WILLEM MENGELBERG

H. J. J. Marinus sprach mit dem weltbekannten Dirigenten

Mengelberg 72 Jahre. Und trotzdem bereitet er aueh dieses Mal noch, wie jedes Jahr mit dem Amsterdamer Konzertgebau* deorchester die Matthauspassion von Joh. Seb. Bach vor. Diese Aufführung ist ein Ereignis, das seit Jahren schon Amsterdam nicht nur zum Mit* telpunkt des ganzen musikalischen Hollands, son* dern darüber hinaus des ganzen Kontinents machte. Deutsche, Franzosen, Englander, Belgier, Danen und sonstige machen für diese Aufführung eine spezielle Reise naeh den Niederlanden, womit dann meistens eine Fahrt dureh die herrlichen Tulpenfelder verknüpft wurde. Es gab früher Amerikaner, die auf ihrem Tripp naeh Europa nie versaumten, der Matthauspassion im Amsterda* mer Konzertgebaude beizuwohnen, wo Mengel* berg mit einem Orehester von 100 Musikern und einem Chor von 500 Sangern dieses unsterbliche Musikwerk Bachs zur einzigartigen Belebung brachte. An den drei Tagen der Aufführung, die* sesmal 16., 17. und 18. April war immer das Kon* zertgebaude völlig ausverkauft. Besueher aus aller Welt zahltcn grosse Betrage, um noch irgendwo im Korridor, auf einem herbeigeschafften Stuhl oder auf der breiten steinernen Treppe dieses grosse Werk belauschen zu können, das jeweils aueh vom Rundfunk übertragen wird.

Willem Mengelberg wurde am 28. Marz 1871 auf der Maliebaan in Utrecht geboren. In der sattigten Atmosphare seines Elternhauses empfing er den ersten musikalischen Unterricht von seiner Mutter. Seine gute Sopranstimme brachte ihn bald als Solisten in einen Kirehenchor. Der spatere Dirigent kündigte sich schon frühzeitig an, als er als 12jahriger die ersten „Pausekonzerte” für die Arbeiter seines Vaters dirigierte. Deshalb steilte sieh Mengelberg aueh vor einem Jahr ganz bereits willig der Arbeitsgemeinschaft „Freude und Ar* beit” der niederlandisehen Arbeitsfront zur Ver* fügung. Mit dem Begriff „Kunst dem Volke” ist Mengelberg seit seiner frühesten Kindheit immer ver trant gewesen. Er hat ihn sein ganzes Leben hindurch vor Augen gehalten und in die Tat um* gesetzt.

Die Frau eines Utrechter Universitatsprofes* sors entdeckte die musikalische Begabung des Knaben. Sie bildete ihn weiter aus und brachte ihn mit Brahms in Berührung. Diese Bekanntschaft wurde entscheidend für den raschen Aufstieg des jugendlichen Musikers. Als er spater im Konser* vatorium in Köln studierte, blieb die in Utrecht gelegte Freundschaft mit Brahms fortbestehen. Der jurige Mengelberg vermochte sich als Dirigent so gut in das Werk des alternden Brahms hinein* zuversetzen, besonders in die schwierige dritte

Symphonie, dass dieser zwei Jahre vor seinem Tode sein Werk dem jungen Dirigenten mit den Worten anvertraute: „Versprich mir eins, Mem gelberg, Du kennst meine Sachen. Dirigiere Du meine Musik !”

Erfolgreich hat Mengelberg im Sinne dieser hohen Verpflichtung das reiche künstlerische Erbe angetreten. Und nicht nur das Erbe Brahms hat er in alle Konzertsale der Welt heimisch gemacht, sondern fast aller deutschen Meister. Die grossen Komponisten wurden seine Freunde, wie Richard Strauss, der ihm seine Komposition „Heldenleben” widmete. Auch der kürzlich verstorbene Rachs maninoff war ein persönlicher Freund. Mengelberg war ein Lehrling von Prof. Wüllner, der von seb nem Lehrer Schindler durch vertrauten Umgang

Willem Mengelberg sucht Erholung in den Bergen