Die Niederlande lm Umbrach der Zeiten

Ein Buch herausgegeben im Auftrag des Reichskommissars

I. ALLGEMEINE UEBERSICHT VON DR H. KREKEL

Der Zweck dieses Buches *) wird vom Reichskommissar in einer schlichten aber vielsagenden Formel zusammengefasst: „damit Deutsche und Niederlander den Weg zueinander finden". Dieses Streben beherrscht die Zusammenstellung und die gegebenen Aufsatze. Denn das Buch ist von Sö'hnen der beiden Völker verfasst worden, und jeder Autor hat sich bemüht zu zeigen, wie das künftige Wohl und Wehe eine gsmeinschaftliche Sache ausmacht. Die gegebenen Verhaltnisse, aussergewöhnlidh und von vorübergehender Art, haben von selber mitgebracht, dass die Führung des Unternehmens zwei Deutschen, Freiherrn du Prei u. Herrn Pressedezernenten Janke, in die Hande gelegt wurde. War es doch in erster Linie Sache, den Angehörigen des Reiches ein Bild von diesem Lande und diesem Volke zu geben. „Onbekend maakt onbemind", (unbekannt macht unbeliebt) sagt das hollandische Sprichwort. Nun, die Niederlande und die Niederlander sind es wert, geliebt zu werden. Dieses Volk mit seinem prachtigen Humor, seiner schlichten, zurückgezogenen, nicht grosstuerischen, sondern auf die Sache gerichteten Lebensweise; ein Volk, das den Reichtum wahrend drei Jahithunderte ertragen, und doch seine Sitten rein, seine Lebensfreudigkeit harmlos, seine Leistung ungestört erhalfen konnte; ein Land, das mit seinen schmucken, liebenswürdigen Stadtchen, seinen stillvollen Bauernhöfen, seinen Kanalen und Grachten zeugt von der ordnenden, hegenden und pflegenden Hand der Einwohner; und dessen Groszstadte, vom pulsierenden Leben der modernen Zeit getragen, lebendig und heiter, zugleicherzeit die tiefe Ruhe einer würdigen und ausgeglichenen Tradition atmen wir lieben es, wie sonst nichts auf der Welt, und auch die Deutschen, die darüber reden und schreiben, zeigen schon, wie sie sich von der Anmut des niederlandischen Wesens haben gefangen nehmen lassen. Davon zeugt gerade der letzte, kenntnisreiche, von einem Deutschen, Dr. Wolfgang Ispert, geschriebene Aufsatz über die Landschaft auf liebenswürdige Weise. Davon zeugt das reiche Bildermaterial, das dem Ruche beigegeben ward, und das alle die herzerfreuenden Seiten von Volk und Land, seine Starke und Ordnungsliebe, seine heimliche Grósse und die unaussprechliche, überflutende Macht seiner Natur wiedergibt. Denn das von einem immer wechselnden, bald ruhigheiteren, bald drohend gewitterhaften Himmel überwölbte Land, mit seinen feuchten, satten Farben, zugleich düster und anmutig, ist nur scheinbar lockend und zart, aber es verbirgt eine herbe, strenge Grósse und es gibt sein Geheimnis nicht dem erstbesten Betrachter preis; nur eine langere, ehrfurchtsvolle Versenkung in die Landschaft und in die Seele des ruhig schaftenden Volkes bringt die eigentlichen Wesenszüge, das Insichhalten und die stolze Bescheidenheit zur Offenbarung. Die Wahl der Bilder nun beweist, dass etwas davon auch den Herausgebem des Buches zu Teil geworden ist.

*) Die Niederlande im l'mbrueli der Zeiten. Alte und neue ziehungen zum Rgich. Im Auftrag des Reictiskommissars für die be= setzten Gebiete Reichsminister Dr. Seyssdnquart herausgegeben und bearbeitet von Dr. Max Freiherrn du Prei unter Mitwirkung von Willi Janke (1941, Konrad Triltsch Verlag, Würzburg),

Die Aufsatze in diesem Buch sind sowohl von Deutschen wie von Hollandern geschrieben worden. So ist schon dieses Buch selber die Frucht einer Zusammenarbeit, und das eiste Zeichen davon', wie diese beiden Völker den Weg zueinander gsfunden haben.

Es zeigt sich nun, dass die deutschen Verfasser, insoiern sie nicht rein sachlich darstellend vorgegangen sind, den Fleiss und die lebensbejahende Haltung unseres Volkes gerne gewürdigt und sidh voller Zuversicht über seine weitere Entwicklung geaussert haben, wahrend wir, die Hollander, eine Neigung zur Kritik zeigen. Eine solche Verteilung der Rollen ist natürlich und sie ehrte den deutschen Menschen, der sich der Würde und der Schwierigkeiten des fremden Volikes bewusst ist, wie anderseits iür den heute lebenden Niederlander die kritische Haltung gebeten ersoheint.

Bei den deutschen Autoren triift der Leser immer wieder auf anerkennende Worte, so wenn Dr. Völckers, der Beauftragte iür Rotterdam, davon spricht, wie etwas Hanseatisohes steekt in dem Wagemut und dem Betatigungsdrang des Rotterdamer Bürgers, eine Bodenverbundenheit, die erfreut: „der Rotterdamer (so fahrt er fort) glaubt an seine Stadt und deren Zukunft, er ist überzeugt, dass der grosse Seehafen in den künftigen Zeiten des Friedens eine bedeutende Aufgabe zu erfüllen hat, die er gemeinsam mit den grossen deutschen Hafen ergreifen muss." Oder wenn Graf Grote darauf hinweist wie gesund die Denkweise auf dem Lande trotz jahrelanger liberalistischer Einflüsse geblieben ist und wie die Bauern für die neuen agrarwirtschaftlichen Massnahmen Verstandnis aufbringen. Am deutlichsten aber spricht das Wort „zum Geleit" vom Reichskommissar, der 'hervorhebt, wie zwischen den beiden, germanischen Völkem, dem deutschen und dem niederlandischen, Bindungen jeder Art auf allen Gebieten des kulturellen und wirtsdhaftlichen Lebens bestehen, und wie ihre Kultur sich nie so weit von ihrer gemeinsamen Wurzel entfernt hat, dass nicht jederzeit ihre blutbedingte Gemeinschaft erkennbar ware. „Auf diesen vorhandenen Gemeinsamkeiten aufzubauen und auf die gemeinsame Wurzel zurückgehend, im Rahmen der europaischen Neuordnung neue Gemeinsamkeiten zu schaffen, ist (so schreibt er) die in diesem Raum gestellte Aufgabe.

Die besonderen ZeitveFhaltnisse haben es mitgebracht, dass die meisten Aufsatze über die heutige Lage von deutschen Mitarbeitern geschrieben wurden. Ueber die Verwaltung der deutschen Behórden, und über die Wirtsohaft, zwei wichtige Teile aus dem Ruche umfassend, wurden von den betreffenden Dienststellen sachliche Uebersichten gegeben, wahrend ein niederlandischer Beamter, der Kommissar für die Provinz Nordholland, Mr. A. J. Backer, über die Verwaltungstatigkeit der niederlandischen Behórden schreibt. In den genannlen zwei Teilen findet der interessierte Leser in Kürze alles Wichtige, was sich in dieser Uebergangszeit .an organisatorischen und wirtschaftlichen Leistungen und Fragen hervorgetan hat. Es zeigt sich, was hier schon für Arbeit von den beiden, den niederlandischen und deutschen Stellen getan ist und wie viele Arbeit noch weiterhin zu verrichten sein wird, damit Land und Volk in die neue