zig solcher canavaggi, die 1611 gedruckt wurden. Riccoboni schreibt 1723 dazu: „Flaminio Scala Hess seine Theaterstücke drueken, die nicht dialogisiert sind, sondern nur Exposées in Form des canevas. Sic sind so unvollkommen, dass man aueh nicht die kleinste Idee eines Dialoges daraus entnehmen kann; sic erklaren uns nur, was der Sehauspieler auf der Bühne maehen wird, die Handlung, um die es geht, sonst nichts”. Und um völlig den Wert der canavaggi darzutun, fügt er hinzu: „Sahe man an zwei aufeinander folgenden Abenden den gleis ehen canevas von der gleichen Truppe aufgeführt, man würde sicher denken, dass es sieh um zwei versehiedene Stücke handelt.” Die Aufführung bes ruhte also ledigHeh auf der sehauspielerischen Pos tenz der Truppe, die den canevas interpretierte. Selbstverstandlich haben sieh im Laufe der Zeit gewisse Gepflogenheiten herausgebildet, ganze Szenenkomplexe bekamen einen gewissen, aueh rhetorischen Umfang, gewiss bat sieh vieles von der Form zur Formel entwickelt. Von einem ges wissen Nicolo Barbieri, sagt Gozzi, sein Gediichts nis, wie das seiner Kameraden, sei angefüllt ges wesen „mit Sentenzen, Liebeserklarungen, Ants worten, Verzweiflungss und Wutausbrüchen”. Aber verkleinert das das Verdienst der Stegreifs sehauspieler oder das der commedia dell’arte ?

Aus „Balli di Sfessania” von Callot. Zwei Abarten des Arlechino im Streit.

Diese canavaggi nun wurden vor Beginn der Vorstellung hinter den Kulissen an der Wand ans gesehlagen und jedes Mitglied unterrichtete sieh von dem zu spielenden Inhalt und von der Reihens folge seiner Auftritte. Das genügte. Mit dieser Verstandigung ging der Vorhang auf. „Wer sagt: guter italienischer Sehauspieler”, so schreibt Ghes rardi,” meint einen Mann mit Begabung, der mehr aus der Phantasie als aus dem Gedachtnis spielt, der seine Handlungen so mit seinen eigenen Wors ten und denen seiner Kameraden vermahlt, dass er auf der Bühne völlig in das Spiel und die Be« wegungen sieh einsehaltet, die der andere ihm an* gibt, mit einer Art, die glauben macht, dass sie sie sehon konzertiert batten”, wörtlich: „qu’ils s’étaient déja eoncertés”, wobei wir uns jetzt des goetheschen Wortes aus dem „Wilhelm Meister” erinnern. Dass auf dieser labilen Basis überhaupt eine Theatervorstellung zustande kam, setzt zweierlei voraus: einmal ein bis zur höchsten Volh endung aufeinander eingespieltes Ensemble, zum andern, dass jeder in seinem Typ so sieher war, dass eine gleiche Kette von Assoziationen stets abzulaufen bereit war. Wir müssen uns dies Theas ter von einem Ensemblegeist besessen denken, von dem wir uns keinen Begriff mehr zu maehen vermogen. Wenn wir heute vom Ensemblegeist unserer Theater reden, so hat dies bei unserem an das Wort fixierten Theater eine gewiss zwar nicht zu unterschatzende Bedeutung, die aber nas hezu nichts zu sagen hat im Verhaltnis zur Bedeus tung des Wortes zur Zeit der commedia dell’arte. Hier war er namlich Notwendigkeit und Vorauss setzung. Einer musste auf den andern eingestellt sein, musste auf die leiseste Anregung reagieren

können, keiner durfte darauf ausgehen, sieh in den Vordergrund zu spielen. Kam es doch zuweilen vor, dass einer seine Extempores zu lange auss dehnte, so mahnte ihn ein Fingerschnalzen des Komödienmeisters hinter der Szene daran, dass es Zeit sei die Bühne zu verlassen. Dies Theas ter forderte das Ausserordentliche, und der Sehauspieler brachte es zustande. Aueh setzte diese Art Theater zu spielen eine im Niveau ziemlieh gleiehmassig beschaffene Gemeinschaft voraus. Denn das Spiel des Besten war abhangig von der geistesgegenwartigen Antwort des Parts ners. Versagte dieser, fiel er zu früh oder zu spat ein, ging eine noch so gut aufgebaute Szene in die Brüche. Bei diesem engen Aufeinandersangewies senssein kann man es daher nicht ohne Bedeutung finden, wenn sieh ganze Familien zu einem Ens semble zusammensehlossen. Der patriarchalisehe Geist einer solchen Gemeinschaft garantierte, neben anderen, wirtschaftlichen Vorteilen selbstres dend, eine künstlerisehe Zucht. Wir wissen, dass sieh riehtige Theaterdynastien bildeten, die über Generationen hinweg eine sorgsam gehütete und gepflegte Spieltradition aufreeht erhielten. Vieh fach waren diese Familien italienisehen Ursprungs. Es batte sieh sogar herausgebildet, dass die Mah lander nach Wien gingen, die Neapolitaner nach Paris. Sprachliche Hindernisse gab es nicht, oder doch kaum. Nicht nur, dass das Italienische da« mals weiteren Kreisen gelaufig war, hier zeigte sieh eben die Unabhangigkeit des Stegreiftheaters von dem Medium der Sprache.

Eine der berühmtesten dieser Truppen waren die „Gelosi”, die Heinrich 111. 1577 an den Hof von Blois rief. Wir erwahnen sie, weil ein unbes kannter Meister des 16. Jahrhunderts, der aber ein grosser in seinem Reiche gewesen sein muss, das hier gezeigte Bild von ihncn malte, das sieh heute im Museum Carnevalet in Paris befindet und das in ganz einzigartiger Weise uns einen Eins bliek in die commedia dell’arte gestattet. Da wir aus den Verzeichnissen die Namen der Schauspies ler kennen und der unbekannte Meister zugleich die Typen so eindeutig erfasst hat, vermógen wir uns das Bild vielleicht so zu deuten: Die Dame, die