgsau Palaestina und in Jerusalem lehrte, allem Volk die ewige Vaterliebe Gottes offenbarte, und als einen Abglanz dieser Wahrheit das Gebot der wahren Bruderliebe der ganzen Menschheit ins Herz schrieb, lebte auch der Theosoph Philo in Alexandria. Der Kern seiner Lehre war: Gott allein ist das einzige Princip im All. Er ist der Eigenschafts- und Namenlose, also Unbegreifliche, denn alle unsere Begriffe reichen nicht an ihn heran. Wir wissen dass er ist aber nicht wie er ist. Hierin stimmte Philo mit der Stoa überein, die ja die vollkommenste Yernunft d. i. die Gottheit, als Princip des All setzte. Der über unserem Geist hoch Erhabene thue aber, so lehrt Pbilo, durch Krafte, d. h. die Engel der Bibel, sich kund. Alle diese Krafte, man nenne sie Krafte oder Idëen, bilden jedoch zusammen eine Einbeit, das ist der Logos, ein Ausdruck, den Luther im Ev. Joh. 1, 1, mit »Wort" übersetzt. Der Logos ist aber die Weisheit und Yernunft Gottes, die zwischen ihtn und der Welt als Organ für seine Weltschöpfung und Weltregierung steht. Der Logos ist der Erstgeborne, der Sohn Gottes und als Vernunft und Rede Gottes das Urbild der Welt und die Kraft, die alles schafFt. Er ist auch die Seele d. h. das Lebenspriucip, da diese sich mit dem Leibe, d. i. der Welt, wie mit einem Kleid umhüllt *). Diese Lehre, welche als eine Toch ter der Ideenlelire Plato's betrachtet werden mass, legt Philo im Leben Mosis seinem Glaubenshelden Mose in deu Mund, der ist ihm Profet und Philosoph zugleich J). Auch unter den Apokryphen unserer Bibel giebt es ein Buch philonischer Lehre d. i. die Weisheit Salomonis. Hier tritt die Weisheit (Chokma) aus Gott wie ein Abglanz des ewigen Lichts heraus, um als die Künstlerin im Weltall ihr Werk zum Wohlgefallen Gottes zu verrichten. Die Weisheit ist aber der Ausfluss von der Herrlichkeit Gottes, Gott aber liebt den, der mit der Weisheit vertraut ist. Die Intuition (innere Anschauung). Wir müssefl hier hervorheben, dass diese Verbindung eines geistigen Hebraïsmus mit dem forschenden Hellenismus in Alexandria in der Brkenntnisslehre ein neues Princip zur Geltung brachte. Es ist dies die innere Anschauung, die der Meinung Ausdruck gab, es bestehe eine directe Anschauung aller Wahrheit als die höchste Stufe aller Erkenntniss. Bei der Wichtigkeit dieser, dem Grunde des menschlichen Bewustseins eingezeichneten, Vorstellung, erlaube man hier einige Worte zur Ausführung. Alle Erkenntniss besteht doch nur in einer geistigen Beziehung zwischen einem erkennenden, »Ich" und einem erkannten »Es". Aber schon die einfachste Satzfügung, die 1) Vgl. Zeiler Grundriss § 94. 2) Nach Thoma: Grundriss der Ev. Joh. 1882, slammt das Evangelium von einem Christen, der als ein Anhanger Philos das Buch »das Leben Mosis' als Voibild benutzte. eiues Subjects und eiues Praedicats thut es kund, dass der, diese beiden Siiulen verbindende, Bogen nie ganz im Gleichmaass ist. Derselbe wird einmal dem erkennenden Subject ein andermal dem erkannten Object sich zuneigen. Liegt der Schwerpunct mehr dem erkennenden Subject zu, ist die Rede subjectiv, liegt er dem erkannten Object zu, ist dieselbe objectiv. Vulgair ausgedriickt: das Eine ist die Rede des Gemüts, unserer geistigen Gesammtkraft, das Andre ist die Rede des Yerstandes, unserer speciellen Denkkraft. Der ahnende Semit, sagen wir der Hebraeer, redet mehr die Gemütsrede, der reflectirende Ariër, sagen wir der Grieche, redet mehr die Verstandesrede. Der Eine sagt was ein Object auf sein Ich für einen Eindruck machte, der andre aber will sagen was das Object an sich (wirklich) ist. Der semitische Satz ist daher kurz, abgerissen, sich in Sprangen vollendend, deun er giebt die plötzliche Erregung des Gemütes wieder, er will nur den Eindruck auf sein Ich schildern und redet deshalb vielfach und zumeist in Bildern. Die Rede des Griechen aber ist ruhig, wohl construirt, in Begriffen sich bewegend, denn sie spricht ein objectives Urteil und nicht bloss eine Empfindung aus. Der Mann ist tapfer, so spricht der Ariër und behauptet die objective Übereinstimmung zwischen dem Sein und Denken, er ist es wirklich. Der Mann ein tapferer, oder, was der Semit dem gleich setzt: »der Reiter ein Löwe". ist nur der subjective Eindruck, er gilt mir für einen Löwen. Wer denkt dabei an den wirklichen Löwen ? Bei dem Einen herrscht also das Bild, bei dem Andern der Begriff vor. Als Jesus seinen Jüngern das Abendmahl austeilte, sprach er Aramaeisch und konnte er nur sagen: dieses hier, mein Blut, d. h. es gelte dafür als ein Symbol der innigsten Ge- meinschaft zwischen mir und euch. Das ist sonnenklar und dennock spreugte Luther mit seinem sist", das nie gesprochen wurde, sein grosses Werk, die Reformation, in zwei Teile, die in ewigem Krieg mit einander Deutschlands K"raft lahmten und zum Gespött der Nationen werden Hessen. Das Bild wurde verwechselt mit dem Begrifï und die semitische Rede als eine arische construirt — hinc illae lacrymae. — Ebenso bedeuten in dieser Bilderrede Worte wie Sohn , Tochter, Vater, Mutter, Bruder, Schwester nur »in einer engen Beziehung zu" stehend. Sohn Gottes bezeichnet » mit Gott in Beziehung stehend", sei es in der Kraft, so heissen 1 B. Mose die Riesen Söhne Gottes oder »durch Frömiuigkeit ihm nahe stehend" wie die Frommen oft Kinder Gottes heissen. Nimmt man aber das Bild als Begriff, entspringen von hier aus, nah an das Heidentum streifende, Culte, wie der Madonna Dienst etc. So farbte sich einst die klare Flut der Marmora roth durch das im Bilderstreit wegen »der Mutter Gottes" vergossene Bruderblut. Ebenso abgerissen und nur lose zusammenhangend ist die semitische Dichtung, die nur als stürmische Lyrik bezeichnet werden kann, dagegen steht bei den Griechen Epos und Drama im Vordergrund und auch die Lyrik ist in den Oden zu einem abgerundeten Ganzen gefügt. Denn dort herrscht nur die Wiedergabe gewaltiger Empfindung, hier aber die systematische Gliederung des poetischen Stofls vor '). Nur in einer Frage, die freilich die Höchste ist, welche an die Menschheit gerichtet wird, blieben die Semiten Meister, in dem sie in der Frage »woher die Welt in Folge ihrer 1) Ueber die Semiten und Indogermanen (Ariër), vgl. Dieterici: Die Philosophie d. Araber, I, Leipzig 1876, p. 219, N°. 11, und Dieterici .Das alteste Bekenntniss der Christenheit". Berlin 1895 lebendigen Subjectivitat ein Ich, und kein unbegreif bares Es, als Ursprung alles Seius setzten. Diesern Wesen kann also der Mensch in der Ahnung naher treten, weil er, als ein Ebenbild desselben, dazu die Faehigkeit in sich traegt. Das ist die Grundlage aller Religion. Ist aber das Urprincip ein in seiner Liebe vollendetes Ich, so ist der Mensch ebenfalls als ein Ich , wie der zweite Brennpunct einer Ellipse und mit dem Urlicht in einem geistigen Rapport. Davon gehen dann jene das Gemüth der Menschheit bis ins tiefste ergreifenden Klangeewiger WahrheitimEvangelium Johannis aus, welches man deshalb das Geistige nennt. Zeugnisse ewigerKlarheit und Wahrheit liegen in den Reden des Erlösers wie »ich und der Vater sind eins, Niemand kommt zum Yater denn durch mich, und »so ihr in meiner Liebe bleibt, seit ihr in Wahrheit meine Jünger". Verkehrten Mose und die Profeten in ihrem Gemüth und Geist direct mit Jahve, so hat im neuen Testament besonders im Ev. Johannis die innigste geistige Yerbindung mit Gott als eine directe innere Anschauung Ausdruck gefunden. Auf dieser Höhe thront die Gotteslehre und die Weisheitslehre als die, die ganze Welt umfassende , geistige Einheit, d. h. die Liebe ist als das Wesen Gottes, das Ziel aller Erkenntniss und der Inbegriff aller Weisheit. Sie ist der Schlüssel zum ewigen Geheimniss der Weltschöpfung und ihrer Erhaltung. Mit einem klaren Schriftzug schreibt die Vorsehung ihre Geschichte in das Archiv der geistigen Cultur. Bei der Hebraeern eutwickelt sich das Selbstbewustsein am Gottesbewusstsein. Schon in der Schöpfung ist Elohim, der Allmachtige, Eine Gott, dann aber der Schutzherr einer Familie. In dem Gesetz Mosis ist Jahve der Heilige und deshalb der strenge Richter, und Kriegsherr eines von ihm erwahlten Volks. Bei den Profeten aber ist Jahve schou ein Gott der Gnade, der im Messias seine Huid allera Volk wird offenbaren. Im Evangelium endlich ist Gott der die ganze Menschheit liebende Yater, der die Bruderliebe als seine Offenbarung, der ganzen Menschheit durch Christus ins Herz zeichnete. Was sind alle W undergeschichten der Oflenbarung dieser göttlichen Erhabenheit gegenüber? Wir erwahnen dies hier deshalb, weil grade in Alexandria, dem Concentrationspunct vom subjectiven und objectiven Denken, von Theologie und Philosophie, durch den grossen Origenes (185—254) die erste wissenschaftliche Bearbeitung der christlichen Lehre gegeben wurde, und von diesem Meister die Dreieinigkeit als eine Ausstrahlung von Gott, als dem Urglanz, auf Christus, als den gleich ewigen Abglanz, dargestellt wurde, so dass vom Erlöser aus je ein Einzelstrahl in jedes glaubige Gemüth dringe. Das ist die einzige, haltbare, freilich in philonischer Weise nur bildlich gefasste, Begründung jener Grundlehre vom Yater , Sohn und heiligen Geist. Wahrend aber so von Origenes für die Theologie die Grundzüge zu einer weiteren Entwickelung gelegt wurden, und alle grossen Theologen im Mittelalter so wohl, als in der Neuen Zeit und noch in unseren Tagen, dies Erbe von dem Neoplatonismus in Alexandria annahmen, hatte die heidnische Philosophie auch einen, die weitere philosoph. Bildung begründenden Heros, der ebenfalls in Alexandria erstand. Das war der Heide Plotin 205—270 der, ebenso wie der Christ Origenes, auf Ammonius Saccas fusste. — Freilich ist die von Porphyrius in vier und fünfzig (d. h. sechs mal neun) Enneaden niedergelegte Lehre Plotins wie mit einem Schleier umbüllt, denn es entquillt ja die Weisheit auch bei ihm der inneren Anschauung, aber da der pbilos. Geist nicht in ein Ich sondern in ein Es, als Inbegriö alles Schonen und Guten, sich versenkt, fehlen bei Plotin gar viele der Belebungskrafte, die dem, das göttliche Ich anschauenden, menschlichen Ich, zu gute kommen. Den Leitfaden durch das Labyriuth liefert aber in der Philosophie die Lehre von der Emanation, die seit Plotin nimmer von der Bildflache der metaphysischen Frage verschwindet. Die Emanationslehre. Die Emanationslehre ist die directe Folge von der Intuition. Kann ich zum Urgeheimniss des Alls durch eine directe Anschauung vordringen, kann ich auch von da aus die Entwickeluug vom All erkennen. Man kann dann das Heureka »Gefunden" des Archimedes ausrufen, deun man hat einen festen Punct ausserhalb dieser Welt gefunden. Für viele Jahrhunderte fand wirklich dieser Punct, als ein feststehender, volle Anerkennung. Der Ursprung alles Seins, so lehrt Plotin, ist,, wie die heutige Schule sagen wiirde, das Sein an sich, d. h. Ein Etwas, von dem man nichts weiter aussagen kann, als dass es ist. Aber keine andre Eigenschaft kann von ihm angegeben werden, denn wollte man eine solche von ihm aussagen, würde mau eine Vielheit in dasselbe setzen , es ware also teilbar, und ware nicht mehr die Einheit, die dem Wesen des Urseienden allein entspricbt. Aebnlich sagt schon Philo man weiss, dass Gott ist, aber nimmer, wie er ist. — Der Zwei entspricht dann der Nüs, der nach Arist. immer nur sich selbst denkt, uud als der Denker die Formen in sich selber orduet. Als Drei tritt ihm die Seele, die Psyche zur Seite, die Küustlerin, (velche alle diese Formen der Sphaerenwelt übermittelt und diese dann durch ihre Dienerin »Physis Natur" als der vierten Potenz, der Welt unter dem Monde einpraegen lasst. Erst mit N°. Fünf treten die aus den Elementen wirklich geschaffenen Stoffdinge ins Dasein. Vier geistige Potenzen gehn also den stofflichen Dingen vorauf. Als die unversiegbare Quelle aller Weisheit galt diese Lehre die Jahrhunderte hindurch in der Geschichte der geistigen Entwickelung und man elirte den Weisen, der sie aufgestellt hatte durch den Glauben, dass es dem Plotin allein gelungen sei, sich seines stofflichen Seins zu entaussern und sich in das Bereich der Idealwelt zu versenken um das wahrhaft Schone und Gute (die wahre Kalo-kagathie) zu erschauen. Worin bestanden die Hebei, welche dieser Lehre des Plotin einen solchen Aufschvvung gaben um Jahrhunderte hindurch die Geister zu beherrschen ? Einmal befriedigte diese Lehre, die dem menschlichen Gemüt tief eingepragte Sehnsucht, den Ursprung alles Seins zu erkennen. Zwar war derselbe mehr negativ als positiv bestimmt, aber er war doch da, und dem ewig sich wandelnden Werden gegenüber, war ein bestandiges Sein gesetzt. Zweitens aber gab diese Emanationslehre der Harmonie zwischen Plato und Aristoteles Ausdruck, denn sie steilte dem, immer nur sich selbst denkenden, Nüs des Aristoteles als Drittes die Psyche, die platonische Weltseele, an die Seite. Diese war jene, die Ideale (die vom Nüs gedachten lormen) empfangende, und dann durch die Sphaerenwelt bis zur Mond- spliaere vermittelnde und endlich unter dem Mondkreis durch die Physis, diese Urformen detn Stoff einpragende, Macht. Der Nus des Aristoteles und die Weltseele des Plato *) sind in der Emanationslehre vereint, dem Animus tritt die Anima zur Seite um durch die Tochter, die Natura, unserer Welt die Ordnung zu verleihen. Die Einheit zwischen Plato und Aristoteles in und durch die Emanationslehre bleibt auch das Schibolet der Philosophie im Mittelalter, so lange die arabische Schule die Zügel führte , also bis ins XIII Jahrh. Erst als das Princip der Scholastik ïdie Philosophie sei nur eine dienende Magd der Theologie, denn sie habe nur die von der Theologie gesetzte Wahrheit zu beweisen", zur vollen Geltung kam, erschallte in Folge der Streitigkeiten über die Eigenschaften Gottes der Ruf, hie Plato »universale a^e rem" im Nominalismus und, hie Aristoteles »universale post rem". Das ist die ewige Frage, ist zuvor die Idee oder zuvor das Ding? bis mit dem universale in re »die Idee ira Ding" der Streit zwar nicht beglichen, aber doch die Streitaxt begraben wurde a). Drittens bekommt in der Emanationslehre die von den Alexandrinern gelehrte Gesammtwissenschaft ihren Halt und Schluss. Das wird klar wenn wir die alte Astronomie als Lehre von den Sphaeren mit der plotinischen Emanationslehre verbinden, wie dies besonders die Araber taten. Man denke an die Neun Hohlkugeln , der Einen in der Andren. Die Umgebungssphaere , welche mit ihrem taglichen IJmschwang um 1) G. Schneider hat gezeigt dass Plato genau dieselben mstaphys. Princip aufstellt als Arist., siehe pag. IX, Note 2) Vgl. Zeiier, Grundriss § 44. Die Seele als Mittelglied zwischen d. Idee und d. Körperlichen.k Die Helden des Scholaslicismus waren: Albertus Magnas fl2S0, Thomas Aquino f1271, Dun Scotas f 1308. die feststehende Evde uad mit dem Sonuenlauf alles weckt, als die Statte des Nus, der ja das Princip aller Beweguug ist. Daun die Statte der Allseele in der Sphaere der Fixsterne, dem Sitze der ewigen ITrformen, d. h. Arten. Fünf der Planeten, Saturn, Jupiter, Mars, Venus, Mercur, vermitteln endlicli mit ihi-em Auf- und Niederstieg in ihren Sphaeren die Spende bis zur Sphaere unter dem Monde, in der dann die Natur als Dienerin der Weltseele waltet. Sie ist die Beherrscherin der Elemente, aus deren Mischung die stofilichen Dinge hervorgehn. So haben wir denn die Stufen vom Höchsten der Hohen bis zum Tiefpunct der Tiefe, dem Mittelpunct der Erde. Also eine eigentliche Stiege der niedersteigenden und wieder aufsteigenden Schöpfungskrafte dient als Grundzug von allem Leben im All, es sei geistig oder sinnlich. — Vom Himmel sinkt sie , zum Himmel steigt sie, um dann, wenn der Weltlauf, d. h. der Umlauf der Praecession durch die zwölf SternzeicheU vollendet ist (in 30000 Jahren, nach andren in 50000 Jahren) eine neue Ordnung hervorgehn zu lassen. Viertens mussen wir hervorhebeu, dass der Neoplatonismus in Alexandria die einzige Möglichkeit bot, dass überhaupt Weisheitslehre und antike Bildung im monotheïstischen Mittelalter Platz greifen konnte. Denn diese Lehre schuf in ihrem On, also an der ersten Stelle aller Entwickelung, ein Vacuum , in welches der Jude, Christ, und Muslim seinen Gott setzen konnte. Grade wie Paulus in Athen die Heiden auf den Unbekannten aber durch Cbristus ofienbarten, Gott hinwies und so dem religiösen Bewusstsein, das ja der ganzen Menschheit eigen ist, Genüge gewahrte, so hatte man hier die Möglichkeit, als das unbeschreibbare On, als die Eins im All, deu Einen Gott zu V setzen und so Gotteslehre und Weisheitslehre in Harmonie zu bringen. Diese vier Puncte mögen genügen die grosse Tragweite der alexandrinischen Lehre d. h. des Plotinismus für die geistige Entwickelung darzustellen. Wenn die Geschichte der Philosophie den Plotin in ihrer Sage von der Versenking in das Ursein und der directen Anschauung aller Erliabenheit verherrlicht und seine Lehre von der Seele mit der Lehre von Heraklit, Epedokles, Pythagoras und Plato in Harmonie stellt; dann auch von der einst beschwingten Seele redet, die dem Zuge des Vaters in das Gebiet alles Schonen und Guten folgte und darauf in diese Welt des Stoffs niedersank, so ist das nicht zu viel gesagt1), denn Plotin bildet den Abschluss der platon. Schule vom Ideal Dass aber diese Lehre weit hin durch Ost und West in Asien und Europa verbreitet wurde, dazu trag viel ein Pseudonym bei, welches dieselbe als dem grossen Stagiriten angehörig, ausgab, und als die Theologie des Aristoteles in alle damaligen Cultursprachen Syrisch, Arabisch und Lateinisch übertragen und so das ganze Mittelalter hindurch als liöchste o O Weisheit gelehrt wurde. Dies Werk enthalt nichts als Excerpte aus Plotius Enneaden IV—VI, erhielt aber als ein aristotelisches Werk grosses Ansehn und segelte somit die plotinische Lehre unter der Flagge des Aristoteles. Was war denn bei der Kritiklosigkeit des Mittelalters überhaupt unmöglich? Unter den Bewohnern des Kalifenreichs trat diese Theologie des Aristoteles auf und wurde somit dem Stagiriten auch die Ideenlehre zugeschrieben 2). 1) Vgl. Dieterici: Theologie des Arist. Leipzig 1883, pag. 8—14. 2) Vgl Theol. d. Arist, p. 44. Freilich möclite wohl Aristoteles diese ihrn geflochtene Ehrenkrone der höchsten Weisheit, als von Talmi gemacht, zurückweisen, aber was muss sich nicht ein Heros, wenn sich die Mythe seiner bemachtigt, gefallen lassen. Was wird nicht alles dem Aristoteles zugemutet, wenn er z. B. nach den Commentatoren der Schahnameh als Reitergeneral des grossen Alexander den Yortrab der Cavallerie bildet, um in die Unterwelt einzureiten, denn er wusste ja, welche Pferde um besten im finstren Hades sehen könnten. Was ward nicht alles in Pseudonymen im Mittelalter geleistet? Die pseudoïsidorischen Decretalen wurden die Stütze der papstlichen Kirche und die plotinische Lehre ward zu einer von Aristoteles geschaffenen Quelle der idealen Schule. — Die Summa dieser Betrachtung bleibt aber, dass in der metaphysischen Frage das ganze Mittelalter hindurch von Plotin als einem Pseudoaristoteles beherrscht wird. Es bilden stets vier geistige Potenzen die Saulen der Entwickelung in der idealen Welt. Der geistige Erguss zu erst als Urbild und danach erst die wirkliche Welt als das Abbild. Das Wesen der Zahl, so meinte man, stimme damit überein, denn von der Eins bis Vier hege immer die geringere Zahl den höheren Werth in sich, wahrend von da ab die grössere Zahl den grosseren Werth bezeichne. Von der Vier bis zur Eins geht der Aufstieg d. b. von der Naturkraft zur Seele, dann zur Vernunft und dann zur Eins, dem wunderbaren ürquell des Alls. Denn die Eins sei selbst keine Zahl wohl aber der Ursprung aller Zahlen. Mit sich multiplicirt giebt die Eins kein Mehr, einmal Eins ist Eins, sie ist dalier ein Sinnbild Gottes. So weit die, auf Plotin beruhende, unter den Arabern als aristotelisch geltende, Emanationslehre, die um 840 den gebildeten Orientalen zuganglich war. Mehr denn ein Jahrhundert spater, setzen wir etwa 970, wurde diese Emanationslehre popularisirt und nach Nikomachus von Gerasa also einem Syrer, der zur Zeit Hadrians lebte, auf neun Stufen, den neun Einern entsprechend, vervollstandigt. Eine gleiche Stufenreihe des Zahlenwerthe hat auch Damascius im sechsten Jahrh. n. C. gelehrt. Die lautern Brüder, ein Geheimbund. Ein Geheimbund von Gebildeten, welcher die geistige und sittliche Bildung der schroffen Orthodoxie gegenüber zu fördern suchte und einen in Stufen bestehenden Orden bildete, unternahm es eine Gesammtwissenschaft, wie sie, von Alexandria aus, dem Oriënt zugekommen war, wohlgeordnet und alle Facher umfassend, zusammenzustellen. Sie nannten sich die Brüder der Reinheit, sagen wir: die lauteren Brüder. Sie schufen eine nach den Wissenschaften geordnete Encyklopaedie, und betraten sie somit den Weg, den schon Speusipp der Schwestersohn und Nachfolger Plato's in der Akademie Athens eröffnet hatte. Es giebt, dem analog, diesen Aufklarern von Basra der Neoplatonismus *) mit der Emanationslehre den eigentlichen Grundstock her, um von den Anfangen aus, an dem Leitfaden der Zahl das All zu ordnen. — Ihre Abhandlungen, es sind 51 an der 1) Da der Grundsatz «die Zahl ist das Maass aller Dinge" sowohl bei Plato als den Neoplatonikern als auch den sogenannten Neopythagoraeern den Grundton bildet, ist die Scheiduug der Schule in Neoplatonismus und Neopythagoraeismus wenig berechtigt. Zahl, umfassen somit die ganze Bildung, wie sie von den Griechen besonders in Alexandria geordnet war. Es werden vier grosse Abschnitte gebildet und zwar: Erster Band 1 —13 die Propaedeutika d. h. die mathematischen Wissenschaft Arithraetik, Algebra, Astronomie, Geographie (als Erdmessung), Musik und Relation, dann aber die Logica d. i. das Organon des Aristoteles mit der Isagoge des Porphyr. Zweiter Band Physica. d. h. die Welt unter dem Monde mit der Erde als Mittelpunct, behandelt die Sphaeren, die Meteore, die Elemente, dann aber die Natur im Gestein und Mineral, Pflanze, Getier, also Naturgeschichte, endlich den Menschen (Anthropologie) in seiner körperlichen Fügung beim Entstehn und nach seinen seelischen und geistigen ' Faehigkeiten und der Sprache 14—30. — Dritter Band behandelt die Seele diePsychica 31—40. Wahrend bisher überall die logischen und physikalischen Schriften des Aristoteles zu Grunde lagen wie das Organon des Stagiriten, sein »Entstehn und Vergehn" und wir seine Lehre von den Meteoren und seine Naturgeschichte in Stein , Pflanze, Tier verfolgeu konnten, und zuletzt vom Stein aus, und dem Himmel zu , die Entwickelung ging, andert sich hier das Programm. Es ist die Weltseele die hier die Herrschaft führt und deren Walten, als von Oben her eingreifend, hervortritt. Vier ter Band »Theologica" (40—51) giebt zwar zuerst eine Schilderung von Secten. geht dann aber zur Organisation des Bundes über und schliesst mit einer kurzen Abhandlung. Die Welt ist wie ein sich drehende Rad: Dies ist das lableau einer, das All d.h. die geistige und sinnliche Weltumfassenden, A11 wissenschaft. — Der innere Zusammenhang wird aber hergeleitet durch die Ausströmung, welche von der Eins ausgehend bis zur nennten Stufe d. h. vom aussersten XLV Himmel bis zum Erdmittelpunct, niedersteigt und von da in einer Rückströmung durch Stein, Pflanze bis zu dem uiit einem bis zu fünf Sinnea begabten Tier, gelangt, und endlich zu dem Menschen als der Grenzlinie zwischen Geist- und Sinnenwelt, aufsteigt. Den Hochpunct der Menschheit bilden die Philosophen und Profeten, die den Uebergang zu den, die Spharen bewobnenden, Geistigen gewahren. So kehrt der Geist heim bis zur Gottbeit, auf dass einer neuen Schöpfung der Anfang werde. Die neun Stufeu der Emanation sind a Urprincip (Gottbeit), b Vernunft; c Seele; cL der ideale Stoff (die blosse Form desselben); e der wirklicbe Stoff mit Lange, Breite, Tiefe; ƒ die Sphaeren der Planeten; g Naturkraft unter dein Monde; h Elemente; i Producte (Stein, Pflanze, Tier), Mit diesen Neun dringt der schaffende Urgeist also voru Hocbpunct des All bis zum Tiefpunct d. i. dem Mittelpunct der mitten in den sich umscbwingenden Spharen feststehenden Erde. Doch nun die Riikkehr. Sie fiudet statt durch die Lagen und die Minerale der Erde bis zum Oberrand derselben, wo die Pflanze mit der ernahrenden Seele ihr Reich bat. Das höchst Entwickelte unter der Gewachsen (die Palme) ist schon mit den beiden Geschlechten begabt, dann beginnt die Creatur vom Wurm mit dem blossen Tastsinn bis zur Vollcreatur mit fünf Sinnen, und darüber der Mensch noch dazu mit der Denkseele begabt. Zwischen diesen Stufen giebt es Verbindungsglieder. Zwischen Erde und Pflanze steht das Ruinengrün, eine Flechte auf dem Felsen, die im Morgeutau ergrünt, in der Mittagshitze aber nur grünlicher Staub ist. Zwischen der Pflanze, deren Höhe die Dattelpalme bildet und dem Getier steht die Rohrlarve ein Tierlein, das im Rohrknoteu festgehalten mit seinem weichen Leib hiii und her schwankt urn etwas ihm Bekömmliches zu ertasten. Nur Tastsinn ist ihm eigen. Zwischen Tier und Mensch aber steht der Afie. So lehrten schon die Darwin des zehnten Jahrhundertl). Wie aber, so fragt der neugierige Mensch weiter, ist denn die Kraftvermittlung zwischen der Erde und dem Hochhimmel? Auch hier giebt diese Allwissenschaft Antwort. Yon der Erde bis zum Mondhimmel giebt es drei Zonen. An der Erde die Athmungsphaere (Atmosphaere) darüber die Eiskaltezone. Denn auf den hoheu Bergen liegt der ewige Schnee und darüber die Aethersphaere iu dessen Feuer, die aufsteigenden Dampfe und Dünste als Kometen, Feuerkugeln, Fallsterne vergehn und Gewitter entstehn. Vom Monde ab aufwarts gilt das Wal ten der Sphaeren, in denen die Planeten, in Epicykeln sich umschwingend bald zur Oberabscisse auf, bald aber zu ihrer Unterabscisse niedersinken. Sie sind die Vermittler zwischen der Höhe d. h. der aussersten Umschwungsphaere, welche den herrlichen Thron Gottes darstellt, und den unter der Mondwelt lebenden Wesen. Von Engeln, sagen wir den vollendeten Seelen, sind die Sphaeren bewohnt und somit im Dienst der höchsten geistigen Macht. — So haben wir denn hier den Aufstieg zur Vollkommenheit in der Sphaerenwelt. — Der ganze Apparat aber, im Himmel und auf Erden, dient der Entwickelung des Menscben. Die Gestirne wirken schon auf den Embryo, auch liegt die weitere Leitung in der Hand der Himmelsbewohner. — So bildet der Mensch als Mikrokosmos das Abbild des Makrokosmos zwischen der Sinnen- und der Geisteswelt. Er kann die Stiegen des Geistes 1) Vgl. Darwinismus im X u. XIX Jahr. von Uieterici, 18/8. über dem Getier ersteigen aber auch, der Sinnenlust verfallend, tief unter dasselbe herabsinken. Dies darzustellen wird in der Mitte dieser Encyklopaedie ein sinniges Marchen, wie ein Demant dem Geschmeide, eiagefügt um diesen Grundgedanken leuchtend darzustellen. Es kommen Menschen zu einer nur vom Getier bewohnten und vom König der Genien beherrschten Insel und qualen als die Herren der Schöpfung so die Tiere in ikrem Dienst, dass diese aufschreien und zum gerechten Genius ihre Zuflucht nehmen. Der Genienkönig beruft Mensch und Tier vor sein Tribunal und in Rede und Gegenrede wird dem Menschen ein strenger Sittenspiegel vorgehalten, zuletzt ihm aber doch die Herrschaft zugesprochen, freilich mit dem Befehl der Creatur gerecht zu werden, die ja auch der Hand des Allmachtigen entsprungen sei. Bis zur neuen Weltschöpfung mögen sie im Dienst verbleiben, bis eine neue Ordnung durch die Hand Gottes (nach 36000 Jahren) ersteht. Ist ja doch auch der Tod des Menschen nur der Beginn eines neuen Lebens. Alles was das Alterthum an Wissenschaft und Humanismus geschaffen, und vieles was durch religiöse Entwickelung im Judenthum, Christenthum und Islam als Moral der Menschheit gewonnen wurde, findet in diesem sinnigen Marchen seine Stelle und ist dasselbe somit ein Culturspiegel für das zehnte Jahrhundert nach Christus in dem hochcultivirten Oriënt. In dieser Cultur bildet, wie wir sahen, sowohl der realistische Aristotelismus als Traeger des forschenden Geistes für die wirkliche Welt als auch der Platonismus, als die Qaelle des, das All in Harmonie versetzenden, Idealismus, seine Stelle, so dass beide friedlich bei einander in den< kender oder ahnender Weise die Probleme, welche der Menschheit gestellt sind, lösen 1). Es ist klar dass die von den Neopythagoraeern, Nikomachus und Damascius, stammende, nach den neun Einem geordnete, Reihe und jene nur bis zur Fiiuf reichende Folge des Plotin, dieselbe ist. Es ist nur der Sprung zwischen den geistigen und stofflichen Dingen durch den nur gedachten Urstoff und den wirklichen Stoff mit Lange Breite Tiefe, dann durch dieSpliaerenwelt, als der schönsten d.h. der Rundform und von da durch die Natur zur Elementarwelt unter dem Monde, von N°. 4— 8 überbrückt, um so zu den Producten als der Endstation dieser Kette in Stein, Pflanze und Getier zu gelangen. Dies ist die Grundanschauuug der Antike, welche hier in der Astronomie, Naturkunde, der Metaphysik und der Lehre vom Urwesen überall vorschwebt. über dem All eine erhabene Einheit, dann folgt der Nüs 1) Vergl über die Philosophie der Araber im IX u. X Jahrh. meine Werke: I. Einleitung u. Makrokosmos (die Welt). Leipzig 1876. 8 M. Iï. Mikrokosmos (der Mensch) Leipzig 1879. 7 M. 60. III. Oer Streit zwischen Thier nnd Menseh. Berlin 1858. 4 M. 50. IV. Die Logik und Psychologie. Leipzig 1868. 7 M. 60. V. Die Naturanschauung und Naturphilosophie. Zweite Ausgabe. Leipzig 1876. 4 M. VI. Die Propade^tik. Berlin 1865. 4 M. 50 VII. Die Anthropologie. Leipzig 1871. 7 M. 60. VIII. Die Lehre von der Weltseele. Leipzig 1872. 7 M. 60. IX. Der Darwinismus im X. und XIX. Jahrhundert. Leipzig 1878. 3 M. X. Thier und Mensli. Arabisch. Zweite Ausgabe. Leipzig 1881. 4 M. 50. XI. Die Abhaudlungen der Ihwan es Safa (der lautern Brüder). Arabisch. Leipzig 1886. 20 M. XII. Die sogenannte Theologie des Aristoteles Arabisch. Leipzig 1882. 6 M. XIII. Die sogenannte Theologie des Aristoteles Deutsch. Leipzig 1883. 8 M. XIV. Alfarabl, philosophische Abhandlungen. Arabisch. Leiden 1890. 5 M. XV. Alfarabl, philosophische Abhandlungen. Deutsch. Leiden 1892. 5 M. XVI Alfarabl, der Musterstaat. Arabisch. Leiden 1894. Leipzig bei Hinrichs und Leiden bei Brill. in der Taglich einmal um die Welt schwingenden Umgebungssphare als Sitz der alles bewegenden, alles erdenkenden Urvernunft. Darunter in der Sternburg- ') und den Planetensphaeren ist das Walten der Weltseele, die die erhabenen Formen den Sphaeren übermittelt und dann dem Stoff vermittelst der Natur einfügt. In der feststehenden, alle tausend Jahr nur um einen Grad (Praecession) vorschreitenden Fixsternsphaere ist also das Heim der Urformen. In der obersten Sphaere aller Sphaeren sind die stofflosen Ideale, in den Sphaeren eiu Feinstoff, unten hier aber der Grobstoff der Elemente. So ist das AU geordnet und in der Mitte dieser Grosswelt, auf der Scheidelinie zwischen der geistigen und der niederen Welt, steht der Mensch, im Geist der Hochwelt, im Fleisch der Niederwelt, anvertraut. Des Menschen, d. i. des Mikrokomos wegen, bewegt sich also das All der Sterne, die schon auf ihn im Embryo wirken,er bildet auch die Mittelstation der zu Gott rükkehrenden Urkraft. Drum ist es ihm auch gegeben die Geschicke von den Sternen abzulesen (Astrologie) und dureh die Erkenntniss der Elemente, in der richtigen Abwagung von Quecksilber und Schwefel, d. h. der zwei Grundstoffe, Gold zu machen (Alchymie). Ihm ist es dann aber auch verlielien alle Dinge zu erkennen, und in seiner Seele sich zum Urprincip (Gottjaufzuschwingen und zum Reich der Engel sich geistig und sittlich zu erheben. Dagegen kann er auch in seiner Yerblendung in das finstre Reich des Stoffes versinken. Vorn Himmel steigt somit die Menschenseele nieder, auf Erden schafit sie und zurück zum Ursprung geht ihr Streben. Darin ist alle Lehre, alle Wissenschaft und Kunst beschlossen. 1) Die Zeichen des Zodiakus bei Plolemaeus, die Pürgoi, finden sich als burüdj im Koran S. 85 und 16 v. 16. cL Zwischen die Emanationslehre des Plotin (in der Theologie des Arist.) um 840 und dieser mehr popularen Darstellung der lautern Brüder um 970 fallt nun die Theorie des Alfarabi um 930 n. Chr. die hier pag. 23 uns vorgeführt wird. Das erste, das uubegreifliche aber wahrhafte Sein hat allein die Fahigkeit des Faid, der Emanation, d. h. es kann aus seiner Fülle hergeben und bleibt doch in seinem vollen Wesen bestehn. Auch das Zweite, d. h. von ihr zunachst ausgehende, ist eine durchaus unkörperliche Su'bstanz. Als eine solche denkt es einmal sein eigen Wesen, ein andermal aber das Erste, seinen Ursprung. Dadurch, dass es das Erste denkt, wird dies Zweite productionsfahig um ein Drittes d. h. nur der Idee nach, denrvraten ffimmel zu bilden und dadurch, dass sich dies Zweite, sich denkend, substanziirt, geht notwendig aus ihm das Sein eines-Dritten, der erste Himmel im Weltall, hervor. Hierdurch ist der Schlüssel zum ewigen Geheim niss scheinbar gefunden. Also durch ein »das Erste denken", ein »sich selbst denken" und ein »sich substanziiren" ersteht so wohl die ideale als auch die wirkliche Welt. Man möchte hier aus rufen: denn da, wo die Begriffe fehlen, stellt stets zur rechten Zeit ein Wort sich ein. Das Zauberwort war gefunden und bis zur Mondsphaere alles in Ordnung. Das bestatigt auch die Astronomie, denn in den Sphaeren herrscht nur Kreisbewegung und Kreisform, hier unter dem Monde aber findet sich, neben der runden, auch die gradlinige Bewegung und Form vor. Alfarabi musste dies Zweite als ein sowohl sich selbst als auch das Erste denkendes setzen, nach dem Aristotelischen : der Nus denkt immer nur sich selbst. Er bleibt indessen den Beweis schuldig wie durch das »sich selber denken" eine Substanziirung stattfinden könne. Was thut dies aber? Alf. kommt dadurcli mit N°. 11 zur Mondsphaere, bei der diese Weise der Entwickelung aufhört. Wir haben immer die neun Kreise wie in obiger Darstellung neun Stufen, entsprechend den neun Einern, und darüber dann noch das Ur-Eine — also Zehn. In Folge dessen kommt Alf. pag. 35 Z. 2 zur Gesammtzahl Neunzehn d. h. zehn ideale und neun reale Sphaeren, und werden die Achtzelin Sphaeren, also neun ideale und neun reale von allen arab. Philosophen angenommen. Sie beherrschen die, an die Sphaerenwelt gebundenen, Geister, bis Kopernik f 1548 dieser himmlischen Herrlichkeit ein Ende setzte und Galileï f 1642 mit seinem e pure si muove ikn zur Anerkennung brackte. Damals erstrahlte das Licht der Forschung im finstren Kerker priesterlicher Verdammungsucht und geistlichen Hochmuts. Zum Schluss sei hier bemerkt a. dass die, der griech. Lehre entsprungene, Emanationtheorie nichts zu thun hat mit der sinnlichen Anschauung der Inder, wonach aus dem Gliedern Brahma's die Kasten der Menschen erstehn. Vielmehr ordnet sie alle, in den Tbeogonïen der alten Völker niedergelegten, Gedanken wie Perlen auf die Schuur einer Entwickelungslehre, die dem Genie der Griechen entsprang. b. Die Ausströmung von und die Rückströmung zu Gott, als dem Urwesen, giebt auch die Gliedrung her für alle Zweige der Wissenschaft. In der Metaphysik als der Lehre vom Urgrund und in der Astronomie als der Lehre der Altwelt ist es die neoplat. Emanationslehre, die den Zusammenhang von dem Ureinen bis zum Centrum der Erde feststellt. Die Astronomie des Arist. und Ptolemaeus wird hier mit dem Gedanken der ewigen Bewegung im All zum Traeger der arbeitenden Weltseele. Die Rückströmung aber giebt die Ringe her, um aus aller Erkentniss der Menschheit eine Kette zu fügen. Die Elemente dieser Allwissenschaft sind: 1. In der Erde gilt die Lehre vom Gestein und den Erdlagen als einer blossen Congloraeration der vier Elemente. Hier liegt wohl das verlorene Buch des Arist. über die Steine zu Grunde '). 2. Dann folgtin und an der Erde, die Pflanze, ebenfalls die arist. Doctrin im Buch über die Pflanzen. 3. Die Zoologie, das Thier mit einem bis zu fünf Sinnen, d. h. die arabische Zoologie ebenfalls nach Arist. 4. Die Erdkugel mit ihren sieben Zonen und vier Vierteln nach Ptolemaeus, Dann folgt das Wal ten der Elemente und ihre Bewegung nach der arist. Physik und seinem Entstehn und Vergehn 2). Darüber steht die Meteorologie, in der Atmungs-, Eiskalte- und Aetherzone und ihren Erscheinungen d. h. Kometen, Sternschnuppen ganz nach Arist. Ebenso die Astronomie nach Arist. und Ptolemaeus. Das sind die Standard Werke über die Kunde von unserer Erde als dem Mittelpunt des All, ihren Producten, und ihren Sphaeren. Resultat: Aristoteles ist der Vater der Natur-Wissenschaft und Weltallkunde im Altertum und Mittelalter. Auch in der Lehre vom Menschen gilt Arist. als grösste Autoritat. In der Anthropologie 3) ist für die Lehre vom 1) Um die Continuitat zwischen der griechischen und arab. Wissenschaft nachzuweisen, gebe ich hier nach der Rubrik meiner Werke, p. XLVIII nach den Zahlen die Abschnitte an. 1 vgl. V 95—140. 2. V 161. Zu Grunde liegt die arist. Pflanzenkunde. 3. arist. Tierkunde V 191—216. 4, VI, p. 86. 2) Physik, V, 1 24. Meteorologie V, 66—95. Ilimmel und Erde V, 24 —55 alle von Arist. 3) Vgl. VII Anthropologie, 1—98, menschl. Korper, sinnliche Wahrneh- mung, Mikrokosmos, Embryologie. menschlichen Körper und seiner Embryologie aus Hippokrates. Arist. und Galen gar viel zusammengetragen, irn Gebiet der Sinneswahrnemung uud Erkenntniss ist dann wieder Aristoteles der Heros 1), der durch sein Organon mit der Einleitung des Porphyr uns noch heute Grund und Aufbau der Logik liefert. Doch hier ist die Grenze. Mit seiner Einteilung der Seele in eine nahrende, empfindende, und denkende Seele hat Arist. für diese Hauptfrage seinen Dienst gethan, dagegen war es nie sein Ziel von unserer Seele aus die innige Beziehung zur Weltseele zu suchen. Arist. liefert sotnit bei der Remanatio zwar den Grund und den ersten Teil des Aufbau's, die Krönung desselben, d. h. die Lehre von der zum Urprincip riikkehrenden Seele, liefert er aber nicht. Sein Buch über die Seele handelt nur von den Affecten unserer Seele. Das thaten dagesen O O die, im Neoplatonismus zu Alexandria voll entwikkelten, Keime der Platonischen Ideenlehre, nach der die menschliche Seele gleichsam nur einen Strahl von der Allseele aus, bildet. Somit besteht ein innerer Zusammenhang der geistigen Arbeit von den Griechen aus durch das Mittelalter hindurch bis in die neue Zeit hinein. Dies war die Frucht des, im alexandrin. Neoplatonismus durch die Harmonie in Plato und Arist. vollendeten Sokratismus. Die Hauptwerke des Plato und Aristoteles wurden demnach in Alexandria nicht allein von Neuem studirt und commentirt, sondern auch die schon von Speusipp, dem Nachfolger Plato's, begonnene encyklopaedische Weise weiter entwikkelt und die Wissenschaft nach den Zahlen als 1) Vgl. IV, Einleitung p. 33 Kategoriën, p. 44 Ilermeneutica. Analytica I und II, 5]—72. den Repraesentanten der Grundideen geordnet. War es doch schon Speusipp, der das Eine, das Gute und die bewegende Ursache d. h. die Vernunft mit der Weltseele, als Eins bis Drei setzte ') und so die Einheit und Yielheit unterschied. An dieser Reihe konnten die folgenden Stufen leicht entwikkelt und so ein Leitfaden geliefert werden, an dem die folgenden Culturvölker in den Schacht des Wissens eindrangen und diesem bis auf Roger Baco und Kopernik, also Jahrtausende hindurch, folgten. Der bedeutendste unter den neueren Philosophen Lotze nennt seine Anthropologie — Mikrokosmus — und als ein Resultat alles Wissens bezeichnete die arab. Philosophie die zwei Satze »der Mensch, eine kleine Welt und »die Welt, ein grosser Mensch"2). Bis zum Mikrokosmus hinauf bildet Arist. die Grundlage, durch den Makrokosmus hinauf zum Urprincip aber weist Plato den Weg. Hierbei ist es gleich ob man, wie dies die lautern Brüder thun, in der Lehre von der Weltseele die innige Beziehung unserer Seele zu Gott findet, oder ob der denkende Philosoph. in dem potentiellen, actuellen, dazu erworbenen und schaffenden Nüs, die Stiege findet, auf der der Denker zu jenem Haupt des Alls, in welchen Denken, denkend und gedacht sein, sich als Eins zusammenfindet, d. h. zum idealen Hauptling des Musterstaats hinauf klimmt. Es wird nur bei dem Einen mehr die Gabe, bei dem Andern mehr das Streben im homo sapiens betont. Die Werke des Arist., die sich mit der metaphysischen Frage 1) Zeiler Philosophie d. Griechen II, 853. 2) VII. 41—63 u. VIII. 27—37. beschattigen, waren zwar den Arabern bekannt, wuraen aber von ihnen als sehr schwer verstandlich angesehen, jedoch, wie uns die von Alf. verfasste »Harmonie zwischen Plato und Arist. lehrt, zumeist nur als Beweisstellen für gewisse Probleme herangezogen ') und verscbieden ausgelegt. Somit giebt besonders die Emanation als das allen arab. Philosophen eigene Grundthema den Rückgrat her, um die geistigen Strömungen der Culturvölker im Mittelalter daran zu construiren und aus dem Wesen ihrer Lehre den Neoplatonismus genauer in seinem Werth kennen zu lernen. Uber »die Continnitat der griech Philosophie in der Gedankenwelt der Araber" hat in neuester Zeit im Archiv. für Philosophie 1898, L. Stein p. 314—34 eine recht dankenswerthe Abh. geschrieben, In derselben spricht er aber über die Emanationslehre, die doch den eigentlichen Kern für diesen Zusammenhang bildet, gar nicht. Er findet ferner nur in Plotin und Alexander Afrodisias die beiden Brillen glaser, durch die allein die Araber die griech. Philosophie betrachtet hatten, wie ja auch Val. Rose 1883 Plotin und Aristoteles als die Haupttraeger der arab. Schule hervor gehoben hat. Wir haben hierzu Folgendes zu erwahnen: a. Es ist nicht richtig, dass die Araber ganz sclavisch nur diesen Beiden gefolgt waren, denn Alex. Afrod. kennt nur drei Nüs, Alkindi aber sowohl als Alfarabi kennen deren vier, den potentiellen, actuellen, erworbenen, thaetigen 2). b. Zweitens aber reicht Plotin allein nicht aus um die Lehre von der, dem Wesen der Zahl entsprechenden, Emanation zu begründen, 1) Vgl. hieriiber Alf. philoa. Abhh. über die Metaphys. 54—60 und 213, 14 vgl. aueh p. 39 and die in der Harmonie behandelten Stellen. 2) Vgl. Alf. philos. Abhh. 66 Z. 14. denn er, der Neoplatoniker, gelangt uur bis zur Zalil füuf, wahrend die Neopythagoraeer Nikomaclius von Gerasa und Damascius an den Zahlenwerthen die Emanation, den neun Einern entsprechend, bis zur neunten Stufe entwikkeln und ihnen darin sowohl Alf, als die lautern Brüder folgen. Es beherschen dann die Achtzehn, neun ideale und neun wirkliche, Potenzen das Weltall in der ganzen arab. Philosophie. b. Es ist nicht richtig dass Plotins Doctrin als eine solche den Arabern ganz unbekannt gewesen sei. Sie kannten dieselbe, aber freilich uuter einem andren Namen. Dieselbe hiess »die Lehre des griechischen (Schaich") Weisen." Man vergleiche darüber Schahristanï übers. von Haarbrücker II p. 429. Danach hat also Io. Ed. Erdmann zuerst die Spur des Plotin bei den Arabern aufgefunden. c. In Betreff meiner Theologie d. Arist. corrigirt L. Stein meine Aussage, dass ieh den Ursprung dieses Buchs als plotinisch »erkannt" hatte, in zver/cannt" hatte (vgl. pag. 324). Dies that er obwohl ich doch einige wichtige Stellen als Beleg meiner Ansicht beibrachte, ich berufe mich dieser Gewaltcorrectur gegenüber auf Val. Rose, der in seiner streng wissenschaftlichen Recension (Deutsche Literaturzeitung 1883 N°. 24) sagt »dass wir hier auf plotinischem Boden stehn, ist dem Übersetzer nicht entgangen" und fügt Rose als seinen Dank für meine Arbeit den Nachweis der übrigen Stellen hinzu. Also; Nach dem dieses Bucb als ein echt Aristotelisches über ein Jahrtausend gegolten hatte und, obwohl es zwei lateinische Paraphrasen aus dem 16 Jahrh. gab, auch bis in unser Jahrh. hinein nicht seinem wahren Inhalt nach erkannt war, bemerkt der grosse Oriëntalist Munk in seinen Mélanges 1859 pag. 250, dass sich in demselben einige Stellen aus Plotin vorfinden. Mir was diese kurze Notiz nicht bekannt, doch war auch damit nicht viel gewonnen, sie war gleichsam nur das erste Haarstrich zu einem Buchstaben. Nach langer mühevoller Arbeit folgte 1882 meine arab. Edition des Buchs und dann die Uebersetzung des schwierigen Textes d. h. ich male den Buchstaben und sage anno 1883, das ist nun wohl ein I. Der, besonders in der spaeteren griech. Literatur so bekannte, Gelehrte Val. Rose unterzieht dann mein Bucli einer genaueren Durchforschung und sagt ganz überrascht, das ist wirklich nichts als ein i. Er setzt also mit kunstgeübter Hand den Punct darauf. Was ist nun bei einer solchen Arbeit, die den Schleier von einem, anderthalb Jahrtausend lang verhüllten, Bild hinweg zog, verwunderlich ? Kann man denn von einem Arabisten, der schwierige arabische Handschriften zu entziffern und ihren Sinn festzustellen hat, verlangen, dass er ein so scliwieriges, dunkles, griechiches Buch, wie die Enneaden Plotins sind, bis auf die Zeile kennt, und ist es nicht vielmehr erfreulich, dass drei Porscher gemeinsam bei dieser schweren Arbeit sich die Hande reichten? Habent sua fata libelli. Wie erging es doch den Enneaden Plotins? Der Meister Plotin verfasste sein Werk nicht selbst. Sein Schuier Porphyrius, derselbe, welcher auch für das Organon des Arist. die Einleitung schrieb, also auch Aristoteliker war, steilte die Lehre Plotins in 54 Abhh. d. h. 6 X 9 zusammen, sie werden daher Enneaden „Neuner" genannt. Dies Buch machte besonders wegen der Emanationslehre Schule und durchlauft die Welt, doch verschwindet es im Osten wie das Wasser im Rinnsal der Wüste, um an einer andern Stelle wieder als eine neue Quelle, besonders bei den Arabern hervorzutreten und zwar als die Theologia, d. h. als eine Summa aller Weisheit des Aristoteles. Plotins Name verhallt, warum klingt er aber auch, besonders im Arabiscken dem Namen Platos so aknlick. Was gesckak nun aber im Westen? Hier werden in Venedig die Enneaden Plotins von Marsilius Ficinus 1492, lateinisck übersetzt und in Basel griechisch und lateinisch 1580 herausgegeben. Ebenso wird die sogenannte Theologie des Arist. aufgefunden und in lateinischer Paraphrase 1519 und 1572 gedruckt. Dennock aknt über drei Jahrhunderte kindurck kein Mensck den Zusammenhang der Enneaden IV —VI und der Theologie des Arist. Das konnte erst geschehn nach meiner arab. Edition und deutscken Übersetzung der sogenannten Theologie des Aristoteles. Wie war es aber möglich, dass die Wissenschaft wie mit verbundenen Augen an diesem Buck voüberging? Wir antworten : Die Theologie und die Enneaden. IV —VI enthalten zwar dasselbe, sind aber schon der Form nach nicht dasselbe. Die Enneaden sind Abhandlungen, verfahren also proforikös, die Theologie aber ist zumeist Rede und Gegenrede also problematikös. Dazu die vage Weise der Paraphrase bei den östlichen Interpreten. Das ist Stofl genug für eine laterna magica scientifica, zu einem Blendwerk, dennock aber gilt für beide: der Grundstock ist derselbe, namlich die Emanationslehre. Gewiss aber ist, dass bei den Alexandrinern, welche für alle Zweige der griech. Wissenschaft, die Endform, den Schlifl, und die Lekrmetkode kergaben, beide Weisen der Bekandlung gang und gabe waren, um auck, den nicktgrieckiscken Vólkern, also Anfangern, den Weg zu zeigen. Es erübrigt nun dass wir die Emanationslehre als eine Hauptlehre noch bei den Nachfolgern Alfarabis iu Kürze verfolgen. Der Nachste in der Reihe ist Avicenna mit seinem arab. Name Ibn Slna genannt. Er gilt für den grössten Arzt und Gelehrten des Mittelaltes und steht auf der Höhe der mittelalterlichen Schule'). Den Satz, dass die Emanationslehre bei allen arab. Philosophen die Hauptrolle spielt, beweist auch dieser Realist. Avicenna d. i. »Ibn Slna" lebte 980—1037 n. C. Derselbe beherschte die Medicin und Philosophie so wie auch die Gesammtwissenschaft des Mittelalters, Er bewegte sich als der Leibarzt von Fürsten in den höheren Sphaeren des Lebens und war dem enthaltsamen Sufi Alfarabi gegenüber ein Bonvivant> er liebte Wein und Weiber. Als Arzt schrieb er seinen berühmten Kanon der Medicin, wodurch er fünf Jahrh. hindurch die Heilkunde beherschte bis Paracelsus um 1530 sein Buch verbrannte und ihm seine Krone nahm. Als Philosoph umfasste Avicenna die Gesammtbildung seiner Zeit und handeln seine Schriften, etwa 105 an der Zahl, über alle Probleme, in allen Fachern der Wissens. In der Phjsik und Logik ist ihm wie dem ganzen Mittelalter der grosse Stagirit der leuchtende Leitstern. Auch in der Psychologie folgt Avicenna den Spuren des Aristoteles (begehrende, empfindende, denkende Seele). Aber in der Metaphysik muss er die Frage 1) Uber Avicenna vgl. Brockelmann Gesch. d. arab. Literatur Weirnar 1898 I, 452. Wüstenfeld arab. Arzte p. 64. Munk Mélanges p. 352. Ritter VIII 19. Phyehologie des Ibn Slna herausgeg. und übersetzt v. Landauer in der Z. D. M. G. 1875. Fr. v. Mehren: les rapports de la philosophie d'Avicenna Louvain 1882, p. 16—18. Schahristani von Haarbrücker II, p. 213—382 1 Logik 2 Metaphysik 3 Physik. s-Woker das All" durck die Emanationslekre, jene Tochter der platon. Ideenlekre, lösen. Steht doch beim Arist. als Antwort auf diese, den Menscken im Innersten stets bewegende, Frage ein »non liquet". Auck Ibn Sïna, der grosse Realist, kennt jene zebn Stufen, die Sphaere des Intellect, die Umgebungssph. Saturnsph. etc. bis zur Mondsphaere berab, von wo dann unsere Welt, als elfte, folgt, also ganz nacb Alfarabi, den Ibn Sïna sehr schatzt. Yier Hauptstufen kennt auch Avicenna: Allintellect, Allseele, Allkörper (dieSphaerenwelt) und Allnatur d. h. die Welt unter dem Monde. Da das ürsein die Ideale (ürformen) in Art und Zahl, das Yerganglicke aber nur in den Arten umfasst, kommt die Vorsekung (d. k. die Vorherbestimmung, Kadar) nickt direct von Gott, sie entspringt vielmekr erst der Weltseele. Zu ikr findet auck die Rükkehr der Seelen statt, Somit ist auck bei Avicenna der Unterbau des Sytems zwar aristotelisch, der Oberbau aber und die Krönung des Ganzen neoplatonisch. Man kann Avicenna, den Orientalen, mit Albertus uiagnus, dem Occidentalen, in Parallele stellen. A 1 g a z z a 11 gew. Algasali genannt, stammte aus Tüs in Khorasan 1059—1111 und lebte als frommer Sufi. Er lehrte in Damascus, Jerusalem, Alexandria und zog sich zuletzt nach Tus zurück. Er bildet graae den Gegensatz zum Realisten Avicenna. Obwokl auck er in seiner Logik durckaus dem Arist. folgt1), ist er doek in allen anderen Fragen viel- 1) Vgl. Algazzalls Makasid I. Logik von Georg. Beer, Leiden 1888. mehr Theolog als Philosoph. Als Theolog ist er constructiv, als Philosoph destructiv. Er will zumeist nicht ein System aufstellen, sondern nur die Schwachen der Philosophie hervorheben. Dies gelang ihm mit Hiilfe der Orthodoxie, die im Islam die absolute Vorherbestimmung Gottes als eine Fahne aufstellt, um die sich die Schaar der Glaubigen sammeln müsse. Algasali zerbricht, um die Philosophie als nichtig darzustellen, das Causalitatsprincip, also jene Kette von Ursach und Wirkung, die sich bis zum Urgrund hin erstreckt. Alles, was geschieht, geschieht nach ihm durch einen besonderen Willensact Gottes. Jedes Blatt, das im Herbst vom Baum fallt, begeht diesen Fall nach einem besondren Befehl, sagen wir einer besondren Cabinetsordre Gottes. Das ware nun etwa so, als wenn wir behaupten wollten, dass jeder Brief mit dem Zeichen »Kaiserliche Reichspost" nun auch von Sr. Majestat selbst bestellt sein müsse. Dem Menschen wird nach dieser Theorie auch jede Spur des freien Willens genommen. Er ist ein dumpfer, stumpfer Knecht Gottes, ohne freien Willen, denn auch die Naturgesetze sind durchbrechbar. Eine Flocke Baumwolle verbrennt gewöhnlich am Feuer, weil Gott es gewöhnlich so will, wenn er aber einmal nicht will, geschieht es eben nicht. sDas Wunder ist des Glaubens liebstes Kind' und so statuirt denn auch Algasali das, die Naturgesetze durchbrechende, Wunder als durchaus berechtigt. Hierdurch wurde die Axt an den Baum der Erkenntniss und aller sittlichen Entwickelung im Menschen gelegt, und schrieb in diesem Sinn Alg. seine »Widersprüche der Philosophie, Tahafut el Phalasiphe, um aller Bildung im Oriënt das Grab zu schaufeln. So heftig aber auch die Opposition dieses orthodoxen Sufi war, in der Metaphysik bekennt sich Alg. doch zu der von Alf. aufgestellten Emanationslehre. Der separaten Intelligenzen d. i. der Immateriellen Potenzen giebt es Zehn, der mit Seele und Körper Begabten aber Neun, da der ersten lntelligenz nicht Seele und Körper zur Seite stehn; also die beliebten Neunzehn1). Alg. lasst sich mit Thomas Aquino 1224—1274 in Parallele stellen. Die arab. Philosophie in Spanien. Die Orthodoxie war stets die Feindin der Wissenschaft und Cultur, sie schreibt ihre Geschichte mit Blut und erleuchtet ihre finstren Pfade mit Scheiterhaufen um die von Hunger und Durst gequalten Forscher zu vernichten. Welche Macht bat sie doch? Homo sapiens est creatura servilis, auf einen Denker kommen hundert Nachbeter, zumal die Orthodoxie für die geistige Knechtschaft und lieblose Yerfolgung anders denkender Mitmenschen ewige Freuden im Paradies verspricht. Dies gilt als eisernes Gesetz auch heute noch, die Führer seien Priester oder Rabbinen oder Imame. Es gelang dem Algasali mit Hülfe der Orthodoxie im Oriënt die geistige Schaffenskraft zu lahmen und nur in Spanien, das, zumeist durcb die Araber, im Mittelalter ein Land hoher Bildung wurde, konnte die Philosophie ihr Leben fristen und von hier aus zur Verbreitung der griech. Schule im Westen Europa's mitwirken. Die Sonne nimmt ihren Lauf von Osten nach Westen, so wanderte auch die Bildung im Mittelalter von den 1) Uber Gazzall vgl. Brockelmann I, p. 419. Munk p. 366—383. Ritter VII. Prantl. Gesch. der Logik. Gosche: Ghazzalis Leben und Schaften, Berlin 1858. Widersprüche der Philosophie nach Algazzali von Tjitze de Boer, Strassburg 1891, p. 64. Heinze-Ueberweg. in Aegypten, Syrien, Mesopotamien gebildeten Schillen am Nordrande Afrikas tin, bis zu den Saulen des Herkules, damals dem Land des Sonnenuntergangs (Magrib), um in Spanien ein en neuen Culturstaat, das Griechenland des Mittelalters, zu begründen. Dem kühnen Zug Tariks 710 folgte hierher die arab. Cultur und fanden bier die im Osten vertriebenen Ommajaden eine Statte um einen Culturstaat zu begründen. Flammten spaeter beim bigotten Sinn der Christenheit hier die Scheiterhaufen als ein Glaubensact (actus fidei = Autodafé) auf, erklangen auch hier die Wehrufe der zum Vergnügen der Einwohner verbrennenden Ketzer, so herrschte doch früher hier unter den Arabern ein gewisser Grad der Humanitat, wonach lange Zeit hindurch Iude, Christ und Muslim friedlich mit einander leben konnten. Dadurch ward besonders im 11 und 12 Jabrh. dem Studium hier eine Heimat begründet, wahrend es der christlichen Glaubenswuth vom 15 Jahrh. an gelang, in Spanien in Folge der Inquisition, der Hölle hier auf Erden schon ein Statte zu bereiten. Eine relative Humanitat und Bildung herschte dagegen im 11—13 Jahrh. in Spanien und gedieh hier, die Wissenschaft um von hier aus wieder gen Westen strablend das Licht der Erkenntniss von Neuem zu verbreiten und besonders durch das Studium des Arist, die Begründung der neuen Akademie in Italien 1440 vorzubereiten. Denn in der Culturgeschichte gilt der Spruch des Dichters: was gewesen, kehrt nicht wieder, aber stieg es glanzend nieder, strahlt es lange noch zurück. I. Avencebrol d. h. Ibn Gabirol um 1050, ein Jude, war von grosser Bedeutung für das wissenschaftliche Leben in Spanien. Er löst in seinem Buch, die Quelle des Lebens in neoplat. Weise die philosophische Frage. Vom Begriff des Allstoffs und der Allform ausgehend, gelangt er zur Belebung der neun Sphaeren, über denen als die Zehnte die, dem Höchsten geweihte, Sphaere des Intellects schwebt. Von hier aus werden die Seelen belebt und gewahrt somit diese Sphaere die Vermittlung zwischen Gott und Ménsch. Avencebrol bewegt sich sicher im Bereich abstracter Begriffe, die sich ihm, seiner metaphys. Hauptrichtung nach, ohne weiteres in Realitaten umwandeln '). Vielfach hèrschen hier die Parallelen zwischen den Lehren der hebraeischen Theologie und der griechischen Philosophie vor. Die Himmelsleiter Jakobs ist ihm ein Bild von der Stufenleiter der zu Gott auf und von ihm niedersteigenden Gedanken. Er schrieb auch über die »Yerbesserung der Sitten" und drangen seine Hymnen in der Königskrone durch alle Schichten der gebildeten Iudeu, Christen oder Muslim. Harmonie zwischen Religion und Philosophie, so hiess dam als die Devise des geistigen Lebens. Avencebrols Buch, die Quelle des Lebens, war von grosser Wirkung und durchweht nach ihm der neoplatonische Gedanke von der Harmonie im Welltall, den Geist des Denker. II. Avempace2) d. i. Abu Bekr Muhammad ibn Jahja ibn Bagga as Saïg (Goldschmied) aus Saragossa, lebte als Arzt in Sevilla und starb 1138 in Fez. Er schrieb ein Buch: der Bildungsgang des Eiusamen, um die geistige Entwickelung des Idealmenschen, die aus ihm heraus erstand, zu schildern. Darin hat er viel 11 Vgl. Munk Mélanges p. 4—338 aus den Ausziigen von Falquera. Avencebrolis fons vitae von Baeumker, Münster 1893, Göttinger gelehrt. Anzcigcn 1896 No 3. 2) Brockelmann I, 460. Berührungspuncte mit Alfarabi's Musterstaat als dern Staat der Denker. Der Solitar erkennt zunachst die Krafte der Natur in Stein, Pflanze, Getier, dann erhebt er sich zur Stufe des freien Willens und gelangt zum Reich der Ideale, deren Erkenntniss vier Objecte kat. a. die Urbilder der himmlischen Sphaeren; b. den handelnden und emanirten Intellect; c. die Intelligibilia als Urbilder der Stoffdinge; d. die Kraft des Menschen in Vorstelluug und Gedachtniss. Auf diesen Stufen gelangt der Mensch von dem Wahr- nehmbaren zu den, nur durch Reflexion gewonnenen, Formen, den Idealen, endlich zu der, durch Inspiration und innere Anschauung, gewonnenen Weisheit. So kommt der Idealmensch zu den ihre Entelechie (Endzwerk) schon in sich tragenden Formen, sagen wir zur Idee der Ideen, deren höchste, der erworbene Intellect, in einer Ausströmung aus dem wirklichen Intellect besteht. In dieser Weise steigt der Idealmensch zur höhereu Erkenntniss des All auf. Hatte Algasalï, als der Theolog unter den arab. Philosophen des Ostens, erklart, dass nur durch Inspiration von Gott her die Wahrheit offenbar werde, so wurde hier im arab. Westen gelekrt, dass der Denker die Urformen aus sich heraus als solche erfassen könne, und wird somit die Autonomie des forschenden Geistes anerkannt, der von der Wahrnehmung aus zur Stufe der Urvernunft gelangen könne. Diesem Zweck »die Speculation wieder zu Ehren zu bringen" dient besonders die Schrift al wada »das Abschiedschreiben." III. Abu Bekr ibn Tufail al KaisiJ) als Arzt und Philosoph 1) Vgl. Brockelmann I 460. Mank Mélanges 383. Wüsienfeld ar. Arzte No. 163. als Astronom uncl Dichter berühmt, ist besonders bekannt geworden durch einen philosophischen Roman Hajju-bnu-1 jakzan d. h. der Lebende, Sohn des Wachsamen. Hier schildert Ibn Tufail, der als Leibarzt des Almuhaden Abu Jakob 1185 starb, das allmalige Erwachen und Wachsen des Intellekts in einem Idealmensclien, der auf einer Insel auf dem Aequator (hier glaubte man seien die Stoffe zur Entwickelung am Besten vorbereitet) ohne Vater und Mutter erstand, dann von einer Gaselle gesaugt wurde und hier einsam aufwuchs. Zunachst kommt dieser Solitar zur Erkenntniss des sinnlicli Wahrnehmbaren und erkennt, dass alle Dinge, so verschieden sie in der Natur auch erscheinen, doch nur eine Substanz aus Stoff und Form bilden. Dann werden ihm auch die Allkörper, d. h. die Sphaeren als Fügung aus Urstofi und Urform klar und steht der Einzige somit auf der Schwelle des Geistigen. Alle Körper inüssen durch ein Urwesen, das Formen bildete, entstanden sein, denn kein Geschaffenes giebt es ohne einen Schöpfer, der die Existenz der Welt dadurch verewigte, dass er sie in Bewegung setzte. Der einsame Normalmensch richtet nun auf dies Urwesen seinen Geist. Bei ihm als Denker fallt Denken und Gedachtsein zusammen. Den drei Arten des Seins, der Creatur, den himmlischen Wesen in den Sphaeren und endlich dem wahrhaft Einen, ahnlich geworden, erschaut er Gott in seiner Einheit mit ihm. Sein Gliick beruht in seinem Einssein mit Gott, sein Unglück aber in seiner Entfernung von ihm, als seinem Ursprung. Er erschaut die Urbilder direct und in ihnen die Gottheit, die zwar nicht an sich aber doch an ihrem Glanz erkannt wird. Dieser Glanz breitet sich durch die Sphae- ren und ihre Urbilder stufenweise so aus, dass derselbe in unsrer Welt des Entstehens und Vergehens wie ein Lichtreflex im trüben Wasser erscheint. Beiden Weiten angetraut, steht dieser Idealmensch, einmal im Zustand der Exstase, der Hochwelt und ihren," vom Glanz umhüllten, Wesen nah, dann aber ist er auch, wenn er der sinnlichen Welt sich zuwendet, in Gefahr das Geistige aus dem Ange zu verlieren, denn er kann dem Einen nicht genügen ohne dem Andern zu missfallen. Der Einsame begegnet dann noch einem Andern ihm Ahnlichen und beide stimmen darin überein, dass Gotteslehre und Weisheitslehre dasselbe sei, sie suchen diesen Grundsatz weiter zu verbreiten, doch vergebens ist ihr Streben, und beide leben fortan still für sich als Gott ergebene Süfi. Wir heben hier die vier Stufen der Erkenntniss hervor. a. die sinnliche Welt und b. die Sphaerenwelt c, die Ideale in der Weltseele; d. die alles bewegende Vernunft als Urgrund. Der Idealmensch ist hier eine Einheit, die aus Denker, Denken, und Gedachtsein, als geistiges Ich und geistiges Es ersteht. Dieser Philosophenroman wurde von Pococke Oxford 1671 als philosophus autodidactus publicirt und auch deutsch als »der aus sich selbst gelehrte Weltweise (Frankfurt 1726)" bekannt gemacht, er ist auch von Eichhorn als »der Naturmensch" oder als die Geschichte des Haï ibn loktan (Berlin 1782) bearbeitet worden. Dies Buch machte die Runde durch die gebildete Welt und regte die Geister an. Anklange finden sich in Rousseau's Emil, Robinson Crusoe etc. A v e r r o ë s. Den Abschluss der arab. Philosophie bildet in Spanien Ibn Ruschd (Sohn der Rechtschaffenheit) gew. Aver- roës ') genanut, geb. zu Cordova 1126 f in Maroeco 1193. Er war Zeitgenosse des Ibn Tufail, der ihn sehr begünstigte. Averroës studirte die im Islam auf den Koran begründete Rechtswissenschaft und war Richter in Sevilla und Cordova. Zu seiner Zeit fiel das Reich der Almoraviden durch die Dynastie der Almuhaden 1146, die sich das nordwestliche Afrika und muslimische Spanien unterwarfen. Averroës stand in Gunst bei dieser Dynastie. Averroës hatte nicht das Streben ein besonderes System der Philosophie aufzustellen, sondern er fasste, als sein Ziel, die Commentirung der Werke des Arist. ins Auge. Sein Commentar zum Arist. wurde lat. übersetzt und gedruckt Venet 1500, 1550, 1560 und galt der Streit ob Averroës oder Alexander Afrodisias der bessere Interpret des Stagiriten sei, denn der Letztere war in den früheren Jahrhh. die Quelle des philos. Studiums. Wie viele Dunkelheit entstanden freilich bei den Averroïsten aus der Weise des Orientalen immer nur den allgemeinen Sinn zu paraphrasiren und nicht genau grammatisch zu übersetzen. Averroës stellt vielfach die Lehre des Avempace wieder her (Renan p. 11) und huldigt er der seit Alf. allen arab. Philosophen eignen Emanationslehre. Zwischen dem unbewegten Urbeweger und der, in einer stets umkreisenden Bewegung befindlichen, Sphaerenwelt waltet von Sphaere zu Sphaere bis in die sublunarische Welt hinein die Urkraft als ein Erguss des Urprincips. Averroës nimmt die alte Fehde, die im Islam zwischen der Lehre von der alles absolut bestimmenden Allmacht I) Vgl. E. Renan Averroë3 et TAverroïsme, Paris 1852. Mank 435. Prautl. Gesch. d. Logik II, XVI. Wüstenfeld No. 191. Heinze-Uberzug. Gottes und der, den freien Willen des Menschen behauptenden, Mutazila, hefrscbte, wieder auf. Gegen Algasali, der die Kette des Causalitatprineips zerriss und dafür nur die absolute Allmacht Gottes hervorhob, scbrieb Averroës den Umsturz des Umsturzes J). Der, weder erstebende noch vergehende, Allhimmel teilt der Welt der Dinge die Bewegung mit, welcbe derselben jedocb nur auf ibr Verlangen von der ersten Ursacbe ber zukam. Nach Aristoteles ist aucb deru Averroës die Materie zwar ewig, docb bat dieselbe nicbt nur die Faehigkeit die Formen anzunebmen, sondern die Form ist schon potentiell in ibr vorbanden und so lasst der Urbeweger (Nüs) dieselbe nur bervortreten. Die Materie ist also bei ihm nicht ein blosses Nichtsein, denn in ibr liegen die Keime der Wirklicbkeit, sie ist also nur ein Nocbnichtsein. Bei Averroës ist somit die Substanz der Welt der ewige Traeger des Geschebens, an dem die Formen als Accidentien weobseln. Gott aber bringt als Urprincip die Möglicbkeit zur Wirklicbkeit und zwar vermöge der ewigen Kreisbewegung. Somit weiss Av. von der Erbebung des Stoffs bis zum Bewusstsein des Menschen ebenso viel wie von dem Niederstieg des Geistes auf den Menscben. Der göttlicbe Geist senkt sicb, sicb selbst denkend, berab, die Materie aber strebt, sicb sebnend, empor, bis beide im Menschen zusammentrefïen. Gott setzte der Materie das Ziel ihm zuzustreben, es bleibt aber der Materie überlassen diesen Zweck zu erfüllen. Gott befiehlt als Herr, doch seine 1) Ygl. hierüber die klare Darstellung in Tjitze de Boer *die Widersprüche der Philosophie nach al Gazzall v. Ibn Roschd. Strassburg 1894, p. 98—112. In diesem Buch wird behandelt a. Gott und Welt 1—63 b. die Mittelwesen 72—91, c. Physik und d. Mensch 91 — 97 Befehle zu erfüllen ist Sache der Materie. So umgeht Av. die Klippe von der absoluten Vorherbestimmung eines tyrannischen Gottes, an der die Einheit des Islams scheiterte und in viele Secten sich spaltete. Es bedrolit somit bei Av. die Activitat des Stoffs die Herrschaft des denkenden Geistes. Gott denkt sich selbst und damit zugleich das All. Die Intellecte haben in ihm Bestand und gelien wie ein Schattenbild seiner Vollkommenheit von ihm aus. Gott der Herr, die Intellecte seine Diener. Gott steht somit als der Einzige, alles in sich Einigende, als Ens realissimum da. Gott ist dem Av. Alles, denn er denkt ja das All, doch ist der eigentliche Ort seines Wirkens, Thuns und Leidens der Stoff. Der Neoplatonismus von oben herab, der Aristotelismus von linten herauf, d. h. Monismus und Dualimus so zusammen gewebt, dass die Faden schwer zu trennen sind. Averroës bildet den Grenzstein in der Philosophie des Mittelalters, deren erste Periode, die man die alexandrinisclie oder plotinische nennen kann, er insofern abschliesst, als seine ins Lateinische übertragene Paraphrase des Aristoteles die Grundlage der weiteren philosophischen Entwickelung hergab. Der Mohr d. h. die arabische Schule, hatte seinen Dienst getan, der Mohr konnte gehn. Aber traurig war die zweite Epoche, waren die von der Scholastik im Dienst der Theologie vom 13—16. Jahrhundert gemachten Fortschritte, die in dem, von der Lehre der Trinitat und den Eigenschaften Gottes aus, erregten Streit des Nominalismus und Realismus, von der Einleitung des Porphyr zum Organon des Aristoteles, den Anlass hernahmen, urn die Gefilde des Geistes zu verwüsten. Denn um das Wesendes Ewigen und Allmachtigen zu erfassen, genügt die Logik des denkenden Geistes, der mühevoll aus den vielen Eigenschaften zu der Einheit vorschreitet, nicht; hiezu muss das ahnende Gemüt, jene Gesammtkraft im Menschen, die aus einem empfangenen Haupteindruck das Wesen des zu Erkennenden erfasst und in bildlicher Rede davon Kunde giebt, seine Kraft ausüben. Die Rede des Verstandes ist begrifflich, die Rede des Gemütes aber ist bildlich, wie Prosa und Poesie. Die Arbeit des Einen ist Synthese, die Arbeit des Andern besteht in der Analyse der in uns ruhenden Ideen. Das Gemüt empfindet, dass Gott ist, der Geist aber will wissen, wie er ist. Der Heros des Einen ist Aristoteles, der Heros des Andern bleibt Plato. Es halt der Weltgeist Üie Wage, ob die Schale des subjectiven Denkens, des Gemüts, oder aber die des objectiven Denkens, der logisch geschulte Geist, die andere Schale emporschnellt. Aber ganz schweigt die andere Partei nimmer. Wahrend die Scholastik in ihrer Armut an Kenntnissen, ihrer Wortklauberei und Illiberalitat eine geistige Öde schuf, und das Gemüt verarmte, strömten in der Mystik, die vielfach aus dem Sufismus des Ostens ihre Kraft schöpfte, immer neue Fluten hervor, urn die Gemüter immer von Neuem zu beleben, auf dass sie ihre Beziehung zum Urprincip festhielten und war das zumeist eine Folge der Plotinischen Emanationslehre. Aristoteles kennt nur drei Seelen, die ernahrende in der Pflanze, die empfindende im Getier und die denkende im Mehschen; die arabische Philosophie des Alfarabi kennt noch eine vierte: die des Nuzüc, die des Triebes oder Hanges, welcher sowohl der sinnlich wahrnehmenden als der geistig vorstellenden und denkenden Seele nachfolgt, und zwar in der Weise, wie die Warme als eine Folge von der Substanz des Feuers hervortritt, also als das eigentliche Wesen. Wir mochten daher dieses Wort Nuzüc dem «Hangen und Bangen in schwebender Pein" beim Dichter entsprechend, als Verlangen oder Sehnsucht nach dem Urgrund deuten. Welche Harmonie kame dann in die Betrachtung der arabischen Schule! Die Wunderzahl Yier beherrscht hier das ganze Gebiet der Sinnes- und der Geisteswelt. Zunachst, in den vier Grundstufen der Emanation (On, Nus, Psyche, Physis); dann in den vier Nüs: potentiell, actuell, erworben, schaffend; dann vier Seelen = Lebenskrafte, wahrnehmend, vorstellend, deukend, ahnend, dann im Bereich der Natur die vier Elemente, ferner im Körper vier Humores (Schwarzgalle, Gelbgalle, Wasser, Blut), danach die vier Temperamente (melancholisch, cholerisch, phlegmatisch, sanguinisch); dann die vier -Jahreszeiten in der Zeit, und die vier Himmelsgegenden im Raum, und so geht es fort. Der Heros der arab. Philosophie Ibn Sina fahrt wie ein König des Wissens vierelang durch alle Bereiche der Gesammtwissenschaft, im Allintellect, Allseele, Allkörper (Spharenwelt) und Allnatur in der Welt unter dem Monde. Setzen wir Arist. als Philosoph an die Spitze der erkennenden Schule und Plato als Theolog an die Spitze der das Urwesen erahnenden Lehre, so können wir auch literarisch die Fortwirkung ihrer Arbeit verfolgen. Die arab. Schule wird beherrscht einmal durch die Logik und Physik des Aristoteles, dann aber durch die Emanationslehre des Plotin. Auf Averroës folgte die Scholastik im Gefolge des Aristoteles, die Mystik aber und der Sufisinus blieben im Emanationsgedanken lebend und webend. Unsere Seele steht als Teil der Weltseele mit dem Urwesen in directer Verbindung. Wenn auch diese Yerbindung oft gefasst materiell wird, immer draugt das menschliche Gemüt einem rnehr Ur-Ich als einen Ur-Es zu. Nur im Gottvertrauen ist Heil, so lehrt uns Luther. Nach der Scholastik folgte der Humanismus und mit ihm das Streben, aus den geistigen Schatzen der Antike die Perlen der Wahrheit und Moral von Neuem an einander zu reihen und neue Schule zu machen. Es wurde der Aristoteles im Grundtext unter der Aufsicht von Erasmus 1531 publicirt, aber auch Plotin's Enneaden zuerst 1492 lateinisch übersetzt und 1580 das Original und die lateinisehe Uebersetzung gedruckt. A,ls endlich in unserem Jakrhundert die speculativen Philosophen aus sich selbst beraus das All aufbauten und die wirklicbe Welt danach regeln wollten, zur Zeit als besonders Hegel aus seiner Speculation heraus die Welt construiren zu können glaubte, liess die Berliner Akademie durch Bekker 1831 den Aristoteles neu herausgeben und mahnte Trendelenburg zur Rückkehr zum Aristoteles, wahrend Plato, vielfach edirt und von Schleiermacher, dem grossen Theologen, übersetzt, der idealen theologischen Philosophie immer neue Anhanger gewann. Aucb wurde Plotin, der in der Metaphysik besonders sich auf Plato stützt, von bedeutenden Forschern wie Creuzer, Kirchhoff, Herm. Friedr. Maller, von Kleist herausgegeben, übersetzt und durchforscht. In steter Abwechselung führt Realismus und Idealismus die Tête, doch nie kann die eine Richtung der andern ganz entbehren. Wenn es nun dem Arabisten gelange, auch nur einen Ring in dieser, durch Jahrtausende hindurch sich ziehenden, Kette geistiger Entwickelung, vom Rost und Staub befreit, dargestellt zu haben, ware das schon reicher Lohn für lange, mühevolle Arbeit. Schon in der Antike hielt der Weltgeist die Wage, ob die Empfindung des Gemüts »Gott ist der Ursprung des All, denn sein Ebenbild lebt im Menschen", welche unter den Semiten die Hebraeer belebte, oder ob die Reflexion des Geistes: erkenne die Dinge, diese Erkenntniss wird dich zum Ursprung leiten" wie unter den Ariern die Griechen dies Ziel verfolgten, ob die theologische oder die philosophische Schule die Oberhand behalten sollte, bis in Alexandria durch die Theosophie eines Philo, die Emanationslehre eines Plotin und besonders in der Gnosis des Origenes ein Gleichgewicht zwischen beiden eine Zeit lang stattfand. Als dann aber in der nachfolgenden Zeit dadurch, dass die kurze in Bild und Gleichniss sich bewegende Gemüts-Rede der Weltreligion durch den reflectirenden Geist der Ariër begrifflich gefasst und gepresst wurde, und so Missverstand auf Missverstand die Lehre von der ewigen Liebe Gottes trübte, als blutige Verfolgung entstand und die Christenheit in Spaltung auf Spaltung auseinanderklaffte, galt durch die Jahrhunderte hindurch der Kampf, ob die im Gemüt begründeten Grundsatze Christi oder die begrifïliche Gestaltung der Dogmen die Welt beherrschen sollten. Die Perlen des Gemütes lagen oft versenkt unter den wilden Wogen dogmatischer Sturmflut; aber immer wieder erstrahlte von ihnen aus das Licht, welches das nach der höchsten Wahrheit ringende Gemüt belebte und zu einem Ausgleich zwischen Idealismus und Realismus antrieb. Je nachdem man den wahrhaft geistigen Grund christlichen Gottvertrauens oder die aussere Formirung des Glaubenssatzes ins Auge fasste, trat Aristoteles oder Plato in den Yordergrund und kam der Realist oder der Idealist mehr zur Geltung. Maimonides. Wir können diese Abhandlung über den Zusammenhang der arabiscben und griecbiscben Philosopkie nicbt schliessen, ohne des gebildeten Judaïsmus im Mittelalter mit einem Wort noch zu gedenken. Die Juden waren vermöge ihrer Sprache (denn das Hebraeische ist nah verwandt dem Arabischen und die gebildeten Juden beherrschten beide semitischen Idiome) so recht geeignet, bei ihrer Zerstreuung durch die ganze damalige Welt, die Vermittelung der arabischen Philosophie an das Abendland zu übernehmen '). Dies fand besonders in Spanien statt, wie wir ja den geistreichen Ibn Gabirol als neoplatonischen Philosophen und Dichter oben gekennzeichnet haben. Wir mussen hier noch mit eiuigen Worten des grossen Maimon als eines der Glanzpunkte der Culturgeschichte im Mittelalter gedenken. Maimonides (eigentlich Moses ben Maimun ben Joseph) wurde in Cordova 1139 geboren und starb 1204 in Alexandria. Er verliess Spanien, sein Yaterland, um nicht zurn Uebertritt zum Islam gezwungen zu werden. Er war, wie fast alle arabischen Gelehrten, Arzt. Er beherrschte das ganze damalige Wissen und begründete seine Schule als der Leibarzt Saladins in Cairo. In seinem berühmten Buch More Nebukim d. i. Belehrung der Verirrten ed. Munk, welches arabisch von ihm geschrieben wurde, versucht er den Glauben 1) Einen Beweis dafiir, dass die gebildeten Iuden sich dieser Aufgabe bewusst waren, liefert auch das 1894 (Berlin) erschienene «das Buch der Grade von Schemtob b. Joseph ibn Falquera. Dr. Zemach Rabbiner, mein früherer Schüler, wies mir viele Stellen nach, in denen hier Alfarabi wörtlich ausgeschrieben und citirt ist, namlich p. 13, 8. — 13, 25. — 16,11. — 17, 21. — 18, 4. — 23, 23. — 44, 29. — 76, 20. — 83,1. der Vater mit der damaligen Bildung in Einklang zu bringen und behandelt er hier auch die Wissenschaft der Früheren. Er kennt die obige Spharen-Theorie von 18 Stufen. Uel)erali in der Welt sei Kreisbewegung, erst in der Welt unter dem Monde komme auch geradlinige Bewegung und Formung zur Geltung. Diese Theorie müsse bestehen, bis ihre Nichtigkeit bewiesen werde. Nach Maimonides wahrte es aber noch vier Jahrhunderte, bis Kopernik in Thorn diese Theorie zertrümmerte und Galileï im Gefangniss dafür büsste, weil sie nicht zum Sonnenstillstand im Buch Josua stimmte. Dennoch aber bleit für die Wissenschaft der Grundsatz einer ewigen Entwickelung bestehn, von ihr gilt »sie bewegt sich doch." DER LEHRGANG IM BUCH DER »MUSTERSTAAT". Wie Plato und Aristoteles in ihrer Politeia einen Abschluss ihrer Philosophie geben, so versucht dies auch Alfarabi in seinem Musterstaat und seiner (Sijasa) Staatsleitung In der, aus aristot. und platon. aus stoïschen, plotinischen d. i. neoplaton. Elementen zusammengesetzten arab. Philosophie, handeln aber diese beiden Bücher Alfarabis nicht fiber den Staat allein, sondern sie umfassen das ganze Bereich der Weltweisheit und zwj^r so, dass sie vom Urprincip (Gott) ausgehend, die grosse und die kleine Welt construiren. Die Inhaltsangabe p. 1—5 giebt uns, obwohl sie sehr allgemein gehalten ist, davon Zeugniss. Wie es der monotheïstischen Philosophie ansteht, wird daher zunachst von »dem Ersten" als dem Urgrund und dann von seinen Eigenschaften in echt scholastischer Weise so gehandelt, dass das Contrarium gesetzt und dann dessen Absurditat nachgewiesen wird p. 29. Eine ars scholastica im Osten {ast zwei Jahrh. vor Anselm von Canterbury im Westen. Die Emanation geht von dem Ersten Einem wahrhaft Vorhandenen, aus, durch die Zweitdinge d. h. die Sphaeren strömt dann die Kraft auf die niedere Welt (unter dem Monde) aus, und wird von pag. 32 an im Stoff und Form die Entwickelung der Niederwelt in Urstoff, Elemente, Stein, Pflanze, Tier, Mensch, hervorgehoben. Der Entwickelung von Oben herab durch die Emanation steht hier also die Entwickelung von Unten herauf gegenüber. 1) Das Werk Alfarabi's dip Staatsleitung ist von mir aus der Leidener Handschrift copirt und von Dr. Bronnle, meinem früheren Schuier, in London collationirt, ich habe eine Uebersetzung gefertigt. und den Text constituirt. Die Veröffentlichung beider steht nahe bevor. Mit pag. 54 beginnt die Lehre vom Menschen und den Kraften seiner Seele d. h. Nahr-Sinnes-Vorstellungs-Denkkraft und folgt dann die Lehre von der ihr Object ersehnenden oder verabscheuenden Kraft des Hanges. Diese Krafte machen das Wesen der Seele aus, die im Herzen, dem Sitz der Warme ihre Statte hat, und durch Hirn, Pulse, Nerven etc. ihre Wirkung aüssert. Die Glieder liefern, eins dem andern, Dienst und Ernahrung pag. 69. Wir mussen hierbei bedenken daas Alfarabi selbst Arzt war und zu seiner Zeit auch ar Razï, ein schöpferisches Genie der Medicin, wirkte und 923 n. Chr. starb '). Nur durch die Arbeiten von diesem konnte dem, die Gesammtmedicin des Mittelalters umfassenden, Kanon der Heilkunde des Avicenna vorgearbeitet werden. Auch fiir die Lehre von der Zeugung und Fortpflanzung, besonders bei den Fischen (p. 67) finden wir interessante Bemerkungen fiir die Biologie im Mittelalter. Dieser Abschnitt ist für die Geschichte der Medicin von \V erth. Mit pag. 68 werden die seelischen Zustande des Menschen und p. 69 die der Denkkraft behandelt, dann folgt die Lehre von dem Intellect und den Intelligibilen, die Erkenntniss und das Erkennbare wird im Bild von Strahl, Auge und Geschautem vorgeführt. Die Grundsatze der Wissenschaften werden als die Urintelligibilia dargestellt p. 72. Dann geht die Betrachtung zum Willen und zur Freiwahl über. Wille ist der Hang des Menschen der aii8 Wahrnehmung und Vorstellung; Freiwahl ist aber der, aus Ueberlegung und Schluss hervorgehende Hang. Glück ist die Endvollendung alles Strebens nach dem, seines Wesens wegen, erstrebten Guten p. 75. Traume hervorgehend aus der ersten Vollendung der Sinnes-Vorstellunga-Denk- und Hangkraft. Die Offenbarung aber geht vom schaffenden Intellect und von der Reflexion der Vorstellungskraft aus p. 75. 76. So weit wird der Einzelmensch behandelt, jetzt folgt die Betrachtung des Staats, der aus dem Bewus9tsein des Menschen, hervorgeht dass er des Beistands der Genossen bedarf um das höchste Gut, das wahre Glück zu erreichen. Der Staat ist in seiner Urganisation dem 1) Vgl. Brockelmann, p. 233. » Körper vergleichbar. Vora überhaupt als dem Herzen aus, werden die Glieder belebt. Der Hauptling ist als Normalmensch darch die Beherrschung der Intelligibiüa actuell Intellect geworden 92 — 94. Der zweite Hauptling dient als Vertreter des Ersten. Seine Eigenschaften 96. Der Musterstaat und seine Gegensatze, Torheitsstaat, Ehrenstaat etc. Ieder Stand besteht im Staat als eine Gemeinschaft um mit dem Hauptling das Glück zu erstreben, und sind die Seelen derselben durch eine gemeinsame Kenntniss verbunden p. 109. Die gemeinsame Kenntniss des Musterstaats wird im Gleichniss oder durch Beweis erkannt 114, dagegen die Ansichten der thörichten und irrenden Staaten 120. Gerechtigkeit bildet den Ausgleich zwischen Deberwundenen und Ueberwindern. Im Bewusstsein dass Gott die Welt ordne dienen ihm die Geistigen p. 123. Die Ansichten in den Torheitsstaaten 128. Die Affectionen der Seele; dariiber Empedokles und Parmenides p. 131 (unten) «Ueber den Tod und den Spruch der Alten" stirb (freiwillig) so wirst du leben p. 132. DIE INHALTSANGABE VON DEN CAPITELN IM BUCH „DER MUSTERSTAAT-, EINEM WERK VON MUHAMMED IBN MUHAMMED IBN TORHAN A UZI, AG ALFARABl AUS TURKÏSTAN. Capitel I. handelt über Das, was man notweudig von Gott, er sei gepriesen, glauben muss. Was Er und wie Er sei, und womit Derselbe zu bezeichnen sei. In wie fern Er die Ursache von allem, was vorkanden ist, sei. Wie dies (alles) aus ihm bervorgehe, wie Er alles schafft und das (reschaffene durch ihn geordnet ward. Wie man Ihn erkennt und denkt. Mit welchen Namen er zu benennen sei und was man bei Ihm unter diesen Namen zu verstehen hat. Cap. II. Ueber das Vorhandene, was man für Engel halten muss. Was ein jeder derselben und wie beschafïen er sei; wie ein jeder derselben von Gott aus hervorging und geordnet ward. Wie die Stufen derselben sieh zu einander verhalten. Was wiederum von einem Jeden derselben hervorgeht, und wie derselbe zur Ursache von Allem, was aus ihm hervorging, wurde. Worin seine Anordnung besteht und wie dieselbe stattfindet. Ein jeder der Engel ist die Ursache eines der Himmelskörper und kommt ihm die Leitung desselben zu. Cap. III. Ueber die Gesammtheit der Himmelskörper. Ein Jeder derselben wird durch je eins der Zweitdinge 1 geordnet, und kommt einem Jeden dieser Zweitdinge die Leitung des von ihm geordneten Himmelskörpers zu. Cap. IV. Ueber die unter den Hirnmeln befindlichen (sublunarischen) Dinge. Dies sind die Stoffkörper. Wie ihr Sein stattfinde, wieviel es ihrer im Ganzen giebt. Wie ein jedes derselben sich substanzire, und sie sich von den oben erwahnten. Dingen (Himmelskörpern) sondern. Cap. V. Ueber den Stoff und die Form. Was ein jedes der Beiden sei. Diese beiden sind es, aus denen sich die Körper substanziren. Wie sich jedes der Beiden zu dein andern verhalt. Was für Körper sich aus ihnen substanziren (ihre Substanz erhalten). [2] Was für ein Sein einem jeden Körper durch den Stoft und was für eins ihm durch die Form zukomme. Cap. VI. Wie man das notwendig als Engel zu Bezeichnende zu beschreiben hat. Cap. VII. Wie man überhaupt alle Himmelskörper beschreiben muss. Cap. VIII. Wie alle Stoffkörper entstehn, welche von ihnen als Erste, welche als Zweite und welche als Dritte hervorgehn, bis dann die Reihe zu dem, was zuletzt entsteht, gelangt. Das Letzte, was entsteht, ist der Mensch. Summarischer Bericht wie eine jede Art hervorgeht. Cap. IX. Welchen Gang die Anordnung nimmt um eine jede Art und dann die Individuen jeder Art zu erhalten. Welche Art von Gerechtigkeit in ihrer Ordnung liegt. Alles, was seinen Lauf nimmt, tut dies der höchsten Gerechtigkeit, Weisheit und Vollkommenheit gemass. Keine Unbill ist hierbei irgend wie, weder Unterbrechung noch ein Defect. Vielmehr hat diés notwendig so statt, dass es bei der Natur des Vorhandenen nimmer anders sein kann. Cap. X. Ueber den Menschen und die Krüfte der menschlichen Seele. Wie dieselben entstehen, welche der Krafte als die Erste, welche als die Zwei te und welche als die Dritte hervorgeht, auf welchen Stufen sie zu einander stehn. Welche derselben nur herrschen, welche dagegen einem Andern dienen und welche zum Teil herrschen und zum Teil dienen. Wie von diesen Kraften die eine die andere beherrscht. Cap. XI. Ueber das Entstehn der Glieder des Menschen, und der Stufen des Einen zum Andern. Welches derselben Herr und welches Diener sei, wie das herrschende Glied seine Herrschaft ausübt und das Dienende seinen Dienst verrichtet. Cap. XII. Deber Mann und Weib und die Kraft eines jeden der Beiden, was ein jedes der Beiden verrichtet und wie das Kind von Beiden aus entsteht. Was an beiden verschieden und was an beiden gemeinsam ist. [3] Weshalb das Kind mannlich oder weiblich und warum das Kind einmal beiden Aeltern, ein andermal nur einem derselben, ahnlich wird, bisweilen auch einem entfernten Verwandten, bisweilen aber weder den mannlichen noch den weiblichen Ahnen ahnelt, Cap. XIII. Ueber das Intelligible («das Ideal, das nur geistig Erfassbare, Geistding). Wie sich das Intelligible dem denkenden Teil der Seele einpragt. Von woher dasselbe darauf niedersteigt. Wie viel Arten d£s Intelligiblen es giebt. Was unter dem potentiellen und dem actuellen, Intelligiblen zu verstehen sei, was der Stoft-, was der leidende und was der schaffende Intellect sei. Auf welcher Stufe der Letztere stehe und warum er so benannt werde. Worin sein Tun bestehe. Wie sich das Intelligible dem potentiellen Intellect so einprage, dass letzterer zum actuellen Intellect wird. Was der freie Wille und die Willkür sei und welchem Theil der Seele beide angehören. Was das höchste Glück sei, worin die Tugend (Yorzug) und worin die Mangel bestehn. Welche Tat gut sei und welcke böse, urid welche Tat für schön und welche für schlecht zu halten sei. Cap. XIV. Ueber den, der Vorstellung fahigen, Teil der Seele. Wieviel Arten seines Wirkens es gebe. Wie die Traume entstehn, wieviel Arten derselben es gebe und welchem Teil der Seele sie angehören. Warum die wahren als solche hervortraten und die Offenbarung entstehe. Welche Menschen dazu geeignet waren die Offenbarung zu erhalten und mit welchem Teil der Seele der Mensch das ihm Geoffenbarte annehme. Warum manche Frevler doch das Zukünftige richtig verkünden. Cap. XV. Ueber die Nothwendigkeit dazu dass die Menschen sich mit einander zu vereinen und zu helfen suchen. Wie viel Arten solcher Vereinigungen es gebe. Was man unter den vorzüglichen Vereinigungen und unter der Vorzugsstadt (d. h. dem Musterstaat) verstehe. Wodurch sie sich zusammenfüge und wie die Teile derselben sich ordnen und die verschiedenen hohen Behörden in den Musterstaaten bestünden. Wie die Ordnung vom ersten vortrefflichen Hauptling gehandhabt werden müsse. Auf welche Bedingungen und Kenuzeichen man im Knaben- und Jünglingsalter achten müsse, sodass, wenn sie sich vorfinden, diese den Menschen dazu passend machen, dass ihm die Herrschaft im Musterstaat zukomme. Ferner, welche Bedingungen in ihm sich erfjjllen mussen auf dass er, wenn er volljahrig geworden, ein vorzüglicher Oberherr [4] in je- gen in ihm sich erfallen mussen auf dass er, wenn er nem Staat werde. Ferner wieviel verschiedene GegensatzStadte es für die Yorzugsstadt (Musterstaat) gebe. Was eine Torheits- und eine Irrtumsstadt sei, und wie viel verschiedene Torheitsstaaten und Regierungeu es gebe. Cap. XYI. erwahnt das höchste Glück, zu dem die Seelen der Bewohner in dem Musterstaat, in diesem und jenem Leben, gelangen, auch werden die verscbiedenen Verdamnisse hervorgehoben, denen die Seelen der Leute in den, der Vorzugsstadt entgegengesetzten, Stadten, nach dem Tode verfallen. Cap. XVII. zeigt wie beschaffen die Grundsatze in der Vorzugsstadt sein mussen. Dann wird erwahnt, woher in die Seelen vieler Menschen die verderblichen falschen Grundsatze kommen, denen die Ansichten der Torheitsstadt entnommen werden. Cap. XVIII. Specialisirung der verschiedenen Ansichten der Torheitsstadt, aus denen ihre Taten hervorgehn. Die Gemeinschaften in diesen Stadten. Cap. XIX. Specielle Angabe der verderblichen Grundsatze , aus denen jene Ansichten stammen, welche die Irrlehren (Secten) hervorrufen. DIE PRINCIPIEN DER ANSICHTEN VON DEN BEWOHNERN DES MUSTERSTAATS. O I. Das erste Yorhandene. [5] Das erste Vorhandene ist der Urgrund für das Sein von Allem, was vorhanden ist. Dasselbe ist frei von jedwedem Mangel, wahrend in allem ausser ihm, irgend ein Mangel statt haben muss, einer oder mehrere. Das Erste ist dagegen in jeder Beziehung davon frei. Somit ist sein Sein das vorzüglichste und frühste und kann nimmer irgend ein Sein vorzüglicher oder frühersein als das Seinige. In der Vorzüglichkeit des Seins steht Er J) an höchster Stelle und in der Vollkommenheit alles Seins steht er auf der erhabensten Stufe. Deshalb kann unmöglich seinem Sein und seiner Substanz sich irgend ein Nichtsein beimischen. Das Nichtsein und das Gegenteil kann nur bei den Dingen unter dem Monde statthaben. Nichtsein bedeutet aber das Nichtvorhandensein dessen, was sein sollte. Auch ists unmöglich dass Er (= das Erste) ein nur potentielies Sein hatte, auch ists in keiner Weise möglich 1) Wir gebrauchen Musterstaat und Vorzugsstadt syuonym. 2) Wir gehn hier von dem unpersönlichen «Es» zum persönlichen „Er' über, da Gott als Urprincip gedacht wird. dass Er nicht sei. Deshalb ist er in Substanz und Wegen von ewig dauerndem Sein, ohne dass er dazu, dass er ewig sei, noch Etwas andres bedürfte, was sein Bestehn starkte; vielmehr liegt in seiner bubstanz schon ein Genüge fiir sein Bestehn und. die Dauer seines Seins. Es ist auch unmöglich, dass es überhaupt noch ein Sein wie das Seine gebe, auch kann es auf der Stufe seines Seins kein andres Sein geben, das möglicherweise ihm noch dazu eigne und es erganze. Er ist das Yorhandene, was unmöglich eine Ursach haben kann, durch die oder von der aus, oder wegen welcher, sein Sein ware. Denn Er ist kein Stoft, auch beruht sein Bestand nicht in einem Stoff oder irgend eineui Substrat, vielmehr ist sein Sein frei von jedwedem Stoff und jedwedem Substrat. Auch hat Er keine Form, denn die Form kann nur an einem Stoff sich vorfinden, und batte Er eine Form, so ware sein Wesen aus Stoff und Form zusammengesetzt. Dann würde sein Bestand auf zwei Teilen, aus denen er zusammengesetzt ist, beruhen. In Folge dessen hatte sein Sein eine Ursache, denn jeder seiner zwei Teile ware Ursache vom Sein seines Ganzen. Wir aber haben ihn als Grund-Ursache gesetzt. [6] Ebenso wenig hat auch sein Sein ein Ziel oder einem Endzweck, so dass sein Sein nur dazu da ware, diesen Endzweck zu erfüllen. Denn sonst ware dies ja eine Ursache seines Seins und ware Er nicht Grundursache. Auch erhalt sein Sein keinen Vorschub von Etwas Anderem , das früher als Er da ware, her, dann liegt es aber noch ferner, dass Er von Etwas, was unter ihm steht, einen solchen erhielte. II. Gott hat keinen Genossen. Er (Gott) ist in seiner Substanz von allem, was ausser ihm ist, gesondert. Das ihm eignende Sein kann unmöglich noch einem andern Dinge, als ihm, zukommen. Denn hatte noch Etwas dieses Sein, könnte unmöglich zwischen Ihm und dem, auch sein Sein habendem, Andren, irgend eine Sonderung und Verschiedenheit bestehn. Dann aber liegen hier nicht zwei sondern nar ein Wesen vor. Denn gaebe es zwischen jenen Beiden eine Verschiedenheit, so ware das, worin beide von einander gesondert waren, etwas andres als das, was beide gemeinschaftlich haben. Dann aber würde das, worin beide von einander verschieden sind, einen Teil von dem bilden, worauf die Existenz beider beruht, das aber, was beide gemeinschaftlich haben, den anderen Teil. Auch würde ein jedes der Beiden sich sprachlich vorn andern teilen (unterscheiden) lassen. Dann aber würde ein jeder von diesen zwei Teilen zur Ursache Seines Wesens werden. Er ware also nicht ein Erstes, vielmehr gaebe es hier ein andres Vorhandenes, welches früher ware als Er, und zwar als Ursache seiner Existenz; das aber ist absurd. Wenn dieses Andre (Gott in der Existenz vorhergehende) grade das ware, worin sich das Eine vom Andern unterschiede und trate das, worin es sich von jenem unterscheidet, erst nach dem hervor, worin es nicht von jenem verschieden ist, so müsste notwendig das, worin sich das Eine vom Andern sondert, das Sein sein, welches jenem eignet, das bein von diesem aber beiden gemein sein. Dann würde das Sein von jenem andern aus zweierlei zusammen gesetzt sein; Einem, das ihm speciell eigen ist, und Einem, das es mit dem andern gemein hat. Dann aber ware das Sein von jenem nicht das Sein von diesem. Vielmehr ware das ^^esen von jenem einfach , unteilbar, das Wesen von diesem aber teilbar. Dann gaebe es hier zwei Teile, aus denen es bestande. Sein Wesen hatte eine Ursache und stande sein Sein unter dem Sein von jenem, es ware defecter als jenes Sein und stande Er somit nicht auf der ersten Stufe des Seins. Ferner, existirte Etwas wie sein Sein der Art nach ausser ihm an Etwas andrem, [7] ware Er nicht von vollendetem Sein. Denn von dem, was vollendet ist, gilt: Dasselbe ist Etwas, von dem ein Sein von seiner Art nimmer ausser ihm an irgend Etwas gefunden werden kann. Vollendet grossartig ist nur das, ausser dem nichts so Grossartiges sich vorfindet. Vollendet anmutig ist nur das, ausser dem es nichts von der Art seiner Anmut giebt. Ebenso ist von vollendeter Substanz nur das, von dem man sagen kann: Es kann nichts seiner Substanz Gleichartiges ausserhalb seiner vorhanden sein. Dasselbe gilt von allen vollendeten Körpern. Es giebt nichts von ihrer Art ausser ihnen. Das gilt z. B. auch von der Sonne, dem Mond, und den übrigen Gestirnen (Planeten). Ist somit der Erste (Gott) von vollendetem Sein, so kann dieses Sein nur ihm allein eignen. Er besteht allein in diesem Sein und ist Er in so fern Einer. III. Gott hat kein Gegenteil J). Er kann kein Gegenteil haben. Das wird klar, wenn 1) Anm. Gegenteil = Gegensatz. man den Begriff vom Gegenteil erkennt. Das Gegenteil eines Dings ist das von dem Ding sich so Unterscheidende, dass dasselbe nimmer das Ding selbst werden kann. Nicht alles, sich von einem Ding Unterscheidende, ist sein Gegenteil, auch ist nicht alles, was nimmer jenes Ding werden kann, sein Gegenteil, vielmelir inuss dies jenem so widerstreiten, dass das Eine das Andre vernietten und, wo sie immer zusammentreffen, verderben muss. Es gilt also von einem leden der Beiden, dass, wenn es sich da befindet, wo das Andre vorhanden ist, es dies Andre zunicht macht, oder dies Andre, da wo es bisher war, des halb vergeht, weil dies Andre in dem, worin das Erste war, sich vorfindet. Dieser Satz gilt allgemein für ein jedes Ding, das möglicherweise ein Gegenteil haben kann. Ist nun Etwas das Gegenteil von einem Andern in seinem Tun, aber nicht in seinen übrigen Zustanden, so ist nur das Tun beider so beschafien (einander aufhebend). Stehn Beide in ihrer Qualitat mit einander im Gegensatz, so gilt obiges nur für diese, stehn sie endlich in ihrer Substanz im Gegensatz, so ist diese also beschafien. Hatte nun «der Erste» ein Gegenteil, würde er zu diesem sich so verhalten und müsste ein jeder der Beiden verdorben werden können. Es könnte dann «das Erste» von seinem Gegenteil vernichtet werden und zwar in seiner Substanz, das ist aber unmöglicb. [8] Denn dann würde sein Bestand und Verbleiben nicht in seiner Substanz beruhen, vielmehr ware seine Substanz ungenügend um vorhanden zu bleiben , auch ware dieselbe nicht dazu genügend irgend ein Ding entstehn zu lassen, vielmehr würde dies auf etwas anderem beruhen. Was aber möglicherweise nicht ist, kann unmöglich ewig sein und das, dessen Substanz ungenügend ist, sein Bleiben oder Vorhandensein zu begründen, das muss für sein Verbleiben und Vorhandensein eine andere, ausser ihm liegende Ursache haben. Es kann also nimmer als «ein Erstes» bestehn, denn sein Vorhandensein ist nur da, weil sein Gegenteil nicht da ist. Somit ist das Nichtvorhandensein seines Gegenteils Ursache für sein Vorhandensein und kann solches nimmer als «Erste Ursache» schlechthin gelten. Ferner: Notwendig mussen beide (Ding und Gegenteil) ein gemeinschaftliches «Wo» haben, das sie so aufnimmt, dass durch die Begegnung beider, jedes derselben das andre vernichtet; dasselbe sei ein Substrat oder eine Gattung oder etwas Andres als diese Beiden. Dies Wo ist dann festbestehend und folgen sich an ihm jene Beiden auf einander. Dann aber ware dies Wo fraheren Seins als jedes der Beiden. Setzt nun Jemand Etwas Andres, als was von dieser Beschalïenheit ist, als Gegensatz von Etwas, so ist das, was er setzt, nicht Gegensatz sondern nur ein in einer anderen Weise, aber nicht als Gegenteil, Verschiedenes. A [_ Wir leugnen nun nicht, dass es für das Erste zwar Verschiedentliches gebe, aber dasselbe kann nimmer mit ihm gegensatzlich verschieden, und nie ein es ins Dasein rufendes sein.jDann kann aber unmöglich irgend ein Vorhandenes auf der Stufe seines Seins stehn, denn zwei Gegensatze stehen stets auf einer Stufe des Seins. Somit steht das Erste allein. Nichts andres teilt mit ihm in der Art des Seins diese Stufe. Er ist somit «Einer» er steht dabei allein auf seiner Stufe und ist Er auch von dieser Seite her «Einer». IV. Gott ist undefinirbar. Mail kann sprachlich «Gott» nicht in die Dinge zerlegen, aus denen seine Substanz besteht. Denn unmöglich kann das Wort, welches den Begriff von ihm wiedergeben soll, einen oder zwei seiner Teile bezeichnen, aus denen seine Substanzirung besteht. Denn ware dem so, würden diese Teile, auf denen seine Substanz beruht, Ursachen für sein Sein in so fern sein, als die Begrifïe, welche die Teile der Definition eines Dings bestimmen, zu Ursachen für das Sein des Definirten werden, und auch insofern als StoS und Form als Ursache [9] für das aus Beiden zusammengesetzte bestehn. Dies ist aber bei «dem Ersten» unmöglich eben weil es «Ein Erstes» ist und somit durchaus keine Ursache für sein Sein bestehen kann. Lasst Er sich aber nimmer in dieser Weise in Teile zerliegen, so liegt es nóch ferner, dass er sich im Wieviel (Quantitat) oder in sonst einer Weise teilen lasse. Hieraus folgt aber auch notwendig, dass er weder Grosse habe, noch überhaupt ein Körper sei und ist er somit auch von dieser Seite aus betrachtet «Einer». Denn Einer der Begriffe, wonach man ihn den Einen nennt, ist die Unteilbarkeit, denn alles, was von irgend einer Seite her unteilbar ist, ist eben Eins, so fern es sich nicht teilen lasst. Hat dies statt in Betreff seines Tuns, so ist das Ding in Betreff des Tuns Eins; findet dies aber in Betreff seiner Qualitat (seines Wie) statt, so ist es von dieser Seite her Eins. Eudlich ist das, was in seiner Substanz unteilbar ist, Eins in seiner Substanz. Somit ist der Erste in seiner Substanz unteilbar. Va. Die Einheit Gottes ist sein eigentliches Wesen. Dasjenige Sein Gottes, wodurch er sich von allem was ausser ihm ist, trennt, kann nur das sein, worin e seinem Wesen nach vorhanden ist. Deshal b liegt in sei ner Trennnng von dem, was ausser ihm ist, dass er ii seinem Wesen Einzig sei (wesentlich Einzig sei). Denn einer der Begriffe von der Einheit ist eben da specielle Sein, wodurch sich jedes Vorhandene von dem was ausser ihm ist, trennt. Dem gemass nennt man jede Vorhandene «Eins», so fern es in dem ihm eignenden Sei da ist, und kommt dieser Begriff unter den Begriffen de Eins vor allem dem Zuerstvorhandenen zu. Somit ist de Erste auch nach dieser Seite hin Eins und vor jedern ausser ihm, des Namens und Begrifls «der Eine" am wüi digsten. Weil Er (Gott) nun weder Stoff ist, noch er irgend wi einen Stoft' hat, ist er schon seiner Substanz nach ein ac tueller Intellect. Denn das, was die Form daran hindei Intellect zu sein und actuell zu denken, ist eben der Stofi in dem das Ding vorhanden ist. Bedarf aber das Ding z seinem Sein eines Stoffes nicht, so ist dieses Ding scho durch seine Substanz actuell Intellect. Dies ist aber de Zustaud des Ersten. Das Erste ist somit actueller Intellec Er ist aber zugleich auch durch seine Substanz intelligibt (denkbar), denn auch das, was das Ding daran hindert, ac tuell intelligibel zu sein, ist der Stoff. So mit ist er, sofer er Intellect ist, auch zugleich Intelligibel. Denn das, desse Wesenheit Intellect ist, bedarf um intelligibel zu werde * r 1 s s a r T e o $ 7 u Q r j. !l v -• . o yj* n a a nicht eines andren Wesens, ausserhalb seiner, um es zu denken, vielmehr denkt es schon an sich sein Wesen. Das Erste wird also, sofern es sein Wesen denkt, intelligent und actueller Intellect und ebenso dadurch, dass es sein Wesen denkt, actuell Intelligibel. Ebenso bedarf Er um actueller Intellect und actuell Intelligent zu werden, nicht eines Wesens, das er denkt und das er von aussen sich hernehme, vielmehr ist er Intellect und Intelligent, schon dadurch, dass Er sein Wesen denkt, denn das Wesen, was denkt, ist hier zugleich auch das, was gedacht wird. Es denkt sofern es gedacht wird. Denn dass Er Intellect (Denken) und gedacht und denkend ist, ist (bei ihm) alles zusammen nur ein Wesen, und eine unteilbare Substanz. Der Mensch z. B. kann ein Intelligibile (Denkobject) sein, das aber von ihm, was gedacht wird, ist nicht ein actuell sondern nur potientiell Gedachtes. Dasselbe wurde erst actuell Intelligibel, nachdem der Intellect (Geist) ihn dachte. Demnach aber ist das vom Menschen, was gedacht wird, nicht zugleich das, was denkt, und ist das von ihm, was denkt, nimmer zugleich auch das Gedachte; auch ist unser Denken als solches nimmer gedacht, denn wir denken nicht deshalb weil unsere Substanz schon Intellect ware, da das, was wir denken nicht das ist, wodurch unsere Substanzirung geschieht. Mit dem Ersten verhalt es sich aber nicht so, vielmehr ist in ihm das Denken, Denkende und Gedachte nur ein Begriff, nur ein Wesen, nur eine unteilbare Substanz. yb. Er ist Wissend. Dasselbe gilt nun von dem Ausspruch: Er ist wissend. Er bedarf namlich dazu, dass er wisse, nicht eines audren Wesens ausserhalb des Seinigen, so dass er durch das Wissen desselben Vorzüglichkeit erwürbe, auch bedarf er, um gewusst zu werden, nicht eines andren Wesens, was ihn belehrte, vielmehr hat Er schon in seiner Substanz ein Genüge dazu, dass er sowohl wisse als gewusst werde. Seine Wissenschaft von seinem Wesen ist eben nichts als seine Substanz. Dass er wisse, dass er gewusst werde und dass er ein Wissen sei, ist eben alles nur Bezeichnung eines Wesens und einer Substanz. Vc. Er ist weise. Dasselbe gilt von dem Satz «Er ist weise». Denn die W eisheit besteht darin, dass der Intellect die Dinge mit einem vorzüglichen Wissen im Einzelnen erfasse. Sofern er nun sein Wesen denkt und es weiss, weiss er das Vorzüglichste der Dinge. Das vorzüglichste Wissen ist nun das fortdauernde, nimmer aufhörende Wissen. Ein solches ist aber sein Wissen von seinem Wesen. Vd. Er ist wahr. Dasselbe gilt von dem Ausspruch «er ist wahr», denn dies wahre Sein folgt direct dem Sein, wie auch das wahre Wesen des Dings dem Sein desselben direct nachfolgt. [11] Denn das wahre Wesen eines Dings ist das ihm speciell eignende. Das vollkommenste Sein ist aber das, welches den rechten Anteil am Sein hat. Auch sagt man von dem Intelligiblen aus «es sei wahr», wenn der Intellect das Vorhandene so erfasst, dass er es vollstandig deckt. Von diesem Yorhandenen sagt man dann, so fern es gedacht wird, aus «es ist wahr». Yon Sei ten seines Wesens aber sagt man, wenn man es nicht zu dem, welcher es denkt, in Beziehung setzt, aus, dass es vorhanden sei. Yom Ersten nun sagt man in zwei Weisen aus, dass er wahrhaftig sei; Einmal weil das ihm angehörende Sein das vollendetste ist und zweitens, weil er ein Intelligibile (Denkbares) ist, in welchen der, der es denkt, das Yorhandene so wie es vorhanden ist trifft. Er bedarf also um wahrhaftig zu sein, sofern er ein Gedachtes ist, nicht eines andren Wesens ausser ihm, das ihn dachte. Er ist auch am wiirdigsten dazu, dass «wahrhaftig» von ihm in allen beiden Weisen gebraucht werde; und sein eigentliches Wesen liegt in nichts andrem als, dass er wahrhaftig ist. Ve. Er ist lebendig und Leben. Ebenso verhalt es sich mit den Aussprüchen: Er ist lebendig und Er ist Leben. Mit beiden werden nicht etwa zwei Wesen sondern nur ein Wesen bezeichnet. «Lebendig» hat den Begriff «er denkt das vorzüglichst Denkbare» (Intelligibile) mit dem vorzüglichsten Geist (Intellect) oder: er erfasst das beste Wissensobject mit dem vorzüglichsten Wissen. So nennt man uns zunachst dann lebendig, wenn wir die Sinnesobjecte, und das sind die schönsten Wissensobjecte, mit der besten Erfassung^weise und zwar mit den besten Erfassungskraften (d. h. den Sinnen) erfassen. m Das aber was, wenn es denkt, der beste Intellect ist, und was die besten Denkobjecte mit dem besten Wissen weiss, ist am würdigsten für lebendig zu gelten, denn dies denkt, sofern es (selbst) Intellect ist. Wie bei ihm denkend, und Denken, und auch bei ihm wissend und Wissen nur eine Bedeutung hat, so ist, dass er lebend und Leben sei, nur als ein Sinn zu verstehn. Ferner wird das Wort «lebendig» auch auf die Nichtcreatur übertragen, man gebraucht es von allem auf der höchsten Stufe der Vollkommenheit Stehenden, auch von alleru, was die höchste Stufe vom Sein und der Vollkommenheit so erreicht, dass von ihm das hervorgeht, was von ihm hervorgehn muss, und dies auch so hervorgeht, wie es hervorgehn muss. Dem gemass ist, da das Erste das vollkommenste Sein hat, dasselbe auch des Namens «lebendig» würdiger als alles, was übertragner Weise so genannt wird. Sobald nun sein Sein vollendeter ist, ist auch, wenn man es weiss und denkt, das über es Gedachte [12] und Gewusste ein vollendeteres, da das Intelligibile desselben in unseren Seelen dem, was von ihm Vorhanden ist, entspricht und seinem ausser unserer Seele bestehenden Sein gemass, sein Ideal (intelligible) in unseren Seelen seinem Sein entspricht. Ist dies aber von mangelhaftem Sein, ist auch sein Bild in unseren Seelen ein mang^lhafteres. Von der Bewegung, Zeit, ünendlichkeit, dem Nichtsein und dergleichen Vorhandenen ist das Intelligibile bei jedem Einzelnen derselben in unserer Seele ein mangelhaftes, da ja diese alle selbst schon Vorhandene von defectem Sein sind. Von der Zahl, dem Dreieck, dem Viereck sind dagegen die Intelligibilia (Gèistbilder) in unserer Seele sehr vollkommen, da diese Dinge an sich schon von vollende- 2 tem Sein sind, und müsste somit notwendig beim Ersten, der ja doch auf der höchsten Stufe des vollendeten Seins steht, das Intelligibile in unseren Herzen höchst vollkommen sein. Wir finden aber, dass die Sache sich liier anders verhalt, und mussen wir hierbei wissen, dass Er (Gott) seinerseits zwar unschwer zu erfassen ware, da er ja auf der Endstufe der Vollkommenheit steht, wegen unserer schwachen Geisteskrafte aber, und weil dieselben rait dem Stoff und Nichtsein verwickelt sind, ist die Erfassung des Höchsten so schwierig und unsere Vorstellung von demselben so schwer. Wir sind zu schwach ihn so zu denken, wie sein Sein wirklich ist. Denn seine übergrosse Vollkommenheit übernimmt uns so , dass wir ihn uns nicht vollstandig vorstellen können. Dies ist nun so wie mit dem Strahl. Der Lichtstrahl ist das erste, vollendetste, und sichtbarste Sehobject, durch ihn werden erst alle anderen Sehobjecte erschaut. Derselbe ist die Ursache davon, dass die Farben geschaut werden. Daraus müsste man folgern dass, je vollkommener und grösser er ist, der Bliek ihn desto vollkommener auch erfassen müsse. Wir wissen aber, dass die Sache sich urngekehrt verhalt. Je gröser der Strahl ist, desto schwacher ist unser Erschauen desselben. Dies ist aber so, nicht etwa deshalb, weil der Strahl so verborgen und mangelhaft ware, denn an sich ist er höchst klar und leuchtend, aber seine Lichtvollkommenheit hindert die Augen und so wird der Bliek von ihm her verwirrt. Dasselbe gilt nun auch von der ersten Ursache, dem Urintellect und dem Urwahren und unserem Geist. Das Geistbild (intelligibile) von ihm ist bei uns so mangelhaft nicht etwa, weil er an sich so mangelhaft ware, auch ist un- sere Erfassung desselben nicht deshalb so schwierig, weil die Schwierigkeit in seinem Sein laege, sondern deshalb, weil die Krafte unseres Geistes so schwach sind, können wir ihn nur schwer vorstellen. Somit sind die Intelligibilia (Geistbilder) in uns so mangelhaft und unsere Vorstellung davon so schwach [13]. Das kann nun auf zwei Arten stattfinden. Einmal könnte von seinem Wesen her es unmöglich sein, dass er vollstandig vorgestellt und gedacht würde und zwar wegen der Schwache seines Seins und wegen der Mangelhaftigkeit seines Wesens und seiner Substanz, oder aber es steht zwar frei, ihn vollstandig und vollkommen vorzustellen und zu denken, jedoch ist unsere Einsicht und sind die Krafte unseres Geistes daran gehindert, weil sie so schwach sind und der Substanz dieser Sache so fern stehn, dass wir ihn nicht so vollstandig und so vollkommen, wie er ist, uns vorstellen können. Von diesen beiden Arten steht nun eine jede auf dem aüssersten Ende des Seins, der andern gegenüber, und steht die eine auf der höchst volkominenen, die andere auf der höchst mangelhaften Stufe. Da wir nun mit dein StofF umkleidet sind, so muss dies die Ursache davon sein, dass unsere Substanz eine solche ist, dass sie von der Ursubstanz weit absteht. Sobald unsere Substanz ihm naher steht, ist unsere Vorstellung von ihm vollendeter, sicherer und wahrer. Denn so oft wir naher daran sind uns vom Stoff zu trennen, ist auch unsere Vorstellung von Gott vollstandiger. Wir kommen ihm aber nur dadurch naher, dass wir zum actuellen Geist werden. Wenn wir uns aber vom Stofif ganz trennen, wird das Intelligibile (GeistbildJ von ihm in unserem Geist möglichst vollkommen. VI. Gottes Grosse, Herrlichkeit und Hoheit. Mit seiner Grosse, Herrlichkeit und Hoheit verhalt es sich ebenso, denn diese drei sind am Ding immer nur, je nach der Vollkommenheit desselben, vorhanden, sei es dass sie in seiner Substanz, im Accidens oder in seinen Specialitaten statt finden. Meistens redet man bei uns nur von einer, in einem unserer Accidentien stattfindenden, Vollkommenheit , so vom Reichtum und vom Wissen, oder auch von einem Accidens des Leibes. Da nun aber beim Ersten seine Vollkommenheit klar vor jeder andern Vollkommenheit hervortritt, ist auch seine Grosse, Herrlichkeit und Hoheit an allem Grossen und Erhabenen oöenbar. Seine Grosse und Hoheit sind die Hochpuncte von dem, was er in seiner Substanz, nicht aber in Etwas anderem ausserhalb seiner Substanz und seines Wesens hegt. Somit ist er schon in seinem Wesen und seiner Hoheit mit Grosse begabt, sei es, dass ein andrer ihn gross, herrlich und hoch preist, oder dies nicht tut. Von Schönheit, Anmut, Schmuck redet man bei allem Vorhandenen nur, wenn das Sein desselben als das Vorzüglichste befunden wird und ihm die letzte (höchste) Vollkommenheit zukommt. Da nun im Ersten das Sein das vorzüglichste aller Sein ist, und seine Schönheit alles Schone übertrifft, dasselbe auch von seiner Zierde und Anmut gilt, diese alle ihm aber in seiner Substanz und seinem Wesen zukommen, liegt dies alles in seiner Seele sofern er sein Wesen denkt; [14] bei uns aber haften Schönheit, Zierde, Anmut nur an unseren Accidentien, nicht aber an unserem Wesen. Auch findet dies bei uns wegen solcher Dinge statt, die ausser uns, nicht aber in unserer Substanz liegen, in Ihm dagegen bilden Anmut und Vollkommenheit nur ein Wesen. Dies gilt auch von allen übrigen Eigenschaften. Lust, Freude, Wohlsein werden zumeist nur dadurch erzeugt und finden zumeist nur dadurch statt, dass das schönste, anmutigste und lieblichste in sicherster und vollendetster Wei se erfasst wird. Wie er nun das höchst Schone, Anmutigste und Lieblichste ist, ist auch seine Erfassung, seinem Wesen nach, die höchst sichere auch ist sein Wissen von seiner Substanz schlechthin das vorzüglichste Wissen. Auch die Lust, welche der Erste empfindet, können wir in ihrer eigentlichen Art und Weise nicht verstehn, auch können wir das Maass ihrer Grosse nur durch Analogie und durch die Beziehung auf die Lust, welche wir hier als die vollkommenste und schönste in sicherster und vollendetster Weise erfahren haben, verstehn, seis durch sinnliche Wahrnehmung, seis durch Vorstellung oder geistiges Wissen. Hierbei haben wir eine solche Lust, dass wir sie für grösser halten als jede andre, und halten wir das davon in unserer Seele empfundene Wohlsein für das höchste, selbst wenn dieser Zustand bei uns nicht lange besteht und schnell vergeht. So ist denn sein Wissen und seine Erkenntniss seines vorzüglichsten, schönsten, anmutigsten Wesens analog unserem Wissen und unserer Erkenntniss von dem, was uns für das Schönste und Anmutigste gilt. Ebenso steht auch seine Freude, Lust, und das Wohlbefinden seiner Seele mit dem, was wir als höchste Lust, Freude und Wohlsein in unserer Seele erreichen, in Analogie. Soinit steht unsere Erkenntniss zu der Seinigen und unser Wissen zu dem Seinigen und das für uns Schönste zum Schönsten seines Wesens in gar keinem Verhaltniss, oder, wenn es ein solches überhaupt giebt, in einem sehr geringen Verhaltniss. Auch steht dann unserer Seele Ergötzen, ihre Freude und ihr Wohlbefinden zu dem des Ersten in keinem oder, wenn es ein solches giebt, doch nur einem sehr geringen Verhaltniss. Denn wie könnte ein Verhaltniss bestehn zwischeu dem, was nur ein kleiner Teil ist, zu dem, dessen Maass der Zeit nach unendlich ist, oder zwischen dem, das sehr sehr mangelhaft ist zu dem, was höchst vollkommen ist! Wenn nun das Ergötzen und die Freude am eignen Wesen sehr gross ist, und man sich auch des höchsten Wohls erfreut, so liebt, ersehnt und bewundert man sein Wesen sehr. Nun ist klar, dass der Erste sein Wesen so ersehnt, liebt und bewundert, wie es ihm entspricht. Er steht zu unserer Liebe zu dem, was uns von der Vorzüglichkeit unseres Wesens erfreut, [15] in demselben Verhaltniss, wie sich die Vorzüglichkeit seines Wesens d. h. die Vollkommenheit desselben zu unserer Vorzüglichkeit und unserer Vollkommenheit, die wir von uns aus bewundern, verhalt. Bei ihm ist das, was liebt zugleich grade das, was geliebt wird, das Bewundernde ist bei ihm zugleich das von ihm Bewunderte, von ihm ist das sich Sehnende zugleich das Ersehnte. Das ist nun grade umgekehrt als bei uns. Denn das von uns Ersehnte ist die Vorzüglichkeit und die Schönheit, aber nicht ist das, was von uns sich sehnt, die Schönheit und Vorzüglichkeit, vielmehr hat das sich Sehnende ein andres Wesen und dieses ist nicht dem Ersehnten eigen, auch ist nicht das, was bei uns sich sehnt, das Ersehnte selbst. Bei ihm aber ist das von ihm, was sich sehnt, selbst das Ersehnte, das Liebende in ihm selbst das Geliebte. So ist Er denn das Erstgeliebte und Erstersehnte, mag ihn ein Andrer lieben oder nicht, mag ihn ein Anderer ersehnen oder nicht. VII. Wie alles Yorhandene von Ihm aus hervorgeht. Das Erste ist nun das, von dem aus alles ins Sein gerufen ward. Da nun nur für das Erste das ihm zugehörige Sein hervortrat, so folgte notwendig, dass von ihm aus das übrige Yorhandene, dessen Sein weder von dem Willen des Menschen noch von seiner Willkür herrührt, so wie es ist, hervorgerufen ward. Ein Teil hiervon wird durch die Sinne bezeugt, ein andrer wird durch Beweis gewusst. Das Sein dessen, was von ihm (dem Ersten) aus hervorging, kann nur in der Weise eines Ergusses ins Dasein getreten sein. Seine Existenz ist also nur da wegen der Existenz eiaes Andern und zwar so, dass das Sein des Zweiten von seinem (des Ersten) Sein sich ergoss. In dieser Weise ist aber die Existenz dessen, was von ihm aus hervorging, nimmer irgendwie eine Ursach für dasselbe (Erste). auch nicht einmal in so fern als dasselbe Endziel vom Sein des Ersten ware. Dies ware dann etwa so wie die Existenz des Sohns, als eines solchen, Endziel ware vom Sein seinei beiden Aeltern, als solchen. Das heisst, dass das von ihn: hervorgerufene Sein ihm irgend eine Vollkommenheit verliehe, so wie dergleichen bei einer grossen Menge der von uns herrührenden, Dinge statt hat. » Wenn wir z. B. einem Andern Geld geben, so suchen wir von demselben eine Ehre, ein Vergnügen oder etwas andres Gutes zu erhalten. Nimmer aber kann dergleichen Ibm (Gott) irgend eine Vollkommenheit verleihn, somit gilt Tom Ersten: Seine Existenz war nimmer wegen eines Andern da; auch wird durch ihn nimmer etwas Andres so hervorgerufen, dass das Endziel seines Seins das ware, dass er alle Dinge hervorriefe, und es somit für sein Sein eine Ursache, ausser ihm, gabe, und Er somit nicht ein Erstes ware; auch erreichte er dadurch, dass er dem, was ausser ihm ist, das Sein verlieh, nimmer eine Vollkommenheit, die er vordem, ausser der, in welcher er bestand, nicht gehabt hatte. [16]. Dies ware etwa so wie der, welcher mit seinem Vermogen oder andren Dingen Gutes tut und durch diese Spendung eine Lust, eine Ehrung, eine Herrschaft oder ein andres Gut sich erwirbt. Irgend so etwas im Ersten anzunehmen ware absurd, denn dies würde ja sein Zuerstsein und seinen Voraufgang vor allen Dingen zu Falie bringen und würde etwas andres als ein vor ihm Früheres, als Ursach seines Seins, setzen. Vielmehr ist beim Ersten sein Sein nur wegen seines Wesens da, seine Substanz und sein Sein hangt ihm fest an und folgt daraus, dass von ihm aus das Andre ins Dasein gerufen wurde. Deshalb liegt nun sein Sein, woraus das Sein auf das Andre sich ergoss, grade in seiner Substanz, und ist sein Sein, worin seine Substanziirung in seinem Wesen stattfand, grade dasjenige, von dem das Sein des Anderen von ihm aus stattfindet. Er teilt sich aber dabei auch nicht in zweierlei, sodass die Substanziirung seines Wesens durch das Eine, der Her- vorgang von Etwas andrem von ihm aus aber von dem Andern aus geschehe. Dies ware etwa so, wie wenn wir uns substanziiren durch das Eine von zweien namlich die Rede; durch das Andre aber schreiben d. h. die Schreibkunst; vielmehr ist Er dagegen nur ein Wesen und eine Sub- O O stanz. in ihm geschieht seine Substanziirung und grade auch in ihm hat der Hervorgang eines Anderen, von ihm aus, statt. Er bedarf auch nicht dazu, dass von seinem Sein aus das Sein von Etwas anderem hervorgehe, irgend eines Dings in ihm, ausser seines Wesens auch bedarf er dazu keines Accidens' in ihm, noch auch einer Bewegung, durch die er einen Zustand, den er vorher nicht gehabt, gewanne, auch keines Werkzeugs ausserhalb seines Wesens; wie etwa das Feuer dazu, dass von ihm und dem Wasser aus Dampf entstehe der Hitze bedarf, durch die das Wasser zu Bauch wird, oder wie die Sonne, welche, um alles um uns her zu er warmen, sich bewegen muss, auf dass sie durch die Bewegung einen Zustand gewinne, den sie vorher nicht hatte. Dann erst entsteht von ihr aus, und durch den Zustand, den sie gewann, eine Warme in den Dingen bei uns. Ebenso bedarf auch der Tischler des Beils und der Saege um im Holz Trennung, Schneiden und Spalten, von sich aus, hervorzubringen. Gottes Sein wird aber dadurch, dass von ihm das Sein eines Andern hervorgeht, kein vollkommneres als das schon war, welches in seiner Substanz beruht; auch ist sein Sein, das iu seiner Substanz besteht, kein vollkommeneres als das ist, aus dem das Sein von Etwas anderem hervorging, vielmehr sind beide zusammen ein Wesen; auch ist es unmöglich, dass irgend eine Hinderung ihm, weder von ihm , noch irgend wie von Etwas ausser ihm, so erstehe, dass das Sein von etwas Andrem aus ihm sich nicht ergiesse. [17] VIII. Die Stufen des Yorhandenen. Der vorhandenen Dinge giebt es viele und ringen sie in ihrer Yielheit mit einander um den Yorzug. Seine (des Ersten) Substanz ist aber eine solche, dass von ihr alles Sein, wie es auch sei, vollkommen oder mangelhaft, ausströmt. Seine Substanz ist ferner eine solche, dass, wenn von derselben alles Yorhandene nach Ordnung ihrer Stufen ausgeströmt ist, einem jeden Yorhandenen der ihm zukommende Teil vom Sein, so wie auch seine rechte Stufe, von Ihm aus, zukommt. Den Anfang macht das, was vollkommensten Seins ist, dann folgt das um weniges Geringere und so folgt immerfort das um weniges Geringere bis man zu dem Vorhandenen kommt, das so beschafïen ist, dass, wenn man von da nach unten stiege, man zu dem kame, was überhaupt nicht mehr sein kann, sodass das Yorhandene hier aufhören würde, vorhanden zu sein. Somit steht seine Substanz als eine solche da, dass von ihr alles Vorhandene ausströmen kann, ohne dass ihr ausser ihrem Sein noch eine Specialiteit zukame. Somit ist er freigebig, doch liegt seine Freigebigkeit in seinem Wesen. Es ordnet sich von ihm aus das Vorhandene und kommt einem jeden desselben sein richtig Teil vom Sein, je nach seiner fetufe, zu. Ferner ist er gerecht und liegt seine Gerechtigkeit schon in seiner Substanz, auch findet dieselbe nimmer von Etwas ausserhalb seiner Substanz Liegendem aus statt. Seine Substanz ist ferner eine solche, dass wenn alles Vorhandene auf seinen Stufen, eins mit dem andern, wobl gefügt, verknüpft und gereiht ist, dadurch die vielen Dinge eine Gesammtheit bilden und wie ein Ding werden. Das aber, wodurch sie sich ordnen und fügen lassen, liegt bei einigen der Dinge in ihrer Substanz, sodass ihre Substanzen, in welchen ihr Sein statt bat, das sind, wodurch sie sich fügen und sich ordnen lassen. Bei anderen Dingen aber liegt dies iu den Zustanden, die an ihnen eine Folge ihrer Substanzen sind. Dies gilt z. B. von der Liebe. Durch dieselbe verbinden sich die Menschen mit einander, dieselbe ist zwar ein Zustand in ihnen, doch bestebt dieselbe nicht in denjenigen ihrer Substanzen, durch die ihre Substanz statthat. Aber auch diese Liebe ist vora Ersten her gespendet, denn in der Substanz des Ersten liegt, dass bei vielen von den vorhandenen Dingen von ihrn (dem Ersten) aus, auch die Zustande statthaben, durch die eins mit dem andern sich ordnet, fügt und reiht. IX. Ueber die Namen, mit denen man den hochgepriesenen Ersten benennen muss. Die Namen, mit denen man den Ersten benennen muss, sind dieselben, [18] welche auch bei uns das Vorhandene und zwar das vorzüglichst vollkommene und das vortrefflichste Sein bezeichnen, jedoch ohne dass dann einer dieser Namen die Vollkommenheit und Vorzüglichkeit bezeichne, die wir gewöhnlich unter diesen Namen von dem bei uns Vorhandenen, und wenn es das vortrefflichste ist, verstehn. Vielmehr gel ten sie bei ihm nur von der Vollkommenheit, welche ihm in seiner Substanz schon eignet. Es giebt ferner bei den Vollkommenheiten, die wir ge- wöhnlicli mit diesen vielen Namen bezeichnen, viele Arten. Man darf aber nicht glauben, dass die mit den vielen Namen bezeichneten vielen verschiedenen Vollkommenheiten viele Arten bilden, auf die sich das Erste verteilen lasse und in deren Gesammtheit es sich substanziire, vielmehr muss man unter diesen vielen Namen doch immer nur eine Substanz und ein durchaus unteilbares Sein verstehn. Die Namen, welche in den Dingen hier bei uns die Vollkommenheit und Vorzüglichkeit bezeichnen, geben zum Teil das an, was diese Dinge in ihrem Wesen haben, nicht aber bezeichnen sie dieselben, sofern sie mit etwas Andrem ausser ihnen in Beziehung stehn. Dies gilt von Ausdrücken wie «Yorhanden, Einer, Lebendig». Andere Namen aber deuten auf das hin, was dem Ding in Beziehung auf Etwas andres ausser ihm, eignet, so «Gerechtigkeit, Güte». Diese Namen bezeichnen an dem hier Befindlichen eine Vorzüglichkeit und Vollkommenheit, die, in Beziehung auf etwas Anderes ausser ihnen, als ein Teil dieser Vollkommenheit so besteht, dass auch diese Beziehung als ein Teil von dem, mit diesem Namen Bezeichneten, da ist und zwar dadurch, dass dieser Name oder diese Vorzüglichkeit und Vollkommenheit in der Beziehung auf etwas andres besteht. Wenn nun dergleichen Namen übertragen werden und das Erste damit bezeichnet wird, so erstreben wir damit, dass eine Beziehung bezeichnet werde, die dasselbe (Erste) auf Etwas Andres durch das, von ihm ausströmeude, Sein hat. Dann aber müssen wir diese Beziehung nicht als einen Teil von seiner Vollkommenheit setzen. Auch setzen wir nicht die mit diesem Namen bezeichnete Vollkommenheit als Etwas, was durch diese Beziehung besteht, vielmehr mussen wir dann damit eine Substanz und eine Vollkommen- heit bezeichnen, von der diese Beziehung eine notwendige Folge ist, so wie wir auch aussagen, dass diese Beziehung in dieser Substanz besteht, und dass diese Beziehung eine Folge davon ist, dass seine Substanz grade die ist, welche mit diesem Namen bezeichnet wird. [19] X. Ueber das Vorhandene zweiter Stufe und Wie die Yielheit entsteht. Es ergiesst sich aus dem Ersten das Sein des Zweiten. Dieses Zweite ist ebenfalls eine durchaus unkörperliche Substanz, die nicht in einera Stoff vorliegt. Dasselbe (Zweite) denkt sein Wesen und denkt auch das Erste. Das nun, was es von seinem Wesen denkt (das Geistbild, Ideal desselben) ist nichts andres als sein Wesen. Dadurch dass es das Erste denkt, geht notwendig von ihm aus ein drittes Sein hervor und sofern es sich in dem ihm eignenden Wesen substanziirt, muss notwendig von ihm das Sein des ersten Hiinmels (als das Dritte) hervorgehn. Vom Dritten aber gilt nun ebenfalls: Sein Sein ist nicht im Stoff. Das Dritte ist seiner Substanz nach Geist (Intellect). Es denkt sein Wesen und denkt auch das Erste. Dann geht notwendig, sofern es sich aus dem, ihm eignenden, Wesen substanziirt, das Sein der Fixsternsphaere aus ihm hervor. Dadurch aber dass es das Erste denkt (wörtlich: durch das was es vom Ersteu denkt) geht von ihm notwendig eine vierte Existenz aus. Auch diese ist nicht in einem Stoff. Dies Vierte denkt sein Wesen und denkt das Erste. Dadurch, dass es sich aus dem, ihm eignenden, Wesen substanziirt, geht notwendig aus ihm die Saturnsphaere her- vor, dadurch aber dass es das Erste deukt, geht notwendig von ihm ein fünftes Sein hervor. Auch von diesem Fünften gilt: sein Sein ist nicht in einem Stoff. Es denkt sein Wesen und denkt das Erste. Dadurch dass es sein Wesen denkt, geht notwendig von ihm die Jupitersphaere hervor und dadurch dass es das Erste denkt, geht von ihm ein sechtes Sein aus. Auch dessen Existenz liegt nicht in einem Stoff. Es denkt sein Wesen auch denkt es das Erste. Sofern es sein Wesen denkt, geht notwendig von ihm das Sein der Marssphaere hervor und sofern es das Erste denkt, geht notwendig von ihm eine siebente Existenz hervor. Auch dessen Sein liegt nicht im Stoff. Es denkt sein Wesen und denkt das Erste. Sofern es sich aus seinem Wesen substanziirt, geht notwendig von ihm aus das Sein der Sonnensphaere hervor, sofern es aber das Erste denkt, geht von ihm ein achtes Sein aus. Auch von diesem gilt, sein Sein ist nicht im Stoff. Es denkt sein Wesen und denkt das Erste. Sofern es sich aus dem ihm eignen Wesen substanziirt, geht von ihm die Existens der Venu^ sphaere aus, und sofern es das Erste denkt, geht notwendig von im ein neuntes Sein hervor. Auch bei diesem beruht sein Sein nicht in einem Stoff. Es denkt sein Wesen und denkt das Erste. Sofern es sich aus seinem Wesen substanziirt, geht von ihm notwendig die Existenz der Merkursphaere aus, und sofern es das Erste denkt, geht notwendig von ihm ein zehntes Sein hervor. Auch von diesem gilt: sein Sein liegt nicht in einem btoff. Es denkt sein Wesen und denkt das Erste. Sofern es sich aus seinem Wesen substanziirt, geht notwendig von ihm aus das Sein der Mondsphaere hervor, und sofern es das Erste denkt, entsteht notwendig von ihm aus ein eilftes Sein. [20] Auch dessen Sein beruht nicht auf einera Stoff. Es denkt sein Wesen und denkt das Erste. Jedoch hört bei ihm dasjenige Sein auf, von dem gilt, dass das von ihm ins Dasein gerufene durchaus keines Stoffs oder Substrats bedarf. So weit reichen nun die vom Stoff getrennten Dinge, in deren Substanz nur Denken und Gedachtes (Intellect und Intelligibile) sind. Bei der Mondsphaere hört die Existenz der himmlischen Körper auf d. h. derer, welche ihrer Natur nach, im Kreislauf sich bewegen. XI. Das Vorhandene und die bei uns befindlichen Körper. Die bisher von uns aufgezahlten Dinge sind derartig, dass bei ihnen die höchsten Vollkommenheiten schon in ihren Substanzen, seit Anfang an, liegen. Bei den beiden Letzten, der Mond- und Mercursphaere, hört aber das Sein derselben auf. Diesen beiden folgt dann das, in dessen Natur es nicht liegt, dass die höchste Vollkommenheit schon in seinen Substanzen seit Anfang an vorliegt. Yielmehr tritt bei ihnen der Fall ein, dass zunachst ihr defectestes Sein besteht, dann beginnt es von da sich immer allmahlig zu erheben, bis jede Art davon zur höchsten Vollkommenheit, zunachst in ihrer Substanz dann aber in ihren Accidentien gelangt. Dieser Zustand liegt in der Natur von der Gattung dieser Dinge, ohne dass derselbe von etwas Andrem, ihm fremden her, in sie eindrange. Derselbe (Zustand) ist bei ihnen entweder von Natur schon, oder er ist willentlich , oder aus dem Natürlichen und Willentlichen zusammengesetzt. Das Natürliche hier von ist eine Vorstufe für das Willent- liche und geht zeitlich sein Sein dem Willentlichen vorauf, auch kann das Sein des Willentlichen nicht hervortreten, ohne dass das Natürliche vordem da ist. Die natürlichen Körper hiervon sind aber die Elemente d. h. Peuer, Luft, Wasser, Erde, sowie das ihm gleichartige, wie Dampf, Flamme und andres. Ferner das Mineral, wie die Steine und ihre Gattungen, dann die Pflanzen, endlich die unvernünftige und die vernünftige Creatur. XII. Stoff und Form. Ein jedes dieser Dinge hat seinen Bestand in zweierlei, von denen das Eine wie das Holz des Sessels, das andre wie die Gestaltung desselben sich verhallt. Das nun, was auf der Stufe des Holzes hierbei steht, ist der Stoff [21] oder die Materie, was aber auf der Stufe der Gestaltung desselben steht, ist die Form und die Haltung. Dies gilt auch für alles, was diesen beiden Dingen gleichartig ist. Der Stoff ist ein Substrat, damit daran der Bestand der Form entstehe, die Form aber hat unmöglich Bestand und Sein, an dem, was nicht Stoff ist, somit gilt vom Stoff: sein Sein ist wegen der Form da. Ware also keine Form vorhanden, gaebe es auch keinen Stoff. Die Form ist aber nicht dazu da, dass durch sie der Stoff ins Dasein gerufen werde, sondern damit die Körpersubstanz eine actuelle (wirkliclie) Substanz werde, denn eine jede Art ist nur dann wirklich, und in ihrem vollkommensten Sein vorhanden, wenn ihre Form statt hat. So lange aber nur ihr Stoff ohne die Form vorhanden ist, ist die Art desselben nur virtuell (inöglicherweise) vorhanden. So lange nur das Holz des Sessels, ohne die Form desselben, da ist, ist dasselbe nur ein Sessel der Kraft nack, es wird aber zu einem actuellen Sessel, wenn die Form desselben in seinem Stoff statt hat. Das mangelhaftere von den beiden Sein des Dings ist dasjenige, was in seinem Stoff, das vollkommenere der beiden aber das, was in der Form statt findet. Die Formen dieser Körper stehn nun einander gegenüber und kann eine jede derselben vorhanden sein oder auch nicht vorhanden sein. Der Stoff von einem jeden derselben kann sowohl die Form dieses Körpers, als auch die seines Gegenteils, annehmen, und ist es möglich, sowohl dass in ihm die Form des Dings vorhanden sei, als auch dass sie sich nicht in demselben vorfinde. Yielmehr kann sich dieser Stoff in einer andern als dieser Form vorfinden. Der Elemente giebt es vier, ihre Formen sind einander entgegengesetzt; und kann der Stoff von einem jeden derselben sowohl die Form dieses Elements, als die seines Gegenteils annehmen. So ist denn der Stoff von einem jeden einzelnen Element allen gemeinsam und ist derselbe sowohl ein Stoff für dieses als auch für alle anderen Körper, die unter dem Himmel sind. Denn alles was unter dem Himmel ist, ward von den Elementen aus. Die Elementarstoffe aber haben nicht wieder andre Stoffe (andre Dinge zum Stoff). Somit sind sie (die Elementarstoffe) die gemeinsamen Urstoffe für alle Dinge unter dem Himmel. Keins von diesen ward von Anfang an mit seiner Form begabt, vielmehr wurde jedem Körper zunachst nur sein Stoff verliehn, in dem er in seiner fernliegenden virtuellen, nicht aber in seiner actuellen Existenz statt fand, denn er erhielt zuerst nur seinen ersten Stoff (Urstoff). Deshalb 3 streben dieselben immer der Form zu, in der sie sich substanziiren, (zu Substanzen werden). Dann horen sie nimmer auf sicb weiter zu erheben bis ihnen die Form zu Teil wird, in der ihr actuelles Sein stattfindet. [22] XIII. Die Stufen in den Stoffkörpern und den göttlichen Dingen. Die Ordnung dieser Dinge (d. h. Stoffdinge) besteht darin, dass das Geringste zu erst steht, und darauf immer das Yorzüglichere folgt, bis man mit dem Vorzüglichsten, worüber nichts gebt, abschliesst. Das Geringste ist der allgemeine Urstofï, vorzüglicher sind schon die Elemente, dann folgen die Minerale, dann die Pflanzen, dann die unvernünftige und darauf die vernünftige Creatur. Darüber giebt es nichts vorzüglicheres. Bei den oben erwahnten Dingen (d. h. den himmlischen Dingen) ordnet sich dagegen als Erstes das Vorzüglichste, dann folgt immer das Mangelhaftere bis man zum mangelhaftesten gelangt. Das Vorzüglichste und Vollkommenste ist also das Erste. Von den Dingen aber, die vom Ersten aus herrühren, ist das, was weder Körper ist, noch von Körpern herrührt (d. h. das nur Denkbare), das Vorzüglichste von allen. Nach ihm folgt das Himmlische. Das Vorzüglichste von diesen Immateriellen ist das zweite, und darauf kommt der Reihe nach das Uebrige bis zum Elften. Der vorzüglichste der Himmel ist der Erste und folgt dann der Zweite, dann aber die übrigen der Reihe nach bis zum elften, das heisst dem Mondkreis. Der immateriellen Dinge nach dem Ersten giebt es Zehn , und sind die (wirklichen) Himmelskörper insgesammt Neun, somit alle zusammen Neunzehn. Jeder Einzelne jener Zehn steht in seinem Sein und auf seiner Stufe allein da, und kann unmöglich sein Sein noch einem andern Ding ausser ihm angehören. Denn dieses Andre, wenn es überhaupt etwas andres ist, muss notwendig etwas an sich haben, wodurch es sich vom jenern unterscheidet, und ware dann das, was sich vom jenem sondert, grade das ihm eignende Wesen. Dann aber ware das Sein, welches diesem Ding eignet, nimmer auch das, worin jenes vorhanden ist. Dann ist das Sein der Beiden aber nicht Eins, vielmehr hat dann jedes Einzelne der Beiden etwas, was ihm speciell eignet. Auch ists unmöglich dass Es ein Gegenteil habe, denn das einen Gegensatz habende hat einen StoS, der ihm und seinem Gegensatz gemeinsam ist. Es ist aber unmöglich, dass Etwas von diesen (Immateriellen) einen Stoft habe. Ferner, bei dem zu einer Art Gehörigen bilden sich viele Individuen und zwar deshalb, weil die Form dieser Art so viele Substrate hat, was aber immateriell ist, bei dem ists unmöglich, dass innerhalb seiner Art noch Etwas andres sei als Es. [23] Endlich können die Gegensatze nur entstehen, entweder aus Dingen, deren Substanzen einander gegenüberstehn, oder aus Etwas dessen Zustande und Verhaltnisse schon in seinem Substrat einander gegenüberstehn. So z. B. Kalte und Warme, denn beide rühren zwar von der Sonne her, die Sonne hat aber die zwei verschiedenen Zustande, den der Ferne und den der Nahe. Sie lasst somit aus ihren zwei Zustanden einander entgegengesetzte Zustande und Verhaltnisse entstehn. Beim Ersten ists aber unmöglich, dass er ein Gegenteil habe, auch sind nimmer seine Zustande dem Zweiten entgegengesetzt, auch ist sein Verhaltniss zum Zweiten nimmer ein einander entgegengesetztes. Ebenfalls kann auch im Zweiten ein solcher Gegensatz nicht stattfinden, ebenso auch nicht im Dritten, und sofort bis zum Zehnten. Denn jedes Einzelne von den Zehn denkt sein Wesen und denkt das Erste, und nimmer liegt in Einem von ihnen ein Genüge dazu vor, dass es von so vorzüglichem Sein ware, um sein Wesen allein zu denken, vielmehr erfasst dasselbe die vollkommene Vorzüglichkeit nur dadurch, dass es mit seinem Wesen zusammen auch das Wesen der ersten Ursache denkt und je nachdem die Vorzüglichkeit des Ersten grösser ist als die Vorzüglichkeit seines Wesens, ist, sofern es das Erste denkt, sein Wohlbefinden in seiner Seele grösser, als dasselbe ist, wenn es nur sein Wesen denkt. — Dasselbe gilt auch von der Lust an seinem Wesen. Sofern es das Erste denkt, ist die Lust grösser als sofern es sein Wesen denkt und zwar je nachdem die Vollkommenheit des Ersten die Vollkommenheit seines eignen Wesens überragt. So ist es auch mit der Bewundrung seines Wesens und seiner Liebe zu ihm. Wenn eins jener Zehn das Erste denkt, ist die Bewundrung desselben grösser als die Bewundrung seines Wesens, auch ist seine Liebe in diesem Fall grösser als wenn es nur sein Wesen denkt und zwar um so viel als die Anmut und Schönbeit des Ersten die Anmut und Schönheit seines Wesens übertrifft. So wird dann der Liebende ein Erstes und der Bewundernde ein Erstes und zwar dadurch, dass er das Erste denkt, aber ein Zweites, sofern er sein Wesen denkt. Somit ist auch der Erste der Erstgeliebte und Erstbewunderte seiner Beziehung zu diesen Zehn entsprechend. XIV. Das Gemeinsame bei den Himmelskörpern. Die Himmelskörper bilden neun Gesammtmassen auf neun Stufen. Eine jede dieser Gesammtmassen ist von einem Rundkörper (Sphaere) umschlossen. Der Erste derselben umfasst nur einen Körper und bewegt sich in e i n e r sehr schnellen Rundbewegung. Der Zweite ist aber eine Sphaere, die Körper, deren Bewegung eine gemeinschaftliche ist, umschliesst. Diese Sphaere hat nur zwei Bewegungen, an denen alle von ihr umschlossene Körper Teil haben. Bei der Dritten und weiter bis zur vollendeten neunten Sphaere umschliesst [24] eine jede der Sphaeren viele verschieden sich bewegende Körper, die sich, in den ihnen eignenden Bewegungen, bewegen, doch haben sie auch an den andren Bewegungen gemeinschaftlich Anteil. Alle diese Körper bilden nur eine Gattung, doch zerfallen sie in verschiedene Arten. Es kann in einer jeden derselben nur einen Körper der Zahl nach geben, an dem nichts andres Teil hat. So nimmt an dem Sein der Sonne nichts andres, ihr gleichartiges, Teil, sie steht allein in ihrem Sein. Dasselbe gilt vom Mond und den übrigen Gestirnen. Die Sphaeren haben Substrate, welche den für alle Formen gesetzten Stoffen ahnlich sind, so wie sie auch solche Dinge in sich legen, die in ihnen gleichsam substanziirte Formen sind. (d. h. die Planeten.) Dass diese Dinge in diesen Substraten bestehn, beruht nur darin, dass ihre Formen keine Gegensatze haben können, und das Substrat eines jeden von ihnen unmöglich eine andre als diese Form annehmen kann, auch ists unmöglich, dass sie je frei davon waren. Weil nun die Substrate ihrer Formen durchaus kein Nichtsein in irgend einer Weise haben, auch ihren Formen kein Nichtsein gegenübersteht, so sind ihre Substrate solche, dass sie nicht ihre Formen daran hindern, geistig zu erfassen und schon ihrem Wesen nach Geist (Intellect) zu sein. Somit ist ein jedes derselben in seiner Form actuell Intellect. Es denkt in ihr (dieser Form) das Wesen des Immateriellen, von dem das Sein dieses Körpers ausgeht; auch denkt es das Erste. — Aber nicht ist alles, was es von seinem Wesen denkt, Intellect; denn es denkt (auch) sein Substrat, und sein Substrat ist nicht Intellect. Wenn es aber nicht sein Substrat sondern nur seine Form denkt, so liegt in ihm ein Intelligibile (Denkbares), was nicht denkt. Somit denkt es alles von dem, in welchem seine Substanziirung und seine Formung stattfindet. Das heisst seine Substanziirung liegt in einer Form und einem Substrat. Hierdurch trennt es sich vom Ersten und den zehn, vom Stoff und jedem Substrat, freien Dingen. Der Mensch hat nun im Stoff mit diesem (Intellect) Gemeinschaft, er hat auch sein Wohlbefinden in seinem Wesen nicht dadurch, dass er nur sein Wesen denkt, sondern dadurch, dass er das Erste denkt und dann dadurch, dass er das Wesen des Immateriellen, von dem sein Sein stammt, geistig erfasst. Auch hat er mit dem Immateriellen durch seine Liebe zum Ersten sowie auch in der Bewundrung desselben in seiner Seele Gemeinschaft, da er ja von der Anmut des Ersten und seiner Schönheit Kraft schöpft. Nur steht er hierin bei weitem jenen Zehn (Idealen) nach. Er hegt unter allem, was die Stofflichkeit mit ihm gein einschaftlich hat, das Erhabenste und Yorzüglichste, an sich. So hat er von den Gestalten die vorzüglichste, namlich die rundliche, und von den geordneten (Qualitaten) Eigenschaften die vorzüglichste namlich den Strahl. Denn einige Teile (der Welt) bewirken Strahl, namlich die Gestirne, [25] auch sind einige ihrer Teile wirklich transparent (d. h. die Sphaeren), denn sie sind sowohl schon von selbst von Licht voll, als auch durch das Licht, was sie von den Sternen erhalten. Auch haben sie (die Sterne und Sphaeren) von allen Bewegungen die vorzüglichste, namlich die Rundbewegung. Auch haben sie mit jenen Zehn das gemeinsam, dass sie mit dem Yorzüglichsten von dem, wodurch sie sich substanziirten, vom ersten Anfang her begabt sind. Dies gilt von ihren Grossen, Gestaltungen und den ihnen eignenden, wohl geordneten Qualitaten. XV. Worin, wem zu und weshalb die Himmelskörper sich bewegen. Der Mensch unterscheidet sich von den Himmelskörpern darin, dass sie unmöglich, von Anfang an, mit dem begabt sein können, worauf hin sie sich bewegen (d. h. mit dem Ziel ihrer Bewegung). Die Bewegung auf irgend ein Ziel hin gehort aber zu den geringsten und dürftigsten Accidentien, die im Körper statthaben. Dies daher, weil ein jeder Körper an irgend einem Wo (Ort) sein muss. Die Art des Wo, die einem dieser (Welt)körper eigen ist, muss das um irgend einen Körper Herumliegende sein. Von einem Körper, der ein solches Wo hat, ists unmöglich, dass er ganz von der Gesammtheit dieses Orts fort (wo anders hin) versetzt werde. Jedoch zerfallt diese Art de3 Wo in Teile, auch hat der Körper, in diesem Wo, Teile. Nun ist keiner von den Teilen dieses Körpers würdiger als ein andrer, ein Teil von den Teilen des Ringsum zu sein, vielmelir muss notwendig jedem Teil vom Körper je ein Teil des Ringsum angehören. Auch kann derselbe unmöglich in irgend einer Zeit demselben (seinem Gegenpunbt) melir entsprechen, als in einer andern, vielmehr ist dies stets zu jeder Zeit gleich. Sobald nun ein Teil von diesem Körper bei irgend einem Teil des Ringsum ist, muss notwendig der Teil, welcher für ihn vorn ist auch das Vorn von jenem bilden. Nimmer können somit zwei Teile in einer Zeit zusammenkommen. Dann aber ist notwendig, dass derselbe den Punct, in dem er ist, verlasse und zu dem komme, der vor ihm liegt, bis er so alle Teile des Ringsum durchgemacht hat. Denn der Teil, welcher grade dort ist, ist nicht in einer Zeit dazu würdiger als in einer andern und so ists notwendig, dass dies (dieser Wandel) immerfort bei ihm statthabe. Somit ist es unmöglich, dass dieser Teil ihm etwa deshalb immer so verbleibe, weil er einmal der Zahl nach und einmal der Art nach so ware, und zwar deshalb, weil er zu einer Zeit dort befunden wird, ein ander Mal aber nicht. Darauf kommt er wieder zu einem, jenem in der Art gleich en Punct, darauf verlasst er ihn eine Weile und kommt er wieder zu einem Dritten Gleichen. Auch diesen verlasst er nach einer Weile und kommt er dann wieder zu einem Vierten und so gehts mit ihm immerfort. Somit ist klar, dass die Punkte, von denen jener Teil sich fortbewegte, so wie sein Stellenwechsel [26] und dann seine Rückehr zu ihnen in ihrem Verhaltniss zu dem Körper stehn, um den herum der Himmel sich befindet. Der Begriff »Verhaltniss" liegt darin, dass man sagen kann, dieses steht zu dem bin und dieses von dem fort und dergleicben mehr, sofern namlich der BegriS des Wo die Beziehung des Körpers zu der Flache des ihn deckenden Körpers bezeichnet. Jeder Himmelskörper ist in einer Spbaere d. h. körperlichen Kr eis. Die Verhaltnisse seiner Teile zu den Teilen einer Flacbe (Oberflache) von dem unter ihm liegenden Körper wechseln immerfort und kehrt ein jeder von ihnen in der zukünftigen Zeit zu dem voraufgegangenen, ahnlichen Yerhaltniss zurück. Das Verhaltniss von Ding zu Ding ist aber das dürftigste und von der Substanz des Dings am fernsten liegende Accidens, was es nur giebt. Jede einzelne der Sphaeren und körperlichen Kreise, in denen eine Bewegung, dem Ringsum zu, herrscht, hat entweder eine sehnellere oder langsamere Bewegung als die andre ist. Das gilt z. B. von der Sphaere des Saturn und der des Mondes. Die Mondsphaere ist von schnellerer Bewegung als die Saturnsphaere. XVI. Ueber die in den Kreisbewegungen vorhandenen Zustande und die ihnen (den Gestirnen) gemeinsame Natur. Die Differenz in den Sternbewegungen entspricht nicht ihren Beziehungen auf etwas andres als sie, sondern sie liegt in ihnen selbst und in ihrem Wesen. Der Langsame unter ihnen bleibt immer langsam and ebenso der Schnelle immer schnell. Ferner aber sind die Lagen vieler Himmelskörper von der Mitte und von dem unter ihnen Liegenden verschieden und wegen der Yerschiedenheit dieser ihrer Lagen, hangt einem jeden derselben ein specielies Accidens dafür an, dass sie entweder um die Erde rasch eilen, oder aber langsam gehn. Dies findet also noch ausser dem statt, dass der Eine stets schnell and der Andre stets langsam geht, so wie dies für die Bewegung des Saturn und die des Mondes gilt, auch dass es ihnen in der Beziehung des Einen zum Andern anhangt, dass sie einmal zusammenkommen, ein andermal sich trennen, und der Eine zum Andern im Gegensatz steht, Ferner, dass sie bisweilen einem unter ihnen Stehenden bald nah bald von ihm fern stehn, dass sie einmal sichtbar ein andermal verborgen sind. Alle diese Gegensatze hangen ihnen weder in ihren Substanzen, noch in den ihren Substanzen naheliegenden Accidentien an, sondern sie liegen in den Verhaltnissen des Einen zum Andern. Dies gilt auch vom Aufgang und Untergang. Beides sind zwei einander entgegengesetzte Verhaltnisse, [27] die sie zu dem, unter ihnen Liegenden, haben. Der Himmelskörper ist das erste Vorhandene, dem einander Entgegengesetztes anhangt — auch ist er das Erste, in dem ein gegenseitiger Gegensatz stattfindet. Derselbe beruht in den Yerhaltnissen dieses Körpers zu dem unter ihm Liegenden. Die Verhaltnisse des Einen zum Andern und dieses so einander Entgegengesetzte bilden nun die niedrigste Stufe der Gegensatze. »Gegensatz haben" bedeutet aber einen Defect im Sein und hangt somit dem Himmelskörper der Defect in den niedrigsten von allen vorkommenden Dingen an. Die Himmelskörper haben alle zusammen eine ihnen gemeinsame Natur. Durch dieselbe bewegen sie sich alle mit der Bewegung des Ersten von ihnen und zwar einen Rundlauf in Tag und Nacht. Diese Bewegung geschieht bei dem, was unter dem ersten Himmel liegt, aber nicht aus Zwang, da es unmöglich etwas im Himmel geben kann, was zwangsweise liefe. Ferner giebt es zwar auch unter ihnen Unterschiede in ihren Substanzen aber ohne dass sie zu Gegensatzen würden. So giebts einen Unterschied zwischen Saturn und Jupiter, und zwischen einem jeden Stern zum andern , sowie auch zwischen einer jeden Sphaere zur andern. Endlich haftet ihnen, wie wir dies ausführten, ein Gegensatz in ihrem Verhaltniss zu einander an. Es wechseln diese Verhaltnisse, dieselben stehn dabei mit einander im Gegen- 7 O satz, und folgen sie sich auf einander an ihnen. So werden sie denn einmal frei von einem Verhaltniss und gehn sie zum Gegenteil desselben über, dann kehren sie wieder zu dem ersten zurück, von dem sie frei geworden sind und zwar geschieht das der Art aber nicht der Zahl nach. Es herrschen somit bei ihnen Verhaltnisse, die sich wiederholen und kehrt das eine (Gestirn) in langrer, das andre in kürzerer Zeit wieder. Es giebt hier aber auch Zustande und Verhaltnisse, die sich durchaus nie wiederholen. Somit bleibt an ihnen allen haften, dass sie alle von einander entgegengesetzte Beziehungen zu einem Ding haben, und Einige nah von Etwas, andre aber von eben demselben fern stehn. XVII. Ueber die Mittelursachen, aus denen die ürform und der Urstofi hervorg/h^i. Es ist eine nothwendige Folge von der allen Sternen gemeinsamen Natur, dass es für alles unter ihnen Befindliche einen, allen Dingen gemeinsamen, Urstoff giebt. Dagegen rührt von der Verschiedenheit ihrer Substanzen notwendig aucb die Existenz vieler Körper von verschiedenen Substanzen ber. Yon dem Gegensatz ihrer Verhaltnisse und den Beziebungen zu einander stammt aber die Existenz der einander entgegengesetzten Formen ber. Aucb gebt aus dem Wechsel der einander entgegengesetzten Verhaltnisse an den Gestirnen, und der Folge derselben auf einander der Wechsel der einander entgegengesetzten Formen an der Urmaterie hervor, so wie auch ihre Folge auf einander. Daraus nun, dass es einander entgegengesetzte Verhaltnisse und mit einander streitende Beziehungen zu einem Wesen, in einer Zeit, [28] und zwar in einer Menge von Körpern giebt, geht eine Mengung und Mischung in den Dingen hervor, welche einander entgegengesetzte Formen baben, und rühren von diesen verschiedenen Mischungen viele Arten von Körpern her. Von den sich wiederholenden und wiederkehrenden Beziehungen der Sterne rühren dann die sich in der Existenz wiederholenden Dinge her und kehrt das eine derselben in kürzerer, das andere in langerer Zeit wieder. Von den Gestirnen aber, deren Beziehungen und Zustande sich nicht wiederholen, sondern die nur in irgend einer Zeit statthaben, ohne dass sie weder im früherer Zeit bestanden, noch in der spaeteren je wieder entstehn, rühren aber die Dinge her, die zwar einmal hervortreten, sich aber nie wiederholen. XVIII. Die Stufen bei der Entstebung der Stoffkörper. Es entstebn zuerst die Elemente, darauf die ibnen gleichartigen und verbundenen Körper, wie die Dampfe und ihre Arten, als da sind, Gewölk und Winde und alles, was in der Atmosphaere entstebt. Dasselbe gilt von dem was rings um die Erde den Elementen gleicbartig ist, oder was in ibr ist, dann von dem, was im Wasser und Feuer sich befindet. Aucb entstebn in den Elementen, in jedem einzelnen von ihnen, Krafte, wodurcb sie sich von selbst den Dingen zu bewegen, welche von oder in ihnen ins Dasein gerufen werden, und zwar geschieht dies ohne einen Beweger von aussen her. Auch hegen sie Krafte, durch die eins auf das andre wirkt, und Krafte, durch die das Eine die Wirkung des Andern annimmt. Dann aber wirken auf dieselben die Himmelskörper ein. Auch hier wirkt das Eine auf das Andre, und entstehn dann aus den vereinten Wirkungen von hier aus verschiedene Mengungen und viele Mischungen, sowie auch viel verschiedene Maasse, die sich entweder gegensatzlich oder nicht gegensatzlieh unterscheiden. Hieraus ergiebt sich dann nothwendig die Existenz aller übrigen Körper. Es vermengen sich somit zuerst die Elemente, eins mit dem andern, dann entstehn hieraus viele einander entgegengesetzte Körper, darauf vermischt sich von diesem mit einander entgegengesetzten Körpern Versehenen das Eine mit dem Andern, oder mit einander und mit den Elementen. So entstebt dies dann als eine zweite Mengung nach der ersten. Auch aus dieser zweiten Mengung entstehn viele einander entgegengesetzt geformte Körper. Auch erstehn in jedem Einzelnen hiervon Krafte, mit denen der Eine auf den Andren wirkt, sowie auch Krafte, womit sie die Wirkung eines andern auf sich annehmen, sowie auch Krafte, wodurch sie sich von selbst, ohne einen Beweger von Aussen her, bewegen [29]. Dann wirken auf diese ebenfalls die Himmelskörper, es wirkt hier das Eine auf das Andre, auch wirken auf sie die Elemente und sie auf die Elemente. So entstehn aus der Gesammtheit dieser Wirkungen in verschiedenen Weisen viele andre Mengungen, wodurch sie sich von den Elementen und dem Urstoff sehr weit entfernen. Es horen dann diese Körper nimmer auf sich mit der vorigen Mengung zu vermengen , und wird die zweite Mengung immer mehr zusammengesetzt als die vorige, bis dass Körper entstehn, die sich nicht mehr vermengen können. Somit entsteht aus ihrer Yermengung ein andrer Körper, der noch ferner als sie von den Elementen ist, und bleibt dann die Yermengung stehn. Somit entstehn denn einzelne Körper aus der ersten Mengung, andre aus der zweiten, andre aus der dritten und noch andre aus einer anderen (spaeteren). Die Minerale entstehn aus einer Mengung, die den Elementen naher steht und von geringerer Zusammensetzung ist (als die Pflanze). Ihre Entfernung von den Elementen hat weniger Stufen; die Pflanze aber entsteht aus einer reicher gefügten Vermengung als sie und ist dieselbe um mehrere Stufen weiter entfernt von den Elementen. Die unvernünftige Creatur entsteht aus einer noch mehr zusammengesetzten Mischung als die Pflanze, der Mensch aber allein entsteht aus der letzten Mengung. In einer jeden dieser Arten entstehn dann Krafte, wodurch sie sich, von selbst schon, bewegen, so wie auch Krafte, wodurch sie auf andre wirken, sowie auch Krafte, wodurch sie die Wirkung eines Andern annehmen. Das auf et was Andres Wirkende und die Substrate für seine Wirkung zerfallen zusammen in drei Arten, nahmlich in das, was zu meist, in das, was zu wenigst und in das, was zu mittelst d. h. im Gleichmass, wirkt. Dasselbe gilt von dem die Wirkung des Andern Annehmenden. Es ist Substrat für die drei Arten vom Wirkenden, sei es für die zumeist, oder für die zu wenigst, oder für die zu mittelst wirkenden Krafte. Die Wirkung eines jeden Einzelnen auf jedes Einzelne liegt nun entweder darin, dass es ihm Spendung verleiht oder mit ihm in Gegensatz tritt. Die Himmelskörper wirken auf jedes Einzelne hiervon, indem ein jedes derselben dem andern entweder spendet oder sicb ihm entgegenstellt, oder dadurch dass er jenem einmal spendet, ein andermal aber ihm entgegentritt. Auch der ihm Entgegentretende tut dies wohl zu einer Zeit, wahrend er ihm zu einer andern spendet. [30] So verbinden sich denn die verschiedenen Wirkungen der Himmelskörper dazu, dass einer auf den andern wirke und entstehn aus ihrer Conjunction sehr viele neue Mengungen und Mischungen. In einer jeden dieser Arten giebt es dann sehr viele sehr verschiedene Einzeldinge (Individuen). Dies waren nun die Mittelursachen für die Naturdinge unterhalb der Himmelskörper. XIX. Die Aufeinanderfolge der Formen am Stoff. In der erwahnten Weise faud zuerst das Sein der Dino-e statt, als dies aber stattgefunden hatte, müssten sie eigent- lich bleibend und dauernd sein. Jedocb da bei dem Vorhandenen der Bestand desselben aus Stoff und Form herrührt, die Formen aber einander entgegengesetzt sind, und ein jeder Stoff sowohl mit einer Form als auch mit dem Gegensatz derselben befunden werden kann, auch ein jeder dieser Körper Recht und Würdigkeit zu seiner Form sowohl als auch eine solche zu seinem Stoff hat, und nur das von ihm, was seiner Form zukommt, verlangen kann, in dem ihm eignen Sein zu verbleiben, das aber was seinem Stoff eignet, ein andres seinem jetzigen ISein entgegengesetztés Sein beanspruchen kann, es aber endlich unmöglich ist diesen beiden zu ein und derselben Zeit zu genügen, so folgt nothwendig, dass einmal dem einen Zustand dadurch genügt wird, dass der Körper eine Weile im wohlerhaltenen Sein verbleibt, dann aber dies vergeht und sein Gegensatz eintritt und dieser eine Weile verbleibt. So geht es immer fort, denn das Seiu des Einen liegt nicht naher als das des Andern und ebenso auch nicht das Bleiben des Einen naeher als das des Andern. Denn ein jedes der Beiden hat einen Anteil am Sein und am Bleiben. Ferner, da ein und derselbe Stofi beiden Gegensatzen gemeinsam ist und das Bestehn eines jeden der beiden Gegensatze an ihm stattfindet, auch dieser Stofi dem einen Gegensatz nicht naher steht als der andre, es auch nicht möglich ist, dass er beiden Gegensatzen zugleich und zu derselben Zeit als Stoff diene, so folgt notwendig, dass dieser Stoff einmal mit diesem und ein andermal mit jenem der beiden Gegensatze begabt werde, und so eine Abwechslung von beiden immer an ihm stattfinde. Dann aber ists als ob ein jedes der Beiden ein Anrecht auf das Andre habe, und so an ihtn etwas sei, was auch dem Andern und am Andern etwas sei, was auch ihm gebüre. Somit hatte denn ein Jeder der Beiden ein Anrecht an dem, was jedem der Beiden vorn Andern werden müsse. Es verlangt also die Gerechtigkeit hierbei, dass der Stoft von diesera erstehe, und jenem gegeben werde und dass der Stoff von jenem erstehe und diesem verlieten werde, [31] sowie dass dies an beiden auf einander folge. Weil nun aber notwendig der Gerechtigkeit in dem hier Vorhandenen geuügt werden muss, so ist es unmöglich, dass das Eine immerfort deshalb so wahre, weil es Eins der Zahl ïiach sei und somit seine Dauer die ganze Ewigkeit hindurch so bleiben müsse, weil es Eins der Art nach ware, vielmehr ist es notwendig, dass das Ding Eins sei der Art nach,damit die Individuen dieser Art eine Weile bestehn, dann aber vergehn und an ihre Stelle andre Individuen von dieser Art treten. Dies geht in dieser Weise immer so fort. Die Dinge besteld nun entweder in deD Elementen, oder sie sind solche, die aus der Mischung derselben hervorgegangen sind. Die aus der Mischung derselben entstandenen Dinge, rühren wieder entweder von einer Mischung grösserer Zusammensetzung oder einer solchen von geringerer Zusammensetzung her. Was nun die Elemente selbst anbetriflt, so kommt der, sie vernichtende, Gegensatz bei jedem Einzelnen derselben nur von Aussen her. Denn dieselbeu hegen in ihrem ganzen Körper (Umfang) keinen Gegensatz. Bei dem, was von einer Mischung von geringer Fügung herrührt, sind die inneren Gegensatze nur gering und seine Krafte gebrochen und scbwach, deshalb ist auch der es ertödtende Gegensatz an sich von schwacher Kraft und er tödtet nur in einem gewissen Sinne von aussen, auch kommt dieser Gegensatz ihm von aussen. Was dann von einer Mischung geringster Fügung herrührt, dem kommen die ertödtenden Gegensatze nur von Aussen zu, bei dem aber was von einer Mischung reicherer Fügung herrührt, liegt in der Menge ihrer inneren Gegensatze und Fügungen ein Gegensatz, der klar in den einander entgegengesetzten Dingen hervortritt, auch sind die Krafte der Gegensatze in ihnen stark. Einer wirkt auf den Andern zugleich. Denn da hier die Teile nicht einander ahnlich sind, hindert nichts, dass in ihnen Gegensatze herrschen und findet dann der sie ertödtende Gegensatz sowohl von Aussen als von Innen seines Körpers zugleich statt. Die Körper, welche ihr Gegensatz von aussen ertödtet, lösen sich nimmer von selbst auf wie z. B. Stein und Sand, denn diese Beiden und das ihnen Gleichartige lassen sich nur von Dingen ausser ihnen zur Lösung bringen. Andre wie Pflanzen und Getier lassen sich aber auch von den ihnen entgegengesetzten Dingen von Innen her auflösen und dauert, wenn solche langer wahren, ihre Form eine Zeit lang, dadurch erhalten, dass an der Stelle von dem, was von ihrem Leibe sich auflöst, immer etwas andres tritt. Dieses aber tritt dann nur [32] an Stelle dessen, was sich von dem Körper auflöste. Unmöglich kann nun etwas an Stelle dessen, was vom Körper sich auflöste, treten und sich mit ihm verbinden, es sei denn, dass es dem Körper seine Form entziehe und sich mit der Form grade dieses Körpers bekleide. Das heisst es nahrt sich davon. Somit wurde denn in diese Körper eine nahrende Kraft sowie auch alles, was dieser Kraft beisteht, gelegt. Dies geht nur so weit, dass ein jeder dieser Körper etwas ihm Entgegengesetztes an sich zieht, dies aber dann dieses Gegensatzes entkleidet, es dann in sein Wesen aufnimint und so mit der Forrn, die es selbst angenommen hat, bekleidet. Das geht so fort bis ia der Lange der Zeit diese Kraft weicht und dann sich von diesem Körper das loslöst, was jene, sie zwingende, Kraft nicht wieder ersetzen kann, so dass dieser Körper mit ihm vergeht. Auf diese Weise wird der Körper vor seinem inneren Auflöser bewahrt, vor dem aber, was ihn von aussen ertödtet, wird er bewahrt durch die Organe, welche ihm verliehen wurden und zwar zumteil in, zumteil ausserhalbdes Körpers. So mussen denn, um diese Körper als Eins der Art nach zu erhalten, an Stelle des hier ertödteten Individuums andre erstehn, die an die Stelle des getödteten treten. Dies kann nun entweder so stattfinden, dass es mit den ersten Individuen andre gab, die neu von ihnen entstanden, sodass, wenn die ersten vergingen, diese andren an ihre Stellen traten, und somit zu jeder Zeit die Existenz eines Individuums von dieser Art statt fand, seis an demselben, sei es an einem andern Ort, oder dass das an Stelle des Ersten Tretende erst nach irgend einer Zeit, nach dem Tode des Ersten entsteht, sodass es eine Zeit gab, zu der kein Individuum dieser Art da war. Dann wurden in Einige derselben Krafte gelegt, durch die Ihres Gleichen der Art nach hervorgingen, in Andre aber nicht. Was nun diese Letzteren betrifit, so sind als ürsachen von dem, dessen Existenz vergeht, die Himmelskörper allein zu betrachten, denn diese spenden den Elementen hierzu die Kraft. Das aber, in dem die Kraft liegt ihres gleichen der Art nach hervorzubringen, tut dies der Kraft gemass, die ihm eignete und verbindet sich damit noch die Wirkung der Himmelskörper und andrer Körper, sei es dass diese Letz- teren ihm Spende verleihn, oder doch nur einen solchen Gegensatz ihm bieten, dass die Wirkung jener Kraft nicht ganz aufgehoben sondern eineMischung hervorgerufen wurde. Und zwar entweder so, dass dadurch das in dieser Kraft liegende Tun dabei entweder ins Gleichmaass gesetzt oder mehr oder weniger aufgehoben wurde, doch immer nur so, dass seine Wirkung nicht ganz schwand. [33] Hierbei tritt dann das hervor, was von dieser Art an Stelle des Hinschwindenden trat. Alle diese Dinge können dann in dem Zumeist, dem Zuwenigst oder dem 'Zumittelst stattfinden und wahrt so der Bestand von der Gattung des Vorhandenen. Jeder dieser Körper hat ein Recht und eine Würdigkeit zu seiner Form so wie auch beides zu seinem Stofif. Namlich auf seine Form, und danach müsste er in dem ihm eignen Sein verbleiben und nie aufhören, und auf seinen Stoff und danach könnte er ein andres, seinem eignen Sein entgegengesetztes Sein annehmen. Es verlangt nun die Gerechtigkeit, dass bei einem jeden der Beiden seiner vollen Würdigkeit genügt werde. Da dies nun aber nicht /.u einer und derselben Zeit stattfinden kann, ists notwendig, dass einmal diesem, ein andermal jenem Zustand voll genügt werde. Das heisst, dass es einmal sein Sein in wohlbewahrter Existenz habe, dann aber vergehe, und als sein Gegensatz erstehe, und dies geht dann immer so fort. Das seine Existenz Bewahrende ist nun entweder eine Kraft, die in dem Körper der ihm eignen Form liegt oder eine Kraft in einem andren Körper. Derselbe besteht dann in einem ihm verbundenen Organ, das zur Erhaltung seiner Existenz dient. Auch kann das mit seiner Erhaltung Betraute irgend ein andrer Körper sein , welcher jenes zu Erlialtende beherrscht d. h. ein Himmelskörper oder irgend ein andrer Körper. Auch kann durch die Vereinigung aller dieser Dinge dies zu Stande kommen. Ferner: Da das hier Yorhandene einander entgegengesetzt ist, der Stoff von je zwei Gegensatzen aber beiden gemeinsam ist, und derselbe Stoff, der diesem Körper eignet auch grade der Stofi von jenem ist, der aber der jenem eignét, auch grade der von diesem ist, auch ein jeder von Beiden Etwas hat, was dem Andern eignet, und der Andre Etwas hat, was diesem eigen ist, so ists alsob ein jeder am andern, von dieser Seite her, ein Recht habe, das jedem Einzelnen vom Andern werden müsse. — Der Stoö nun, den das Eine am Andern hat, ist entweder ein solcher, dass dieser grade die Form von jenem sich aneignet, z. B, ein Körper, womit ein anderer Körper sich nahrt, oder aber ein Stoff, der zwar die Form von der Art des andern, nicht aber die Form desselben selbst annimmt, z. B. Menschen welche an Stelle der Dahingegangenen treten. Da verlangt nun die Gerechtigkeit, dass der Eine mit dem Stoff, den er beim Andern verfindet, begabt werde, und der Andre mit dem von Diesem. Das aber, wodurch Etwas seinen Stoff von seinem Gegenteil voll so erhalt, dass es ihn jenem entreisst, ist entweder eine Kraft in ihm, die mit seiner Form in einem Körper verbunden ist, und dann ist dieser Körper [34] ein ihm unzertrennliches Organ hierzu, oder aber diese Kraft liegt in einem andern Körper und dann ist derselbe ein von ihm trennbares Organ, welches ihm nur dazu dient, den Stoff von seinem Gegenteil an sich zu reissen. Dann liegt (noch) eine andre Kraft in diesem oder einem andren Körper, welche entweder dasselbe mit seiner Form selbst oder mit derjenigen seiner Art bekleidet. Auch kann es eine Kraft sein, welche beides zusammen verrichtet, oder aber das, was ihm sein Recht vollstandig verleiht, ist ein andrer aber ihn beherrschender Körper, es sei derselbe ein himmlischer oder ein andrer, auch kann dies durch die Yereinigung aller dieser Gründe bewirkt sein. Ein Körper wird nur dadurch zum Stoff eines andern, dass er ihm entweder seine Form vollstandig hergiebt und verleiht oder dass er von seiner Form ihm einen Teil anlegt und dadurch von seinem Werth verliert. Der Körper, welcher ein Organ hat um einem andren Körper zu dienen, verrichtet dies nur auf eine von zwei Weisen, entweder durch eine (Hergabe seiner) Form ganz und gar oder durch Hergabe eines kleinen Teils von dem (Gesammt) Werth seiner Form; und zwar nur eines so geringen, dass er selber dadurch nicht sein Wesen einbüsst, also etwa nur soviel Macht als nötig ist, um die Sclaven zu bandigen und zum demütigen Dienst zu zwingen. XX. Die Teile der Menschenseele und ihre Kraf te. Wenn der Mensch entsteht, so ist das Erste, was in ihm hervortritt, die Kraft, durch die er sich nahrt, d. h. die Nahrkraft; dann folgt darauf die Kraft, mit der er das Tastbare wahrniramt, so Hitze und Kalte, ferner der Sinn für Speise, Gerüche, Töne sowie auch der für die Farben, und alles Erschaubare, wie die Strahlen. Mit der sinnlichen Wahrnebmung ersteht auch die Sucht nach dem Wahrgenommenen, sodass er dasselbe entweder ersehnt oder verabscheut. Hierauf ersteht ihm eine andre Kraft, womit er sich das Wahrgenommene, nachdem es aus der Bezeugung durch die Sinne geschwanden ist, vorstellt. Dies ist nun die Vorstellungskraft; sie fügt die Wahrnehmungen eine an die andre, oder sie trennt eine von der andern in verschiedener Zusammenfügung zu einander oder in der Sonderung der einen von der andern. Davon sind dann einige falsch aber andre wahr. So verbindet sich ihm hierdurch eine Sucht dem zu, was er sich vorstellt. Hiernach ersteht im Menschen die Denkkraft, wodurch es dem Menschen möglich wird, das Geistige zu denken. Durch dieselbe scheidet er Gut und Schlecht und werden durch dieselbe Künste und Wissenschaften möglich. [35] Auch verbindet sich hierbei dem Menschen eine Sucht nach dem, was er denkt. Die Nahrkraft besteht dann wieder in einer herrschenden Kraft oder in solchen, die jene Herrschenden ernahren oder ihr dienen. Die Haupt-Nahrkrafthat von den Gliedern des Körpers den Mund als ihren Sitz, die dienenden Krafte derselben liegen aber zerstreut in den anderen Gliedern und liegt eine jede ihr dienende oder sie nahrende Kraft in irgend einem der übrigen Glieder des Körpers. Jede Hauptkraft ist nun schon von Natur die Leiterin der anderen, dienenden Krafte, denn die übrigen Krafte sind ihr ahnlich und streben in ihrem Tun dem zu, was von Natur als Endziel ihres Hauptlings, der ja im Herzen seinen Sitz hat, ist. Dies gilt vom Magen, der Leber, der Milz und den diesen dienenden und wiederum von den wieder diesen Letzteren dienenden Gliedern und so fort. Die Leber ist z. B. ein Glied, das sowohl herrscht als auch beherrscht wird. Beherrscht wird sie vom Herzen, sie beherrscht aber wieder die Galle, die Niere und die diesen beiden ahnlichen Gliedmaassen. Die Blasé dient der Niere, diese der Leber und diese dem Herzen. In dieser Weise verbalten sich alle Gliedmaassen zu einander. Bei der Sinneskraft giebt es nun auch einen Hauptling und die Ernahrer desselben. Ihre Ernahrer sind die, bei allen bekannten, fünf Sinne, welche zwischen den zwei Augen, zwei Ohren und den übrigen Organen verteilt sind. Jedes dieser fünf Organe hat nun einen ihm speciall zugeteilten Sinn und ihr Hauptling ist das, in dem alles, was diese Fünf erfassen, ins gesammt zusammentrifft. Somit sind die Fünf, die Warner (Verkünder) für jenes Hauptglied. Sie sind die Nachricht Bringenden. Ein jeder derselben ist betraut mit einer Gattung von Nacbrichten, namlich den au3 einer Gegend des Reichs kommenden. Der Hauptling von ibnen ist aber wie der König, bei dem die Nachrichten aus allen Gegenden des Reichs, von den Botschaftern aus, zusammen kommen. Dieser Hauptling der Sinne hat nun auch im Herzen seinen Sitz. Die Vorstellungskraft bat dagegen keine unter den andren Gliedern hin zerstreuten Ernahrer, vielmehr ist sie nur Eine. Sie liegt auch im Herzen und bewahrt das Sinnlichwahrgenommene, nachdem dies den Sinnen entschwunden ist. Sie entscbeidet über das Sinnliche und dies lasst sich von jener aburteilen. Das heisst, sie sondert das Eine vom Andern oder fügt das Eine zum Andern und zwar in verschiedenen Weisen. Es trifft sich dann, dass das Eine dem Wahrgenommenen entspricht, bei andrem aber, dass es der Wahrnehmung widerspricht. Die Denkkraft endlich hat unter den Gliedern weder Ernahrer noch Diener, die von ihrer Art waren, vielmehr übt sie direct die Herrschaft [36] über alle Vorstellungskrafte aus. Die Hauptglieder einer jeden Gattung sind sowohl herrschend als beherrscht. — So ist die Denkkraft Herrscherin über die Yorstellungskraft, diese die über die Sinneskraft, und diese die über die Nahrkraft. Die Kraft des Hangs (der Instinct) aber ist nun eine solche, die entweder Etwas ersehnt oder Etwas verabscheut und ist sie eine Herrin mit Dienern. Dies ist nun die Kraft, durch die der Wille ersteht. Wille ist eine Begehr nach etwas Erfassbarem oder von dem Erfassbaren fort, sei es dass dies im Bereich des Sinn'lichen oder in dem der Yorstellung oder in dem der Denkkraft liegt, und liegt bei ihm der Entscheid darüber ob etwas zu ergreifen sei oder liegen zu lassen. Der Hang richtet sich einmal auf das Wissen einer Sache, ein andermal auf das Tun derselben, sei es dass dies mit dem ganzen Körper oder nur mit einem Glied desselben geschielit. Der Hang selbst findet durch die Haupthangkraft, die Ausführung aber durch den Körper statt und zwar durch Krafte, die der Hangkraft dienen. Dieselben liegen zerstreut in den Gliedern vor, die dazu bereitet sind, dass durch sie dieses Tun verrichtet werde. Das heisst durch die Nerven, dann durch die, durch den Körper laufenden, Muskeln. Durch sie geschieht das Tun, was Tier und Mensch erstrebt. Wir meinen damit die zwei Hande, zwei Füsse und alle die Glieder, die möglicherweise durch den Willen sich bewegen lassen. Diese Krafte aber in solchen Gliedern sind allesammt körperliche Organe und dienen sie der im Herzen liegenden Haupthangkraft. Die Wissenschaft von Etwas findet einmal durch die Denkkraft, ein andermal durch die Vorstellungskraft, bisweilen aber auch durch die Sinne statt. Richtet sich der Hang auf das Wissen von Etwas, das durch die Denkkraft erfasst werden muss, so liegt das Tun, womit man das Ersehnte erreicht, in einer, in der Denkkraft noch liegenden, andren Kraft, namlich in der Ueberlegungskraft. Durch diese findet Nachdenken, Einsicht, Betrachtung und Schlussfolgerung statt. Ist der Hang aber auf das Wissen von Etwas gerichtet, was durch die Sinne zu erfassen ist, so ist das es Erfassende ein Tun, welches sich aus einem körperlichen und aus einem seelischen Tun zusammensetzt. Dies geschieht z. B. bei dem, dessen Erschauen erstrebt wird. Dies gelingt zunachst durch das Aufschlagen der Augenlider, dann dadurch, dass unser Bliek dem Dinge, dessen Erblikken wir erstreben, grade gegenüber steht. Wenn dann das Ding fern ist, gehn wir grade darauf zu und ist ein Hinderniss davor, entfernen wir dasselbe mit unseren Handen. Das ist aber alles körperliches Tun, wahrend die Sinneswahrnehmung ein seelisches Tun ist. Dies gilt nun auch von den übrigen Sinneswahrnehmungen [37]. Sehnt man sich danach sich Etwas vorzustellen, so wird dies in verschiedenen Weisen erreicht. Einmal durch die Vorstellungskraft, wie wenn man Etwas, auf das man hofft oder das man erwartet, sich vorstellt, dann wenn man sich Etwas vorstellt, was vorbei ist, oder auch das, was man erhoflt, obwohl die Vorstellungskraft es schon aufgegeben hat. Zweitens aber dadurch, dass der "Vorstellungskraft von der sinnlichen Wahrnehmung her Etwas zukommt und sich in ihr dadurch die Yorstellung bildet, es sei etwas zu Befürchtendes oder zu Erhoffendes oder endlich, wenn ihr etwas von der Denkkraft her zukommt. So weit die seelischen Krafte. XXL Wie diese Krafte'und Teile zu einer Seefce wfrden. Die Hauptnahrkraft ist gleichsam Ê-jtoff für die Hauptkraft der sinnlichen Wahrnehmung und ist diese Letztere eine Form für jene. Dieselbe ist dann gleichsam Stoff für die Vorstellungskraft und diese Letztere eine Form für jene. Die Vorstellungskraft aber ist dann Stoff für die Hauptdenkkraft und diese Letztere eine Form für jene. Die Denkkraft wird aber nimmer Stoff für andre Krafte und ist sie vielmehr die Endform für alle, ihr voraufgehenden, Formen. Die Kraft des Hangs ist dann aber als eine der Hauptwahrnehmungs-, Vorstellungs- und Denkkraft Nachfolgende zu betrachten und zwar in der Weise wie die Warme beim Feuer als eine Folge von dem hervortritt, worin sich das Feuer substanziirt (der Substanz des Feuers). Das Herz ist das Hauptglied, welches von keinem andern Glied des Leibes beherrscht wird, ihm steht zunachst das Hirn, das zwar auch ein Hauptglied ist, dessen Herrschaft aber keine erstliche sondern nur eine zweitliche ist. Das Hirn wird ja zunachst vom Herzen beherrscht, beherrscht aber dann die übrigen Glieder. Das Hirn steht zwar beim Herzen in Dienst, doch dienen ihm die andern Glieder, je nachdem dies von Natur als Ziel des Herzens vorliegt. Dies verhalt sich nun so wie der Mensch als Hausherr. Derselbe dient zwar selbst den Menschen, dagegen wird er von den Hausleuten so bedient, wie dies für den Menschen als Ziel gilt, und zwar in beiden Wel ten (der geistigen und sinnlichen). Es ist als ob das Hirn das Herz vertrete, an seiner Stelle stünde, es ablöse und dort walte, wo das Herz nicht walten kann. Somit ist das Hirn mit dem Dienst des Herzens in den erliabnen Functionen desselben betraut. Dies verhalt sich so, dass das Herz die Quelle der natürlichen Warme ist und dieselbe von ihm in alle Glieder hin ausgeht; diese somit von ihm Spenden erhalten und zwar dadurch, dass sich vom Herzen durch die Glieder der natürliche Lebenshauch durch die Schlagadern hin ausbreitet (d. h. die Pulse) und bleibt durch diese Warmespende vom Herzen die natürliche Warme [38] in den Gliedern erhalten. Das Hirn ist nun das Glied, welches die vOm Herzen ihm zudringende Warme ins Gleichmass setzt, so dass das, was an Warme jedem Gliede zukommt, gemassigt und dem Gliede entsprechend sei. Dies ware nun die erste Tat des Hirns und zugleich der erste und allgemeinste Dienst desselben an die Glieder. Daher kommt es nun, dass die Nerven in zwei Arten zerfallen. Die Eine derselben besteht aus solchen, die Organe für die Ernahrer der, im Herzen ruhenden, Sinneskraft sind, so dass ein jeder Sinn eine besondre Art von Wahrnehmung hat, die andre Art besteht aber aus Organen der Glieder, welche die im Herzen ruhende Hangkraft bedienen. Durch diese gelingt es den Gliedern sich freiwillig zu bewegen. Das Hirn dient dem Herzen um die Nerven der Sinneswahrnehmung zu unterstützen, auf dass ihre Krafte dazu ausdauern, dass es den Ernahrern möglich werde das wahrzunehmen, was ihnen zur Bewahrung anvertraut wird. Auch bedient das Hirn das Herz darin, dass es den Nerven der freiwillenlichen Bewegung das zuführe, wodurch ihre Krafte erhalten werden. Dadurch wird den Organen die freiwillige Bewegung möglich um der Hangkraft, die im Herzen liegt, zu dienen. Denn viele dieser Nerven haben ihre Wurzeln, von wo aus ihnen das, was ihre Kraft erhalt, zukommt im Gehirn selbst, viele aber haben ihre Wurzeln in den bis ins Hirn reichenden Rückenwirbeln. Denn die Rückenwirbel sind oben mit dem Gehirn verbunden, und starkt das Hirn die Nerven indem die Rückenwirbel ihm dabei helfen. Hierher gehort ferner, dass die Vorstellung nur dann der Vorstel]ungskraft möglich ist, wenn die Warme des Herzens ein bestimmtes Maass hat, und gilt dasselbe vom Nachdenken der Denkkraft. Dies aber findet nur dann statt, wenn die Warme ein bestimmtes Maass, das heisst Wirkkraft, hat. Dasselbe gilt von ihrem „im Sinn Behalten von" und ihrer Erinnerung an Etwas. Das Hirn dient dann dem Herzen dadurch, dass es die Warme desselben in das Gleichmaass versetzt um sich etwas vorstellen zu können, so wie auch in das Gleichmass, in dem Nachdenken und in dem Ueberlegen, wie auch in das, wodurch ein sim Sinn Behalten" und eine Erinnerung möglich ist. Somit liegt in einem Teil des Hirns das Gleichmaass, wodurch die Vorstellung, in einem andern Teil aber das, wodurch das Nachdenken und in einem dritten Teil das, wodurch das im Sinn Behalten und die Erinnerung gelingt. Dies kommt nun daher, dass das Herz eine Quelle der natürlichen Warme ist. Desshalb kann die Warme in ihm nur als eine überaus starke angenommen werden, da ja aus ihm das überquellen muss, was den übrigen Gliedern zufliesst und wovon es weder zu wenig noch zu viel geben darf. Dies verhalt sich aber nicht von selbst so, [39] sondern gelingt nur wegen des im Herzen liegenden Endzwecks. Da nun dem also ist, so ists notwendig, dass die zu den Gliedern dringende Warme massig sei. Die Warme des Herzens an sich ist aber nicht in dem Gleichmaass, in dem das ihm eignende Tun möglich ware. Deshalb aber wurde das Gehirn, von Natur schon, als kalt und feucht, im Verhaltniss zu allen andern Gliedern gesetzt. Das kann man sogar beim Anfühlen desselben erkennen. Auch wurde in das Hirn eine seelische Kraft gelegt, wodurch die Warme des Herzens in ihm in ein genau bestimmtes Maass kam. Da ferner die Nerven, welche der sinnlichen Wahrnehmung und der Bewegung dienen, von Natur irden sind und somit schnell die Trockniss annehmen, so bedürfen sie um feucht zu bleiben einer Zartheit, die sie dazu unterstützt, dass sie sich dehnen und verkürzen können. Dazu bedürfen die Sinnesnerven noch eines natürlichen Lebenshauchs, in dem durchaus nichts Rauchartiges ist. Der Lebenshauch, der in die Teile des Hirns gelangt, ist aber in diesem Zustand. Da nun das Peuerartige im Herzen sehr heiss ist, so wurden die Wurzeln dieser Nerven, die ja doch das hergeben mussen, was die Krafte derselben erhalt, nicht ins Herz gelegt, damit nicht die Trockniss ihnen so schnell zukame, dass ihre Krafte und ihr Tun sich auflösen und zunicht würden, vielmehr wurden die Wurzeln derselben ins Hirn und die Oberwirbel verlegt, denn die sind beide sehr feucht. Dies geschah auf dass von jenen Beiden (dem Hirn und den obren Rückenwirbeln) in die Nerven eine Feuchtigkeit dringe, welche sie weich erhalt und in ihnen den seelischen Kraften Bestand verleiht. Einige Nerven verlangen noch dazu dass die Feuchtigkeit zu ihnen dringen kann, eines feinen durchaus nicht zahen, wassrigen Stoffs, andre aber bedürfen dazu eines zahen Stoffs. Yon den Nerven nun, die eines feinen, wassrigen und nicht zahen Stoffs bedürfen, warden die Wurzeln in das Gehirn, von deuen aber, die es nötig haben, dass ihre Feuchtigkeit zahe sei, wurden die Wurzeln in die Oberwirbel gelegt. Von den Nerven aber, deren Feuchtigkeit eine geringe sein musste, liegen die Wurzeln in den untersten Wirbeln und dein Steissbein. Nack dein Hirn folgt die Leber, danach die Milz, danacb die Zeugungsglieder. Jede Kraft, die in einem Gliede liegt, muss ein leibliches Tun verrichten. Durch dieses Tun geht von dem Gliede irgend ein Körper aus, und zwar zu einem andern Glied hin. Dann ist es durchaus nötig, dass dieses Andre mit dem Ersten verbunden sei, wie z. B. viele Nerven mit dem Hirn, andre aber mit den oberen Rückenwirbeln direct verbunden sind, bei andren aber muss dasselbe einen Weg oder Gang haben, [40] der es mit dem Glied verbindet, und in dem dieser von jenem ausgehende Körper dann hinlauft. Diese Kraft ist nun entweder dem Glied dienend oder es beherrschend. Dies gilt vom Mund, der Lunge, der Niere, der Leber, der Milz und andren. Bei allen Gliedern, die ein seeliches Tun ausüben müssen, oder dies dort zu tun pflegen , ists somit durcbaus nötig, dass zwischen jenen beiden ein körperlicher Gang vorhanden sei, so bei dem Wirken des Hirns aufs Herz. Zuerst von allen Gliedern entsteht das Herz, dann das Hirn, dann die Leber, dann die Milz und folgen darauf die übrigen Glieder. XX1>. Die Zeugungsglieder. Die Zeugungsglieder verrichten ihr Tun als die letzten von allen Gliedern, ihre Herrschaft auf den Leib ist gering. Dies wird klar an den beiden Hoden, welche die mannliche Warme und den mannlichen Lebensbaucb bewahren, und die beide vom Herzen aus in die mannliche, Hodenhabende, Creatur hinabgleiten. Die Kraft, durch welche die Zeugung stattfindet, ist nun z. T. eine herrschende z. T. eine dienende. Der berrschende Teil derselben liegt im Herzen, der dienende aber in den Zeugungsgliedern. Die Kraft, durch welche die Zeugung statthat, besteht in zweien. Die eine Kraft bereitet den Stoff, aus dem das 'Tier, welches diese Kraft hat, wird, und die andre verleiht ihm die Form seiner Tierart. Der Stoff wird in Bewegung gesetzt, bis ihm die Form dieser Art zukommt. Die Kraft, welche den Stoff bereitet, ist aber die weibliche und die, welche die Form hergiebt, die mannliche. Denn das Weibchen ist ein solches durch die Kraft, wodurch es den Stoff bereitet, und das Mannchen ist ein solches durch die Kraft, welche den Stoff seiner Art die Form verleiht, der diese Kraft eigen ist. Das Glied aber, welches dem Herzen dazu dient dem Stoff des Tiers herzugeben, ist der Mutterleib. Diesem dient aber dazu, dass der Stoff die Form im Menschen oder einem andren Getier erhalten könne, das Glied, welches den mannlichen Samen schafft. Denn wenn der mannliche Samen in den Mutterleib des Weibchen einfallt, so trifft er hier das Blut, was der Mutterleib dazu vorbereitete, um die Form des Menschen anzunehmen und verleiht der mannliche Samen diesem Blut eine Kraft, durch die dasselbe in Bewegung kommt, bis dass aus diesem Blut die Glieder des Menschen und die Form eines jeden Gliedes d. h. die Form des Menschen , hervorgeht. Das im Mutterleib vorbereitete Blut ist der Stoff des Menschen, der mannliche Samen, aber ists der diesen Stoff so bewegt, dass darin die Form stattbat. Somit Terhalt sich [41] der Same zu dem, im Mutterleib vorbereiteten, Blut wie das Lab, durch das die Milch gerinnt. So wie namlich dies Lab die Gerinnung der Milch hervorruft, aber doch weder ein Teil noch ein Stoff vom Geronnenen wird, so ist auch der Same weder ein Teil von dem im Mutterschoss geronnenen Blut noch Stoff desselben. Der Embryo entsteht aber vom Samen aus, sowie die Dickmilch von dem Lab aus. Er entsteht dann vom Blut des Mutterleibes aus ebenso wie die Dickmilch aus der Süssmilch oder wie der Krug aus dem Erz hervorgeht. Das aber, was den Samen entstehn lasst, das sind die Gefasse, in denen derselbe sich befindet, dies sind aber die Adern die unter der Haut des Pubes liegen und liefern die Hoden dazu einige Spende. Diese Adern namlich reichen bis zu dem Kanal, der im Penis ist, so dass von diesen Adern aus der Same bis zum Kanal des Penis hinlauft und dort weiter rinnt, bis er sich in den Mutterschooss ergiesst. Er verleiht dann dem dort befindlichen Blut den Anfang der Kraft, durch die sich dasselbe andert, bis daraus die Glieder erstehn, jedes Glied in seiner Form, sowie auch die Form des ganzen Lei bes. Der Same ist somit Organ des Mannchens, mit dem die andren Werkzeuge z. T. verbunden, z. T. von ihm getrennt sind. Man vergleiche damit den Arzt. Die Hand ist sein Organ, wodurch er Heilung bewirkt, die Scheere aber ist auch ein Werkzeug für ihn urn dadurch zu heilen und ebenso der Heiltrank. Der Heiltrank ist aber ein von ihm getrenntes Werkzeug und steht mit dem Arzt nur dann in Yerbindung, wenn er ihn macht, bereitet und ihm eine Kraft giebt, durch welche der Körper des Kranken zur 5 Gesuutlheifc gebracht wird. Hat das Heilmittel diese Kraft von ihm erhalten, so bringt er dasselbe in den Bauch vom. Körper des Kranken und wird der Leib desselben der Gesundbeit zugeführt. Der Arzt, welcher jenes Heilmittel bergab, kann dabei abwesend oder aucb wohl scbon todt sein. Dies gilt nun ebenso vom Samen. Die Scbeere aber tut nur ikre Wirkung in Yerbindung mit dem sie anwendenden Arzt, und ist die Hand demselben naher verbunden als die Scheere. Das Heilmittel aber wirkt durch eine ihm einwohnende Kraft, ohne dass der Arzt damit in Yerbindung steht. Dasselbe gilt vom Samen, er ist ein Organ der mannlichen Zeugungskraft, wirkt aber im Zustand der Trennung von derselben. Die Gefasse für den Samen, und die zwei Hoden sind dagegen dem Körper verbundene Zeugungsorgane. Die Adern aber, die als Organe für den Samen dienen, verhalten sich zu der herrschenden Kraft im Herzen, wie die Hand zum Arzt; mit ihr macht derselbe das Heilmittel, und giebt er ihm die bewegende Kraft, um den Leib des Kranken der Gesundheit zu zubewegen. Denn diese Adern [42], welche das Herz schon von Natur anwendet, sind Organe dazu, dass es dem Samen die Kraft giebt, um das im Mutterleib bereitete Blut derForm einer Thierart zu zubewegen. Wenn dann das Blut vom Samen die Kraft, womit es sich der Form zu bewegt, erhalten hat, so ist das Erste, was im Embryo entsteht, das Herz. Nach der Entstehung desselben ist dann die Entstehung der übrigen Glieder zu erwarten und zwar so wie grade die Krafte im Herzen vorhanden sind. Ist namlich im Herzen mit der Nahrkraft zugleich die Kraft, wodurch der Stoff bereitet wird, vorhanden, werden alle Glieder als weibliche erstehn, ist aber die formverleihende Kraft dort vorhanden, entstehen alle Glieder als mannliche. So entstehen denn von jener die dem Weibe angehörenden Glieder, von dieser aber die des Mannes. Dann aber erstehn die übrigen seelischen Krafte im Weibe analog denen im Manne. Diese beiden Krafte, wir meinen die mannliche und die weibliche, sind bei dem Menschen in zwei Individuen getrennt, aber bei vielen Pflanzen sind sie vollstandig in einem Individuum verbunden, so in vielen aus der Saat hervorgegangnen Pflanzen. Die Pflanze giebt den Stoff her, d. h. das Saatkorn, sie liefert aber damit zugleich eine Kraft, wodurch sich dasselbe zur Form hin bewegt. Denn im Saatkorn liegt die Bereitschaft, um die Form anzunehmen, so wie auch eine Kraft, wodurch es sich der Form zu bewegt. Das, was ihm die Bereitschaft verleiht um die Form anzunehmen, ist die weibliche Kraft und das, was ihm einen Anfang zur Hinbewegung zur Form verleiht, ist die mannliche Kraft. Auch unter dem Getier findet man solche, die in dieser Weise wandeln (nach Pflanzenart); doch giebt es darunter auch solche, bei denen die weibliche Kraft eine vollstandige ist und verbindet sich ihr dann eine defecte mannliche Kraft, die ihre Wirkung nur bis zu einem gewissen Grad ausübt, dann aber vergeht, so dass ein Beistand von aussen her noch nötig wird. Dies gilt z.B. bei dem Getier, welches Windeier legt, wie bei vielen Fischarten dies eintritt. Diese legen ihre Eier an gewissen Orten nieder, und folgen ihnen darauf die Mannchen und werfen eine Feuchtigkeit darauf. Das Ei nun, was von einem Teil dieser Feuchtigkeit betroffen wird, von dem geht ein Tier hervor, wo dieser Fall aber nicht eintritt, verdirbt das Ei. 9 Mit dein Menschen verhalt es sich aber nicht so, vieimenr sind bei ihm diese beiden Krafte in zwei Individuen gesondert, von denen ein jedes ihm speciell zu kommende Glieder hat. Das sind die bekannten Gliedmaassen, die übrigen Glieder sind aber bei beiden Geschlecbten dieselben , [43] wie sie auch alle seelischen Krafte, jene beiden ausgenommen, gemeinschaftlicli haben. Yon den Gliedmaassen, die Mann und Weib gleich haben, sind jedoch die beim Mann warmer, auch sind die Glieder, welche Bewegung und Antrieb bewirken, beim Mann starker, sowohl in Betreff der Bewegung als des Antriebs. Yon den seelischen Accidentien neigen einige der Kraft zu, so Zorn und Harte, diese sind beim Weibe schwacher, beim Mann aber starker, die Accidentien aber, welche mehr zur Schwache sich neigen, wie Milde und Mitleid, sind beim Weibe starker. Das hindert in dessen nicht, dass es auch unter den Mannlichen solche giebt, bei denen die Accidentien ahnlich wie die beim Weibe sind, wogegen auch unter den Weibern solche sind, welche denen des Mannes gleichen. Hierin nun unterscheiden sich im Menschen Weib und Mann. Dagegen ist in der Sinnes-, Vorstellungs- und Denkkraft bei Beiden kein Unterschied. Yon den Aussendingen her gelangen die Grundzüge des Wahrgenommenen in die Sinneskrafte, diese Letzteren sind die Helfer dazu, dann gelangt alles sinnlich Wahrgenommene, das ja von verschiedener Gattung ist, und von den verschiedenen fünf Sinnen erfasst wird, zu der Hauptsinneskraft und entstehn aus den zu diesen Kraften gelangten Wahrnehmungen die Grundzüge des in der Vorstellungskraft Vorstellbaren. Dieselben bleiben hier erhalten, nachdem sie der Bezeugung durch die Sinne schon entwichen sind, so dass dennoch über sie entschieden werden kann. Die Einen werden nun von den Andern einmal gesondert, ein andermal werden sie mit den Andern, in vielen unendlich verschiedenen Fügungen, zusammengesetzt und sind hierbei die Einen falsch, die Andren aber richtig. XXXI. Wie die Denkkraft denkt, wesshalb dies also statt hat. Die Urintelligiblen. [Nach der Abschatzung des Yorstellbaren] bleibt noch übrig, dass die Grundzüge des verschiedenen Denkbaren [Intelligibile] der Denkkraft eingezeichnet werden. Die Intelligiblen sind nun in ihrer Substanz wirklicher Intellect und wirklich Intelligibile. Diese sind nun die vom Stoff freien Dinge, dann aber besteht das Intelligibile auch in solchen Dingen, die nicht in ihren Substauzen wirklich intelligibel sind. Dies gilt vom Stein und der Planze, kurz von allem, was ein Körper oder in einem Körper von Stoff ist. Der Stoff selbst und alles, was aus ihm besteht, ist weder actuell Intellect noch actuell Intelligibile [44]. Der menschliche Intellect, der dem Menschen schon von Natur, von Anfang an, zukam, ist eine (innere) Anlage in einem Stoff, der dazu bereitet ist, dass er die Grundzüge des Intelligibilen annehme. Derselbe ist potentiell-Intellect auch Stoff-Intellect. Derselbe ist aber auch potentiell Intelligibile. Alle übrigen Dinge aber, welche in einem Stoff oder selbst ein Stoff, oder Stoffhabend sind, sind nimmer Intellect weder actuell noch potentiell, vielmehr sind sie nur potentiell Intelligibile und können sie actuell Intelli- gibile werden. In ihrer Substanz liegt aber nicht ein Genüge dazu vor, um von sich selbst aus intelligibel zu werden, auch liegt weder in der Denkkraft noch in dem, was die Natur verleiht, ein Genüge dazu vor, dass dieselbe von selbst aus actuell Intellect werde. Vielmehr bedarf es für sie um Intellect zu werden eines Anderen, das sie von der Potentialitat (Möglichkeit) zur Actualitat (Wirklichkeit) bringt. Sie (die Denkkraft) wird actuell Intellect, wenn in ihr die Intelligiblen statt haben. Das potentiell Intelligibile wird aber actuell, wenn es in Wirklichkeit für den Intellect Intelligibile wird. Somit bedarf das Intelligibile eines Andern, was es von der Potentialitat zur Actualitat bringt. Das Agens, was das Intelligible von der Möglichkeit zur Wirklichkeit bringt, ist nun ein Wesen, dessen Substanz ein actueller Intellect, und ein vom Stofi getrenntes (immateriell) ist. Denn dieser Intellect verleiht dem Stoffintellect, der ja nur potentiell Intellect ist, Etwas, was sich ebenso verhalt wie der Strahl, den die Sonne dem Bliek verleiht. Denn der actuelle Intellect verhalt sich zum Stoffintellect wie die Sonne zum Bliek. Der Bliek ist namlich eine Kr aft und eine Anlage im Stofi und ist er, bevor man dadurch sehn kann, nur potentiell Bliek, die Farben aber sind ehe sie gesehn werden nur potentiell sicht- und erschaubar. In der Substanz der im Auge liegenden Sehkraft, liegt aber nicht ein Genüge dazu, dass der Bliek ein wirklicher werde und ebensowenig liegt in den Substanzen der Farben ein Genüge dazu, dass sie wirklich gesehn und erschaut würden, denn die Sonne verleiht dem Bliek (Auge) einen Strahl, durch den er erleuchtet wird, auch verleiht sie den Farben einen Strahl, wodurch sie erhellt werden, und ist somit der Bliek erst durch den Strahl, der ihm von der Sonne gespendet wird, actuell sehend, und wirklich sehfahig, auch werden die Farben erst durch diesen Strahl wirklich geschaut und gesehn, nachdem sie vorher nur potentiell gesehn und geschaut wurden. Ebenso nun spendet dieser Intellect, der actuell ist, dem Stoffintellect Etwas, was er ihm einpragt. Dies Letztere nun verhalt sich zum Stoffintellect, wie der Strahl [45] zum Bliek. Wie namlich der Bliek durch den Strahl selbst den Strahl, welcher die Ursache seines Sehens ist, erschaut, und er dann auch die Sonne sieht, die ja Ursache von dem Strahl in seinem Auge ist, er endlich auch die Dinge schaut, welche nur der Kraft nach sehbar waren, jetzt aber wirklich sichtbar wurden, so ist es auch mit dem Stoffintellect; denn dieser denkt durch das , was sich zu ihm wie der Strahl zum Auge verhalt, eben dieses selbst, und denkt der Stoffintellect dann den actuellen Intellect, der davon Ursach ist, dass sich das Ding dem Stoffintellect einpragt. So werden hierdurch die Dinge, die nur potentiell gedacht wurden, jetzt actuell gedacht, auch wird er (der Stoffintellect) actueller Intellect, nachdem er vorher nur potentiell war. Die Wirkung dieses immateriellen Intellects (= actuellen Intellects) auf den Stoffintellect (= potentiellen Intellect) ist nun ahnlich der Wirkung der Sonne auf den Bliek und heisst jener deslialb der schaffende Intellect. Er hat in dem unter der ersten Ursache erwahnten Immateriellen die zehnte Stufe inne und heisst der Stoffintellect auch der leidende Intellect. Findet nun in der Denkkraft von dem schaffenden Intellect her das statt, was sich zu ihr so verhalt wie der Strahl zum Bliek, dann wird das sinnlich Wahrnehmbare , so weit es in der Vorstellungskraft bewahrt vorliegt, zum Intelligibile in der Denkkraft und aind dies dann die Intelligiblen, welche allen Menschen gemeinsam eignen , so der Satz: das Ganze ist grösser als der Teil, und der: die an ein und demselben Dinge gleichen Maasse sind auch einander gleich. Die allen gemeinsamen Urintelligiblen zerfallen in drei Arten: a. Grundsatze für die theoretische Mathematik (d. h. die nicht an Figuren dargestellten). b. Grundsatze zur Feststellung von Schön und Ilasslich, in Betreff dessen, was der Mensch zu tun hat. c. Grundsatze um die Zustande des Vorhandenen, welches der Mensch nicht machen kann, zu erkennen, sowie die Anfange und Stufen desselben. Dies gilt vom den Himmeln, der ersten Ursache und den übrigen anderen Anfangen (Principen) sowie von dem, was ans diesen Principen hervorgeht. XXIII. Ueber den ünterschied von Wille und Freiwahl und über das Glück. Wenn diese ïntelligiblen dem Menschen zu Teil werden, so entsteht in ihm von Natur selbst schon Betrachtung, Ueberlegung, Erinnrung und Sehnsucht zum Folgern, sowie auch ein Hang und Begehr nach dem, was er geistig erfasste und zum Teil erschloss [46], oder aber der Widerwille dagegen. Der Hang zu dem, was er erfasste, ist im allgemeinen der Wille. Rührt nun dieser Hang her von der sinnlichen Wahrnehmung oder der Vorstellung, nennt man ihn mit dem gemeinsamen Namen » Wille", rührt er aber her von Ueberlegung oder logischem Schluss, so nennt man ihn » Freiwahl". Diese letztere wird speciell nur am Menschen befunden. Der aus Sinneswahrnehmung und Yorstellung hervorgehende Hang ist auch bei dem übrigen Getier zu finden. Dass aber die Urintelligiblen nur dem Menschen zukommen, bildet seine erste Vollkommenheit auch wurden dieselben (d. h. die Grundsatze) ihm dazu gesetzt, dass er sie dazu anwende um zur Endvollendung zu gelangen. Diese Endvollendung ist nun das Glück. Es besteht darin, dass die Seele des Menschen in der Vollkommenheit ihres Seins so weit gelangt, dass sie zu ihrem Bestehn eines Stoffs nicht mebr bedarf d. h. dass sie zur Gesammtheit jener Dinge gehore, die frei sind vom Körper und sie in die Menge der vom Stofi freien Substanzen (des Immateriellen) eintrete, und dann in diesem Zustand immerfort verbleibe. Nur ist dabei festzuhalten, dass die Stufe dieser Seelen noch unter der Stufe des schaftenden Intellects steht. Dies kann nur durch freiwillentliches Tun erreicht werden, was zum Teil aus nachdenklichem, zum Teil aus körperlichem Tun besteht. Es wird aber nicht durch ein Tun, sowie dies sich trifft, erreicht, sondern nur durch ein wohlbegrenztes und bemessenes Tun, welches aus ausseren und inneren, wohlbegrenzten und bemessenen Eigenschaften hervorgeht. Dies ist hervorzuheben, weil es auch ein freiwillentliches Tun giebt, welches am Glück hindert. Das Glück ist das wegen seines Wesens erstrebte Gute. Dasselbe dient überhaupt nicht, auch nicht zu irgend einer Zeit dazu, um dadurch etwas andres zu erreichen, auch giebt es nicht nach dem Glück noch Etwas andres Herr- licheres, was der Mensch noch erreichen könnte. Das freiwillentliche Tun, welches dazu dient das Glück zu erreichen besteht in guten Werken. Die ausseren und inneren Anlagen, aus denen dieses Tun aber hervorgeht, sind nun die Tugenden. Diese sind gut nicht etwa schon wegen ihres Wesens, sondern dieselben sind gut wegen des Glücks. Dagegen sind die Handlungen, die am Glück hindern, Frevel, d. h. schlechte Werke. Die inneren und ausseren Eigenschaften aber, von denen dieses Tun ausgeht, heissen Laster (Defecte) und sind sie schimpflich und gemein. XXIII8. Die Krafte und ihr Dienst. Die Nahrkraft im Menschen ward dazu gesetzt um dem Leibe zu dienen, die Sinnes- und die Vorstellungskraft aber um sowohl dem Leibe als auch der Denkkraft zu Dienst zu stehn. Der Dienst, den alle drei dem Leibe leisten, gebt zurück auf den Dienst der Denkkraft, [47] da ja der Bestand der Denkkraft zunachst auf dem Leib beruht. Die Denkkraft zerfallt in eine practische und eine theoretische. Die practische ward dazu bestimmt der theoretischen zu dienen, die theoretische Kraft aber dient keinem Andern, vielmehr ist sie dazu da um zum Glück zu führen. Alle diese Krafte sind verbunden mit der Hangkraft (Instinct) und dient diese sowohl der Sinnes-, als der Yorstellungs-, als der Denkkraft und können die dienenden, erfassenden Krafte weder ihren Dienst noch ihr Werk verrichten, es sei denn vermittelst der Haugkraft. Denn weder die Sinne noch die Yorstellung noch die LJeberlegung genügen zur Tat, es sei denn es verbinde sich damit die Sehnsucht nach dem, was man wahrnimmt, vorstellt, überlegt und weiss. Denn der Wille ists, der vermöge der Hangkraft das an sich reisst, was er erfasste. Erkannte die theoretische Kraft das Glück und setzte sie es als Ziel, ersehnte sie es vermöge des Hangs und brachte sie vermöge der Ueberlegungskraft das heraus, was sie tun müsse um mit Hülfe der Vorstellungskraft und der Sinne dazu zu gelangen, verrichtete sie ferner mit den Organen der Hangkraft diese Taten, so sind die Werke dieses Menschen allesammt gut und schön. Erkannte die theoretische Kraft aber das Glück nicht, oder kannte sie es zwar, setzte sie es aber nicht ihrer Sehnsucht als Ziel, setzte sie vielmehr als Ziel etwas andres als es und sehnte sie sich nach diesem mit ihrem Hang und bringt sie dann mit der Ueberlegung das heraus, was man tun müsse, um dies mit Hülfe der Sinne und Vorstellungskraft zu erreichen , tut man endlich dies mit den Organen der Hangkraft, so sind die Taten dieses Menschen allesammt unschön. XXIV. Die Ursache der Traume. Die Vorstellungskraft steht in der Mitte zwischen der Sinnes- und der Denkkraft. Wenn nun alle Ernahrer der Sinneskraft d.h. die fünf Sinne, actuell wahrnehmen und ihr Werk verrichten, erleidet die Vorstellungskraft Eindruck von ihnen und wird sie beschaftigt durch die sinnlichen Wahrnehmungen, welche die Sinne ihr zuführen und einpragen; zugleich aber ist dieselbe auch mit dem Dienst der Denkkraft beschaftigt sowie auch damit, dass sie der Hangkraft Spende zuführt. Bestehen nun Sinnes- , Hang- und Denkkraft noch in ihrer ersten Vollendung, sodass sie ihr Werk so verrichten wie dies im Zustand des Schlafs statt- hat, so ist die Vorstellungskraft allein für sich und ist sie noch leer von den Grundzügen des Wahrnehmbaren, welche sonst die Sinne ihr immerfort zu führen, [48] zugleich ist sie frei vom Dienst der Denk- und Hangkraft und kehrt sie dann zu dein Wahrgenommenen zurück, das iu seinen Grundzügen bei ihr als wohl zu bewahren und bleibend aufgespeichert ward. Sie wirkt dann an diesem, indem sie eins zum andern fügt oder eins vom andern trennt. Sie übt endlich zu der Aufbewahrung von den Grundzügen des Wahrnehmbaren, und dem Zusammenfügen des Einen mit dem andern noch ein drittes Tun aus, das ist die Nachahmung. Diese Kraft ist neben den übrigen Seelenkraften ihr noch speciell eigen und ist die Vorstellungskraft dadurch im Stande das Wahrgenommene, das bei ihr aufoewahrt blieb, nachzubilden. Bisweilen tut sie dies durch die fünf Sinne, sofern sie das bei ihr aufbewahrte Wahrgenommene zusammenfügt und dies nachbildet, bisweilen ahmt sie aber dem Geistigen nach, bisweilen der Nahr- bisweilen der Hangkraft. Auch bildet sie die Mischung nach, welche dem Leibe dabei zustiess. Fand sie die Mischung als eine feuchte vor, ahmt sie der Feuchtigkeit dadurch nach, dass sie die dem Feuchten entsprecheude sinnliche Wahrnehmung nachbildet, so Wasser und Schwimmen. Ist dagegen die Mischung des Körpers eine trockene, bildet sie die Trockniss des Körpers in dem Wahrnehmbaren nach, welches die Trockniss darstellt, und gilt dasselbe von der Hitze und Kalte des Leibes, wenn namlich zufallig zu irgend einer Zeit die Mischung des Leibes heiss oder warm ist. Auch ists möglich dass, wenn diese Kraft als eine Anlage oder Form im Leibe besteht, der Leib, der in irgend einer Mischung sich befindet, diese selbe Mischung producirt. Nur ist dabei festzuhalten, dass, wenn diese Anlage eine seelische ist, die Annahme der Mischung, demgemass, wie sie der Leib schafft, stattfindet und zwar wie dies in ihrer (der Anlage) Natur liegt, nicht aber dem gemass wie es in der Natur der Körper liegt, die Mischungen anzunehmen. Denn wenn der feuchte Körper eine Feuchtigkeit in irgend einem Körper schafft, so nimmt der Körper, aut den eingewirkt wird, die Feuchtigkeit (selbst) an und wird somit ebenso feucht wie der andre. Diese Kraft aber wird, wenn auf sie eine Feuchtigkeit wirkt oder ihr eine Feuchtigkeit nahgebracht wird, nicht selber feucht, sondern sie nimmt dieselbe nur dadurch auf, dass sie dieselbe vom Wahrnehmbaren her sich nachbildet. Dies ist gerade so wie die Denkkraft, wenn sie die Feuchtigkeit annimmt, doch nur das Wesen der Feuchtigkeit dadurch annimmt, dass sie dieselbe denkt, nimmer aber die Feuchtigkeit selbst. Dies gilt nun auch von dieser Kraft, wenn Etwas auf sie einwirkt, so nimmt sie dies [49] von dem Einwirkenden dem, was in ihrer Substanz liegt, gemass an, sowie auch gemass ihrer Bereitschaft dazu. Was nun immer auf diese Kraft einwirken mag, so gilt von ihr dass sie, wenn es in ihrer Substanz liegt, dasselbe anzunehmen, es auch zugleich in ihrer Substanz liegt, dass sie es so annehme, wie es ihr zugebracht wird. Dies kann sie in zwei Weisen tun. Einmal namlich kann sie es annehmen, wie es ist und wie es ihr zugebracht wird, dann aber kann sie es dadurch annehmen, dass sie dies Ding in dem Wahrnehmbaren, welches dazu geeignet ist, nachbildet. Liegt es nun in der Substanz dieser Kraft, dass sie das Ding so annimmt wie es ist, so nimmt sie dies dadurch an , dass sie dasselbe mit den Wahrnehmungen, welche bei ihr als dazu passend zusammentreffen, gleichstellt, denn es ist der Vorstellungskraft nicht eigen das Geistige (Intelligibile) als solches anzunehmen. Denn wenn die Denkkraft der Vorstellungskraft die bei ihr vorhandenen Geistdinge spendet, nimmt diese Letztere dieselben nicht so an wie sie in der Denkraft vorliegen, sondern sie vergleicht dieselben mit den damit vergleichbaren Sinnesdingen. Verleiht dann ihr der Leib die Mischung, die er zufallig zu irgend einer Zeit hat, so nimmt die Vorstellungskraft diese Mischung dureh dies Wahrnehmbare an, das zufallig bei ihr sich vorfindet und dieser Mischung zu entsprechen pflegt. Wird nun der Vorstellungskraft etwas sinnlich Wahrnehmbares geliefert, so nimmt sie dies bisweilen so an wie es ihr gegeben wird, bisweilen aber aucli dadurch, dass sie dies Wahrnehmbare andren ahnlichen Wahrnehmbaren gleichstellt. Trifft dieselbe hierbei auf die Hangkraft in einer, ihrer Wesensqualitat naheliegenden Bereitschaft, wie dem Zorn oder der Begierde oder überhaupt irgend einem Tun, so übernimmt die Hangkraft die Nachahmung. Dann giebt dieselbe das Tun auf, das gewöhnlich sich in dieser Eigenschaft und zu dieser Stunde in ihr wohl bereitet vorzufinden pflegte um jenes (Wahrnehmbare) anzunehmen. In eiuem solchen Fall, werden die Erafte, welche Ernahrer der dienenden Glieder sind, angeregt in Wirklichkeit das zu verrichten, was durch diese Glieder, dann wenn die Hangkraft (Instinct) functionirt, verrichtet zu werden pflegt. Dann gleicht die Vorstellungskraft bei diesem Tun bisweilen einem Ohnmachtigen und bisweilen einem Todten, bisweilen aber verhalt dies sich nicht so. Wenn jedoch die Mischung des Leibes eine solche ist, dass irgend ein Erleiden in der Hangkraft eine Folge davon zu sein pflegt, so bildet die Hangkraft diese Mischung in dem ihr eignen Tun, das aus diesem Erleiden hervorgeht, nach [50] und zwar werden, bevor dies Erleiden stattfindet, die Glieder, in denen die Dienstkraft für die Hangkraft ruht, in Function gesetzt um dieses Tun wirklich zu begründen. Wenn z. B. die Mischung des Leibes eine solche ist, dass bei derselben in der Hangkraft die Begierde zum Beischlaf die Folge ist, so entspricht sie dieser Mischung durch die Ausführung des Beischlafs, und setzt sie die Glieder dieses Tuns um sie zu demselben vorzubereiten in Function, wenn auch nicht grade in dieser Stunde eine sinnliche Begierde vorliegt, vielmehr geschieht dies nur, weil die Vorstellungskraft diese Begierde so, wie sie ausgeführt wird, nachbildet, und gilt dasselbe von all dem übrigen Erleiden. So steht z. B. bisweilen ein Mensch aus dem Schlafe auf und schlagt einen andern , oder er steht auf und entflieht ohne dass von Aussen her eine Gefahr ihm naht. Hierbei steht das, was die Vorstellungskraft von dergleichen nachbildete, an der Stelle dieser Sache selbst, im Fall sie wirklich stattfindet. Auch ahmt dieselbe der Denkkraft dadurch nach, dass sie das, was bei ihr an Intelligiblen sich verfindet, durch die Dinge, in denen diese Intelligiblen nachgebildet zu werden pflegen, darstellt, In dieser Weise kommt die Vorstellungskraft dazu, die höchste Vollendung wie die erste Ursache, das Immaterielle, und die Himmel in den vorzüglichsten und vollkommensten Sinnesdingen, namlich den schön Anzusehenden, nachbildlich aufzufassen, dagegen erfasst sie das defecte Intelligibile in den nie- drigsten und mangelheftesten Dingen so um es in den hasslich anzusehenden Dingen nachbildlich wiederzugeben und gilt dasselbe von allen Dingen mit lieblicbem Aussebn ebenso. XXIVa. Der schaffende Intellect, die Denk- und Yorstellungskraft. Der schaffende Intellect ist dieUrsache, durch die das nur potentiell Intelligibile zum actuellen Intelligibile wird, auch dafür dass der potentielle Intellect zum actuellen wird. Das nun, dessen Weise es ist actueller Intellect zu werden, ist die Denkkraft. Die Denkkraft zerfallt in zwei Arten, in eine theoretische und eine practische. Die practische ist nun die, welche die Teildinge, gegenwartige und zukünftige, schafft, die theoretische aber die, welche die Intelligiblen, welche man wissen kann, denkt. Die Yorstellungskraft verbindet sich mit beiden Arten der Denkkraft. Denn das, was die Denkkraft vom schaffenden Intellect erhalt, steht zu ihr in demselben Yerhaltniss wie der Strahl zum Auge. Namlich so. Bisweilen geht vom schaffen den Intellect auf die Yorstellungskraft ein Erguss aus und übt derselbe dann auf die Vorstellungskraft ein Tun aus, welches ihr jene Intelligibile verleiht, die gewöhnlich nur [51] der theoretischen Denkkraft zukommen. Bisweilen aber verleiht er auch die sinnlich wahrnehmbaren Teildinge, die der practischen Denkkraft zuzufallen pflegen. Dieses Tun der Yorstellungskraft besteht darin, dass es die Intelligiblen dadurch annimmt, dass es die Intelligiblen den Stoffdingen, welche die Vorstellung zusammenfügt ahnlich setzt. Auch nimmt dies Tun bisweilen die Teildinge so an , dass die Vorstellung sie sich so vorstellt, wie sie sind , bisweilen aber so, dass sie sie anderen ahnlichen Wahrnehmbaren gleich setzt. Dies ware nun eine Sache der practischen Denkkraft, die sie mit Überlegung ausführt. Diese so betrachteten Dinge können sowohl in die Gegenwart als in die Zukunft fallen. Nur ist hierbei fest zu halten dass das, was hiervon der Vorstellungskraft zufallt, ohne Vermitthung einer Überlegung stattfindet. Desbalb findet dies bei allen diesen Dingen erst dann statt, nachdem sie durch Überlegung herausgebracht und vom schaffenden Intellect der Vorstellungskraft übergeben sind. Dies gilt auch von den Teildingen bei den Traumeu und den wahren Gesichten und dem, was der Yorstellungskraft von Intelliblen geliefert wird und die sie dann dadurch annimmt, dass sie ihre Abbilder an die Stelle der Intelligiblen setzt, wie dies in dem Wahrsagen von göttlichen Dingen geschieht. Dies alles nun geschieht z. T. im Schlaf, z. T. im Wachen, nur dass dies beim W achen selten und gar selten bei gewöhnlichen Leuten stattfindet. Im Traum kommt es zumeist bei den Teildingen vor, bei deu Geistdingen (Intelligibile) aber selten. XXY. Ueber Offenbarung und Engelerscheinungen. Dies verhalt sich so. Wenn die Vorstellungskraft in einem Menschen sehr stark und vollkommen ist, auch die Wahrnehmungen, die auf sie von aussen kommen, sie nicht so beherrschen, dass sie ganz darin versinkt, endlich auch die Denkkraft sie nicht ganz in Dienst nimmt, vielmehr ihr, bei ihrer Beschaftigung mit beiden noch viel 6 übrig bleibt, an dem sie das ihr eigne Tun verrichten kann, auch ihr Zustand bei ihrer Beschaftigung mit diesen beiden zur Zeit des Wachens eben so sich verhalt wie ihr Zustand dann ist, wenn sie zur Zeit des Schlafs von jenen frei ist, so ist vieles von dem, was ihr der schaffende Intellect spendet so, dass die Yorstellungskraft es sich dadurch vorstellt, dass sie es mit dem erschauten Sinnlichen vergleicht. Denn dies so Vorgestellte kehrt wieder und pragt sich der Sinneskraft ein, gelangen aber die Grundzüge hiervon in das gemeinsame feinnvermögen, so erleidet von ihnen die Sehkraft Eindrücke und pragen sich dieselben dort ein. Dann gelangen von dem, was davon in die Sehkraft kam, die Grundzüge in die strahlende Luft, die mit dem Auge in Verbindung steht, und von den Strahlen des Auges durchdrungen wird. [52] Kommen aber diese Grundzüge (vom Auge aus) in die Luft, kehrt das in der Luft befindliche (Bild) zurück und pragt sich von Neuem der Sehkraft im Auge ein; es reflectirt von da zum gemeinsamen Sinnvermögen, so wie auch auf die Vorstellungskraft. Weil nun dies alles, das Eine mit dem andern, zusammenhangt, so wird das, was der schaftende Intellect hierbei verleiht, für diesen Menschen erschaubar. Ist nun zufallig das, dem die Vorstellungskraft diese sinnlichen Dinge gleichsetzt von höchster Anmut und Vollkommenheit, so sagt der, der solches sieht »Gott hat eine herrliche wunderbare Pracht", und erschaut er wunderbare Dinge, von denen durchaus nichts unter dem übrigen Vorhandenen sich vorfinden kann. Es ist dann nicht ausgeschlossen, dass ein Mensch, wenn seine Vorstellungskraft die höchste Vollkommenheit erreicht hat, im Wachen vom schaftenden Intellect die gegenwartigen und zukünftigen Teildinge oder deren Abbilder im Sinnlichen annimmt, er auch die Abbilder des Intelligiblen (Immateriellen) und das andre erhabene Vorhandene empfangt, und es sieht. Dann entsteht ihm durch das vom Intelligiblen Angenommene eine Profetie über die göttlicken Dinge und bildet dies die iiöchste Stufe, zu der es die Yorst.ellungskraft bringt, so wie auch die höchste Staffel, welche der Mensch mit seiner Vorstellungskraft erreicht. Unter diesem steht dann der, der von diesem allen etwas im Wachen und etwas im Schlaf sieht, so wie auch der, welcher alles dies sich zwar in seiner Seele vorstellt aber nicht mit seinem Auge sieht, dann folgt darunter der, der dies alles nur in seinem Schlaf sieht. Die Aussprüche, womit diese Leute hiervon Kunde geben, sind bildliche Ausdrücke, Ratsel- und Dunkelrede, Yertauschungs- und Gleicbnissrede, doch unterscheiden sie sich dabei vielfach von einander. Denn einige erfassen nur die Teildinge und sehn sie nur im Wachen, doch nehmen sie die Intelligiblen nicht an; andre nehmen die Intelligiblen an und sehn sie im Wachen aber die Teildinge nehmen sie nicht an. Andre wieder nehmen nur einen Teil dieser Dinge an, erschauen aber andre Dinge nicht; dann sehn manche zwar Etwas im Wachen, doch nicht im Schlaf, andre dagegen nehmen nicht im Wachen an, vielmehr nehmen sie alles, was sie annehmen, nur im Schlaf an. Dann nimmt wohl einer im Schlaf die Teildinge aber nicht die Intelligiblen an, andre nehmen etwas von diesen und etwas von jenen an. Noch andre nehmen nur etwas von den Teildingen an, und gilt dies von den Meisten. Auch zeichnen sich die Menschen , einer vor dem andern, hierin aus. Alles dies ist nun als Beistand [53] für die Denkkraft zu betrachten. Auch treten hierbei Zufalle ein, durch die sich die Temperamente der Menschen andern und wird hierdurch das Temperament wohl vorbereitet urn von dem schaftenden Intellect etwas, bald in der Zeit des Wachens bald in der des Schlafs, anzunehmen. Es bleibt dies dann wohl bei einigen eine Zeitlang bestehn, bei andern aber nur ein Weilchen und weicht es dann von ihm. Auch stossen den Menschen Zufalle zu, durch die sein Temperament und seine Yorstellungen verdorben werden. Dann sieht er Dinge von dem, was die Vorstellungskraft zusammenfügte und zwar in einer Art undWeise, die nicht existirt, auch sind dergleichen dem Vorhandenen nicht vergleichbar. Dies gilt nun von dem Gallsüchtigen, Besessenen und dergleichen. XXYI. Ueber das Bedürfniss zu einem gegenseitigen Beistand bei den Menschen. Ein jeder Mensch ist darauf hin geschaffen, dass er zu seinem Bestehn und dazu, dass er die höchste Stufe der Vollkommenheit erreiche, vielerlei bedarf, was er, wenn er allein ist, nicht leisten kann, vielmehr bedarf er der Leute, von denen ein jeder einen Teil seines Bedarfs deckt. Ein Jeder steht zum Andern in diesem V erhaltniss. Es kann daher unmöglich der Mensch die Vollkommenheit erreichen, auf die hin seine natürliche Anlage gesetzt ward, es sei denn, dass viele Gemeinschaften sich einander beistehn, so dass eine jede Einzelne der Andern etwas von dem, was sie bedarf liefere. Dann erst geht aus der Leistung dieser Menge für jeden Einzelnen alles das hervor, dessen er zu seinem Bestehn bedarf, sowie auch dessen, was er um seine Vollendung zu erlangen nötig hat. Deshalb giebt es der menschlicheu Individuen so viele, diese gelangen dann in die Culturstriche der Erde und gehn daraus dann die menschlichen Gemeinwesen hervor. Dieselben sind z. T. vollkommen, z. T. unvollkommeu. Die Vollkommenen zerfallen dann in drei, in grosse, mittlere und kleine. Gross nennen wir die Zusammenfassung aller Gemeinden auf der bewohnten Erde. Von mittlerer Grosse aber ist die Gemeinschaft eines Volks in einem Teil der bewohnten Erde. Klein hingegen ist die Gemeinschaft einer Stadtgemeinde in einem Teil von dem Wohnsitz eines Volks. Eine unvollkommene Gemeinde aber nennen wir die Bewohner eines Dorfs oder die Gemeinde eines Viertels oder einer Strasse oder die eines Hauses. Die kleinste Gemeinde bildet somit das Haus. Viertel und Dorf stehn beide mit der Stadt in Beziehung und zwar so, Dorf steht zur Stadt wie eine Dienerin, dagegen ist Viertel ein Teil der Stadt, Strasse aber nur ein Teil des Viertels und ist das Haus wiederum ein Teil der Strasse. Die Stadt aber bildet einen Teil von der Heimat eines Volks [54] und das Volk einen Teil von der Bewohnerschaft der Culturwelt. Das Gute, das Vorzügliche und die höchste Vollendung kann nur in einer Stadt erreicht werden, nicht aber in einer kleineren Gemeinschaft. Da nun das Gute wirklich nur durch Auswahl und freien Willen erreicht werden kann, dasselbe aber auch vom Bösen gilt, so ists möglich, dass eine Stadt auch zur Erreichung einiger Ziele, die schlecht sind, sich einander Bestand leiste. Eine Stadt, in der man das Glück erreichen kann, ist aber eine solche, in der der gegenseitige Beistand auf das gerichtet ist, wodurch man in Wahrheit das Glück erreicht. Sie heisst die Vorzugsstadt (Musterstaat). Die Gemeinde aber, in der man sich zur Erreichung des Glücks beisteht, ist die Vorzugsgemeinde. Das Yolk ferner, deren Stiidte insgesammt auf die Erreichung des Gliicks gerichtet sind, heisst das Vorzugs-(Muster)Volk und ebenso kann man sagen ein Vorzugsland ist das, in welchem das Volk sich einander beisteht um das Glück zu erreichen. Die Vorzugsstadt (Musterstaat) gleicht dem vollstandig gesunden Leib, dessen Glieder sich allesammt einander beistehn, um das creatürliche Leben voll herzustellen und zu er halten. Wie nun am Leibe die Glieder verschieden sind und sie in ihren Anlagen und Kraften mit einander um den Vorzug streiten, wie ferner unter ihuen ein Glied, namlich das Herz, der Hauptling ist, dann aber es auch Glieder giebt, deren Stufe diesem Hauptling nahsteht, und in ein jedes derselben von Natur schon eine Kraft gelegt ward, mit der es sein Tun verrichtet und zwar dazu verrichtet, dass das, was von Natur das Endziel des Hauptgliedes ist, erreicht werde; wie es dann andre Glieder giebt, in denen Krafte liegen, die den Zielen jener Glieder, zwischen denen und dem Hauptglied es kein Mittelglied giebt, gemass functioniren und diese Glieder somit- auf der zweiten Stufe stehn, so giebt es dann auch noch andre Glieder, welche den Zielen der auf der zweiten Stufe stehenden, gemass functioniren. So geht es dann fort bis man zu den Gliedern kommt, die nur dienen, aber gar nichts beherrschen. Dasselbe gilt von der Stadt, sie hat Teile von verschiedener Natur und haben diese dann wiederum Anlagen, die mit einander um den Vorzug ringen. Dann giebt es darin einen Mann, der Hauptling ist, und andre, deren Stufen dem Hauptling nah stehn. Doch hegt eine jede dieser Stufen eine Anlage und Beschaffenheit, mit denen sie so functionirt, wie es das beabsichtigte Ziel dieses Hauptlings ist. — Diese Leute stehn auf den ersten Stufen, unter ihnen aber stehn andre, die den Zielen jener entsprechend, functioniren, sie stehn auf der zweiten Stufe. [55] Unter diesen stehn dann ebenfalls solche, die ihren Zielen gemass handeln. So ordnen sich denn die Teile der Stadt bis man zu solchen kommt, welche ihr Werk nur den Zielen andrer gemass verrichten und somit zwar selbst dienen aber nicht weiter bedient werden. Diese stehn auf der untersten Stufe und sind sie die Niedrigen. Doch ist dabei festzuhalten, dass die Leibesglieder natürliche (d. h. von der Natur beherrschte) sind und ihre Anlagen in Naturkraften bestehn , bei den Bewohnern der Stadtteile aber, wenn sie auch selber natürlich sind, functioniren doch ihre Arbeiten für die Stadt nicht als natürliche, sondern freiwillentlich. Denn die Teile der Stadt sind von Natur schon so geschaffen, dass sie mit einander um den Vorzug ringen. Dadurch verhilft einer dem andren in dieser wie in jener Sache zum Wohl. Doch sind die Menschen selber Teile der Stadt nicht schon durch die Anlage sondern durch die in freiwilliger Weise von ihnen erworbenen Eigenschaften. Dies gilt auch von den Künsten und dergleichen, sowie von den Kraften, die von Natur zwar den Gliedern zukommen, deren entsprechende Paralleien in den Teilen der Stadt aber in freiwillig erworbenen Beschaffenheiten und Fahigkeiten bestehn. XXVII. Das Hauptglied. Wie das Hauptglied ira Leibe von Natur schon das vollkommenste der Gliedmaassen und das vollendetste derselben ist, und zwar so wohl an sich als in dem , was ihm speciell eignet, es auch in allem, worin ein andres Glied mit ihm teilhat, als das vorzüglichere hervortritt, wie ferner unter ihm noch andre Glieder stehn, die wieder für die Glieder unter ihnen Hauptglieder sind, auch die Herrschaft dieser unter der des Ersten steht, und zwar so dass alle, welche unter der Herrsehaft des Ersten stehn sowolil herrschen als beherrscht werden, so verhalt es sich auch mit dem überhaupt des Staats. Er ist sowohl in seinen Specialeigenschaften als auch vor allen, die mit ihm an Etwas teilnehmen, der Yorzüglichste. Unter ihm stehn aber solche, die sowohl von ihm beherscht werden als auch wieder andere beherrschen. Wie dann das Herz zuerst entsteht und so zur Ursache wird, dass die übrigen Glieder des Leibes entstehn, sowie auch zur Ursache dafür, dass ihnen Krafte werden und sie sich in ihren Stufen ordnen, auch im Fall ein Glied erkrankt, es ihm das spendet, was diese Krankheit von ihm entfernt, so verhalt es sich auch mit dem Hauptling dieser Stadt. Er rnuss zuerst sein, dann wird er zur Ursache, dass die Stadt und ihre Teile erstehn, sowie auch zur Ursache dafür, dass die selbstwillentlichen Eigenschaften, welche die Teile haben, so hervorgehn, dass sie sich in ihren Stufen ordnen. Wenn dann ein Teil erkrankt [56] so spendet das Erste ihm dadurch Hülfe, dass es die Krankheit von ihm entfernt. Wie dann die dem Hauptglied nahestehenden Glieder die natürlichen Functionen, die schon von Natur dem Endziel des ersten Hauptlings entsprechen, in erhabenster Weise verrichten, die darunter stehenden Glieder aber die Functionen tun , welche weniger erhaben sind bis dass man zu den Gliedern gelangt, durch welche die niedrigsten Functionen ausgeübt werden, so verhalt es sich auch mit den Gliedern, die in der Herrschaft dem Stadthauptling nahestehen. Sie verrichten die selbstwilligen Functionen, welche am höchsten stehn, die unter ihnen stehenden Glieder aber, die weniger erhabnen und geht dies bis zu den Gliedern herab, die die niedrigsten Functionen verrichten. Die Niedrigkeit der Functionen beruht nun bisweilen in der Niedrigkeit ihrer Substrate, wenn auch die Functionen selbst von grossem Nutzen sein mögen. Dies gilt von der Function der Blasé und der unteren Eingeweide im Leibe. Ofter aber beruht dieselbe in der Geringfügigkeit ihres Nutzens, bisweilen aber liegt dies auch darin, dass sie selbst sehr unbedeutend sind. Ebenso ist es in der Stadt und verhalt es sich überhaupt so in jeder Gesammtlieit, deren Teile von Natur zusammengesetzt, gereiht und geordnet sind. Denn sie haben alle ein Haupt, dessen Zustand vor allen Teilen von dieser Beschaffenheit ist. Dasselbe gilt nun auch vom allem Yorhandenen namlich: Die erste Ursach verhalt sich zu allem Yorhandenen wie der König der Yorzugsstadt zu allen Teilen derselben. Denn dasFreisein vom Stoff liegt dem Ersten nah, darunter kommen dann die Himmelskörper und unter den Himmelskörpern die Stoff körper. Alle diese gehn in ihrem Lauf dem Ziel des Ersten zu, sie streben dem nach und tut dies ebenfalls alles, was vorhanden ist, je nach seiner Kraft, nur dass es diesem Ziele in verscliiedenen Stufen nachstrebt. Namlich so: das Niedrigste strebt dem Ziele dessen nach, was ein wenig über ihm steht, dies wiederum dem Ziele dessen, was über ihm ist und ebenso da3 dritte dem Ziele über ihm. Das geht so fort bis zu dem, bei dem es eintritt, dass zwischen ihm und dem Ersten nichts mehr in der Mitte liegt. In dieser Reihenfolge strebt alles, was vorhanden ist, dem Ziel der ersten Ursach nach. Das Vorhandene dem alles, worauf sein Sein beruht, von Anfang an verliehn ward, strebt auch vom Anfang an der Richtung und Absicht des Ersten nach, und bleibt es immerfort in den höchsten Schichten. Das aber, was nicht von Anfang an mit allem, worauf sein Sein beruht, begabt ward, erhielt doch eiue Kraft, mit der es sich dem zu bewegt, was es zu erreichen erwarten konnte [57] und folgt es so dem Endziel des Ersten nach. Ebenso muss es sich auch mit dem Musterstaat verhalten. Alle Teile desselben müssen in ihren Functionen der Reihe nach dem Ziel ihres Oberhaupts nachstreben. XXVTIb. Die Führerschaft und der Intellect. Ebenso muss sich der Musterstaat verhalten. Alle Teile desselben müssen bei ihren Functionen dem Ziele des Oberhauptes und zwar je in ihrer Ordnung nachstreben. überhaupt des Musterstaats kann aber nicht jedweder Mensch sein, denn die Führerschaft beruht auf zweierlei. Erstens muss das überhaupt von Natur und Grundanlage schon dazu wohl bereitet sein, dann aber auch durch die willentlich erworbene Beschaffenheit und Eigenschaft dazu befahigt werden. — Denn die Führerschaft steht nur dem zu, der dazu von Natur beanlagt ist. So befahigt nicht jedwede Kunst dazu, dass man herrschen könne, vielmehr sind die meisten Kunstfertigkeiten solche, die nur zur Bedienung der Herrscherkunst geschafïen sind. So giebt es denn unter den Kunstfertigkeiten solche, mit denen man zu herrschen und zu dienen vermag, dann aber auch andre, mit denen man nur Dienst verrichten nimmer aber herrschen kann. Ebenso ists unmöglich dass die Führerschaft (Regierung) des Musterstaats durch jedwede zufallige Kunstfertigkeit oder in jedwedem Reich statthaben kann. Denn wie der oberste Führer derselben einer Gattung angehört, die nimmer von Etwas von derselben Gattung beherrscht werden kann, so steht er darin ebenso da, wie das Oberste der Glieder, denn für dasselbe giebt es kein anderes Glied als Herrscher, und gilt dies auch für alle Obersten. Der oberste Herrscher für die Vorzugstadt muss eine Kunst besitzen, die durchaus nicht noch einern Anderm zu Dienst stehn kann und kann seine Kunst nimmer von einer andern beherrscht werden. Yielmehr ist seine Kunst eine solche, die in ihrem Endziel alle andre Kunst mit umschliesst, sodass der Musterstaat dieses Ziel in allen seinen Functionen erstebt. Somit muss dieser Mensch (das Oberhaupt) ein solcher sein, dass ihn durchaus kein andrer beherrschen kann, vielmehr muss er ein Mensch sein, der die Vollkommenheit erreichte, und muss er sowohl actuell Intellect als actuell intelligibel sein. Seine Vorstellungskraft muss schon in der Aülage in der von uns beschriebenen Weise höchst vollkommen sein. Diese Kraft muss von Natur in ihm wohlbereitet vorliegen, damit er sowohl zur Zeit des Wachens als in der des Schlafens vom schaftenden Intellect die Teildinge erhalten kann, sei es sie selbst (direct) oder sei es im Gleichniss, dann aber auch die Intelligiblen im Gleichniss. — Sein Passiv-Intellect. (Eindruck erleidender Intellect) muss durch alle Intelligible so vollkommen sein, dass ihm nichts davon vorenthalten bleibt. So ist er dann zum actuellen Intellect geworden. Denn der Mensch, dessen Passiv-Intellect durch Annahme aller Intelligiblen [58] vollkommen geworden ist, ward eben zum actuellen Intellect und znm actuell Intelligiblen. Es ward das Intelligible in ihm selbst das, was denkt (Intelligens).— Ihm erstand dann ein actueller Intellect,, der höher steht als der Passiv-Intellect, der vollendeter und noch mehr als jener immateriell wurde, und noch naher dem schaftenden Intellect steht. Derselbe wird dann benannt »der gewonnene (erworbene) Intellect". Er steht zwischen dem Passiv-Intellect und dem schaffenden Intellect. Nichts andres liegt zwischen ihm und dem schaffenden Intellect. Der Passiv-Intellect ist also wie Stoff und Substrat für den gewonnenen Intellect und ist dieser Letztere wiederum wie Stoff und Substrat für den schaffenden Intellect. Die Denkkraft nun ist dann als eine Naturaulage Stoff und Substrat für den Passiv-Intellect, der ja zugleich auch actueller Intellect ward. Die erste Stufe, wodurch der Mensch zum Menschen wird, ist die, dass (in ihm) die natürliche annehmende und dazu wohlbereitete Grundanlage statthabe, diese dient dazu um actuell Intellect zu werden. Diese Grundanlage ist allen gemeinsam. Zwischen ihr und dem schaffenden Intellect liegen dann zwei Stufen namlich die, dass der Passiv-Intellect wirklich erstehe, so wie auch die, dass der gewonnene Intellect statthabe. Zwischen dem Menschen der sich zu der ersten Menschenstufe voll erhob und dem schaffenden Intellect liegen dann zwei Stufen. Setzt man aber den vollkommenen Passiv-Intellect und jene natürliche Grundanlage als Eins, wie man das aus Stoff und Forra Zusammengesetzte als Eins fasst, und nimmt man diesen Menschen, d. h. die Form des Menschen, als den actuell gewordenen leidenden Intellect, so ist zwischen ihm und dem schaffenden Intellect nur eine Stufe. Setzt man ferner die natürliche Grundlage als Stoff des Passiv-Intellects, diesen aber als Stoff des erworbnen Intellects und diesen als Stoff des schaffenden Intellects und nimmt man die Gesammtbeit davon wie Eins, so ist dieser Menscb als der zu betrachten, in welchem der schaffende Intellect wohnt. Findet nun dies in den beiden Teilen seiner Denkkraft, namlich der theoretischen und practischen statt, dann aber auch in seiner Vorstellungskraft, so ist dieser Mensch ein solcher der Ofienbarung empfangt, und ist es Gott der herrliche, erhabene, der ihm Offenbarung spendet und zwar vermittelst des schaffenden Intellects. Es geschieht dann, dass das, was Gott auf den schaffenden Intellect ergoss, von diesem auf seinen Passiv-Intellect emanirt und zwar vermittelst des erworbenen Intellects, und dann auch auf die Vorstellungskraft. Dann wird der Mensch durch den Erguss aus jenem Passiv-Intellect ein weiser, ein Philosoph, ein der Vollendung anhangender, durch das aber, [59] was von ihm auf seine Vorstellungskraft emanirte, ein Profet, ein Warner vor dem, was kommen wird, und ein Verkünder davon wie sich zur Zeit die Teildinge im Sein verhalten. Er ist ja in einem Sein, in welchem er das Göttliche denken kann. Dieser Mensch steht auf der höchsten Stufe der Menschheit und ist er im höchsten Grad des Glücks. Seine Seele ist vollkommen, sie ward in der von uns geschilderten Weise zu eins mit dem schaftenden Intellect. — Er vermag alles das zu tun, wodurch er das Glück erreicht und ware dies die erste Bedingung Oberhaupt zu werden ; dazu aber muss er der Sprache machtig sein um seine gute Vorstellung jedem in der Sprache, die er versteht, kund zu tun. Auch muss er dazu die Macht haben, grade zum Glück hin zu leiten, sowie auch dazu, das zu tun, wodurch man das Glück erreicht. Dabei muss er wobl sich in seinem Leibe befinden, um auch die Teildinge gut zu behandeln. XXVIII. Die Eigenschaften des Hauptlings im Musterstaat. Dieser Hauptling ist nun ein solcher, dass ihn durchaus kein andrer Mensch beherrscht. Er ist der Imam (Vorsteher), er ist der erste Hauptling der Vorzugsstadt und der Führer des vorzüglichsten Volks, das Haupt der ganzen bewohnten Erde. Auch ist es unmöglich dass dieser Zustand einem andern eigne als dem , in welchem von Natur zwölf Eigenschaften vereinigt sind, die ihm von Natur schon angeboren sind. a. Er muss seine vollstandigen Glieder haben, deren Krafte den Gliedmassen so entsprechen, dass sie das verrichten können, was durch sie verrichtet werden muss, sodass, wenn er mit einem seiner Glieder eine Function ausüben will, ihm dies leicht gelingt. b. Er muss von Natur schon ein gutes Verstandniss und eine gute Vorstellung für alles haben, was man ihm vortragt, sodass er mit seinem Verstande das, was der Sprecher bezweckt, erfasst und zwar so, wie die Sache an sich ist. c. Dann muss er das, was er verstanden, geschaut und gehort hat, kurz alles, was er erfasste, wohl behalten. Er darf kaum je etwas vergessen. d. Er muss sehr einsichtig und scharfsinnig sein; erkannte er Etwas beim geringsten Hinweis, so muss er dies gleich so erfassen, wie dies der Beweis dartat. e. Er muss sich wohl auszudrücken verstehn, seine Zunge muss alles, was er in sich tragt, vollstaudig kund tun. ƒ. Er muss Belehrung und Kenntnisse gern erwerben und leicht annehmen. Bei der Belehrung darf er nie ermüden auch darf Ermattung ihm dabei nie Schaden bringen. g. Er darf nie begierig sein [60] auf Speise, Trank und Weiber, er muss schon von Natur sich vom Spiel abwenden, und muss ihm die, daraus entstehende, Lust verhasst sein. li. Er muss die Wahrheit und ihre Leute lieben, dagegen die Liige und deren Anhanger hassen. i. Er muss hochherzig sein, dem Edelmut ergeben sein, schon von Natur muss seine Seele über alles, was schandet, erhaben sein, ja bis zur höchsten Stufe muss er sich darüber erheben. k. Dirhem und Dinar (das Geld) und alles Weltliche darf ihm nichts gelten. I. Schon von Natur muss er Gerechtigkeit und die Gerechten heben, Ungerechtigkeit aber und UnD&ill, sowie auch deren Anhanger muss er hassen. Er übe Gerechtigkeit sowohl an den Seinen als an den Andern, er muss dazu antreiben und Ersatz gewahren jedem der Unrecht erlitt, allern aber, was er als gut und schön befindet, muss er Beifall spenden. m. Er muss gerecht sein, sich wohl leiten lassen, weder widerspenstig noch hartnackig sein, wenn er zur Gerechtigkeit aufgefordert wird, dagegen muss er, wenn man ihn zum Ungerechten und Schimpflichen aufiordert, widerstreben. n. Fest entschlossen sei er zu dem, was er als notwendig erachtete, kühn geh er dabei voran, ohne Furcht und ohne Schwermütigkeit. Die Yereinigung aller dieser Eigenschaften in einem Menschen ist schwer und finden sich Münner von einer solchen Naturanlage nur bisweilen einmal, auch sie sind nur sehr selten unter den Menschen. Findet man nun einen solchen in der Vorzugsstadt und finden sich bei ihm , nachdem er gross geworden, von diesen vorerwahnten Bedingungen sechs oder fünf noch ausser den, von Seiten der Vorstellungskraft herrührenden, Aehnlichen, so wird dieser der Hauptling, findet sich aber ein solcher in irgend einer Zeit nicht vor, so nimmt man die Vorschriften und Brauche, welche ein solcher Hauptling und seines gleichen als notwendig setzte, auf dass sie sich in der Stadt auf einander folgen sollen und stellt sie fest. Der zweite Hauptling, welcher dann an die Stelle des Ersten tritt, ist nun der, welcher ruit dem Ersten Geburt, Jugend und diese Bedingungen gemeinsam hat und bei dem sich, nach dem er gross geworden, folgende sechs derselben erfüllen, erstlich muss er weise, zweitens wissend sein und die Vorschriften und Brauche, sowie den Wandel der Alten, welche die Stadt leiteten wohl im Gedachtniss haben und vollstandig diesen allen in ihren Taten, sowie jene sie vollführten folgen. Drittens muss er durch eine gute Folgerung das festsetzen, wofür von den Verfahren her keine Vorschrift besteht. Er muss hierbei dem Ziel der ersten Imame nachfolgen. Viertens muss er eine gute Ueberlegung haben sowie auch die Kraft das zuergründen, was [61] er zu jeder Zeit zu erkennen hat, sowohl das Gegenwartige als auch das, was etwa neu hervorgehn könnte, worin also die Alten noch nicht erfahren waren. Er muss sich dann wohl üben um zu erkennen, wie er durch das, was er herausgebracht hat, das "Wohl des Staats begründen könne. Fünftens muss er stets das Rechte treffen, wenn er in der Rede die Vorschriften der Alten darstellt, sowie auch dabei, wenn er ausführt, was nach ihnen an Nacheifrungswürdigem geschaffen wurde. Sechstens muss er von fester Gesundheit sein, um die Angelegenheiten des Kriegs wohl zu betreiben. Das heisst er muss das, was der Kriegskunst frommt, sowohl im Dienst als in der Führung besitzen. Findet sich nun nicht ein Mann , in dem alle diese Bedingungen erfüllt sind, giebt es aber deren zwei, von denen der Eine weise ist, wahrend im zweiten die übrigen Bedingungen erfüllt sind, so sind sie Beide in dieser Statt Führer. Sind aber diese Bedingungen nur zerstreut in einer Menge zu finden, eine beim ersten, eine andre beim zweiten und sofort bis zum sechsten, und sind sie alle einander entsprechend, so bilden sie zusammen die vorzüglichen Führer. Trifffc es sich nun zu einer Zeit, dass die Weisheit nicht einen Teil dieser Führerschaft bildet, sind aber die übrigen Bedingungen dabei erfüllt, so bleibt der Musterstaat ohne König, ist aber der den Befehl dieses Staats führende Hauptling kein König, droht diesem Staat der Untergang, und trifft es sich dann, dass kein Weiser sich findet, dem man sich anschliessen kann, so wahrt es nicht lange, dass die Stadt nach einer kurzen Zeit untergeht. 7 XXIX. Die Gegensatze der Vorzugsstadt. Der Musterstaat steht im Gegensatz zum Torheits- und dem Frevelstaat, sowie auch ferner zur Yerwechslungs- und der Schadenstadt. Auch stehen mit ihr öfter einzelne Meuschen als Stellverfcreter derselben im Gegensatz. Torheitsstaat ist ein solcher, dessen Bewohner das Glück nicht kennen, auch kommt es ihnen nicht in den Sinn auf dasselbe hin den rechten Weg zu nehmen. Sie stellen das Glück weder als solches yor noch glauben sie daran. Sie kennen von dem Guten nur Etwas, von dem sie, vom Ausseren her, glauben, dass es gut sei sowie das, was man oft für das Ziel dieses Lebens halt, namlich Gesundheit des Leibes, Reichtum, Genuss an den Lusten, frei seiner Neigung zu folgen, auch geehrt und geschatzt zu sein. Jedes hiervon gilt bei den Leuten [62] der Torheitsstaaten für Glück. Das grösste und vollkommene Glück liegt aber in der Summa von allen diesen, und ist das Gegenteil hiervon das Elend, d. h. Schaden des Leibes, Armut, keine Lust zu haben, nicht frei seiner Neigung folgen zu können, ungeehrt zu bleiben. Dies verteilt sich nun auf eine Menge von Staaten. Hierkei gehort auch die Stadt der Bedürftigkeit, d. h. eine solche, deren Einwohner sich auf das Nothwendigste zu bescbranken suchen, um nur den Leib zu erbalten im Essen, Trinken, Kleidung, Wohnung und Frauen. Diese Leute stehn dann sich einander bei um dies zu erwerben. Ein Verwechslungsstaat ferner ist ein solcher, dessen Bewohner danach streben sich gegenseitig dazu beizustehn um Reichtum und Überfluss zu haben, sie benutzen den Reichtum zu Nichts andrem, vielmebr ist derselbe für sie Endziel des Lebens. Eine gemeine, elende, Stadt ist dann eine solche, deren Einwohner dem Genuss der Lust im Essen, Trinken, Weiberumgang, kurz der Lust der Sinne und Einbildung zu fröhnen suchen. Sie erwahlen sich Scherz und Spiel in jeder Weise und in jeder Art. Ein Ehrenstaat ist ein solcher, dessen Einwohner sich dazu gegenseitig beistehn, um geehrt, gelobt, erwahnt und bekannt unter den Yölkern zu sein. In Wort und Tat gelobt und hochgeschatzt leben sie in Ruhm und Glanz, sei es, dass sie von andern, sei es dass eine vom andern, ein jeder je nach dem Maass seiner Liebe hierzu oder je nach seinem Vermogen dazu geschatzt werden. Ein Überwindungsstaat ist ein solcher, dessen Bewohner andre besiegen, sich aber dagegen wehren, dass andre sie beherrschen. Ihre Mühe gilt nur der Lust, die sie durch den Sieg gewinnen. Ein Sammelstaat ist ein solcher, dessen Bewohner danach streben frei zu sein. Ein jeder tut, was er will, er wehrt durchaus nicht seiner Neigung. Die Herrscher der Torheitsstaaten sind ganz so wie ihre Staaten, ein jeder von ihnen leitet die Stadt, die er beherrscht, nur um seiner Neigung und seiner Begierde zu fröhnen. Ihre törichten Sorgen gehn dahin, so viel als möglich sich die Ziele zu setzen, die wir oben aufgezahlt haben. Der Frevelstaat ist dann aber der, welcher zwar die Ansichten der Vorzugsstadt hegt und so das Glück und Gott den Erhabnen kennt, ebenso auch die Zweitdinge, und den schaffenden Intellect sowie alles, was die Leute der Yorzugsstadt wissen und glauben, doch sind die Handlungen ihrer Bewohner die der Torheitsstadte. [63] Eine Vertauschungsstadt ist dann eine solche, deren Ansichten und Taten in alter Zeit zwar die der Vorzugsstaaten waren, sie vertauschten aber dieselben durch andre, andre Ansichten durchdrangen sie, und so verwandelte sich ihr Tun in ein andres. Die Gegensatzstadt ist eine solche, die zwar glaubte, dass nach diesem Leben das Glück folgen werde, jedoch anderten sich diese Ansichten und hegten dann ihre Einwohner von Gott, dem Allmachtigen, von den Zweitdingen und dem schaffenden Intellect verderbliche und unpassende Meinungen. Sie nahmen an, das waren alles nur Gleichnisse und Yorspiegelungen. Ihr Oberhaupt wahnte, Gott habe ihm Offenbarung gespendet, ohne dass dies sich wirklich so verhielt. So brachten sie denn nur Tauschung, Trug und Lug hervor. Die Herrscher dieser Staaten stehn somit in Gegensatz zu den Königen der Vorzugsstadt und steht auch ihre Leitung mit der Leitung jener in Gegensatz. Dasselbe gilt von allen ihren Bewohnern. XXIXb. Die Leute des Musterstaats und ihre Seelen. Die Könige des Musterstaats folgen einander in den verschiedenen Zeiten, einer auf den andern, und sind sie alle zusammen wie eine Seele zu betrachten. Es ist als waren sie alle zusammen nur ein König, der die ganze Zeit verblieb. Dasselbe gilt, wenn es sich trifft, dass eine Menge von ihnen zu einer Zeit in einer oder in mehreren Stadten existirt, sie ergeben alle zusammen gleichsam nur emen König und ist es alsob ihre Seelen nur Eine ware. Dasselbe gilt von allen Leuten eines jeden Rangs unter ihnen. Wenn dieselben auch in verschiedenen Zeiten auf einander folgen, so sind sie doch alle wie eine Seele, die die gange Zeit hindurch verblieb. Ebenso verhalt es sich wenn zu einer Zeit eine Menge solcher Leute, seis in einer seis in vielen Stadten, vorhanden ist. Ihre Seelen sind wie eine, gleichviel ob sie auf der Stufe der Herrn oder der der Diener stehn. Für die Leute des Musterstaats giebt es Dinge, die ihnen allen im Wissen und Tun gemeinsam sind, dann giebt es aber auch andre Dinge im Wissen und Tun, die einer jeden ihrer Stufen speciell eignen. Beide Arten bestehn nur dazu, dass durch sie das Glück erstehe, d. h. durch das, was dem Einen mit dem Andern zugleich gemeinsam ist, und durch das, was den Leuten der Stufe, der sie angehören, eignet. Verrichtet nun ein Jeder von ihnen dies, so erwirbt dieses Tun bei ihnen eine gute, vorzügliche Haltung der Seele; beharrt dann dieser Zustand in ihr, so gewinnt diese Haltung der Seele immer mehr Starke und Yorzüglichkeit, ihre Krafte und Vorzüge nehmen dann zu, so wie beim Beharren im guten Verrichten der Schreibkunst der Mensch eine gute Handschrift erwirbt, beharrt er dann [64] noch langer dabei, so wird sein Tun noch starker und vorzüglicher, denn es nimmt die Kraft und Yorzüglichkeit durch die wiederholte Ausübung zu. Auch wird die, dieser Haltung der Seele folgende Lust eine grössere, so wie auch des Wohlbefinden der Seele, dann wird auch die Liebe dazu grösser. Ebenso verhalt es sich auch mit dem Tun, wodurch das Glück erlangt wird, so oft es zunimmt, sich wiederholt, und der Mensch dabei beharrt, wird die Seele, die doch glücklich werden soll, starker, verzüglicher, vollkommener bis sie zu der Vollkommenheit gelangt, wo sie des Stoffs so entbehren kann, dass sie ganz frei davon wird. Dann vergeht sie bei dem Untergang des Stoffs nicht und bedarf sie bei ihrem weiteren Bestehn auch keines Stoffs. Ist aber die Seele stofffrei, unkörperlich, sind auch die von ihr dem Körper als solchem, zustossenden Zufalle hinweggehoben. Man kann dann von ihr weder aussagen, dass sie sich bewege, noch dass sie ruhe, vielmehr muss man von ihr nur solche Ausdrücke gebrauchen, welche dem Körperlosen zukommen, und so oft die Menschenseele auf etwas von dem verfallt, wodurch der Körper als ein solcher beschrieben werden kann, so ist es nötig, dies von den stofffreien Seelen zu verneinen. Das Verstandniss und die Vorstellung davon zu gewinnen ist aber schwer und nicht gewöhnlicb. Ebenso ist von dieser Seele alles hinweg zu heben, was ihr bei ihrer Loslösung vom Körper anhing und zustiess. Da es nun aber unter diesen vom Stoff sich trennenden Seelen solche giebt, deren Stofflichkeit verschieden ist, es auch klar ist, dass die Haltung der Seele den Mischungen des Leibes, den Einen mehr den Andren weniger, nachfolge, ja dass jede Haltung der Seele den Mischungen des Leibes, der Einen mehr der Anderen weniger, nachfolge, und dass jede Haltung der Seele so sei wie die Körpermischung, in der sie sich befindet, dies notwendig verlangt , so folgt denn notwendig, dass ihre Haltung sich verwandein kann und zwar wegen der Veranderlichkeit des Leibes, worin sie war, und dass, da die Veranderungen des Leibes sich bis zur Unzahlbarkeit erstrecken, auch die Veranderlichkeiten der Seele unzahlbar sind. XXX. Die Verbindung der Seelen, der Einen mit der Andern. Wenn eine Schaar dahinging, d. h. ihre Leiber zwar dahin sch wanden, ihre Seelen aber frei und glücklieh wurden, so folgen ihr andre Leute, die nach ihnen auf ihrer Stufe stehn. Sie treten an ihre Stelle und verrichten ihr Tun. Schwanden dann auch diese dahin und sind sie vergangen , kommen auch diese im Glück zu derselben Stufe jener, die voraufgegangen sind, jeder verbindet sich mit dem [65], der in Art, Quantitat und Qualitat ihm gleicht. Denn sie sind dann nicht mehr in den Körpern. Ihre Gemeinschaft, sie mag so gross sein, wie sie will, ist dann eine solche, dass nimmer eine der andern den Platz beengt, denn sie befinden sich durchaus nicht im Raum, so dass sie sich einander leiblich begegnen könnten, und ist somit die Vereinigung des Einen mit dem Andern nimmer so wie dies hier mit den Leibern statt findet. Yielmehr geschieht, wenn der einander ahnlichen getrennten Seelen viel werden, die Vereinigung der Einen mit der Andern in der Weise wie sich ein Intelligibile mit dem andern vereint. Es ist dann die Wonne jedes Einzelnen von ihnen grösser und starker. So oft danach noch eine andre dazu kommt, wird die Wonne derer, die nun dazu kommt, deshalb eine grössere, weil sie den Früheren begeguet, auch wird die Freude der Früheren bei der Verbindung der dazu Kommenden mit ihnen eine grössere. Denn jedwede Seele denkt ihr Wesen und das ihrem Wesen Gleiche vielfach. Dadurch wird die Qualitat dessen, was sie denkt, eine höhere. Es findet hier eine Vermehrung der hier Zusammentreffenden so statt wie bei der öfteren Anwendung der Schreibkunst, wenn die Schreiber lange bei der Ausübung des Schreibens verharren, der Verkehr des Einen mit dem Andern eine Zunahme jedes Einzelnen bewirkt. Das ist dann wie wenn bei der Aufeinanderfolge der Schreibacte des Schreibers seine Handschrift an Kraft und Yorzüglichkeit gewinnt. Denn bei den bis ins ünendliche Zusammenhaltenden findet eine Mehrung der Krafte jedes Einzelnen statt, sowie auch die Mehrung ihrer Freude daran im Lauf der Zeit bis ins ünendliche geht. Dies ware der Zustand einer jeden Schaar, die dahin ging. XXXI. Über die Künste und das Glück. Das Glück zerfallt in drei Klassen und zwar der Art, der Quantitat und der Qualitat nach, dies ist so wie auch die Künste bei uns sich in drei Klassen von einander abstufen. Die Unterscheidung der Künste der Art nach geschieht dadurch, dass die einzelnen Künste der Art nach verschieden sind und eine vor der anderen den Vor/.ug verdient. Dies gilt von der Weberei und Linnenproduction, der Parfümerie und dem Kehrichtwesen, ebenso gilt dies von der Tanzkunst und der Rechtswissenschaft, von der Weisheit und der Redekunst. Es stehn also die Künste auf verschiedener Stufe und sind ihre Arten verschieden. Die Kunstfertigen von einer Art sind dann in ihrer Quantitat verschieden. Nehmen wir zwei Schreiber, von denen bei dem Einen die Kenntniss von den Teilen der Schreibkunst eine grössere, bei dem andern aber seine Kenntniss nur weniger dieser Teile umfasst. Denn die Schreibkunst besteht aus einer Summa von Kenntnissen; so Wortschatz, Redekunst, gute Handschrift und etwas Rechenkunst [66]. Nun hat der Eine eine gute Schrift und weiss etwas von der Redekunst, der Andre beherrscht den Wortschatz, etwas von der Redekunst und gute Schrift, ein Andrer aber umfasst alle vier. Dann aber findet die Differenz auch in der Qualitat statt d. h. zwei umfassen Teile der Schreibkunst und zwar dieselben, doch ist der Eine starker in dem, was er beherrscht, auch ist er von grösserem Wissen. So weit ihr Unterschied in der Qualitat. Die verschiedenen Glück unterscheiden sich nun ebenfalls in dieser Weise. Bei den Bewohnern der übrigen Stadte (d. h. nicht Vorzugsstadt) ruft ihr Tun deshalb, weil es schlecht ist, schlechte seelische Grundanlagen hervor, eben so wie die Ausübung der Schreibkunst, wenn dieselbe schlecht und anders ist als sie sein sollte, dem Menschen eine schlechte, verdorbene und defecte Handschrift erwirbt und je mehr er sie ausübt, seine Schrift immer schlechter wird. Dasselbe gilt vom bösen Tun bei dem Tun der übrigen Stadte. Ihre Seelen bekommen durch schlechte Taten eine schlechte, defecte Anlage, und verharrt Einer dabei, wird die seelische Anlage immer defecter. Ihre Seelen werden dann krank, sie freuen sich dann über die durch dieses Tun erworbenen Eigenschaften, sowie die körperlich Leidenden, wie dies bei den Fieberkranken stattfindet, die wegen ihrer verdorbenen Mischung an Dingen sich ergötzen, deren man sich nicht erfreuen darf, wie etwa an gewissen Speisen, sie dagegen übel afficirt werden durch die Dinge, die lieblich sind. Sie empfinden auch beim Genuss von Süssigkeiten, die doch lieblich sind, diese nicht. Dasselbe gilt nun von den an der Seele Kranken. Durch die verderblichen Yorstellungen, die sie willentlich und aus Gewohnheit sich erwarben, halten sie schlechte Anlagen und schlechtes Tun für gut, sie werden dagegen durch schone vorzügliche Dinge übel afficirt, oder aber sie stellen sich dieselben überhaupt nicht vor. Wie es nun unter den Kranken solche giebt, die ihre Krankheit nicht kennen und mancher hierbei glaubt gesund zu sein, auch sein Glaube daran so stark wird, dass er auf das Wort eines Arztes gar nicht hört, so ist es auch mit dem an der Seele Krankenden. Er weiss nichts von seiner Krankheit und glaubt dabei vorzüglich und von gesunder Seele zu sein. Er hört gar nicht auf die Rede dessen, der ihn zurecht weist, auch nicht auf den ihn Belehrenden und den ihn in Ordnung Bringenden. XXXII. Die Bewohner dieser Stadte. Bei den Bewohnern der Thorheitsstadte bleiben die Seelen unvollkommen und bedürfen dieselben zu ihrem Bestehn notwendig des Stoffs, da sich in ihnen durchaus noch nicht der Grundzug eines wirklichen Wesens durch irgend ein Urintelligibile ausgepragt hat. Schwindet dann der StofF, auf dem ihr Bestand beruhte, so schwinden auch die Krafte, durch die der Bestand dessen, was verganglich ist, stattzufinden pflegt, und bleiben dann nur die Krafte, durch die der Bestand des Bleibenden stattfindet. Wenn auch dies vergeht und zu Etwas anderem sich auflöst, wird wiederum das, was übrig bleibt, zu einer Form für das, wozu sich der bleibende StofF auflöste. So oft es sicK nun hiernach zufallig trifft, dass sich dieses wiederum zu Etwas andrem auflöste, so wird das, was bleibt, zu einer Form für das, wozu jenes sich auflöste, bis auch dies sich in die Elemente auflöst. So wird denn das, was zuletzt noch bleibt, Form derElemente. Hiernach folgt erst das Ding, was grade aus diesen Teilen der Elemente, in welche jene sich auflösten, hervorging. Trifft es sich nun, dass diese Teile sich so mengen, dass ein Mensch daraus hervorgeht, so bildet sich dies von Neuem zu einer Anlage eines Menschen aus, trifft es sich, aber, dass es sich so mischt, dass daraus eine andre Art von Creatur oder Nichtcreatur sich bildet, wird dies wiederum zu einer Form hierfür. Diese vergehen dann und werden sie zu Nichts, wie dies bei den Grosstieren, Raubtieren und Schlangen eintritt. Bei den Bewohnern des Musterstaats aber gilt, dass durch die seelischen Anlagen, die sie von den Ansichten der Vorfahren erwarben, ihre Seelen vom Stoff und den schlechten seelischen Anlagen, die man durch übles Tun erwarb, frei wurden. Wenn aber sich dies letztere mit den Eigenschaften der Früheren verbindet, sie trübt, und der Seele entgegentritt, dann widerfahrt derselben ein grosser Schaden. Auch widerstehn jene Eigenschaften diesen und erwachst auch hieraus grosser Schaden, so dass diese Zwei grosse Schaden zusammen die Seele treffen. Denn den von dem törichten Tun hervorgehenden Eigenschaften folgt in Wahrheit ein grosser Schaden im denkenden Teil der Seele nach, nur weiss dieser Teil nichts von demselben, [68] weil er mit dem, was die Sinne ihm zubringen, beschaftigt ist. Ist derselbe aber allein, frei von den Sinnen, so weiss er wohl, was für ein Schaden die Folge dieser Eigenschaften ist, dann macht die Seele sich frei vom Stoff und steht sie allein frei von den Sinnen, und von allen auf sie von aussen herabkommenden Dingen da, so wie etwa der Betrübte, wenn die Sinne auf ihn wirken, nicht vort dem, was ilin betrübte, belastigt wird, er nichts davon weiss, bis dass, wenn er frei von den Sinnen ist, ihn der Schaden wieder von Neuem trifft. Dasselbe gilt von dem Kranken, der Schmerz empfindet. Ist derselbe mit den Dingen beschaftigt, so ist entweder sein Schmerz gering oder er weiss wohl auch gar nichts von dem Schaden, ist er aber ohne die ihn beschaftigenden Dinge, so wird er sich des Schadens bewusst, und kommt ihm derselbe immer aufs Neue zu. Dasselbe gilt nun auch von dem denkenden Teil, so lange derselbe mit den ihm zukommenden Wahrnehmungen beschaftigt ist, weiss er nichts von dem Schaden, der aus den schlechten Eigenschaften entspringt bis er, wenn er vollstandig für sich allein und ohne die Wahrnehmungen ist, sich des Schadens bewusst wird und ihm der Schaden derselben deutlich wird. So bleibt er denn immerfort im grossen Schaden. Wenn dann einer von den auf seiner Stufe sich befindenden Leuten sich mit ihm verbindet, so wird der Schaden eines jeden der beiden durch den Genossen nur noch grösser, denn bei den einander sich immerfort Zusammenschliessenden ist die Mehrung ihrer Schaden im Lauf der Zeit ohne Ende. Hierin besteht aber das Elend als Gegensatz des Glücks. Die Leute der Irrstaaten sind nun solche, die obwohl sie das Glück einst kannten, daran irre wurden und wegen eines der Ziele im Torheitsstaat vom Glück abkamen. Dies aber rüht von den Leuten der Frevelstadte her. Diese sind allein die Nichtswürdigen unter den Stadtleuten. Die Bewohner der Stadt selbst gehn unter und schwinden dahin je nachdem sie von dem Zustand der Torheitsleute betroffen werden. Die Leute der Vertauschungsstadt sind nun solche, denen ein Elender aus der Frevelstadt die Sache vertauschte und hhhh sie so irreleitete. Dieser war zwar nur allein aber die Andern vergingen mit ihm und schwanden sowie die Leute der Torheit. Dies gilt auch von allen, die aus einem Yersehen oder Fehler sich vom Glück abwandten. Von den Leuten des Musterstaats, die dazu gezwungen und unterjocht wurden das Werk der törichten Staaten zu tun, gilt, dass bei dem, der zum Tun von Etwas gezwungen wird, im Fall er durch dies Tun Schaden erleidet, er doch durch sein Belassen bei dem, wozu er gezwungen wird, nicht eine solche seelische [69] Beschaffenheit erreicht, die der der Vorzugsstadt entgegengesetzt ware, so dass dieser Zustand ihn dazu brachte, dass er mit den Leuten der Frevelstadt gleichstande, denn ihm schaden diese Taten, die ihm zuwider sind, nicht. Dem Mann der Yorzugsstadt aber kann dies nur begegnen, wenn der über ihn Herrschende einer von den Leuten der Stadte ist, die der Vorzugsstadt entgegengesetzt sind, und er gezwungen ist in der Heimath seiner Gegner zu wohnen. XXXII. Über das den Leuten des Musterstaats Gemeinsame. Das, was alle Leute der Yorzugsstadt wissen müssen, ist folgendes: a. Sie müssen die Erkenntniss haben von der ersten Ursache und allen ihren Eigenschaften. b. Ebenso müssen sie die Eenntniss von den, vom Stofl getrennten (immateriellen), Dingen haben sowie die von ihren Eigenschaften und Specialitaten und ihren Stufen d. h. vom Immateriellen hinauf bis zum schaffenden Intellect. Ebenso e müssen sie auch die Kenntniss von den Wirkungen derselben baben. c. Sie mussen die himmlischen Substanzen kennen und wissen f wie eine jede derselben zu beschreiben ist. d. Ferner mussen sie, die Naturkörper unterbalb derselben kennen, wie dieselben entstehn und vergebn. Alles was von ibnen seinen Lauf nimmt, tut dies nach den Entscheiden (der Gestirne) in der Sicherbeit, Vorsorge, Gerecbtigkeit und Weisheit (Gottes). Hierbei giebt es kein Versehn, keinen Defect oder Ungerecbtigkeit irgend wie. e. Dann mussen sie das Sein des Menschen kennen, wie namlich die Krafte der Seele in ibm entstehn, wie der schaffende Intellect auf ihn den Strahl ergiesst, auf dass das Urintelligibile (Grundsatze), der Wille und die Freiwahl in ihm erstehe. ƒ. Die Kenntniss vom Oberhaupt und wie die Offenbarung (an ihn) stattfindet. g. Die Kenntniss von den Hauptlingen, welche das Oberhaupt vertreten mussen, wenn einmal ein Oberhaupt nicht da ist. li. Die Kenntniss vom Musterstaat, seinen Bewohnern und dem Glück, zu dem ihre Seelen gelangen. i. Yon den dem Musterstaat entgegengesetzten Staaten. Tc. Wohin die Seelen dieser Yölker nach dem Tode gelangen. Die Einen zum Glück, die andern aber zum Nichtsein. I. Yon den Mustervölkern und ihrem Gegenteil. Alle diese Dinge erkennt man auf eine von zwei Weisen. Einmal namlich pragen sich dieselben den Seelen so, wie sie vorhanden sind, direct ein oder es geschieht dies (indirect) durch Analogie oder im Gleichniss. Dies letztere findet dadurch statt, dass in ihren Seelen, jenen ahnliche, Abbilder entstehn. Gelehrte der Yorzugsstadt sind nun diejenigen, welche alles dies durch Beweis und die Einsicht ihrer Seelen erkennen, die aber, welche den Gelehrten nahe stehn, erkennen dies alles, so wie es [70] in der Einsicht der Gelehrten vorhanden ist dadurch, dass sie ihnen dann Folge leisten, ihre Aussprüche für wahr halten und ihnen vertrauen. Die Übrigen aber erkennen dies alles nur im ahnelnden Gleichniss, denn sie haben nicht die Beschaffenheit in ihrem Geist, die Dinge, so wie sie vorhanden sind, zu verstehn weder von Natur noch durch Gewohnheit. Beide Weisen sind nun wohlbekannt. Nur beherrscht der Gelehrte ohne Zweifel die vorzüglichere, von denen aber, die nur im ahnelnden Gleichniss erfassen, kennen die Einen diese Dinge in nahe liegenden, die andren in etwas ferner liegenden, und andre in noch ferner liegenden , ja andre in sehr fern liegenden Gleichnissen. Es werden nun diese Dinge bei allen Yölkern, auch bei den Bewohnern einer jeden Stadt, in den Gleichnissen, die bei ihnen immer als die bekanntesten gelten, erfasst. Öfter aber differiren hierin sehr viele oder doch Einige, so dass dieselben bei einem jeden Volk einem andern Dinge als bei dem anderen Volk gleich gesetzt werden. Deshalb ist es denn auch möglich, dass die Mustervölker und Musterstaaten in Secten sich spalten, wahrend sie doch allesammt nur ein und dasselbe Glück und ganz dieselben Ziele erstreben. XXXIIIb. B eweis und Gleichniss. Unter den allen gemeinsamen Fragen giebt es solche, welche durch Beweise bekannt sind und unmöglich irgend eine Gelegenheit zum Widerstreit geben, auch nicht in der Weise der Sophisterei (des Trugschlusses) und die selbst dem weniger Einsichtsvollen klar sind. Dergleichen fallt somit nur den Streitsüchtigen , nicht aber dem eigentlichen Wesen des Dings an sich zur Last. Was aber an sich nicht erfasst wird, wird dagegen nur durch ahnelnde Gleichnisse erkannt. Hierbei giebt es Puncte des Streits, wenige, oder mehrere, bei den Einen sind die streitigen Puncte klarer, bei den andern verborgener. Nun ist es nicht ausgeschlossen, dass es unter denen, die diese Dinge nur im ahnelnden Gleichniss kennen, solche giebt, die bei den strittigen Puncten in diesen Gleichnissen Halt machen und dabei stehn bleiben. Hierbei giebt es nun verschiedene Arten, namlich a. solche, die den rechten Weg suchen. Wenn bei Einem von ihnen irgend Etwas (ein Gleichniss) als falsch erscheint, so erhebt er sich zu einem andern, das der Wahrheit naher liegt und bei dem dieser Widersprach nicht statt findet. Begnügt er sich dabei, so lasst er es dabei bewenden. Wenn aber auch dies dann ihm für falsch gilt, so erhebt er sich wieder auf eine andre Stufe. Begnügt er sich damit, so hat es wieder damit sein Bewenden. So oft aber dann wieder ihm ein Gleichniss irgend einer Stufe falsch erscheint, steigt er auf zu einer höheren, und sind alle Gleichnisse sich ihm als falsch darstellend, so liegt darin für ihn ein Hinderniss bei der üblichen Wahrheit stehn zu bleiben und sich auf die Stufe der Traditionsgelehrten zu stellen. Wenn er sich dabei also nicht [71] begnügt, und er sich weiter zur vollen Weisheit sehnt, so liegt eben darin, dass ihm diese verwehrt ist, die Kenntniss von derselben. b. Bei einer andern Art dieser Leute liegen dagegen irgend welche törichten Ziele vor, wie Ehre, Reichtum, Lust am Besitz und dergleichen. Sie wissen zwar, dass die Gesetze der Yorzugsstadt dies verbieten, deshalb aber treten sie heran an die Ansichten der Yorzugsstadt und suchen dieselben insgesammt für falsch zu erklaren, sei es dass hier nur Gleichnisse für das Wahre vorliegen, oder dass das, was ihnen davon geboten wird, volle Wahrheit ist. Bei den Gleichnissen nun kann man, urn sie als falsch darzustellen, zwei Weisen an wenden. Die Eine der Beiden ist der Art, dass es an ihnen wirklich Stellen des möglichen Widerspruchs gibt, dann aber kann man auch zweitens Sophisterei uud Wahrheitsfalschung anwenden. Bei der Wahrheit selbst aber kann man nur Sophisterei und Falschung anwenden. Das alles aber geschieht, damit nicht Etwas ihr törichtes und schimpfliches Ziel verhindern möge und darf man diese Leute nicht als Teilnehmer der Yorzugsstadt betrachten. Dann aber giebt es noch andre Leute, die alle Gleichnisse als falsch behandeln und zwar deshalb, weil es in ihnen strittige Puncte giebt und sie selbst dazu noch ihr Yerstandniss verschlechtern und von dem, was an den Gleichnissen wahr ist, ab und in die Irre gehen, so dass bei ihnen auch das, was gar keine Streitpunkte darbietet, für falsch gilt. Selbst wenn diese sich zu der Stufe der Wahrheit so erheben, dass sie dieselbe erkennen könnten, so führt sie doch ihr schlechtes Yerstandniss davon ab und so in die Irre, dass sie sich die Wahrheit anders vorstellen als sie ist und meinen sie dass das, was sie sich davon vorstellen, das sei, was für sich die Wahrheit beanspruchen könne. 8 Wenn sich dann diese Meinung bei ihnen als falsch herausstellt, so glauben sie grade das, was als Falschung sich darstellt, das sei wahr und könne die Wahrheit beansprucben, nicht aber das, was sie vorher dafür hielten. Daan hegen sie deshalb die Meinung: es gabe überhaupt keine Wahrheit, der aber welcher meine, dass er einen Weg zur Wahrheit habe, sei betört, und der, vod dem man behaupte, er könne den Weg zur Wahrheit finden, sei ein Betrüger und Falscher, der durch seine Rede nur eine Herrschaft oder sonst etwas zu gewinnen suche. Eine Schaar von diesen Leuten kommt nun dazu, dass sie ganz verwirrt werden. Andren leuchtet so Etwas wohl wie von ferne ein oder es kommt auch einem Menschen wohl wie im Schlaf zu, dass die Wahrheit zwar vorhanden sei, doch meinen sie, dies stehe ihnen zu fern um es zu erreichen und zwar aus Gründen, deren man nicht Herr werden könne. So unternehmen sie dann das, was sie erfassten, als falsch zu erklaren und halten sie das dann nie für wahr. Spater aber weiss ein solcher oder meint er doch das Wahre zu erfassen. XXXIV. Die Ansichten der Leute im Torheitsund im Irrstaat. Torheits- und Irrstaaten entstehn nur dann, wenn die Satzung [72] auf einige alte, schlechte Ansichten begründet wird. So behaupten Einige und sagen aus. Wir meinen dass das von uns hier Bezeugte, das Yorhandene, einander entgegen gesetzt sei und jedes Einzelne derselben das Andre zu vernichten strebe. Ferner sehn wir, dass jedes dieser Dinge hier, wenn es ms Sein trilt, mit seinem Sein zugleich auch mit Etwas begabt wird, wodurch es sein Sein vor der Vernichtung schützt, so wie auch mit Etwas, wodurch es von seinem Wesen die Tat des Gegensatzes abwehrt, und das nur dadurch sein Sein seinem Gegensatz gegenüber ermöglicht werde. Auch werde es mit Etwas begabt, wodurch es seinen Gegensatz zunicht macht, den Körper desselben sich der Art nach ahnlich setzt, und dadurch im Stand ïst alles, was ihm zu seinem besten Sein und ewigen Bestehn nützlich ist, zum Dienst zu zwingen. Vielen von diesen werde etwas verliehen, wodurch sie sich alles dessen, was ihnen sonst verwehrt sei, bemachtigen könnten. So werde ein jedes Gegenteil von seinem Gegenteil und allem, was ausser ihm ist, in den Zustand versetzt, dass es uns scheint, dass ein Jedes derselben das sei, was erzielt wird, oder dem allein es gestattet ware, zum vorzüglichsten Sein zu gelangen, nicht aber dem Andern. Deshalb werde es ihm verliehn alles, was ihm schadlich oder unnütz ist, zunicht zu machen, so wie auch dass er sich alles, was ihm zum besten Sein von Nutzen ist, in Dienst stelle. Denn wir sehn es ja, dass viele Tiere auf viele andre losspringen und diese zu verderben und zu vernichten suchen, ohne dass sie dadurch einen offenbaren Nutzen hatten. Somit ist es, als ob diese Tiere darauf hin geschaffen waren, dass ausser ihnen nichts andres in der Welt vorhanden ware, oder dass die Existenz von allen ausser ihnen ihnen schadlich ware, d. h. das Sein des Andren ihnen als ein schadliches gesetzt ware und es für sie nichts gebe, was schlechthin vorhanden ware. Dann aber müsste ein jedes der Beiden, wenn es eben die Vernichtung nicht erstrebt, suchen, das Andre zu sei- nem Nutzen in Dienst zu nehmen und würde eine jede Art zur andern in diesem Verhaltniss stehn, auch würde bei Vielen von ihnen jedes lndividuum zu jedem andern Individuum seiner Art in diesem Zustand sein. Das hier Vorhandene würde dann dazu bestimmt sein mit einander zu ringen und zu kampfen, so dass dann der Überwinder von vollendeterem Sein ware als der andre. Der Sieger müsste dann immerfort den andern entweder vernicbten, denn es laege ja in seiner Natur, dass die Existenz dieses Andren ein Mangel und Schaden für die seinige ware, oder er müsste den andern zu seinemDiener und Sclaven machen, denn er inüsste doch hierbei meinen, dass die Existenz des Andern nur seinetwegen da ware. Auch müsste er dafür halten die Dinge verliefen ohne die rechte Ordnung und die Stufen des Seins waren nicht wohl erhalten. Auch müsste er glauben dass jedem Einzelnen etwas ihm nicht Zukommendes anhinge, da jenes ja ein Sein hatte, das an sich ein solches nicht ware [73]. Dies tritt nun an dem Vorhandenen als ein solches hervor, was wir mit Augen sehn oder im Denken erkennen. Hiernach aber behaupten andre dieser Zustand liege in der Natur des Vorhandenen und sei dies eine Grundanlage derselben. Das was die Naturkörper ihrer Natur nach taten, sei eben das, was die Creatur mit ihrem Willen, ihrer Freiwahl und Überlegung tun müsste. Sie meinen: Die Staaten müssten somit mit einander ringen und gegen einander toben, es gabe unter ihnen weder Stufen noch Ordnung noch eine Würdigkeit, die einer vor dem Andern voraus hatte, sei es wegen einer Gnadengabe von Gott oder etwas anderem. Ein jeder Mensch stelie allein da um mit dem ihm verliehenen Gut es zu erstreben, dass er den Andern zu überwinden suche und zwar mit allem, was ihm gutes zukam. Denn derMensch, der am meisten Macht bei allem, was er erstrebt, entwickle, sei eben der Glücklichste. Es erstehn hieraus viele (törichte) Ansichten in den Staaten. Andre Leute meinen dagegen, es gebe weder ein aus dem Wege gehn noch ein Zusammengehn, weder von der Natur noch dem Willen her, es müsse jeder Mensch jeden andern verkürzen, und jeder den andern meiden. Nur aus Zwang könnten zwei zusammen sich verbinden und nur aus Noth mit einander zusammen kommen und ware beider Gemeinschaft immer nur eine solche, dass der Eine der Ueberwinder, der Andre der Überwundene ware und würden sie durch etwas, was von Aussen sie trifft, gezwungen, zusammen zu kommen und sich zu verbinden. Dies könne also nur so lange stattfinden, als Bedürfniss vorhanden, und zwar so lange als von Aussen her jenes auf sie eindringt und sie beide hierzu zwingt. Hört dies aber auf, müssten sie einander meiden und sich trennen. Dies aber sei die Raubthierkrankheit unter den menschlichen Ansichten. Andre aber behaupteten und zwar deshalb, weil sie einsahn, dass der Alleinstehende sich das, dessen er bedarf, nicht leisten könne, es sei denn er hatte Helfer und Beistande, von denen ein jeder ihm einen Teil seines Bedarfs Hefere, die Yereinigung müsse stattfinden. Dann aber meinen einige von ihnen, dieselbe müsse durch Gewalt zu Stande kommen und zwar dadurch, dass der, welcher der Helfer bedürfe, andre Leute bezwange und zu seinen Selaven mache. Sei dies geschehn, bezwange er wieder andre und nehme diese in seinen Frohn. Es dürfe somit nimmer sein Helfer ihm gleichstehn, vielmehr müsse derselbe als der von ihm Überwundene dastehn. So geschehe es, dass der an Leib uud Waffen Starkere einen anderen so bezwange, dass er mit dem von ihm Gebandigten Einen oder mehrere Andre überwinde, dann bezwange er mit diesen wiederum andre, bis diese alle als seine Helfer wohl geordnet waren. [74] Hatte er aber alle beisammen, so gebrauche er sie als Werkzeug um sie nach seinem Willen zu verwenden. Dagegen meinen aber andre, es sei hierbei die Verbindung, Neigung, Übereinkunft anzuwenden, jedoch hegen sie über diese Verbindung verschiedene Meinungen, denn die Einen behaupten diese Verbindung ware in der gemeinschaftlichen Abstammung von einem Vater begründet und sei dieselbe dazu da um eine Zusammenkunft, Vereinigung, gegenseitige Zuneigung und Vertretung zu bewirken und dann andre zu überwinden, es sei also zu verhihdern, dass andre sie unterwürfen. Dagegen beruhe die Trennung und das Auseinandergehn der Leute auf der Yerschiedenheit der Vater und gebe stets der gemeinsame Vater den speciellsten und zunachstliegenden Grund her um eine feste Verbindung mit Notwendigkeit zu begründen. Dagegen bewirke ein nur allgemeiner Grund stets eine nur schwachere Verbindung und das gehe so fort bis zu dem allgemeinsten und fernliegendsten Grund, wo dann diese Verbindung ganz abgeschnitten sei, und sich die Leute einander mieden. Wenn dann eine Noth von aussen auf sie einstürmt oder ein Uebel sie plötzlieh trifft, so können sie dem nicht wehren, es sei denn dass viele Gemeinschaften sich zur Abwehr verbanden. Dagegen meinen Andre, es beruhe diese Verbindung allein nur auf der gemeinsamen Abstammung. Darauf nam- ich, dass die mannlichen Sprossen der einen Schaar sich mit den weiblichen einer andern Schaar, und ebenso die weiblichen dieser Letzteren sich mit den mannlichen jener verbanden d. h. also auf Verschwagerung. Andre meinen die Verbindung beruhe im gemeinschaftlichen überhaupt, welches die Leute zusammenbringe und so regiere, dass sie siegen und dadurch eins jener heidnischen (d. h. sinnlichen) Güter erwürben. Dagegen behaupten andre, die Verbindung beruhe im Vertrauen, gegenseitigen Bund und Versprechen, so dass ein jeder schon alles von selbst hergebe und so die Andern weder meide noch betrüge. Ihre Hande waren dann dazu verbunden um andre zu überwinden und die ihnen von anderen drohende Unterwerfung abzuwenden. Dann meinen andre die Verbindung beruhe in der Aehnlichbeit der Charaktere und natürlichen Anlagen, so wie in der gemeinschaftlichen Sprache und Rede, dagegen trenne sie die Verschiedenheit derselben. Das gelte für alle Völker und müssten sie danach bei allem, was bei ihnen vorkame, aus einander gehn und von den Anderen sich trennen. Die Völker unterschieden sich somit eben nur durch diese drei Dinge. Noch andre meinen, die Verbindung beruhe in der gemeinsamen Heimat und den gemeinschaftlichen Wohnsitzen, doch sei die speciellste Verbindung die in der Heimat, dann folge die Verbindung derer in derselben Strasse, dann die derer in demselben Hause. Deshalb unterstützten sich die Nachbarn, d. h. die welche Strasse und Haus gemeinschaftlich hatten, dann folge erst die Gemeinschaft in der Stadt und die des Landstrichs, in dem die Stadt liegt. Auch hierbei gebe es Dinge, [75] bei denen man glaube, es müsse noch eine Teilverbindung zwisclien einer kleinen Gemeinschaft, einer Hand voll Leuten oder auch nnr von Zweien, so lange sie bei einander waren, geben, also etwa gemeinsame Speise, die genossen oder gemeinsamer Trank, der getrunken würde. Dann gebe es ferner noch eine Gemeinsckaft des Gewerks, so wie eine solche bei einem plötzlich eintretenden Übel, besonders wenn die Art derselben dieselbe sei. Man komme dann zusammen und sei der Eine der Trost des Andern. — Auch giebt es noch eine Gemeinschaft im Vergnügen und einen Zusammenschluss in unsicheren Gegenden, denn da bedürfe der Eine des Andern. Dies tritt nun besonders bei Reisegesellschaften (Caravanen) ein. XXXV. Ueber die Gerechtigkeit. Man behauptet dass, wenn von den Schaaren in diesen Yerbindungen eine von der andern sich scheidet, sei es nun Stamm vom Stamm, Stadt von Stadt, Genossenschaft von Genossenschaft, Gemeinde von Gemeinde, so sei dies ebenso wie wenn sich jeder Einzelne von dem Andern trenne, denn es gebe keinen Unterschied dafür ob sich jeder Einzelne vom andern, oder ob eine Schaar sich von der andern scheide. Dann aber müssten sie sich beide einander zu überwinden suchen und gegen einander toben. Der Grund, warum sie mit einander stritten, sei Heil, Ehre, Reichtum, Lust, so wie alles das, wodurch man hierzu gelange. Es müsse somit eine jede Schaar alles, was die andre hatte, zu rauben und sich anzueignen suchen, und stehe ein jeder hierbei zu dem Andern in demselben Verhaltniss. Die Schaar nun, welche hierbei die andre über- winde, sei die erobernde, die siegreiche und die glückliche. Auch liege dies Alles schon in der Natur, sei es in der eines jeden Menschen, sei es in der einer jeden Schaar und folge dies aus den Anlagen der natürlichen Dinge. Die Grundanlage von allem sei aber das Ebenmaass (Gleichgewicht , Gerechtigkeit). Somit beruhe denn dieses Geistgewicht in der gegenseitigen Uberwindung und bestehe darin, dass nun etwa der Eine der Siegreiche sei, der Andre aber überwunden werde, seis dass dies geschehe noch mit heilem Leibe (d. h. als Gefangener) oder so, das derselbe untergeht und stirbt. Dann bleibt der Sieger allein im Sein. Oder aber der Besiegte wird gegen seinen Willen unterjocht, dann verbleibt er als ein Geringer, zurn Frohn Gezwungener und nahm ihn die siegende Schaar so in Dienst, dass er das dem Sieger Nützliche verrichte und dieser das Gute erreiche und behalte, weshalb er Krieg führte. Es sei somit auch in der Gerechtigkeit begründet, dass der Sieger vom Besiegten Dienst verlange und der Besiegte das verrichte, was dem Sieger nützlich sei. Dies alles zusammen bilde [76] das natürliche Gleichgewicht und bestehe auch darin alle Yorzüglichkeit. Dieses Tun ware auch das vorzüglichste und kame somit das Gute der siegenden Parthei zu. Auch müsse für den Sieg der Starkere und Machtigere mehr von diesen Gütern hier erhalten, der Geringere aber weniger. Ist das errungene Gut die Ehre bekommt eben der Würdigere mehr Ehre, besteht dasselbe in Geld, bekommt er davon mehr und gilt dasselbe von den übrigen Gütern. Auch liegt dies alles in dem natürlichen Gleichgewicht. Was man sonst mit dem Wort «Gerechtigkeit» benannt und wie man dasselbe beim Kauf und Yerkauf, bei der Wiedergabe der Depositen und dass man weder zürnen noch ungerecht sein dürfe, dies alles geht somit aus Furcht oder Schwache, oder aus einer von aussen eindringenden Noth hervor. Dies verhalt sich etwa so, dass es zwei Personen oder zwei Schaaren gebe, die, in ihrer Kraft einander gleich, sich gleichsam in der Übermacht abwechseln. Das wahrt dann zwischen ihnen lange, und erprobt jeder derselben Beides, bis die Sache in einen nicht mehr ertraglichen Zustand gelangt. Dann kommen beide zusammen, teilen unter sich gerecht nnd lasst ein jeder von Beiden dem andern einen Teil von dem, warum sie sich stritten. So blieben denn die Merkmale davon und stellt ein jeder von beiden dem andern die Bedingung, es solle Keiner das, was in den Handen des andern ware, sich anzueignen sucben, es sei denn unter gewissen Bedingungen. Darauf hin machten denn beide Frieden und entstanden so die beim Kauf und Yerkauf gesetzten Bedingungen. Dem stehen dann nah die Edelgaben, die Unterstützungen und dergleichen. Somit entstehe dies alles nur deshalb, weil einer dem andern gegenüber hierbei sich schwach fühle und Furcht vor dem andern hege. Deshalb aber müssten sie gemeinschaftliche Sache machen, denn, wenn der Eine starker würde als der Andre, so würde er die Bedingungen aufheben und den Sieg erstreben. Oder aber es müsste auf beide von Aussen her ein Unheil hereinbrechen, und sie müssten dann Mittel haben dies abzuwehren. Das könnten sie aber nur in der Gemeinschaft und beim Unterlassen des Streits bewirken. So waren sie denn beide in Gemeinschaft so lange dies daure. Auch ware es zu denken, dass jeder von Beiden nach demselben trachte und es zu besitzen suche, dann sahe er aber ein, dass ihm dies nur init dem Beistand des Andern und in Gemeinschaft mit ihm gelingen könne. Dann unterliessen sie diesen Wettkampf eine Weile und standen sich einander bei. Wenn man dann lange genug aus diesen Gründen der Trennung entsagt batte und die Zeit darüber hingegangen ware [77] und Einer, der nicbt wusste, wie das früker gewesen sei, von Neuem darüber nacbdenkt, so glaubt er wobl, dass Gerecbtigkeit bei dem bier Vorhandenen herrsche. Er weiss aber nicht, dass dies aus Furcht und Schwache so ist und ist er in seinem Tun betört. Der also, welcher dergleichen ausübt, ist schwach und befürchtet, dass ihm von dem andern das begegne, was er bei sich selbst dem Andern antun möchte. XXXYI. Über die Demuth, Die Demuth besteht darin, dass man es ausspreche: Gott ordnet (regiert) die Welt, die Geistigen aber sind die, welche hier alles Tun, die Ausübung der Gottverherrlichung, Gebet, Anruf und Heiligpreisung ordnen und iiberwachen. Dem Menschen aber werde, wenn er dies tut und vielen sonst begehrten Gütern in diesem Leben entsagt und in diesem Streben beharrt, hierfür vergolten, und werde er durch herrliche Güter, die ihm nach dem Tode zukommen, entschaedigt. Wenn er aber sich um dergleichen nicht bemüht und die Güter dieses Lebens erfasst, so werde er mit vielen ihn im andern Leben erreichenden Übeln bestraft. Dies Alles besteht aber in nichts andrem als in Kniffen und Ranken, gegen die Einen und für die Andern. Es giebt somit Kniffe und Ragke für den, der zu schwach ist, sich diese Güter hier offen und energisch zabeschaffen und herrscht daber bier die List vor, dass der, der die Macbt nicbt bat um kübn dieselben mit beiden Handen zu ergreifen und mit seinen Waffen sie zu erobern, der aucb die Einsicbt und Mittel nicht hat um bei Andern Purcht zu erregen um dieselben zu zwingen alle oder doch einige dieser Güter aufzugeben, damit andre sich deren bemachtigen. Wenn nun Jemancl zu schwach ist um Gewalt bei dieser Besitzergreifung anzuwenden, so meint wohl der, welcher jene Güter festhalt, dass jener gar kein Begehr danach habe und glaubt von ihm Gutes. Dann verlasst er sich auf ihn, nimmt sich nicht in Acht, schützt sich vor ihm weder, noch beargwohnt er ihn, vielmehr bleibt das Ziel von jenem ihm verborgen und sagt man von ihm aus, sein Wandel sei gottergeben, auch ist seine Haltung und sein Aüsseres ganz so wie bei dem, der alle diese Dinge nicht für sich erstrebt. Dies wird dann zur Ursach dafür, dass man ihn ehrend behandelt, hochschatzt und alles Gute von ihm erwartet. Dann lassen sich die Seelen von ihm leiten und lieben sie ihn. Seine böse Begierde wird dann nicht getadelt, sondern es gilt bei allen das Schlechte, was er ausführt, für gut und er kommt so dazu, dass alle ihn ehren und sich von ihm beherrschen lassen. Er erlangt Geld, erreicht seine Vergnügen und Gutes. Alles dies dient eben nur hierzu. Das ist nun so wie [78] bei der Jagd auf das Wild. Einmal berubt dieselbe auf Macht und Kühnheit, ein andermal auf Tauschung und List; ebenso erringt man diese Güter durch offnen Angriff oder durch Tauschung. Es kommt vor, dass jemand oifenbar etwas andres für sein Ziel h