kawkas, der „Herr des Kaukasus", hat 43 000 Einwdhner, ist halb europaisch, hat Theater, Parks und bepflanzte Boulevards. Viel Interessantes gibt's nicht zu :sehen, nur dass die Handwerker drausseß auf der Strasse sitzen und arbeiten, wie in Südeuropa, doch mit dem Unterschied, dass diese Handwerker, wie alle Kaukasier, schone Menschen sind, braune Schönheiten vom Arabertypus. Wir gehen auf eine Bank zu, wo drei Manner sitzen und Metallarbeiten herstellen. Sie ziselieren und treiben Beschlage zu Dolchen und Sabeln. Zierate zu Gürteln, Frauenschmucksachen. Ich kaufe einen Stock, mit dem einer der Künstler eben fertig geworden ist, er ist damasziert und mit Metall und vier grünen Steinen eingelegt. Er ist sehr billig, nur acht Rubel; die Zeichnung ist hyazintinisdh, Ich schatze ab, dass rund nermtausend Stifte und Metallsplitter in die Krükke des Stockes eingearbeitet sind.
Der Weg geht in kaum nennenswerler Steigung aufwarts. Wir fahren durch ein tiefes Tal, das undurohdringlich eng erscheint, mit gewaltigen Bergen auf beiden Seiten, wir liören kaum noch das ferne Rauschen des Terek unten in der Tieie. Der Terek ist um diese Jahreszeit nicht iief, aber er ist sehr reissend, da er ganz oben vom Berge Kasbek kommt und ein starkes Gefalle hat. Wir kommen duroh Kalkberge, der Weg ist in die Bergwand hineingeschnitten, er ist 'überdacht, und es fehlt ihm bloss die eine Wand nacl dem Terek zu, um ein Tunnel zu sein. Die Lufl ist voll von fürohterlichem Kalkstaub, der Staub steht ganz still xmd trübt die Luit und legt sich auf Brillenglaser und Fernglas. Die Bergwand, auf der wir Aussicht halten ist fast bis oben hinauf mit Gebüsch, Wacholdergestrüpp und niedrigem Nadelholz, bewachsen..
Wir kommen nach der ersten Bergstation Balta, WO wir vorbeifahren. Aus den Beschreibungen, die ich gelesen habe, wusste ich, dass hier bei Balta die Berge anfangen sollen. Als hatten wir bis jetzt keine Berge gehabt 1 Die Landschaft verandert sich, wir seheii durch eine gewaltige Kluft, deren Seiteii in den Himmel hineinragen, Schneeberge in der Ferne, aber sowohil zur Rechten wie zur Linken sind die Berge grün; keine Baume, keine Büsche, nur
Grasnarbe. Und über den Gipfeln kreisen Adler. Wir haben heute schon viele Adler gesehen. Jedesmal, wenn wir solche nackte Berge hinter uns haben, kommen wir an andere, die bis oben hinauf struppig sind von Busóbgewachsen. Das ist eine Eigentümlichkeit Kaukasiens. Wahrend der eine Berg bis zum Gipfel hinauf grün ist, ohne einen ©inzigen Busch, ist der Nachbarbsrg von üppigster Vegetation bekleidet.
n tt , ™ auch Raichsminister Dr. Seyss-Inquart (im Bilde links) beiwohnte, wahrend dar Eröffnunc?
Von jetzt an steigt der Weg stark, wir fahrell mit kleinen Zwischenraumen immer im Sdhritt. Wir kommen an die Station Lars, die von über tausend Meter hohen Bergen umgeben ist. Der Weg geht jetzt im Zickzack, jegliche Aussicht ist versperrt, wir sehen nichts mehr vor uns, nichts mehr hinter uns, wir sehen nur Karnés Rücken und Kopt. Hier und da liegen am Wegrande Manner imd sohlafen; es slnd wohl Arbeiter, die den Weg aufischottern und ausbessem, aber sie machen sich gute Tage. Sie sind auf tscherkessische Art gekleidet, aber die Waifen haben sie vom Gürtel abgehakt. Wie wir sehen, sind alle, die uns auf dem Weg über die Berge begegnen, in tscherkessische Tracht gekleidet, ohne jedoch Tscherkessen zu sein, auch Tataren, ja selbst Russen kleiden sioh so. Tscherkessen gibt es hier gar nicht; die metsten sind nach der Türkei ausgewandert, lnachdem die Russen sie besiegt hatten, die, die zurückblieben, wohnen oben in Cirkaukasien, im Flusstale des Kuban, und ein Stamm, die Karbaden, wohnt nördlich von WladikawA—■.
Die Steigung nimmt zu, die Berge schUessen sich dichter und dichter um uns, es ist, als sei alle Hoffnung zu Ende, nur gerade über unsern Köpfen ist ein Stückchen Himmel sichtbar. Das wirkt beklemmend auf uns, und wir schweigen überwaltigt. Plötzlich, bei einer starken Wegbiegung, öffnet sich zur Rechten eine machtige Schlucht, und wir sehen ganz naihe vor rms den Eisgipfel des Kasbek mit seinen Gletschern, die in der Sonne weisse Funken sprühen. Da steht er, uns dicht auf den Leib gerückt, still und hoch und stumm. Ein seltsames Gefühl durchzuckt uns, der Berg steht da, wie von den anderen Bergen heraufbeschworen, und sieht uns an wie ein Wesen aus einer anderen Welt.
De Nederlandsch-Duitsche Kultuurgemeenschap = Die Niederländisch-Deutsche Kulturgemeinschaft. Geraadpleegd op Delpher op 25-01-2021, http://resolver.kb.nl/resolve?urn=MMKB16:002387014:00001